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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.

1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Untersuchungen

über

die heidnischen Grabgefäße,

von

G. C. F. Lisch.


U eber die Art der Verfertigung der thönernen Gefäße, welche in den heidnischen Gräbern Norddeutschlands und überhaupt in den vorchristlichen Begräbnissen der Länder germanischer Bevölkerung gefunden werden, sind bisher die abweichendsten Meinungen laut geworden. Es ist darüber so viel geschrieben und oft so viel mit der sonderbarsten Kleinlichkeit zusammengetragen, daß es ermüden muß, eine Recension aller dieser Meinungen, welche nichts weiter sind als Meinungen, nur durchzulesen. Das Resultat der frühern Ansichten geht aber im Allgemeinen dahin, daß die Urnen in den heimischen Grabhügeln nicht auf der Töpferscheibe verfertigt und nicht gebrannt, vielmehr aus freier Hand geformt und durch Luft und Sonne gehärtet oder gedörrt seien. Es fragt sich, ob dies möglich, wahrscheinlich und wirklich gewesen sei.

Ehe diese Fragen beantwortet werden können, wird es nicht unzweckmäßig sein zu bemerken, daß sich bei fortgesetzter Forschung die Scheidung der Begräbnisse im nordöstlichen Deutschland in drei Hauptclassen:

1) in die steinernen Hünengräber des unbekannten vorgeschichtlichen Volkes mit Steinwerkzeugen, ohne Kenntniß der Metalle,
2) in die Kegelhügel der Germanen mit Geräthen aus Bronze und mit Schmuck aus Gold,

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3) in die Begräbnißplätze der Wenden mit den in den natürlichen Erdboden eingegrabenen Urnen, welche Werkzeuge aus Eisen und Schmuck aus Silber enthalten,

als unzweifelhaft richtig bewährt hat und daß jetzt sogar schon Uebergangsperioden beobachtet werden können.

So verschieden nun diese Hauptclassen von Gräbern nach ihrem Inhalte an Waffen, Werkzeugen und Schmuck sind, so sehr übereinstimmend ist die Art der Verfertigung der Urnen, welche in allen drei Classen von Gräbern gefunden werden. Die Art der Verfertigung, ja selbst die Masse ist bei allen Urnen aus allen Arten von heidnischen Gräbern durchaus gleich und die Urnen der verschiedenen Perioden der Vorzeit unterscheiden sich vorzüglich nur durch Gestalt und Verzierung.

Die Frage über die Härtung der heidnischen Gefäße läßt sich kurz beantworten. Denn daß die Urnen nicht gebrannt, sondern nur von Luft und Sonne gedörrt, der Erde anvertraut sein sollten, ist nicht möglich, da sie sich in diesem Falle nicht so viele Jahrhunderte, ja Selbst Jahrtausende lang in feuchter Erde fest und unverletzt erhalten haben könnten. Die tägliche Erfahrung lehrt schon, wie wenig Formungen von ungebranntem Thon der Feuchtigkeit widerstehen, wenn man es auch nicht in Anschlag bringen will, daß die ältesten Urnen so häufig hell klingend der Erde entnommen werden. Bloß getrockneter Thon würde in der Erde wieder zu einer feuchten Masse erweichen. Die Erfahrung lehrt dagegen, daß wenn Thon auch nur durch ein offenes Feuer, z. B. einer Feuersbrunst, ein wenig gehärtet ist, er seine Form Jahrhunderte lang behält; daher sind die Reste der im 12. Jahrh. durch Brand untergegangenen Lehmwände auf den wendischen Burgwällen meistens noch so gut erhalten, daß sich noch klar die Stroheindrücke unterscheiden lassen, obgleich die Masse nur leicht geröthet ist.

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, auf welche Weise die heidnischen Urnen geformt sind. Zwar hat es den Anschein, daß die Gefäße auf der Scheibe gedrehet sind, so daß selbst erfahrene Töpfer an der Verfertigung aus freier Hand zweifeln; die Regelmäßigkeit und Cohärenz aller einzelnen Theile derselben zu einem festen Ganzen, die Schönheit und völlig runde Schwingung der Formen, die gleichmäßigen Linien der Ränder, die ebenen Flächen des Bodens lassen starke Zweifel an der Bildung aus freier Hand entstehen. Dazu kommt, daß die Töpferscheibe ein sehr altes Hülfsmittel zur

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Verfertigung von Gefäßen ist. Schon im Homer 1 ) ist die Töpferscheibe bekannt, und die Cultur der alten Griechen und Germanen war zu einer gewissen Zeit, wo die Bronze allein herrschend war (Bronzezeitalter) 2 ) nach allen Aufgrabungen so übereinstimmend, daß sich die Germanen vor den Griechen nicht zu schämen brauchen, indem beide eine völlig identische Cultur besitzen. Beide schöpften ihre Bildung gewiß vielmehr aus einer und derselben Quelle, welche im epischen Zeitalter lange Zeit reichlich floß, bis die Ausbildung der Baukunst der Cultur der Griechen eine andere Richtung gab. Die Unbekanntschaft der Wenden mit der Töpferei im heutigen Sinne des Gewerbes scheint auf den ersten Blick ebenfalls unglaublich, da ihre Berührung mit den germanischen Völkern des Mittelalters ihnen wohl ein wichtiges gewerbliches Hülfsmittel zugeführt haben dürfte.

