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II.

Die Besitzungen und der Verkehr des Erzbisthums Riga

in Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


D as Bisthum und spätere Erzbisthum Riga war im Anfange des 13. Jahrhunderts unter dem bewundernswürdig thätigen Bischofe Albert der Mittelpunct aller Unternehmungen zur Bekehrung der fernen Ostseeländer und deren Colonisirung. Albert segelte fast jährlich nach Norddeutschland und landete wohl stets in Lübek, um immer neue Schaaren von Kreuzfahrern in jene Länder zu führen. Ohne Zweifel nahmen auch viele Meklenburger an jenen Kreuzzügen Theil, wenn uns auch keine bestimmte Nachricht darüber erhalten ist.

Zuerst gewinnt von Männern der meklenburgischen Lande in jenen Gegenden einen bedeutenden Namen der kräftige und umsichtige Bischof Philipp von Ratzeburg, welcher 1210-1214 in Livland ungewöhnlich thätig und in den letzten Jahren seines dortigen Aufenthalts Stellvertreter des Bischofs Albert war, als welcher er oft handelnd auftritt. Ihn begleitete ein Ritter Helmold von Plessen, wohl der Stammvater des bekannten Geschlechts.

Darauf kämpfte seit dem J. 1216 Albrecht von Orlamünde, Graf von Ratzeburg und Holstein mit Erfolg und Ruhm in Livland.

Zunächst scheint also das Bisthum Ratzeburg, welches wohl in regerm Verkehr mit Lübek und schon auf einer höhern Stufe geistiger Entwickelung stand, an dem gewaltigen Kampfe Theil genommen zu haben. Etwas später betheiligte sich das Bisthum Schwerin, in dessen größtem Theile Borwin als

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weltlicher Fürst regierte. Borwin, welcher noch die letzten Kämpfe des Wendenthums gegen die deutsche Macht gesehen hatte und die gewaltige Umkehrung aller Verhältnisse in seinem Lande leiten sollte, konnte sich lange nicht überwinden, sich mit ganzer Seele der neuen Ordnung der Dinge hinzugeben; sein ganzer Hof war noch lange Zeit hindurch rein wendisch und der Landesbischof Brunward, welcher aus einer einheimischen, wendischen edlen Familie stammte und mit den Ersten des Landes vielfach und nahe verwandt war 1 ), mochte, als eine friedlich vermittelnde Persönlichkeit, den Fortschritt der sächsischen Cultur grade nicht beschleunigen, wenn es auch nicht zu leugnen ist, daß er die Entwickelung der christlichen Kirche in Meklenburg mit bedeutender Anstrengung förderte, da unter ihm wohl die meisten christlichen Kirchen im Lande gebauet sind.

Endlich thauete das Herz Borwin's auf, als er schon im höhern Alter seines Lebens stand. Vielleicht war der große Graf Heinrich I. von Schwerin, welcher den edlern Geist jener Zeit glühend im Herzen hegte, die Triebfeder; dieser hatte im J. 1217 die Johanniter=Comthurei Craak gegründet und nahm im J. 1219 das Kreuz zu einer Fahrt in's Heilige Land, woher er das gefeierte Heilige Blut für den Dom zu Schwerin mitbrachte. Genug, Borwin I. entschloß sich endlich, wenn auch spät, Theil an der allgemeinen Bewegung zu nehmen: er unternahm einen Kreuzzug nach Livland.

Es ist in der That auffallend, daß die meklenburgischen Geschichtschreiber dieses merkwürdige und in vieler Hinsicht sehr wichtige Ereigniß bisher fast ganz übersehen haben, obgleich eine bekannte sichere Quelle ausführlich genug darüber berichtet. Erst v. Lützow 2 ) berührt diese Begebenheit und deutet auf ihre Wichtigkeit hin.

Der Kreuzzug Borwin's ist ausführlich in der gleichzeitigen livländischen Chronik Heinrich's des Letten 3 ), eines gewissenhaften Zöglings und Begleiters des Bischofs Albert von Riga 4 ), beschrieben und ein halbes Jahrhundert später in der von dem Deutschen Orden ausgegangenen mittelhochdeutschen


1) Vgl. unten die Abhandlung über Thetlev von Gadebusch.
2) Vgl. v. Lützow Mekl. Gesch. I, S. 269.
3) Zuerst herausgegeben von J. D. Gruber in dessen bekannten Origines Livoniae seu Chronicon Livonicum vetus, 1740; vgl. Mittheilungen der Gesellsch. für Gesch. der russischen Ostsee=Provinzen, I, Riga, 1840, S. 64 flgd., und Verhandlungen der Gelehrten Esthnischen Gesellschaft zu Dorpat, II, 1847, S. 47 flgd.
4) Vgl. Mittheil. Riga, a. a. O.
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livländischen Reimchronik 1 ), welche fälschlich dem Dietleib von Alnpeke zugeschrieben wird, wiederholt bearbeitet.

Man hat zwar die Meinung aufgestellt 2 ), der Borwin, welcher den Kreuzzug nach Livland unternommen, sei nicht Pribislav's Sohn Borwin gewesen, sondern dessen ältester Sohn gleiches Namens, weil der Vater im J. 1218 schon zu alt gewesen sei, um so große Beschwerden ertragen zu können; aber man geht hiebei von einer neuern, willkürlichen Bezeichnungsweise aus, nach welcher man Vater und Sohn beide mit dem Namen Borwin oder Heinrich Borwin I. und II. belegt. Die Quellen reden darüber ganz anders. Nur der Vater heißt in den Urkunden und Chroniken Borwin, seltener auch Heinrich Borwin; sein Siegel führt auch nur den Namen Borwin (Sigillum Burwini Magnopolonensis). Sein ältester Sohn dagegen heißt in zahlreichen Urkunden stets nur Heinrich, seit dem J. 1219 gewöhnlich Heinrich von Rostock, daneben aber auch Heinrich von Werle 3 ); auf seinem ersten Siegel an einer Urkunde vom J. 1219 wird er: Heinrich der junge in Rostock (Sigillum Heinrici jvvenis in Rostoc) genannt, auf seinem zweiten Siegel 4 ): Heinrich von Rostock (Sigillum Henrici de Rozstoch). Der Vater Borwin wird wohl Heinrich zubenannt, aber der Sohn Heinrich führt nie den Namen Borwin. In Heinrich's des Letten Chronik wird unser kreuzfahrende Fürst wiederholt nur Heinricus Burewinus nobilis vir de Wendlande 5 ) genannt, gleichbedeutend mit der ganz gleichzeitigen Bezeichnung: Heinricus Borwinus princeps Slavorum, in der Stiftungsurkunde des Klosters Sonnenkamp vom J. 1219 6 ), und die livländische Reimchronik nennt 7 ) ihn: von Wentlande her Barwin. Es ist also bei der völligen Uebereinstimmung aller gleichzeitigen Quellen keinem Zweifel unterworfen, daß Heinrich Borwin I. der Vater der Kreuzfahrer nach Livland gewesen sei. - Der Einwand, daß Borwin zu dem Kreuzzuge zu alt gewesen sei, hat nicht viel zu bedeuten; es hat zu allen Zeiten, auch in der Gegenwart, greise Kriegshelden von hohem Alter gegeben. Und


