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7.
Die Schlacht bei Neuensund

im J. 1399.

Die Schlacht von Neuensund tritt unter diesem Namen zuerst in die meklenburgische Geschichte; bekannt war sie bisher unter dem Namen der Schlacht bei Karwitz (vgl. Rudloff II. S. 545.). Eine kurze Darstellung der Verhältnisse wird die Begebenheit beleuchten helfen.

Die Markgrafen von Brandenburg hatten an die Herzoge von Meklenburg für 18000 Mark mehrere bedeutende Güter (Strausberg, Liebenwalde, Stolpe, Jagow, Zehdenik, Fürstenwerder, Boizenburg, Wittenberge und den Schnakenburger Zoll, vgl. v. Lützow II, S. 188, Not.) verpfändet. Es ist nicht ganz klar, wann und wie dieses Pfandverhältniß entstanden sei; es tritt unter der Rubrik " Brandenburgische Pfandgüter" plötzlich in die meklenburgische Geschichte, ohne daß man irgend einen Aufschluß darüber erhalten könnte. (In märkische Archive werden allen Vermuthungen nach die eingelösten Pfandbriefe zurückgegangen sein). Nach dem Jahre 1337 wird das Verhältniß entstanden sein müssen, da die Herzoge Albrecht und Johann die Güter zu Pfand nahmen; eben so war es vor dem 25 Nov. 1352 entstanden, da in der meklenburgischen Landestheilung von diesem Jahre der Herzog Albrecht die Güter seinem Bruder Johann von Stargard abtrat (vgl. Rudloff II, S. 315.). Nach dieser Theilungsurkunde hatte der damals regierende Markgraf Ludwig die Güter verpfändet

("de pande de vns markgreue Lodewich van Brandeborch settet heft vor achteyndusend mark"),

da von dem verpfändenden Markgrafen über dessen Regierungsniederlegung oder Tod nichts gesagt wird, wie es sonst immer in Urkunden geschieht. Es wird also wohl der Markgraf Ludwig der Römer (1351 - 1366) gewesen sein. Nach einem gegenseitigen Versprechen der Herzoge Heinrich und Magnus vom 12. März 1374 1 ), das Pfandverhältniß nach den zu Recht bestehenden Verhältnissen und Bestimmungen aufrecht zu erhalten, war der Verpfänder wahrscheinlich eben dieser, zuletzt verstorbene Markgraf

"markgreue Lodewig to Brandenborg dem god gnedich sy,

und der damals lebende Kaiser,

vse here de keyser",


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LVII.
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also der Kaiser Carl IV. (1347 - 1378), hatte über die Verpfändung Bestimmungen erlassen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Pfandverhältniß in den Jahren 1351 und 1352, und zwar in Folge des glücklichen Feldzuges des Herzogs Albrecht gegen Berlin und des Friedens von Spremberg (2. Februar 1350) 1 ), entstanden sein. Dies kann jedoch nur als Vermuthung gelten, um Archivforschungen, die bisher vergeblich gewesen sind, in der Zukunft zu unterstützen.

Von diesen brandenburgischen Pfandgütern waren nach und nach die meisten von dem Hause Meklenburg=Stargard gekommen (vgl. Rudloff II, S. 457, 481, 482, 493, 498, 643, 644); nur das ukermärkische Schloß Boizenburg blieb bis zum J. 1398 bei Stargard. Es mochte den Brandenburgern schwer fallen, werthvolle Landestheile als Pfand in fremder Fürsten Hände zu wissen; auch hatte die Geschichte schon gelehrt, daß Pfandbesitz nur zu leicht Erbe ward. Daher zog der Markgraf Wilhelm von Meißen, dem die Mark Brandenburg zu Pfande stand, am Martinitage (Nov. 11.) 1398 in das Land Stargard, verheerte es, gewann Boizenburg und legte eine starke Besatzung hinein. Der lübische Chronist Detmar sagt hierüber:

"1398. In demesulven iare bi sunte martens dage do toch markgreve wilhelm to misen ut der marke, went eme do de marke stont to pande, in dat land des hertoghen to stargarde und vorherde dat to male dor des slotes willen boysenborghes, dat he besat mit mannes craft, wente dat oldinges was der marke."

Des Herzog Johann von Stargard Söhne, Johann und Ulrich, legten jedoch die Hände nicht müssig in den Schooß. Sie rüsteten sich, ihr Pfand, das freilich verloren war, wieder zu gewinnen. Da zog der Markgraf wieder heran, der seine Hauptleute, Vasallen und Stadtbürger in Masse aufgeboten hatte. Die Heere trafen sich bei dem märkischen Dorfe Neuensund, dicht an der meklenburgischen Grenze, zwischen Strasburg und Friedland, nicht weit vom Galenbeker See. Die Meklenburger standen noch auf stargardischem Grund und Boden auf dem Felde am Karrenberge bei dem Dorfe Gehren. Es war am Tage der heil. Katharine (Nov. 25) des Jahres 1399. Da erhoben die stargardischen Herzoge ihre Banner und thaten der h. Katharina das feierliche Gelübde, ihr einen Altar zu erbauen, wenn sie zum Siege verhelfen würde. Und die heilige Jungfrau that durch die Gnade Gottes Wunder, indem die Meklenburger


1) Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, Nr. 899, S. 265 flgd.
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den Sieg gewannen und die Brandenburger in die Flucht schlugen 1 ).

Durch diesen unerwarteten und glänzenden Erfolg kühn gemacht, ließen die Meklenburger nicht ab von der Verfolgung. Da die Städter dem Aufgebote des Markgrafen gefolgt waren, so legten sich die Herzoge vor die feste Stadt Prenzlau, um sie zu belagern. Erstaunt über diese Keckheit zog die gesammte Bürgerschaft aus der Stadt, den Feind zu vertreiben. Die Meklenburger schnitten aber - es war am St. Lucien=Tage (13. Dec.) 1399 - die erhitzten Bürger von der Stadt ab, nahmen den ganzen Haufen gefangen, ließen sich von ihnen auf der Stelle huldigen und geleiteten sie in die Stadt, um sich ein Lösegeld von 60,000 (?) Schock Groschen zu erbitten, für deren Zahlung sie sich der reichsten Bürger der Stadt als Geißeln versicherten. Hierüber berichtet Detmar in der lübecker Chronik also:

"1399. In demsuluen iare bi sunte lucien daghe do toghen hertoghe iohan unde hertoghe ulrik twe brodere, heren to stargarde, vor prenslauwe. Alse dit vornemen de borgere binnen der stad, se togen uter stad mit gantzer macht up ere viande se to vordrivende; mer de viande quemen in tusschen de stad unde de borghere, unde venghen se alto male. Se leten se en sik huldeghen, se toghen mit en in de stad to deghedinghen, se beschatten se in sostich dusend scok grossen, unde nemen de rikesten borghere to ghisele, so vele als se wolden."

Eben so sagt Corner bei Eccard II, p. 1182, zum Jahre 1399:

Ulricus et Johannes duces Stargardiae collecto exercitu venerunt prope Prenislaviam urbem marchiae de Brandeburg. Quod ut viderunt cives, exierunt cum tota potentia sua, ut hostibus resisterent. Duces vero exercitum civium mox recensentes, celeriter inter civitatem et cives se locarunt et repente in eos icruentes, captivaverunt fere omnes burgenses dictae ciuitatis et confestim ab eis homagium fidelitatis postulaverunt. Quo praestito cum eis urbem intraverunt et exactionantes eos, LX M sexagenarum Bohemicalium ab eis extorserunt, abducentes pro pignoribus dictae summae potiores cives civitatis illius."


1) Vgl. Urk. Sammlung Nr. LIX. und Nr. LX.
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"Auf einem wiederholten Feldzuge des Herzogs Ulrich in die Mark wurden die Städte Friedburg und Strausberg im Jahre 1401 geplündert und eingeäschert. In demselben Jahre schloß der Kurfürst Jodokus, der indessen wieder von der Mark Besitz genommen hatte, mit den Meklenburgern einen für diese ehrenvollen Frieden.

Die Herzoge Johann und Ulrich hätten aber beinahe die H. Katharine vergessen. Erst am 2. Februar 1408 gedachten sie der Hülfe der Heiligen zu dem glorreichen Siege und stifteten ihr zu Ehren mit 60 Mark jährlicher Hebungen von der Bede aus dem Dorfe Sadelkow eine Vikarei an einem Altare der Heil. Katharine in der Kapelle vor dem Steinthore der Stadt Friedland, welche neu wieder aufgebauet werden sollte, - zu Ehren Gottes, der Jungfrau Maria, vorzüglich aber der H. Katharine, der H. Gertrud, des H. Georg und des H. Liborius 1 ). An demselben Tage bestätigte der Bischof von Havelberg diese Stiftung 2 ).

Selten sind in unserer Geschichte Begebenheiten mit so viel Einzelheiten überliefert, und doch ist die Sache so dunkel gewesen. Dieser Vorwurf trifft vorzüglich und gleich die Bestimmung des Schlachtfeldes. Rudloff II, S. 545, nennt die Schlacht - die Schlacht bei Karwitz. Lange wollten alle Nachforschungen nicht zu der Quelle führen, aus denen Rudloff diese Bestimmung geschöpft haben konnte. Endlich zeigte sie sich bei Klüver Mekl. II, S. 171, wo die Stiftungsurkunde für die Vikarei in der friedländer Kapelle schon abgedruckt ist. Außer vielen andern Fehlern hat Klüver gedruckt:

"prope villam nouesund in campo circa montem Carwitzensem".

Hieraus entstand also die Schlacht bei Karwitz, welches nahe bei Boizenburg, weit von Neuensund, liegt. Von dem Worte "Carwitzensem" steht nun aber in der Original=Urkunde, von welcher ich im Archive zu Strelitz Abschrift genommen habe, kein Buchstabe. Daß die Schlacht bei Neuensund geliefert worden sei, konnte schon aus dem Abdruck bei Klüver entnommen werden. Die Lagerstelle des meklenburgischen Heeres wird aber in der Urkunde genauer am Karrenberge auf stargardischem Gebiete angegeben:

"prope villam Nouesund in campo circa montem Carrenbergh".


1) Vgl. Urk. Nr. LIX.
2) Vgl. Urk. Nr. LX.
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Die erste Sylbe des Wortes Carrenberg ist in der Original=Urkunde durchaus undeutlich; die beiden andern Sylben - renberg sind aber so deutlich, daß es zu den Unglaublichkeiten gehören würde, (car) witzensem herauszulesen, wenn wir dergleichen starken Fehlern nicht fast in jedem frühern Urkundenabdrucke begegneten. Auf den ersten Blick scheint dort Ekrenbergh zu stehen; bei genauerer Betrachtung kann man aber auch Carrenbergh oder Darrenbergh lesen. Nach spätern Urkunden muß man sich wohl für die Lesart Carrenbergh entscheiden. Als der Herzog Johann III. von Stargard im J. 1427 für seine Freilassung aus der Gefangenschaft seine Länder von dem Kurfürsten von Brandenburg zu Lehn nehmen mußte, sagt er in der darüber ausgestellten Urkunde 1 ) (in Gercken Cod. dipl. Brand. VI, p. 165):

"Auch haben wir obgnanter herzog Johans uns mit dem ergenanten unserm gnedigen hern marggrauen Friderichen geeynet und vertragen umb solch manung und erbhuldinghe, so dann die von Prempslow unserm vater und unsern vetteren herzogen Ulrichen seligen auf dem Karrenberge, als wir meynen, sollen getan haben, darumb wir sie bisher alle iar ierlichen gemant haben, also das wir, unser erben und nachkomen herzogen zu Meklenburg den von Prempslow nu vortmer nach gebunge dieses briefes solcher manung und erbhuldunghe vertragen und nymmermehr manen, sie darumb nicht anteidinghen oder in arge gedenken sollen, noch enwollen ane alle geuerde."

Noch deutlicher ist die Schlacht bezeichnet in der Urkunde vom Jahre 1415 (in v. Raumer Cod. dipl. Brand. contin. I, S. 61 - 62), in welcher zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und den Herzogen von Pommern wegen Einlösung der Ukermark verhandelt wird; hier werden noch viele und große Forderungen aufgeführt, welche mehrere Vasallen und Städte des Ukerlandes zu machen haben, und heißt es hier am Ende nach Aufzählung mehrerer Gläubiger:

"den von Prinzslaw vir und twintich hundert schogk und twintich schogk, Frütze Domerow burger tu Prinzlaw virdehalffhundert schogk


1) Die Nachweisung dieser und der folgenden Urkunde verdanke ich dem Herrn Pastor Boll zu Neubrandenburg.
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und twe schogk, den von Stratzeburg dri hundert schogk und sos und twintich schogk, Borcharde einen borger in Prenzslaw tein schogk vor ere perde, dy nomen worden upp deme Karrenberge."

Nach diesen spätern Beziehungen wird man in der Urkunde vom 2. Februar 1408 unbedenklich Karrenbergh lesen müssen, wie auch eine im schweriner Archive aufbewahrte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert Carrenbergh lieset. Genau steht in der Urkunde im Anfange ein Schnörkel wie ein Kreis mit einem k, also: Kreis krenberg; dies kann für eine Art Abbreviatur und Verzierung des großen Buchstabens K, also für K'renberg, d. i. Karrenberg oder Kerrenberg gelten.

Dagegen läßt sich sagen, daß in dortiger Gegend kein Karrenberg mehr existirt. Der Herr Förster Zander zu Galenbek, der seit 40 Jahren die Gegend kennt, hat sämmtliche Namen der Anhöhen auf dem Felde von Gehren mitgetheilt; unter diesen findet sich allein der Name Dorrenberg, welcher dem Namen des Berges in der Urkunde ähnlich ist. An diesen Berg knüpft sich eine Sage, welche vielleicht von der Schlacht bei Neuensund stammt: Eine Gegend dicht an der preußischen Grenze nennt sich der Sachsheidengrund; da, sagt man, sollen die Sachsen und Heiden eine Schlacht geliefert haben." - Jedoch kann es nicht entscheidend sein, wenn der Name Karrenberg jetzt verschwunden oder entstellt ist.

Es ließe sich noch Zweifel erheben, ob der Karrenberg nicht ein Berg bei Prenzlau sein könne, ob die Gefangennehmung der Prenzlauer vor ihrer Stadt nicht ein Mährchen sei. Die Urkunde von 1408 sagt, daß die Herzoge von Meklenburg am 25. November 1399 bei Neuensund einen Sieg erfochten; Detmar sagt, daß dieselben am 13. December 1399 Prenzlau gewonnen und zur Huldigung gezwungen; die Urkunde von 1427 sagt, daß die Prenzlauer den Herzogen auf dem Karrenberge gehuldigt haben. Die Erzählung Detmars ist so individuell, daß sich schwerlich an der Thatsache, auch nicht an dem Datum zweifeln läßt, und die Urkunde von 1408 ist klar genug. Da die Städte dem brandenburgischen Aufgebote gefolgt waren, so muß man annehmen, daß die Prenzlauer schon einmal am 25. November bei Neuensund am Karrenberge gefangen und zur Huldigung gezwungen, darauf wieder abtrünnig geworden und demzufolge nach Belagerung und Einnahme der Stadt am 13. December 1399 noch einmal zur Huldigung genöthigt worden seien.

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Interessant ist diese Urkunde auch noch in kunstgeschichtlicher Hinsicht. Auffallend ist in Meklenburg die häufige Verehrung der H. Katharine; ihr Bild und ihr Name kommen sehr oft und häufig in so ausgezeichneten Formen auf alten Altären, Glocken und andern Kirchengeräthen vor, daß man auf den ersten Blick sieht, daß dieser Heiligen eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet gewesen sein muß; vgl. z. B. Jahresber. III, S. 146, 147, 163, 193. Im Allgemeinen läßt sich dies freilich dadurch erklären, daß nach der Legende die H. Katharine die Braut Christi war; vgl. Jahresber. III, S. 148. Da diese bildlichen Darstellungen aber alle aus dem 15. Jahrhundert stammen und namentlich auch im nördlichen Stargard und bei Friedland häufig beobachtet werden (vgl. im Jahresber. die Mittheilung des Hrn. Pastors Sponholz zu Rülow), so dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, daß die Wunderthätigkeit der Heil. - Katharine in der Schlacht von Neuensund ihre Ehre im Lande Meklenburg seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts bedeutend erhöhet habe.

G. C. F. Lisch.