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II. Zur Baukunde.
Mittelalter.
Kirchliche Bauwerke.
Ueber die Bemalung der alten Kirchen.
Die Schmückung der innern Kirchenwände ist ein Thema, welches augenblicklich viele Forscher lebhaft beschäftigt. Daß die in Norddeutschland jetzt allgemein gebräuchliche, abscheuliche Uebertünchung der glatten Mauern mit weißem Kalk und die Bemalung der Sockel und Rippen mit schwarzem Kienruß nicht alt und stylgemäß sei, darüber sind alle einverstanden. Die Frage, was dagegen besseres zu thun sei, ist aber eben so schwer zu beantworten, als die seit 150 Jahren oft wiederholte Kalktünche schwierig zu entfernen ist. Man schlägt oft einen sogenannten warmen, grauen Ton vor, thut jedoch damit nichts weiter, als daß man die südlichen Kirchen aus Sandsteinquadern nachahmt. Dies ist freilich jedenfalls besser, als die weiße Kalktünche, aber keinesweges stylgemäß und daher auch früher nicht gebräuchlich gewesen.
Das Ausweißen der Kirchen ist gar nicht alt. Das selbstgefällige "Dealbatum", welches häufig in den Kirchen als Denkmal der weiß=schwarzen Ueberpinselung und eben so ekelhaften Restaurirung des Kirchen=Mobiliars an den Kirchenwänden prangt, giebt die Zeit der ersten Ausweißung bestimmt an: sie fällt in den Anfang des vorigen Jahrhunderts. Die Kirche zu Gägelow 1 ), deren Ausweißung und Bemalung in das Ende des 17. Jahrh. fällt, wird die erste Kirche gewesen sein, welche im modernen Geschmack zugerichtet ward; daher stammt
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denn auch das noch heute allgemein bekannte Sprichwort: "So bunt als die gägelowsche Kirche". Es gab im Anfange des 18. Jahrh. mehrere Stubenmaler, welche die verkehrten Bemühungen des Herzogs Carl Leopold um die Hebung der Kirchlichkeit dadurch zu unterstützen suchten, daß sie die Bemalung der Kirchen mit Posaunenengeln u. dgl. ausführten und deshalb der Ausweißung der Kirchen eifrig das Wort redeten, so daß sie sehr eifrig auf Kirchen Jagd machten, welchen noch nicht das "dealbatum atque depictum" aufgedrückt war.
Der Zustand einiger alten Kirchen giebt hinreichend Auskunft über die Art und Weise, wie die Alten ihre Ziegelkirchen geschmückt haben, und zwar gehören diese Kirchen zu den schönsten Baudenkmnälern des Mittelalters. In den brandenburgischen Marken hat z.B. die meisterhafte und älteste Kirche zu Jerichow in der Altmnark noch ihren alten Schmuck; in Meklenburg ist die berühmte Kirche zu Doberan allein noch in ihrem ursprünglichen Zustande. Man hat im Gegensatze zu der Ausweißung oft gesagt, die Alten hätten ihre Kirchen im Innern, wie im Aeußern, im Rohbau stehen lassen. Dies ist aber nicht ganz richtig. Die Alten haben ihre Ziegelbauten auch oft mit Kalkputz übersetzt und ausgetüncht, aber nur mit den Farben des rohen Materials. Sie übertünchten selbst Außenwände, mit Nachahmung der Ziegel und der Kalkfugen, wenn die Wand durch den Mörtel vielleicht zu sehr beschmutzt war. Im Innern übertünchten sie die Ringmauern gewöhnlich, da diese durch die Einsetzung der Gewölbe sehr verunreinigt wurden. Auch waren die Wände oft nicht schön genug gemauert. Die stark hervortretenden Kalkfugen deuten darauf hin, daß sie die innern Wände nicht immer gut im Rohbau stehen lassen konnten. Nur die Pfeiler und die Gliederungen der Pforten und Fenster, welche gewöhnlich sehr sorgsam und oft mit verschiedenfarbigen Ziegeln mosaikartig ausgeführt wurden, sind im Rohbau stehen geblieben. So ist es in der Kirche zu Doberan. Hier sind nur die berühmten Pfeiler der Kreuzschiffe Rohbau; die Wände sind roth übertüncht und die Kalkfugen mit weißer Tünche aufgesetzt. Die Kirche genießt der allgemeinen und verdienten Bewunderung, und doch hat sich noch Niemand an ihrer Farbe gestoßen, ja es fällt nicht einmal die Farbe irgend Jemand auf.
Außerdem putzten die Alten alle Vertiefungen, Bogenwölbungen, auch die Wände, welche bei beschränktem Raume zur nahen Ansicht kamen, mit einem sehr festen, gelbgrauen Mörtel, welcher oft sehr grob, oft aber äußerst fein und glatt ist, wie geschliffen. Auch die Gewölbe und Fensterleibungen wurden regelmäßig geputzt.
