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2. Mittelalter.

a . Weltliche Bauwerke.


Die Burg Retschow.

Der Bau eines neuen Wohnhauses auf dem Hofe zu Retschow bei Doberan führte die Entdeckung der historisch=wichtigen Burg Retschow mit sich, welche zwar ein Mal genannt, aber noch nicht in ihrer Bedeutung dargestellt ist. Rudloff M. G. II, S. 341, sagt nämlich: "Retzkow und Eikhof werden jetzt (im Anfange des 14. Jahrh.) als Schlösser namhaft gemacht."

Die Burg Retschow wird im J. 1302 zuerst genannt. Der Fürst Heinrich der Löwe von Meklenburg schenkte 1 ) am 18. Jan. 1302, also 16 Tage nach dem Tode seines Vaters, zum Seelenheile seines Vaters, seiner Mutter, seiner selbst und seiner Gemahlin, dem Kloster Doberan mehrere Aufkünfte von der Insel Pöl, unter der Bedingung, daß davon ein ewiges brennendes Wachslicht an seiner Grabstätte 2 ) gehalten und ein Altar und gemalte (?) Fenster (fenestras laudabiles) in der Kapelle 3 ), wo seine Vorfahren ruheten, hergestellt würden; den Rest der Hebungen sollte das Kloster haben zum Ersatz für die Schäden, welche es von dem Fürsten und den Seinigen und von der Burg Retschow erlitten habe:

"pro omni dampno suo, quod recepit a nobis siue a nostris et de castro Rethcekowe."

Am 8. Oct. 1319 bekennt der Fürst Heinrich mit denselben Worten, daß er dem Kloster zwar diese Schenkung gemacht, die Insel Pöl aber Schulden halber habe verpfänden müssen und das Kloster daher nicht zum Genuß der Schenkung gekommen sei; er schenkte daher demselben dafür das Dorf Admanshagen, wogegen das Kloster dem Fürsten 350 Mk. wend. Pf. zahlte und ihm die Ersetzung eines Schadens von 200 Mk. wend. Pf. erließ, welchen der Fürst dem Kloster in


1) Die Urkunde ist gedruckt in v. Westphalen Mon. ined. Dipl. Doberan. III, p. 1570.
2) Heinrich der Löwe ist bekanntlich isolirt im hohen Chore der Kirche zu Doberan begraben und ruhet unmittelbar neben dem Großherzoge Friedrich Franz I. Vgl. Jahrb. IX, S. 429 flgd.
3) Das alte fürstliche Erbbegräbniß ist in der Kapelle an der Nordpforte. Vgl. Jahrb. IX, S. 427.
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Althof zugefügt habe ("pro dampnis, que intulimus eis in Antiqua Curia Doberan").

Diese Rolle, welche die Burg Retschow in jenen ereignißreichen Zeiten spielte, hatte ihre Veranlassung ohne Zweifel in den Kriegen wegen der Herrschaft Rostock, unter dem letzten Fürsten von Rostock, Nicolaus dem Kinde, sowohl in dem ersten dänisch=rostocker Kriege von 1301, als in den rostockischen Successionskriegen von 1314 und den folgenden Jahren.

Die Sache ist jedoch wegen Mangelhaftigkeit der zur Beurtheilung nöthigen topographischen und diplomatischen Forschungen noch nicht ganz klar. Retschow hatte eine wichtige Lage dort, wo die Herrschaften Meklenburg, Rostock und Werle zusammenstießen. Cröpelin mit Umgegend gehörte zur Herrschaft Rostock, Bukow zur Herrschaft Meklenburg, Retschow gehörte aber nach den Urkunden vom J. 1358 zur Vogtei Schwan, vielleicht als äußerste Grenzfeste, also zur Herrschaft Werle. Durch den rostocker Frieden vom 1. Aug. 1301 ward aber die Feste Schwan mit dem halben dazu gehörenden Lande, welches von Werle an Rostock verpfändet war, dem Könige von Dänemark abgetreten. In dieser Zeit muß der Fürst Heinrich der Löwe auch zugegriffen haben, um einen starken Vorposten nach der drohenden Seite hin zu gewinnen

Retschow war kein fürstliches Schloß, sondern eine Vasallenburg und war Lehn der von Barnekow, welche seit uralter Zeit mit ihren Hauptgütern Vasallen der Herrschaft Meklenburg gewesen waren. Dies wird die Veranlassung gewesen sein, daß der Ritter Heinrich von Barnekow, welcher in jener Zeit häufig im Gefolge des meklenburgischen Löwen, und späterhin unter den Vormündern seiner Kinder erscheint, sich mit seiner festen Burg zu diesem schlug, wie in jenen Zeiten solche Fälle öfter vorkommen.

