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5.

Die Burg Kutsin oder Quetzin.

In den Jahrb. X, S. 36 flgd. ist ausführlich auseinandergesetzt und begründet, daß das alte wendische Land Kutsin zwischen den Ländern Parchim und Malchow lag und die späteren Vogteien Plau und Goldberg umfaßte. Es gab in Meklenburg drei wendische Länder mit Burgen ähnlichen Namens: Kissin (das jetzige Kessin bei Rostock), Kussin (an dessen Stelle im J. 1219 das neue Kloster Sonnenkamp oder Neukloster aufgebauet ward) und Kutsin, auch Kutin genannt. Das Land Kutsin wird zuerst in der Confirmations = Urkunde des Kaisers Friederich für das Bisthum Schwerin vom J. 1170 2 ) genannt, indem sie die südlichen Provinzen des Landes und des Bisthums in folgender Ordnung aufführt:

"Parchim, Kutin und Malchow, mit allen Dörfern an beiden Ufern des Flusses Elde, welche zu diesen Burgen gehören".


2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, Nr. 1.
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("Parchim quoque., Kutin et Malchow, cum omnibus villis ex utraque parte alvei, qui dicitur Elde, ad ipsa castra pertinentibus.")

Es ist also außer Zweifel, daß das alte Land Kutsin zwischen den Ländern Parchim und Malchow lag, also das spätere Land Plau bildete, und später noch die Vogtei Golbberg mit umfaßte. Da im 13. Jahrh. noch die Pfarren Wahmkow, Pritz und Karow zur Herrschaft des Fürsten Pribislav von Parchim = Richenberg gehörten, so wird sich das Land Kutsin von Lübz bis zum plauer See und nördlich bis gegen Sternberg erstreckt haben.

Ebenso unzweifelhaft ist es nach der kaiserlichen Urkunde vom J. 1170, daß das Land Kutsin eine Gauburg hatte, wenn dies nicht schon an und für sich anzunehmen wäre. Wie jeder Gau in den Wendenländern eine fürstliche Gauburg hatte, auf welcher ein landesherrlicher Vogt wohnte, so mußte auch das Land Kutsin eine Gauburg haben. Urkundliche Zeugnisse geben den Beweis, daß das Dorf Quetzin bei Plau das alte Kutsin sei. Auch die Burg von Kutsin ist nicht unbekannt, da in mehreren Urkunden ein "Burgwall" bei dem Dorfe Quetzin genannt wird: in den Jahren 1264 und 1271 1 ) besaß die Kirche zu Quetzin "zwei Katen vor dem Burgwall"

"duas kotas in villa Quitzin sitas ante borchwall",

und noch in den Jahren 1348 und 1355 wird in Urkunden genannt (vgl. Urk. Samml. Nr. XXXIII)

"de borchrûm, dat man den borchwal nometh to endest deme dorpe Quitzyn belegen".

Der plauer See hieß noch im J. 1232 der "See Cuzhin", die Waldung vom Dorfe Quetzin bis gegen Plau hin der Wald Quitzin und ein Vorsprung der Feldmark Quetzin in den plauer See hieß 1295 Cutzinerorth (d. h. Kutziner Ecke) und heißt noch heute Quetziner Ort. Der alte Burgwall Kutsin war also sicher in dem Dorfe Quetzin bei Plau zu suchen. Die Burg Cutzin mit ihrem Gebiete lag wohl an der Grenze des gleichnamigen Landes oder Gaues, wie gewöhnlich die Gauburgen an den Grenzen gelegen zu haben scheinen. Das Land Kutzin reichte wohl nur bis zur Elde. Mit den politischen Grenzen pflegen gewöhnlich die kirchlichen Grenzen zusammenzufallen. Die Pfarren Quetzin und Plau gehörten zum Bisthume Schwerin, die Pfarre Gnevsdorf und die Feldmark Gaarz bei Plau zum Bisthume Havelberg.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XI und XII.
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Im Sept. 1849 stellte ich eine Nachforschung an Ort und Stelle an und fand auch sehr bald, was ich suchte. Der "Burgwall" ist noch heute unter diesem Namen in dem Dorfe Quetzin bekannt und liegt am Ende des Dorfes ("to endest deme dorpe Quitzyn"), d. h. in der Richtung von Plau her, dem jetzigen Kirchhofe gegenüber, auf welchem früher auch die jetzt spurlos verschwundene Pfarrkirche lag, auf einer kleinen Insel.