Ehe sich jedoch beide Untersuchungen, über Formung und Härtung der Urnen, zu Ende führen lassen können, steht es hauptsächlich zur Frage: wie wurden die Urnen denn wirklich gemacht? Bevor diese Frage beantwortet werden kann, muß aber jedem noch die Frage in den Sinn kommen: woher denn diejenigen, welche die Bekanntschaft der alten Völker Deutschlands mit der Töpferscheibe leugnen, ihre Gründe genommen haben? - Diese letztere Frage läßt sich durch nichts beantworten. Es giebt keine andern Gründe dafür, als daß die Verfechter der bisherigen Meinung sagen: "der Augenschein lehre es, - es sei klar, - es lasse sich nicht bezweifeln etc. ., daß die Urnen aus freier Hand geformt und nicht gebrannt seien"; - oder man sagt auch schlechthin: "es sei eine aus freier Hand geformte und nicht gebrannte Urne gefunden", etc. . Mit solchen zuversichtlichen Angaben, welche nur aus dem


1) Homeri Illias XVIII, 599:

Homeri Illias XVIII, 599

Kreisend hüpfdten sie bald mit schön gemessenen Tritten
Leicht herum, so wie oft die befestigte Scheibe der Töpfer
Sitzend mit prüfenden Händen herumdreht, ob sie auch laufe.

Vergl. K. O. Müller Archäologie der Kunst, §. 62.
2) Dies ist das eherne Zeitalter, das Hesiod in
 (ein ehernes Geschlecht) nennt und so treffend schildert:

Hesiod v. 127

Damals formte man Erz; noch gab's kein dunkeles Eisen.

Und von seiner Zeit sagt er v. 159:

Hesiod v. 159

Jetzt nun lebt ein eisern Geschlecht. -

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ersten flüchtigen Anblick weniger Gefäße gezogen sein können, ist es aber nicht allein gethan. Daß eine Urne hin und wieder einige unbedeutende Erhöhungen und Vertiefungen auf ihrer Außenseite hat, berechtigt noch nicht zu der Annahme, sie sei aus freier Hand gebildet und nur gedörrt.

Es steht daher nun hauptsächlich zur Frage: Wie bildeten die Alten Deutschlands ihre Gefäße?

Ein flüchtiger Anblick des Aeußern einer Urne allein führt zu gar keiner bestimmten Ansicht von der Verfertigung des ganzen Gefäßes. - Alle heimischen Urnen sind ohne Unterschied der Zeit aus einem Gemenge von Thon und zerstampftem Granit, oder dem Ansehen nach aus Thon, Glimmerblättchen und zerstampftem Feldspath und Kies verfertigt, aus einem Teige, der nach Zeit oder Umständen mehr oder weniger grobkörnig ist. Die grobkörnigsten Urnen werden in den ältesten Gräbern beobachtet, wenn auch in jeder Art von Gräbern feinkörnige Urnen gefunden werden. In Hünengräbern sind oft so grobkörnige Urnen gefunden, daß sie fast ganz aus grob zerstampftem Feldspath zu bestehen scheinen. Im Fortschritte der Zeit wird das Gemenge immer feinkörniger; an die Stelle des zerstampften Granits tritt nach und nach öfter mehr gleichkörniger Kiessand; so viel ist sicher, daß man in den Wendenkirchhöfen nicht mehr so grobkörnige Urnen findet, wie in den Hünengräbern.

Betrachtet man nun eine unverletzte Urne in ihrer äußern und inneren Oberfläche, so ist ihr freilich die Art ihrer Verfertigung nicht anzusehen: alles an der Oberfläche ist geglättet und mitunter etwas leise hügelig; auch der Boden ist glatt und es fehlen demselben beständig die Streifen, welche das Abschneiden von der Töpferscheibe verrathen und häufig als die sichern Kennzeichen der Anwendung derselben betrachtet werden; der Granitgrus tritt an den Außenwänden der Urnen fast ganz in den Hintergrund. Ganz anders gestaltet sich aber die Sache, wenn man eine hinreichende Menge von Urnenscherben aller Art vor sich hat. An diesen macht man dann die auffallende Entdeckung, daß die gröbere, mit Steingrus vermengte Masse den Kern der Urnenscherbe, den inneren Haupttheil der Wand bildet und dieser Kern nach der Außenfläche und Binnenfläche hin allmählig feiner wird, bis die äußersten Flächen ganz in reinen Thon übergehen; nur einzelne Sandkörner, Feldspathstückchen und Glimmerfünkchen haben sich noch durch die Oberfläche durchgedrängt. Diese Art der Verfertigung muß gar Wunder nehmen. Wie, wird man fragen, haben die Leute es

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möglich gemacht, den innern Theil der Scherbe regelmäßig ganz grobkörnig zu bilden und ihn nach den Außenflächen hin allmählig in eine feine, unvermischte Thonmasse übergehen zu lassen? - Einige neuere Entdeckungen werden diese Erscheinung völlig aufzuklären im Stande sein. In der großherzogl.=meklenburgischen Sammlung und in der Sammlung des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, beide zu Schwerin, befinden sich nämlich ganze Urnen und Scherben von Urnen, welche noch nicht vollendet sind, und diese zeigen völlig klar das bei der Anfertigung der Urnen beobachtete Verfahren, das sich nur durch Ansicht dieser Urnen oder durch Annahme der folgenden Beschreibung beweisen läßt. Man bildete nämlich zuerst die Urne aus der mit zerstampftem Granit vermengten Thonmasse. War diese Masse sehr grobkörnig, so wurden die Außenflächen sehr rauh; war die Masse, wie die der Urnen in den Wendenkirchhöfen, feiner, so waren die Wände für das weitere Verfahren nicht rauh genug und man machte sie durch vertiefte Einkratzungen oder auch durch viele und schmale Abschabungen rauh, damit eine feinere Masse auf diesen rauhen Flächen haften konnte. Auf diesen rauhen Kern der Urne trug man dann eine feinere Thonmasse, bis die Urne im Innern und Aeußern glatt und wieder rund war, und zwar so, daß man zuerst die innere Fläche ganz und den äußern Theil des Halses oder Randes überzog und dann, nachdem der Rand trocken war, die Urne umstülpte und die Außenwand und den Boden überzog. Dann wurden die Verzierungen eingegraben, eingeschnitten oder eingedrückt. Mit diesem Ueberziehen der Urnen verschwindet denn freilich jedes äußere Merkmal von der Art der Verfertigung der Gefäße.