1) Zuletzt vollständig herausgegeben von Franz Pfeiffer in der Bibliothek des literarischen Vereins zu Stuttgart 1844, VII, unter dem Titel: Livlandische Reimchronik; vgl. Mittheilungen der Gesellschaft f. Gesch. der russischen Ostseeprovinzen a. a. O., S. 66, Paucker in Monumenta Livonlae antiquae, Riga, III, 1842, S. 113, und die Bibl. des literar. Vereins zu Stuttgart a. a. O. Vorwort, S. VII.
2) Vgl. Gebhardi de origine ducem Meclenburg. §. 48.
3) Vgl. Jahrb. XIII, S. 271, wo die ganze Genealogie urkundlich ausgesprochen ist.
4) Vgl. Jahrb. X, S. 9.
5) Vgl. Gruber orig. Liv. p. 123 flgd.
6) Vgl. Lisch Mekl. Urk. II, Nr. I.
7) Livländ. Reimchron. S. 39, V. 1416.
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dazu ist die Chronologie Borwin's noch lange nicht sicher genug gestellt, um eine solche Behauptung wagen zu können. Zwar nimmnt man an, daß Borwin sich schon im J. 1166 vermählt habe 1 ), und Arnold von Lübek berichtet 2 ), Borwin sei im J. 1183 gefangen nach Dänemark geführt und habe sich nur dadurch befreien können, daß er seinen Sohn als Geißel gestellt habe. Hiernach würde Borwin spätestens um das J. 1146 geboren sein. Dagegen berichtet Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik, einer freilich jüngern Nachricht, die Geburt Borwin's habe seiner Mutter Woizlava im J. 1172 das Leben gekostet 3 ). Mag diese Nachricht nun auch nicht zuverlässig sein, so erregen doch die spätern Ereignisse Bedenken gegen die Nachrichten Arnold's von Lübek. Borwin's ältester Sohn wird auf seinem Siegel im J. 1219 noch Jüngling (juvenis) genannt, und das Siegel wird nicht viel älter sein, da dem Sohne erst im J. 1218 die Herrschaft Rostock anvertrauet ward. Und daß eine solche Bezeichnung auf einem Siegel steht, scheint dafür zu reden, daß er wirklich noch sehr jung war. Als Heinrich im J. 1226 starb, waren seine sämmtlichen Kinder noch unmündig! Nehmen wir nun an, was nicht unwahrscheinlich ist, daß die Fürsten Borwin und Heinrich, Vater und Sohn, jung geheirathet haben und rechnen wir dann zurück, so komnmen wir allerdings auf das Jahr 1172 als das Geburtsjahr Borwin's. Hätte Borwin in einem Alter von 20 Jahren geheirathet, so könnte sein Sohn Heinrich im J. 1193 geboren sein; dieser wäre dann im J. 1219 schon 26 Jahre alt gewesen (juvenis), und wenn er im J. 1213 geheirathet hätte, so wäre bei seinem Tode sein ältester Sohn, der 1229 (mit 16 Jahren?) mündig ward, im J. 1226 bei des Vaters Tode 13 Jahre alt gewesen sein.

Ein bejahrter Mann wird Borwin im Jahr 1218 allerdings gewesen sein, jedoch wohl nicht so alt, als man bisher angenommen hat, und noch nicht so abgelebt, daß er die Beschwerden des Kreuzzuges nicht mehr hätte ertragen können.

Der Kreuzzug Borwin's fällt in die Zeit 1218-1219 und füllt fast ein Jahr 4 ). Es ist früher, nach Gruber, das Jahr 1217 angenommen. Nach neuern Forschungen ist aber


1) Vgl. Rudloff Mekl. Gesch. I, S. 145. Es ist dabei wohl zu beachten, daß im Mittelalter Ehen häufig zwischen Kindern geschlossen wurden, die erst im mannbaren Alter zu festgesetzten Zeiten zusammen wohnten.
2) Vgl. Chron. Arnoldi Lub. III, c. IV, §. 8-10, p. 305.
3) Vgl. Jahrb. II, S. 17.
4) "Annum peregrisationis suae completuros" heißt es in Heinrichs des Letten Chronik, p. 123.
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die oben bezeichnete Zeit festgestellt 1 ). Am 24. Junius 1218 gründete er mit seinen Söhnen noch die Stadt Rostock und bestätigte, wahrscheinlich ungefähr um dieselbe Zeit, in demselben Jahre die Privilegien des Klosters Doberan. Kurz nach Mariä Himmelfahrt (15. Aug.) 1218 machte er schon den ersten Feldzug gegen Harrien mit. Er wird also im Julius 1218 abgesegelt sein. In den Fasten des J. 1219 kämpfte er noch bei heftiger Kälte in jenen Gegenden. Am 1. Aug. 1219 war er schon wieder in der Heimath und stellte viele wichtige Urkunden aus. Er war also von Julius 1218 bis Julius 1219 auf der Kreuzfahrt, und aus dieser ganzen Zeit ist auch keine Urkunde von ihm bekannt geworden. Der darauf folgende Zug des Dänenkönigs Waldemar nach Esthland, welchen auch der Fürst Wizlav von Rügen mitmachte, ist auch von Voigt in das Jahr 1219 gestellt 2 ).

Dieser Kreuzzug bezeichnet einen Wendepunct in der Geschichte Borwin's, indem er die Landesregierung seinen Söhnen Heinrich und Nicolaus abtrat und das Reich so unter sie theilte, daß Heinrich den östlichen Theil, die Herrschaft Rostock, Nicolaus den westlichen Theil, die Herrschaft Meklenburg, zur Regierung erhielt. Während des Vaters Abwesenheit regierten sie selbstständig das Land, und wenn auch der alte Herr in allgemeinen Angelegenheiten späterhin noch oft Zeichen seiner Oberherrschaft gab, so geschah dies immer nur unter Zustimmung seiner Söhne, während dagegen die Söhne auch selbstständig Urkunden ausstellen. Zwar kommt schon im J. 1217 die Zustimmung der Söhne vor, aber ihre eigentliche, selbstständige Wirksamkeit beginnt erst während der Abwesenheit des Vaters und scheint sich nach dessen Heimkehr noch vergrößert zu haben, vielleicht weil der Vater die Richtigkeit des von den Söhnen eingeschlagenen Weges erkannte. Seit dieser Zeit macht denn auch die christliche und deutsche Bildung viel größere und raschere Fortschritte, ohne Zweifel weil die Söhne empfänglicher dafür waren. Freilich mußte der alte Herr noch in den letzten Monaten seines Lebens die Zügel der Regierung wieder ergreifen, da seine beiden Söhne vor ihm starben, und so wird er mit der neuen Ordnung der Dinge ausgesöhnt von dieser Welt geschieden sein, da er nach seinem Kreuzzuge viele fromme Stiftungen gründete.

Im Frühling des J. 1218 segelte der Bischof Albert ab, um neue Kreuzschaaren für den Schutz der jungen Kirche in


1) Vgl. Verhandlungen der Gelehrten Esthnischen Gesellsch., II, S. 72-73.
2) Vgl. Voigt's Gesch. von Preußen, II, S. 306.
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Livland zu sammeln. Zuerst ging er zum Könige Waldemar von Dänemark, um diesen zu einem Zuge gegen die Esthen für das folgende Jahr zu gewinnen, was ihm auch gelang. Darauf ging er nach Deutschland und sammelte ein Kreuzheer, welches er nach Livland absandte; er selbst verschob seine Heimreise bis in das künftige Jahr, um dann ein größeres Heer nach Livland zu führen. Er sandte zu seinem Stellvertreter den Domdechanten von Halberstadt; mit diesem ging Borwin 1 ) in Begleitung einer heldenmüthigen Mannschaft 2 ), nach Livland. Bald nach dem Feste der Himmelfahrt Mariä (15. Aug.) begann der Zug der Rigenser, Liven, Letten und Deutschen gegen Reval und Harrien, deren Bewohner mit grausamer Verwüstung hartnäckig widerstanden. An die Spitze des Zuges stellten sich der Meister des Schwertbrüderordens, Volquin, mit seinen Rittern und der Fürst Borwin mit seinen Begleitern 3 ). Es war ein schwerer Feldzug, da auch die Russen unter Anführung des Großfürsten Mstislavs von Nowgorod und des Fürsten Wladimir von Pleskow mit starker Macht und unter schrecklichen Verheerungen gegen sie im Felde standen. Es kam zum heftigen Kampfe. Die Russen drängten in weit überlegener Macht vor; als die Liven und Letten die Pfeile der Russen über sich kommen sahen, wandten sie sich zur Flucht. Nur die Deutschen, allein auf Russen kämpfend, nur 200 an der Zahl, blieben standhaft; auch von diesen fielen so viele ab, daß kaum 100 in der Schlacht blieben; gegen welche sich die ganze Wuth des Angriffes wandte. Einen ganzen Tag hielten die Deutschen Stand, bis sich die Russen zurückzogen; die Deutschen blieben alle unversehrt bis auf einen Ritter Borwin's, den ein Pfeil tödtete 4 ). Die Deutschen sammelten darauf die zersprengten


