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VI.

Sophia von Rostock,

des Fürsten Borwin III. von Rostock Gemahlin,

von

G. C. F. Lisch.


U eber die Gemahlin des Fürsten Borwin von Rostock ist zu allen Zeiten vielleicht mehr geschrieben, als über irgend eine andere meklenburgische Fürstin bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, theils weil vielleicht einige Dunkelheiten und Widersprüche in den alten Nachrichten zur Forschung gereizt, theils weil die verwandtschaftlichen Verbindungen der fürstlichen Häuser Dänemark und Rostock stets einen Einfluß auf die Geschichte beider ausgeübt haben; ja es ist in neuern Zeiten über die Sophie eine eigene Schrift von Becker 1 ) herausgegeben.

Trotz aller Forschungen, welche Becker vollständig angeführt hat, sind bisher alle Lebensumstände dieser Fürstin durchaus dunkel und unzuverlässig, ja unrichtig. Nach unerwarteten Entdeckungen ist es auch nicht nöthig, die frühern Angaben zu prüfen oder zu widerlegen. Es lassen sich alle Lebensverhältnisse in einigen Hauptgrundzügen nach der folgenden Urkunde fest und unzweifelhaft bestimmen.

Der Fürst Borwin von Rostock verleiht der Abtei Doberan Privilegien über Gerichtsbarkeit und landesübliche Dienste.

D. d. Rostock. 1237. Febr. 15.

In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Borwinus dei gratia dominus de Rozstok vniuersis


1) De Sophia, Henrici Burwini III. domini Rostochiensis uxore. Commentatio historica, quam in auditorio collegii medicei defendere studehit P. W. Becker, theologiae candidatus. Hafniae, 1830. - Vgl. Werlauff in Jahrb. IX, S. 122, Not. 30, 5.
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Christi fidelibus presens scriptum inspecturis in perpetuum. Ne firmis et rationabilibus actibus hominum presentis temporis maliciosa posteritatis in aliquo possit derogare inuidia, scripturarum solent adhiberi remedia, ut, que in statu cupiunt persistere solido, scriptis commendata maneant firmiora. Ea propter noticie tam futurorum, quam presentium uolumus adherere, quod nos uexationes et incommoda declinare cupientes et tranquillitate concordie gaudere, ut omnis rancoris de cetero sopita sit controuersia, que inter ecclesiam Doberanensem et nos super aduocatie disceptatione emerserat, de consilio fidelium nostrorum sub hac forma compositionis elegimus concordare. De beneplacito enim domini abbatis et fratrum suorum, immo ipsorum ad nos accedente petitione huiuscemodi decreuimus ordinationi firmiter inherere, uolentes omni grauamini et incommodo sane prouidere, ecclesie indempnitati per hoc consulendo: si quos capitalis sententia publico facto uel fuga non aliqua sinistre suspitionis fama reos condempnauerit, quales sunt fures, furto suo ualorem octo solidorum excedentes, incendiarii, homicide, manu tantummodo mortua presente, violentie illatores oppressione mulierum seu raptu uirginum, ita duntaxat si in ipso instanti uiolentia passa clamore ualido per uicinos fuerit attestata, quiquid in tales agere uoluerimus siue pecuniaria satisfactione, siue mortis condempnatione, ad nostre iurisdictionis spectabit ordinationem; si autem abbatie homines iudicio astantes uadiauerint et quicquid cause infra terminos eiusdem abbatie ortum fuerit, nichil nostrum exinde uendicamus, sed concessa eis sollempniter a primis fundatoribus et deinceps iudiciaria potestate abbas per aduocatum suum omnes alias causas emergentes

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iudicabit, et quicquid uadiatum fuerit, domino abbati et monasterio pertinebit. Nos etiam paterne deuotionis imitatores esse cupientes et meritum aliquod in prefata ecclesia nobis comparare desiderantes, omnes donationes et libertates eidem loco a progenitoribus nostris indultas confirmamus, ratum habentes videlicet, quod tam ipsi fratres, quam fratrum homines liberi sint et immunes ab omni infestatione aduocatorum et iudicii, ab urbium, pontium, aggerum exstructione, a uectigalium et theloneorum extorsione, necnon ab omni expeditione, nisi in terre defensione, cum uidelicet terra ab extraneo domino impetitur, seu etiam qualibet secularis iuris exactione, ita ut nemini nisi soli deo et monasterio teneantur. Ne autem ab heredibus nostris vel a quoquam alio iam sepedictis fratribus ulla in posterum oriri possit calumpnia, quod absit, presentem paginam testium annotatione et sigilli nostri impressione, ut iugiter inconuulsa permaneat, roboramus. Testes autem hii sunt: Alexander abbas in Nouo Campo, Thidericus prepositus, Syfridus decanus, Rodulfus scolasticus, Laurentius custos, Ouo et Wernerus canonici Zwerinenses, Adam prepositus in Campo Solis, Thedelinus prepositus in Rune, Walterus et Gerhardus plebani in Rozstok; milites: Thitleuus de Godebuz, Johannes de Snakenburg, Heinricus Gamme, Nicolaus dapifer, Walterus de Penz, Baroldus, Heinricus Grube, Bernardus de Wygenthorpe et alii quam plures, tam clerici, quam laici. §. Ego Brunwardus dei gratia Zwerinensis episcopus ordinationem huius rei, cui interfuimus, banno nostro confirmantes, ad ipsius facti corroborationem sigillum nostrum vna cum sigillis dominorum videlicet Johannis Magnopolensis et Nicolai de Werle apponi fecimus. Acta sunt hec anno

