Seite 368 |
|
:
Im Februar 1851 entdeckte der Herr Gutsbesitzer Koch auf Dreweskirchen bei Anlegung eines neuen Weges einen Wendenkirchhof und lud mich freundlichst ein, im Interesse unsers Vereins die Leitung der Erdarbeiten zu übernehmen. Leider fand ich nicht viel mehr, als was der Herr Koch beim ersten Angriffe der Arbeit selbst gefunden hatte, jedoch giebt die Untersuchung der Oertlichkeiten und die sichere Feststellung der Gräber manche höchst interessante Ergebnisse.
Südlich von den Arbeiterwohnungen des Hofes Dreweskirchen erhebt sich unmittelbar und in bedeutender Erhebung ein sandiger Höhenzug, welcher mit Tannen besetzt ist und die tiefere und flachere Gegend bis zum Meere beherrscht; von diesem Berge überschauet man gegen Norden hin die ganze Ausdehnung des lang gestreckten Gutes Dreweskirchen und der angrenzenden Güter bis zum Binnenwasser der Ostsee. Unmittelbar am Fuße dieses Berges liegt Dreweskirchen.
An diesem Berge lassen sich alle gottesdienstlichen und geschichtlichen Verhältnisse des Gutes und der Gegend klar und übersichtlich erkennen.
liegt, wie gewöhnlich, auf der Höhe des Berges. Hier liegen in den Tannen mehrere Kegelgräber von etwa 4 bis 5 Fuß Höhe und kleinere Begräbnisse aus der Bronzeperiode in kaum merklichen Erhebungen.
Hier fand der Herr Koch nahe bei einem ausgebildeten Kegelgrabe unter einem unbedeutenden Haufen Erde eine ziemlich große, zwischen einige Steine verpackte Urne von ungefähr 8? Höhe, offenbar aus der Bronzeperiode. Die Wände sind sehr dick, die Masse ist mit grobem, zerstampften Granit durchknetet, die Oberfläche ist ganz höckerig und rauh und noch nicht mit geschlemmtem Thon überzogen, wogegen die innere Fläche geglättet ist. Der Herr Koch hatte die Urne, so wie er sie aus
Seite 369 |
der Erde gehoben hatte, aufbewahrt; ich räumte sie aus, fand aber darin nichts weiter, als die Gebeine eines Kindes: die Schädelbeine sind nur gegen 1/8? dick. Hieraus erklärt sich die geringe Mühe, die man sich bei der Verfertigung der Urne und dem Grabhügel gegeben hat.
liegt ganz nahe bei dem germanischen Begräbnißplatze und an dem nördlichen Abhange des Berges.
Hier hob der Herr Koch eine Urne von dem ausgebildeten Charakter der Urnen der Wendenkirchhöfe aus, welche leider zerfiel, jedoch noch in den Scherben erhalten ist. Die Urne war schalenförmig, unten spitz und oben weit, glatt und pechschwarz, ganz mit viereckigen Punctlinien verziert, unter dem Rande mit den bekannten mäanderförmigen Verzierungen. In der Urne lag viel schwarze Brandasche und in derselben fand man zwei Hefteln aus Bronze von der bekannten Form der Hefteln in den Wendenkirchhöfen, jedoch ziemlich groß, und ein platter Spindelstein von gebranntem Thon: das Begräbniß war ohne Zweifel ein weibliches.
Nicht weit davon stand eine zweite, ebenfalls zerfallene braune Urne, welche eine rauhe Oberfläche hatte und mit einer feinen, glatten Deckschale zugedeckt war. Diese Urne hatte nach allen diesen Kennzeichen einen älteren Charakter und stammt ohne Zweifel aus der ältesten Zeit der Eisenperiode, oder aus dem Uebergange von der Bronze = Periode zur Eisen = Periode. In der Asche fand sich ein kleines prismatisches Stück von einem feinen, geglättenen Knochen, 3/4? lang und 1/4? dick, auf dessen einen ausgeschliffenen Fläche eingeritzt ist.
Diese Funde ließen vermuthen, daß ein ganzer, großer Wendenkirchhof aufgedeckt werden könne. Leider aber waren dies nicht die ersten, sondern die letzten Ueberreste des Begräbnißplatzes; es fanden sich bei der Abtragung keine Alterthümer mehr. Jedoch waren überall weithin die Brandstellen in der Erde zu verfolgen und Urnenscherben zu finden. Unter andern fand sich das Randstück einer fast roth gebrannten Urne von 3/4? Dicke. Wahrscheinlich hat die Holzcultur alles vernichtet, und nicht allein diese, sondern auch die christliche Cultur.
liegt nämlich unmittelbar an dem Wendenkirchhofe; auf dem Abhange steht die Kirche mit dem Kirchhofe, die Pfarre und die Küsterei; letztere liegt vielleicht noch auf dem Wendenkirchhofe;
Seite 370 |
in der Tiefe liegt das Dorf. In der Ebene finden sich die Ueberreste der Steinperiode; seit der Bronzeperiode zog sich die Cultur auf die Höhen.