1) "Et statuit in vice sua decanum Halberstadensem, qui cum Heinrico Burewino, nobili viro de Wendlande, et quibusdam aliis peregrinis abiit in Liuoniam, annum peregriuationis suae completurus ibidem." Gruber Orig. Livon. p. 123.
2) Von Orlamunde greve Albrecht
der was ein pilgerin gerecht.
biz er ze lande wider quam.
Des andern iârs das criuze nam
von Wentlande her Barwin
mit rittern unde knappen sin;
schoene samenunge,
stolze helde iunge
brâchte er zuo N îflande dô.
Des wâren riche und arme vro.
        Livländ. Reimchron. S. 39, V. 1442 flgd.
3) "Et convenerunt Rigenses cum Livonibus et Letihis et ibat cum eis Heinricus Burewinus et magister Volquinus cum fratribus suis et venerunt prope Saccalam." Gruber orig. Livon. p. 123.
4) "Et steterunt Tetonici soli, quorum erant tantum ducenti; sed et ipsi quidam subtraxerunt se, ut vix centum remanerunt. - - - (  ...  )
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Liven und Letten wieder und zogen sich geordnet und heiter zurück. Die Russen zogen aber eine große Macht zusammen und rückten ihnen nach, alles um sich her von Grund aus verheerend. Als das Gerücht von diesen Gräueln der Verwüstung nach Riga kam, erhoben sich der Ordensmeister Volquin und Borwin 1 ) mit den Kreuzfahrern und Liven wieder und zogen den Russen entgegen; vor ihnen und der muthigen Gegenwehr der belagerten Ordensbrüder in der Burg Wenden zogen sich jedoch die Russen zurück. Die Oeseler hatten die Absicht gehabt, sich mit den Russen zur Vernichtung des Bisthums Riga zu vereinigen, der tapfere Widerstand der Deutschen hatte sie aber zurückgehalten; jedoch kamen sie auf Schiffen in die Düna und plünderten die Inseln des Flusses. Da faßten die Rigenser den Entschluß, die treulosen Esthen zu züchtigen. Es war im Anfange der Fasten 2 ), in der Mitte des Monats Februar, des J. 1219, als der Ordensmeister Volquin und Borwin an der Spitze der Kreuzfahrer, Liven und Letten zu Eise von der Salis her über den rigaschen Meerbusen zogen und in das Land von Reval einfielen. Eine furchtbare Kälte überfiel das Heer; viele Leute verloren Nase, Arme und Beine, und es starben manche; alle erhielten nach ihrer Heimkehr eine neue Gesichtshaut. Sie theilten sich in drei Heerhaufen, von denen die Deutschen, wie gewöhnlich, in der Mitte standen. So rückten sie in das Land Reval ein und trieben, alles vernichtend, die fliehenden Esthen vor sich her. Nach drei Tagen zogen sie mit großer Beute und vielen Gefangenen über das Eis des Meeres zurück; auf dem Eise hielten sie zehn Tage Rast und warteten hier vergeblich auf die Oeseler und Esthen. Dann theilten sie die Beute und zogen heim nach Livland.

Im Frühling des J. 1219 kehrte der Bischof Albert mit vielen Kreuzfahrern aus Deutschland nach Livland zurück und der König Waldemar unternahm einen großen und wichtigen Zug gegen Esthland. Borwin aber kehrte mit seinen Gefährten in's Vaterland zurück. Hier traf er aus Dank gegen die Vorsehung sogleich denkwürdige Anstalten zur Bethätigung seiner Gesinnung. Am 1. Aug. 1219 bestätigte er das Kloster Doberan 3 ) und ver=


(  ...  ) "Teutonici vero omnes sani et incolumes perviam cantantcs redierunt, praeter unum militem Heinrici Burewini, qui sagitta vulneratus cecidit." Gruber Orig. Livon. p. 124-125.
1) Gruber a, a. O. p. 125.
2) "Circa Quadragesimae initium conuenerunt ad Saletsam et erat ibi Volquinus magister militiae cum Heinrico Burewino et peregrinis et Livones et Letthi et ibant in glacie marias, donec Santagagam peruenirent." Gruber Orig. Livon. p. 126.
3) Vgl. Westphalen Mon. ined. III, p. 1475.
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ordnete in demselben Jahre die Versetzung der Leiche seines Vaters Pribislav aus dem Michaeliskloster bei Lüneburg in das Kloster Doberan, indem er dem Michaeliskloster das Dorf Zesemow, später Michaelsberg, bei Lübz, schenkte 1 ), richtete im J. 1219 das längst verwüstete Nonnenkloster Parkow wieder zu Kussin auf, unter dem Namen Sonnenkamp oder Neukloster, welches das bedeutendste Cistercienser=Nonnenkloster im Lande ward, und beschenkte es reich mit Gütern 2 ), bezeugte die Verleihung von Bischofszehnten aus den Dörfern Krempin und Schmakentin an das Johanniskloster zu Lübek, welchem er diese Dörfer zum Theil gegeben hatte 3 ) u. s. w.

Auch der Bischof Brunward von Schwerin unternahm einen Kreuzzug in jene Gegenden. Christian, seit 1214 erster Bischof von Preußen, hatte schon viele Jahre mit den größten Anstrengungen an der Bekehrung der Preußen gearbeitet, als der Papst Honorius im J. 1218 eine Aufforderung zu einem Kreuzzuge nach Preußen erließ, welcher im J. 1219 ausgeführt ward. An diesem Kreuzzuge nahm der Bischof Brunward Theil; in einer Urkunde 4 ) vom J. 1219 sagte er ausdrücklich, daß er, als er nach Preußen habe ziehen wollen (nos in Pruciam peregrinaturi), die Hälfte der Zehnten aus den Dörfern Krempin und Schmakentin dem St. Johanniskloster in Lübek verkauft habe (vendidimus), indem er großen Geldmangel gehabt habe. Dieser Verkauf ist ohne Zweifel im Frühlinge des J. 1219 bei der Abreise nach Preußen abgeschlossen, die Urkunde aber nach ihrer ganzen Fassung nach der Heimkehr des Bischofs ausgestellt. Wahrscheinlich kehrte der Bischof mit dem Fürsten Borwin zusammen oder ungefähr zu gleicher Zeit in's Vaterland zurück. Dieser Zug Brunward's wird auch durch eine andere Urkunde 5 ) vom 13. Dec. 1233 bestätigt, indem er in derselben bezeugt, daß er, "wie er nach Preuß verreisen wollen", in seiner Familie durch Zehntenveräußerungen Geld aufgenommen habe, indem er seinem Großneffen Brunward mehrere Zehnten in der Pfarre Ribnitz abgetreten habe. Seit dieser Zeit betheiligte sich der Bischof Brunward ganz besonders an der Bekehrung der Preußen, indem die Mehrzahl der Ritter des Ordens von Dobrin Mecklenburger waren; ja es ist nicht unwahrscheinlich, daß der erste Meister dieses Ordens, Bruno, ein Bruder des Bischofs war 6 ).


1) Vgl. Jahrb. II, S. 24 und 291.
2) Vgl. Mekl. Urk. II, S. 1 flgd.
3) Vgl. daselbst III, S. 64-65.
4) Vgl. Urk Samml. Nr. XLII.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXVII.
6) Vgl. oben S. 9 und unten über die Familie des Thetlev von Gadebusch.
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Ohne Zweifel hatte der livländische Kreuzzug einen großen Eindruck auf den alten Borwin gemacht; er und seine Nachfolger blieben seitdem in regem Verkehr mit Riga. So bewahrt das schweriner Archiv noch eine Original=Bulle 1 ) des Papstes Honorius III. vom 19. April 1220 (d. d. Viterbi XIII. Kal. Maii, pontificatus nostri anno quarto, mit einer Bleibulle mit den Namen HONORIVS . P P . III.),durch welche derselbe den König Waldemar von Dänemark auffordert, die Bekehrung der Livländer zum christlichen Glauben zu befördern. Am klarsten offenbart sich aber die Veränderung der Gesinnung Borwin's dadurch, daß er, in dem Bestreben, "einige von seinen Vorfahren aus dem Heidenthum überkommene abscheuliche Gebräuche auszurotten", unter Zustimmung seiner Söhne Heinrich und Nicolaus bald nach seiner Rückkehr aus Livland am 2. August 1220 das Strandrecht abschaffte 2 ). Ihm folgte darin im J. 1224 der Fürst Witzlav von Rügen 3 ).

