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III.

Ueber

die Fürstin Woizlava,

Gemahlin des Fürsten Pribislav von Meklenburg,

und

die Kapelle zu Althof,

von

G. C. F. Lisch.


Mit 2 Tafeln in Farbdruck und 1 Holzschnitt.


1. Bauzeit der Kapelle zu Althof.

D ie kleine Kapelle zu Althof bei Doberan, deren Geschichte in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte II, S. 1 flgd. so genau wie möglich erforscht und dargestellt ist, galt in ihrem Ganzen in neuern Zeiten für das älteste Gebäude in Meklenburg=Schwerin, da hier das Christenthum zuerst Wurzel geschlagen hat, - obgleich schon im Jahresber. VII, S. 60, gesagt ist, daß die Kapelle durch die verschiedenen Restaurationen im Laufe der Zeit so sehr gelitten habe, daß sich ein alter, bestimmter Baustyl nur mit Mühe herausfinden lasse. Im Frühjahr 1851 unterwarf ich, nach gewonnener reiferer Erfahrung in den Eigenthümlichkeiten des meklenburgischen Ziegelbaues, die Kapelle noch einmal einer sorgfältigen Prüfung und muß in Folge derselben bekennen, daß das Gebäude in seinem Ganzen und in seiner jetzigen Gestalt aus der Reihe der alten Bauten im Rundbogenstyle zum größten Theile ausscheiden muß. Zwar ist es wohl nicht zu bezweifeln, daß die Kapelle an der Stelle, ja zum größten Theile auf den Fundamenten des ältesten Gotteshauses in Meklenburg=Schwerin und der ersten doberaner Klosterkirche steht, daß Pribislav's Gemahlin Woizlava, welche vom Norden her das Christenthum nach Meklenburg brachte, in dieser

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Kirche begraben ward und daß die Kapelle sicher noch Reste des ältesten Baues enthält, wie fast alle Kirchen, welche im 14. und 15. Jahrhundert restaurirt, erweitert und erhöhet sind; aber der Bau in seinen meisten Theilen, so wie er jetzt dasteht, gehört dem Spitzbogenstyle des 15. Jahrhunderts an.

Diese Kirche hat ursprünglich ohne Zweifel ein einfaches Oblongum, mit einer halbkreisförmigen Altarnische im Osten, gebildet. Der Eingang war, wie noch heute, in der westlichen Wand, welche einen hohen, dreiseitigen Giebel hat.

Bei der Untersuchung muß man strenge diese Giebelwand und die übrigen Ringmauern scheiden.

Die jetzige Grundform der Kapelle ist ein einfaches Oblongum mit dreiseitigem Chorschlusse; die sehr kurzen und weiten Fenster sind im Spitzbogen gewölbt; zwischen je zwei Fenstern steht an den Außenwänden ein kräftiger Strebepfeiler; die Außenwände haben hervorstehende, gegliederte Sockel. Die Gewölbe haben Gewölberippen; die Gewölbe sind niedrig und etwas flach, weil die Kapelle niedrig und weit ist. selbst die Pforte ist rein spitzbogig geworden. Alle diese Eigenthümlichkeiten reden ganz bestimmt und sicher für den zur Zeit des Baues längst ausgebildeten Spitzbogenstyl.

Die westliche Giebelwand stammt dagegen sicher aus der Zeit des ersten Baues, aus dem 12. Jahrhundert, und ist das älteste Ziegelmauerwerk in Meklenburg=Schwerin, wenn auch, wie sehr häufig geschehen, die Pforte im Spitzbogenstyl verändert ward. Man sieht es dem ganzen Mauerwerk und der ganzen Construction des Giebels an, daß dieser Giebel uralt sei. Ueber der Pforte steht auf der Außenwand ein Fries von kräftigen Halbkreisen, das charakteristische Kennzeichen des Rundbogenstyls. Freilich sind diese schwarz glasurten Halbkreise bei der Restauration im J. 1823 neu eingesetzt, aber nach dem Muster der alten; den beweis liefern noch die kleinen Ziegelconsolen, auf denen die Halbkreise ruhten: diese sind alt, eigentlich das allein und sicher alte Ornament an der Kapelle. Die kleinen Kreissegmente, durch welche die Bogen oben verbunden sind, stammen vielleicht aus der neuesten Restauration; es läßt sich wenigstens nicht mehr ermitteln, ob sie früher da waren. Die kleinen Fenster hoch in der Wand und die Rose im Giebel, welche jetzt freilich mit hölzernem Maaßwerk gefüllt ist, zeugen ebenfalls für eine alte Anlage. Im Innern der Kirche stehen in den Langwänden zunächst bei der Pforte unter dem ersten Gewölbe über einander zwei rundbogige Nischen, von denen die oberen sich dicht unter der ersten Gewölbekappe

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wölben und die beiden ersten Fenster der Kapelle zu beiden Seiten am Eingänge überdecken. Es ist daher anzunehmen, daß die westliche Giebelwand, mit dem eigenthümlichen Thurme in der südlichen Ecke derselben, mit Ausnahme der Spitzbogigen Pforte, und die allein rundbogig aufgemauerten Anfänge der Seitenwände, so weit das erste Gewölbe reicht, allein von dem ersten Bau aus dem 12. Jahrh. stammen; die Alten liebten es, bei Restaurationen Reste des alten Baues in den neuen aufzunehmen.

Sicher ward die Kapelle schon in den kriegerischen Zeiten im Anfange des 14. Jahrh. unter dem Fürsten Heinrich dem Löwen von Meklenburg hart mitgenommen (vgl. Jahrb. II, S. 8) und darauf zum ersten Male restaurirt. Hiefür zeugen, außer dem ausdrücklichen Zeugnisse, auch die Ziegel mit der Inschrift auf die Fürstin Woizlava, deren Schriftzüge bestimmt auf das erste Viertheil des 14. Jahrh. deuten. Sicher wird aber diese Inschrift schon damals von einer alten copirt und restaurirt sein. Es waren zwei Inschriften gleichen Inhalts vorhanden. Die eine war schwarz glasurt; mehrere Steine von derselben mit dem Hauptinhalt der Inschrift fanden sich in der Außenwand der Kapelle im Gesimse verkehrt eingemauert. Diese Steine haben einen viel älteren Charakter und stammen wohl sicher wenigstens aus dem 13. Jahrhundert; sie sind schon bei der ersten Restauration der Kapelle im Anfange des 14. Jahrh. wieder vermauert. Die andere Inschrift besteht aus unglasurten, sehr sorgfältig gearbeiteten und geölten Ziegeln, in welche die Inschrift mit sehr schönen, aus dem ersten Viertheil des 14. Jahrh. stammenden Unzialen eingeschnitten ist. Diese Ziegel fanden sich im Innern der Kapelle und sind ohne Zweifel von der alten glasurten Inschrift, welche in dem Mauerkranze der alten Außenwand saß, copirt. Die unglasurte Inschrift (vgl. Jahrb. XV, S. 166) war also im Innern der Kapelle angebracht und ist schon ein Beweis für das jüngere Alter der Kapelle, so wie sie jetzt erscheint.

Es lassen sich aber auch urkundliche Andeutungen über die verschiedenen Restaurationen und Mutationen der Kapelle beibringen.

Zuerst litt Althof wiederholt in den kriegbewegten Zeiten des Fürsten Heinrich des Löwen ungefähr in der Zeit von 1312 bis 1318, indem nach den Schadensrechnungen das Kloster wiederholt entschädigt wird für die "Schäden, welche es zu Althof erlitten: pro dampnis in Antiqua Curia". Damals wird aber noch nicht das Mauerwerk der Kapelle bedeutend gelitten haben; jedoch wird gleich nach jener Zeit bei der Re=

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stauration der Kapelle auch die unglasurte Inschrift restaurirt worden sein.

Der Umbau der Kapelle im Style des 15. Jahrhunderts geschah ohne Zweifel um die Zeit von 1450, und aus dieser Zeit stammt denn auch die Kapelle in ihrer jetzigen Gestalt. Am 20. Juli 1450 gab nämlich der Bischof Nicolaus von Schwerin dem Kloster Doberan einen Ablaß für alle diejenigen, welche nicht allein die Klosterkirche, sondern auch die Kapelle an der Pforte der Kirche zu Doberan, (d. i. die kleine Heilige Bluts=Kapelle vor der Nordpforte der Kirche) und die "Kapelle zu Althof" innerhalb eines Jahres in Andacht besuchen und mit Gaben bedenken würden:

"ecclesiam in Dobbran ac capellam m porticu ipsius monasterii, necnon eciam capellam in Antiqua Curia Antiquum Dobbran nominata."

Es geht hieraus ("nominata") zugleich hervor, daß der bei der Kapelle, als einer alten ehrwürdigen Reliquie, stehende Hof damals noch Alt=Doberan genannt ward.

Dieser Ablaß muß aber nicht hinreichend Früchte getragen haben, denn am 26. Oct. 1461 wiederholte der Bischof Werner von Schwerin den Ablaß mit denselben Worten, als er an diesem Tage die in dem Schreine des Hochaltares ("in cimborio summi altaris ecclesie") der Klosterkirche zu Doberan stehenden silbernen Bilder der Apostel Johannes und Jacobus weihete.

Die damals wahrscheinlich verfallene Kapelle zu Althof wird also in der Zeit von 1450 bis bald nach 1461 umgebauet sein, da Ablaß gewöhnlich verliehen ward, wenn ein kirchlicher Bau begonnen oder ausgeführt werden sollte. Und hiemit stimmt denn auch der jetzige Styl der Kapelle im Allgemeinen vollkommen überein.

