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Siegel
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X.

Ueber

das rostocker Patriciat,

von

G. C. F. Lisch.

Mit drei Steindrucktafeln.


O b in den meklenburgischen und pommerschen Hansestädten ein Patriciat bestanden habe, ist häufig der Gegenstand eifriger Forschungen gewesen, jedoch bis heute ohne allen Erfolg. So viel scheint gewiß zu sein, daß bisher ein rostocker Patriciat juristisch nicht behauptet werden konnte, da keine Urkunde hat aufgefunden werden können, in welcher von demselben ausdrücklich die Rede wäre. Es ist aber jetzt vielleicht möglich, das factische Bestehen eines Patriciats mit allen seinen Folgen in den wendischen Hansestädten historisch nachzuweisen und hieraus rechts=historische Folgerungen zu ziehen. Deecke hat in unsern Jahrb. X, S. 50 flgd. das lübeckische Patriciat zum Gegenstande der Betrachtung gemacht. Ich will es versuchen, einige Worte über das rostocker Patriciat zu reden. Durch sie mag andern Beobachtungen und Forschungen vorgearbeitet werden; es darf eine erste Entdeckung noch nicht zu allen möglichen Folgerungen veranlassen.

Es ist durch kein schriftliches Urkundenzeugniß darzuthun, daß in Rostock je ein Patriciat bestanden habe. Und doch ist fast die ganze Geschichte dieser mächtigen Stadt fast nur die Geschichte eines Patriciats. Ueberall begegnen wir nur denselben angesehenen und reichen Geschlechtern, und die ganze innere Verfassungsgeschichte der Stadt ist nur das Ringen der Bürger gegen die regierenden Geschlechter, ein Kampf der Demokratie gegen die Aristokratie, der Zünfte gegen die Geschlechter, ein Kampf, der Jahrhunderte mit dem größten Ungestüm tobt.

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Es waren bei der Gründung, Ausbildung und Regierung der Städte ohne Zweifel freie Männer thätig, welche durch Stand, Erfahrung und Reichthum einen Vorzug mitbrachten und fernerhin bedeutenden Einfluß auf die Entwickelung der jungen Gemeinden ausübten und Geschlechter gründeten, auf welche sich das Ansehen der Stammväter auf natürlichem Wege vererbte. Es geschah dies in den wendischen Ostseeländern zu derselben Zeit, als sich aus wendischen Dynasten, Edlen und andern Freien, einheimischen und fremden, durch Erlangung der Ritterwürde der Stammväter die Rittergeschlechter bildeten, aus denen der Adel der neuern Zeiten hervorgegangen ist; manche Stammväter ritterlicher und Patricier=Geschlechter mögen verwandt gewesen sein, wie die bei uns in neuern Zeiten viel besprochenen Papen und Swartepapen, und, wie unten gezeigt werden wird, die Baumgarten, obgleich dies zu den Seltenheiten gehören mag. Die Geschlechter in den Städten waren Nachkommen freier Männer, welche, wie die Ritter, politische Vorrechte genossen; nur die Lebensweise und Beschäftigung beider waren verschieden. Es ist nicht allein unrichtig, eine Verwandtschaft zwischen ritterlichen und bürgerlichen Geschlechtern gleiches Namens erforschen zu wollen, es ist auch unnöthig, da die bürgerlichen Geschlechter in der That nicht mehr Vorrechte brauchten, als sie schon hatten. Es waren ohne Zweifel schöffenbarfreie Männer, welche bei der Cultivirung des Landes im Anfange des 13. Jahrhunderts vor andern thätig waren; daher waren die Geschlechter in der Folge auch fähig, Eigenthum zu erwerben, im Gericht zu sitzen und Siegel zu führen. Es standen ohne Zweifel viele ritterliche und Patricier=Geschlechter auf derselben Stufe.

Diese bürgerlichen Geschlechter werden sich bei genauerer Forschung nicht allein in den Hansestädten, sondern in allen Städten nachweisen lassen.

In Rostock wird dieses Verhältniß der Stammväter der städtischen Geschlechter bei der Gründung der Stadt vorzüglich und allein durch die Straßennamen klar. In der Altstadt führen die Straßen ihre Namen von den Gewerken, welche vorzüglich in den jungen Städten getrieben wurden; hier sind eine Mühlen =, Lohgärber =, Weißgärber =, Wollenweber =, Hutfilter =, Schmiede =, Fischbank =, Scharren=Straße, ja selbst im entferntesten Winkel der Stadt eine Wenden=Straße mit einem eigenen Wenden=Thore. Gegen die Mittelstadt nach dem Rathhause hin in der Mitte der Stadt findet sich schon eine Krämer=Straße. Die Hauptstraßen aber, welche in der vor der Mitte des 13. Jahrhunderts gegründeten Mittelstadt nach dem Strande, der Gegend des großen Verkehrs, führen, und die an ihrer Mündung

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liegenden Strandthore haben ihre Namen von den Stammvätern einflußreicher Geschlechter 1 ), wie Mönchen =, Kosfelder =, Lager =, Wokrenter =, Schnickmanns=Straße und Thor, ferner eines der wichtigsten Landthore mit einer Hauptstraße: Cröpeliner=Thor und Straße, und in der Mitte der Mittelstadt noch eine Eselföter=Straße. Daneben am andern Ende der Stadt liegen die Badstüber= und Grapengießer=Straße, die Wohnsitze eines ausgebildetern gewerblichen Verkehrs, und an dem der Altstadt entgegengesetzten, äußersten Ende die Fischer=Straße. Man sieht aus dieser Beschreibung ganz klar, wie sich das Leben in der jungen Stadt bald gestaltet hat. Die vornehmen Geschlechter setzten sich in den Besitz der Straßen, welche, in der Mitte der Stadt, von der einen Seite zum Hafen, von der andern Seite zum Rathhause, Markte und der daneben liegenden, wichtigsten Kirche zu St. Marien, in welcher die Volksversammlungen gehalten wurden, ferner zu den die Stadt der Länge und Breite nach durchschneidenden Hauptstraßen und Hauptlandthoren der Mittel= und Neustadt, dem Cröpeliner =, Stein= und Mühlen=Thore, führten.

Fragt man nun darnach, welche Beschäftigung diese Geschlechter gehabt haben, so liegt die Antwort nahe, daß sie den Großhandel getrieben haben; sie waren die "Kaufleute im neuern Sinne", welche den Großhandel zu Lande und zur See und den Geldverkehr in ihren Contoren betrieben und in fernen Ländern ihre Contore hatten, die Banquiers unserer Zeiten, welche im Mittelalter oft noch mehr, wie heute, die Schicksale der Staaten lenkten. Sie unterschieden sich durch diese Contorbeschäftigung wesentlich von den "Krämern" und "Landfahrern", den Zwischenhändlern (dem "gemeinen kôpman"), welche die Waaren wieder an die Kleinhändler vertrieben; noch heute besteht in Rostock der scharfe Gegensatz zwischen Kaufleuten und Krämern darin, daß die Kaufleute keinen Laden halten dürfen. Die "Landfahrer=Krämer" aus allen Ländern stifteten zu Rostock im J. 1466 eine Compagnie 2 ) der heiligen Dreifaltigkeit; sie waren es, welche jährlich Trinitatis ihre Zusammenkunft zu Rostock hatten, hier ihre Waaren= und Geld=Geschäfte abmachten und die Compagnie feierten. Davon stammt noch der Pfingstmarkt, eine einst weit und breit berühmte Messe, zu


1) In (Nettelbladt) Abhandlung vom Ursprunge der Stadt Rostock Gerechtsame sind die Namen dieser Geschlechter häufig zu finden, z. B. S. XLV aus dem J. 1265: Gerlagus de Cosvelde, Johannes Monachus (Mönch), Hermannus de Lawe (Lage), Henricus de Cropelin, Reineko de Wokerente u. a. a. O.
2) Vgl. Jahrbücher VII, S. 188 flgd.
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der noch seit Menschengedenken die Händler aus den fernsten Gegenden kamen, und der in Meklenburg übliche halbjährige Zahlungs=Termin auf Trinitatis, welcher früher vorzüglich in Rostock gemacht ward und noch jetzt von einiger Bedeutung ist. In der noch erhaltenen Matrikel dieser "Landfahrer=Krämer=Compagnie" kommt kein einziger Name aus den alten Geschlechtern vor; vielmehr werden diese, wie unten gezeigt werden wird, jener entgegengesetzt. - Auch war es nicht Reichthum allein, welcher ein Geschlecht gründen konnte; die Reichen suchten sich zwar hervorzuheben, wurden aber immer zu den Geschlechtern in Gegensatz gebracht. So sagt Reimar Kock (vgl. Grautoff Lüb. Chron. II, S. 667): "Idt werenn ock vele binnen der Wißmar vann riken Borgeren, welcke ock gerne in dem Regimente hedden gewesen".

Diese Geschlechter waren nun nicht allein im Besitze eines großen Ansehens und Reichthums, welcher im Großhandel und in Landgütern angelegt war, sondern sie besetzten auch den Rath, was ihnen bei dem Selbstergänzungsrechte nicht schwer und sehr bald auch Regel ward. Sie regierten also in der That die Stadt, was um so wichtiger war, als in den ersten hundert Jahren des Bestehens Rostock der Sitz eines eigenen Regentenhauses war, als dessen Mitregenten oder Räthe die Rathmänner oft erscheinen. Durchläuft man die Reihe der Rathsmitglieder 1 ), welche oft in den Urkunden und Stadtbüchern vorkommen, so findet man nur Burgemeister und Rathmänner aus den alten Geschlechtern. Das Stadtregiment führte dieser immerfort aus den Geschlechtern gewählte Rath nach seiner Einsicht und rein patriarchalisch, im Interesse des größern Handelsverkehrs, ohne Beschränkung durch die Bürgerschaft. Nur in wichtigen Fällen zogen die Rathmänner die Einsichtsvollern ("discretiores, prudentes, seniores=de beschêdenen") aus ihren Kreisen zu Rathe 2 ).

Forscht man nach dem Begriffe, der mit dem Ausdrucke Patriciergeschlecht oder Geschlecht in den Städten verbunden war, so läßt sich die Frage dahin beantworten, daß zu den Geschlechtern diejenigen gehörten, deren Vorfahren im Rathe gesessen hatten. So erklärte noch im J. 1611 der Rath zu Stralsund den Ausdruck, als das Repräsentanten=Collegium von dem Rath eine Erklärung des gebrauchten Ausdrucks forderte 3 ). Nach lübischem Rechte, nach des Herzogs


1) Vgl. Gerdes Sammlung S. 1375 flgd.
2) Vgl. (Nettelbladt) Abhandlung vom Ursprunge der Stadt Rostock Gerechtsame, S. 137 und XXXVII und LXI (Beispiele aus dem 13. Jahrhundert).
3) Vgl. Brandenburg Geschichte des Magistrates der Stadt Stralsund, S. 8. - (  ...  )
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Heinrich des Löwen Ordnung über die Rathswahl, ungefähr vom J. 1163, konnte nur ein Mann in den Rath gewählt werden, der "ächt, von freier Geburt, von gutem Rufe und in der Stadt angesessen war, kein Amt von Herren trug und seine Nahrung nicht durch Handwerk gewonnen hatte" 1 ).

Als Folge ihrer Stellung und Bedeutung in Rostock erscheint es, daß die Rathmänner von Rostock (und eben so von Wismar) im Rathe der Fürsten und im fürstlichen Hofgerichte saßen, wie früher die Rathmänner beider Städte die vornehmsten Stände des Landes genannt wurden und auf den Landtagen selbst vor den Erblandmarschällen rangirten; noch heute hat der Burgemeister von Rostock Sitz im Landtags=Directorium.

