zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 185 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

5.

Die Stiftung der Stadt Güstrow.

Die Stiftung der Stadt Güstrow ist öfter der Gegenstand der Untersuchung gewesen. Man muß jetzt annehmen, daß die Stadt mit der Verleihung des schwerinschen Rechts im J. 1222 gegründet sei, da trotz aller Forschungen nie eine ältere Spur aufzufinden gewesen ist. Es sind jetzt aber zwei Gegenstände in Untersuchung zu ziehen, um die Stiftung und Ausbildung der Stadt klarer auffassen zu können.

Im gräflich=hahnschen Archive zu Basedow fand ich zwei höchst interessante (in Lisch Gesch. des Geschl. Hahn I. B., Nr. I. und II. gedruckte) Urkunden vom 26. Junii 1215 und 20. Junii 1219, über die Schenkung des Dorfes Wargentin (auf der jetzigen Feldmark Basedow) an das altmärkische Kloster Arendsee, beide zusammen in unzweifelhaft gleichzeitiger Schrift auf Einem Pergamente neben einander geschrieben. Die von den Brüdern Nicolaus und Heinrich von Rostock ausgestellte Urkunde vom 20. Junii 1219 ist von Güstrow datirt. Verhielte sich alles so, wie geschrieben steht, so käme der Name Güstrow, wenigstens als fürstliche Burg, schon früher vor, als die Stiftung der Stadt durch Verleihung des Stadtrechts im J. 1222. Dies ist auch bereits (in Lisch Meklenburg in Bildern, Jahrgang III, Heft 2, S. 9.) ausgesprochen. Aber ist auch die Aechtheit der beiden Urkunden über allen Zweifel erhaben, so erregt doch ihre Form mannigfache Bedenken. Sie sind, wie schon Lisch Gesch. des Geschl. Hahn I. A., S. 100 angedeutet ist, keine Originale, sondern ohne Zweifel nur bald

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 186 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nach der Ausstellung angefertigte beglaubigte Abschriften. Bei dem Abschreiben ist nun die Jahreszahl verschrieben; sie muß 1229, statt 1219 lauten. Die Urkunde ist nämlich von den beiden mittlern Söhnen des im J. 1226 gestorbenen Fürsten Heinrich Borwin II. ausgestellt, und zwar nach der Volljährigkeit ihres ältern Bruders Johann von Meklenburg und vor der Volljährigkeit des dritten Bruders Heinrich, später Borwin, (vergl. oben S. 12 flgd.) Die Urkunde kann daher nur im J. 1229 ausgestellt sein und die Stiftung der Stadt Güstrow im J. 1222 ist durch nichts erschüttert.

Eine zweite Thatsache in Beziehung auf die Ausbildung der Stadt wird ebenfalls durch die kritische Behandlung einer andern Urkunde in ein helleres Licht gestellt. Die im J. 1222 gegründete Stadt Güstrow, die spätere Altstadt, lag am rechten Ufer der Nebel, an der Stelle der jetzigen Mühlenthor=Vorstadt, ungefähr bis zu der Ziegelei und dem Sct. Georgen=Hospitale, welches schon vor dem Thore der alten Stadt lag, wie stets die Sct. Georgen=Hospitäler vor den Stadtthoren lagen. Das fürstliche Schloß lag aber am linken Ufer der Nebel. Nachdem nun die fürstliche Residenz eingerichtet und in deren Nähe im J. 1226 das Dom=Collegiat=Stift gegründet war, entstand bald am linken Nebelufer eine neue Stadt, die Neustadt, die jetzige Stadt Güstrow. Die neue Stadt wuchs nun so schnell empor, daß das Bestehen der alten Stadt gefährdet ward; deshalb brachten die Bürger der alten Stadt dem Fürsten ein Opfer und gewannen im J. 1248 dadurch den Besitz der neuen Stadt und die Erlaubniß, die neue Stadt gänzlich wieder abzubrechen (contulimus nouam ciuitatem, funditus destruendam) und die alte Stadt mitpassenden Gebäuden wieder anzufüllen und emporzubringen (et antiquam ciuitatem - - edificiis honestis repleant et subleuent). Besser (in Beiträgen zur Gesch. der Vorderstadt Güstrow, S. 73 flgd.) kehrt die ganze Sache um und sucht darzuthun, daß im J. 1248 die Altstadt abgebrochen und die Neustadt ausgebauet sei; er bringt zum Beweise die darüber redende Urkunde im Urtexte (S. 121) und in Uebersetzung (S. 73) bei und ist nach dieser mit Recht verwundert, daß Latomus die Sache wieder umgekehrt und mit uns gleich darstellt. Bei diesem Widerstreite untersuchte ich denn die Original=Urkunde 1 ) im güstrowschen Stadtarchive und fand, daß Latomus vollkommen Recht hat. Besser hat nämlich die


1) Vergl. unten Urkunden=Sammlung.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 187 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

Urkunde nach einer Abschrift Hoinckhusens gegeben, wie sie in Rudloff Urk.=Lief. Nr. X gedruckt ist. Hier ist aber grade die wichtigste Zeile:

edificiis honestis repleant et subleuent,

ausgefallen und außerdem ein wichtiges Wörtchen: et, versetzt. Rudloff und Besser lesen und interpungiren nämlich:

"civibus nostris in Guzstrowe contulimus novam ciuitatem et funditus destruendam eis in rerum suarum dispendio adiacentem antiquam ciuitatem,"

d. h. freilich:

Wir verleihen unsern Bürgern in Güstrow die Neustadt und die gänzlich abzubrechende, zu ihrem Schaden dabei liegende Altstadt.

Im Originale steht jedoch:

"ciuibus nostris in Guzstrowe contulimus nouam ciuitatem, funditus destruendam, eis in rerum suarum dispendio adiacentem, et antiquam ciuitatem edificiis honestis repleant et subleuent,"

d. h.

Wir verleihen unsern Bürgern in Güstrow die neue Stadt, dieselbe gänzlich abzubrechen, welche zum Nachtheil ihres Stadtwesens dabei liegt, unddaß sie die alte Stadt mit paßlichen Gebäuden wieder anfüllen und heben.

Es leidet also keinen Zweifel, daß im J. 1248 die Neustadt wieder abgebrochen und die Altstadt wieder gehoben werden sollte. Dennoch war nach 50 Jahren die Neustadt schon wieder blühend und es standen schon die Pfarrkirche und das Heil. Geist=Hospital. Dagegen bestand noch im 15. Jahrhundert die Altstadt und hatte noch Kirche, Pfarrer und Kirchenvorsteher.

Uebrigens trennte die Nebel bei Güstrow die Bisthümer Schwerin und Camin; die Altstadt mit dem Sct. Georgen=Hospitale vor dem Mühlenthore gehörte zum Bisthume Schwerin, die Neustadt mit der Sct. Gertruden=Kapelle vor dem hageböker Thore auf dem jetzigen alten Kirchhofe zum Bisthume Camin.

G. C. F. Lisch.