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b. Weltliche Bauwerke.

Beiträge
zur Geschichte des Renaissance=Ziegelbaues
in Meklenburg aus der Mitte des 16. Jahrh.

Der Renaissancestyl der Schlösser zu Wismar, Schwerin und Gadebusch, mit den reichen Gliederungen und Verzierungen in gebranntem Thon (vgl. Jahrb. V, S. 1 flgd.), haben eine große theoretische und praktische Wichtigkeit für die Geschichte der Baukunst im nördlichen Deutschland. Dieser Styl, in welchem ein großer Theil des schweriner Schlosses gegenwärtig restaurirt wird, muß im 16. Jahrh. in Meklenburg sehr verbreitet gewesen sein, da sich bei Aufgrabung von Fundamenten beim Bau von Privathäusern häufig Reste von gebrannten Ziegelreliefs finden. Dieser Styl ist in seiner Eigenthümlichkeit vorzüglich und wesentlich in Meklenburg, namentlich in Prachtbauten, ausgebildet worden und kann nur hier von allen Seiten studirt werden. Der Baumeister des wismarschen Schlosses, des ältesten dieses Styls (von 1552). Gabriel von Aken, verpflanzte den Styl nach Lübeck (vgl. Jahrb. X, S. 320).

Es ist nun von dem höchsten Interesse, die Verbreitung dieses Styls in Norddeutschland außerhalb Meklenburg möglicher Weise weiter zu verfolgen. Die wenigen Spuren, die sich in Pommern und Holstein finden, sind in unsern Jahrbüchern beschrieben. Es war die Frage, ob sich nicht am linken Elbufer Spuren finden sollten. Auf einer wissenschaftlichen Reise im Frühling 1851 ward ich in Beziehung auf diesen Gegenstand auf die beiden Städte Hannover und Lüneburg beschränkt. Südlich von Hannover in Hildesheim tritt der Ziegelbau schon ganz zurück und der Holzbau mit einem kolossalen und ausgebildeten Uebergewicht in den Vordergrund.

In Hannover sind noch viele höchst ausgezeichnete, merkwürdige Ziegelbauten. Alle zeichnen sich durch eine seltene, fast einzige Leichtigkeit, Schlankheit und Zierlichkeit im Style aus, und man möchte sagen, daß dieser Styl der Stadt Hannover

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ganz eigenthümlich sei; denn die schönern Bauten in den nördlichen Hansestädten sind mehr im strengern, ernstern Style gehalten, wenn er auch vollkommen ausgebildet ist, der hannoversche Styl strebt aber, möchte man fast sagen, über das Maaß hinaus und erhebt sich zu einer sonst ungewöhnlichen Schlankheit und Grazie. Diese Ziegelbauten gehören aber noch alle dem Spitzbogenstyle aus dem 15. Jahrhundert an und finden ihr Vorbild in dem in demselben Style aufgeführten Rathhause zu Hannover, welches die Jahreszahl 1455 trägt; dieses ist auch mit vielen Reliefs geschmückt, aber noch ganz im Spitzbogenstyle.

Ein ganz anderes Bild zeigt die Stadt Lüneburg. Fast die ganze Stadt besteht aus Giebelhäusern im Rohbau, und es ist auffallend, hier einmal ein abgeputztes Haus zu sehen. so wie die alten hannoverschen Bauten sich durch eine ungewöhnliche Schlankheit auszeichnen, so fällt die Schwere des lüneburger Styls augenblicklich in die Augen: auch Lüneburg hat seinen eigenen Styl, dessen durchgehender Charakter die Schwere ist: massenhafte Formen, gedrückte Verhältnisse, flache Bogen, ungewöhnlich starke Ausladungen der Gliederungen, dies sind die eigenthümlichen Kennzeichen des lüneburger Styls, der den allerletzten Verfall des Spitzbogenstyls zeigt, aber so eingewurzelt ist, daß selbst in unsern Tagen neue Bauten in diesen Verhältnissen aufgeführt werden. Der Styl gehört noch dem Spitzbogenstyle an, zeigt aber schon in den Verzierungen Anklänge aus der Renaissance. Hiezu gehört die Verzierung der Gesimse mit Reliefköpfen, welche in Lüneburg sehr häufig ist. Aber diese Reliefköpfe stehen nicht auf großen Ziegelquadern, sondern sind runde, blau und gelb glasurte Kacheln, welche in einen gemauerten Kranz von geformten, runden Ziegeln eingelassen sind. Es ist dies also keine Ziegelarbeit, sondern Töpferarbeit. Es giebt in Lüneburg mehrere mit diesen glasurten Kacheln verzierte Häuser, welche eine Jahreszahl tragen, also bestimmt die Zeit des Styls bezeichnen: so das bedeutendste Giebelhaus dieser Art an der Ecke des Sandes und der Glockengießerstraße vom J. 1548, ein kleines Queerhaus in einer Nebenstraße vom J. 1550, ein großes Queerhaus in der Rothen Straße Nr. 107 vom J. 1553: diese und viele andere Häuser sind mit denselben Kacheln verziert. Alle diese Häuser haben aber auch denselben Styl, wie alle übrigen Häuser Lüneburgs, und es scheint hiernach, als wenn fast ganz Lüneburg im 16. Jahrh. in dem verfallenden lüneburger Spitzbogenstyl neu aufgebauet worden ist. Aeltere Häuser, wie z. B. ein altes Eckhaus an der Apothekenstraße, welches außen mit demselben Friese verziert ist, wie die

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Johanniskirche an der innern Wand des südlichen Seitenschiffes, sind in Lüneburg sehr selten.

Aber Lüneburg besitzt noch Eine treffliche Reliquie in dem Geiste des meklenburgischen Ziegel = Renaissancestyls; in der Neuen Sülzestraße Nr. A. 77. steht noch die Hälfte eines alten Queerhauses, welches ganz in diesem Style erbauet ist. Die Eingangspforte ist von einem in Ziegel geformten, halben Kreisbogen in Relief überdeckt und hat unter demselben einen in Ziegel geformten Reliefkopf von so großer Feinheit und Schönheit, wie er in diesem Style je gefunden wird. Die großartigen Verhältnisse der Wandflächen sind durch feine Wandstreifen mit zarten Ziegelreliefs getheilt, wie sie sich an den meklenburgischen Schlössern finden. Dieses Haus scheint das einzige außerhalb Meklenburg in diesem Style zu sein. Leider ist es sehr verfallen.

Aehnlich, aber doch anders, ist das bekannte, große, prachtvolle, sogenannte Witzendorffsche Haus in der Bardewiker Straße vom J. 1559. Dieses Queerhaus, einzig in seiner Art, zeigt eine Vermischung des lüneburger Styls und des italienischen Renaissancestyls. Maurerarbeit, Fenster = und Thüröffnungen u. s. w. sind lüneburgisch. Aber die Verhältnisse sind sehr großartig. Die Verzierungen sind denen der meklenburgischen Ziegel = Renaissance ähnlich, aber doch anders; alle Medaillons sind aus Sandstein, die vielen Wappen natürlich in flachem Relief, aber die vielen Köpfe auf runden Scheiben in starkem Hautrelief aus Sandstein. Daher nimmt dieses Haus eine ganz eigenthümliche und eigene Stellung in der Geschichte des norddeutschen Renaissancestyls ein.

G. C. F. Lisch.