Die patriarchalische Regierung der Stadt dauerte ungestört jedoch nur das erste Jahrhundert ihres Bestehens. So wie aber die Bevölkerung der Stadt und ihre Wohlhabenheit wuchs und so wie die politischen Berührungen und Ereignisse, in denen die Stadt eine Rolle spielte, häufiger wurden, fing die Masse der Bürger an, mit dieser patriarchalischen Regierung der vom Schicksale Begünstigten unzufrieden zu werden. Schon damals hatte sich die Classe der rathsfähigen Geschlechter als eine bevorzügte herausgebildet und die Kaufleute im gewöhnlichen Sinne, wenn sie auch Großhandel trieben, aber nicht zu den Geschlechtern gehörten, standen mit den Gewerken dem "Rath" gegenüber. Am Ende des 13. und Anfange des 14. Jahrhunderts hatte sich nämlich den sich ausbildenden Geschlechtern gegenüber die gewerbtreibende Masse in den Zünften zu einer großen Macht gestaltet, und eben diese Zünfte, deren erste Statuten meistentheils in diese Zeit fallen, waren es, welche das ganze 14. Jahrhundert hindurch bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts in allen großen Handelsstädten, und so auch in Rostock, den Geist der Demokratie mit dem wildesten Uebermuthe ausbildeten. Es ist daher fortan jedesmal genau zu untersuchen, wer in den Städten handelnd auftritt, die Rathscollegien oder die Bürgergemeinden.

Der erste Sturm brach in Rostock im J. 1312 los. Schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatten sich die größern Städte, wahrscheinlich durch die Masse der Bürgerschaft veranlaßt, häufig den Fürsten widersetzt, ihre Schlösser gebrochen, oder diese durch die Aufführung der Stadtmauern von den Städten abgesperrt, oder auch den Fürsten das Versprechen abgenöthigt, inner=


(  ...  ) Wenn der Verfasser hier ebenfalls behauptet, daß es in Stralsund keine Geschlechter gegeben habe, so möchte sich bei genauerer Forschung die Sache jetzt vielleicht anders stellen.
1) Vgl. Lübeckisches Urkunden=Buch I, S. 6.
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halb der Städte und einer gewissen Entfernung von denselben keine Burgen anzulegen. Rostock erreichte es im J. 1266, daß der beim bramower Thore aufgeschüttete Wall zur Erbauung einer fürstlichen Burg wieder abgetragen ward, und im J. 1278, daß die Fürsten die Hundsburg an die Stadt verkauften und versprachen, innerhalb einer Meile von den Ufern der Warnow keine Burg anzulegen. Wismar hatte im J. 1276 bei ber Aufführung ihrer Stadtmauer die fürstliche Burg von der Stadt abgeschnitten und nöthigte im J. 1300 die Fürsten zur Abbrechung derselben. Selbst kleinere Städte ahmten dieses Beispiel nach. Daher mochte es wohl eine Folge des wachsenden Uebermuthes der Stadtgemeinden sein, daß sich die Rathscollegien der wendischen Hansestädte mit den Fürsten verbanden und mit diesen im J. 1283 zu Rostock den ersten, berühmten Landfrieden schlossen, weniger wohl zum Schutze gegen auswärtige Feinde, als vielmehr zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung innerhalb der eigenen Grenzen und auf dem Felde des großen Verkehrs. Im Jahre 1310 verschloß die Stadt Wismar ihrem Landesherrn Heinrich dem Löwen die Thore, als er in ihren Mauern die Vermählung seiner Tochter feiern wollte; die Rostocker waren auch gleich zur Hand, zogen den Wismaranern zur Hülfe und brachen den Fürstenhof in Wismar. Auch Rostock verschloß den Fürsten die Thore. In Rostock stand es allerdings schlimm. Der letzte Sproß des rostocker Fürstenhauses, Nicolaus das Kind, hatte die Stadt in vielfache Verlegenheiten gebracht und dem Könige von Dänemark sein Land überlassen; als die Fürsten den wachsenden Ungestüm der Städte sahen, wählte der Dänenkönig das Besänftigungsmittel, einen heimischen Fürsten, Heinrich den Löwen von Meklenburg, zum Statthalter von Rostock zu ernennen. Aber die bewaffnete Stadtgemeinde, durch Wismar's Beispiel gereizt, zwang den Rath, alle Verträge zu vernichten und dem Kinde von Rostock wieder zu huldigen. Es entstand ein heftiger Krieg der rostocker Bürgerschaft gegen die Fürsten, so merkwürdig, wie kaum ein anderer in der Geschichte Deutschlands. Der "Rath" mit den Geschlechtern ("de oppersten van den borgern") 1 ) war zwar zum Frieden geneigt; aber die Bürgerschaft ("de mênheit") wollte nichts von Güte hören. Die Wuth gegen die fremden Fürsten artete endlich in Bürgerkrieg aus. An die Spitze des Volkes stellte sich ein heftiger, harter, consequenter Mann, Heinrich Runge, ein wohlhabender Kaufmann, mit dem Vorsatze, die Macht der Rathsgeschlechter zu brechen und für die Gemeinde Antheil am Stadtregimente zu erringen. Er trieb den Rath auseinander, ließ meh=


1) Vgl. hier und weiter Schröter's Rostockische Chronik, S. 19. flgd.
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rere Mitglieder desselben, unter diesen seinen eigenen Bruder, hinrichten, andere gefangen setzen; einige entflohen. Das alleinige Ziel war, den Einfluß der räthlichen Geschlechter zu vernichten; die alte Chronik 1 ) sagt ganz klar: "dar weren etlike vorderuere mank den borgeren, de do radtmenne begerden to werdende," und: "tho handes hoff sick do mennigerlei arch in der stadt in der vordruckinge der beslechteden vnd der riken lude 2 )". Dies ist das einzige Beispiel, daß in alter Zeit die Vornehmern der Stadt Geschlechter genannt werden 3 ). Die Demagogen beredeten den Fürsten Nicolaus, daß er durch die Aeltesten der Stadtgemeinde unter Zustimmung der Aelterleute von den "Gewerken" oder den Zünften einen neuen Rath wählen ließ, in welchen freilich - Runge nicht kam. Dies ist der Ursprung des Einflusses der Vier Gewerke, welche noch heute die Stadtgemeinde repräsentiren. Das Ziel aller Bestrebungen war fortan, die Geschlechter vom Rathe ferne zu halten, dagegen den Rath von der Stadtgemeinde wählen zu lassen. Doch der neue Rath machte es auch keinem recht. Endlich stimmten die Kaufleute ("de kôpman") die Gemeinde milder und vermittelten den Frieden. Auch dies ist das erste mal, daß die Kaufleute als eine Gesammtheit den Rathsgeschlechtern gegenüber genannt werden. Es war zwar Friede mit den Fürsten geschlossen; aber kaum hatte Heinrich der Löwe seine Wallfahrt nach Rocca Madonna angetreten, als der verbannte Runge wieder in der Stadt erschien, dem neuen Rathe einen Bürgerbrief, eine Art Constitution, für die Bürgerschaft, abtrotzte, in welchem unter andern bestimmt ward, daß die Aelterleute die Rathsmitglieder zur Wahl vorschlagen sollten. Der Fürst Heinrich von Meklenburg bemeisterte sich jedoch wieder der Stadt, die Rädelsführer entflohen zum Theil und wurden geächtet, die ergriffenen hingerichtet, und die noch übrig gebliebenen Mitglieder des alten Raths wurden in ihre Würden und Güter wieder eingesetzt; der Bürgerbrief ward verbrannt und das alte Stiftungsprivilegium der Stadt erneuert, nach welchem die Stadt nicht nur lübisches Recht, sondern auch


1) Der Name Runge ist in den Volksaufständen in den wendischen Hansestädten ein übel berufener Name. In dem rostocker Aufruhr von 1312 war Heinrich Runge Rädelsführer. Ein Hermann Runge war Wortführer in dem Volksaufstande zu Lübeck 1406 flgd. Und ein Runge war im J. 1487 wieder Anstifter des blutigen Aufruhrs wegen der Domstiftung zu Rostock. Es werden also alle Hauptrevolutionen in den nordischen Städten durch den Namen Runge bezeichnet.
2) Vgl. Schröter's Rost. Chronik. S. 27 und 29.
3) Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts scheint der Ausdruck "Geschlechter" öfter gebraucht zu sein. So wird z. B. in den Streitschriften wegen Einziehung der Güter der ausgestorbenen Bürgerfamilien seit dem J. 1485: "ein schlechte de Wilden" genannt.
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lübische Verfassung 1 ) eingeführt hatte, d. h. der Rath sollte sich fernerhin, wie früher, nach Herkommen und Recht durch eigene Wahl ergänzen. Die geretteten und wieder eingesetzten 2 )


1) Der Fürst Heinrich hielt in Rostock Gericht und stellte die alten Ratsherren, um dem Rechte zu genügen, in Anklagestand: er forderte öffentlich auf, gegen sie vorzubrigen, "all dat men mit lubesch recht vp se konde bringen". Da niemand sprach, so wurden sie für unschuldig erklärt. Vgl. Schröter's Rost. Chronik S. 41.
2) Vgl Schröter a. a. O. S. XX. flgd. und Urkunde Nr. XVIII. und XlX. Die von Schröter Spec. Dipl. Rostoch. Nr. XIX. mitgetheilte Urkunde vom 19. Jan. 1314 ist in den Namen nicht richtig gelesen und nach den Siegeln nicht beschrieben. Der Anfang lautet im Originale:

In nomine domini amen. Nos Odbertus de Selowe, Hinricus de Godlandia, Gherwinus Wilde, Wasmodus Cinneke, Bernardus Kopman, Arnoldus Kopman, Arnoldus Quast, Tyge, Hermannus Wokerente, Gherardus Reynoldi, Hermannus de Argillari Domo, Johannes de Vemeren, Herbordus Bacillarius, Holczte de Theterowe, Claws de Kyryz, Thydericus Friso, Nycolaus Clinkeman, Johannes Pape antique ciuitatis, Johannes Pape noue ciuitatis, Engelbertus de Pomerio, Henninghus de Dame, consules in Rozstoch etc.

Schröter liest:

Sinneke, statt Cinneke,
Bolezte,statt Holczte,
Elmkeman, statt Clinkeman,
Dorne, statt Dame.

In die Urkunde sind 9 Löcher zum Einhängen von Siegelbändern eingeschnitten. Von den ersten 8 Siegeln sind nur die letzten 4 erhalten: das Siegel des Tyge=d. i. Mathias von Volkenshagen, des Dietrich Vrese, des Engelbert von Baumgarten, und das 4te ist unkenntlich. An dem 9ten Pergamentstreifen hangen 2 Siegel unter einander. Cinneke ist vielleicht aus der Familie Cene. Hermannus de Argillari Domo ist lateinische Uebersetzung von Hermann von Lêmhûs, welcher noch 1337 vorkommt; ein Johannes de Lêmhûs wird 1286 genannt (vgl. Rost. Wöchentliche Nachr. 1752, Stück 36) und ein Hennekinus Lêmhûs 1355 (vgl. Nettelbladt Hist. dipl. Abhandl. p. CVIII und LXVIII). - Bacillarius ist vielleicht Uebersetzung von Stange. - Clinkeman kommt sonst noch vor; bei Nettelbladt a. a. O. S. CV ist auch etynkeman statt clynkeman geschrieben. De Pomerio ist lateinische Uebersetzung von Baumgarten. - Dame ist ein bekanntes Geschlecht, welches oft genannt wird.
Es steht noch der Name Holezte de Theterowe zur Frage. An dem letzten Pergamentstreifen hangen zwei Siegel:
1) mit einem längsgetheilten Schilde, rechts mit einer dreigipfligen Zinne, links mit drei Sternen unter einander, und der Umschrift:
Umschrift
 2) mit einem Schilde, in welchem das holsteinsche Nesselblatt steht mit der Umschrift:
Umschrift
 Das erste dieser beiden Siegel gehört wahrscheinlich dem Hermannus de Argillari Domo oder von Lêmhûs; das zweite gehört wohl dem Holczte (d. i. Holstein) von Teterow, und dies ist wahrscheinlich der Ratsherr Marquardus Holsatus, d. i. Holstein, welcher 1307 - 1312 vorkommt (vergl. Nettelbladt a. a. O. p. XX, CV, CVI). Denn diese Siegel später erwählten Rathsherren, welche alle diese Urkunde besiegeln sollten, zuzuschreiben, ist nicht gerathen, da dies offensichtlich nicht geschehen ist.
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Mitglieder des alten Raths waren: Otbert von Selow, Gerwin Wilde, Bernhard Kopman, Arnold Kopman, Arnold Quast, Mathias von Volkenshagen, Wasmod, Heinrich Schlichtop.