Bald darauf bethätigte der Fürst Borwin am Ende seines Lebens seine Neigung zu dem Erzbisthume Riga noch durch eine Schenkung.

Die Erkenntniß dieser Schenkung beruht auf einer Entdeckung, deren Geschichte hier nicht verschwiegen werden darf. Schon vor mehreren Jahren erhielt unser Verein von dem Hrn. Bürgermeister Fabricius zu Stralsund eine Abschrift von einer Urkunde aus dem im Archive zu Stettin aufbewahrten rügischen Pergament=Codex aus dem 14. Jahrh., durch welche der Fürst Heinrich von Meklenburg am 26. Julius 1286 die von dem Fürsten Borwin dem Bisthum Riga gemachte Schenkung des Dorfes Chatecowe bestätigt 4 ). Dieses Dorf war durchaus nicht aufzufinden und es mußte endlich jede Untersuchung darüber ruhen, da die mühsamste Forschung nicht zum Ziele führen wollte. In den Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv=, Ehst= und Kurland's, herausgegeben von der Gesellschaft für die Geschichte der russischen Ostsee=Provinzen, Riga, 1843, S. 61 flgd. ward durch den Obristlieutenant Grafen von der Osten=Sacken ein Verzeichniß von livländischen Urkunden mitgetheilt, welche sich 1613 im königlich=polnischen Archive im Schlosse zu Krakau befanden, jetzt aber dort nicht mehr zu finden sind. In diesem Verzeichnisse wird Nr. 47 eine Urkunde aufgeführt, durch welche der Veriner (?) Erzbischof (?) Hermann


1) Vgl. Rig. Mittheilung. I, S. 456.
2) Nach dem Originale im lübeker Archive gedruckt im lübeker Urk. Buch, I, Nr. XXI.
3) Vgl. daselbst Nr. XXVII.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLVIII.
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im J. 1286 dem Erzbisthum Riga die Zehnten aus dem diesem von Borwin geschenkten Dorfe Jaketowe überläßt 1 ). In diesem veriner Erzbischofe war freilich der schweriner Bischof zu erkennen; aber das Dorf war unter dem Namen Jaketowe noch weniger aufzufinden. Eine andere Regeste unter Nr. 46 führt das von Borwin geschenkte Dorf ebenfalls unter dem Namen Jaketowe auf 2 ), fügt jedoch hinzu, daß es bei der Burg (castrum) Home gelegen habe. Diese Burg war noch weniger zu finden, als das Dorf Chatecowe oder Jaketowe, welches doch noch einen wendischen Klang hatte. Da veröffentlichte am Schlusse desselben Jahrganges derselben Mittheilungen, Riga, 1843, S. 471, der Herr Staatsrath von Busse zu Petersburg nach den Originalen mehrere Urkunden, welche unstreitig zu denen gehörten, welche ehedem aus dem erzbischöflichen Archive zu Riga in das Schloß zu Krakau, von hier im J. 1765 nach Warschau und später weiter in die kaiserliche Bibliothek zu Petersburg wanderten. Unter diesen Urkunden steht auch S. 496 die obenerwähnte Zehntenschenkung des schweriner Bischofs Hermann vom J. 1286, in welcher das von Borwin dem Erzbisthum Riga geschenkte Dorf Thatecowe genannt wird. Nun war das Dorf allerdings nicht schwer zu finden, namentlich wenn man seine in der Schenkung Borwin's vom J. 1224 näher bezeichnete Lage bei der Burg Home mit in Betracht zog. Wie die meisten Namen in dem angeführten Verzeichnisse, so ist auch der Name Home in der Urkunde falsch gelesen: es ist statt Home vielmehr Ilowe zu lesen und es sind in den Urkunden die Namen Thatecowe und Ilowe verbessert. Der Name des Dorfes ist also Thatecowe, in ältern Zeiten einige Male auch Tatkendorf bis ins 17. Jahrh. Tatkow, jetzt Tatow genannt, welches noch heute bei der ehemaligen berühmten wendischen Fürstenburg Ilow im Bisthume Schwerin liegt; die Sylbe - ek - fällt mit der Zeit in wendischen Namen häufig und gewöhnlich aus, wie z. B. gleich in dem weiter unten behandelten Dorfe Zittekowe, welches jetzt Zittow heißt. Es ist also nicht daran zu zweifeln, daß das von Borwin dem Bisthume Riga geschenkte Gut das Dorf Tatow bei Ilow sei, wie die folgende Geschichtserzählung zur Ueberzeugung darthun wird.

Im Jahr 1224 schenkte der Fürst Borwin, unter Zustimmung seines Sohnes Heinrich von Werle, wie aus der Bestätigung


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIX.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIII.
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vom 26. Julius 1286 hervorgeht, dem Bisthum Riga das bei der Burg Ilow liegende Landgut Thatekow, jetzt Tatow, welches nach der Zehntenanweisung vom J. 1286 nicht mehr als 11 Hufen groß war. Wir lernen diese Verleihung aus einer Beglaubigung der darüber ausgestellt gewesenen Urkunde durch den Erzbischof Johann von Riga und den Fürsten Wizlav von Rügen vom J. 1282 1 ) kennen. Die Burg Ilow, zwischen Wismar und Neu=Bukow gelegen, war eine alte, feste wendische Fürstenburg, welche zu Zeiten noch von den Borwinen und zuletzt noch von Borwin's Enkel, dem Fürsten Johann dem Theologen, bewohnt ward 2 ). Das Dorf Tatow liegt nicht weit südlich von dieser Burg und gehörte ohne Zweifel zu dem Burggebiete; daher wird es auch nicht Dorf (villa), sondern Landgut (praedium) genannt; es war also wohl eine Art von Meierhof, der zu den Domainen Borwin's gehörte, wie er das Kloster Sonnenkamp aus seinem Erbe (patrimonio) dotirte. Auch das Gut Althof bei Doberan, welches Pribislav zuerst zur Gründung des Klosters Doberan hergegeben hatte, wird im 12. Jahrh. wiederholt Landgut (praedium) genannt 3 ), eben so das Gut Satow, welches Borwin 1219 dem Kloster Amelungsborn schenkte 4 ). Es ist merkwürdig, daß die Landesherren im 12. Jahrh. einen großen Theil ihrer bei den alten Fürstburgen liegenden Domainen zur Stiftung der Klöster hergaben, z. B. Doberan, Dargun, Sonnenkamp, Güstrow.