Bei der Restaurirung der Kapelle im J. 1823 ist ein Versehen gemacht, welches jetzt, nachdem die Geschichte der mittelalterlichen Baukunst so bedeutende Fortschritte gemacht hat, sehr lehrreich geworden ist. Im Style der großen doberaner Ziegelkirche sind die Wände verständiger Weise roth übertüncht und weiß quadrirt, als Nachahmung des Ziegelbaues; der Rohbau konnte nicht hergestellt werden, da die Wände und die Gewölbe sehr durch Rauch gelitten hatten, indem die Kapelle Jahrhunderte lang zum Backhause benutzt worden war. Es sind aber auch die Gewölbekappen eben so decorirt; dies ist aber ganz gegen den Styl des Ziegelbaues und so auffallend und störend, daß man jetzt augenblicklich begreift, daß es nicht so sein muß. Die Gewölbe der Ziegelkirchen wurden in alten Zeiten stets mit Kalk überputzt und blieben in diesem naturfarbenen Putze stehen oder

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wurden auch mit Fluren oder Arabesken bemalt; die Gewölberippen aber ließ man entweder im Rohbau stehen, oder übermalte sie, wenn die Gewölbekappen gemalt wurden, mit bunten Bändern oder ändern bunten Verzierungen.


2. Denkmäler der Kapelle zu Althof.

Nach vieljährigen Forschungen wurden im J. 1852 auf Befehl Sr. Königlichen Hoheit des regierenden Großherzogs Friedrich Franz II. die geschichtlichen Denkmäler der Kapelle zu Althof in angemessener und würdiger Weise wieder hergestellt und mir die Leitung der Arbeiten Allerhöchst übertragen.

Im J. 1164 vermählte sich der Fürst Pribislav von Meklenburg mit "des Königs von Norwegen Tochter Woizlava", nahm, von seiner Gemahlin geleitet, den Christenglauben an, zerstörte das heidnische Heiligthum auf dem fürstlichen Hofe Doberan, d. i. jetzt Althof, und begann den Bau des ersten Gotteshauses in diesen Landen, der Kapelle zu Althof. Im J. 1170 stiftete Woizlava das Cistercienser=Mönchskloster Doberan neben dieser Kapelle zu Althof und Pribislav bestätigte, gründete und vollendete das Kloster. Darauf zog Pribislav 1171-1172 mit dem Sachsenherzoge Heinrich dem Löwen nach dem Heiligen Grabe. Während der Zeit starb im J. 1172 Woizlava und ward in der von ihr erbaueten Kapelle zu Althof begraben. Nach dem am 30. Dec. 1178 erfolgten Tode Pribislav's zerstörten die wieder vom Christenthume abgefallenen Wenden das Kloster zu Doberan oder Althof. Im J. 1186 stellte der Fürst Borwin I. das Kloster wieder her und verlegte es zugleich nach dem wendischen Dorfe Doberan, wo die Kirche noch jetzt steht. seit dieser Zeit ward der Klosterort schlechtweg Doberan und der fürstliche Hof Doberan, wo früher das Kloster stand, Alt=Doberan oder Alt=Hof genannt. In Althof wohnte späterhin immer ein Hofmeister des Klosters, welcher ohne Zweifel die Kapelle zum Gottesdienste benutzte. Aber schon seit dem J. 1312 litt die Kapelle während der kriegerischen Bewegungen unter der Regierung des meklenburgischen Fürsten Heinrich des Löwen, und in der Zeit von 1450-1461 war sie schon so baufällig, daß sie umgebauet werden mußte. Jedoch verfiel die Kapelle schon vor der Reformation, und bereits im J. 1522 mußte der Herzog Heinrich der Friedfertige selbst die Kapelle an

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einem wilden Orte wieder entdecken. In der Reformationszeit ward das Gotteshaus aber ganz vergessen und schon im J. 1610 ward es als Backhaus benutzt; an der Stelle des Altars stand der Backofen. So blieb es bis zum 9. Aug. 1822, als ein Blitzstrahl das Dachwerk entzündete und der von Doberan herbeigeeilte hochselige Großherzog Friedrich Franz I. mit seinem historischen Scharfblick die Kapelle wieder entdeckte und deren Herstellung sogleich anordnete. Während des Baues, den der hochselige Herr beaufsichtigte und häufig besuchte, entdeckte Höchstderselbe in den Mauern der Kapelle nach und nach die Inschriftziegel, welche zu Jahrb. II. auf einer lithographirten Tafel mitgetheilt sind, und vor dem Altare die Gebeine der Fürstin Woizlava in einem Grabe, welches der Herzog Heinrich der Friedfertige im J. 1522 noch selbst gesehen und durch die Inschrift bezeichnet gefunden hatte. Der Großherzog Friedrich Franz I. nahm Alles, so wie es nach und nach gefunden ward, mit sich nach Doberan, um es zu entziffern, und bediente sich dabei häufig der Hülfe des dem einsichtsvollen Fürsten in geschichtlichen Dingen vertrauten wail. Professors Schröter zu Rostock, welcher damals mit Begeisterung in die meklenburgische Geschichte eindrang. Die Studien gingen in den ersten Jahren sehr lebhaft. Schröter reiste im Sommer oft nach Doberan, wohin ich, als ein jüngerer Freund desselben, ihn mehrere Male begleitete; ich sah und verfolgte Alles genau und half mit meinen schwachen Kräften; wiederholt nahmen wir für den Winter Ziegel mit nach Rostock. Es mußte aber Alles immer wieder nach Doberan zurückgebracht werden, da der hochselige Großherzog Alles Höchstselbst in seinem Cabinet zu Doberan bewachte. Kaum war die Angelegenheit der Veröffentlichung nahe gebracht, als Schröter im J. 1825 plötzlich seinem Wirken entrissen ward. Nun ruhete alle Forschung auf längere Zeit, da Niemand im Lande war, der sich in so weitschichtige Studien, als sie dieser Gegenstand erforderte, versenkt hatte. Der Großherzog wünschte von Jahr zu Jahr, die geschichtlichen Denkmäler Doberans wieder zu Ehren zu bringen, jedoch unterblieb dies immer, weil es ihm an kundiger Hülfe fehlte, bis Er selbst darüber hinwegstarb. Während der Zeit ward ich im J. 1834 zum Archivar berufen und im J. 1835 der Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde gestiftet. Der Verein nahm nun sogleich die höchst wichtige Forschung wieder auf; der hochselige Großherzog Friedrich Franz I. beförderte sie lebhaft, und ich veröffentlichte in dem II. Jahrgange der Jahrbücher des Vereins im J. 1837 die angestellten Forschungen zugleich mit einer lithographirten Abbildung der Inschriftsteine. Noch waren diese

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Jahrbücher nicht ausgegeben, als der Großherzog Friedrich Franz I., welcher Doberan so innig, und mit Recht, liebte, am 1. Febr. 1837 zu seinen Vätern ging. Ich erhielt nun nach seinem Tode den Auftrag, alle meklenburgischen Merkwürdigkeiten aus den Schlössern, welche Friedrich Franz I. über 50 Jahre lang bewohnt hatte, nach Schwerin in die öffentlichen Sammlungen zu bringen, und so versetzte ich dahin auch die Denkmäler von Doberan. Ich fand in Doberan in dem Arbeitscabinete des hochseligen Herrn die Gebeine der Woizlava und in einem andern Zimmer die Inschriftziegel so sorgfältig aufbewahrt, wie ich sie seit 13 Jahren gekannt und aufmerksam verfolgt hatte. In Schwerin bewahrte ich diese Reliquien wieder 15 Jahre mit der gewissenhaftesten Sorgfalt. Während der ganzen Zeit ging die Forschung lebhaft weiter, wie die ununterbrochenen Berichte in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte andeuten, bis ich, treu von meinen gelehrten Freunden, namentlich den Professoren Deecke zu Lübeck und Wiggert zu Magdeburg unterstützt, die Sache beherrschen zu können glaubte.

Da nun die Forschung bis zur möglichen Klarheit gediehen war, so beschloß der regierende Großherzog Friedrich Franz II., welcher mit glühender Liebe und bedeutenden Opfern die stylgemäße Wiederherstellung der erhabenen Kirche zu Doberan, des schönsten und edelsten Kunstwerkes Meklenburgs, verfolgt, die Herstellung der geschichtlichen Denkmäler der Kapelle zu Althof und beehrte mich mit dem hohen Auftrage der Ausführung, welche im Sommer des J. 1852 vollendet ward.

1) Vor dem Altare wurden die Gebeine der Fürstin Woizlava wieder in eine Gruft gesenkt und auf dieselbe eine große, dicke Platte von festem, bräunlichgrauen nordischen Marmor gelegt, mit der Inschrift:

Inschrift
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Zu Häupten des Grabes, von dem Leichensteine bis zur Altarstufe, sind von den sehr merkwürdigen, kleinen, glasurten Mosaikziegeln, welche früher den ganzen Altarraum und die Grabstätte bedeckten und von denen weiter unten ausführlich die Rede sein wird, als Monument zwei kleine Quadrate zusammengesetzt und mit dem um den Leichenstein gelegten Fries von Ziegelsteinen in angemessene Verbindung gebracht.

2) In die innere Kirchenwand links vom Altare, zur einen Seite des Leichensteines, wurden die unglasurten Inschriftziegel eingemauert, und zwar in 4 Reihen, da die Forschung unbestreitbar ergab, daß die Inschrift aus leonimschen Hexametern bestanden hatte. Auf Allerhöchsteigenen Befehl Sr. Königlichen Hoheit wurden an den fehlenden Stellen nur glatte Ziegel gesetzt und auf diese die fehlenden Buchstaben der Inschrift gemalt, um künftige Forscher nicht irre zu leiten. Zwar mag die Inschrift noch nicht völlig sicher und vollständig, ja an dieser und jener Stelle im Versmaaße fehlerhaft sein; etwas Anderes und mehr war durchaus nicht zu erreichen, und man muß sich mit der Ueberzeugung beruhigen, daß der Hauptinhalt der Inschrift zuverlässig und vollständig ist. Die Inschrift, von welcher die hier mit großen Buchstaben gesetzten Stellen alt, die mit kleinen Buchstaben gesetzten Stellen durch Malerei ergänzt sind, lautet jetzt folgendermaßen:

Inschrift

Die diese Inschrift ergänzenden, älteren, schwarz glasurten Doubletten dieser Inschriftsteine mit den Worten:

Inschrift

sind unter dem Gesimse der Außenwand, wo sie in alter Zeit saßen und wohin sie gehörten, über dem Altarfenster eingemauert.