So ging die erste Revolution ohne alle Folgen für die Stadtverfassung vorüber und das Regiment ward nach wie vor geführt, nach dem Geiste der Verfassung Lübecks. Die Geschlechter besetzten aus sich den Rath und regierten die Stadt nach altem Herkommen. Rostock fiel bald an das meklenburgische Fürstenhaus. Eine große Stütze gewannen die norddeutschen Städte an dem Fürsten Albrecht dem Großen von Meklenburg, welcher an 50 Jahre regierte (1329 - 1379). Dieser hielt sich innig zu den Städten in ihrer bestehenden Verfassung, d. h. zunächst zu den Rathsgeschlechtern, und beförderte auf alle mögliche Weise die Landfrieden, so daß sein gerechter und versöhnlicher Einfluß und seine bedeutende Persönlichkeit und Kraft auch wirklich die Ordnung in der Bürgerschaft aufrecht erhielten, er aber auch reichen Dank von den Städten empfing.

So viel geht aus diesen merkwürdigen Ereignissen klar und ohne Zweifel hervor, daß sich, wie in Lübeck, schon im 13. Jahrhundert in Rostock einflußreiche, vornehme Geschlechter (rike, beslechtede lude) gebildet hatten, welche allein den Rath besetzten, und daß sich schon im Anfange des 14. Jahrhunderts von diesen selbst die nicht aus den Geschlechtern stammenden Kaufleute als eine eigene Corporation abgetrennt hatten, wenn die Geschlechter auch Großhandel treiben mochten.

Es waren in der alten Weise wieder hundert Jahre vergangen, als sich ein neuer Sturm erhob, welcher jedoch nachhaltigere Wirkungen hatte, als der erste. Die nordischen Händel im Gefolge der durch den Einfluß der Städte verwirklichten Wahl des meklenburgischen Herzogs Albrecht zum Könige von Schweden, die Gewaltthätigkeit der Vitalienbrüder, welche aus den wendischen Hansestädten hervorgingen und deren Verkehr immer störten, die Schwäche mancher Regenten am Ende des 14. Jahrhunderts, häufige Fehden, die Unsicherheit der Landstraßen, eine gewisse Verknöcherung der Formen bei Erschlaffung des innern Lebens, welches das 14. Jahrhundert hindurch fast überspannt gewesen war, das Umsichgreifen der Gilden und mehrere andere Ursachen hatten im Anfange des 15. Jahrhunderts das Leben in den Seestädten etwas roh und wild gemacht, so daß ein Funke sehr leicht zünden konnte. Die Anregung ging diesmal von Lübeck aus. Schon 1376 hatten sich hier die Handwerker gegen den Rath erhoben; nach und nach rührten sich alle Stände und Innungen, schlossen ihre Verbrüderungen enger und verlangten größere Rechte.

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Einzelne Regungen wurden zwar augenblicklich unterdrückt, es ward aber dadurch dem Weitergreifen des Uebels nicht gewehrt. Endlich stand die Bürgerschaft auf und forderte, da sie sich beschwert glaubte, Rechenschaft vom Rathe; da verließ im J. 1408 der Rath die Stadt und eine wilde Zunftherrschaft trat an die Stelle. Die Sache war in Lübeck vorzüglich durch einen im J. 1405 gewählten Bürgerausschuß der Sechsziger betrieben. Das endliche Ziel war auch hier wieder die Theilnahme an der Rathswahl. Von lübecker Demagogen geleitet erhoben sich im J. 1409 auch die Stadtgemeinden von Wismar und Rostock, setzten den alten Rath ab und ordneten ebenfalls Sechsziger an, welche ein unbeschränktes Regiment führten. Das Feldgeschrei der Zünfte das ganze 15. Jahrhundert hindurch war in den Hansestädten immer das Verlangen nach Sechszigern. - Ob es Weisheit oder Schwäche war, die Landesherren mischten sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Städte. Erst als im J. 1416 durch kaiserliche und dänische Vermittelung zu Lübeck die alten Rathsherren "mit großer Herrlichkeit" durch einen kaiserlichen Gesandten wieder in die Stadt eingeführt und in die Rathsstühle wieder eingesetzt waren, gelang es in demselben Jahre den meklenburgischen Landesherren, durch Vermittelung der übrigen Hansestädte in Wismar und Rostock die alten Rathsherren wieder einzuführen und die alte Ordnung wiederherzustellen. Doch dies war nur ein scheinbarer Friede; denn es gährte fortwährend in den Stadtgemeinden. Im J. 1427 verloren die wendischen Hansestädte eine große Kriegsflotte gegen den König Erich von Dänemark; die Stadtgemeinden waren hierüber sehr bestürzt und unwillig und der König benutzte diese Verstimmung, indem er in den Städten Briefe vertheilen ließ, in welchen er alle Schuld auf die Rathmänner der Städte schob und sich gegen die Stadtgemeinden freundlich stellte. Dies wirkte: die Geschlechter sollten nicht allein heimlich zu ihrem eigenen Vortheil regiert, sie sollten auch die Städte in großes Unglück gestürzt haben. Die Massen erhoben sich; Hamburg gab diesmal das Beispiel. In Hamburg, Wismar und Rostock ward im J. 1427 der alte Rath abgesetzt und verjagt und es wurden wieder Sechsziger zur Bevormundung des neuen Rathes eingesetzt. Ja es kam zum Blutvergießen: es fielen in Hamburg der Rathmann Johann Kletzen, in Wismar der Burgemeister Johann Bantschow und der Rathmann Heinrich von Haren durch das Henkerbeil. In Rostock kam es nicht zu so gewaltsamen Schritten, aber der alte Rath mußte weichen; die vier Burgemeister: Heinrich Katzow, Heinrich Buek, Friederich (oder Vicke) von der

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Zene und Johann Otbrecht entflohen 1 ). Wismar, mit schwerer Blutschuld beladen, von der es sich nie wieder erholt hat, ward durch kaiserlichen Auftrag von der Stadt Lübeck im J. 1430 wieder zur Ruhe gebracht; der alte Rath ward wieder eingesetzt und die Sechsziger wurden für immer aufgelöset. Rostock widerstand länger. Zunächst schloß es, zur Stärkung seiner Kraft, im J. 1430 abgesondert Frieden mit Dänemark und sagte sich dadurch factisch von der Hanse los 2 ), was also nicht durch die Rathsgeschlechter, sondern durch die Bürgerschaft geschah. In Meklenburg regierte damals die Herzogin Katharine lange Zeit als Vormünderin ihrer minderjährigen Söhne, unter Beistand des Ritters Mathias von Axekow. Diese Regierung mochte wohl nicht die erforderliche Kraft besitzen. Rostock ließ sich lange durch keine Drohungen, weder durch die Landesherren, noch durch Kaiser und Reich, beugen. Doch was das deutsche Reich nicht vermochte, bewirkten die geistlichen Waffen des Bannes und Interdicts. Als in Folge derselben die Erwerbsquellen versiegten, zeigten sich die Gewalthaber willig, da sie eine Reaction der Bürgerschaft zu fürchten haben mochten. Durch vielseitige Vermittelung ward im J. 1439 Frieden gestiftet: der alte Rath ward wieder zurückgerufen und in seine Aemter und Güter wieder eingesetzt, aber unter der Bedingung, daß die in der Revolution erwählten Rathmänner blieben, ohne jedoch aus ihrem Stande Nachfolger zu erhalten; die alten Privilegien der Stadt wurden bestätigt, eben so der im J. 1428 der Stadtgemeinde gegebene Bürgerbrief, nach welchem zur Beschränkung des Rathes die Bürgerrepräsentation der Sechsziger, dreißig aus den Kaufleuten und dreißig aus den Gewerken, fortan in Bestand bleiben sollte. So blieb allerdings die Stellung der Geschlechter ziemlich unverändert, die Bürgerschaft erreichte aber doch auch ihren Zweck durch eine dauernde Repräsentation, welche sich selbst ergänzte. Die Vergleichsverhandlungen zur Schlichtung der einzelnen Streitigkeit dauerten jedoch bis in das Jahr 1442, in welchem Jahre auch erst die Reichsacht aufgehoben ward. Ja, die vertrieben gewesenen Geschlechter verglichen sich mit dem Rath und der Bürgerschaft erst am 12. Aug. 1454 3 ), indem die Stadt für die Ge=


1) Vgl. Grautoffs Lüb. Chron. II, S. 47.
2) Vgl. das. S. 58.
3) Vgl. unten die Urkunde unter den Vermischten Urkunden. Die Urkunde befindet sich wohl erhalten im Archive der Stadt Rostock. Nettelbladt in seinem "Verzeichniß allerhand z. Gesch. der Stadt Rostock gehöriger Schriften" etc. ., 1760,II, S. 49, führt diese Urkunde auf unter der Registratur: "Aussöhnungsbrief einiger aus der Stadt gewichener Geschlechter mit dem Rathe". Das Wort "Geschlechter" aber findet sich in der Urkunde eben so wenig, als ich es in einer andern Urkunde habe finden können. Nettelbladt hat die Urkunde in den Ro= (  ...  )
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schlechter mehrere Schulden derselben übernahm, diese dagegen allen Ansprüchen an die Stadt entsagten. Die noch übrig gebliebenen Mitglieder der im J. 1427 verjagten Geschlechter, unter denen die vier Burgemeister waren, welche diesen Vertrag schlossen, waren: Heinrich und Gottschalk Buek, Vicke von Zene, Johan Othbrecht, Johann und Lambert Cröpelin, Engelke Katzow und die Brüder Kiritz, Heinrich und Lambrecht Katzow, Heinrich Baggel und der Professor der Medicin Doctor Heinrich Schönberg.

Noch einmal kehrte sich die Volkswuth gegen den Rath, d. h. gegen die Geschlechter, als in Folge des blutigen Aufruhrs wegen der Gründung eines Collegiat=Domstifts zu Rostock im J. 1487 die Burgemeister, Rathmänner und mehrere angesehene Bürger die Stadt meiden mußten (vgl. Rudloff M. G. II, S. 858 flgd.). Zwar versuchte man in den Vergleichsunterhandlungen die Aufhebung der Sechsziger und die Herstellung der frühern Verfassung, jedoch vergebens. Durch den endlichen Vergleich ward die bisherige Verfassung bestätigt.

Diese Verfassung mit den Sechzigern, durch welche die Geschlechter allerdings viel an Einfluß verloren, bestand wieder über hundert Jahre. Während der Zeit aber erlitt die Verfassung Rostocks eine wesentliche Veränderung durch das allmählige Aussterben der alten Geschlechter; gegen das Ende des 15ten Jahrhunderts starben die mächtigsten von ihnen aus, die Wilden und Cröpeline. Die Reihen der Geschlechter waren so gelichtet, daß sie unmerklich verschwinden. Dazu kam, bei gänzlich veränderter Führung der Geschäfte seit der Reformation und bei dem Einflusse der im Jahre 1418 zu Rostock gestifteten Universität, das Vorwalten des Gelehrtenstandes.

Im Jahre 1555 ward bei den Verhandlungen über die von den Landesherren geforderte Contribution die Anerkennung der Sechsziger verweigert. Nach vielen Verhandlungen erhielt die Stadt durch den Erbvertrag von 1583 eine Repräsentation von hundert Männern nach den vier Kirchspielen oder vier Quartieren mit einem Ausschusse von Sechszehnern. Hiemit war die alte Verfassung Rostocks gänzlich verwischt und zum Theil eine Repräsentativverfassung eingeführt. Die letzten Reste der Geschlechter waren fortan ohne allen Einfluß.


(  ...  ) stocker Nachrichten 1756, S. 62, auch abdrucken lassen; sie ist aber wegen ihrer Wichtigkeit und wegen der anhangenden Siegel hier noch ein Mal mitgetheilt. Die bei Nettelbladt Verz. a. a. O. unter dem J. 1464 aufgeführte Urkunde gleichen Inhalts findet sich nicht im Stadt=Archive; wahrscheinlich ist die Aufführung ein Versehen und die vorstehend besprochene Urkunde von 1454 gemeint, oder auch die in den Rost. Nachr. 1756, S. 106, mitgetheilte Urkunde, welche jedoch nicht von rostockischen, sondern von preußischen Geschlechtern (inwanere des landes to Prutzen über Erstattung von Kriegs=Schäden und Kosten ausgestellt ist.
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In Folge der im Jahre 1763 eingesetzten fürstlichen Commission ward zwar die im Jahre 1583 eingesetzte Repräsentation der Hundertmänner beibehalten, aber im Jahre 1770 in zwei Quartiere getheilt: in 50 Kaufleute und Brauer und in 50 Deputirte der Gewerke. Diese Verfassung, gewissermaßen mit einem Oberhause und einem Unterhause, dem Rathe gegenüber, besteht noch heute.

