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II. Zur Ortskunde.


Zur Topographie der Pfarre Klütz,

von

G. C. F. Lisch.


In Jahrb. XI, S. 403 flgd. sind alte Ortsverzeichnisse der Vogtei Grevismühlen mitgetheilt und durch Anordnung und Bemerkungen erläutert. Solche Ortsverzeichnisse haben nicht allein ein großes historisches Interesse, sondern können auch selbst für die rechtlichen Verhältnisse oft von großer Wichtigkeit werden. Unsere Topographie in ihrer historischen Entwickelung ist aber nicht nur für die älteste Zeit sehr schwierig zu erforschen, sondern nicht weniger für die neueste Zeit, indem im vorigen Jahrhundert sehr viele Veränderungen, wie Aufhebung und Verschmelzung von Dörfern, Gründung neuer Höfe mit neuen Namen u. dgl. vorgenommen sind, ohne daß hinreichend aufklärende Nachrichten über diese Veränderungen hinterblieben wären; sogar die Acten der höchsten Behörden schweigen nicht selten über solche Veränderungen.

Besonders verwirrt und schwierig für die Erforschung stellt sich die Topographie der Pfarre Klütz dar, welche in Jahrb. a. a. O. S. 408 - 411 nicht völlig hat aufgeklärt werden können. Neuere Forschungen an Ort und Stelle und in den Urkunden und Acten lassen jetzt wenigstens die wichtigsten Puncte aufklären. Seit einigen Jahrhunderten hat sich die ganze Physiognomie dieser Pfarre wesentlich verändert.

In den ältesten Zeiten war die Gegend dieser Pfarre mit Wald bedeckt und hieß im 12. und 13. Jahrhundert der Wald Klütz ("silva Clutse"). Um das Jahr 1230 standen in der Pfarre erst die 8 Ortschaften: Klütz, Ober=Tarnewitz, Wendisch=Tarnewitz, Wittenborgerhagen, Rethwisch, Arpshagen, Grundshagen, Pravsthagen. Alt waren hiernach wohl nur die Orte Klütz und Tarnewitz; die 4 Hagen, zu denen bald noch Boltenhagen

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kam, waren wohl auf ausgerodetetem Waldgrunde aufgebauet, wie ihre Namen andeuten, und Rethwisch war auch wohl eine sächsische Stiftung. Vom 14. - 17. Jahrhundert wohnten hier vorzüglich die Familien von Plessen (auf Klütz und Arpshagen) und von Tarnewitz, welche letztere im 17. Jahrhundert ausgestorben ist; auch die Familie Negendank hatte hier Besitzungen. Seit dem 13. Jahrhundert ward die Pfarre durch eine Menge neuer Höfe und Dörfer vergrößert. In den neuesten Zeiten hat die Gründung von Bothmer und die Legung mehrerer alter Dörfer, die Verschönerung und Vergrößerung des Fleckens Klütz und das neu entstandene, ländliche Seebad Boltenhagen der ganzen Gegend eine ganz andere Gestalt gegeben.

Gegenwärtig sind die meisten der Güter, mit denen wesentliche Veränderungen vorgenommen sind, gräflich bothmersche Güter; für die Vergangenheit lassen sich die Güter in 2 Gruppen nach den Familien von Plessen und von Tarnewitz theilen.

1) Bei Klütz werden in alten Zeiten aufgeführt: Arpshagen, Bamberg, Bahlen, Nieder=Klütz, Hof Verden. Von diesen Gütern existiren nur noch: Klütz, Arpshagen, Nieder=Klütz und Hof zum Felde; dagegen ist Bothmer neu entstanden. Diese Güter waren in frühern Zeiten Lehen der Familie von Plessen, welche noch heute in dieser Gegend das Gut Damshagen besitzt.

Klütz, ein Flecken, bestand früher aus sehr vielen Hofstellen, welche zum größern Theile nach vielen umherliegenden Gütern gehörten, jetzt aber mit Ausnahme eines Domanial=Antheils, zu Einem Ganzen vereinigt sind.

Arpshagen ist noch heute ein Hof, wesentlich in seiner alten Lage, durch mehrere Bauerländereien vergrößert. Im J. 1723 kaufte Arpshagen c. p. der Graf Hans Caspar von Bothmer, welcher bei seinem in London am 6. Februar 1732 erfolgten Tode 49 Jahre hannoverscher Minister gewesen war.