Nur wenige Gefäße zeigen unten auf dem Boden einen runden Eindruck, welcher sicher dadurch entstanden ist, daß man das Gefäß bei der Ueberziehung mit reinem Thon auf dem Daumen herumgedreht hat wenn man dieselbe von Außen begann.

Diese Art der Verfertigung der heidnischen Gefäße ist zu allen Zeiten ohne Ausnahme dieselbe; und sie allein kann Aufklärung darüber geben, ob die Töpferscheibe angewandt worden sei oder nicht. Auf den ersten Blick ergiebt sich nun ohne Zweifel, daß die heidnischen Völker des nördlichen Europas zu keiner Zeit die Anwendung der Töpferscheibe gekannt haben. Es ist unmöglich, daß ein Gefäß von einer durchgehends stark mit Granitgrus gemengten Masse auf der Töpferscheibe habe gedreht werden können, da die Töpferscheibe eine durchaus feine und gleichförmige Masse fordert. Alle einzelnen Sandkörner oder Feldspathstücke, deren sich Tau=

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sende in einer Urne finden, würden tiefe parallele Furchen gebildet, die Wände zerrissen, ja die Formung derselben unmöglich gemacht haben. Es ist daher ohne Zweifel, daß alle heidnischen Urnen aus freier Hand gebildet sind. Der Anblick einer noch nicht mit feinem Thon überzogenen Urne zeigt dies unwidersprechlich; man sieht klar die einzelnen Theile der Oberfläche in rundlichen Flächen gebildet, so daß es klar ist, die ganzen Gefäße seien durch kreisförmige Bewegung der Hand, durch Drücken und Wischen gebildet. Zwar erscheint eine solche Fertigkeit wunderbar, und es giebt in den Sammlungen zu Schwerin Gefäße von den größten Dimensionen, welche in der Regelmäßigkeit der Form den besten Töpfer= und Porzellanarbeiten unserer Tage nicht nachstehen. Aber die Sache hat sich einmal nicht anders machen lassen und man muß den Alten diese große Fertigkeit und Sicherheit zugestehen, so dünne und regelmäßig auch viele Gefäße gebildet sind.

Diese Bildung des Teiges, aus welcher die Gefäße geformt sind, führt uns denn wieder auf die Art der Härtung derselben zurück. Die Mengung der Masse mit Granitgrus geschah wahrscheinlich, um die Form der Gefäße beim Brennen zu bewahren; denn es geschieht bei nicht gehöriger Regulirung des Brennfeuers häufig, daß die Form der thönernen Gefäße nicht stehen bleibt, sondern sich wirft, ja ganz vernichtet wird. Die Vermischung des Thons mit Granit war also zur Erhaltung der Form der Gefäße notwendig.

Ueberdieß lehrt auch der bloße Anblick, daß die alten Gefäße durch Feuer gehärtet sind.

Die kleinen, becherförmigen Gefäße der Hünengräber, welche in der Regel von reinerer und feinerer Thonmasse sind, und die größern urnenförmigen Gefäße, welche in der Regel aus einer mehr grobkörnigen Masse bestehen, sind fast in der Regel röthlich oder rothgelb gebrannt. Thon wird aber bekanntlich nur durch Brennen roth; die genannten Urnen oder die Scherben derselben sind nun oft ganz den gebrannten, feinern Ziegeln an Farbe gleich. Die größern topfförmigen Urnen in den Hünengräbern und die kleinern Henkelgefäße in den Kegelgräbern sind in der Regel schwärzlich oder schwarzbraun; dieselbe Farbe haben hin und wieder, neben seltenen, ziegelroth gebrannten Urnen, auch Urnen in den Wendenkirchhöfen. Alle diese schwärzlichen Urnen tragen nun vollends die unverkennbaren Zeichen des Brandes; sie sind nämlich wolkig oder geflammt gefärbt, indem neben hellere Flächen sich

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schwarze, wolkige Stellen legen, welche nur durch das russige Anschlagen der Flammen entstanden sein können. Die schwarze Färbung der wendischen Urnen ward ohne Zweifel wohl deshalb gewählt, um diese Unregelmäßigkeit der unvollkommenen Brennung zu verdecken.

So unzweifelhaft nun die Härtung der Urnen durch Feuer ist, so wenig darf man wohl den Gebrauch eines künstlichen, ganz verschlossenen, feuerfesten Ofens annehmen. Gebrannt sind die Urnen ohne Zweifel, aber nicht gar gebrannt, nicht ganz fest. Dieser Mangel, die Unregelmäßigkeit der durch die Brennung entstandenen natürlichen Farben der Urnen, die russigen Wolken der Färbung scheinen vielmehr darauf hinzudeuten, ja es gewiß zu machen, daß man die Urnen in einer hellen Gluth härtete, welche mehr frei brannte und vielleicht nur an den Seiten durch Stein= und Rasenschichtungen zusammengehalten ward.