Dieser kurze Abriß der höchst merkwürdigen Verfassungsgeschichte von Rostock, welche wohl eine ausführliche und gründliche Darstellung aus den Quellen des rostocker Archivs verdiente, zeigt klar und ohne Zweifel das Bestehen von Geschlechtern oder Patriciern in Rostock während des ganzen Mittelalters bis in das sechszehnte Jahrhundert, wo Aussterben, veränderte Handelsrichtung, andere Geschaftsführung, Verlust des Vermögens und andere Ursachen die letzten, wenigen Sprößlinge ganz in den Hintergrund drängen.

Merkwürdig ist es aber, daß die Geschlechter in ihrem Verbande als eine geschlossene Gemeinde nicht genannt werden; freilich mag das reiche rostocker Archiv auch hierüber reichen Stoff enthalten, dessen Bearbeitung von hoher Wichtigkeit wäre, aber es ist bis jetzt nichts bekannt geworden. Das Einzige, was sich hat auffinden lassen, sind folgende zwei Aufzeichnungen in der Matrikel der rostocker Landfahrer=Kramer=Compagnie:

Fol. 118 b

"Anno 1624 im pinstenn Marcke zu rostock is dey Compeney gehaltenn wordenn vndt der foegel nichgt geschoessenn wordenn aus denn vhrsachenn weil dey Junckernn nichgt geschossenn haben, also haben wir nichgt koennenn die foegel Stanggen mechgttichgt werdenn vonn denn herren Boergermeisternn.

Fol. 120 b

"Anno 1625 pingesten Marken is die Companey gehalten worden vnd der foegell geschoßenn mitt großer Vncosting der Companey, alße die Stadt Junckern nicht geschoßen ihn 2 Jharen, hatt alßo die Company auff Ihren Vncosting alles außrichten müßen."

Diese beiden Aufzeichnungen, welche von zwei verschiedenen Rechnungsführern geschrieben sind, beweisen klar, daß noch Sprößlinge der alten Geschlechter lebten und zusammenhielten, daß sie eine Art Gilde hatten, in welcher sie nach dem Vogel schossen, und daß sie Junker oder Stadtjunker genannt wurden. Der letztere Ausdruck läßt den Gedanken nicht aufkommen, daß diese Junker adelige Geschlechter gewesen seien, was ich selbst früher geglaubt habe. Auch theilt der kundige Herr Burgemeister Dr. Karsten zu Rostock mit, daß ihm in den alten Rechnungsbüchern

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der Stadt oft der Ausdruck Stadtjunker begegnet sei. In Hochzeits= und Leichen=Programmen aus dieser Zeit werden mitunter "Patricier" genannt.

Nach dem dreißigjährigen Kriege aber verschwindet jede Spur von patricischen Geschlechtern in Rostock.

So einleuchtend dies Alles auch sein mag, so ist es doch nicht strenge beweisend. Das Vorherrschen gewisser Personen könnte sich durch geistige Kraft oder Reichthum entwickelt und auf ihre Erben fortgepflanzt haben; dies wäre aber kein anderes Patriciat, als das, was sich überall und unter allen Umständen geltend macht. Das Bestehen eines politisch anerkannten Patriciats in Rostock mußte also bisher geleugnet werden, da keine Urkunde, keine Nachricht direct dafür redet. Ich selbst habe es mit vielen andern Quellenforschern bisher inAbrede nehmen müssen, da es nicht bewiesen werden konnte. Jetzt glaube ich aber einen vollgültigen Beweis für das Dasein eines Patriciats in Rostock gefunden zu haben und die Führung desselben ist eigentlich der Gegenstand dieser Zeilen. Daß dieser Beweis nicht früher geführt ist, liegt darin, daß sich eher nicht Gelegenheit bot, ihn führen zu können, um so mehr, da er erst auf negativem Wege gefunden werden mußte, ehe er sich positiv gestalten konnte.

Der Beweis eines Patriciats in Rostock liegt nämlich darin, daß

alle Geschlechter, welche im Mittelalter in Rostock im Rathe saßen, Schild und Helm führten, also siegelfähig waren,

daß dagegen

kein anderer Bürger Schild und Helm führt.

Diese Beobachtung läßt sich nur machen, wenn man ein ganzes Archiv sorgfältig in den Original=Urkunden studirt. Ich habe im Februar des Jahres 1845 ein mittelalterliches rostocker Archiv, das Archiv der Kirchen=Oekonomie, von ungefähr 700 Urkunden, die Kirchen=Urkunden Rostocks, an denen wenigstens 2000 Siegel hingen, unter Händen gehabt und dabei das rostocker Stadt=Archiv und das großherzogliche Geheime und Haupt=Archiv benutzt und mich überzeugt, daß kein einziger gewöhnlicher Bürger, selbst kein Kaufmann, Schild und Helm führt, oder:

jeder Patricier führt Schild und Helm im Siegel 1 ),


1) So sagt Reimar Kock in seiner Cronik (in Grautoff Lüb. Chron. II., S. 676) von dem Begräbnisse des in der Revolution von 1427 hingerichteten Rathsherrn Heinrich von Haren:

"sine hußfruwe - - besturede ehrlicke lude, de en drogen tho den swarten

(  ...  )
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wogegen

jeder Bürger, Kaufmann oder Handwerker, nur ein Hauszeichen im Siegel führt.

Die "Siegelfähigkeit" der Geschlechter ist also wohl der einzige und sichere Beweis für das Patriciat 1 ). Diese Beobachtung ließ sich weder von mir, noch von andern früher machen, als bis sich eine so günstige Gelegenheit geboten hatte, durch welche sich das Unerwartete und nicht Gesuchte von selbst dem Auge aufdrängte.

Man hat wohl behaupten wollen, die Patriciergeschlechter in den Städten seien rittermäßiger Herkunft, und hat dies dadurch zu beweisen gesucht, daß sich Patricier= und Rittergeschlechter gleiches Namens finden. Diese Annahme ist aber durchaus unbegründet und läßt sich durch nichts beweisen. Die Gleichheit des Namens ist im Mittelalter durchaus kein Beweis für die Namensverwandtschaft zweier Geschlechter, sondern nur das Siegel; im Gegentheile sind Familien stammesverwandt, welche gleiche Siegel, aber verschiedene Namen führen 2 ). Die Siegel sind zur Erkenntniß der Herkunft und des Standes im Mittelalter bei weitem das wichtigste Hülfsmittel.

Nehmen wir nun diesen Grundsatz der Siegelfähigkeit für die patricischen Geschlechter an, was nicht abzuweisen ist, so finden wir ferner, daß alle Personen, welche die Rathswürde bekleiden, Schild und Helm im Siegel führen.

Dazu kommt drittens die Wahrnehmung, daß nur diese Familien, welche nach ihrer Siegelfähigkeit und Rathsfähigkeit den Geschlechtern angehörten, Landgüter besaßen, d. h. lehnsfähig waren, wenn sie auch gewöhnlich die Ritterdienste von den Lehngütern nehmen ließen. In Meklenburg sind aber bis zum 17. Jahrhundert alle Landgüter als Lehne betrachtet, und die Landesherren haben beim Aussterben von Familien immer die Lehnsqualität der Landgüter, also den Heimfall, in Anspruch genommen und auch durchgesetzt. Mit dem Anfange des 16. Jahrhunderts mag sich nach und nach alles anders gestaltet haben, aber bis dahin wird dieses Regel gewesen sein.

Siegelfähigkeit (und Turnierfähigkeit), Rathsfähigkeit und Lehnsfähigkeit (jedoch in der Regel ohne Leistung von Ritterdiensten) waren also die Vorrechte der patricischen Geschlechter Rostocks.



(  ...  )
Monnicken in dat Chor, dar he sülvest vormahlß sin Graff hedde besturet, unnd einen herlicken Stein mit Schilde und Helme unde Listen van Mißinge schön gezieret hadde leggen latenn."
1) Vgl. Eichhorns deutsche Staats= und Rechtsgeschichte, II., 1821, §. 341.
2) Vgl. Lisch Gesch. des Geschlechts Hahn, Bd. I.
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Die bekanntesten der rostocker Patriciergeschlechte das Mittelalter hindurch waren nach den Urkunden und nach Lindebergs Chronik folgende:

Aa, Kruse,
Baggel, von Lage,
v. Baumgarten (de Pomerio), von Langestrat,
Blesen, Lisen,
Broker, Make,
Bûk, von der Mölen,
von Dame, Mönch (Monachus),
Eselfot, Nachtraven,
Frese, Pape,
Grentze, Quast,
von Gothland, Rode (Rufus)
von Hervorden, von Selow,
Holloger, Tölner (Thelonearius),
Horn, Voot,
Katzow, von Weser,
Kirchhof, Wilde,
von Kiritz, Witte (Albus),
Kopman, Wise (Sapiens),
von Kosfeld, Wokrent,
Kron, Wulf, u. a.
Kröpelin,  

Lindeberg theilt über die Namen der ausgestorbenen Familien von Bedeutung folgende alte Denkverse mit:

De witten, wilde, Wülff hebben Hollogen,
Und Schwemmen tho Grentz aver de Aa,
Dat erföhren de van Baggele, Buke,
Und Blesen int Horn, dat men idt hörde
Tho Kröpelin up dem Kerckhaue,
Do quam Katzow tho Maken.

Die berühmtesten Geschlechter waren zu Lindebergs Zeiten am Ende des 16. Jahrhunderts alle ausgestorben; es lebte nur noch das letzte kinderlose Glied der Geschlechter Frese, Bröker und Kron, und von dem Geschlechte von Hervorden lebten zwei Brüder, Lambert und Lorenz, als Rathsherren. Lindeberg sagt: Quemadmodum Athenis, - - Romae, - - ita et Rostochii prosapias quasdam ortas comperimus, quae nomina sua a longa annorum serie ad posteritatem transmiserunt et tandem, ut sunt fugitiva et transibilia humana omnia, patrum nostrorum memoria fatorum iniquitate prorsus interciderunt defeceruntque.

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Von andern, zwar alten, aber weniger berühmten und reichen Geschlechtern mögen nach dem 16. Jahrhundert noch einige nachgeblieben sein, welche noch ein Vierteljahrhundert später die Junkergesellschaft bildeten.

Dem Anscheine nach waren die Geschlechter über viele Hansestädte ausgebreitet. Es kommt auf die Siegel an, ob die Geschlechter gleiches Namens in den verschiedenen Hansestädten verwandt waren, und es mag sich wohl der Mühe verlohnen, weitere Forschungen an den Quellen anzustellen. Es wäre vielleicht möglich, daß mit lübischem Recht und lübischer Verfassung andere Städte auch lübische Geschlechter erhielten. In Lübeck kommen z. B. folgende Geschlechter 1 ) vor, welche in Rostock zu den bedeutendsten gehörten; Baumgarten (1286), Buk (1308), von Dame (1399), Frese (1277), Kosfeld (1230), Kröpelin (1408). Kruse (1177), Mönch (1233), Pape (1295), Rode (1230), Tölner (1188), Voot (1229), Witte (1188). In Wismar kommen ebenfalls viele von den rostocker Geschlechtern vor. Auch in Stralsund 2 ) gehören einige von ihnen zu den Rathsgeschlechtern, z. B. Eselvot (1287), Kosfeld (1286), Kruse (1316), Rode (1263), Voot (1316), Witte (1263).