Die Bruchstücke mit D A - und - e c I e - ließen sich nirgends unterbringen.

3) An der Innern Kirchenwand rechts vom Altare, zu der andern Seite des Leichensteines und der Ziegelinschrift gegenüber, ward eine weiße Marmortafel befestigt, in welche die Inschrift auf die Restauration der Kapelle mit vergoldeten Buchstaben eingehauen ist, welche der hochselige Großherzog Friedrich Franz I. nach der Abfassung und Besorgung des Professors Schröter, auf einen Bogen Papier gedruckt, in einem Rahmen unter Glas, im J. 1823 dort aufhängen ließ, eine Art und

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Weise der Denkmalsetzung, welche der Dankbarkeit der Nachkommen nicht würdig und dauerhaft genug erschien und deshalb durch eine Marmortafel ersetzt ward. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die Steinlieferungen und Steinhauerarbeiten sind von der J. G. Tiedemann'schen Steinhauerei zu Rostock sehr vorzüglich ausgeführt.

4) Der Zufall veranlaßte die Setzung eines vierten interessanten Denkmals. Im Sommer des J. 1851 ward nahe bei der Kapelle, auf der Ziegelei, ein Stein ausgegraben, welcher mehr als jeder andere Stein die Vermuthung für sich hat, daß er ein heidnischer Opferstein gewesen sei. Dieser Stein ist ein roher, fester, feinkörniger Granit von ziemlich regelmäßiger viereckiger Gestalt: die Oberfläche bildet ein Quadrat von ungefähr 2 Fuß, die Höhe beträgt ungefähr 1 1/4 Fuß. In die sehr ebene und feste, und wie es scheint nachgeglättete Oberfläche des Steines ist eine sphärische Vertiefung von etwa 10 Zoll Durchmesser, wie ein vollkommener Kugelabschnitt oder eine Schale, sehr regelmäßig und vollendet eingeschliffen. Es läßt sich freilich über diesen merkwürdigen Stein nichts mit Bestimmtheit behaupten, aber doch annehmen, daß wenn irgend ein Stein in Deutschland ein heidnischer Opferstein sein soll, dieser Stein es sein muß. Aehnliche Steine sind bisher nur auf der Insel Rügen, auf den Höhen vor der Stubbenitz, dem Walde vor der Stubbenkammer, namentlich bei Quoltitz, bemerkt worden. Da nun zu Althof nach der alten Chronik ein heidnisches Heiligthum des "Gütigen" war, wie Doberan auf deutsch heißt, da Ernst von Kirchberg sagt: "zu Alden Doberan dy abgode warf er (Pribislav) heszlich nider", so lag es sehr nahe, dem Steine einen angemessenen Platz zu geben, so daß durch ihn die Restaurations=Inschrift mit dem Anfange: "An der Stätte eines heidnischen Heiligthums" u. s. w. eine sichtbare Bedeutung erhielt. Der Stein ward daher, um die Denkmalssetzung vollständig zu machen, vor der Kapelle neben der Eingangspforte aufgestellt

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3. Die Herkunft der Fürstin Woizlava aus Norwegen.

Herkunft der Fürstin Woizlava.

Die Kapelle zu Althof ist eines der ehrwürdigsten Denkmäler Meklenburgs, theils weil sie, wenn auch vielfach restaurirt und umgebauet, das älteste Gotteshaus in den meklenburg=schwerinschen Landen ist, theils weil in ihr die Stammmutter unsers alten Fürstenhauses, Woizlava. 1 ) die Gemahlin Pribrislav's und die Mutter Borwin's, begraben liegt, welche ihren Gemahl zur Annahme des Christenthums vermochte und das erste Kloster Doberan zu Althof neben dieser Kapelle stiftete. Der Name dieser Fürstin ist nicht allein in der meklenburgischen Reimchronik des Ernst von Kirchberg (1378), sondern auch in den beiden noch ältern Ziegelinschriften auf ihr Begräbniß in der Kapelle aufbewahrt.

Nach den Chroniken soll die Fürstin Woizlava die Tochter eines Königs von Norwegen gewesen sein. Die Quelle dieser oft wiederholten Nachricht ist die Chronik des Ernst von Kirchberg, welche zwar erst zwei hundert Jahre nach dem Tode der Fürstin geschrieben, aber aus alten Nachrichten, vorzüglich des Klosters Doberan, geschöpft ward. E. v. Kirchberg sagt:

Nach den cziden quam es sus,
das konig Prybislauus
wolde elichir dinge phlegin.
Der konig von Norwegin
gab ym syne tochter da,
dy waz geheiszin Woyzlaua,
dy waz eyne gude cristen.
Mit allen yren listen
dy frowe dar nach dachte,
wy sy tzum glouben brachte
iren herren Prybisla (cap. Cl).
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Dy konygin Woyslaua
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
sy wart mit suchede vnd mit swere
beuallin vnd mit krangheit sere,


1) Die Geschichte der Kapelle zu Althof und der Fürstin Woizlava ist in den Jahrbüchern II, S. 10 flgd. ausführlich dargestellt.
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daz sy dar von den tod entphing.
Ir bygraft snel dar nach irging
gar wirdiglichen sundir wan;
man grub sy zu Alden Doberan (cap. CXI).


Normannische Mosaikziegel in der Kapelle zu Althof.

An eine unmittelbare urkundliche Bestätigung dieser Nachricht ist nicht zu denken, da Pribislav keine Urkunde hinterlassen hat. Es würde daher von großer Wichtigkeit sein, wenn irgend andere Denkmäler vorhanden sein sollten, welche diese Nachricht mittelbar zu bekräftigen im Stande wären. Diese haben sich nun auf eine überraschende Weise in den kleinen Mosaikziegeln gefunden, mit denen der Altarraum sowohl der Kapelle zu Althof, als der Kirche zu Doberan gepflastert ist.

Diese Ziegel, welche sich, so viel bekannt ist, bisher nirgend weiter in Deutschland gefunden haben, erregten zwar in neueren Zeiten die Aufmerksamkeit 1 ) der Beobachter, fanden aber keine wissenschaftliche Anwendung irgend einer Art, da sie ganz vereinzelt dastanden und man nichts mit ihnen anfangen konnte.

Jetzt haben diese Ziegel sich aber auch unter den Ruinen des Cistercienser=Klosters Hovedöe bei Christiania in Norwegen gefunden, und damit ist die Möglichkeit gegeben, die Wanderung der Cultur im Norden zu erkennen und Schlusse auf die Herkunft der Fürstin Woizlava zu ziehen.

Der Verein für Erhaltung nordischer Alterthumsdenkmäler zu Christiania hat in seinem Jahresberichte für das Jahr 1849, Christiania 1850, die Klosterruinen von Hovedöe und deren Aufräumung beschrieben und die Beschreibung mit zahlreichen Abbildungen begleitet, so daß diese Mittheilungen zu Forschungen mit Sicherheit benutzt werden können.

Der Cistercienser=Orden verbreitete sich schon in der Mitte des 12. Jahrhunderts über England nach Norwegen. Das erste Kloster war Lyse=Kloster bei Bergen, welches im J. 1146 von englischen Mönchen aus Fountain bei Jork gestiftet ward. Das zweite Kloster ward nach 1147 auf der Insel Hovedöe von englischen Mönchen von Kirkestad in Lincoln gestiftet. Die Insel Hovedöe liegt im Meerbusen von Christiania, nahe bei der Stadt Christiania. Dieses Kloster Hovedöe ward im J. 1532 in der Grafenfehde zerstört, da sich der Abt des


1) Vgl. Jahrbücher II, S. 25.
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Klosters auf des vertriebenen Königs Christiern II. Seite geschlagen hatte. Das niedergebrannte Kloster blieb in Ruinen liegen, bis der Verein zu Christiania um das Jahr 1846 die Aufräumung der Ruinen begann.

Die alte, um die Mitte des 12. Jahrhunderts erbauete Klosterkirche von Hovedöe bestand in ihren ältesten Theilen, wie die Kapelle zu Althof, aus einem kleinen Schiffe von oblonger Grundform, ohne Seitenschiffe, und einem in Halbkreisform daran gelehnten Altarraum. Dieser halbkreisrunde Chor ist jedoch im Laufe der Zeit abgebrochen und statt dessen im 15. Jahrh., frühestens am Ende des 14. Jahrh. ein anderer hoher Chor angebauet, dessen Grundform ein gleicharmiges Kreuz ist und dessen Ausdehnungen länger sind, als die Länge des alten Schiffes. "Der alte Bau ist in dem romanischen Style mit den Eigenthümlichkeiten, welche die anglonormannische Architektur entwickelte", in der Mitte des 12. Jahrhunderts wohl mit Sicherheit durch englische Baumeister und Arbeiter ausgeführt. Der Fußboden in dem östlichen Arme dieses jüngeren, östlichen Chores, die Altarstelle, war mit kleinen, quadratischen, glasurten Mosaikziegeln, von 4 1/2 Zoll im Quadrat, belegt, von welchen der Verein zu Christiania eine Auswahl auf drei Tafeln in Farbendruck zu seinen Jahresberichten bekannt gemacht hat. Das spätere Schiff der Kirche, die ehemalige alte Kirche, war mit größern, 9 1/4 Zoll im Quadrat großen, Ziegeln belegt, welche eine gelbe oder schwarze Farbe haben und nicht mit Mosaikmustern verziert sind. Der norwegische Verein stellt die Ansicht auf, daß bei der Vergrößerung der Kirche durch den östlichen Anbau die alten Mosaikziegel vielleicht aus dem Raume der alten Kirche in den neuen Chor versetzt worden seien, und der Herr N. Nicolaysen, Vorstand des Vereins zu Christiania, theilt mir brieflich mit, daß man "Grund habe zu vermuthen, daß die Mosaikziegel ursprünglich einen andern Platz gehabt haben", und zwar passender Weise im Chore der alten Kirche. - Eben so sind in den Kirchen zu Althof und Doberan die Mosaikziegeln bei allen Bauten und Mutationen immer auf die Altarstelle hinauf gerückt worden. - Die beiden Kreuzarme des Chores von Hovedöe sind mit gewöhnlichen Ziegeln gepflastert.

