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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Ueber Dornen auf den Heidengräbern.

Jacob Grimm hat: "Ueber das Verbrennen der Leichen, "eine in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 29. Nov. 1849 gehaltene Vorlesung", Berlin, 1850, herausgegeben und in derselben die Sitte des Verbrennens der Todten in heidnischer Zeit bei den meisten Völkern, welche uns Schriftdenkmäler hinterlassen haben, aus diesen untersucht. Grimm findet bei diesen Untersuchungen aus Sprachdenkmälern die Eigenthümlichkeit, daß die Scheiterhaufen zum Verbrennen der Todten bei mehrern Völkern mit Dornen durchflochten und bedeckt und daß Dornen auf den Leichenhügeln gepflanzt wurden, so z.B. bei den Griechen S. 15, bei den Hochdeutschen im Allgemeinen S. 29 und 33, bei den Indiern S. 77. Am klarsten findet er die Nachricht über diesen Gebrauch bei dem deutschen Volksstamme der Franken ausgeprägt. Zu dem salischen Volksrechte findet sich nämlich in den malbergischen Glossen die fränkische Uebersetzung: thornechale, thurnichale, turnicale etc. . für die bestattete Leiche (corpus sepultum), also die fränkische Benennung für Grabhügel. Grimm erklärt S. 35 flgd. diesen Ausdruck folgendermaßen:

"In thurni, thorne liegt ganz deutlich das goth. thaurnus, ahd. Dorn, vor augen, dessen bezug auf den leichenbrand schon so viel andere benennungen rechtfertigen; in chale, chali, chalis, challis erblicke ich das durch die zusammenstellung mit ramis erläuterte callis, hallis, allis. Challus oder challa vergleicht sich dem ahd. hala: siliqua. Thurni=

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"challus, oder wie man die endung bilden wolle, drückt also dorngezweig, dorngeflecht, dornschichte aus, womit man ursprünglich den scheiterhaufen, dann aber - - den grabhügel bezeichnete. Man dürfte bei challus auch ans goth. hallus: petra, altn. hallr: lapis und höll: aula, ags. heal, ahd. halla: steinsal denken und thurnichallis auffassen als dornhalle,dornstein. Seit das verbrennen mit dem begraben tauschte, konnte es natürlich sein, daß der bisher geheiligte dornstrauch auch auf das unverbrannte leichen umschließende grab gepflanzt wurde, es geschah vielleicht aus ähnlichem grund auch bei den hügeln verbrannter leichen etc. . - - Diese einzige glosse thurnichallis versichert uns also, wenn man meinen erörterungen folgen mag, daß die Franken gleich den übrigen Deutschen, ihre todten auf dörnern verbrannten und zugleich einen dorn über der grabstätte pflanzten".

Grimm geht bei seiner Untersuchung S. 25 von dem "kostbaren Zeugnisse des Tacitus" cap. 27 aus, daß die Germanen die Leichen ihrer berühmten Männer mit gewissen Hölzern verbrannten ("ut corpora clarorum virorum certis lignis crementur").

Grimm legt in seiner Abhandlung auf die Entdeckung der Anwendung von Dornen beim Leichenbrande ein bedeutendes Gewicht. Er schöpft aber, wie gesagt, nur aus Schriftdenkmälern und läßt absichtlich die Vergleichung des Inhaltes der alten Brandhügel einstweilen ganz bei Seite liegen, da sich das Zeitalter derselben wohl noch nicht ganz genau bestimmen lasse.

Es ist bei Aufgrabungen alter Grabhügel aus der Bronze= (also vermuthlich: germanischen) Periode noch nicht überall und immer die gebührende Aufmerksamkeit auf die Reste des Brandes verwandt. Jedoch sind in Meklenburg bei Aufgrabung großer Grabhügel einige Male verkohlte Eicheln gefunden, von denen einige in der Vereinssammlung zu Schwerin aufbewahrt werden. Ein Mal fand ich selbst auch verkohlte Wachholderbeeren unter den Kohlen tief unten im Grabhügel.

Was nun besonders die Dornen betrifft, so sind in Meklenburg sehr viele Grabhügel und Begräbnißplätze aus der Stein= und der Bronze=Periode mit einzelnen Dornbüschen und dichtem Dornengezweig bewachsen. Vorherrschend ist Schwarzdorn, seltener Kreuzdorn. Auch finden sich in großen Gräbern gewöhnlich dünne, zähe Strauch= oder Baumwurzeln, welche sich mühsam und breit zwischen die die Brandstätte bedeckenden Feld=

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steine durchgeklemmt haben. Diese Dornen könnten uralt sein, da der Dorn sich durch die herabfallenden Früchte fortpfanzt und überhaupt sehr wuchert, wo er einmal Boden gefaßt hat, und alt wird. Dieser Ansicht steht aber entgegen, theils daß sich eben solche Dorngebüsche an andern unbeackerten Stellen und Abhängen auf dem Felde finden, theils daß auf Grabhügeln in Nadelwaldungen nie Dornen stehen, obgleich die Grabhügel in Nadelwaldungen häufig die größten und am meisten ausgeprägten sind.

Der Dorn verlangt nämlich durchaus guten und fetten Boden, vorzüglich der Kreuzdorn, der einen Lehmboden liebt. Da die Nadelwaldungen auf Sandboden stehen, so kommt der Dorn in Nadelwaldungen nicht gut fort. Die vorkommenden Dornen auf den Gräbern auf Lehmboden können also keinen antiquarischen Beweis für Grimm's Entdeckung geben, da Dornen eben so häufig auf andern wüsten Stellen fetten Ackers wachsen. Würden die Dornen auf den Gräbern heilige Bäume sein und sich bis auf unsere Zeit fortgepflanzt haben, so dürften sich auch wohl auf Gräbern in Nadelwaldungen Dornbüsche finden, indem die Alten beim Auftragen des Hügels wohl für einen dem Dorn günstigen Boden, wenn auch nur hin und wieder, gesorgt haben würden.

Aus diesen Beobachtungen ergiebt sich, daß aus dem heutigen Vorkommen der Dornen auf alten Gräbern kein Beweis für die Bepflanzung der Gräber mit Dornen in alter Zeit zu gewinnen ist. Die Grimm'sche Entdeckung fordert aber zur sorgfältigen Beobachtung der Kohlen beim Aufgraben heidnischer Gräber auf.

G. C. F. Lisch.