Der Brennofen ist überhaupt und unzweifelhaft in den nordöstlichen Ländern Deutschlands nur eine Folge christlicher Cultur; erst mit der Einführung des Christenthums erscheinen in diesen Ländern gebrannte Ziegel und gar gebrannte Töpfergefäße. Selbst die fürstlichen Burgen waren nur aus Holz und rohem Lehm gebauet.

Es ist daher ohne Zweifel, daß alle heidnischen Gefäße

1) aus freier Hand geformt,

2) an offenem Feuer gehärtet sind.

Den besten Vergleichungspunct geben die bekannten schwarzen jütischen Töpfe, welche durch ganz Dänemark und Norddeutschland ausgeführt werden. Nach sorgfältigen Nachforschungen bei mehrern in Jütland geborenen und erzogenen Töpfern werden diese Töpfe nicht von Töpfern, sondern in ganz Jütland in den armem Gegenden von allen Bauerfamilien, von Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, gemacht, und zwar ohne Ausnahme aus freier Hand, durch Drücken, Schmieren und Wischen mit kleinen Ballen und Steinen, und an einem offenen Feuer von Torf, wie Kohlen in einem Meiler, halb gar gebrannt, wodurch sie die schwarze Farbe erhalten 1 ). Der Herr Professor Ehrenberg zu Berlin teilte mir mit, daß er gesehen habe, wie die Nubier neben ihren Hütten Töpfe, höher als die Hütten, zur Aufbewahrung des Getreides aus freier Hand formten. Diese Art der Gefäßbereitung giebt den


1) In den Berichten der königl.=schlesw.=holst.=lauenb. Gesellsch., VIII, 1843, S. 18-19 ist eine ähnliche Mittheilung gemacht.
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besten Beweis für die Möglichkeit der Verfertigung der alten Urnen aus freier Hand, obgleich der Kunstsinn und die Fertigkeit der Alten auf einer unendlich viel höhern Stufe stand, als jetzt selbst bei unsern geschicktern Töpfern.

Hat man die Art der Verfertigung der Graburnen erkannt, so ist es demnächst eine verzeihliche Frage, ob man nicht Kennzeichen habe, aus denen man bestimmen könne, welcher der verschiedenen Perioden die Urnen angehören, auch wenn man nichts von den Umgebungen weiß, unter denen sie gefunden sind. Die Art der Verfertigung giebt, wie dargelegt ist, kein Kennzeichen ab; auch die eingesprengten Glimmerfünkchen verstatten keinen Schluß auf ein Volk, dem solche Urnen angehören könnten, da sie sich an allen Urnen finden. Man muß daher nach andern Kennzeichen suchen. Das trüglichste Kennzeichen ist die Masse, aus der die Urnen bestehen; dennoch kann ein durch Uebung geschärftes Auge es in Anwendung bringen. Im Allgemeinen wird nämlich die Masse im Fortschritte der Zeit feinkörniger. Es ist damit nicht der Schluß gestattet, als gehörten alle Urnen aus feinkörniger Masse einer jüngern Zeit an, da man auch in Hünengräbern feinkörnige Urnen findet; aber so viel ist gewiß, daß sich Urnen mit sehr grobem Feldspathgemenge in der Regel nur in Hünengräbern, Urnen, mit starkem Kiessande und feinen Quarzkörnern versetzt, in der Regel in Kegelgräbern, Urnen von mehr gleichmäßiger Masse vorherrschend in Wendenkirchhöfen finden. Jedoch läßt sich dergleichen nur nach Proben beurtheilen und schwer beschreiben. - Ein mehr sicheres Kennzeichen geben die Formen der Urnen. In den Hünengräbern der Steinperiode kommen kannen=, birnen= und kugelförmige Urnen, oft mit ganz kleinen Henkeln versehen, häufig vor; ganz eigentümlich sind ihnen die kleinen becherförmigen Gefäße mit fast senkrechten Wänden, - Formen, die ganz charakteristisch sind und späterhin nicht wieder vorkommen, wenn auch zuweilen in ähnlichem, größern Maaßstabe. Im allgemeinen sind die Gefäße der Hünengräber immer nur klein. -In den germanischen Kegelgräbern ist die Mannigfaltigkeit der Urnen sehr groß. Vorherrschend sind jedoch zweierlei Arten von Urnen: diejenigen, welche man vasen= oder urnenförmige nennen kann, von allen Größen, oft von bedeutender Höhe, mit geringen Ausbauchungen, ähnlich den Krateren der Griechen und Römer, und die feinen Henkelgefäße von allen Größen, mit stark eingezogenem, hohen Halse und großen Henkeln im Verhältniß zur Urne; man findet die letztere Form auch aus ge=

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schlagener Bronze. Einige Formen, wie die eines Bienenkorbes, mit einer kuppelförmigen Wölbung statt der Oeffnung und mit einer Thüröffnung in der Seitenwand, - ferner wie die einer antiken Schale mit Seitenhenkeln, ähnlich einer Amphore, u. a. sind dieser Art von Gräbern ganz eigenthümlich.