Ohne Zweifel stammen diese Mosaikziegel von Hovedöe aus der Zeit des ersten Baues der alten Kirche im romanischen Style.

Diese Mosaikziegel von Hovedöe haben eine seltene Beschaffenheit. Es sind viereckige Ziegel, gut 3/4 Zoll dick und 4 1/2 Zoll im Quadrat groß. Gewöhnlich, mit seltenen Ausnahmen, stellt jeder Ziegel 4 weiße Figuren auf rothem

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Grunde dar, von denen jede mit einer weißen Einfassungslinie am Rande umgeben ist, so daß immer 4 Muster oder kleine Steine von 2 1/4 Zoll im Quadrat einen Pflasterstein bilden. Die Einfassungslinien haben ohne Zweifel eine Richtschnur für die Arbeiter bilden sollen, um die Steine innerhalb derselben nach Bedürfniß in kleinere Stücke zu zerschneiden. Dies sieht man sowohl an den Steinen von Hovedöe, als auch an den von Althof sehr deutlich, indem die Arbeiter gewöhnlich nicht diese Linien hielten, sondern oft bis gegen die Linien oder über dieselben hinaus schnitten, wie gerade ihre Maaße es verlangten. Die Steine von Hovedöe haben immer 4 Muster, im Ganzen 4 1/2 Zoll im Quadrat; aber auch diese scheinen, nach den von Christiania eingesandten Originalen, aus größern Platten geschnitten zu sein, indem die Einfassungslinien nicht gehalten und an einer Seite oft ganz abgeschnitten sind, während an der entgegengesetzten Seite über die Einfassungslinien hinaus gegangen ist. Dieselbe Erscheinung bemerkt man an den zu Althof und Doberan liegenden Ziegeln, welche freilich alle zu kleinen Steinen von 2 1/4 Zoll im Quadrat zerschnitten sind.

Die Mosaikziegel von Hovedöe haben folgende Beschaffenheit. Der Grund, wie die ganze Masse, ist hell ziegelroth; in diesen Grund sind mit weißem Thon allerlei Figuren und eine Einfassungslinie eingelegt; endlich ist die ganze Oberfläche mit einer durchsichtigen, etwas gelblichen Glasur (Glasglasur) überzogen. Die eingelegten Bilder stellen Lindwürmer, Centauren, Löwen, Lämmer, doppelköpfige Vögel, menschliche Figuren, rundbogige architektonische Ornamente u. dgl. dar. Nach den Rändern sind diese Ziegel aus Ziegelerde zuerst in Formen gedrückt und dann mit weißem Thon ausgelegt und glasurt.

Diese Mosaikziegel sind, nach brieflichen Mittheilungen des Herrn Nicolaysen, auch "anderweitig in Norwegen" gefunden.

Es steht zur Frage, wo diese Ziegel von Hovedöe gemacht sind. Da die norwegischen Klöster von England aus gestiftet wurden, so liegt die Vermuthung nahe, daß diese Mosaikziegel, oder doch die Arbeiter, aus England nach Norwegen gekommen seien. Auch Herr Nicolaysen zu Christiania schreibt, es sei große Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß die Ziegel von England aus eingeführt seien, von wo auch das Kloster gestiftet sei, da man in England Mosaikziegel finde, welche auffallende Aehnlichkeit mit den Ziegeln von Hovedöe haben und "deren Alter mit gutem Grund weit über hundert Jahre über die Zeit gesetzt wird, als der Theil der Klosterkirche von Hovedöe,

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in welchem die Mosaikziegel gefunden sind". Das wäre freilich noch nicht viel, da der neue Chor der Kirche zu Hovedöe um das Jahr 1400 gebauet ist.

Es wird vor allen Dingen nöthig sein, die alten Mosaikziegel in England 1 ) zu studiren. In England sind diese Mosaikziegel freilich wiederholt Gegenstand der Forschungen gewesen, jedoch scheinen diese, so viel mir bekannt geworden ist, nicht auszureichen. Namentlich sind solche Ziegel in dem Archaeological Journal, published of the Archaeological Institute of Great Britain, Vol. III, 1846, beschrieben und abgebildet, z. B. S. 128 Ziegel von Woodperry bei Oxford, S. 152 Ziegel in der Haccombe=Kirche in Devonshire, S. 277 Ziegel aus der Abtei Neath in Wales. Diese mit Weiß in Roth eingelegten englischen Ziegel scheinen meiner Ansicht nach viel jünger zu sein, als die norwegischen, nämlich aus dem 14. Jahrhundert, zeigen aber doch noch die Technik der alten Ziegel: sie haben ungefähr 5 Zoll im Quadrat und sind ebenfalls durch eingelegte Einfassungslinien in vier gleiche Theile getheilt, von denen jeder ein Bild zeigt, gewöhnlich zwei und zwei gegenüber gleich, häufig Wappen. Der englische Berichterstatter vermuthet ebenfalls, daß die Einfassungslinien zur Richtschnur für die Arbeiter zur etwanigen Theilung vor dem Brennen bestimmt gewesen seien.

Höchst wahrscheinlich haben diese Mosaiken alle dieselbe Quelle in uralter Zeit. Der Herr Regierungsrath von Minutoli zu Liegnitz theilt mir zwei Beispiele mit, welche höchst beachtenswerth sind. "Sie sind auf französischen Boden, und zwar in dem Theile Frankreichs, wo sich der Einfluß der Normannen am meisten geltend machte. Es sind die Kirchenpflaster der Kirche St. Pierre sur Dive und der alten Kathedrale von St. Omer. Jenes Pflaster ist mosaikartig zusammengesetzt und von gelber und schwarzer Farbe. Der Styl ist der des 12. Jahrhunderts; auch stimmt die angegebene Entstehungszeit damit überein: doppelköpfige Adler, Löwen und Lilien bilden den Schmuck. Das zweite Beispiel zu St. Omer besteht ebenfalls aus musivisch gefügten Fliesen. Die Darstellungen bestehen aus allerlei Figuren: Rittern, Geistlichen; auch Centauren kommen vor und Elephanten mit Thürmen, also wieder Entlehnung von Motiven aus dem Orient und dem Alterthum. Und der Grundriß des betreffenden Theils der Kathedrale zeigt entsprechend vollständig den frühgothischen Styl."


1) Die Fabrication dieser Ziegel zu Fußböden ist in neuern Zeiten in England wieder belebt; sie werden jetzt häufig in die Rheinlande ausgeführt.
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Mit allen diesen Beobachtungen stimmen auch die Forschungen des Herrn de Caumont in seinem werthvollen, mit den trefflichsten Holzschnitten ungewöhnlich reich verzierten Werke: Abécédaire ou rudiment d'archéologie, Paris et Caen, I, 1851, II, 1853, überein. Er sagt I, p. 309, daß die Fußböden im 13. Jahrh. häufig gemustert waren, freilich zu derselben Zeit, als in den Kirchen die Leichensteine anfingen sich zu vermehren und die Anordnung großer Muster störten. Er theilt mehrere Muster aus dieser Zeit mit, namentlich den prachtvollen Fußboden aus dem hohen Chor von St. Pierre sur Dive u. a., indem er dabei richtig bemerkt, daß diese verzierten Fußböden in Wechselwirkung zu den gemalten Fenstern standen Eben so treffend bemerkt er (II, p. 164), daß die verzierten Ziegelfußböden in weltlichen Gebäuden im 14. Jahrh. überall in Gebrauch waren, und theilt mehrere Muster mit, welche mit den in England bekannt gewordenen mehr übereinstimmen, namentlich die Pflastersteine aus dem Capitelsaal von Bayeux. Von größerer Wichtigkeit sind einige verzierte Ziegel, welche der Herr de Caumont I, p. 318 darstellt. Er sagt dabei: "Wenn in Frankreich nur noch eine sehr kleine Zahl von verzierten Fußböden übrig geblieben ist, so ist es nicht zweifelhaft daß die Mehrzahl der Kirchenpflaster erneuert worden ist und die Leichensteine in vielen Fällen die Stelle der verzierten Fußböden eingenommen haben; diese wiederum verschwanden, um den armseligen Fußböden unserer Zeit Platz zu machen. - Man besitzt in einem Dorfe nahe bei St. Omer einige andere ähnliche Platten, welche aus Ruinen von Therouane stammen, welche aber unglücklicherweise in einem fast völligen Zustande des Verfalles sich befinden". Er theilt nun 6 dieser Ziegel in Abbildung mit und schreibt sie dem 13. Jahrh. zu. Diese Ziegel von Therouane gleichen von allen bekannt gewordenen am meisten denen von Hovedöe und von Althof; sie haben ebenfalls Einfassungslinien und zeigen ähnliche Bilder und ähnliche Technik: so sind zwei Centauren, allerdings etwas anders gestaltet, dargestellt; der doppelköpfige Vogel gleicht aber ganz dem, welcher auf den Ziegeln von Hovedöe vorkommt. Diese Ziegel von Therouane möchte ich nach der Zeichnung, Technik und Aehnlichkeit mit andern älteren Ziegeln für die ältesten in Frankreich halten und sie noch dem Ende des 12. Jahrh. und normannischem Einflusse zuschreiben.

Mit ganz denselben alten Mosaikziegeln, wie die Kirche zu Hovedöe, ist der Altarraum in der Kapelle zu Althof (und auch in der Kirche zu Doberan) gepflastert. Es liegen hier Ziegel dieser Art ganz von derselben Beschaffenheit an

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Mosaikziegel der Capelle zu Althof
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Material, Größe, Farbe, Glasur und Bildwerk, wie in der Kirche zu Hovedöe.