Hof zum Felde, altes Lehngut, früher wohl der adelige Wirthschaftshof neben dem Dorfe Klütz, ist jetzt der Wirthschaftshof zu Bothmer; wahrscheinlich ist es der Hof Verden (Curia Verden), welcher im Jahre 1404 genannt wird. Hof zum Felde oder Hakenfelde, wie es auch oft heißt, kommt schon seit dem 16. Jahrhundert vor. Nach einem amtlichen Verzeichniß vom 16. Dec. 1752 war "Hackenfelde oder Hof zum Felde eine Meierei, dabey auch eine Ziegeley angelegt worden."

Bamberg oder Bamborg lag bei Klütz; schon im 16. Jahrhundert waren die Aecker den klützer Bauern eingethan. Im 16. Jahrhundert ging es unter. Nach mündlichen Berichten

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kundiger Bauern der Pfarre lag Bamborch auf dem klützer Felde bei Bothmer. Der am Felde des Hofes Tarnewitz liegende Acker "Brannhof", welcher früher zu Arpshagen gehörte und später zu Christinenfelde gelegt ward, ist vielleicht ein Ueberrest von Bamborch; 1696 gehörte Brandenhof zu Arpshagen und lebte noch 1790 in der Erinnerung.

Bahlen lag zwischen Klütz und Arpshagen. Die frühern Cossatenstellen sind zu Klütz gelegt, der Hofacker ist zu Arpshagen gezogen. Im J. 1752 war "Bahlen, vordem ein Paar Bauerstellen, worauf ein Edelmann gewohnet, ein Dorf von 2 Cossaten." Gegenwärtig steht bei Klütz, zwischen Klütz und Arpshagen nur noch 1 Cossatenhaus, dessen Bewohner in der Umgegend scherzweise der "Bahler Amtmann" genannt ward, obgleich von einem Dorfe Bahlen nicht mehr die Rede ist.

Nieder=Klütz besteht noch jetzt als eine Pertinenz von Arpshagen.

Bothmer ist ein Schloß mit Garten, ohne eigenes Ackerwerk und eigene Feldmark. Es ist um das Ende des ersten Viertheils des 18 Jahrhunderts, wahrscheinlich auf dem Grund und Boden von Hof zum Felde, in einem Morast erbauet, in welchen die Feldmarken von Arpshagen, Hof zum Felde und Klütz, vielleicht ohne scharfe Grenzbezeichnung, zusammenstießen. Es wird in einem amtlichen Berichte vom 16 Dec. 1752 gesagt: "Bothmer, der Sitz des Herrn Graf Bothmer, von dem vormahligen königl. großbrittanischen Staats=Minister Herrn Grafen von Bothmer ganz kostbar erbauet und nach dessen Namen also genennet, als sonsten die Stelle, wo dieses Schloß hingebauet, ein bloßer Morast gewesen."

2) Bei Tarnewitz wurden sonst aufgeführt: (Großen) Tarnewitz, Tarnewitzerhagen , Wittenborgerhagen, Güldenhorn (und Lindenhase ). Jetzt werden nur genannt: Oberhof, Tarnewitz und Tarnewitzerhagen; dagegen ist Christinenfelde neu hinzugekommen. Diese Güter waren in frühern Zeiten Lehen der Familie von Tarnewitz, welche im 17 Jahrhundert ausgestorben ist.

Christinenfelde ist im Anfang des zweiten Viertheils des 18 Jahrhunderts von dem Grafen von Bothmer, dem Erbauer des Schlosses Bothmer, aus den Gütern Tarnewitz und Güldenhorn, welche derselbe im J. 1725 gekauft hatte, gebildet, der Hof mitten zwischen den an einander grenzenden Feldern von Tarnewitz und Güldenhorn aufgebauet und nach der Gemahlin des