Die Urnen in den Wendenkirchhöfen sind regelmäßig fast von derselben Gestalt und sind auf den ersten Blick an der Form zu erkennen; man kann sie schüsselförmig nennen; der Reichthum der Formen weicht in dieser Zeit einem allgemeinen Typus, der über ganze Länder verbreitet ist. Sie sind im Verhältnisse zur Oeffnung in der Regel nur niedrig; sie sind nach oben hin stark ausgebaucht und sehr weit geöffnet und laufen nach dem Boden von sehr geringem Durchmesser sehr spitz zu, so daß sie oft bei der geringsten Berührung umfallen. Große Henkel fehlen ihnen ganz; dagegen zeichnen sie sich durch angesetzte kleine, durchbohrte Knötchen oder Knöpfchen aus, welche wahrscheinlich dazu dienten, mehrere zusammengehörende Urnen zusammenzubinden, da eine Urne zum Bergen aller Gebeine des verbrannten Leichnams zu klein war. Vielleicht waren diese Knötchen auch nur Styl, da die Gefäße zum häuslichen Gebrauche auch ähnliche Knöpfe hatten, zum durchziehen einer Schnur (eines Seils), um sie an dieser zu tragen (Seiltopf, plattd. sêlpott).

Die verschiedenen Urnen lassen sich folgendermaßen beschreiben. Die Urnen der Hünengräber sind klein und in den Formen mannigfaltig, becher=, birnen= und kugelförmig; der Bauchrand liegt tief. Die Urnen der Kegelgräber sind groß und haben mehr senkrechte Formen, welche sich den sogenannten antiken Formen nähern; der Bauchrand liegt mehr in der Mitte. Die Urnen der Wendengräber sind schüsselförmig, weit geöffnet und unten spitz; der Bauchrand liegt hoch oben.

Das sicherste Kennzeichen des Alters der Urnen liegt jedoch ohne Zweifel in den Verzierungen derselben, welche zugleich bedeutende Beiträge zur Kenntniß der Geschmacksbildung desjenigen Volkes geben, von dem sie herstammen. Es ist freilich schwer, ohne bildliche Darstellungen Zeichnungen charakteristisch zu beschreiben; jedoch läßt sich Manches andeuten, was überall leicht wieder zu erkennen ist. - Die Verzierungen der Urnen in den Hünengräbern sind sehr charakteristisch; sind sie auch tief eingegraben und steif in den Linien, so zeigen sie doch eine sehr selbstständige, nicht unedle Geschmacksbildung. Die Verzierungen bestehen stets in kurzen Linien, welche gewöhnlich in sehr großer Menge, zu=

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weilen auf die ganze Außenseite des Gefäßes, mit einem ziemlich groben Griffel tief in das Gefäß eingedrückt sind. Häufig sind Verzierungen aus perpendiculairen Linien, welche gruppenweise parallel neben einander stehen. Andere häufig vorkommende Verzierungen sind im Allgemeinen schuppenförmig, oft mit nach unten gekehrten Spitzen, wie kleine, gemaschte Franzen; oft bestehen sie nur aus Gruppirungen von kurzen senkrechten Linien. - Die Verzierungen der Urnen in den Kegelgräbern sind viel mannigfaltiger und freier und größer, erscheinen jedoch viel seltener, als auf allen andern Arten von Urnen; gewöhnlich bestehen sie in den mannigfaltigsten Gruppirungen aus flach eingeschnittenen, concentrischen Halbkreisen, welche auf Linien stehen, die rings um den Bauch der Urne laufen, oder aus mehrern concentrischen Kreisen, welche über dem Bauche der Gefäße eingeschnitten sind; alle Verzierungen an dieser Art von Urnen sind leichter und großartiger gehalten. Gewöhnlich finden sie sich nur an den Henkelgefäßen und weiten antiken Schalen, seltener an den hohen, urnenförmigen Gefäßen, die in der Regel roh und grob gearbeitet sind. - Die Verzierungen der Urnen in den Wendenkirchhöfen sind nie zu verkennen: sie sind wie mit einem kleinen, laufenden, gezahnten Rade, welches kleine, dicht stehende, vierseitige Puncte bildet, eingedrückt; diese Eindrücke laufen in parallelen, graden und in rechten Winkeln gebrochenen Linien, dem Mäander ähnlich, um die hoch liegende, weite Bauchung der Urne; nach dem Boden hin bilden sie allerlei gradlinige Figuren in verschiedenen Winkeln. Die Anwendung des Kammrades machte eine freie Behandlung der Verzierungen unmöglich oder doch sehr schwierig; daher ist eine immer wiederkehrende Grundform in der Verzierung leicht erklärlich. Die Ueberziehung der wendischen Urnen mit einer dunkelschwarz erscheinenden Masse, vielleicht nur schwarz gefärbtem Thon, ist den wendischen Urnen eigenthümlich.


Es bleibt nur noch übrig, die Bestimmung der in den heidnischen Gräbern niedergesetzten Gefäße zu erforschen. Die Zeit ist nicht ferne, wo man alle vorchristlichen Gefäße für Opfergefäße ausgab, wie alle alten Geräthe für Opfergeräthe. In Meklenburg ist nie ein Fall vorgekommen, daß man hätte versucht sein können, irgend ein Gefäß als zum gottesdienstlichen Gebrauche bestimmt anzusehen; vielmehr gehören alle hier gefundenen Gefäße dem Todten=