Die Größenverhältnisse der Ziegel sind freilich an beiden Orten nicht ganz gleich; denn

1) finden sich in Althof und Doberan die Mosaikziegel nur in kleinere Viertheilsplatten von 2 1/4 Zoll im Quadrat zerschnitten und keine aus 4 solchen Platten zusammengesetzte, wie sie in Hovedöe allein vorkommen; aber 4 doberaner Ziegel zusammen haben genau die Größe eines nicht zerschnittenen Ziegels von Hovedöe. Dieso kleinen Ziegel von Althof haben theils rothen, theils dunkel gefärbten Grund; im Uebrigen sind sie aber, namentlich im Bildwerke, denen von Hovedöo ganz gleich. Das Zerschneiden in kleine Platten, welches man deutlich wahrnehmen kann, macht aber keinen wesentlichen Unterschied; das Zerschneiden ist ohne Zweifel deshalb vorgenommen, weil Fliesen von kleinerem Formate haltbarer sind, als große. Die Ziegel waren hier ebenfalls mit weißen Linien regelmäßig eingefaßt, sind aber nicht genau nach denselben zerschnitten, sondern der Schnitt ist bald vor, bald hinter der Einfassungslinie, und oft sehr unregelmäßig.

2) Außerdem liegen in Althof glasurte Mosaikziegel von quadratischer Form und derselben Arbeit, welche an Flächeninhalt grade noch einmal so groß sind, als die kleinen Ziegel, und grade ein Hypotenusen=Quadrat zu zwei gleichen Katheten=Quadraten der kleinen Ziegel bilden; die Seiten dieser größern Ziegel sind 3 1/2 Zoll lang. Diese größern Ziegel scheinen in Hovedöe ganz zu fehlen; sie sind in den Beschreibungen und Abbildungen von Hovedöe nicht erwähnt. Auf meine Anfrage hat der Herr Nicolaysen die Ruinen von Hovedöe noch einmal durchforscht und einen Ziegel "von etwas minderer Größe", als die aus vier figuierten Platten zusammengesetzten Ziegel, gefunden; dieser ist aber ohne Bildwerk und mag vielleicht nicht zu den alten Ziegeln gehören. Diese größeren Ziegel von Althof und Doberan unterscheiden sich von denen zu Hovedöe dadurch, daß sie einen dunklen Grund haben. Der Grund ist nämlich ein angenehmes, dunkles Grün mit eingelegten weißgelben Flecken und kleinen schwarzen Punkten; auf diese Weise ist der Porphyr auf eine ganz vortreffliche, leichte und täuschende Weise nachgeahmt. Es finden sich in Althof und Doberan aber auch viele kleine Ziegel mit Porphyrgrund. Die vortreffliche Nachahmung des Porphyrs durch Glasur schien unmöglich. Einige zerschlagene Steine haben nun gelehrt, daß die ganze Masse porphyrartig gemischt ist, indem man eine dunkelgefärbte Masse mit unregelmäßigen weißen Thon= und Feldspath=

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stückchen durchknetet und dann die Ziegel mit Glasglasur überzogen hat.

Diesen Porphyrgrund haben die meisten der kleinen Ziegel in Althof und Doberan.

Die eingelegten Bilder sind auf vielen Ziegeln in Hovedöe und Althof gleich. Am häufigsten kommen Lindwürmer, Centauren, Löwen etc. . in beiden Kirchen vor. Es finden sich in Althof und Doberan Bilder, z. B. Hirsche, Gänse, Hähne, Pfauen und allerlei Unthier, wie Kamele, denen die Vorderfüße fehlen u. s. w., welche in Hovedöe nicht vorkommen, wenigstens in den Mittheilungen nicht abgebildet sind, und in Hovedöe finden sich Bilder, z. B. doppelköpfige Vögel, Agnus Dei und viele rein architektoniashe Ornamente, welche in Althof und Doberan gar nicht vorkommen. Ein Bruchstück mit einer heraldischen Lilie, wie sie in Hovedöe erscheint, hat sich auch in Althof gefunden.

Dagegen ist die Uebereinstimmung in der Zeichnung der eingelegten Figuren auf den Ziegeln in den Kirchen zu Hovedöe und Althof und Doberan höchst merkwürdig. Diese Uebereinstimmung zeigt sich namentlich in zwei Bildern, deren Ursprung in uralten Zeiten wurzelt; diese sind:

ein Centaur, mit einem runden Schilde in der aufgehobenen linken und einem Schwerte in der ausgestreckten rechten Hand,

und

ein Lindwurm mit Vogelhals und Kopf, zwei erhobenen Flügeln, zwei Vogelfüßen und einem unter die Füße zurückgebogenen Schlangenschwanze.

Diese Figuren 1 ) finden sich nur auf Ziegeln in Althof (nicht in Doberan), und zwar sowohl auf kleinen, rothen Ziegeln von 2 1/4 Zoll im Quadrat, welche mit den kleinen Viertheilsstücken von Hovedöe so identisch sind, daß eine Abbildung derselben ganz unnöthig ist, als auch auf den größern Platten von 3 1/2 Zoll im Quadrat mit Porphyrgrund. Auf den kleinen rothen Ziegeln von Althof ist jedoch der Lindwurm in der Ansicht rechts hin (heraldisch links) gekehrte während die Ziegel von Hovedöe


1) Vgl. die beigegebenen zwei Tafeln in Farbendruck. Es ist beabsichtigt, auf einer dieser Tafeln zwei Mosaikziegel von Hovedöe nach den Abbildungen des Vereins zu Christiania, auf der andern zwei Mosaikziegel von Althof, welche mit jenen in der Zeichnung übereinstimmen, einen Greifen und einen Centauren, in Farbendruck mitzutheilen. Zu den Ziegeln von Althof sind die größeren Ziegel mit Porphyrgrund gewählt, um zugleich eine andere Eigenthümlichkeit zur Anschauung zu bringen. Während des Druckes dieser Abhandlung sind diese Tafeln in Arbeit und es läßt sich noch nicht sagen, ob die Nachbildung des Porphyrgrundes gelingen wird. Sollte diese nicht möglich sein, so wird der Grund der Tafel mit den althöfer Steinen auch ziegelroth gedruckt werden müssen.
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Mosaikziegel der Klosterkirche zu Hovedöe
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den Lindwurm in der Ansicht links hin gekehrt haben. Die Bilder auf den größern althöfer Ziegel sind aber in Stellung und Bildung denen von Hovedöe ganz gleich. In Doberan finden sich außerdem noch kleine Ziegel, welche den Oberleib des Centauren mit Schild und Schwert, aber statt eines Pferdeleibes einen Fischschwanz (auch ohne Vorderbeine) darstellen.

Das Merkwürdige bei dieser Sache ist aber, trotz aller kleinen Abweichungen, die völlige und genaue Uebereinstimmung, welche sich in der ganzen Technik zwischen den Ziegeln von Hovedöe und Althof offenbart. Die ganze Auffassung der Bilder, die Umrisse, die eigenthümliche Darstellung der Schattenlinien, selbst alle Einzelnheiten in den Conturen, in den leisesten Biegungen und Auszackungen, kurz alles ist so identisch, daß es nur eines Blickes bedarf, um sich von der völligen Gleichheit zu überzeugen. Man kann daher nur annehmen, daß dieselben K ue nstler und Arbeiter die glasurten Fußbodenziegel mit eingelegten Bildern von Hovedöe und Althof gemacht haben. Es müssen also entweder die Künstler von Norwegen nach Althof gekommen oder die Ziegel von dort hierher eingef ue hrt sein. Es ist nicht denkbar, daß zu jener Zeit Kunststyl, Bildung, Hülfsmittel und Erfahrung allgemein so herrschend gewesen sein, daß durch sie in so weit entfernten Ländern dieselben Erzeugnisse hervorgebracht werden konnten. Es ist nicht denkbar, daß nur in Folge eines gewissen Kunststyls, selbst wenn er weit verbreitet gewesen wäre, sich dieselben Maaße, dieselben Bilder, dieselbe Technik so genau an so weit von einander entfernten Orten sollten wiederholt haben können. Ja, es ist selbst heute, bei den großartigsten Hülfsmitteln, nicht glaublich, daß ein Kunststyl an verschiedenen Orten identische Erzeugnisse hervorbringen sollte.

Zu jener Zeit, als die Kapelle zu Althof gebauet ward, lag Meklenburg noch im dicken Heidenthume, welches durch die Kreuzzüge Heinriche des Löwen ausgerottet werden sollte. Die heidnischen Wenden machten keine Ziegel, und Ziegelöfen und Töpferöfen waren ihnen ganz unbekannt. Die Kapelle zu Althof war der erste Ziegelbau, welcher in dem Bisthume Schwerin (oder Meklenburg) ausgeführt ward. Daß die erste Ziegelfabrikation sich ohne fremde Hülfe gleich zu der Höhe von sehr ausgezeichneten glasurten Ziegeln mit eingelegter Arbeit sollte emporgeschwungen haben, ist schlechterdings unglaublich und unmöglich.

Es bleibt daher keine andere Annahme übrig, als daß die glasurten Mosaikziegel von Norwegen nach Althof eingeführt oder die Künstler von dort hierher gekommen

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seien. Welche von diesen beiden Annahmen wahrscheinlicher sei, ist wohl schwer zu entscheiden (und am Ende auch ohne Gewicht); jedoch scheint der Thon der Ziegel etwas verschieden zu sein und die Glasur eine andere Färbung zu haben, so daß sich aus dieser Abweichung schließen lassen könnte, es seien die Künstler vom Norden nach Meklenburg gekommen.

Man könnte freilich annehmen, die Mosaikziegel seien von England nach Meklenburg eingeführt worden, da sie zu jener Zeit vielleicht von dort auch nach Norwegen eingeführt sein könnten, indem die norwegischen Klöster von englischen Klöstern gestiftet sind; aber es ist keine Andeutung vorhanden, daß zu jener Zeit irgend eine Verbindung zwischen England und Meklenburg sollte bestanden haben. Dagegen ist es durch glaubwürdige Nachrichten bezeugt, daß Woizlava eine norwegische Königstochter war und die Kapelle zu Althof, das erste Ziegelbauwerk in Meklenburg, gründete, und daher möglich, daß die Ziegel ihren Weg nach Meklenburg von Norwegen nahmen. Von großer Wichtigkeit würde es sein, wenn nachgewiesen werden könnte, daß sich in England noch Mosaikziegel derselben Art befänden, welche älter waren, als die norwegischen. Es ließe sich jedoch auch annehmen, diese Art von Cultur sei von Norwegen eben so nach England gewandert, als nach Meklenburg, da in jenen Zeiten die Technik in Norwegen sehr ausgebildet war.