Die Siegel der lübecker Patricier sind leider noch nicht durchforscht. Zu dem Urkundenbuche der Stadt Lübeck, I., sind auf Tab. I. die, aus dem Jahre 1290 stammenden vier ältesten Siegel lübeckischer Bürger abgebildet. Alle vier führen Hausmarken, zwei von ihnen neben den Hausmarken schon Wappenzeichen. Die Siegel gehören den Bürgern Reineke Mornewech, Johann von Hadersleven, Johann Wullenpunt und Johann Vorrat; alle vier gehören alten lübecker Rathsgeschlechtern an (vgl. Deecke Von der ältesten lübeckischen Rathslinie). Wenn nun Masch zum lübecker Urk. Buche I., S. 761, meint, "man dürfe die Hausmarken der Bürger sicherlich den Wappenbildern des Adels gleichstellen," und "der Bürger habe einfachere Zeichen gebraucht": so können wir ihm nach dem oben Vorgetragenen nicht ganz beistimmen. Ungefähr seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts gilt für das Mittelalter Folgendes als Regel: der gemeine Kaufmann und Bürger führte nur eine Hausmarke im Siegel, der Patricier oder rathsfähige Bürger Schild und Helm. Es wird nun wohl der Fall gewesen sein, daß die großen patricischen Handlungshäuser für den Waarenverkehr daneben auch eine bestimmte Hausmarke führten, wie in Rostock die Kopmann; aber die Hausmarken der Patricier ersetzten nicht die Familien=


1) Vgl. Deecke, Von der ältesten lübeckischen Rathslinie, 1842.
2) Vgl. Brandenburg, Geschichte des Magistrates der Stadt Stralsund, 1837.
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wappen. - Es kommt allein darauf an, wann und wie sich die Wappen der Patricier ausgebildet haben, d. h. ob die Geschlechter seit ihrer Entstehung das 13. Jahrhundert hindurch schon Schild und Helm gefürt haben oder ob sich bei den Patriciergeschlechtern das Wappenwesen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, zugleich mit den Wappen der Rittergeschlechter, welche, mit Ausnahme seltener Fälle, auch zuerst in dieser Zeit vorkommen, nach und nach ausgebildet hat. Die ältesten lübecker Bürgersiegel scheinen für eine allmählige Ausbildung des Wappenwesens am Ende des 13. Jahrhunderts bei den Bürgergeschlechtern zu reden, vielleicht in Nachahmung des Wappenwesens der Rittergeschlechter. Vorzüglich ist erst eine historische Darstellung des Siegelwesens der lübecker Bürger zu erwarten.

Ob einige meklenburgische Ritterfamilien von lübecker Geschlechtern stammen, wie die Loo, Storm, vom See, u. a. ist augenblicklich nicht zu ermitteln.

Die meisten der reichern Geschlechter hatten Landgüter im Besitze. Außer den unten angeführten hatten z. B. die Buk Besitzungen in Sildemow, Stove, Alverstorf und Bistow, die Dame das Dorf Niex, die Gothland das Dorf Bartelstorf, die Kiritz das Dorf Pastow, die Lage das Dorf Bölkow, die von der Mölen das Dorf Dolgen, die Rode die Dörfer Goldenitz und Niendorf u. s. w.

Zum Beweise der im Voraufgehenden ausgesprochenen Ansichten und Wahrnehmungen folgen hier, und dies ist der fernere Zweck dieser Blätter, einige Andeutungen und Nachweisungen über einige rostocker Geschlechter und gleichnamige Rittergeschlechter, welche vorzüglich zur Frage stehen, begleitet von den nöthigen Siegelabbildungen.

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Siegel rostocker Patricier-Geschlechter
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Forschungen

über

einige rostocker Patricierfamilien.

Mit drei Tafeln Siegelabbildungen.


1. Baggel.

Siegel Taf. III. Nr. 5.


Zuerst wird der Rathsherr Bernhard Baggel geschichtlich als Befehlshaber der warnemünder Feste und Anführer der Rostocker in den schweren Zeiten von 1311 - 1312 (vgl. v. Lützow Mekl. Gesch. II., S. 99. und 105, und Schröter Rost. Chronik, S. 26, Not. 82.). Der Burgemeister Winold Baggel (im Jahre 1378 Rathsherr) stiftete im Jahre 1396 das Karthäuser=Mönchskloster Marienehe bei Rostock (vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II., S. 539.). Derselbe Winold Baggel hatte zu einem Zuge der Rostocker nach Schweden zur Befreiung des Königs Albrecht 500 Mark rost. Pfenn. hergegeben, wofür ihm der Rath der Stadt am 23. Februar 1392 eine jährliche Hebung von 40 Mark aus den Gärten auf der Wik und den Stadtwiesen verpfändete 1 ). P. Lindeberg Chron. Rost. V., cap. 4: sagt, es gehe die Sage, das Geschlecht sei ein ritterliches gewesen; jedoch erscheinen die Glieder desselben in Urkunden nur als Bürger. Am Ende des 16. Jahrhunderts war das Geschlecht ausgestorben. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aber blühete das Geschlecht noch, namentlich kommt in den rostocker Urkunden öfter "Hinrik Bagghele borgher to Rostock" 1453 - 1468 vor; derselbe gehörte zu den im Jahre 1427 vertriebenen Rathsherren, welche am 12. August 1454 sich wieder verglichen (vgl.


1) Vgl. Sammlung: Vermischte Urkunden.
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Vermischte Urkunden). Derselbe führte das Taf. III., Nr. 5. abgebildete Wappen:

einen längs getheilten Schild, mit einem halben Hirschgeweih in der rechten und drei Rosen in der linken Hälfte.

Und so wird auch in einem Transsumirungs=Documente vom 27. Aug. 1394, nach der angeführten, unten mitgetheilten Urkunde, das an einer Cessionsacte vom 8. Juli 1393 hangende Siegel des Winold Baggel beschrieben, nach dem Anblick, nicht nach neuerer heraldischer Weise:

inter quasdam virgulationes apparuit clippeus, a dextris habens tres rosulas et a sinistris cornu cervi, generaliter dictum hercztwych (d. i. Hirsch=geweih).


2. Baumgarten.

Siegel Taf. II. Nr. 4. und 5.


Die Familie Baumgarten oder lateinisch de Pomerio, welche wahrscheinlich von dem Dorfe Baumgarten bei Bützow den Namen hat, gehört zu den ältesten Geschlechtern der Stadt Rostock. Schon am 1. Mai 1262 ward der Bürger Willekin von Baumgarten von dem Fürsten Nicolaus von Werle mit den Gütern beliehen, welche er von dem Ritter Heinrich von Vietzen gekauft hatte. Noch im Jahre 1298 war Wilhelmus de Pomerio Rathsherr zu Rostock. Im Jahre 1268 kaufte der rostocker Bürger Engelbert von Baumgarten anderthalb Hägerhufen in Mönchhagen von dem Ritter Reimer von Hamburg. Am 19. Jan. 1314 war Engelbert von Baumgarten unter den alten Rathsherren, welche den Landesherren wieder huldigten (vgl. Schröter Spec. Dipl. Rost. Nr. XIX.); sein an der Originalurkunde hangendes, Taf. II., Nr. 4. abgebildetes Siegel enthält noch ein redendes Wappen:

einen Baumgarten, oder einen Obstbaum hinter einem Gitter im Schilde.

Am 14. Juli 1365 saß der rostocker Burgemeister Johann von Baumgarten im herzoglichen Hofgerichte (vgl. unten Vermischte Urkunden) und führte in seinem Taf. II., Nr. 5. abgebildeten Wappen:

einen sechsstrahligen Stern im Schilde.

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Vermuthlich hatte also die Familie im Laufe der Zeit dieses Wappen später angenommen. Wahrscheinlich wird die Familie vor dem 16. Jahrhundert ausgestorben sein, da Lindeberg ihrer nicht mehr erwähnt.

Wie es scheint, hatten einige Glieder der Familie durch den Landbesitz schon früh ein reines Vasallengeschlecht gebildet, hielten sich jedoch immer etwas städtisch. Schon im Jahre 1283 war ein Ritter Bernhard von Baumgarten (de Pomerio) Zeuge im Kloster Dargun (vgl. Lisch Mekl. Urk. I., S. 177). Nach einer im schweriner Archive aufbewahrten Originalurkunde des Klosters Dargun vom 6. Jan. 1396 verpfändeten der Knappe Johann Baumgarten, Burgemeister zu Neu=Kalen, und der Knappe Nicolaus Baumgarten zu Salem ("Hannes Bomgharde knape vnde borghermester tho deme Nyenkalande vnde Clawes Bomgharde knape dede wonet tho Zalme") dem Kloster drei Mark Pacht aus ihrem Gute Salem (" an vnseme ghude tho Zalme"). Der Burgemeister Johann Baumgarten hat im runden Siegel einen Schild mit drei sechsstrahligen Sternen und der Umschrift:

Umschrift

der Knappe Nicolaus Baumgarten zu Salem hat im runden Siegel einen Schild mit Einem großen, achtstrahligen Sterne und der Umschrift:

Umschrift

also ganz das Siegel, welches nach Taf. II., Nr. 5. der rostocker Burgemeister Johann Baumgarten im Jahre 1365 führt, nur daß in dessen Schilde der Stern fünfstrahlig ist.

In einem durch Zufall im großherzoglichen Archive zu Schwerin erhaltenen Fragmente des Original=Stadtbuches der Stadt Neu=Kalen aus eben dieser Zeit kommen die genannten Personen und ihre Verhältnisse öfter vor. Im Jahre 1397 werden Marquard Witte und Hans Bomgarde ohne weitere Bezeichnung unter den Burgemeistern von Neu=Kalen genannt; im Jahre 1400 war Johannes Bomgarden Burgemeister und Marquardus Witte Rathmann. Johannes Baumgarten war im Jahre 1414 wahrscheinlich schon todt; denn es heißt in dem Stadtbuche:

Wy borghermestere vnde ratmanne tu dem Nyen Calande, de nu synt vnde tu kamen moghen, bekennen vnde betughen, dat Peter Swetzin vnde Claus Bomgarde nemen enen willekoreden dach vor vns alzo vmme den hof af yen

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zit Lalen haue myt der tubehoringhe de Swetzine hadde hat; des daghes nam Bomgarde war vor desseme vorscreuen rade, vnde Peter Swetzin quam ... vore alzo ze wyllekoret hadden; do lêt zik Claus Bomgarde leddich vnde lôs . . . .
Anno domini M °CCCC°XIIII°.
Wy borghermestere vnde raedlude wy bekennen, dat Reymer Troster heft vor vns gheweset vnde ghezettet Bomgarden kynderen I stucke ackers, dat dar lycht by dem Rossower brůke, de . . . vor V marc vincon.
Bertold Grunewolt ys schuldich Bomgarden kynderen X mark vincon., dar heft vor ghelovet Hinrik Grunewolt vnde Hermen Gremelow, de hebben werde louet myt ener sameden hant.
Clawes Blydenaghel ys schuldych Bomgarden kynderen V mark vincon., dar heft vor ghelouet Hermen Gremelow.
Wy borghermestere vnde ratmanne bekennen, dat Bomgarden kynderen is en stucke ackers ghe. . . . . vor X mark vincon. vnde licht by deme . . . . . . . . bruke: V mark ghaff vte Reymer Troster, . mark Clawes Blydenaghel.

In allen diesen Verhandlungen ist keine Spur von rittermäßigen Standesverhältnissen zu erkennen.

Diese Knappen Baumgarten werden sicher der rostocker Patricierfamilie angehören. Eine solche Verzweigung der Familie von Baumgarten ist einzig in ihrer Art. Abgesehen von diesem seltenen Falle begegnen wir aber schon gegen das Ende des 14. Jahrhunderts in manchen Patricierfamilien landbegüterten Söhnen, welche sich als Vasallen Knappen nennen, ohne den Ritterschlag zu erreichen, eine Benennung, welche dem bald darauf für Lehnleute herrschend werdenden Titel Junker (Jungherr, domicellus) gleich kommt. Ich habe an andern Orten die Nachkommen solcher Knappen wohl Knappengeschlechter genannt, da sich kein Ritter als Stammvater nachweisen läßt. Auch der Bürgersohn Hans Katzow zu Rostock nannte sich im Jahre 1516 Knappe (vgl. unten).

