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VI.

Wendisches Recht

im Mittelalter in Meklenburg,
von

G. C. F. Lisch.


E s ist häufig die Frage aufgeworfen, ob und etwa wie langeS wendische Eigenthümlichkeit in Meklenburg nach der Bekehrung der Bewohner zum Christenthume bestanden habe. Für das Fortleben der Sprache in einzelnen Theilen des Landes bis zum 16. Jahrh. sind in den Jahrbüchern hin und wieder Beweise beigebracht; aber über alles Andere fehlte es bisher an jeder urkundlichen Bestimmung. Die Benennung "wendisch" leitete irre, denn "wendische Pfenninge" waren nur solche Münzen, welche in den ehemaligen Wendenländern geprägt und in Geltung waren; "wendische Dörfer", z. B. Wendisch=Mulsow, Wendisch=Wehningen (noch heute so genannt) etc. ., deren es sehr viele im Lande gab, waren nur solche Dörfer, welche bei der Germanistrung den Wenden zur Bewohnung angewiesen waren, über deren Bevölkerung aber keine Nachricht weiter existirt; "wendische Mönche" im Kloster Doberan während des 14. Jahrh. waren nur solche Mönche" welche aus den Städten der ehemaligen Wendenländer, namentlich den Städten der "wendischen Hanse" gebürtig waren und nur im Gegensatze gegen die Ausländer, die überelbischen Sachsen, so genannt wurden, u. s. w. Alles dies giebt keinen Haltpunct für die Beantwortung der Frage, namentlich nicht dafür, ob auch in Meklenburg noch längere Zeit wendisches Recht gegolten habe.

Es ist mir endlich gelungen, eine Urkunde vom J. 1315 zu entdecken, in welcher unverhüllt vom alten wendischen Rechte die Rede ist; aber jede andere, viele Jahre lang fortgesetzte Forschung nach einer Unterstützung dieser vereinzelten Angabe durch andere urkundliche Zeugnisse aus derselben oder aus noch jüngerer Zeit ist bisher vergeblich gewesen, und so müssen wir uns wohl mit dieser Einen Angabe begnügen und froh sein, daß wir überhaupt eine Andeutung haben.

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Am 30. April 1315 schenkte nämlich der Fürst Heinrich der Löwe von Meklenburg 1 ) dem Kloster Doberan zum Seelenheile seines verstorbenen Vaters 2 ), des Pilgers, der in der Kirche zu Doberan begraben lag, und seiner verstorbenen Erben, so wie zur Vergütung für die Schäden, welche er dem Kloster zugefügt, die gesammte Gerichtsbarkeit und das Eigenthumsrecht mit den Beden und Diensten in den bei Doberan liegenden

"wendischen Dörfern Stülow und Hohenfelde"
("in villis slauicalibus Stulowe et Hogenvelt"),

machte dabei jedoch die Bedingung, daß die ganze Verwaltung der Rechtspflege ("iurisdictionis"),

"nach wendischem Rechte geschehen solle, wie die Wenden es von alter Zeit her gehabt hatten"
("jure slavicali, prout antiquitus Slavi usi fuerunt").

Hier ist offenbar und unzweifelhaft der Beweis, daß ungefähr 100 Jahre nach der Germanisirung Meklenburgs in den wendischen Klosterdörfern noch altes wendisches Recht galt.

Die Veranlassung zu dieser Schenkung dürfte folgende sein. Durch die Schwäche des letzten rostocker Fürsten Nicolaus des Kindes war Heinrich in ernste Verwickelungen mit der Stadt Rostock gerathen, in welcher im J. 1312 eine heftige Revolution 3 ) ausbrach, welche zu einem blutigen Kriege mit Rostock führte. Die Revolution ward zwar durch den Fürsten Heinrich unterdrückt, welcher darauf im Herbste des J. 1313 auf die Wallfahrt nach Roccamadonna in Frankreich 4 ) ging. Kaum hatte er aber den Rücken gewandt, als die Revolution gegen die Rathsgeschlechter wieder ausbrach, welche der Fürst jedoch nach seiner Heimkehr wieder stillte. In diesen Kriegen wurden die Güter des der Stadt Rostock benachbarten Klosters wohl oft hart mitgenommen, und daher mußte sich der Fürst wohl zur Entschädigung 5 ) verstehen.

Nach diesen Begebenheiten und als eben der große Krieg mit Brandenburg begann, ging der Fürst nach der Abtei zum Grabe seines Vaters und bewilligte hier dem Kloster den Ersatz für die demselben zugefügten Schäden.

Vignette

1) Vgl. Urk. Sammlung: Vermischte Urkunden.
2) Die Fürstin Anastasia war damals also noch nicht todt; vgl. Jahrb. VI, S. 103.
3) Vgl. Jahrb. XI, S. 175 flgd.
4) Vgl. Jahrb. VIII, S. 225.
5) Vgl. Jahrb. II, S. 8 flgd.