Daß diese Mosaikziegel aus sehr alter Zeit stammen, wird durch den Umstand bewiesen, daß sie an den heiligsten Stellen uralter Kirchen geschützt und noch in der katholischen Zeit verschüttet wurden. Die Ruinen von Hovedöe haben dort die Ziegel über 300 Jahre eben so geschützt, wie fast eben so lange in Althof ein Backofen, welcher an der Altarstelle über den Ziegeln aufgeführt war.

Sehr alt sind diese Mosaikziegel jedenfalls. Dafür zeugen die Figuren, welche ihren Ursprung in fernen Zeiten des classischen Alterthums und des Orients finden. Namentlich zeugen der Lindwurm und die vielen drachenähnlichen Gestalten für eine Verwandtschaft mit den ältesten Zeiten des Nordens, der Centaur für Erinnerung aus dem classischen Alterthum. Der Centaur findet sich öfter in Bauwerken romanischen und normannischen Styls, z. B. auf den oben erwähnten Ziegeln in der Kathedrale von St. Omer, an den Kapitälern der uralten Holzkirche zu Urnes in Norwegen u. s. w.; an der Iffley=Kirche in England bemerkt man Kämpfe von Centauren, sphinxartigen Thieren, Drachen u. s. w. (vgl. v. Minutoli's Dom zu Drontheim S. 10 b. und 47 b.).

Daß diese Mosaikziegel mit dem Bau der Kapelle zu Althof

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im J. 1164 zusammenfallen, dafür redet der merkwürdige Umstand, daß sie sonst in Meklenburg nicht weiter vorkommen, als dort, wo sich eine Wanderung der Cultur nachweisen läßt, und daß sie in Deutschland nirgend anderswo beobachtet sind, als an einigen Stellen Meklenburgs, wo sich ein Verkehr mit Norwegen nachweisen läßt. Mosaikziegel aller Art, wenn auch nicht mehr sehr zahlreich, finden sich zunächst in Althof. Von hier wanderten sie nach Doberan, wo der ganze Altarraum und einige andere Stellen des Chores damit gepflastert sind; jedoch fehlen hier manche der charakteristischen Bilder. Nach der Zerstörung der Kapelle zu Althof oder Alt=Doberan durch die wieder ins Heidenthum zurückfallenden Wenden nach Pribislav's Tode im J. 1179 und nach der bald darauf erfolgten Wiederherstellung des Christentums ward das Kloster Doberan im J. 1186 von der fürstlichen Domaine Doberan, später Alt=Doberan oder Althof genannt, wo die Kapelle steht, nach dem eine halbe Stunde davon entfernten Dorfe Doberan, dem jetzigen Flecken Doberan, verlegt. Von der damals erbaueten, ersten Kirche ist ein im einfachen Rundbogenstyl aufgeführter Giebel in die Südwestecke der in ihrer jetzigen Gestalt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. stammenden großen Klosterkirche zu Doberan aufgenommen und noch wohl erhalten. Damals, als im J. 1186 der Bau des neuen Klosters begann, müssen entweder noch die nordischen Arbeiter oder ihre Schüler gelebt haben und zum neuen Bau wieder nach Doberan zurückgekehrt sein, wo sie nach alter Weise wirkten, - oder es müssen sich noch so große Vorräthe von alten Mosaikziegeln gefunden haben, daß man den Altarraum der neuen Kirche in Doberan damit pflasterte; denn viele der Mosaikziegel in Doberan und Althof sind ganz gleich. Trotz eines großartigen Umbaues der Kirche zu Doberan im 14. Jahrh., welche damals einen vielseitigen Chorschluß im ausgebildeten Spitzbogenstyl erhielt, sind doch diese Ziegel besonders werth gehalten und wieder auf den Altarraum gelegt, wo sie sich, ungeachtet vieler Restaurationen, bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Aus diesem Beispiel kann man auch wohl folgern, daß auch zu Hovedöe am Ende des 14. Jahrh. die Steine aus der alten Kirche in den damals neu erbaueten Chor versetzt worden seien.

Von großem Interesse für den zur Frage stehenden Gegenstand ist noch eine vor kurzem in der Kirche zu Doberan gemachte Entdeckung. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hatten geruhet, den Baurath Bartning und mich mit dem allergnädigsten Auftrage zu betrauen, zur Herstellung der alten fürstlichen Begräbnißkapelle in der Kirche zu Doberan die nöthigen Einlei=

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tungen zu treffen. Nachdem die gegenwärtige Abhandlung schon zum Druck vollendet war, nahm ich vom 1.-5. Nov. 1853 in der Kirche zu Doberan die nöthigen Vorarbeiten und geschichtlichen Forschungen vor. Nach allen Andeutungen der Urkunden, Chroniken und Monumente mußte das alte fürstliche Begräbniß, wo seit der Erbauung der Kirche bis zur Reformation die meisten meklenburgischen Fürsten begraben sind, in dem nördlichen Kreuzschiffe der Kirche zu finden sein. Und wirklich hat das Ergebniß der Forschung 1 ) die Vermuthung und die zahlreichen Andeutungen bestätigt. Ich bin so glücklich gewesen in der Mitte des nördlichen Kreuzschiffes, unter dem mittlern Gewölbe desselben, die Leiche des Fürsten Pribislav aufzufinden. Sie steht gegen 6 Fuß tief unter dem Fußbodenpflaster der Kirche in einem von Ziegeln aufgemauerten Sarkophage von 8 1/2 Fuß Länge und 2 Fuß Höhe gegen Osten schauend. Der Fürst Pribislav fand am 30. Dec. 1178 bei einem Turniere auf dem Kalkberge bei Lüneburg seinen Tod und ward dort in der Kirche des Michaelisklosters begraben. Nachdem im J. 1186 sein Sohn Borwin das Kloster Doberan wieder hergestellt und von Althof nach dem Dorfe Doberan, wo die Klosterkirche noch jetzt steht, verlegt hatte, begann ohne Zweifel bald der Bau einer großen Kirche, im romanischen oder Rundbogenstyle, von welcher noch in der südwestlichen Ecke der Giebel des Seitenschiffes vorhanden ist und welche sicher denselben Grundplan hatte, wie die noch stehende, im 14. Jahrh. im Spitzbogenstyle umgebauete Kirche, mit Ausnahme des vielseitigen Chorumganges. Diese Rundbogenkirche war gewiß schon im J. 1201 zum Theile fertig, als der Fürst Borwin I. seinen in der Schlacht bei Waschow gefallenen Bruder zuerst in der Kirche beerdigte, und im J. 1218, als der Fürst Borwin das Kloster bestätigte, so weit fertig, daß sie im Ganzen benutzt werden konnte, obgleich sie erst am 3. Oct. 1232 als völlig vollendet eingeweihet ward. Im J. 1219 versetzte Borwin die Leiche seines Vaters aus dem Michaeliskloster bei Lüneburg in die Kirche zu Doberan. Nun zeigte es sich bei der Entdeckung der Leiche Pribislav's, daß unmittelbar an dem aus alten Ziegeln aufgemauerten Sarkophage, an der Außenseite desselben, 5 Fuß tief, 25 Mosaikziegel von dem kleinsten Format lagen, welche offenbar bei der Einsenkung der Leiche Pribislav's von dem Fußboden der Kapelle ausgebrochen und in die Tiefe bis an die Seitenwand des Sarkophages hinabgeglitten waren. Sie waren sehr wenig abgetreten und stellen=


1) Eine genauere Ausführung dieser merkwürdigen Entdeckung wird weiter unten mitgetheilt werden.
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weise noch glänzend von der dafür in den vertieften Stellen, so daß sie noch nicht lange gelegen haben können, als sie hinabglitten. Es waren mehrfach 2, 3, ja 4 neben einander zusammenhangend in Kalk gelegt, also noch abgetretene Stücke des alten Fußbodens. Die gefundenen Ziegel hatten dieselben Muster, wie diejenigen, mit denen noch die Altarstätte der doberaner Kirche gepflastert ist. Es geht hieraus mit Sicherheit hervor, daß auch die Fürstenkapelle in der Kirche zu Doberan schon im J. 1219 mit den Mosaikziegeln gepflastert war. Man kann also mit Zuverlässigkeit annehmen, daß die wichtigern Stellen der ersten Kirche zu Doberan im Anfange des 13. Jahrhunderts nach dem Muster der Kapelle zu Althof mit den Mosaikziegeln gepflastert wurden. - Andere Entdeckungen 1 ) für den Bau der Kirche oder den in Frage stehenden Gegenstand wurden nicht gemacht.