Diese Schenkung bestätigten die nachfolgenden Fürsten: Johann I. der Theologe und Heinrich I. der Pilger, nach der Bestätigung vom 26. Julius 1286, und an diesem Tage bestätigte dieselbe der junge Fürst Heinrich II. der Löwe mit seinem Bruder Johann und seiner Mutter Anastasia; er hielt damals seinen Vater, den in der Gefangenschaft in Aegypten schmachtenden Pilger, für todt ("felicis recordationis") 5 ). In demselben


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIII. Diese Urkunde ist für das Todesjahr des Fürsten Nicolaus, des Sohnes Borwin's, von Erheblichkeit. Er erscheint zuletzt im Junius und Julius des J. 1222 (vgl. Schröder P. M. I, S. 81, und Rudloff Urk. Lief. S. 5). Die oben angeführte Urkunde Borwin's über die Aufhebung des Strandrechts, in welcher Nicolaus noch genannt wird, ist nicht im J. 1223, wie bisher angenommen ist, sondern im J. 1220 ausgestellt (vgl. Lübeker Urk. Buch I, Nr. XXI). In der hier behandelten rigaschen Urkunde von 1224 kommt er nicht mehr vor. Er brach auf der Burg Gadebusch den Hals (vgl. Doberaner Nekrologium in Jahrb. I, zu S. 135).
2) Vgl. Jahrb. VII, S. 161.
3) Vgl. Jahrb. II, S. 25.
4) Vgl. Jahrb. XIII, S. 269 flgd.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLVIII. Im J. 1275 hatte man Nachricht von Heinrichs des Pilgers Gefangenschaft (Mekl. Urk. II, Nr. XXVI), 1283 scheint man nichts Bestimmtes über ihn gewußt zu haben (vgl. daselbst Nr. XXXII), im J. 1289 hatte man aber Nachricht von seinem Leben, da Anstalten zu seiner Auslösung gemacht wurden (Lübek. Urk. Buch I, Nr. 538 flgd.); vgl. unten die Abhandlung Boll's über des Fürsten Heinrich Pilgerfahrt.
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Jahre 1286 verglichen sich auch der Bischof Hermann und das Dom=Capitel von Schwerin, da das Gut Tatow in der Diöcese Schwerin lag, mit dem Erzbisthum Riga über die zwischen beiden streitig gewordenen Zehnten; das Bisthum Schwerin trat dem Erzbisthum Riga nicht allein alle Zehnten des Gutes Tatow, welches 11 Hufen groß war, sondern auch die Zehnten von Marien=Hagen, welches 5 Hufen hatte, gänzlich ab, wogegen die erzbischöflichen Verwalter in Wulfeshagen dem Bischofe von Schwerin zur Erwerbung anderer Hebungen behülflich gewesen waren 1 ). Der sehr kleine Marienhagen ist nicht aufzufinden; vielleicht lag es bei Tatow und war von diesem abgetrennt, vielleicht war es der Heiligen=Geistes=Hagen, welcher dem Heiligen=Geist=Hospitale zu Riga gehörte und von welchem weiter unten die Rede sein wird, oder es lag auch in Festland Rügen. Das Gut Wulfshagen und dessen Verhältnisse zu Riga sind eben so wenig bekannt, und es läßt sich nicht bestimmen, ob hierunter das bei Rostock liegende Wulfshagen oder, was allerdings wahrscheinlicher ist, das bei dem erzbischöflich=rigaschen Gute Hövet in Festland Rügen liegende Wolfshagen gemeint sei.

Hiemit verschwindet das Gut Tatow auf lange Zeit aus der Geschichte. Wahrscheinlich wird das Erzbisthum Riga dasselbe noch im Mittelalter veräußert haben, da dieses schon in der Mitte des 16. Jahrh. als ritterliches Lehn, und zwar als Pertinenz von Gamehl, im Besitze der v. Stralendorf auf Gamehl erscheint, welche auch die Deutsch=Ordens=Comthurei Krankow gekauft hatten.

Das Erzbisthum Riga hatte im Bisthume Schwerin mit Gewißheit noch andere Güter, welche jedoch im Festlande Rügen lagen. Es besaß hier die Dörfer Gusdin, jetzt Gersdin bei Franzburg, und Hövt bei Velegast, südlich von Barth. Der Fürst Wizlav I. von Rügen (1218-1249), welcher den König Waldemar von Dänemark nach Livland begleitete, schenkte dem Bischofe Albert von Riga (1198-1229), also in der Zeit 1218-1229, 6 Hufen in Gusdin, welche der Bischof seinem Dom=Capitel überließ 2 ); derselbe Fürst verlieh dem Dom=Capitel am 16. Sept. 1237 dazu noch andere 6 Hufen 3 ). Das Dorf Hövet war am Ende des 13. Jahrh. (1293 ?) im Besitze des Rigaschen Dom=Capitels, als dieses dem Bischofe Gottfried von


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIX.
2) Vgl. Fabricius Urk. des Fürstenth. Rügen, II, S. 122; vgl. S. 91, Nr. 71.
3) Vgl. daselbst S. 9, Nr. 45.
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Schwerin 20 Mark Hebungen statt des Zehnten aus dem Capitel gehörenden Dorfe Hövet überwies 1 ).

In der ersten Hälfte des 13. Jahrh. erwarben auch die unmittelbar mit dem Erzbisthume Riga in Verbindung stehenden geistlichen Ritterorden Besitzungen 2 ) in Meklenburg: der Schwertbrüder=Orden das Gut Vorwerk bei Dassow, der Orden der Brüder von Dobrin das Gut Sellin bei Neukloster und der Deutsche Orden die Comthurei Krankow bei Wismar.

Auch andere geistliche Stiftungen in Riga gewannen schon früh Landbesitz in Meklenburg; jedoch sind nur darüber Nachrichten vorhanden, daß das Heilige=Geist=Hospital das Dorf Heiligenhagen bei Satow in der Nähe des Klosters Doberan besaß. Die Zeit und Art der Erwerbung dieses Gutes ist nicht bekannt, läßt sich jedoch annäherungsweise bestimmen. Das Dorf war ein Hagen, d. h. ein aus Wald urbar gemachtes Gut. Es hieß das ganze Mittelalter hindurch Heiligengeisteshagen (Indago sancti spiritus) und es ist daher wohl nicht zu bezweifeln, daß es von dem Heiligengeist=Hospitale zu Riga angelegt und daher von diesem benannt ward. Um das Jahr 1219 hatte der Fürst Borwin dem um Meklenburg hochverdienten Kloster Amelungsborn, aus welchem der Wenden=Apostel Berno und das Kloster Doberan hervorgingen, das Gut Satow mit einer sehr großen Feldmark und weiten, noch auszurodenden Waldungen geschenkt 3 ); von diesem Gute ward bald nicht allein der Hagen Satow, sondern wenigstens auch noch Heiligenhagen abgenommen. Noch im J. 1244 grenzte das Dorf Bölkow unmittelbar an Satow; die Grenze ging durch eine große Waldung, in welcher zugleich die Grenze der Urbarmachung für jedes der beiden Dörfer angewiesen ward 4 ). Bald darauf finden wir zwischen beiden Dörfern das Dorf Heiligengeisteshagen, welches ohne Zweifel durch Ausrodung dieses Waldes entstand, mit Satow und Püschow grenzend 5 ).

Es ist möglich, daß hier zuerst und späterhin noch mehrere, kleinere Ansiedelungen entstanden, wie um das Jahr 1232 das Gut Wildeshusen 6 ) und noch vor dem J. 1286 das Gut Marienhagen 7 ); jedoch läßt sich hierüber noch nichts Genaueres bestimmen.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LI. Vgl. Fabricius a. a. O. 91, II.
2) Vgl. oben die Abhandlungen über diese Besitzungen.
3) Vgl. Jahrb. XIII, S. 122 flgd. u. 128.
4) Vgl. daselbst, S. 274.
5) Vgl. daselbst, S. 287.
6) Vgl. daselbst S. 127-128.
7) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIX.
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Das Hospital zum Heiligen=Geist in Riga war im J. 1220 von dem Bischofe Albert gestiftet 1 ). Wahrscheinlich ist es, daß bald nach dem J. 1244 Heiligengeisteshagen entstand. Im J. 1304 wohnte schon ein geistlicher Verwalter (clericus indaginis sancti spiritus) 2 ) auf dem Gute und im 14. Jahrh. bildete das Gut, welches sicher unmittelbar von dem Hospitale durch einen Hofmeister verwaltet ward eine eigene Pfarre 3 ). Im J. 1361 nahm der Herzog Albrecht die Bauern von Heiligenhagen in seinen besondern Schutz 4 ).