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Endlich schmückte man, wo es irgend thunlich war und es die Mittel erlaubten, nicht allein die Wände mit Gemälden, wie man die Fenster mit Gemälden schmückte, sondern auch die geputzten Bogenwölbungen mit Gemälden oder vielfarbigen Ornamenten.
Fast täglich werden neue Entdeckungen gemacht, welche alle das hier Gesagte bestätigen, und wir werden wohl noch den Tag erleben, wo wir den alten Schmuck der Kirchen wieder sehen. Freilich wird es manchen Kampf kosten, da der Mensch sich nur schwer über das Hergebrachte erhebt, Kampf mit den Architecten, welche, da ihnen oft die Geldmittel fehlen, sich schwer zur Entfernung der Kalktünche verstehen werden, Kampf vorzüglich mit den Malern, da die Ziegelfarbe den neuen Altarbildern nicht günstig ist; freilich gehören diese Altargemälde auch zu den Erfindungen der neuern Zeit. Die alten schmückten ihre Altäre mit Statuen in reichem Schnitzwerk, an dem das Gold nicht gespart ward. Ueberhaupt ist Gold der reichste Schmuck der Ziegelfarbe, und daher die Erscheinung, daß in den norddeutschen Ländern, wo der Ziegelbau blühete, die Altäre ungemein reich vergoldet sind, ja es keinen Altar giebt, der nicht vergoldet wäre. Der moderne Einfall, die Altarschreine aus rohem Eichenholz zu schnitzen und hinzustellen, wie etwa die Kirchenstühle, ist bei den Alten ganz unerhört, eben weil es an aller Wirkung gefehlt hätte.
Einige neuere Entdeckungen, in Zusammenstellung mit alten, bekannten Dingen, werden das Vorgesagte bestätigen; überhaupt werden wir nach Möglichkeit auf Entdeckung alter Kirchenverzierungen ausgehen und fortlaufend darüber Bericht erstatten.
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Kirche zu Doberan.
Die Wände sind ziegelroth übermalt, mit weiß abgesetzten Kalkfugen; nur einige, besonders gut gemauerte Pfeiler stehen im Rohbau. Die Gewölbekappen sind weiß geputzt; die Gewölberippen sind bunt. Der alte Altar 1 ) hat eine Bogenhalle, welche den Schmuck der alten Kirchen nachahmt: die Wände sind ziegelroth, die Gewölbekappen weiß, die Gewölberippen abwechselnd hochroth und blau. (Gewölbeschilde sind dabei nothwendig). - Die Bülowen=Kapelle 2 ) im nördlichen Seitenschiffe ist abgeputzt; die Wände sind am Ende des 14. oder im Anfange des 15. Jahrh. ganz mit lebensgroßen Figuren aus der Ge=
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schichte der Familie von Bülow, die Gewölbekappen mit schönen Palmetten . bemalt. - Auf den Pfeilern hinter dem Altare sind vier lebensgroße herzogliche Figuren auf dünnen Kalkputz 1 ) in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gemalt.
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Die Dominikaner= oder Schwarze=Kloster=Kirche zu Wismar
in der meklenburger Straße, in dessen Schiff jetzt das Waisenhaus hineingebauet ist, hat über diesem in den höchsten Theilen auch noch die ursprüngliche Decoration aufbewahrt. Die Wände stehen im Rohbau, die Gewölbe sind geputzt, die Gewölberippen und die Gewölbekappen neben den Rippen mit Ornamenten verziert. Die Bogenleibungen der Verbindungsbogen sind geputzt, jedoch so, daß der Rand der Leibung einen Zoll breit nach innen nicht geputzt ist, und die geputzten Flächen der Leibungen sind mit Brustbildern von Heiligen in Medaillons bemalt. - Auch unten in der Kirche finden sich unter der Kalktünche überall Wandmalereien mit figürlichen Darstellungen 2 ) und schönen Ornamenten auf dem Putzgrunde an den Pfeilern und Wänden.
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Die Marien=Kirche zu Wismar
hat noch viele alte Wandmalerei. Vor nicht langer Zeit ward ein großes Wandgemälde, Christus am Kreuze mit zwei Heiligenfiguren, bloßgelegt, aber wieder übergeweißt, weil es in der ganz restaurirten Kirche zu auffallend befunden ward.
Gegenwärtig, im J. 1850, haben Kunstfreunde nach und nach den größten Theil einer über der alten Sakristei hoch liegenden Kapelle ("super armario"), welche hinter einem alten Drathgitter wohl das beste und vollständigste alte Glasgemälde in Meklenburg enthält, bloßgelegt und damit viele große Wandgemälde wieder ans Licht gebracht. Die ganze Kapelle ist mit großen figürlichen Darstellungen bedeckt. Dieser große Schatz wird bei der einsichtsvollen Theilnahme des Kirchen=Provisors wohl unbedeckt bleiben, da die Kapelle wegen ihrer hohen Lage nicht störend einwirken kann.
Auch hinter dem Altarbilde und wo sonst altes Mobiliar die Wände verdeckt, sieht man überall den Rohbau in der Kirche.