Es wird in den erwähnten Urkunden ausdrücklich gesagt, daß dem Kloster Doberan von dem Fürsten Heinrich und von der Burg Retschow Schäden zugefügt seien.

Retschow gehörte nach allen diesen Umständen gewiß schon im Anfange des 14. Jahrh. dem Ritter Heinrich von Barnekow. Im J. 1335 wird zuerst ein Besitzer von Retschow genannt.

Am 12. Junii 1335 schenkte der Ritter Conrad Babbe 1 ), aus der in der Herrschaft Rostock ansässigen Familie, dem Kloster Doberan zur Verbesserung der Conventspende (seruicii), welche


1) Im J. 1358 bürgten für die v. Barnekow auf Retschow auch Otto Babbe auf Parkow ("Percowe") und Arnold Babbe auf Carin ("Chorin"), welche beide Güter in der Nähe von Retschow bei Neu=Bukow liegen.
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sein Vater, der Ritter Friedrich Babbe, am Tage des H. Mauricius im Kloster gestiftet, noch 40 Mk. rostock. Pf. Capital oder 4 Mk. jährlicher Hebung, welche das Kloster nach seinem Tode von dem Ritter Heinrich von Barnekow, oder dessen Erben, entweder von dem diesem geliehenen Capital oder den von demselben ihm verpfändeten Hebungen aus dem Dorfe Retschow (Rethzecowe) erheben sollte, wofür das Kloster ihn nach seinem Tode abholen und bei seinen Vorfahren begraben solle.

Indessen kam das Gut bald aus der Familie und von einer Burg Retschow ist nicht mehr die Rede. Am 9. Sept. 1343 verpfändeten die Brüder Raven, Ritter, und Ulrich, Gottschalk und Heinrich, Knappen, von Barnekow dem rostocker Bürger Gerhard Grentze für 1400 Mk. rostock. Pf. das ganze Dorf Retschow zu Vasallenrecht ("ad jus vasallicum"), wie sie es bisher besessen hatten, ohne höchstes Gericht und Beden.

Es dauerte jedoch nicht lange, so mußten die v. Barnekow das Gut ganz verkaufen. Im J. 1358 kaufte der rostocker Rathmann Peter Kremer das Dorf Retschow mit dem bei demselben liegenden Hofe ("curiam villae adjacentem"), und zahlte den Kaufpreis von 3000 Mk. rostocker Münze, ließ das Gut jedoch dem Kloster Doberan zuschreiben und schenkte es demselben ("asscribi fecit, assignavit integraliter ac liberaliter et donauit in pias elemosinas), machte dabei aber die Bedingung, daß das Kloster zu der von ihm neu gestifteten ewigen Vikarei in der Marienkirche zu Rostock unter dem Thurme jährlich 25 Mk. rost. Pf. ewiger Hebungen aus dem Dorfe Retschow zahlen solle.

Peter Kremer hatte diese Stiftungen wohl auf seinem Sterbelager gemacht, da er noch in demselben Jahre starb. Am 4. März 1358 schenkte er noch dem Abte des Klosters Doberan das Patronat dieser Vikarei, am 9. Sept. 1358 verpflichtete sich nach seinem Tode das Kloster zur Leistung der ihm auferlegten Verpflichtung, und am 1 Oct. 1358 bestätigte der bischöflich=schwerinsche General=Vikar Johann von Wunstorf diese Vikarei.

Die Förmlichkeiten des Verkaufes wurden im Junii 1358 abgemacht. Am 18. Junii 1358 verkauften 1 ) der Ritter Raven v. Barnekow und sein Bruder Heinrich, so wie Raven's Sohn Heinrich, Knappen, unter Bürgschaft der übrigen


1) Die Urkunde ist gedruckt in v. Westphalen Mon. ined. Diplom. Doberan. III, p. 1633.
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Brüder Ravens, der Knappen Ulrich und Gottschalk, und seines Vetters Reimar, dem Kloster Doberan das ganze Dorf Retschow mit dem Hofe daselbst, in der Vogtei Schwan belegen ("totam et integram villam Retzecowe cum curia nostra ibidem aduocacie Zywan"), mit aller Gerichtsbarkeit und vielen Diensten und Gerechtigkeiten für 3000 Mk. rostock. Pf. Am 20. Junii 1358 bestätigte 1 ) der Herzog Albrecht dem Kloster Doberan diesen Kauf und schenkte demselben das Eigenthumsrecht des Dorfes.

Seitdem gehörte das Dorf dem Kloster Doberan.