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Grafen, Christine, benannt; nach der Ueberlieferung vom Jahre 1790 ward auch ein Acker, der "Brannhof" (das alte Bamborch?), der früher zu Arpshagen gehörte, zu Christinenfelde gelegt. Schon im J. 1732, bei der Besitzergreifung nach dem Tode des Ministers Grafen von Bothmer, war Christinenfelde als Wohnsitz aufgebauet, jedoch wurden die beiden Güter Tarnewitz und Güldenhorn noch getrennt durch eigene Wirthschafter verwaltet. Der amtliche Bericht vom 16 Dec. 1752 sagt: "Christinenfelde ist aus denen beiden adeligen Sitzen Tarnevitzerhof und Güldenhorn angelegt und nach des Herrn Grafen Frau Gemahlin Vornamen Christina, als welcher es zum Wittwensitz destiniret, also genannt worden." Nach den Berichten der tarnewitzer Bauern ist Christinenfelde aber aus Alt=Tarnewitz, Güldenhorn und Lindenhase entstanden. Diese Angabe mag wohl richtig sein, wenn auch Lindenhase als ein selbstständiges Gut in den Acten nicht erwähnt wird; jedoch kommt der Name einige Male beiläufig vor. Christinenfelde umfaßt das Feld von Tarnewitz ganz und den größern Theil des Feldes von Güldenhorn (mit Lindenhase). Die Einrichtung des Gutes Christinenfelde giebt daher den besten Aufschluß über die alten Tarnewitzer Güter, welche sich nun klar scheiden lassen.

Hof Tarnewitz, 1404 und 1519 Groß=Tarnewitz (Major Tarnevitze), 1439 Nieder=Tarnewitz (Neddere Tarnewitze), 1752 Tarnewitzerhof, jetzt in der Tradition noch Alt=Tarnewitz genannt, ist das eigentliche Ritterlehn und der Haupthof Tarnewitz, früher Rittersitz der Familie von Tarnewitz, jetzt in Christinenfelde ganz untergegangen. Nach der Scheide des Bauerdorfes Tarnewitz hin, in Wiesen und Bruch, liegt, jetzt unterm Pfluge, ein Burgwall, auf welchem noch große Ziegel gefunden werden.

Oberhof ist der alte Hof Ober=Tarnewitz, schon 1230 Superius Tarnevitze genannt. Es müssen die von Tarnewitz ihren Hof schon früh in zwei Höfe: Ober= und Nieder=Tarnewitz, getheilt haben. Früher lag Oberhof an dem Bache, wo die Landstraße von Wismar nach Klütz über den Bach geht und neben einem Burgwall noch die Schmiede steht. In neuern Zeiten ist Oberhof ausgebauet und hat eine höhere Stelle, mehr östlich von der alten, erhalten.

Güldenhorn war nach Archiv=Acten des 16. Jahrhunderts "ein Tarnewitzen Lehn" und hatte noch damals einen "Rittersitz", welcher nach der großen schmettauischen Charte südwestlich nahe bei Oberhof am See lag, mit der Bezeichnung: "Stelle vom Gül=

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denhorn;" es gehörte zu dem Hauptgute Tarnewitz und nahm wohl zu Zeiten eine Linie der Familie Tarnewitz auf. Jetzt ist der Acker zum größern Theile in Christinenfelde, zum kleinern Theile in Tarnewitzerhagen übergegangen.

Lindenhase gehörte mit Güldenhorn ebenfalls zu Tarnewitz; es lag, nach den Ueberlieferungen der tarnewitzer Bauern, an der Straße von Klütz nach Wichmannsdorf im "Bach=Schlage" des Gutes Christinenfelde.

Tarnewitzerhagen, in späterer Zeit auch oft bloß Hagen genannt, schon früh vielleicht in zwei Theile geschieden, von denen ein Theil Groß=Tarnewitzerhagen genannt ward, war (sicher seit 1358) ein altes Bauerdorf, dessen Bauern nach den drei Rittersitzen Tarnewitz, Oberhof und Güldenhorn gehörten. Noch im J. 1790 bestand Tarnewitzerhagen aus zwei Theilen: Ober= und Nieder=Tarnewitzerhagen, welche nur durch einen Bach geschieden waren. In Nieder=Tarnewitzerhagen war eine Bauerstelle, welche von dem sogenannten "Silberbauer" bewohnt ward. Bei Tarnewitzerhagen soll in einer Wiese auch noch ein "aufgebrachter Berg" liegen.