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Die Kirche von Dambeck oder Minzow,
welche als älteste Feldsteinkirche aus der Zeit des Rundbogenstyls und im freien Felde stehende interessante Ruine 1 ) sehr merkwürdig ist, hat in der mit einer Feldsteinkuppel bedeckten Sakristei unter den Gewölbekappen in Rundbogen alte rautenförmige Ornamente auf altem Putzgrunde.
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Die Kirche zu Alt=Röbel,
welche gegenwärtig in der Restauration begriffen ist, zeigt aber höchst merkwürdige Ueberreste von Wandmalerei aus der Zeit ihrer Erbauung und wird an Alter nur durch die Ornamente in der Sakristei der dambeker Feldkirche übertroffen. Die Kirche, ganz von Ziegeln, ist im Uebergangsstyle gebauet. Der Chor ist offenbar viel älter, als das Schiff, und stammt sicher aus der Zeit der Gründung der Stadt, wenigstens aus der Zeit 1220-1230. Im Friese stehen noch alte, sehr kräftige Halbkreisbogen und eine alte vermauerte Thür in der nördlichen Chorwand ist noch ganz im Rundbogenstyle erbauet, obgleich die Fenster schon im Uebergangsstyle gewölbt sind.
Bei einer Untersuchung im Sept. 1850 fand sich nun der Chor in der ursprüniglichen Weise aus der Zeit der Erbauung decorirt. Es ward ein Theil der südlichen Chorwand von der weißen Tünche befreiet und unter derselben lag der alte Schmuck ganz unversehrt. Die ganze Wand ist mit einem dünnen, festen Kalkputz aus der Zeit der Erbauung bedeckt.
Ueber der Erde sind an der Wand entlang Rundbogen, etwa 5 Fuß hoch, durch Einschneidung des Mörtels gezeichnet und die etwa 1/2 Fuß breiten Bogen quadrirt und die Quadern abwechselnd dunkelroth und blau gemalt. Die Füllungen der Bogen sind, wie gewöhnlich, mit einem ungefärbten, gelbgrauen, festen Putz übersetzt. In diesen Füllungen fanden sich zahlreiche alte - Urkunden, die Radirungen der Kinder aus allen Jahrhunderten, Fratzen und Inschriften aller möglichen Art. Ueber den Bogen ist die ganze Wand, wenigstens sicher bis zu den Fenstern, abgeputzt und dieser Putz mit einer angenehmen Ziegelfarbe, welche theilweise in Orange abgeblichen und abgescheuert ist, bemalt und mit weißen und bläulichen Linien in große Quadern, von der Größe der gewöhnlichen Sandsteinbauquadern, abgetheilt. In einer Ecke fanden wir die Malerei eines Kapitäls von weißen Linien auf dem ziegelrothen Grunde. Die
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Fensterleibungen sind blaugrau gemalt und, wie es scheint, mit Ornamenten verziert. Da der Kirche eine durchgreifende Restauration bevorsteht, so ist zu hoffen, daß die ganze alte Verzierung der Wände bloß gelegt wird und zur Erkenntniß kommt, vielleicht auch wieder hergestellt wird.
Fast noch interessanter ist eine alte Malerei auf der der Stadt zugekehrten südlichen äußern Wand der Kirche, eine Malerei, welche ebenfalls aus der Zeit der Erbauung des Chors stammt. Unter den Fenstern steht nämlich ein Gurtgesims 1 ), welches geputzt ist und auf hübschen, kleinen Ziegelconsolen ruhet, welche alle verschieden sind. Dieses Gesims ist nun sehr hübsch gemalt: auf grünlichem Grunde ist ein Zickzackband, welches eine sogenannte Stromschicht von Ziegeln darstellt; diese breiten Zickzackbänder sind links hinab grau, rechts hinauf in der untern Hälfte ziegelroth, in der obern Hälfte orange gemalt. Dieser Gurt ist an beiden Seiten zunächst von einer dunklern Linie, dann von einem orangefarbenen Bande und endlich zu beiden Seiten von einem ziegelfarbenen, etwas breitern Bande eingefaßt. Der Grund, auf dem die Consolen stehen, ist mit einem naturfarbenen Putz bedeckt. - Dieses Beispiel von Malerei an einer Außenwand einer Kirche ist bisher das einzige bekannte Beispiel in Meklenburg. - An der Ostseite und Nordseite der Kirche, welche der Müritz zugekehrt sind, fehlt diese Decoration, jedoch sind zur Andeutung dieses Gurtsgesimses in gleicher Richtung die Ziegel mit der breiten Seite eingemauert.
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Die Kirche zu Grüssow
bei Malchow hat auch eine Art alter Wandmalerei 2 ) an der Außenwand, indem die äußern Fensterleibungen mit sehr feinem, gelblich weißen, glatten Mörtel abgeputzt und die Wölbungen der Fensterleibungen mit rothen Strahlen bemalt sind.
G. C. F. Lisch.