Die Burg Retschow muß daher in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wieder untergegangen sein.

Die Beschaffenheit des Burgwalles ist sehr großartig und wohl geeignet, die Vorstellung von der großen Bedeutsamkeit, welche die Burg zur Zeit Heinrich's des Löwen von Meklenburg hatte, zu bestärken. Der Hof Retschow hat eine große Ausdehnung. Unmittelbar hinter dem Wohnhause erhebt sich der Burgwall sehr steil in bedeutender, ungewöhnlicher Höhe und großer Ausdehnung, so daß der Burgwall über das Hofhaus emporragt und der ganze Hofgarten mit freier Rundsicht auf dem Burgwalle liegt. Offenbar scheidet sich diese gewaltige Erhebung in zwei Theile, auf deren einem die Burg, auf deren anderm die Vorburg gestanden haben wird; auf dem höhern und größern Burgplatze sind noch einige Erhebungen sichtbar. Zu zwei Drittheilen werden Burgwall und Hof von Wasser und Sumpfniederungen, jetzt Teichen und Wasserläufen, welche mitten durch den Hof gehen, umgeben; zu einem Drittheile, gegen das Dorf hin, ist der Burgwall durch Wälle und Gräben künstlich befestigt gewesen. Die Anlage stammt offenbar aus dem christlichen Mittelalter und zeigt keine Spur von wendischen Eigenthümlichkeiten und Alterthümern. Jedenfalls ist der Burgwall einer der bedeutendsten mittelalterlichen Burgwälle im Lande.

Als im J. 1852 ein neues Wohnhaus gebauet werden sollte, grub man auch den hohen Berg des Hofgartens, den Burgwall, an, zunächst um hinter dem Hause mehr Raum zu gewinnen und das Winterwasser von dem Hause ableiten zu können. Bei dieser Gelegenheit kam viel und bedeutendes altes Mauerwerk zu Tage, welches abgebrochen und zu den Fundamenten des Hauses benutzt ward.


1) Die Urkunde ist gedruckt das. p. 1636. - Diese Urkunden sind sehr merkwürdig durch die Aufzählung vieler ungewöhnlicher Dienste.
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Die Ziegel sind von dem allergrößten Format und großer Härte und Schwere, wie sie nur in den Kirchen aus dem 13. und 14. Jahrh. vorkommen.

Bei dem Abgraben des Walles und dem Abbruche des alten Gemäuers wurden auch mehrere Alterthümer gefunden, welche der Pächter Herr Rabe mit gebildetem Sinne sorgfältig aufsuchte, aufbewahrte und, so weit sie von Interesse waren, ablieferte:

1) Viele Kohlen und schwarz gebrannte Lehmstücke mit Stroh eindrücken (von "Klemstaken").

2) Große Klumpen Schlacken, in welchen inwendig Stücke von Ziegeln sitzen.

Diese Funde reden dafür, daß die Burg durch Brand zerstört worden sei. Dies wird schon bald nach der Zeit geschehen sein, als Retschow im Anfange des 14. Jahrh. eine geschichtliche Rolle spielte, da die Burg ("castrum") Retschow nur 1302 und 1319, späterhin nur der Hof ("curia") Retschow genannt wird.

3) Viele Scherben von blaugrauen Töpfen und weißen Krügen, wie dergleichen bekanntlich auf allen mittelalterlichen Burgstätten gefunden werden.

4) Ein eisernes Beil, dessen Blatt völlig dreiseitig ist.

5) Ein eiserner Sturmhaken (?), wie dergleichen unter fast allen Burgruinen des Mittelalters in Meklenburg gefunden werden.

6) Ein eisernes Messer.

7) Eine kleine eiserne Schere, von der alten Form, in welcher noch heute die Schafscheren gemacht werden.

8) Eine große zinnerne Schnalle mit eisernem Dorn.

9) Viele eiserne Nägel und anderes Eisenwerk.

10) Ein Ring aus Elfenbein oder Knochen von 1 1/2 " äußerm Durchmesser und 7/8 " innerer Oeffnung.

Einige Münzen aus dem 17. Jahrh., alle von dem Herzoge Johann Albrecht II. von Meklenburg=Güstrow, sind ohne Zweifel in neuern Zeiten verloren gegangen.

Merkwürdig ist aber

11) ein schöner, geschliffener Keil von Feuerstein aus der Steinperiode, welcher in der Tiefe unter dem Mauerschutt gefunden ward, ein Beweis, daß die Stelle schon in den allerältesten Zeiten bewohnt ward.

Vgl. unten über die Kirche zu Retschow.

G. C. F. Lisch.