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Die Graburnen der Hünengräber.

Es ist Absicht des Ausschusses des Vereins, nachdem jetzt hinreichend Erfahrungen gesammelt sind, nach und nach die Charakteristik der Urnen der verschiedenen Perioden zur Kenntniß und Anschauung zu bringen. Und so sollen denn hier zuerst die Urnen der Steinperiode oder der sogenannten Hünengräber vorgeführt werden.

Die Hünengräber, welche in neuern Zeiten in Meklenburg bei der Aufgrabung vorzüglich beobachtet sind und den werthvollsten Stoff zur Forschung liefern, sind:

1) das Hünengrab von Prieschendorf bei Dassow, Jahresber. II, S. 25 flgd. und IV, S. 20-21;

2) das Hünengrab von Lübow bei Wismar, Jahresber. 111, S. 36 flgd.;

3) das Hünengrab von Helm bei Wittenburg, Jahresber. V, S. 22-23;

4) die Hünengräber von Moltzow bei Malchin, Jahresber. VI, S. 134-136 und unten bei den Hünengräbern;

5) das Hünengrab von Remlin bei Gnoyen, Jahrb. IX, S. 362-365;

6) das Hünengrab von Tatschow bei Schwan, dessen Inhalt in der großherzoglichen Sammlung aufbewahrt wird, Erster Bericht über das Antiquarium zu Schwerin, 1843, S. 5, Nr. 1.

Die Urnen der Hünengräber haben eine ganz bestimmte, nicht zu verkennende Individualität, welche von dem Kenner selbst an einzelnen Scherben auf den ersten Blick erkannt wird. Diese Individualität ist in Deutschland bisher noch nicht nachgewiesen; um so mehr mögen die folgenden Darstellungen Interesse erwecken. Im Allgemeinen sind die Urnen der Hünengräber klein, mannigfaltig in Form und in Form und Verzierung eigenthümlich. Die Urnen sind, jedoch bei aller Verschiedenheit der Gestalt, in der Regel kugelförmig, birnenförmig oder becherförmig. Häufig haben die Urnen einen engen, sehr hohen Hals mit senkrechten Wänden und oft große Henkel, aber auch kleine, durchbohrte Knötchen, welche jedoch nicht so winzig sind, wie die kleinen Knötchen an den Urnen der Wendenkirchhöfe. Am bezeichnendsten sind jedoch die Verzierungen; diese sind in der Regel aus kurzen, kräftigen, graden Linien

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gebildet, welche mit einem spitzen Werkzeuge tief in die Oberfläche eingedrückt und wenn auch etwas steif, doch geschmackvoll sind und zu dem ganzen Gefäße im Einklange stehen; viele Urnen der Hünengräber haben freilich gar keine Verzierungen, in manchen Gräbern finden sich dagegen desto mehr Verzierungen an den Urnen.

Die Verzierungen der Urnen der Hünengräber lassen sich bis jetzt sicher wenigstens in mehrere Classen bringen. Die Verzierungen bestehen nämlich:

1) in Gruppen senkrechter Parallellinien, welche

Verzierung: Gruppen senkrechter Parallellinien

vom Halse bis an den Bauchrand hinablaufen, oder auch senkrechter Parallellinien, welche den ganzen Bauch bedecken; diese Verzierungen finden sich z. B. an den drei wohl erhaltenen Urnen aus dem Hünengrabe von Moltzow No. 2 (Jahresber. VI, S. 135), welche zugleich die Grundformen der Hünenurnen darstellen:

a. an einer becher= oder schalenförmigen Urne:

Verzierungen an einer becher= oder schalenförmigen Urne

eine ganz gleich geformte und verzierte Urne aus der Steinperiode ward in dem merkwürdigen Grabe von Waldhausen bei Lübeck gefunden und abgebildet in den von dem Vereine für lübeckische Geschichte herausgegebenen Beiträgen zur nordischen Alterthumskunde, Heft I, 1844, Bl. V, Fig. III.

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b. an einer Urne mit hohem, engen, senkrechten Halse und kleinen durchbohrten Knoten oder

Verzierungen an einer kugelförmigen Urne

Henkelchen; ganz dieselbe Form mit ganz denselben Verzierungen hat sich an einer andern Urne aus einem ebenfalls zu Moltzow aufgedeckten Hünengrabe Nr. 3 (vergl. unten) gefunden, jedoch hat diese einen etwas größern Henkel; sowohl hierin stimmt diese Urne fast ganz mit der in dem Hünengrabe von Helm

Verzierungen an einer kugelförmigen Urne
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gefundenen Urne herein, als auch in den Verzierungen; jedoch hat diese helmer Urne, nach vorstehender Abbildung, außer den senkrechtem Linien auch noch kleine Verzierungen von Zickzacklinien zwischen Bauch und Hals; der Bauch ist ganz kugelig;

c. an einer birnenförmigen Urne, mit hohem, jedoch

Verzierungen an einer birnenförmigen Urne

weit ausgebogenen Halse; von dieser Art von Form haben sich noch mehrere Urnen in dem Hünengrabe von Moltzow Nr. 4 (vergl. unten) gefunden, jedoch mit etwas andern, aber doch ähnlichen Verzierungen.