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Cultus an. Es scheint, als wenn die Leichen der ältesten Hünenzeit in Meklenburg regelmäßig unverbrannt beigesetzt wurden; aber so viel ist gewiß, daß in Meklenburg schon in den Hünengräbern häufig Leichenbrand vorkommt, der in der Bronzezeit der Kegelgräber herrschend und allgemein wird, indem aus dieser nur sehr wenig Beispiele von Beisetzung der unverbrannten Leiche vorkommen; in den Wendenkirchhöfen ist nur Leichenbrand erkennbar, von Beisetzung der Leichen ist keine Spur, als etwa in den letzten Zeiten des Heidenthums an den Rändern der großen Begräbnißplätze (Wendenkirchhöfe). Es werden nun auch in den Hünengräbern, welche unverbrannte Leichen enthalten, Gefäße gefunden; diese waren wohl ohne Zweifel die Trink= und anderen Gefäße des Bestatteten und wurden ihm, wie seine steinernen Waffen und sonstigen Geräthschaften, nach uraltem Gebrauche mit ins Grab gegeben. Alle Gefäße aus den Brandhügeln und großen Begräbnißstellen waren aber dazu bestimmt, die Ueberreste des verbrannten Leichnams aufzunehmen. Die Gefäße der Kegelgräber scheiden sich dabei in zwei Gattungen, welche ziemlich klar zu beobachten sind: in Beinurnen (ossuaria) und Aschenurnen (cineraria). Die größern, gröbern, urnenförmigen Gefäße dienten, wenn mehren Gefäße in einem Grabe gefunden werden, zur Aufbewahrung der Gebeine (ossuaria) des verbrannten Leichnams; in die kleinern, feinern, gehenkelten Gefäße ward die Asche der Leiche (cineraria) gesammelt; auch die ganz kleinen, zierlichen Gefäße und Näpfe, welche den Kegelgräbern eigenthümlich sind, sind häufig mit Asche gefüllt und scheinen dazu bestimmt gewesen zu sein, die Asche von einzelnen Theilen der Leiche aufzunehmen, wie z. B. von der Stelle, wo das Herz der verbrannten Leiche auf der Brandstätte gelegen hatte. Auch die großen, niedrigen Schalen der Kegelgräber dienten nicht zum gottesdienstlichen Gebrauche; sie wurden dazu gebraucht, sie umgekehrt auf die Urnen zu stülpen und diese damit zu bedecken, wenn die Urnen keine eigenen Deckel hatten oder nicht mit Steinen zugedeckt wurden. Auch dienten die Schalen zu Untersatzschalen der Urnen. In den Wendenkirchhöfen ist freilich kein äußerer Unterschied zwischen Beinurnen und Aschenurnen bemerkbar. Jedoch ist es sicher, daß, wo, wie es häufig der Fall ist, die Urnen paarweise oder nesterweise beisammenstehen, die eine Knochen, die andere Asche enthält.

Sind nun die verschiedenen Perioden der Völker, denen die vorchristlichen Gräber in Meklenburg angehören, im Allge=

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meinen erkannt, - sind selbst hiernach, wenigstens für Meklenburg, Holstein, die brandenburgischen Marken und Pommern, untrügliche Kennzeichen für die Urnen der verschiedenen Perioden gewonnen: so ist es nicht zu gewagt, jetzt schon versuchsweise einen Schritt weiter zu gehen und die Uebergangsperioden zwischen den verschiedenen Hauptepochen aufzusuchen. Hiebei muß aber wiederum bevorwortet werden, daß die Aufhäufung von Alterthümern in Museen ohne zuverlässige Aufgrabungsberichte zur unmittelbaren, reinen Erkennung der ethnographischen Fragen nichts hilft, und daß diese Aufhäufung von alterthümlichen Schätzen erst dann für den höchsten Zweck einige Ausbeute gewähren kann, wenn die ethnographischen Fragen gelöset sind und die Beantwortung derselben nur noch der Vervollständigung und Anwendung bedarf 1 ).

Die älteste Classe der Gräber, die der Hünengräber, besteht entweder aus viereckigen Steinbauten (Steinkammern) ohne Erdhügel, oder aus sehr langen, nicht hohen, mit großen Granitpfeilern umstellten Hügeln (Riesenbetten), in welchen sehr häufig an einem Ende eine Grabkammer steht, die mit großen Granitplatten bedeckt ist. Diese Classe von Gräbern unterscheidet sich vor allen andern ohne Zweifel durch gänzlichen Mangel an Metall: alle Geräthe sind aus Stein, vorherrschend aus Feuerstein, Hornblende und Grünstein; der Schmuck ist aus Bernstein gearbeitet. Dennoch soll Eisen in den Gräbern dieser Classe gefunden sein. Diese Wahrnehmung ward zuerst in Meklenburg gemacht (vgl. Friderico-Francisceum, Erläuterung S. 74 u. 76 flgd.). Diese Erscheinung war im Gegensatze zu andern Beobachtungen allerdings höchst auffallend und konnte nicht aufgeklärt werden. In den neuesten Zeiten ist Danneil (vgl. Erster Jahresbericht des altmärkischen Vereins, 1838, S. 44) so glücklich gewesen, diese Erscheinung aufklären zu können. Auch in der Altmark ward in Urnen Eisen in Hünengräbern gefunden, jedoch keineswegs, wie in der Regel in aufgeschütteten Hügeln die Alterthümer geborgen