Ohne Zweifel hatten diese Ziegel eine besondere Bedeutung. Es sind die Altarräume damit gepflastert. Vielleicht haben diese Ziegel Beziehung zu dem Abendmahle, da Christus zu den Jüngern, die das Abendmahl vorbereiten sollten, sagte: "Und er wird euch einen großen gepflasterten Saal zeigen, daselbst bereitet es". (Marc. 14, 15; Luc. 22, 12.) Es könnte diese Pflasterung mit den Mosaikziegeln hierauf Beziehung haben. Zwar steht im griechischen Texte άνάγαιον έστρωμένον (= coenaculum lectis stratum, tnclinium stratum), und es ist στρώσαι = sternere, mit Polstern und Teppichen ausrüsten, und nicht "pflastern", wie Luther übersetzt. Aber es steht zur Frage, wie im 12. Jahrh. diese Stelle verstanden ward. Ich bin augenblicklich zu solchen Forschungen nicht mit Quellenschriften gerüstet und will hier nur anregen. - Daß man allerlei heidnische Bilder und Unthiere, wie dei der Verzierung der Kapitäler der Kirchen, wählte, hat vielleicht darin seinen Grund, daß man heidnische Darstellungen zur Bekleidung des Fußbodens, den man mit den Füßen trat, 2 ) passend fand, und zwar zu einer Zeit, wo man seit den Kreuzzügen mit antiken und orientalischen Bildnereien wieder bekannt ward. Es ist bekanntlich viel über die sonderbaren und heidnischen Thier= und andern Gestalten,


1) Die 5 Zoll langen starken Sargnägel von dem Sarge Pribislav's waren mit Kalk überweißt und an den Stellen, wo sie geweißt waren, nicht gerostet.
2) Nicht lange vorher, als die Fußböden in Hovedöe, Althof und Doberan gelegt waren, hatte sich der Cistercienser Bernhard von Clairvaux gegen die Verzierung der Fußböden mit Heiligenbildern, ja gegen die Verzierung der Fußböden überhaupt, ausgesprochen, wie überhaupt der Cistercienser=Orden reichen Bilderschmuck verschmähete: man solle nicht mit heiligen Bildern schmücken, was man mit den Füßen trete, und das nicht zieren, was zum Beschmutzen bestimmt sei. Vgl. Otte Handbuch der kirchlichen Kunst=Archäologie des deutschen Mittelalters, dritte Aufl., Leipzig, 1854, S. 23.
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welche häufig in den alten Kirchen zu sehen sind, geschrieben, da das Streben, sie zu deuten, nahe liegt. Es mag am gerathensten sein, den Mittelweg zu wählen und die Bildungen zum Theil für christliche Symbolik (wie die Löwen, Hirsche etc. .) und bildliche Darstellung der Moral (wie z. B. der Tugenden und Laster durch Thiergestalten), zum Theil aber für Phantasiegebilde der Baukünstler zu halten, welche Bilder von nicht christlichen, niedrigstehenden Geschöpfen zum Tragen, also zu Kapitälern, Fußböden etc. ., wählten; es kommen doch häufig Dinge vor, welche durchaus keine christliche Deutung zulassen. Der Herr Dompropst v. Allioli zu Augsburg geht daher in seiner Abhandlung über die Bronze=Thür des Domes zu Augsburg in dem Neunzehnten Jahresberichte des historischen Vereins für Schwaben zu Augsburg, 1853, S. 6 flgd. wohl zu weit, wenn er meint: "Wenn das Heidenthum dem Christen in einem mildern Lichte erscheint, dann giebt es Anknüpfungspunkte zwischen Heidnischem und Christlichem, und ihre Verbindung wird erklärlich. Es kann angenommen werden, daß bei den Heiden schon vermöge ihres natürlichen, nicht ganz erloschenen Lichtes manches wahrhaft Göttliche und darum Christliche (!) im Wissen, wie im Leben, in der Moral, wie in der Gottesverehrung zum Durchbruche gekommen ist. Die ältesten Väter sprechen sich zwar bestimmt über die Verderbtheit des Heidenthums in Lehre und Sitte aus, aber diese Väter verkennen dennoch nicht, daß sich auch Wahrheit in dem Heidenthum finde, daß diese Wahrheit von dem Logos herrühre, welcher im Christenthume ganz erkannt werde, und daß das Heidenthum in dieser Hinsicht Christenthum (!) sei. Die ältesten Christen haben also das Heidenthum nicht als etwas durchaus Verwerfliches, sondern als etwas selbst christlichen Sinn Bergendes angesehen. Es ist darum auch gar nicht zu verwundern, wenn die heidnische Symbolik, soweit sie christlichen Gehalt hatte, auch in die christliche Plastik eindrang".

Zu dieser Ansicht mag man wohl gelangen, wenn man die Bilder auf der Bronzethür des Domes zu Augsburg erklären will, was übrigens nicht ganz gelungen zu sein scheint; sie kann aber nicht leitend sin für die vielen Bildungen ähnlicher Art. Freilich ist dies Ansicht vorzüglich gegen Kugler ausgesprochen, welcher die Sache von der andern Seite zu leicht zu nehmen scheint und nur "decorirend spielende Sinnbildnerei, 1 ) abenteuerliche Phantasieen roher Künstler und Verunstaltungen der De=


1) Vgl. Kugler's Kleine Schriften zur Kunstgeschichte, Stuttgart, 1853.
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coration" 1 ) in diesen Bildern erkennen will. Aber auch von Allioli geht nicht tief in die Sache ein, die er allein behandelt. So erklärt er das Bild des Centauren, welches auch auf der augsburger Bronze=Thür vorkommt, S. 25 flgd. also: "Nach der christlichen Lehre ist der gefallene Mensch ein Thiermensch, der in seinen obern Kräften das Gute erkennt und will, nach unten aber zum Bösen gezogen wird und ein Thier ist. Durch die erlösende Kraft wird er bestimmt, in der Macht des Geistes das Thier zu überwinden und nicht nur sich selbst, d. i. den thierischen Theil, sondern auch alle Versuchungen von außen, die das Thier unterstützen. Der Centaur stellt also den Zustand des erlöseten Menschen vor" (!). - Eine historische Untersuchung über die Zeit des Vorkommens dieser Bilder würde ersprießlicher gewesen sein.

Weiter ist keine spur von diesen eingelegten oder Mosaikziegeln von der beschriebenen Beschaffenheit entdeckt. Jedoch hat in jüngern Zeiten das Beispiel an einigen Orten Nachahmung, wenn auch in anderer Weise, gefunden. Man findet nämlich größere Ziegel, in welche Bilder in schwachem Relief auf vertieftem Grunde eingedrückt sind, der Arbeit der Leichensteine nachgeahmt. Solche Steine finden sich in der Kirche des Cistercienser=Mönchsklosters Dargun in Meklenburg. Das Kloster Dargun ward im J. 1172 gestiftet und vorzüglich von Mönchen aus dem Kloster Doberan bevölkert; jedoch hatte auch das dänische Kloster Esrom Theil an der Stiftung, und daher machte der Abt dieses Klosters Ansprüche an die Paternität über Dargun, welche ihm jedoch im J. 1258 von dem General=Capitel des Ordens abgesprochen und dem Kloster Doberan zugesprochen ward (vgl. Lisch Meklenb. Urk. I, S. 115, vgl. S. 3, 10, 12, 24 etc. .). Die Kirche ward ebenfalls im 14. Jahrh. umgebauet. In dem Pflaster der Kirche zu Dargun liegen noch ungefähr 50 solcher Reliefziegel von 9 Zoll im Quadrat, in welche Reliefs von 5 Zoll im Quadrat eingedrückt sind; diese stellen theils ein schreitendes Thier, theils eine gothische Verzierung im Style des 14. Jahrh. dar.

Aehnliche Ziegel finden sich auch in einigen Kirchen Nordfrankreichs (vgl. de Caumont I, p. 315). In der Kirche zu Doberan finden sich auf dem Grabe des Fürsten Heinrich des Löwen von Meklenburg († 1329) und auf den Fürstengräbern in der fürstlichen Begräbnißkapelle sehr große Wappenziegel, von 15 Zoll Fläche im Quadrat und 4 Zoll Dicke, in welche der Stierkopf in schwachem Relief mit vertieftem Grunde eingedrückt


1) Vgl. Kugler's Kleine Schriften zur Kunstgeschichte, S. 195.
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ist; die Ziegel sind schwarz glasurt, der vertiefte Grund ist mit weißem Kalk ausgefüllt gewesen, so daß sich der Stierkopf von der weißen Fläche und dem rothen Rande schars abgehoben hat. Ja es giebt ganze Figuren, welche aus solchen Reliefziegeln zusammengesetzt sind. In der Abtei zu Fontenay bei Caen findet sich die Figur eines Ritters, welche aus gebrannten Ziegeln von 8 Zoll im Quadrat zusammengesetzt ist (vgl. de Caumont I, p. 315). Auch in der Kirche zu Dargun befindet sich, in einem Pfeiler eingemauert, ein Marienbild, welches aus Reliefziegeln zusammengesetzt ist.

Eben so haben sich in der alten Kirche des Fleckens Klütz an der Ostsee im westlichen Meklenburg Reliefziegel gefunden. Als bei der Restauration der Kirche der Taufstein gehoben ward, fand man den Fußboden mit Reliefziegeln von 9 Zoll im Quadrat belegt; sie hatten in vertieftem Grunde schwache Reliefs von Verzierungen von architectonischen Ornamenten und waren grünlich glasurt.

Dies sind einige Beispiele von der Fortpflanzung einer gewissen Cultur in Meklenburg, aber auch alle, so viel ich weiß. Andere Spuren von der directen Verbindung mit dem Norden werden sich bei näherer Aufmerksamkeit vielleicht noch finden. so wird der ausgezeichnet schöne Taufstein romanischen Styls aus nordischem Kalkstein in der Kirche zu Proseken 1 ) bei Wismar in Skandinavien gemeißelt sein.


Der Baustyl der Kapelle zu Althof.