Eine besondere Schwierigkeit macht der Ort Wittenborgerhagen, welcher schon in dem ratzeburger Zehntenregister um das J. 1230 und darauf im 14. Jahrhundert genannt wird, seit dem 16. Jahrhundert aber nicht mehr vorkommt. Neuere Entdeckungen werden aber auch diese Ortsverhältnisse aufklären. Im J. 1246 schenkte der meklenburgische Vasall Johann von Wittenborg oder Wittenburg dem Nonnenkloster Rehna die Güter, welche er in Tarnewitz zu Lehn trug 1 ). Sicher hat der Ort Wittenborgerhagen von diesem Wittenborg oder dessen Vater den Namen, und es steht daher zur Frage, ob in dem ratzeburger Zehntenregister nicht auch so statt Wittenbergerhagen zu lesen sei, um so mehr, da in Urkunden des 14. Jahrhunderts der Ort immer Wittenborgerhagen heißt. Der Ort Wittenborgerhagen war also ein kleines Hagendorf in den tarnewitzer Gütern. Die Wittenborg bildeten aber ein lübecker Patriciergeschlecht. In der lübecker Rathslinie wird 1250 - 1271 "Heinrich van Wittenborch, eyn man van kloken worden" 2 ) aufgeführt, 1299 † 1321 Heinrich van Wittenborg als Burgemeister 3 ) und


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLVII. Diese neu entdeckte Urkunde hat das interessante Datum: "ante capellam nostram Mekelenborch." Hierunter ist wohl ohne Zweifel die fürstliche Kapelle auf dem Burgwalle Meklenburg zu verstehen, da dieser damals noch bewohnt ward.
2) Vgl. Deecke. Von der ältesten lübeckischen Rathslinie, S, 32, Nr. 207 u. 255.
3) Vgl. daselbst S. 35, Nr. 318.
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1351 - 1363 Johannes Wittenborch 1 ). Diese Wittenburg hatten außerdem andere Güter in der Nähe von Tarnewitz. Im J. 1320 (in die Tyburcii et Valeriani) verpfändete Ida von Plüschow (de Plotzekowe) mit ihren Söhnen Dietrich und Marquard dem Hermann Wittenburg und dem Johann von Dulmen, Bürgern in Lübeck, antichretisch das Dorf Naschendorf (Nazcendorp) und im J. 1345 (crastino nativitatis Mariae) bestätigte der Fürst Albrecht von Meklenburg dem lübecker Rathsherrn Johann von Wittenborch, Hermann's Sohne, und dem Hermann von Dulmen 2 ), einem Enkel wailand Johanns von Dulmen, diesen Pfandbesitz. Jene Besitzungen in Tarnewitz, welche Johannes von Wittenborg dem Kloster Rehna 1246 schenkte, muß dieses früh veräußert haben; es ist davon nie wieder die Rede. Im J. 1366 verpfändete der Herzog Albrecht den Brüdern Marquard und Hermann Tarnewitz die Bede aus den Dörfern Tarnewitze und Wittenborgerhagen. Nach der Reformation heißt es in einem Bericht über die "Rhenische Matrikel" von der Schenkungsurkunde vom J. 1246:

"Hieruon hat m. g. f. vnd h. nichts den das Terneuitz haben die Terneuitze."

Wahrscheinlich ging also Wittenborgerhagen wieder in Tarnewitz über, woher es entstanden war.

Alle diese Tarnewitzen=Güter waren Lehngüter und wohl erst mit der christlichen Cultur nach und nach aufgebauet.

Tarnewitz, das Bauerdorf, welches jetzt allein den Namen Tarnewitz trägt, dicht an dem flachen Strande der Ostsee, der Lieps gegenüber, ist das alte, eigentliche Tarnewitz. Bei Einführung der christlichen Cultur ward es wohl den wendischen Bewohnern überlassen und hieß daher in alter Zeit stets Wendisch=Tarnewitz. Im J. 1301 ward es an das Kloster Reinfelden verkauft und ist von diesem in fürstlichen Besitz übergegangen. Bei dem Hofe Nr. 9 des Büdners Kruse liegt noch ein Burgwall und bei der Ostsee an der Schleuse des Baches eine Anhöhe, "Tempelberg" genannt, auf welcher vor ungefähr 40 Jahren ein alter "Topf" ausgegraben ward.

Die folgende Uebersicht wird jetzt die topographischen Verhältnisse der Pfarre Klütz übersichtlich machen.


1) Vgl. daselbst S. 38, Nr. 393.
2) Hermann von Dulmen († 1350) saß im lübecker Rathe; vgl. Deecke a. a. O. S. 37, Nr. 370.
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Pfarre Klütz.

Pfarre Klütz