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VII.

Ueber

die rechtliche Stellung der Bauern

im Mittelalter,

von

G. C. F. Lisch.


D ie rechtliche Stellung der meklenburgischen Bauern im Mittelalter ist schon häufig der Gegenstand der Forschungen gewesen, und doch haben wir noch keine übersichtliche und urkundliche Darstellung der Verhältnisse der frühern Bauern. So viel hat sich bis jetzt schon herausgestellt, daß der Stand der Bauern im Mittelalter bis in das 16. Jahrh. viel zahlreicher, freier und selbstständiger war, als in den folgenden Zeiten, daß dagegen der Tagelöhnerstand der neuern Zeiten im Mittelalter auf dem Lande noch nicht existirte.

Einige besondere Rechtsverhältnisse sind bis jetzt jedoch schon genugsam erhellt worden, so z. B. die Handhabung der Volksgerichte, von Beyer in Jahrb. XIV, S. 106 flgd.; die Behandlung der Besitzverhältnisse, von Masch in Jahrb. II, S. 141 flgd. und in vielen Urkunden: selbst Lehnleute mußten das von ihnen verkaufte Bauererbe in ihren eigenen Bauerdörfern vor dem Schulzen und den Bauern verlassen; ganze Dorfschaften kauften Communal=Eigenthum und bewahrten ihre Urkunden bei den Dorfschulzen auf; vgl. Jahr. II, S. 294-296 Not. und XIV, S. 197-198 Not.

Einen interessanten Seitenblick eröffnet jedoch eine Original=Urkunde 1 ) des großherzogl. Archives zu Schwerin, aus welcher hervorgeht, daß die Bauern auch Siegel führten. Zwar wohnten diese Bauern, welche eigene Siegel führten, in den Dörfern des Lübecker Hospitals zum Heil. Geist auf der Insel Pöl, und sie mochten etwas freier stehen, als die Bauern in den ritterschaftlichen Dörfern; immer aber bleibt diese Erscheinung sehr


1) Vgl. Urk. Samml. Vermischte Urkunden.
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merkwürdig. Am 22. Jan. 1349 verkaufte nämlich der Bauer Nicolaus Elers zu Weitendorf mit seinen Söhnen Nicolaus und Heinrich und unter Zustimmung seines Bruders Johann und seines Enkels Erich dem Heil. Geist=Hospitale zu Lübeck seine Hufe (unum meum mansum) in dem Dorfe Weitendorf, und seine Söhne Nicolaus und Heinrich, sein Bruder Johann Elers und sein Enkel Erich, so wie Johann von Pöl (Bürger der Stadt Wismar), Peter von Malchow (auf Pöl, Bauer?), Henneke Ulrichs (Bauer zu Malchow auf Pöl), Henning Kros von Timmendorf und die Brüder Nicolaus und Barthold Schulte (Bauern auf Pöl) leisteten bei der Verlassung des Erbes vor dem Bischöfe von Lübek zu Lübek einfache ("redende") Bürgschaft für den Verkäufer. Mit Ausnahme des Verkäufers und seines ältesten Sohnes besiegeln alle genannten Personen mit eigenen Siegeln die Urkunde.

Der Verkäufer wird Nicolaus Elers (Eleri, d. i. des Eler Sohn) Bauer (villanus) in Weitendorf genannt; eben so heißt unter den Bürgern sein Bruder auch Johann Elers (Johannes Eleri); daß der lateinische Ausdruck villanus = Bauer bedeute, ist sicher, wie villicus = Schulze bedeutet. Daß Nicolaus Elers ein Bauer war, geht nicht allein daraus hervor, daß er so (villanus) genannt wird, sondern auch daraus, daß er nur "eine" Hufe besaß, welche er "seine" Hufe (unum meum mansum) nennt. Obgleich nun die beiden Brüder sich mit Zunamen Elers nennen, so heißt doch auf den Siegeln ihr Zuname Weitendorf: ein Beispiel, wie noch in der Mitte des 14. Jahrh. Zunamen von dem Grundbesitze entstehen. Die drei Glieder der Familie Elers, nämlich Heinrich, Johann und Erich, welche die Urkunde besiegeln, führen im Siegel:

einen Schild mit einer heraldischen Lilie, unter welcher drei kleine Kugeln stehen.

Alle drei nennen sich in den Umschriften der Siegel nur: Heinrich Weitendorf, Johann Weitendorf und Erich Weitendorf.

Der wismarsche Bürger Johann von Pöl, nach dem Namen wohl ohne Zweifel aus Pöl stammend und wahrscheinlich ein Verwandter des Verkäufers führt nur ein gewöhnliches Hauszeichen im Siegel.

Hauszeichen
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Dagegen führen die pöler Bauern Peter von Malchow und Henneke Ulrichs ein Zeichen im Siegel, das man eher für ein Wappenzeichen, als für ein Hauszeichen halten sollte; da beide dasselbe Siegelzeichen führten, so waren sie wohl mit einander verwandt:

Hauszeichen

Henneke Kros führt ein redendes Wappen, drei Krüge (plattdeutsch=Krôs) auf einem Schilde.

Hauszeichen

Die 3 Elers oder Weitendorf und Nicolaus Schulte führen also förmliche Wappen mit Schilden im Siegel: das Wappen der Elers ist den Wappen der v. Kamptz und v. Schack, das Wappen des Schulte den Wappen der Negendank und v. Parkentin gleich, nur mit dem Unterschiede, daß die Bauern in ihren Siegeln Nebenstücke (drei Kugeln und drei Herzen) unter dem Schildzeichen haben.

Jedenfalls ist diese Erscheinung sehr beachtenswerth; zufällig wird und kann sie nicht sein, da verschiedene Glieder einer Bauerfamilie dasselbe Schildzeichen führen. Die Siegel sind also nach einem gewissen Plane angefertigt und rechtlich geführt, da sie vor dem Bischofe von Lübek gebraucht wurden.

Vignette