1) Zur unabweislichen Sicherheit wird diese Bemerkung z. B. durch die Aufstellung der im Museum der vaterländischen Alterthümer zu Schwerin in demselben Locale vereinigten Sammlungen: der großherzoglichen, von Ludwigslust hierher versetzten, und der dem Verein für meklenb. Geschichte angehörenden Sammlung. Diese letztere ist nach dem Bau der Gräber aufgestellt; der gesammte Inhalt eines jeden Grabes ist zusammengehalten und die einzelnen Gräber sind wiederum nach historischen Epochen zusammengruppirt. Der flüchtigste Ueberblick überzeugt selbst den Laien von der Existenz des oben angegebenen Unterschiedes nach drei Culturepochen. Die großherzogliche Sammlung ist nach den Arten und Unterarten der einzelnen Gegenstände geordnet und giebt über die einzelnen Gattungen, ja selbst über ganze Perioden das hellste Licht, - sobald diese Perioden erkannt sind.
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sind, in der Tiefe der Hügel auf dem Urboden, sondern dicht unter der Rasendecke und an den Seiten der Grabhügel; die Urnen, in denen diese eisernen Altertümer aufbewahrt sind, sind die Urnen mit den unverkennbaren Kennzeichen, welche sich in den jüngsten Wendenkirchhöfen finden. Nach Gewinnung dieses Resultats erhalten denn auch die in den meklenburgischen Hünengräbern gefundenen eisernen Alterthümer Aufklärung, indem sie denen gleichen, welche unter ganz andern Umständen in den Wendenkirchhöfen gefunden werden. - Wir haben es in solchen Fällen also mit einer zweiten, jüngern Bestattung zu thun, indem Slaven ihre Todten in den "Gräbern der Vorzeit" ("sepulchris antiquorum", wie die Slaven die Hünengräber selbst nennen: vgl. Lisch Mekl. Urkunden. Bd. I an mehrern Stellen und Frid. Franc. S. 10 flgd.) beisetzten, wie noch heute die kirgisischen Völkerschaften am Altai ihre Begräbnisse an die uralten, heiligen Tschudengräber lehnen, welche den Kegelgräbern in den Ostseeländern in jeder Hinsicht gleich sind (vgl. Ritters Erdkunde von Asien, zweite Ausgabe, I, S. 761, 764 flgd., 778, u. a. a. O.). In Meklenburg sind in den letzten Jahren solche jüngere Bestattungen in uralten Gräbern, zuweilen aus mehreren Perioden über einander, öfter beobachtet. In einigen Fällen ist es aber auch zur unbezweifelten Gewißheit geworden, daß alte Hünengräber schon früher durchwühlt sind und die in ihnen gefundenen eisernen Geräthe aus den allerneuesten Zeiten stammten, indem sie bei der Durchwühlung verloren oder abgebrochen waren.

Ganz außer dem Bereiche der Forschung über den Inhalt der Hünengräber liegen gewöhnlich die Münzen, welche in norddeutschen Hünen= und Kegelgräbern gefunden sein sollen. Gewöhnlich sind es altdeutsche Dickpfennige aus der ottonischen Kaiserzeit oder noch ältere deutsche Münzen, welche unter dem Namen der wendischen Pfennige bekannt sind; in Meklenburg sollen dergleichen in einem Kegelgrabe gefunden sein, welches nach dem übrigen Inhalte sicher der Blüthe der germanischen Bronzezeit angehört (vgl. Evers Betrachtung über eine in Rostock geprägte alte Münze, 1785), und auch aus der Mark wird über einen ähnlichen Fund berichtet (vgl. v. Ledebur: Das königl. Museum Vaterländ. Alterth. zu Berlin, 1838, S. 86). Aber über solche Funde ist so wenig Zuverlässiges und Genaues aufgezeichnet, daß sich aus denselben gar nichts anders schließen läßt, als daß die Münzen, wie häufig, zur größern Sicherheit hinter großen Steinen und im heiligen Grabesring verborgen werden. Zu solchen jüngern Eingrabungen gehören denn auch jene kugeligen, langhalsigen und gehenkelten, hell klingend ge=

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brannten Töpfe aus blaugrauem Thon, welche ohne Zweifel dem frühern Mittelalter, vom 12. bis 15. Jahrhundert, angehören und in denen öfter Münzen vergraben wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß man solche Töpfe mit Münzen und andern Kostbarkeiten auch an und neben Grabhügeln eingrub. Wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß in der letzten Zeit des Slaventhums in Slavenländern, aber auch nur in diesen, solche Töpfe zu Graburnen benutzt sein mögen, so gehören doch solche Fälle gewiß zu den höchst seltenen und bedürfen zur Beglaubigung der genauesten Nachrichten und Zeichnungen.

Dennoch lassen sich von der Zeit des Ueberganges von den Hünengräbern zu den germanischen Kegelgräbern Beispiele nachweisen. In den meisten Hünengräbern des gesammten Nordens sind die Leichen beigesetzt; Leichenbrand ist selten. Diese Gräber in der Gestalt der Steinkisten und langgestreckten Betten werden vorzüglich durch Geräthe aus Stein bezeichnet. Hin und wieder finden sich jedoch Hünengräber mit Leichenbrand; diese werden schon einer etwas Jüngern Zeit angehören. Diese Riesenbetten mit Brandstätten verlieren denn auch an ihrer alten Form, indem sich das Oblongum des Steinringes oft mehr dem Kreise nähert. Und in solchen Hünengräbern werden denn auch die ersten Spuren von Metall, und zwar von rothem, unvermischten Kupfer gefunden (vgl. Erster Jahresbericht des altmärk. Vereins S. 43 und Jahrb. des Ver. f. meklenb. Gesch. etc. . IX, S. 326 flgd.).