Einige hundert Schritte vom Lande liegt eine kleine Insel von einigen hundert Schritten Umfang, welche durchaus keine feste Verbindung mit dem Lande hat, weder durch Moor, noch durch eine Fuhrt; man konnte von je her nur zu Wasser zu dieser Insel gelangen, da das Wasser zwischen derselben und dem Lande noch heute tief und klar ist. Die Insel ist an den Rändern rings umher sumpfig und schilfig, so daß eine genaue Ausmessung des Umfanges nicht möglich war. Die Insel ist ebenso groß, als die Insel des alten Burgwalles bei Schwerin, auf welchem das fürstliche Residenzschloß steht, und hat eine ähnliche Lage. Auf dieser Insel ist ein viereckiger Burgwall aufgeschüttet, der so groß ist, wie die übrigen wendischen Burgwälle im Lande; er ist vielleicht zwischen 5 und 10 Fuß hoch über den Wasserspiegel erhaben, so hoch als der schweriner Burgwall 1 ) zur heidnischen Zeit gewesen sein mag, etwas niedriger, als diejenigen Burgwälle, welche in Mooren liegen und einen festen Zugang zu Lande haben. Daß diese Insel wirklich der Burgwall sei, geht aus der Urkunde vom 6. Dec. 1271 hervor, da nach derselben die Pfarre eine Aalwehre zwischen dem Burgwalle und dem Seeufer hatte:

"âlewêre a spacio borchwal usque ad littus". Die Aufschüttung besteht ganz aus sehr lockerer, schwarzer Wiesenerde, welche von den nächsten Ufern herbeigeschafft sein mag. Das sichere Kennzeichen fand sich sogleich überall: zahlreiche Gefäßscherben aus heidnischer Zeit, mit zerstampftem Granit durchknetet und mit den bekannten leichten, wellenförmigen Randverzierungen bedeckt, lagen überall umher; danebcn fanden sich häufig Lehmstücke mit Stroheindrücken von den niedergebrannten Gebäuden. Mittelalterliche, blaugraue, feste Topfscherben und gebrannte Ziegel waren nirgends zu entdecken. Die Gefäßscherben sind denen völlig gleich, welche sich auf allen niklotschen und andern Burgen des 12. Jahrhunderts finden. Aus dem gänzlichen Mangel an mittelalterlichen Alterthümern läßt sich aber schließen, daß der Burgwall zur christlichen Zeit nicht mehr bewohnt ward.


1) Vgl. Jahrb. XV, S. 161.
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Der Burgwall wird jetzt von der Dorfschaft als Gemüsegarten benutzt und mit dem Spaten bearbeitet; er ist ungewöhnlich fruchtbar, sobald die Pflanzen in dem leichten Boden erst Wurzel gefaßt haben.

Das Dorf Quetzin liegt eine halbe Stunde nördlich von Plau am Ufer des plauer Sees. Geht man von Plau nach Quetzin, so ist das Feld, wie überhaupt im Norden und Westen der Stadt, bis gegen das Dorf hin flach und eben. Dicht vor dem Dorfe Quetzin wird aber der Boden hügelig und öffnet sich gegen die Burgwallinsel hin. Die Lage des Burgwalles von Quetzin ist ganz der Lage des Burgwalles von Bisdede 1 ) bei dem Dorfe Bölkow, im Insel = oder rosiner See in der Nähe von Güstrow ähnlich, nur daß zwischen dieser Burg und dem festen Lande jetzt eine Wiesenverbindung ist; auch der Burgwall des Residenzschlosses Schwerin auf der Insel wird in alter Zeit eine ähnliche Lage gehabt haben.

Der Burgwall von Kutsin liegt in der Linie zwischen dem Dorfe Quetzin und dem Lehngute Alt = Schwerin; die große Insel Werder im plauer See, welcher hinter dieser Insel seit alter Zeit die Satzik 2 ) heißt, liegt rechts von dieser Linie. Die Güter Schwerin (d. i. Thiergarten) und Werder (d. i. Insel) waren in den ältesten Zeiten unserer urkundlichen Geschichte Lehen der alten Familie von Gamm, welche anch in der Nähe der alten Burg Güstrow Burgen, Dörfer und Burglehen, z. B. Bülow und Glin, besaß. Die Familie v. Gamm mit den Lehngütern Schwerin und Werder (früher: Gammenwerder) stand in den ältesten Zeiten gewiß in Beziehung zu dem Burgwalle Kutsin.

Alterthümer sind auf dem Burgwalle bisher nicht gefunden, so weit die Erinnerung der Bewohner des Dorfes Quetzin reicht; jedoch herrscht bei denselben die Sage, daß Quetzin in den ältesten Zeiten nur aus einigen "Fischerhütten" bestanden habe, seit der Aufführung des Burgwalles aber fürstliche Residenz und ein großer Ort geworden sei.