Das Hospital zu Riga besaß das Dorf Heiligenhagen bis in das 15. Jahrh., bis zu einer Zeit, in welcher mehrere auswärtige Klöster ihre Besitzungen in Meklenburg veräußerten. Sicher schon vor dem J. 1427 hatte das Hospital das Gut an zwei rostocker Patricier, Heinrich Buk und Johann Odebrecht, welche bis zum J. 1428 Burgemeister zu Rostock waren, an jeden zur Hälfte, verkauft 5 ). Während der demokratischen Revolution vom J. 1427 flohen im J. 1428 die beiden genannten Burgemeister mit ihren Collegen aus Rostock nach Bützow. Wahrscheinlich um sich aus Geldverlegenheit zu reißen, verließen zu Bützow Heinrich Buk am 1. Nov. 1428 6 ) und Johann Odebrecht am 25. Julius 1429 7 ), jeder seine Hälfte, wie sie das Gut von dem Heiligen=Geiste zu Riga verkauft hatten, der Herzogin Katharine von Meklenburg. Auf diese Weise kam das ziemlich große Dorf an die Landesherrschaft.

Die Grafen von Schwerin und Danneberg hatten sich um das livlandische Bisthum bisher nicht besonders bekümmert. Der Graf Heinrich I. von Schwerin hatte im J. 1219 einen Kreuzzug nach dem Heiligen Lande unternommen und nach seiner Heimkehr waren die Grafen bekanntlich mit der Vernichtung der dänischen Macht Deutschland so sehr in Anspruch genommen, daß sie wohl nicht Zeit hatten, an Livland zu denken. Der Graf Heinrich I. von Schwerin starb im J. 1228 und hinterließ seinem milden Sohne Gunzelin III. für eine lange Regierungszeit ein gesichertes Reich. Der Graf Volrath II. von Danneberg starb um das J. 1224 und hinterließ drei Söhne: Heinrich II., Bernhard I. und Adolf I.

Der große Bischof Albert von Riga war auch im J. 1229 gestorben; er hatte es noch gesehen, wie das Christenthum


1) Vgl. Napiersky Index I, Nr. 9.
2) Vgl. Jahrb. XIII, S. 281.
3) Vgl. Jahrb. IX, S. 401.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. LIII.
5) Ueber diese Patricier vgl. Jahrb. XI, S. 178-179, und S. 184.
6) Vgl. Urk. Samml. Nr. LX.
7) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXI.
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in jenen Gegenden durch seine heldenmüthige Ausdauer fest begründet war, freilich nicht ohne starke Anfechtung. Denn die Litthauer, welche die vielen blutigen Kriege nicht vergessen konnten, standen im J. 1236 wieder auf und erhoben sich Gefahr drohend gegen den Schwertbrüderorden und das Bisthum Riga. Es ward alsbald Botschaft nach Deutschland gesandt, und nicht vergebens; denn es führten alsbald der Graf Heinrich von Danneberg und ein tapferer Ritter Johann von Haseldorf 1 ) ein Kreuzheer nach Livland.

Die älteste Quelle ist die livländische Reimchronik; diese sagt S. 51, v. 1857:
Dâr under bleib er (Volkw în) leider tôt,
als es got über in gebôt;
vil gâr ân alle die schulde s în
mit im manic pilger în,
der was dô vil zuo R îge komen.
die hatten dicke wol vernomen,
wiez in dem lande waz getân:
die wolden in des nicht erlân,
er envüere des sumers hervart;
dar umbe er vil gebeten wart.
von Haseldorf ein edel man
der legete s înen vl îz dar an,
von Dannenberc ein greve guot:
dà stuont viel maniges heldes muot
hin zuo Littouwen etc. .

Diese Chronik nennt den Grafen von Danneberg nicht mit Vornamen, auch die plattdeutsche Chronik in Gruber orig. Livon. p. 200 nicht; diese nennt dagegen den Ritter Johann Haseldorpe 2 ).

Der Graf von Danneberg ist nun der Graf Heinrich II., welcher nach dem J. 1236 nicht mehr in der Geschichte genannt wird 1 ). Seine Brüder Bernhard und Adolf regierten noch bis 1264 und 1269.

Die Kreuzfahrer vereinigten sich nun mit den Schwertbrüdern und den Bischöfen und fielen verwüstend in Litthauen ein. Aber in einer blutigen Schlacht am Tage des H. Mauritius 3 ), den 22. Sept., 1236 wurden die Christen geschlagen


1) Vgl. Monumenta Livoniae antiquae, III, S. 129, Note 4.
2) Vgl. Rudloff Gesch. der Grafen von Danneberg, S. 29. In der hier S. 17, Not. u, aus Pfeffinger Braunschw. Hist. II, S. 364, angeführten Urkunde vom J. 1237 ist nur von einer Bestätigung einer Verleihung der Grafen Heinrich und Bernhard von Danneberg durch den Herzog Albert von Sachsen die Rede, nicht von einer unmittelbaren Handlung des Grafen Heinrich.
1) Vgl. Monumenta Livoniae antiquae, III, S. 129, Note 4.
3) Vgl. Monum. Livon. antiq. III, S. 129, Note 5.
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und der Ordensmeister Volquin, der letzte Meister des Schwertbrüderordens, 48 Ordensritter, der Graf von Danneberg und viele andere Ritter und Kreuzfahrer fanden einen schmählichen Tod. Die Livländ. Reimchronik 1 ) gedenkt des Todes des Grafen nicht; dagegen sagt die niederdeutsche Ordenschronik in Gruber Orig. Livon. p. 200.

Dar nae quam int lant de greve van Danenberch unde heer Johan Haseldorpe mit veel pelgrims, die mitten meyster streden tegen die Letthauwen, ende meister Volquyn bleeff mit XLVIII broeders van der oirden doot ende die grave mit veel goeder mannen mit hem.

Nach dem Tode dieses Meisters ward im folgenden Jahre 1237 der Orden der Swertbrüder mit dem Deutschen Orden vereinigt.

Wahrscheinlich entsprang aus dem Tode des Grafen Heinrich die Gunst, welche die Grafen von Danneberg seit dieser Zeit dem livländischen Cistercienser=Kloster Dünamünde zuwandten, indem das Kloster jetzt zum vollkommenen Besitze der Dörfer Siggelkow, Zachow und Crucen kam 2 ).

Seit dem Falle des Grafen von Danneberg, aus dem Hause der alten Nachbaren und Verbündeten der Grafen von Schwerin, traten auch die Grafen von Schwerin in engere Verbindung mit dem Bisthume Riga.

Zunächst gab Gunzelin III. dem Kloster Dünamünde seinen Theil an Siggelkow, Zachow und Crucen.

Bei dem regen Verkehr, welchen die Stadt Riga mit ihrer Mutterstadt Lübek unterhielt, konnte es nicht fehlen, daß auch die übrigen Ostseestädte in ein engeres Verhältniß zu Riga traten, welches ein nicht unwichtiger Markt ward. Am 25. Mai 1246 verlieh der Fürst Johann I. der Theologe von Meklenburg den Bürgern der Stadt Riga nicht allein für den Hafen von Wismar, sondern auch für das ganze Land Meklenburg dieselben Freiheiten, deren sie sich in Lübek erfreueten 3 ).

Am 27. Jun. 1257 verlieh der Fürst Borwin von Rostock den Bürgern von Riga Zollfreiheit in seinen Landen, unter der Bedingung, daß sie jährlich für ihn einen gewaffneten Mann zu dem


1) Vgl. Moritz Brandis Chronik in Monum. antiq. Livon. III, S. 128 129.
2) Vgl. unten die Abhandlung über die Besitzungen des Klosters Dünamünde.
3) Vgl. einen Aufsatz des wail. Dr. C. C. H. Burmeister zu Wismar in den Mittheilungen der Gesellsch. für Geschichte der russischen Ostsee=Provinzen, III, S. 147 flgd., wo diese bisher aus Schröder Wismarschen Erstlingen S. 71 bekannte Urkunde nach dem im Stadt=Archive zu Riga befindlichen Originale verbessert abgedruckt ist.
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Zuge gegen die Heiden stellten, wie sie es für das Seelenheil seines Großvaters (Borwin I.) und seines Vaters bisher gethan hätten 1 ). Außerdem siedelten sich bald wismarsche Bürger in Riga, bald rigasche Bürger in Wismar an und Wallfahrten und Kreuzzüge nach Riga waren nicht selten 2 ).