Diese Uebergänge lassen sich auch in den germanischen Kegelgräbern verfolgen, denen die Belastung mit Steinen ganz fehlt und welche, gleich den alten südeuropäischen und nordasiatischen Gräbern (vgl. Ritters Erdkunde a. a. O. S. 649-733, 761, 901, 1103, 1134 etc. .), in Kegelform aufgeschüttet sind. Die Geräthe, welche in diesen Gräbern gefunden werden, sind durchaus nur aus Bronze, d. h. mit Zinn oder Blei legirtem Kupfer, die Schmucksachen aus reinem Golde; Silber und Eisen fehlen, Stein dürfte höchstens nur in Streitäxten vorkommen, deren Form sich bis auf die neuern Zeiten erhalten hat. Diese Periode der germanischen Kegelgräber charakterisirt sich durch den Leichenbrand; jedoch kommen, wiewohl höchst selten, einzelne Leichenbestattungen vor, wie z. B. in einem Familienbegräbnisse die zuerst und am tiefsten bestattete Leiche ohne Verbrennung beigesetzt war, die später und höher bestatteten Leichen verbrannt und in Urnen beigesetzt wurden (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 43 flgd.). Solche Grabhügel stammen aus der Zeit des Ueberganges von der unbekannten

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Hünenzeit zum ehernen Zeitalter. - Die Zeit der germanischen Kegelgräber bleibt sich in zahlen Beispielen immer gleich. So wie sich aber die Form der Begräbnisse verändert, wird auch der Inhalt ein anderer. Merkwürdig sind in dieser Hinsicht die nächsten Umgebungen von Ludwigslust. Hier finden sich, vorzüglich an Stellen, welche eine natürliche Erhebung haben, überall in einiger Tiefe Urnen. Alle diese Urnen sind in den natürlichen Erdboden eingegraben; nirgends ist ein Hügel aufgeschüttet: dies ist die vorzüglichste Abweichung dieser Begräbnisse von den aufgeschütteten Kegelgräbern, eine Abweichung, welche dieselben schon mit den jüngsten slavischen Begräbnißstätten gemein haben. Die Urnen haben eine andere Gestalt: sie sind viel niedriger und weiter, als die Urnen der Kegelgräber, laufen nach unten spitz zu und haben viel Kubikinhalt. Sie gleichen der Masse und den senkrechten Wänden nach den Urnen der Kegelgräber, entfernen sich aber von den Urnen der Wendenkirchhöfe noch durch den Mangel an eingedrückten Verzierungen, an färbendem Ueberzug und an Abrundung der Form. Das Metall in dieser Art von Urnen ist vorherrschend noch Bronze und es finden sich, wenn auch Waffen gar nicht beobachtet sind, doch noch hin und wieder Schmucksachen von Bronze, welche denen aus der besten Zeit der Kegelgräber nichts nachgeben und die Bronzeperiode noch durch das Vorkommen der Spiralplatten in Fingerringen charakterisiren. In manchen Urnen ist der Mangel an Bronze auffallend: unter einer Menge von Handringen war kein einziger ganz; alle waren zerbrochen und die zusammenpassenden Bruchenden waren durchbohrt, um die Enden zusammenzuhalten: eine Erscheinung, welche sonst ihres gleichen nicht findet (vgl. Jahresbericht des Vereins für mekl. Gesch. II, S. 45). Aber nicht allein der Mangel an Bronze, auch die Composition der Bronze ist auffallend: sie hat nicht mehr jene dunklere, glühende, edle Farbe; sie ist fast weiß und ähnelt dem Zinn (vgl. Jahresber. II, S. 47, Frid. Franc. Erl. S. 138; Jahrb. IX, S. 342 flgd.); der Rost ist nur leicht und mehlartig: kurz alles von dieser matten Bronze hat ein sehr unedles Ansehen. Dazu kommt noch das Erscheinen von Eisen; in neuern Zeiten wurden in diesen weiten Urnen bei Ludwigslust eiserne Geräthschaften neben denen aus matter Bronze gefunden, namentlich eine knieförmig gebogene Nadel aus Eisen, wie dergleichen sonst nur in vollkommen ausgebildeten Kegelgräbern gefunden werden (vgl. Jahresber. des Ver. für mekl. Gesch. II, S. 45). - Diese Wahrnehmung ward durch die Oeffnung eines Grabes bei Borkow (vgl. Jahresbericht etc. . II, S. 43)

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kräftig unterstützt. Unter einer Steinanhäufung, einem Kegelgrabe ähnlich, fand sich eine weite Urne, den großen Urnen der Kegelgräber sehr ähnlich. In derselben fanden sich Bruchstücke von einem Handringe aus jener matten, weißlichen Bronze mit dem mehlartigen Anfluge von Oxyd, ganz wie die zerbrochenen Handrine von Ludwigslust; dabei lag ein Bruchstück von einem Messer aus Eisen. So täuschend ähnlich das borkower Grab dem Inhalte nach den ludwigsluster Begräbnissen ist, so war jenes doch durch die Aufwerfung eines Hügels noch der germanischen Zeit näher gerückt. - Die flach eingegrabenen, weiten und niedrigen Urnen mit Geräthen aus weißlicher Bronze zusammen mit Geräthen aus Eisen werden also aus der Zeit des Ueberganges von dem Germanenthum zum Slaventhum stammen.

Die Wendenkirchhöfe zeichnen sich, außer daß ihre Urnen charakteristisch sind, durch Leichenbrand, Vergrabung der Urnen in den Urboden, durch Mangel an Gold, durch Zurückdrängung der Bronze und durch Vorherrschen von Eisen, Silber und Glas aus.

Westlich von der lüneburger Haide wird kein Eisen mehr in heidnischen Grabstätten gefunden (vgl. Wildeshausen in alterthümlicher Hinsicht 1837, S. 36); die alte Bronzecultur hört hier plötzlich mit der Verbreitung des Christenthums auf.