Diese Art von Formen und Verzierungen war also sicher von Malchin bis Lübeck und Wittenburg, also von der Peene bis an die Trave und Elbe, herrschend.

Die Verzierungen die Hünenurnen bestehen ferner:

Verzierungen: Gruppen von ganz kurzen senkrechten Strichen unter einander

2) in Gruppen von ganz kurzen senkrechten Strichen unter einander. Diese Gruppen haben wieder oft die Dreieckform, welche überhaupt oft an den Verzierungen der Hünenurnen gefunden wird. Verzierungen dieser Art wurden an einer Urne

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in dem Grabe von Prieschendorf gefunden, und ganz dieselben in dem Grabe von Lübow, also ungefähr von der Trave bis Wismar.

Eine auffallende Verzierung ähnlicher Art fand sich an einer Urne aus dem Grabe von Prieschendorf, indem die senkrechten Striche rechts einen schräge hinab gehenden Beistrich

Verzierungen: senkrechten Striche rechts einen schräge hinab gehenden Beistrich

haben, so daß man versucht sein könnte, diese Verzierung für ein runisches Rune zu halten, wenn in so fernen Zeiten überall Schriftzeichen zu vermuthen ständen.

3) Oft stehen diese kurzen Striche, einzeln oder in Gruppen unter einander, in Zickzackform neben einander. Solche Gruppen zeigt namentlich die seltene, leider nicht ganz erhaltene Urne aus dem großen Hünengrabe von Tatschow,

Urne aus dem großen Hünengrabe von Tatschow

die größte, bekannte Urne aus der Steinperiode, und eine ganz zertrümmerte Urne aus dem Hünengrabe von Lübow, in welchem sich außerdem noch eine Urne mit umherlaufenden einfachen Zickzacklinien fand.

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4) Ganz charakteristisch sind endlich die schuppenförmigen Verzierungen. Diese zeigen sich bezeichnend an zwei Urnen aus dem reichen Grabe von Prieschendorf. Auf der einen dieser Urnen bestehen die Verzierungen aus zwei Reihen

Verzierungen: Verzierungen aus zwei Reihen von Halbkreisen

von Halbkreisen, so daß die Verzierungen wie runde, sich deckende Schuppen aussehen; darunter stehen Gruppen von längern, mit kurzen Stichen gebildeten Linien. Auf der andern Urne erscheinen diese Verzierungen als Reihen zusammenhängender

Verzierungen: Reihen zusammenhängender Spitzen oder als einzelne Reihen von spitzen Schuppen

Spitzen oder als einzelne Reihen von spitzen Schuppen. Aehnliche Verzierungen in ganz kleinen Mustern, welche die Urnen fast ganz bedecken, kommen noch an einigen Urnen in der großherzoglichen Sammlung vor; leider ist der Fundort dieser Gefäße nicht bekannt.

Wie Schuppen erscheinen auch die Halsverzierungen der seltenen Urne aus dem Hünengrabe von Remlin, welche die Gestalt einer hangenden Birne und einen im Verhältnisse zu dem Bauche der Urne ungewöhnlich stark eingezogenen Hals

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Halsverzierungen

hat; um den obern Theil des Bauches laufen auch die bekannten Gruppen von senkrechten Parallellinien. Die schuppenförmigen Verzierungen erscheinen bei genauer Betrachtung in natürlicher Größe als rautenförmige Schraffirungen, jedoch im

rautenförmige Schraffirungen

ganzen und aus der Ferne durchaus als Schuppen. Auch diese Verzierung findet sich in ähnlichen Gestalten an Fragmenten anderer Urnen, namentlich an einer ganz damit bedeckten Urne in der großherzoglichen Sammlung, deren Fundort jedoch ebenfalls nicht bekannt ist. Diese Verzierungen verrathen eine ungewöhnliche Fertigkeit und Geschicklichkeit.

Die gewöhnlichen, nicht verzierten Urnen der Hünengräber haben oft die Becherform, wie eine Urne aus dem Grabe von Prischendorf, die einzige, welche von den vielen Urnen des

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Becherform

Grabes in einer senkrechten Hälfte zur vollen Ansicht erhalten ist. Mehrere Urnen, sowohl aus diesem Grabe, als aus anderen Gräbern, zeigen diese Form, mit ziemlich senkrechten Wänden, oft mit einem leisen Bauchrande, oft nur wenig in den Wänden gebogen, zuweilen ohne alle Abweichung von der graden Linie in den Wänden.