Im J. 1261 war der Bischof Albert von Pomesan (Insula sancte Marie in Pruscia) päpstlicher Legat im Bisthume Camin und versicherte als solcher am 1. April 1261 zu Demmin dem Kloster Dargun das Patronat der Kirche zu Levin 3 ).

In Folge aller dieser Begebenheiten konnte es nicht fehlen, daß das Erzbisthum Riga zu dem milden, ritterlichen und gebildeten Grafen Gunzelin III. von Schwerin (1228 † 1274), an dessen Hofe auch die Dichtkunst gepflegt und geschützt ward, ein besonderes Vertrauen hegte, zu ihm, der in jener Zeit einer der wackersten Männer in den Ostseeländern war. Am 21. Dec. 1267 ernannte der Erzbischof Albert (1254-1272), welcher vorher auch Bisthums=Verweser in Lübeck gewesen war, für seine Lebenszeit den Grafen Gunzelin III., "einen edlen und berühmten, festen und klugen Mann, zum Schirmherrn und Vertheidiger, Berather und Verweser" (Kastenherrn) des Erzbisthums gegen die Barbaren und andere Feinde und unterwarf ihm Land und Leute, Burgen und Vasallen des Erzbisthums, so daß er dem Erzbischofe jährlich eine gewisse Summe zahlen, mit dem Rest der Einkünfte des Erzbisthums den Nutzen und die Ehre befördern solle 4 ). Der Graf befand sich damals ohne Zweifel selbst in Riga und war hier noch am 5. April 1268 5 ) bei der Belehnung eines getauften litthauischen Edlen.

Daß sich der Graf Gunzelin gegen das Erzbisthum Riga und dessen milde Stiftungen auch freigebig bewies, läßt sich denken. Er hatte schon vorher dem Kloster Dünamünde seinen Antheil an den Gütern Siggelkow, Zachow und Crucen geschenkt 6 ), welche späterhin ganz unter seine Landesherrlichkeit übergingen. Wenn er aber in der Urkunde vom J. 1270 sagt, daß dieses Kloster noch andere Güter in seiner Herrschaft 7 ) besitze, so ist hierüber keine andere Nachricht vorhanden, als etwa die folgende, wenn überall die Urkunde ächt, also der Ausdruck zuverlässig ist.


1) Die Urkunde, welche bisher aus dem Druck in Rudloff Urk. Lief. Nr. XV bekannt war, ist nach dem im rigaschen Stadt=Archive aufbewahrten Originale gedruckt in den eben angeführten Mittheilungen a. a. O. S. 150.
2) Vgl. Burmeister in den angeführten Mitheilungen a. a. O. S. 151 flgd.
3) Vgl. Meklenb. Urk. I, S. 120.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIV, auch gedruckt in Riga. Mittheil. I, S. 458 flgd.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLV.
6) Vgl. unten die Abhandlung über die Güter des Klosters Dünamünde.
7) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXIX.
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Der Graf Gunzelin III. schenkte dem Erzbisthum Riga, und im Besondern wohl dem Dom=Capitel, das Patronat der Kirche im Dorfe Zittow, am östlichen Ufer des schweriner See's, im Lande Zellesen. Diese Schenkung ist zunächst nur aus einer Bestätigung des Grafen Nicolaus I., eines Sohnes Gunzelin's, vom J. 1286 bekannt 1 ), welcher in der Urkunde ausdrücklich sagt, daß sein Vater Gunzelin der Kirche zu Riga dieses Patronat verliehen habe. Auch die Veräußerungsurkunde erwähnt der Schenkung durch den Grafen Gunzelin und der Bestätigung durch den Grafen Nicolaus. Am 12. Mai 1520 überließen der Erzbischof und das Dom=Capitel zu Riga dieses Patronat dem Antonius=Kloster zu Tempzin 2 ) bei Brüel.

Die Stellung des Grafen Gunzelin zu dem Erzbisthume vermochte wahrscheinlich den Fürsten Heinrich I. den Pilger von Meklenburg die Aeußerung seines Glaubensdranges gegen die Heiden des Erzbisthums zu richten. Wahrscheinlich war es schon zu der Zeit, als der Graf im Erzbisthume war, daß der Fürst einen Kreuzzug gegen die heidnischen Litthauer unternahm, indem er schon am 8. Julius 1270 ein im Getümmel der Schlacht gerettetes junges Mädchen, welches er zur Taufe geführt und an Kindes Statt angenommen hatte, in das Kloster Rehna gab 3 ).

Es war wohl das dankbare Andenken an den Grafen Gunzelin III., welches das Dom=Capitel zu Riga veranlaßte, seinen Sohn Johann zum Erzbischofe zu erwählen. Johann III., Graf von Schwerin, war 1294-1300 Erzbischof von Riga 4 ). Er saß nur kurze Zeit auf dem erzbischöflichen Stuhle. "Er hatte mit dem Deutschen Orden in öffentlichem Kriege gelebt, wobei er das Unglück hatte, von demselben gefangen zu werden. Als er nach einer Gefangenschaft von ganzen 33 Wochen wieder los kam, hielt er sich in diesem Lande nicht mehr sicher, sondern begab sich nach Rom, um seine Klage am päpstlichen Hofe anzubringen, wo die Procuratoren des Erzstiftes, der Stadt Riga und des Stiftes Oesel schon vorher wider den Orden klagbar geworden waren 5 )." Der Erzbischof Johann nahm seinen Weg über Schwerin. Hier ertheilte er am 9. Nov. 1299 dem Kloster Medingen einen Ablaß 6 ). Am 25.


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. L.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLIII.
3) Vgl. oben S. 22 flgd.
4) Vgl. Napiersky Index p. 356.
5) Vgl. Napiersky Index p. 65, zu Nr. 259.
6)

Die Urkunde ist gedruckt in Lyßmann Gesch. des Klosters Medingen, S. 13, und datirt:

Datum Zwerin ad devotam instanciam bonorabilis viri domini Ottonis decani ecclesie Zwerinensis, anno 1299, quinto idus Novembris.

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Nov. 1299 stiftete er hier für sich Memorien und schenkt dazu dem Dom=Capitel zu Schwerin einen von ihm für 38 Mark gekauften Hof auf der Schelfe, von dessen Einkünften die Domherren und Vicarien zwei, die Armen ein Drittheil genießen sollten 1 ). Darauf reisete Johann nach Rom ab. "Hier starb er im J. 1300 2 ). Nun hatte der Dompropst und das Capitel zu einer neuen Wahl schreiten sollen; aber der Papst reservirte sich, aus Vorsorge für das Erzstift, die Wahl und setzte (am 19. Dec. 1300) seinen Capellan, bisherigen Prior des Augustiner=Klosters zu Benevent, Namens Isarnus Tacconi, aus Pavia gebürtig, zum Erzbischofe ein, welcher als ein Mann von Weltkenntniß und Erfahrung im Stande zu sein schien, die Händel beilegen und die Ruhe wieder herstellen zu können; denn er war vorher einige Male als päpstlicher Legat in Dänemark gebraucht worden."


Dies ist die Geschichte der Besitzungen des Erzbisthums Riga in Meklenburg und der Beziehungen desselben zu den meklenburgischen Landen. Es kamen jedoch im Laufe der Zeit fortwährend wichtige und merkwürdige Berührungen zu dem Erzbisthume vor, deren kurzer Ueberblick hier nicht fehlen darf.

In der ersten Hälfte des 14. Jahrh. beschäftigten die eigenen Angelegenheiten und Bewegungen die Bewohner Meklenburgs hinreichend. In der zweiten Hälfte dieses Jahrh. aber machte sich Meklenburg mehr als je nach außen hin bemerklich; namentlich war es der Herzog Albrecht der Große (1329 † 1379), welcher einen entscheidenden Einfluß auf die Angelegenheiten vieler nordischer Staaten ausübte und auch nicht ohne Einwirkung auf das Erzbisthum Riga blieb. Dieses hatte z. B. mehrere Jahre


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LII.
2)

Vgl. Napiersky Index, p. 65 zu Nr. 259, und p.356; vgl. Monum. ant. Liv. I, p. 140. Rudloff M. G. II, S. 67 und Stammtafel, setzt den Tod des Erzbischofs Johann in das Jahr 1304 und beruft sich dabei auf Detmar's Lüb. Chronik. Diese (nach Grautoff's Ausgabe, I, S. 183) sagt aber nur zum J. 1304:

1304 "Do hadde de paves biscope Johanne Grant maket to der Righe biscop, na biscop Johanne, de in deme hove do storven was, de des greven Helmoldes broder was van Swerin. Unde de paves satte Ysarnum, de vore was legat to Lunden, in des anderen stede to biscoppe. Se beide dachten dar nicht to blivende, des so samelnden se groten schat ute den twen stichten, darmede se seder worven ander bisscopdome".