Einem solchen landbegüterten Patriciergeschlechte wird denn auch der Knappe Marquard Witte angehören, welcher mit dem Bürger Dietrich Püttelkow ("Marquart Witte knape vnde Thiderich Putlecowe borgher tho deme Nyen-

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kalande") die oben erwähnte Urkunde vom 6. Jan. 1396 bezeugt und besiegelt; der Knappe Marquard Witte führt im runden Siegel einen Schild mit drei Rosen

Umschrift

Der Bürger Dietrich Püttelkow führt ein Hauszeichen in Gestalt eines W im Siegel. Von einem rittermäßigen Geschlechte Witte ist sonst im schweriner Archive keine Nachricht vorhanden.


3. Frese.

Siegel Taf. III Nr. 2.


Das Geschlecht erscheint schon im 13. Jahrhundert angesehen und begütert. Im Jahre 1284 besaß der Bürger Heinrich Frese das Gut Spotendorf, (vgl. Lisch Gesch. des Geschlechtes Hahn I., Urk. Nr. XLVI.), welches derselbe im Jahre 1286 an die Stadt Rostock überließ (vgl. Rost. Wöchentl. Nachrichten 1752, Stück 35.); vielleicht war derselbe ein Sohn des im Jahre 1282 verstorbenen Nicolaus Frese, welcher Bobbin besessen hatte (vgl. das. Nr. XLII.). Jener Heinrich Vrese war im Jahre 1289 Rathsherr. Vielleicht stammte das Geschlecht aus Friesland, da der Name Frese oder Vrese die plattdeutsche Form für Friese ist und der Name auch lateinisch immer durch Friso übersetzt wird. Der Rathsherr Dietrich Frese gehörte zu den alten, wieder eingesetzten Rathsherren, welche am 19. Januar 1314 nach Beendigung der Revolution den Landesherren wieder huldigten (vgl. Schröter Spec. Dipl. Rost. Nr. XIX.); derselbe führt nach dem an der Original=Urkunde hangenden Siegel im Schilde: einen Friesenkopf mit langen Haaren und großen Ohrringen, denn für einen solchen Kopf muß man das Schildzeichen nach dem Namen wohl halten. Ganz dasselbe Siegel, von gleicher Form und gleicher Zeichnung, führt, nach der Abbildung Taf. III., Nr. 2., der Rathsherr Heinrich Frese, welcher am 14. Juli 1365 im herzoglichen Hofgerichte saß 1 ), vielleicht derselbe, welcher 1333 und 1334 während der Zeit der Vormundschaft für den Fürsten Albrecht Rathsherr war (vgl. Jahrb. VII., S. 16. flgd.). Noch im Jahre 1567 war Nicolaus Frese Rathsherr zu Rostock.

Nach Lindeberg war das Geschlecht am Ende des 16. Jahrhunderts bis auf eine Tochter ausgestorben und es war ihm eine


1) Vgl. Urk. Sammlung: Vermischte Urkunden.
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andere vornehme Familie gleichen Namens gefolgt, wahrscheinlich die noch existirende, welche ein anderes Wappen führt. Lindeberg sagt: "Fresen. Haec familia ad unicam quandam femellam fatali sua periodo confecta desiit, cui successit cognominis familia alia et quidem ut fortunis, ita quoque dignitate admodum aequalis."


4. Holloger.

Siegel Taf. II. Nr. 9.


Die Holloger lassen sich nicht über das 14. Jahrhundert hinaus verfolgen. Vielleicht ist der in Nettelbladt Hist. Dipl. Abhandl. S. CV genannte "holhoghen" der erste Holgher. Vom Jahre 1347 - 1355 war Dietrich Hollogher Rathsherr (vgl. Nettelbladt Hist. Abhandl. S. LXIX - LXXV), im Jahre 1359 Conrad Hollogher Rathsherr (vgl. das. S. CXXI). Im Jahre 1399 ward der Rathsherr Dietrich Holloger in den Besitz des Gutes Striestorf gesetzt, welches Hinrich von der Lühe ihm wegen Schuld verschrieben hatte. Im 15. Jahrhundert war die Familie vorzüglich blühend und angesehen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebten Franz, Everhard, Joachim und Reimar, Söhne des verstorbenen rostocker Bürgers Reineke Holloger. Reimar Holloger war 1499 Propst des rostocker Domstifts und Pfarrer der Marienkirche, auch herzoglicher Rath, und ging als solcher im Jahre 1496 als Gesandter nach Rom (vgl. Jahrb. I., S. 18. und IV., S. 252). Von Joachim Holloger besitzt der Verein (vgl. Jahresber. I., S. 16. und II, S. 85.) das auf Taf. II., Nr. 9. abgebildete Original=Siegel, welches als Wappen hat:

einen schmalen Sparren auf einem Schilde, in dessen drei Winkeln ein Auge (Hohlauge=holl - ôge) steht,

wie es auch die übrigen Familienglieder führen. Zu Lindebergs Zeiten war das Geschlecht schon ausgestorben.


5. Katzow.

Siegel Taf. III. Nr. 6.


Das Geschlecht der Katzow, auch Kassow geschrieben, tritt vorzüglich im 15. Jahrhundert an das Ruder der Stadt Rostock. Der erste Katzow scheint Heinrich Katzow zu sein, welcher im

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Jahre 1340 als Richter in den Stadtbüchern vorkommt. Mit Bedeutung tritt der Burgemeister Hinrich Katzow in die Geschichte. Im Jahre 1402 stiftete er (proconsul in Rostock) als Testamentsvollstrecker des Bürgers Henneke Katzow eine ewige Vicarei für das Geschlecht der Katzow in der Nicolaikirche zu Rostock. Im Jahre 1419 beförderte er die Stiftung der Universität Rostock und repräsentirte den Rath bei der Feierlichkeit der Eröffnung. Der Burgemeister Heinrich Katzow lebte noch im Jahre 1428. Im Jahre 1416 belehnte der Herzog Albrecht den Heinrich Katzow, Einwohner (inwoner) zu Rostock, wahrscheinlich den Burgemeister, mit dem Hofe und Dorfe Kösterbek, welches er von Henning Hoge gekauft hatte, und im Jahre 1421 verpfändete Heinrich Zeplin demselben halb Fresendorf. Im Jahre 1428 verglichen sich Heinrich Katzow und sein Sohn Engelke mit der Herzogin Vormünderin Katharine wegen der Streitigkeiten, welche die Katzow wegen dieser Güter mit der Landesherrschaft hatten; die Herzogin ließ die gerichtlichen Ansprüche fahren, dagegen traten die Katzow ihr die Güter Kösterbek und Fresendorf und 700 Mark lüb. in Blengow ab, wofür die Herzogin ihnen das Vorkaufsrecht an jenen Gütern verschrieb. Es fehlt uns klare Einsicht in die Verhältnisse; vielleicht mochte die ganze Versur in den Zeiten der Revolution nur ein Scheinvertrag sein. In der Revotution von 1427 waren es vorzüglich die Katzow, welche die Stadt räumen mußten; den Vergleich der Geschlechter mit der Stadt, vom 12. August 1454, schlossen unter andern auch Engelke Katzow und die Brüder Kiritz, Hinrich und Lambrecht Katzow. Im Jahre 1446 trat der Herzog Heinrich dem Bürger Engelke Katzow für 800 Mark rost. Pfennige alle Pacht und Hebungen aus den Dörfern Kösterbek und Fresendorf, so wie der Burgemeister Hinrich Katzow und Engelke Katzow sie besessen, wiederkäuflich wieder ab. - Im Jahre 1468 hatte Kiritz Katzow Antheil an Hohen=Schwarfs und 1458 hatte den Katzow das Gut Klingendorf gehört, welches in diesem Jahre an den Dr. Schönberg, welcher eine Katzow zur Frau hatte, überging (vgl. die Familie Schönberg). Im Jahre 1491 stifteten die vorgenannten Brüder Kiritz Katzow, Bürger zu Rostock, und Heinrich Katzow, Bürger zu Stralsund, wahrscheinlich Engelkes Söhne, da Heinrich im Besitze des Siegels desselben war, und Kiritzens Söhne, Rolof und Hans, eine Vicarei in der Marienkirche zu Rostock, wo sie eine eigene Kapelle hatten. Allem Anscheine nach ist die Familie im Anfange des 16. Jahrhunderts ausgestorben, da Lindeberg keine Nachricht mehr von ihr hatte. Rolof Katzow lebte noch im Jahre 1504.

Sehr interessant ist es, daß sich in einer unten mitgetheilten

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Urkunde vom 11. August 1516 Hans Katzow, des Bürgers Antonius Wobbe Stiefsohn, im Anfange der Urkunde Knappe nennt, der einzige Fall, so weit bekannt ist, unter den rostocker Patriciergeschlechtern; aber damals waren die Reihen der Geschlechter schon so gelichtet, daß die wenigen Sprößlinge nur noch von dunklen Erinnerungen zehrten und sich im grundlosen Stolze beim Untergange des Ritterthums einen Titel beilegten, der ihnen nicht gebührte und der den Uebergang zu dem später gebräuchlichen Titel Junker bahnte. Wahrscheinlich war dieser Hans Katzow der letzte seines Geschlechts.

Das Wappen der Katzow war das wismarsche Stadtwappen:

ein längs getheilter Schild, rechts mit einem halben Stierkopfe, links mit einem Queerbalken.

Das auf Taf. III., Nr. 6. mit diesem Wappen abgebildete Siegel führte Kiritz Katzow im J. 1462 und sonst 1457, 1462, 1468 und 1491; dasselbe Wappen führen Engelke Katzow 1428, 1443, Heinrich und Lambert Katzow 1457, Rolof Katzow 1491. Ein Kiritz Katzow hat 1504 im Allgemeinen dasselbe Wappen, jedoch mit

zwei Queerbalken in der linken Schildeshälfte;

eben so sind einige andere jüngere Siegel gestaltet.

Auffallend ist es, daß Hans Katzow im J. 1491 im Siegel

das nebenstehende Hauszeichen Hauszeichen

mit der Umschrift: Umschrift   führt und sich doch 1516 Knappe nennt.


6. Kopmann.

Siegel Taf. II. Nr. 1 und 2.


Das Geschlecht der Kopmann gehört neben dem der Quasten zu den reichsten und angesehensten der ältern Zeit. Schon am 24. Junii 1267 verkaufte das Kloster Dargun an den Bürger Arnold Kopmannn zu Rostock ein Salzhaus zu Sülz (vgl. Lisch Mekl. Urk. I, S. 141); derselbe war am 29. September 1289 gestorben (vgl. das. S. 190). Am 28. Julii 1301 kommt der Bürger Bernhard Kopmann als Zeuge bei dem Könige Erich von Dänemark zu Warnemünde vor (vgl. Schröter Spec. Dipl. Rost. Nr. VII). Dieser Bernhard Kopmann spielte in den bald darauf folgenden Ereignissen eine wichtige Rolle, wozu ihm sowohl Reichthum, als Einsicht Gelegenheit gegeben zu haben

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scheinen. Am 3. April 1310 verlieh ihm der Dänenkönig Erich das Eigenthum des Dorfes Sanitz (vgl. Schröter das. Nr. XII), welches ihm am 20. Februar 1311 der Fürst Heinrich von Meklenburg bestätigte (vgl. Schröter das. Nr. XV), und am 14. Mai 1318 verlieh derselbe dem rostocker Bürger Arnold Kopmann das Dorf Pastow (vgl. Rost. Nachr., 1753, S. 110). Am 16. April 1310 lieh von ihm der Fürst Heinrich 200 Mark (vgl. Schröter das. Nr. XIII).

Im J. 1311 wurden Heinrich von Gothland und Bernhard Kopmann von dem Rath an den König von Dänemark gessandt, um mit ihm in Güte zu unterhandeln (vgl. v. Lützow M. G. II, S. 96), und unter den im J. 1312 gefüchteten und 1314 wieder eingesetzten Rathsmitgliedern waren auch Bernhard und Arnold Kopmann (vgl. Schröter a. a. O. Nr. XVIII und XIX). Aus allen diesen Vorgängen sieht man klar, wie sehr der Rath und die Geschlechter mit den Fürsten verbunden waren.