Aber nicht allein die Mosaikziegel sind es, welche auf einen directen Verkehr mit Norwegen in den ältesten Zeiten deuten, - auch der Baustyl der Kapelle selbst weiset auf einen solchen Verkehr hin. So einfach auch der Styl der Kapelle ist, so ganz ungewöhnlich erscheint er doch, wenn man ihn ruhig betrachtet. Die Kapelle bildet ein Oblongum ohne Seitenschiffe und hat ursprünglich ohne Zweifel einen halbkreisförmigen Chorschluß im Osten gehabt. Im Westen steht die Hauptgiebelwand mit der


1) Es giebt in Meklenburg noch sehr viele alte, große Taufsteine ("Fünten") aus der ersten Zeit des Christenthums. Fast alle sind aus dem einheimischen Granit, sehr kräftig, oft roh verziert. Es giebt nur sehr wenig alte, künstlerisch verzierte "Fünten" aus Kalkstein, und diese sind häufig so schön und eigenthümlich verziert, daß man es ihnen gleich ansieht, sie seien in einem Lande gemacht, wo der Werksteinbau zu großer Ausbildung gelangt war. So liegt z. B. an der neustädter Kirche zu Röbel die Schale eines alten Taufsteins mit einer vortrefflichen Einfassung von Weinlaub.
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einzigen Pforte, zwei kleinen Fenstern hoch über derselben zu beiden Seiten und einer Rose in dem dreiseitigen Giebel; in der rechten südwestlichen Ecke dieses Giebels, rechts an der Pforte, steht ein schlanker, achteckiger Thurm. Diese Eigenthümlichkeit findet sich an keinem andern kirchlichen Gebäude 1 ) in ganz Meklenburg und ist gewiß überhaupt höchst selten. Dieser Styl

Kapelle zu Althof

scheint ebenfalls normannischen Ursprunges zu sein. So ist in dem Jahresberichte des Vereins zu Christiania von 1848, Christiania 1849, der Grundriß der Ruinen der alten Kapelle von Huseby abgebildet, welche dem Grundrisse der Kapelle von Althof sehr ähnlich ist, mit Ausnahme des Chorschlusses, welcher zu Huseby noch halbkreisförmig, in Althof im 15. Jahrh. aber


1) Die Kirchen Meklenburgs haben nach den verschiedenen Bauperioden alle einen bestimmten Charakter. Am meisten verbreitet ist der Uebergangsstyl; Kirchen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. sind selten. In Rostock, Wismar, Schwerin, Doberan, Dargun, Bützow u. s. w. herrscht der ausbebildete Spitzbogenstyl des 14. Jahrh. Kirchen aus dem 15. Jahrh. sind nicht sehr häufig; jedoch finden sich häufig Anbauten und Erweiterungen aus diesem Jahrhundert.
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zu einem Dreiseit umgebauet ist. Dieser Styl scheint aber einen noch entferntem Ursprung zu haben. In einem englischen Werke: The ecclesiastical Architecture of Ireland, anterior to the Anglo-Norman Invasion, comprising an Essay on the origin and uses of the round towvers of Ireland, by George Petrie, Dublin, 1845, welches im Archaeological Journal of the archaeological Institute of Great Britain, Vol. III, 1846, p. 166 sq. angezeigt ist, ist nachgewiesen, daß die in Irland öfter vorkommenden, alten, runden Thürme von 50 bis 150 Fuß Höhe und 40 bis 60 Fuß Umfang in der Basis christliche Bauwerke sind. Sie wurden nie ohne Zusammenhang mit alten kirchlichen Stiftungen aufgeführt und dienten zugleich als Glocken= und Befestigungsthürme vor der Eroberung Englands durch die Normannen. Im Archaeol. Journal p. 170 ist Finend Church at Clonmacnoise abgebildet, der Westgiebel einer romanischen Kirche mit einem Thurme in der rechten Ecke, welcher in der Construction ganz dem Giebel der Kapelle von Althof gleich ist, nur daß der irische Thurm höher ist als der althöfer. In demselben Journal S. 388 ist Darent Church, in der Grafschaft Kent, aus der normännischen Periode, abgebildet, welche denselben Giebel, mit zwei hohen, kleinen Fenstern und einer Rose, hat, wie die Kapelle zu Althof, jedoch keinen Thurm.

Zu diesen directen Beweisen für den nordischen Einfluß auf Meklenburg kommt noch eine andere Andeutung, welche höchst bedeutend ist. Meklenburg besitzt einen außerordentlichen Reichthum von schönen Kirchen im Ziegelbau, welche aus der Zeit des Ueberganges vom Rundbogenstyle zum Spitzbogenstyle stammen. Diese Erscheinung hängt ganz natürlich mit der historischen Thatsache zusammen, daß grade in dieser Zeit (1220 bis 1240) das Christenthum in Meklenburg seine Befestigung erhielt und die meisten Kirchen gebauet wurden. Aber die wichtige Frage ist, woher der Styl dieser Kirchen nach Meklenburg kam. Die Antwort scheint ganz einfach die zu sein, daß er aus dem Westen, aus dem Erzbisthume Bremen, gekommen sei, zu welchem Meklenburg gehörte. Doberan ward von Mönchen aus dem Kloster Amelungsborn bevölkert, das Collegiatstift Güstrow ward nach dem Muster der Kirche zu Hildesheim eingerichtet u. s. w. Aber es scheint auch nordischer Einfluß geherrscht zu haben. A. v. Minutoli hat vor kurzem in seinem großen Werke: Der Dom zu Drontheim und die mittelalterliche christliche Baukunst der scandinavischen Normannen, Berlin, 1853, die Ansicht ausgesprochen, daß der alte Spitzbogenstyl oder der Uebergangsstyl, wie er gewöhnlich genannt wird, eine Erfindung der skandinavischen Normannen, zuerst in dem Dome

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zu Drontheim, dem größten Kunstwerke seiner Zeit, in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zur Anwendung gekommen und von Norwegen in die deutschen Küstenländer, namentlich in das Erzthum Bremen, verpflanzt sei; er hält den Styl, den er den normannischen nennt, für ein Product, welches aus der Vermischung und Anwendung arabischer, griechischer und normannischer Elemente erwachsen sei. Er hat die Ansicht, daß die Kirchen zwischen Weser und Oder unter dem Einflusse des normannischen Styles stehen, namentlich von Bremen und Magdeburg aus, wenn sich auch nicht leugnen lasse, daß eine Einwirkung von anderer Seite her, Von der Normandie, unverkennbar sei, namentlich seit der weiteren Entfaltung des Spitzbogenstyls. Diese wohl nicht ganz unbegründete Ansicht so neu und überraschend sie auch ist, hat gewiß viel für sich, wenn sich auch die wegwerfende Kritik Lübke's in dem Berliner Kunstblatt, 1853, Nr. 26 und 27, sehr hart dagegen ausspricht. Wie es den Begründern aller neuen Ansichten zu gehen pflegt, mag auch Minutoli, von der Erhabenheit seines Stoffes hingerissen, in manchen Stücken etwas zu weit gegangen sein; nichts desto weniger scheint der Kern seiner Forschungen kräftig und gesund zu sein. Mag auch die erste Entwickelung des Spitzbogenstyls vom Westen her bedeutend befördert sein, so wird man doch nordischen Einfluß auf Norddeutschland nicht zurückweisen können, zumal in einer Zeit, wo der Verkehr von ganz Norddeutschland mit dem Norden viel größer war, als mit dem Westen, und als man zu glauben gewohnt ist.

Die unleugbare Verpflanzung nordischer Mosaikziegel und wahrscheinlich selbst des Baustyls von Norwegen nach Doberan giebt einen Beweis für die directe Verbindung mit den skandinavischen Normannen zu einer Zeit, wo der Dom zu Drontheim erbauet ward. Und die wiederholte Anwendung dieser Ziegel bei dem Neubau von Doberan im J. 1186 scheint dafür zu reden, daß damals noch normannische Arbeiter in Meklenburg unausgesetzt thätig waren. so läßt sich die Wanderung der ersten Kunst= und Handwerksbildung in das Bisthum Schwerin (und den meklenburgischen Theil des Bisthums Camin) aus Norwegen her ziemlich klar verfolgen, während man wohl annehmen muß, daß der älteste Baustyl im Bisthume Ratzeburg aus dem Braunschweigischen stammt und von dort durch Heinrich den Löwen eingeführt ist, da der Dom zu Ratzeburg "eine mit den für den Ziegelbau nothwendigen Abänderungen versehene, fast wörtliche Kopie des St. Blasien=Doms zu Braunschweig" ist (vgl. v. Quast zur Charakteristik des älteren Ziegelbaues etc. ., Berlin, 1850, S. 18).

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Zu der Annahme der Wanderung des nordischen Kunststyls stimmen denn auch die folgenden chronologischen Uebersichten genau und auf merkwürdige Weise:

1125.   Cistercienser=Klöster zu Fountain und Kirkestad in England.
1147. Cistercienser=Kloster zu Hovedöe in Norwegen.
1164.   Vermählung der norwegischen Königstochter Woizlava mit dem Fürsten Pribislav von Meklenburg.
1164. Stiftung der Kapelle zu Althof durch Woizlava.
1170. Stiftung des Cistercienser=Klosters Doberan zu Althof oder Alt=Doberan.
1172. Begräbniß der Fürstin Woizlava in der Kapelle zu Althof.
1179. Verwüstung der Kapelle zu Althof und des Klosters durch die wieder abfallenden Wenden.
1186. Wiederherstellung des Gotteshauses zu Althof und Verlegung des Klosters nach dem Dorfe Doberan.
1522. Verwilderung der Kapelle zu Althof bis 1822.
1532. Zerstörung des Klosters Hovedöe.
1823. Wiederherstellung der Kapelle zu Althof.
1846. Aufräumung der Ruinen des Klosters Hovedöe.

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Herkunft der Fürstin Woizlava.

Aus der dargelegten unleugbaren Verpflanzung der Mosaikziegel aus Norwegen nach Meklenburg in einer so fernen Zeit, als noch vom Ziegelbau im Bisthume Schwerin kaum die Rede war, läßt sich nun umgekehrt der wichtige Schluß ziehen, daß, wie die Chronik des Ernst von Kirchberg vom J. 1378 berichtet,

die Fürstin Woizlava, die Gemahlin des Fürsten Pribislav von Meklenburg, wirklich eine K oe nigstochter von Norwegen gewesen sei,

da gewiß eine so wichtige Veranlassung, wie die Vermählung Pribislav's mit einer norwegischen Fürstentochter, voraufgehen mußte, um so merkwürdige Baudenkmäler zu schaffen. Wenn auch die Aeltern der Woizlava 1 ) wahrscheinlich immer unbekannt bleiben werden, so reden doch die Ziegel an dem Grabe der Woizlava und ihres Gemahls deutlicher, als Chroniken, daß hier bei der Gründung des ersten christlichen Gotteshauses normannischer Einfluß gewaltet habe.

Vignette

1) Ueber die Herkunft und den Namen der Woizlava ist in Jahrb. II, S. 12, alles beigebracht, was zu erforschen und zu vermuthen möglich war.