Hier ist nur gesagt, daß der Erzbischof Johann vor der Ernennung des Isarnus gestorben war, nicht aber, daß sein Tod in dem J. 1304 erfolgt sei. - Ueber den Erzbischof Johann Grand, später zu Bremen, vgl. Lisch Maltzan. Urk. I, 336 flgd.

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lang einen lebhaften Streit mit dem Deutschen Orden wegen der Oberherrlichkeit und der Gerichtsbarkeit über die Stadt Riga. Der Kaiser Carl der IV. war schon durch die Bestätigung der Privilegien des Erzbisthums vermittelnd eingetreten, jedoch nicht zum Ziele gelangt; da verlangte der Herzog Albrecht, des Kaisers besonderer Freund und vielleicht als Nachfolger der Grafen von Schwerin im Schirmamte des Erzbisthums, in Folge eines päpstlichen Ausspruches von dem Deutschen Orden die Anerkennung der Rechte des Erzbischofs 1 ), worauf am 7. Mai 1366 ein Vergleich zwischen den streitenden Parteien abgeschlossen ward 2 ).

Bis zum Ende des 14. Jahrh. waren die Länder der Diöcese Riga vielfach in das Schicksal des Königs Albrecht von Schweden (seit 1363) verwickelt, besonders aber der Deutsche Orden 3 ).

Seit dem J. 1388 war der Bischof Gerhard von Ratzeburg vom Papste bestellter Conservator des Erzbisthums Riga und ließ durch seine Subconservatoren z. B. über die streitigen Güter des Dom=Capitels bei der Burg Dondangen aburtheilen 4 ).

Durch Vermittelung des schweriner Domherrn Dietrich von Fyfhusen (Fünfhausen), aus einer livländischen Familie 5 ), schenkte der Erzbischof von Riga Johann V. von Wallenrod (1393-1418) der Domkirche zu Schwerin ein Stück von dem Kreuze Christi 6 ) mit einer Ablaßverleihung für alle diejenigen, die es verehren würden, und vermehrte dadurch den Ruf der durch das Heilige Blut schon berühmten Kirche 7 ).

Am 14. Mai 1424 sandte der Erzbischof von Riga Johann VI. Habundi (1418 † vor 24. Junius 1424), also kurz vor seinem Tode, dem Bischofe Heinrich von Schwerin 100 Rosenobel, um damit für ihn eine Vicarei zur Ehre des Apostels Andreas in der Marienkirche zu Rostock zu stiften 8 ), weil er in dieser Kirche "getauft". Diese Nachricht giebt einen Beitrag der sonst nicht sehr bekannten Geschichte dieses Erzbischofes.

In der Zeit von 1486-1490 war der Magister Hoyer, Domherr von Schwerin und Güstrow, des rigaschen Erzbischofs


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LIV.
2) Vgl. Napiersky Index I, p. 107, und Hiärn's Geschichte in Monum. Livon. antiq. I, p. 158-159.
3) Vgl. oben die Gesch. des Deutschen Ordens in Beziehung auf Meklenburg.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. LV bis LVII.
5) Vorher war 1348-1369 Fromhold von Fyfhusen Erzbischof von Riga gewesen.
6) Vgl. Urk. Samml. Nr. LVIII.
7) Vgl. Jahrb. XIII, S. 154.
8) Vgl. Urk. Samml. Nr. LIX.
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Michael Hildebrand Gesandter in Rom, wo er in dem Deutsch=Ordens=Hause wohnen sollte 1 ).

Das ganze 16. Jahrh. hindurch treten die Herzoge von Meklenburg so vielfach und innig mit den Schicksalen der deutschen Colonien an der Ostsee, namentlich in den Bemühungen zur Abwehr der vordrängenden Russen 2 ), in Berührung, daß hier nur auf die Hauptpuncte kurz hingedeutet werden kann; alle diese Verhältnisse sondern und verdienen besondere, ausführliche Darstellungen 3 ).

Schon im J. 1495 forderte der Kaiser Maximilian die Herzoge Magnus und Balthasar zur Unterstützung des Deutschen Ordens gegen die Russen auf 4 ), wenn auch vergebens.

Im J. 1525 sehen wir die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg als "Mitconservatoren und Beschützer der Stifter Riga und Dorpat" in Thätigkeit 5 ).

In den nächst folgenden Zeiten wurden die Berührungen mit dem Deutschen Orden und den Bisthümern des Erzstifts Riga immer vielseitiger.

Besonders innig wurden aber die Beziehungen durch die am 24. Jan. 1555 vollzogene Vermählung des bedeutenden Herzogs Johann Albrecht I. mit der ausgezeichneten Prinzessin Anna Sophie, Tochter des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, des letzten Hochmeisters des Deutschen Ordens und des ersten Herzogs von Preußen, mit welchem Johann Albrecht in die lebhafteste und vertraulichste Correspondenz über ihre beiderseitigen reformatorischen Ansichten trat.

Durch seine weit verzweigten Verbindungen brachte der Herzog Johann Albrecht I. es auch dahin, daß sein Bruder Christoph zum Coadjutor des Erzbisthums Riga (1553-1569) erwählt ward. Die traurigen Schicksale dieses Fürsten während dieser unglückseligen Coadjutorei, welche nicht von Bestand war, sind im Allgemeinen bekannt genug, jedoch immer noch nicht gründlich dargestellt 6 ).


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXII, und Napiersky Index Nr. 2235, 44, 49 und 73.
2) Mittheilungen, Riga, II, S. 103 flgd.
3) Ueber die Berührungen mit Livland besitzt das großherzogl. Archiv zu Schwerin umfangreiche Acten, von denen ein großer Theil in Abschrift an das gräflich=romanzowsche Museum in Petersburg gekommen ist; eine Uebersicht dieser Mittheilungen ist in den Mittheilungen, Riga, I, S. 450 flgd., und II, S. 103 flgd. gegeben.
4) Vgl. Mittheilungen, Riga, II, S. 103 flgd.
5) Vgl. daselbst, I, S. 463, Nr. 8.
6) Außer den gedruckten livländischen Quellen vgl. man das Verzeichniß der Archiv=Acten in Mittheilungen, Riga, I, S. 453 flgd. und II, S. 118. Vgl. noch Rudloff Mekl. Gesch. III, 1, S. 154 und 210.
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Zwar erreichte es der Herzog Johann Albrecht, daß nach der Entsagung seines Bruders, des Herzogs Christoph, sein jüngerer Sohn Sigismund August, ein Knabe, zum Erzbisthume Riga in Vorschlag gebracht ward; jedoch ward das Erzbisthum schon im J. 1566 aufgehoben, noch ehe die Verhandlungen zum Abschlusse gediehen 1 ). Sigismund August figurirt als der letzte in der Reihe der Erzbischöfe von Riga.

Zu allen diesen Verhältnissen kam endlich noch, daß sich des Herzogs Johann Albrecht I. Schwester Anna am 10. März 1566 mit dem ersten Herzoge von Curland, Gotthart (Kettler), dem ehemaligen letzten Heermeister in Livland, vermählte.

So stand Meklenburg in den innigsten Beziehungen zu allen letzten höchsten Würdenträgern der fernen Ostseeländer alter Zeit.

 

Vignette

1) Vgl. Napiersky Index p. 358 und Rudloff Mekl. Gesch. II, 1, S. 210. Einige Archivacten sind verzeichnet in Mittheilungen, Riga, I, S. 456 und 466, und II, S. 112.