An der bei Schröter a. a. O. Nr. XVIII gedruckten Original=Urkunde der geflüchteten Rathsherren vom 9. Januar 1314 hangen auch die Taf. II., Nr. 1. und 2 abgebildeten Siegel Bernhards und Arnolds Kopmann. Bernhard Kopmann führt im Siegel noch ein ankerähnliches Hauszeichen, vielleicht auch wirklich ein Anker. Arnold Kopmann hat aber schon ein Wappen:

drei rechtsgekehrte Kaufmannsköpfe im Schilde;

denn so, wie auf dem Siegel abgebildet, werden auf andern Siegeln aus jener Zeit Kaufleute und Schiffer dargestellt: mit bartlosen Köpfen und spitzen Hüten.

Ueber die Dauer des Geschlechts in alter Zeit fehlt es an bestimmten Nachrichten. Im J. 1350 ward Arnd Kopmann Rathsherr zu Rostock.


7. Kröpelin.

Siegel Taf. III. Nr. 4.


Das Geschlecht der Kröpelin gehört zu den bekanntesten und angesehensten der Stadt Rostock. Wahrscheinlich trug es seinen Namen von dem alten Orte Kröpelin, welcher vor 1250 Stadt ward, und gab wiederum der "kröpeliner Straße" mit dem "kröpeliner Thore" zu Rostock den Namen, da die Straße in Rostock

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wohl eher da gewesen sein mag, als die Stadt Kröpelin, welche überdies sehr klein ist und 3 Meilen von Rostock liegt. Die Familie war auch zu Wismar eine Rathsherrenfamilie.

Die Geschichte dieser Familie läßt sich ziemlich klar verfolgen. Zuerst erscheint im J. 1265 Heinrich Kröpelin als Rathsherr. In den ersten 3 Jahrhunderten der Stadt Rostock lassen sich nun fast zu allen Zeiten Mitglieder dieser Familie, und gewöhnlich im Rathe, nachweisen. Der herzogliche Canzler Magister Johann Kröpelin 1361 flgd. gehörte wahrscheinlich diesem Patriciergeschlechte an, wie der Canzler Barthold Rode 1337 - 1351 aus einem rostocker Geschlechte stammte. Die Familie war lange Zeit im Besitze vieler Landgüter, namentlich Bartelsdorf (1384), Evershagen (1355), Finkenberg (1354), Harmstorf (1378). Kessin (1350), Kussewitz (1354) und Warstorf (1352), und außerdem mehrerer Pfandgüter. Im J. 1496 war Lambrecht Kröpelin als der letzte seines Geschlechts gestorben und die Herzoge zogen die Güter, welche er damals noch besessen hatte, namentlich halb Bartelsdorf, halb Kl. Kussewitz, halb Kessin, Harmstorf, Evershagen und Warstorf, als heimgefallene Lehen ein. Es entstand über diese Einziehung ein langer Streit, welcher den schon obschwebenden Streit über die eingezogenen Güter der Wilden und Schönberg noch vergrößerte; die Wittwe des Lambrecht Kröpelin hatte die eine Hälfte, die nachgelassene Tochter Margarethe, Wittwe des Rolef Kirchhof, wahrscheinlich die andere Hälfte der Güter in Besitz genommen.

Das Wappen der Familie war:

ein queer getheilter Schild, dessen untere Hälfte mit Schuppen bedeckt, dessen obere Hälfte mit zwei Lilien gefüllt ist, und auf dem Helme eine Lilie.

Dieses auf Taf. III., Nr. 4. abgebildete Siegel führt der oben genannte Lambrecht Kröpelin, 1480 "borger, 1483 ratman to Rostock", wiederholt; sein Vater Johann Kröpelin, Rathsherr zu Rostock, führt denselben Schild öfter in der Zeit 1450 - 1468. Beide stellen nach der Restitution der Geschlechter den unten abgedruckten Vergleich vom 12. Aug. 1454 aus. Lindeberg sagt, der letzte des Geschlechts, Lambrecht, sei 1487 Rathsherr, zur Zeit der Revolution gefangen, ein erfahrner und reicher Mann gewesen, der viele Häuser in der Stadt besessen habe.

Die Familie Kröpelin ist von allen rostocker Patriciergeschlechtern die bekannteste, theils weil sie selbst in der Geschichte sehr häufig eine Rolle spielt, theils weil in staatsrechtlichen Abhandlungen, besonders wenn die Vorrechte der rostocker Geschlechter zur Frage standen, immer, was gar nicht nöthig war, darauf

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hingedeutet ist, die rostocker Patriciergeschlechter seien rittermäßigen Ursprunges, weil es eine Ritterfamilie und eine Patricierfamilie des Namens Kröpelin gegeben habe. Diese Behauptung ist aber von vorne herein unbegründet gewesen, da bisher die Wappen beider Geschlechter in dieser Unterscheidung gar nicht bekannt waren. Und in der That sind beide Geschlechter gar nicht verwandt; ja selbst die Vasallen Namens Kröpelin sind unter einander nicht alle verwandt.

Es gab nämlich, außer der rostocker Patricierfamilie, zwei rittermäßige Familien von Kröpelin.

Die ältere rittermäßige Familie von Kröpelin, deren ritterliche Glieder z. B. die Ritter: Johann (seit 1257), und Gerhard und Jordan, Brüder, (seit 1273), (vgl. z. B. Lisch Mekl. Urk. I und II nach den Registern), in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. oft im Gefolge der Fürsten von Werle vorkommen, führten zum Wappen

einen queer getheilten, oben schraffirten, unten geblümten, d. h. wahrscheinlich: oben metallenen, unten gefärbten, Schild,

wie das auf Taf. I., Nr. 2. abgebildete Siegel des Ritters Jordan von Kröpelin an zwei im schweriner Archive aufbewahrten Original=Urkunden des Klosters Dargun vom 2. Febr. 1320 und 7. Jan. 1324 beweiset. Die Familie war im östlichen Meklenburg, in der Nähe von Dargun, begütert und besaß namentlich die Güter Gr. Methling und Kowalz, welche sie schon früh nach und nach und theilweise an das Kloster Dargu veräußerte. Diese Familie muß schon früh ausgestorben sein, da sie nach dem 14. Jahrhundert nicht mehr vorzukommen scheint. Diese Familie ist aber die eigentliche, alte Ritterfamilie von Kröpelin.

Eine andere Vasallenfamilie von Kröpelin, welche bis in die erste Zeit der neuern Geschichte hinein lebte, ist nur in ihrer letzten Zeit bekannt. Sie war in zwei Linien getheilt.

Die eine Linie saß, so weit die Acten zurückreichen, seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts auf Gr. Upahl und starb in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus: zuletzt erscheint 1625 Henning Kröpelin auf Gr. Upahl. Eine Tochter desselben ward im J. 1572 an den herzoglichen und landschaftlichen Ausschuß=Secretair M. Simon Leupold verheirathet (vgl. Jahrb. V, S. 162). Diese Linie führt zum Wappen:

drei Hüte im Schilde,

wie das auf Taf. I., Nr. 5. abgebildete Siegel des "Cordt Kröpelin tho Upal" an einer Original=Urkunde vom J. 1553 beweiset. v. Gamm in seinen handschriftlichen Nachrichten giebt als einziges kröpelinsches Wappen an:

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drei altförmische silberne Hüte oder Mützen in blauem Felde, auf dem Helme einen gleichen Hut vor drei Pfauenfedern.

(Vgl. Westphalen Mon. ined. IV, p. 1260.)

Die andere Linie wohnte in der Stadt Parchim. Im J. 1516 verkaufte die Familie von Nienkercken die damals wüste Feldmark Poitendorf bei Parchim an Heinrich Kröpelin zu Parchim. Dieser bauete das Dorf wieder auf und zog selbst dahin, ward aber bald darauf im J. 1553 von Dethlof Platen erschossen. Er war der letzte seines Geschlechts. Seine Wittwe heirathete Christoph Reventlow zu Gallentin wieder. Aber die Landesherrschaft nahm das Gut als ein nach dem Erlöschen des Geschlechts heimgefallenes Lehn in Anspruch und nach dem Tode der Wittwe in Besitz. Zwar erhoben die Kröpelin auf Upahl als nächste Vettern Ansprüche, welche jedoch die Lehnsherren nicht anerkennen wollten; der Streit dauerte kurze Zeit, bis um das J. 1625 auch die Kröpelin auf Upahl ausstarben.

Beide Linien werden eines Stammes sein, da auch Heinrich Kröpelin zu Parchim im J. 1552 und öfter zum Wappen

drei Hüte im Schilde

führte, welche jedoch rechts gekehrt zu sein scheinen, was jedoch keinen Unterschied macht. Diese Kröpelin scheinen mit den von Schönberg, von denen ebenfalls immer Glieder, zu Parchim, andere auf Schönberg und Frauenmark wohnten, gleichen Ranges und Werthes gewesen zu sein.


8. Kruse.

Siegel Taf. III. Nr. 3.


Die Kruse (Crispus) scheinen erst seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts eine Rolle in Rostock gespielt zu haben. Seit dem J. 1323 ist der Rathsherr und Burgemeister Ludwig Kruse bekannt Er war vor dem J. 1358 gestorben und hatte die Stiftung einer Vicarei in der Marienkirche zu Rostock aus seinem nachgelassenen Vermögen testamentarisch bestimmt. Im J. 1339 erwarb der Burgemeister Ludwig Kruse das Dorf Beselin, im J. 1349 der Burgemeister Heinrich Kruse das Dorf Sildemow. Im J. 1361 belehnte der Herzog Albrecht von Meklenburg den Gise Halterman, des verstorbenen Fürsten "Johann von Werle zu Goldberg Diener", mit dem Gute in Beselin und Sildemow, welches ihm "von Rechts wegen ange=

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fallen war von den Rathmännern Ludwig und Heinrich Kruse, seinen Oheimen." Der nähere Zusammenhang dieses Vorganges ist nicht klar. Im 15. Jahrhundert hatten die Buek Besitzungen in Sildemow; Sildemow gehörte später zur Hälfte den Wilden. Im Jahre 1470 bestätigte der Herzog Heinrich dem Burgemeister Bernd Kruse wegen seiner vielen treuen Dienste alle Güter, welche seine Vorfahren und er bis dahin im Lande zu Pfande besessen hatten, namentlich im Toitenwinkel von den Moltken und auf der Drenow von den Gummern, und was er sonst besaß. - Wann die Familie der Kruse ausgestorben ist, ist nicht bekannt.

Was das Wappen betrifft, so führt Ludwig Kruse im J. 1333 noch beistehendes Hauszeichen Hauszeichen   im Siegel.

Der Rathsherr Bernd Kruse führt jedoch im J. 1426 das auf Taf. III., Nr. 3. abgebildete Siegel:

drei Krausköpfe im Schilde und einen mit einer Glorie von Pfauenfedern umgebenen Kopf auf dem Helme.

Die adelige Familie Kruse auf Varchentin führt einen längs gespaltenen Schild, rechts mit einer Rose, links mit einem Flügel, und auf dem Helme einen Stierkopf mit einem Flügel zwischen den Hörnern.


9. Quast.

Siegel Taf. II. Nr. 3.


Die Famile Quast gehört zu den älteren Familien der Stadt Rostock. Zuerst wird im J. 1298 der Rathsherr Albert Quast bekannt. Im J. 1301 erscheint der Bürger Arnold Quast. Demselben und den Erben seines verstorbenen Bruders Tidemann Quast tritt am 27. März 1305 der König Erich von Dänemark Gerichte, Beden, Vogtei und Dienste in den Dörfern Bentwisch, Schwarfs und Kessin ab (vgl. Schröter Spec. Dipl. Rostoch. Nr. X.). Eben derselbe Arnold Quast war unter den im J. 1312 geflüchteten und im J. 1314 wieder eingesetzten Rathsmitgliedern (vgl. Schröter a. a. O. Nr. XVIII. und XIX.). Das an der Original=Urkunde vom 9. Januar 1314 hangende, auf Taf. II., Nr. 3. abgebildete Siegel führt im

queergetheilten Schilde zwei gekreuzte Quäste

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oder Besen. Die Dauer der Familie ist nicht genau zu verfolgen. Im J. 1354 war Heinrich Ouast Rathsherr und Camerarius zu Rostock (vgl. Nettelbladt Hist. dipl. Abhandl. S. LXX.). Am 15. Januar 1362 verlieh der Fürst Lorenz von Werle dem Rathsherrn Simon Quast und dem Johann Quast und dessen Söhnen Conrad und Arnold, Bürgern zu Rostock, die Allodialität des Dorfes Sabel (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II. S. 165.). Im J. 1445 war Hermann Quast Mitgelober in einem Vertrage zwischen Joachim und Heinrich Wilde und dem Rath der Stadt Rostock (vgl. Rost. Nachr. 1756, S. 38.).