Der Burgwall ward schon früh als Lehn weggegeben. In früheren Zeiten hatte Quetzin eine eigene Pfarre, welche schon früh, sicher vor 1264, gestiftet war und die Dörfer Quetzin, Zarchlin und Leisten 3 ) (früher Leesten) umfaßte; die benachbarten Pfarren waren Karow, welche auch lange nicht mehr existirt, Kuppentin, welche viel größer war, und Plau.


1) Vgl. Jahrb. XII, S. 453 flgd.
2) Vgl. Lisch Berichtigung einer von dem Staatsminister v. Kamptz gemachten Aeußerung, 1844, S. 8, Urk. Nr. V und VII.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XI.
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Der Lehnträger des Burgwalles und des Dorfes war ohne Zweifel ein Ritter von Quitzin, dessen Familie sehr bald ausgestorben sein muß. Am 24. Juni 1264 schenkte der Knappe Reinward von Quitzin der Kirche und Pfarre zu Quetzin zwei vor dem Burgwalle gelegene Katen in dem Dorfe Quetzin, wie er sie von den Landesherren zu Lehn trug, und der Pfarre allein zwei kleine, von ihm erbauete Aalwehren bei dem Walde Quetzin (apud sylvam Quitzin) 1 ). Nachdem bald darauf die Pfarre abgebrannt und in dem Brande die Kirchen = Urkunden untergegangen waren, verfaßte der Pfarrer Heinrich am 6. Dec. 1271 in Gegenwart des Knappen Reinward von Quitzin und der Kirchen = Juraten ein amtliches Verzeichniß des Kirchen= und Pfarrvermögens; hiernach hatte der Pfarrer 6 Hufen und 4 Katen im Dorfe Quetzin, Ellernholz in der Waldung am See bis zum Hainholz (also nicht: Heidenholz, wie jetzt gesagt wird) und eine Aalwehre am Burgwalle und eine andere beim Lanken am quitziner Holze; ferner hatte die Pfarre aus einem Geschenke des Knappen Reinward von Quitzin zwei Katen am Burgwalle, deren Bewohner der Kirche jährlich vom dem Raume des Burgwalles (de spacio borchwal) 2 ) ein Pfund Wachs als Pacht geben mußten etc. . Im J. 1308 kaufte die Stadt Plau das Dorf Quetzin und im J. 1348 nahm die Stadt die 6 Pfarrhufen in Erbpacht, bei welcher Gelegenheit die Stadt dem Pfarrer 3 Katen (oder 2 Hofstätten und 1 Katen) überließ, zu deren einem der Burgwall gelegt ward: "spacium castri quod dicitur borchwal, situm infra terminos ville Qwitzin", welche Worte eine alte plattdeutsche Uebersetzung wiedergiebt durch: "tho endest deme dorpe Qwitzin belegen".

Nach dem Visitations = Protocolle vom J. 1541 hatte damals der Pfarrer den

"Borchwahl, darauf gewint er jerlich vor II fl. Rohr oder mehr".

Es ist also keinem Zweifel unterworfen, daß der Burgwall von Quetzin schon im Anfange des 13. Jahrh. an eine rittermäßige Familie zu Lehn gegeben ward, welche von dem Burgwalle den Namen führte. Der Knappe Reinward von Quitzin wird schon der letzte seines Geschlechts gewesen sein, da er in der Schenkungsurkunde vom 24. Juni 1264 von seinen Vorfahren und seiner Frau Coneke, aber nicht von Kindern oder Erben redet, als er mit der Schenkung Seelenmessen für sein Geschlecht stiftete; wahrscheinlich gab er seinen ursprünglichen


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XI.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XII.
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Lehnsbesitz weg, weil er keine Erben hatte. Auch ist von einer Familie von Quitzin in den meklenburgischen Urkunden weiter nirgends die Rede.

Die älteste Kirche von Quetzin mußte bald einer bessern Platz machen. Am 17. April 1325 weihete der Bischof Johann von Schwerin die Kirche zu Quetzin und den Hochaltar daselbst zu Ehren des Heil. Nicolaus, bestätigte ihren Besitz und verlieh ihr einen Ablaß zum Besten des Kirchenbaues 1 ). Gegenwärtig ist von Kirche, Pfarre, Kirchen = Katen. u. s. w. keine Spur mehr zu finden, mit alleiniger Ausnahme des Kirchhofes, welcher noch zum Begräbnisse dient. Dem Burgwalle gegenüber ist nur freies Ackerland.

Vignette

1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXX.