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VIII.

Auszug aus dem

Tagebuch

Peters des Großen,

vom Jahre 1698
bis
zum Schlusse des Neustädter Friedens,

aus dem Russischen Originale übersetzt,
so nach denen
im Archive befindlichen
und von
Seiner Kayserlichen Majestät
eigenhändigen ergänzten Handschriften
gedruckt worden.

Berlin und Leipzig, bei G. J. Decker, 1773.


Vorbericht

des Russischen Herausgebers.

D ie Thaten Peters des Großen sind so glänzend gewesen, daß gleich nach dem Tode desselben, mehrere Schriftsteller in verschiedenen Sprachen, die Erzählung derselben unternommen haben.

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Da es aber großen Geistern eigen ist, den Ruhm ihres Gleichen zu befördern: so haben auch Ihro Majestäten unsere Allerdurchlauchtigste Beherrscherin, zu der Menge von Beschäftigungen die Sie dem Besten des Staats widmen, noch diese hinzugefügt, die

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Thaten Peters des Großen bekannt zu machen. Dieselben haben mich in dieser Absicht mit dem Auftrage beehret, die Cabinets=Archieve dieses Kaysers zu durchsuchen; und wie glücklich schätze ich mich nicht denen Absichten Ihro Majestäten ein Genüge leisten zu können.

Ich habe ohne Aufschub diese Beschäftigung angefangen. Meine Bemühungen sind sehr gut belohnet, und meine Neugierde ist völlig befriediget worden. Denn ich habe ausser verschiedenen in diesen Archieven gefundenen Briefen, auch das Tagebuch Peters des Großen während denen Kriegen gegen die Schweden entdeckt. Dieses Tagebuch fängt mit dem Jahre 1698 an, und endiget sich mit dem Neustädter Frieden. Es war dasselbe mit einer sehr großen Anzahl von Briefen begleitet; so zur Verfertignng desselben gedienet haben.

Peter der Große, der wol wuste, daß die Handlungen der Regenten, öffters sehr unvollkommen der Nachwelt überliefert werden, selbsten in denen Ländern wo die Wissenschaften schon tieffe Wurzeln gefaßt haben, und wo eine Menge von Gelehrten durch ihre beständige Arbeiten die Welt bereichern; es sey nun durch neue Erfindungen, oder durch Beschreibung derer zu ihren Zeiten sich ereignenden Begebenheiten; glaubte daher, daß seine eigenen Handlungen eben dieses Schicksal zu befürchten hätten, fürnehmlich in einem Lande, in dem nur von seinen Zeiten an die Wissenschaften sich zu verbreiten angefangen haben, und in dem die alten Vorurtheile noch viele Gemüther beherrschen.

Dieser große Monarch, der dieses Uebel voraussah, befahl ein Tagebuch seines Lebens, vom Anfange des Krieges gegen die Schweden bis zum Ende desselben zu verfertigen, und verbesserte in der Folge dieses Tagebuch an vielen Stellen mit seiner eigenen Hand. Es befinden sich acht unabgeschriebene Handschriften in denen Archieven, von denen fünfe durch ihn selbsten wieder durchgesehen worden sind.

Der Lebenslauf dieses unsterblichen Kaysers endigte sich aber vor der gänzlichen Durchsehung dieses Werkes, und es war von demselben nur der erste Theil, so bis 1715 gehet, zu Stande gebracht. Ihro Majestäten die Kayserin Catharina, die Gemahlin Desselben, befahl den Druck davon, wie man solches aus dem, dieser Handschrift beygefügtem Titel ersehen wird. Man weiß aber die Ursache nicht, warum solcher unterblieben ist. - -

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Petersburg, den 21. August 1770.

Fürst Michael Schtscherbatow.     

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Vorbericht

des deutschen Uebersetzers.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinerich haben das russische Original des Tagebuches aus Petersburg mitgebracht. Da es nun gewöhnlich ist, daß sich große Helden gerne mit großen Thaten zu unterhalten pflegen: so wünschten auch Se. Königl. Hoheit das Tagebuch Peters des Großen in einer französischen Uebersetzung lesen zu können. Der Herr Geheimerath Formey vermochte daher einen jungen verdienstvollen russischen Officier, den Herrn Simon von Schtschepotieff, der sich zur Erweiterung seiner Kenntnisse hier aufhielt, zu einer französischen Uebersetzung, die unter der Aufsicht des Herren Geheimerathes verfertiget; durch denselben mit aller Genauigkeit durchgesehen; und in Absicht der Schreibart, weil die französische Sprache dem Herrn Uebersetzer nicht völlig geläufig war, verbessert wurde. - - -

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Der Verleger dieser französischen Uebersetzung glaubte, daß eine nach der französischen verfertigte deutsche Uebersetzung nicht überflüssig sein würde. Ich entschloß mich daher zur Uebernehmung derselben, und schmeichele mir, daß man in dieser deutschen Uebersetzung, die französische deutlich und völlig ausgedrückt finden wird. Hätte ich eine Kenntniß der Rußischen Sprache; so würde ich meiner Uebersetzung noch mehrere Vollkommenheiten zu geben gesucht haben; so aber habe ich mich blos damit begnügen müssen, daß ich die, in der französischen Uebersetzung unrichtig angezeigten Nahmen, zu berichtigen gesucht habe. - -

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Berlin, den 20. August 1773.


1712.

Der König von Pohlen speisete mit allen Generals und Ministern bey Sr. Majestät, worauf Se. Majestät zum Gebrauche derer Wasser nach Carlsbad abreiseten.

Dieselben gingen durch Anclam, und die Brandenburgischen Städte, Prentzlow, Templin, Oranienburg, und andere, und kamen den 30. zu Berlin an, woselbsten Sie sich zwey Tage aufhielten; den König von Preußen sahen und alsdann Deroselben Reise über Potsdam und Belitz fortsetzten.

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Se. Majestät untersuchten hierauf die Festung, setzeten Deroselben Reise durch Leipzig und Borne fort; und traffen den 8. October zu Carlsbad ein.

Der Kayser hatte bereits von Wien zum Empfang Sr. Majestät den Graf Wratislaw, wie auch ein Bataillon Soldaten, um die Wache zu geben, dahin abgeschickt. Se Majestät verblieben hierselbsten bis zum 31. October und reiseten hierauf nach Töplitz.

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Den 5ten reiseten Se. Majestät von Töplitz ab; bestiegen auf der Elbe von Dresden gesendete Schiffe, und brachten die Nacht auf dem Königsstein zu. Den Tag darauf kamen Dieselben zu Dresden an, und verblieben daselbsten, um sich nach dem Gebrauche des Brunnens auszuruhen, bis zum 14ten.

Von Dresden gingen Sie auf demselben Flusse bis nach Wittenberg, und kamen von da wieder nach Berlin, woselbsten Sie den 16ten eintraffen.

Se. Majestät begaben sich auf einer Jacht nach Charlottenburg, von dannen Sie auf denselben Abend wieder nach Berlin zurücke kehrten.

Den 20ten reiseten Se. Majestät des Morgens sehr frühe von Berlin nach Mecklenburg zu Deroselben Truppen, und kamen durch Oranienburg, Zehdenick und Templin. Da sich aber in diesen Gegenden schwedische Partheyen aufhielten, so wurden Se. Majestät durch ein Commando Preußischer Cavallerie begleitet und kamen glücklich zu Demmin an.

Den 28ten traffen Se. Majestät zu Lago ein, woselbsten das Hauptquartier war. Die Garde=Regimenter Preobraschenski und Semenowski waren an dem Orte selbsten, und die andern Regimenter in denen benachbarten Dörfern.

Den 30ten als an dem St. Andreas=Tage machte der König von Pohlen, und alle seine Generals Se. Majestät die Aufwartung. Zu gleicher Zeit wechselten Ihro Majestäten ihre gegenseitigen Orden aus. Se. Majestät bekleideten zuerst den König von Pohlen mit dem Andreas=Orden, worauf der König Sr. Majestät den seinigen gab.

Den 2ten December begaben sich Se. Majestät von Lago nach Güstro, und die Garden, so den Befehl hatten, dahin zu marschieren, kamen daselbsten noch denselben Tag an.

Den 5ten statteten Ihro Majestäten bei der verwittweten Prinzessin von Mecklenburg einen Besuch ab.

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Den 7ten erhielt man die Nachricht, daß der schwedische Feldmarschall Graf Steinbock seine unterhabende Truppen gegen Schwerin und Gadebusch zu marschieren ließe, und den Vorsatz hätte, die Dänen und Sachsen anzugreifen. Man sendete daher von Güstro Truppen ab, die sich mit denen Dänen vereinigen sollten; und Se. Majestät schrieben an dem Könige von Dännemark einen Brief, in dem Sie demselben anriethen, vor der Vereinigung keine Schlacht zu liefern.

Wehrend der Zeit verließ der König von Pohlen Güstro um sich nach Warschau zu einem Reichstage zu begeben. Nach desselben Abreise sendeten Se. Majestät Abgesandte nach dem Reichstage, um Deroselben Interesse in acht zu nehmen, und denen Pohlen vorzustellen, daß sie vermöge derer Tractaten Hülfstruppen gegen die Türken geben müsten, so den Krieg gegen Rußland erkläret haben sollten, und von denen die russischen Ambassadeurs Fürste Georg Trubetzkoi, und der Secretair Basilius Stepanow in ein Gefängniß gesetzet worden wären.

Den 8ten des Morgens verließen Se. Majestät Güstro und begaben sich nach Kriewitz zu Deroselben Truppen. Dieselben hatten zu dem Könige von Dänemark, um denselben zu bewegen, mit Lieferung der Schlacht noch einige Zeit zu warten, indem der Sucurs nur noch drei Meilen entfernt war, dreymahl Officiers geschickt, nehmlich die Officiers Narischkin, Moris, und Lewenwold.

Der König von Dännemark aber achtete hierauf nicht, sondern bestimmte sich zur Lieferung der Schlacht, durch die Intriegen derer Sachsen bewogen, so die Ehre des Sieges alleine davon tragen wollten.

Den 10ten waren bereits die sämmtlichen Truppen versammelt, und man hatte die Absicht aus Kriewitz ausrücken zu wollen; als man erfuhr, daß die Schlacht bereits angefangen wäre; und zwey Stunden darauf erhielt man aus Schwerin von dem Fürsten von Mecklenburg die Nachricht, daß die Dänen und Sachsen bey Gadebusch von denen Schweden wären geschlagen worden.

In dieser Schlacht führte der König von Dännemark die dänische Armee in Person, und die sächsischen Truppen der Feldmarschall Flemming an.

Noch an demselben Tage verließen Sr. Majestädt mit Deroselben Truppen, diesen übeln Nachrichten zufolge Kriewitz, um sich nach Güstro zurücke zu ziehen, und brachten die Nacht in Silau zu.

Den 11ten rückte man aus Silau aus und kam den Abend zu Güstro an, woselbsten man bis zum 19ten verblieb.

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Wehrend der Zeit erfuhr man, daß der Feind in das Holsteinsche gerücket wäre.

Der König von Dännemark sendete seinen General=Adjudanten Meyer an Se. Majestät ab, Dieselben zu bitten, ihm in dieser unglücklichen Verfassung beyzustehen, und bath sich mit Denenselben zu Neustadt, oder nahe bey eben dem Orte, eine Zusammenkunft aus, woselbsten Se. Majestät vor Dero Ankunft eine Schlacht zu liefern, so sehr wiederrathen hatten.

Ob nun gleich der König von Dänemark an seinem Unglücke selbsten Schuld war, so entschlossen sich Se. Majestät nach denen Obliegenheiten der Freundschaft und Bundesgenossenschaft dennoch, den Feind zu verfolgen; und die Regimenter bekamen daher den 19ten Befehl sich in Marsch zu setzen.

Se. Majestät ließen Deroselben Gemahlin nach Petersburg abreisen, und gaben Derselben ein Bataillon Garde zur Begleitung mit. Sie selbsten aber begaben sich um der erwähnten Zusammenkunft willen, nach Neustadt, woselbsten unsere Cavallerie stand; zu welcher Absicht auch Dieselben durch Parchen, Pinno und Grabo gingen, um welchen Oertern herum sich die dänischen Truppen befanden.

Se. Majestät gingen nach dem Schlosse von Grabo, die verwittwete Herzogin von Mecklenburg zu besuchen, und kamen von da nach Neustadt, wo sich der General=Leutenant Bauer mit der Cavallerie aufhielt. Sie traffen aber in keinem dieser Oerter den König von Dännemark an; dahero Sie sich sogleich zu Deroselben Truppen begaben.

Den 23ten des Morgens reiseten Se. Majestät nach dem Dorfe Pampof, so anderthalb Meilen von Neustadt ist. Hier befand sich der General Allart mit denen sächsischen Truppen, und hatte den General=Leutenant Bauditz bey sich, der die sächsische Infanterie anführte. Nicht weit von diesem Orte befand sich der dänische General=Leutenant Dewitz an der Spitze der Cavallerie. Unsere Truppen kamen auch dahin.

Noch denselben Tag begaben sich alle unsere Generals nach Pampof, und den Tag darauf, nämlich den 24ten, ward ein großer Krieges=Rath gehalten, in dem beschlossen wurde, daß sich Unsere Truppen, mit denen Dänen und Sachsen vereinigen, und den Feind verfolgen sollten.

Diesem zufolge musten die rußischen Infanterie=Regimenter über den Fluß Ster gehen; und Se. Majestät kamen nach dem Dorfe Pacendorf, so zwey Meilen von Pampof liegt. Die Nacht ward zu Goldenbau zugebracht, woselbsten man bis zum 31ten verblieb, um alle Schritte des Feindes, und welchen Weg er nehmen würde, zu beobachten.

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Sobalde man nun erfuhr, daß sich derselbe Hamburg näherte, und daß er Altona, eine dänische und Hamburg nahe gelegene Stadt, in die Asche gelegt hatte; so begaben sich Se. Majestät nach dem Dorfe Galin, und nahmen von dannen den Weg nach Hamburg.


1713.

Die Nacht vom 1sten Januar brachte man zu Milen, im Lüneburgischen, zu, so dem Churfürsten von Hannover zugehöret. Der Churfürste hatte an diesem Ort, um Se. Majestät zum empfangen, seinen Minister Fabritius geschickt, so bereits bei Denenselben zu Greifswalde gewesen war.

Den 2ten des Morgens reiseten Se. Majestät von dannen, und brachten die Nacht, nach Zurückelegung von drey Meilen, in dem Dorfe Treptau zu. Zu eben der Zeit ward man benachrichtiget, daß der Feind nach der Zugrundrichtung von Altona, nach dem Holsteinschem ginge.

Den 3ten kam Se. Majestät nach Hamburg, und verblieben bis zum 5ten daselbst. Die Truppen hatten in denen benachbarten Dörfern ihre Quartiere, um sich daselbsten mit Lebensmitteln zu versehen; so sie von denen Dänen erhielten.

Den 5ten verließen Se. Majestät Hamburg, und begaben sich zu Deroselben Truppen nach Wantzbeck, so eine halbe Meile von Hamburg entfernt ist. Hier verblieben Dieselben bis zum 9ten. Wehrend der Zeit gingen Sie auch nach Altona, um diesen, durch die Schweden zu Grunde gerichteten Ort, zu besehen.

Den 9ten verließen Se. Majestät mit ihren Truppen die Dörfer um Wantzbeck, und folgten dem Feinde ins Holsteinsche nach. Nach einem Marsche von zwey Meilen, traf man zu Olensburg ein, wo man die Nacht zubrachte.

Den 10ten verließ man Olensburg und blieb zu Bromstedt.

Den 11ten blieb man zu Neumünster.

 

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