10. Schönberg.

Siegel Taf. III. Nr. 8.


Das Geschlecht der Schönberg ist bisher kaum bekannt, gewiß noch nicht klar erkannt gewesen, und doch hat es in den wenigen bekannten Zügen einen eigenthümlichen Reiz. Bekannt ist nämlich in alter Zeit nur der Dr. med. Heinrich Schönberg, Professor an der Universität und "Bürger der Stadt Rostock." Als nach der Revolution von 1427 die vertriebenen und im J. 1439 zurückgerufenen Geschlechter sich im J. 1454 mit der Stadtgemeinde wieder ausglichen (vgl. unten die Urkunde), mußte auch der Professor Dr. Heinrich Schönberg ("mêster Hinricus Schonenbergh, doctor in der artzedye") versprechen, zu keiner Zeit, weder heimlich, noch offenbar, weder durch sich selbst, noch durch andere, gegen den Vertrag zu handeln, und mußte die Urkunde mit den übrigen Ausstellern aus den Geschlechtern besiegeln. Wahrscheinlich hatte er, der den Katzow nahe verwandt war, als ein gelehrter Mann den Geschlechtern vielfachen Rath gegeben, vielleicht auch selbst auswandern müssen. Vielleicht für seine Bemühungen in den rostocker Wirren, im Gegensatze der demokratischen Aufregung, verlieh ihm der Herzog Heinrich im J. 1458 wegen seiner Verdienste ("vmme veles truwes dênstes willen, den vns de werdige vnse leue getruwe mêster Hinrick Schonenberge, lerer in der arstedye, vnse borger tho Rostock, gedhân heft vnde noch dôn mag in thokômenden tyden") das Dorf Klingendorf, welches die Vorfahren und Verwandten seiner Frau, die Katzow (vgl. diese Familie), besessen hatten, wogegen Heinrich Schönberg dem Herzoge zu "einem freundlichen Geschenke" 900 sundische Mark zahlte. Im J. 1486 zog die

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Landesherrschaft das Gut Klingendorf nach Heinrich Schönbergs Tode ein, weil die Muthung versäumt war (vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 854, 876 flgd.). Der Streit mit der Stadt wegen der Lehnsqualität dauerte noch lange.

Im J. 1455 hatte er mit Bewilligung des Herzogs Heinrich von einer Vicarei der Marienkirche zu Lübeck in dem Dorfe Benitz 6 Hufen, die " lübischen Hufen" genannt, gekauft. Die weitern Schicksale dieser Besitzungen sind nicht bekannt; im Allgemeinen war das Dorf lange ein Lehn der Vieregge.

In seinem auf Taf. III. Nr. 8. abgebildeten Siegel führte der Dr. Heinrich Schönberg:

einen längs getheilten Schild: rechts queer getheilt, unten schraffirt, oben leer, links einen halben Adler, und auf dem Helme einen Flug.

Ein anderes Geschlecht war das rittermäßige Geschlecht der von Schönberg, deren altes Lehn Schönberg zwischen Crivitz und Parchim war, von welchem sie auch ohne Zweifel den Namen trugen; sie wohnten auch viel in der Stadt Parchim und hatten zu verschiedenen Zeiten mehrere andere Güter in der Nähe der Stadt. Diese Schönberg theilten sich, gewiß seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, in zwei Linien: in die Friesen=Schönberg, weil die Familie der Sage nach aus Friesland stammte, auf Frauenmark bei Crivitz, als Hauptgut, und Schönberg, und die Strand=Schönberg, weil sie am Meeresstrande, auf Meschendorf bei Neu=Bukow, wohnten. Beide Linien hatten Antheile an dem altväterlichen Lehn Schönberg, hatten zusammen immer die Roßdienste geleistet, sich immer für Vettern gehalten und gleiche Siegel geführt, wie das auf Taf. I., Nr. 6. abgebildete alte Siegel des Reimbern von Schönberg auf Goldenbow aus dem J. 1374, nämlich:

einen Schild mit einem Berge in der Mitte und einem Sterne in jedem Winkel,

obgleich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die letzten Sprößlinge des Geschlechts aussagten, sie führten

drei Berge und drei Sterne im Schilde,

eine Verunstaltung, welche im Laufe der Zeit sich eingeschlichen haben muß, da von den Familiengliedern anerkannte Siegel nur "Eine Erhöhung" in der Mitte des Schildes zeigten.

Im J. 1553 cedirte Hans Schönberg auf Meschendorf seinem Vetter Joachim Schönberg auf Frauenmark die Auslösung seines Antheils an dem Gute Schönberg, welches an Otto Trebbow verpfändet war.

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Hans Schönberg auf Meschendorf war der letzte seines Geschlechts. Er wohnte zu Rostock und starb hier im November 1555 ohne männliche Leibeserben.

Joachim Schönberg auf Frauenmark fand die Wittwe Elisabeth und die Schwestern ab und nahm das Gut nach landesherrlicher Einweisung in Besitz. Als nach Joachims Tode sein Sohn Heinrich Schönberg das Gut Meschendorf in Besitz nahm, machten auch seine zwei Schwestern Ansprüche. Daher nahmen die Landesherren das Gut in Sequester, um so mehr als auch Heinrich Schönberg der letzte der frauenmarker Linie, also des ganzen Geschlechts, war; auch bestritt die Landesherrschaft die Vetterschaft beider Linien, und nannte den Hans Schönberg auf Meschendorf einen "Bürger von Rostock", ließ jedoch jedem den Weg Rechtens frei.

Uebrigens war die Verwandtschaft zwischen der bürgerlichen und adeligen Familie in der Folge ganz unklar. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts machten die Brüder Heinrich und Hans Schönberg auf Meschendorf Ansprüche auf das Dorf Klingendorf, welches ihr "Vetter" Heinrich Schönberg nach glaubhaften Briefen besessen habe. Jedoch ließ sich die Lehnscanzlei nicht auf den Antrag ein; der Canzler von Lucka schreibt auf die Rückseite: fuit feudum novum et ipsi non habent jus petendi.


11. Tölner.

Siegel Taf. III. Nr. 1.


Die Familie Tölner oder Zöllner war eine alte Familie, welche schon 1286 im Rath und im J. 1297 in Johannes Thelonearius (vgl. Lisch Mekl. Urk. I, S. 206. und 208.) und 1298 in Johannes Tolnerus genannt wird. In den Jahren 1339 und 1358 war ein Johann Tölner Burgemeister zu Rostock; an einer Urkunde vom 18. Februar 1358 hängt sein Siegel, wie es hier abgebildet ist:

ein längs getheilter Schild, in der rechten Hälfte mit einem halben Rade, in der linken Hälfte mit drei Rosen.

Die weitern Schicksale der Familie sind nicht bekannt.

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12. Volkenshagen.

Siegel Taf. II. Nr. 6.


Die Familie von Volkenshagen ist wenig bekannt geworden und nur deshalb hier angeführt, weil ihr Siegel zu den ältesten Siegeln der rostocker Geschlechter gehört. Unter den im J. 1312 geflüchteten und 1314 wieder eingesetzten "beschlechteten" Rathsherren wird in den beiden Urkunden (bei Schröter Spec. Dipl. Rostoch. Nr. XVIII und XIX) ein "Tige" ohne Geschlechtsnamen genannt. Sein schönes, großes Siegel führt

eine Lilie im Schilde

und hängt an beiden Urkunden, jedoch an der Urkunde vom 19. Jan. 1314 sehr verstümmelt. Die Urkunde vom 9. Januar 1314 trägt aber noch das Siegel wohl erhalten, wie es hier Taf. II., Nr. 6. abgebildet ist; nach der Umschrift:

Umschrift

hieß der Rathsherr also Mathias von Volkenshagen, und "Tige" ist eine Abkürzung aus "Mathias".


13. Wilde.

Siegel Taf. II. Nr. 7 und 8.


Die Familie der Wilden kommt erst seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts in Rostock vor. Nach Lindeberg sollen sie zuerst in Wismar, wo sie allerdings auch im Rathe saßen, ein Geschlecht begründet ("familiam constituisse constans "fama est") und sich nach Lübeck und Rostock verzweigt haben, wo sie zu großem Ansehen und Reichthum gelangten. Lindeberg führt zuerst Hermann 1287 und den Rathsherrn Heinrich 1300 auf. Urkundlich erscheint im Anfange des 14. Jahrhunderts öfter Gerwin Wilde als Rathsherr zu Rostock. Derselbe war unter den im J. 1312 geflüchteten und im J. 1314 wieder eingesetzten Rathsherren (vgl. Schröter Spec. Dipl. Rostoch. Nr. XVIII und XIX). Im J. 1329 kauften die Brüder Dietrich und Johann Wilde, Bürger zu Rostock, das Gut Jürgenshagen, welches der Bürger Gerlach Wilde im J. 1375 an das Bisthum Schwerin wieder veräußerte (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 268). Im J. 1331 erwarben die Wilden das Gut Niendorf; im J. 1372 erwarb der Burgemeister Gerwin Wilde für sich und sein Ge=

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schlecht das Dorf Wendisch=Kussewitz und die zwischen diesem Dorfe und Volkenshagen gelegene Mühle; später müssen die Wilden noch halb Sildemow, welches 1349 den Krusen verliehen war, vielleicht durch Erbschaft, an sich gebracht haben. Im Anfang des J. 1404 war Wendel Wilde Priorin des Klosters Ivenack. Durch den Tod des Rathsherrn Dietrich Wilde und seiner Söhne, unter denen Michael genannt wird, war das rostocker Geschlecht im J. 1485 ausgestorben. Die Landesherren machten Ansprüche auf die Güter, als durch Aussterben eröffnete Lehen, welche "eyn Schlechte to Rostock geheten de Wilden hebben in vorledenen und woll aver IIC "Jaren van den Forsten to Meklenborch tho erfflickem Rechte eyn Deill gekofft und eyn Deill ock en angeervet in steder were, brukinge vnd roweliken besytt gehat, Dorper, Molen vnde andere Landguder in deme Lande tho Rostock vnd Meklenborch belegen, als benomptlike Sildemow halff, Niendorp gantz vnde hel Wendischen Kussewitze vnd de Hornsmolen, mit aller rechticheit vnd thobehoringe". Die Güter waren zur einen Hälfte von Lorenz Burmeister, vielleicht einem Schwiegersohn, zur andern Hälfte von der Wittwe Dietrichs Wilden, Benedicte, und nach deren Tode von ihren Erben: Albrecht Bröker, Mathias Möller und Vicke van Hervorden in Besitz genommen. Es entspann sich ein Streit zwischen allen diesen und dem rostocker Magistrate, auf der einen, und den Landesherren, auf der andern Seite, ein Streit, welcher erst nach langer Zeit Erledigung fand (vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 853 flgd.).

Der erste Wilde zu Rostock, Gerwin, führte an der Urkunde vom 9. Januar 1314 (Schröter Spec. Dipl. Rostoch. Nr. XVIII) in seinem Taf. II., Nr. 7. abgebildeten Siegel:

einen Schild mit zwei gekreuzten Pflanzen, in deren Winkeln vier Rosetten liegen.

Damals also mag die Familie noch kein bestimmtes heraldisches Wappen angenommen haben. In der Folge führte sie nämlich einen Bock im Schilde. Lindeberg führt darüber folgenden alten Vers an:

Vns vöröldern hödden de zegen,
Wy sin, Godt loff, höger gedegen,
Hethen mit thonam de Wilden,
Und föhren enen Buck in Schilden.

Dieses Wappen führten denn auch die wismarschen Wilden: einen Bock im Schilde.

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Siegel rostocker Patricier-Geschlechte
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Das auf Taf. II., Nr. 8. abgebildete Siegel führte nämlich der wahrscheinlich aus Wismar nach Rostock übergesiedelte rostocker Rathsherr Dietrich Wilde an einer für sich und seinen Bruder Caspar Wilde, Rathsherrn zu Wismar, am 1. September 1504 ausgestellten Original=Urkunde.