Man sieht hier klar, daß die neue Bevölkerung und die neuere Cultur ihre gottesdienstlichen Stellen immer unmittelbar an die ältere lehnte.
sind ohne Zweifel auf heiligem heidnischen Boden gebauet und gaben dem germanisch = christlichen Dorfe den Namen.
Unmittelbar an den Häusern von Dreweskirchen, nur durch einen Bach von diesem getrennt, liegt das Dorf Blŏwâtz, sicher ein altes wendisches Dorf, welches darauf das Kloster Doberan erhielt und zu den doberaner Höfen Farpen und Redentin in der Verwaltung gehörte: von Blŏwâtz bis gegen Wismar war alles doberaner Klostergut. Das mit Blowatz zusammenhangende Dorf Dreweskirchen hieß vor dem J. 1229 Gardeskendorf und war wohl eine westphälische Colonie neben dem wendischen Blowatz. Gardeskendorf gehörte in alter Zeit noch zur Pfarre Neuburg, welche bis an die Ostsee reichte. Die Pfarre zu Neuburg gehört zu den ältesten im Lande, der Pfarrer von Neuburg war schon 1219 im Gefolge des Fürsten Borwin I. Bald klagten aber die "Leute an der See im Kirchspiel Neuburg", daß sie zu weit von der Kirche entfernt seien, und baten um die Vergünstigung, daß sie sich auf ihre Kosten zu Gardeskendorf eine Kirche, welche Filial von Neuburg bleiben sollte, bauen könnten. Dies bewilligten im J. 1229 der schweriner Bischof und die Landesherren 1 ). Diese Kirche, welche ohne Zweifel auf ehemaligem, heiligen heidnischen Grund und Boden erbauet ward, ward die Oedeskirche genannt. Und von der Kirche erhielt nun das Dorf Gardeskendorf den Namen zur Oedeskirche oder plattdeutsch: Tôr Oedeskerken, d. h. Tôr contrahirt aus: To der (Zu der). Dieser Name ward nun sehr viel abgekürzt in Tôr Oeskirchen, Roeskirchen und Drewskirchen. Im J. 1318 ward die Tochterkirche Oedeskerke, weil sie einen eigenen Pfarrer bequem erhalten könne, zur Mutterkirche erhoben 2 ) und erhielt einen ziemlich großen Sprengel.
Was der Name Oedeskirchen, welcher immer Odeskerke oder Oedeskerke geschrieben wird, bedeute, ist wohl schwer zu ermitteln; ich glaube kaum, daß das Wort "die Oede (so-
Seite 371 |
litudo)" im 13. Jahrh. plattdeutsch war; möglich ist es, daß nach einer jungen Sage der Name von Odin herkommt, da der Umlaut des O regelmäßig ist und z. B. im Friesischen auch das auslautende - n von diesem Namen abgeworfen wird.
deren Gründung im J. 1229 bewilligt ward, ist ein gut gebauetes Gebäude im Uebergangsstyl, zwar nur einfach, aber sehr tüchtig gebauet. Vielleicht ist es nicht die allererste Kirche, welche wohl aus Holz gebauet gewesen sein mag; aber sie wird doch in den nächsten Zeiten nach 1229 gebauet worden sein. Sie besteht aus einem Chor von einem Gewölbe und einem Schiffe von zwei Gewölben, von großen und harmonischen Verhältnissen, und einem Thurme. An jeder Seite stehen unter jedem Gewölbe zwei, in der graden Altarwand drei gekoppelte Fenster im Uebergangsstyle, schmal eingehend und leise gespitzt. Vom Rundbogenstyl ist nichts weiter übrig geblieben, als die Lissenen. Der Fries scheint in jüngern Zeiten verändert worden zu sein. Der Ostgiebel ist geschmackvoll mit Nischen verziert. Der ganze Bau, an Mauern und Gewölben, ist sehr tüchtig.
Im Innern ist alles Alte verschwunden. Der ganze Schmuck ist aus der Zeit des vorigen Jahrhunderts. An den Wänden hangen einige große Epitaphien in kunstvoller Arbeit und ein Harnisch aus dieser Zeit. Vor dem Altare liegen mehrere große Leichensteine, welche aber ganz abgetreten sind. Auf dem einen ist unten rechts noch das Wappen der ausgestorbenen, adeligen Familie vom See (auf Damekow), mit drei Seeblättern unten und einer Spitze oben im Schilde, und links das Wappen der von Oertzen zu erkennen. Die Altarplatte, welche ein Leichenstein ungefähr vom J. 1400 gewesen ist, liegt jetzt vor dem Altare; die Platte ist an der passenden Größe und den bischöflichen Weihkreuzen zu erkennen.
Die Kirche ist früher, noch bei Menschengedenken, an den Wänden auf den rohen Steinen roth, in den Gewölben weiß und mit Figuren bemalt gewesen; auch auf den Wänden haben hin und wieder Figuren gestanden. Die alte rothe Farbe, die etwas ins Orange verblichen ist, sitzt noch ganz dünne unter der modernen Tünche. Aber unter der rothen Farbe sitzt noch eine dicke weiße Kalktünche. Dennoch scheint die rothe Farbe alt zu sein.
G. C. F. Lisch.