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gratie M °CC°XXX°VII°, indictione decima. Datum in Rozstok, XV kalendas Martii.
Siegel

Vorstehende Urkunde, welche auch in Westphalen Mon. ined. III, p. 1481, gedruckt ist, ist in einer schönen, festen Minuskel geschrieben. Eingeschnitten sind vier Doppellöcher zur Einhängung von Siegeln:

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1) an erster Stelle hing an einer Schnur von rother Seide ein Siegel, welche abgerissen ist (des Bischofs Brunward);
2) an zweiter Stelle hängt an einer Schnur von grüner Seide des Fürsten Johann von Meklenburg Siegel, S. 15;
3) an dritter Stelle fehlt das Siegel ganz (des Fürsten Nicolaus);
4) an vierter Stelle hängt an einer Schnur von rother Seide das Siegel des Fürsten Borwin von Rostock mit dem Siegel seiner Gemahlin Sophie auf der Rückseite, beide oben abgebildet.
Beide angehängte Siegel sind mit braunem Firniß überzogen.

An dieser Urkunde hängt an letzter Stelle das Siegel des Fürsten Borwin, welches, was bisher nicht bemerkt ist, auf der Rückseite das Siegel seiner Gemahlin Sophie als Rücksiegel trägt, mit der Umschrift:

Umschrift

Auf dem hier getreu abgebildeten Siegel befindet sich das stehende Bild der Fürstin, welche mit jeder Hand einen Schild hält: der Schild an der rechten Hand ist im Wappenzeichen verletzt, hat aber nach den Umrissen nur eine einzige Figur, wahrscheinlich den Greifen von Rostock, geführt; der Schild an der linken Hand ist wohl erhalten und führt, wenn auch durch den bedeckenden Firniß etwas unklar, doch sicher drei rechts schreitende Thiere über einander, von denen sich das mittlere als schreitender Löwe oder Leopard klar genug erkennen läßt. Die Fürstin führte also sicher den bekannten dänischen Königsschild mit drei Leoparden als Familiensiegel.

Es ist daher nicht zu bezweifeln, daß

die Gemahlin des Fürsten Borwin III. Sophia hieß, aus dem dänischen Königshause stammte und schon am 15. Februar 1237 vermählt war.

Die Urkunde ist wahrscheinlich zu Schwerin vor einer großen Versammlung ausgefertigt, da der Bischof Brunward von Schwerin, welcher sie bestätigte, in den allernächsten Zeiten darauf starb, und zu Rostock von dem Fürsten Borwin und nach der ganzen Beschaffenheit des Siegels zugleich von seiner Gemahlin, welche wohl wegen ihrer Leibgedingsgüter Zustimmung gab, besiegelt, also originalisirt ("Datum in Rozstock").

Borwins Vermählung wird also mit seiner Volljährigkeit zusammen und in das Jahr 1236 fallen; denn seit dieser Zeit erscheint er mit seinem neuen Namen und Titel selbstständig wirkend 1 ), wenn auch die vorstehend abgedruckte Ur=


1) Vgl. oben S. 19.
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kunde die erste von ihm besiegelte ist, welche von ihm bekannt geworden ist.

Daß dies alles seine Richtigkeit habe, wird durch eine im großherzogl. Archive zu Schwerin im Original aufbewahrten Urkunde des Klosters Dargun 1 ) bewiesen, nach welcher

des Fürsten Borwin III. Gemahlin Sophie am 24. April 1241 schon gestorben war,

indem Borwin dem Kloster Dargun eine Schenkung macht

zum seligen Andenken seiner verstorbenen Gemahlin, einer Tochter des Königs von Schweden,
("pro felici memoria quondam vxoris nostre domine Sophie, filie regis Swetie").

Wahrscheinlich wird Sophie nicht lange vor dem 24. April 1241 gestorben sein, da solche Gedächtnißfeiern gewöhnlich bald nach dem Tode der Hingeschiedenen gestiftet wurden.

Hiemit stimmen auch die übrigen Familienverhältnisse und Nachrichten, indem Borwin III. vier Kinder hatte, welche ganz gut in der Zeit 1236- 1241 geboren sein konnten, und Waldemar von Rostock führt am 13. Februar 1268 seine Mutter Sophie und seinen Bruder Johann als verstorben 2 ) auf; die beiden andern Söhne Borwins, Heinrich und Erich, starben ohne Zweifel sehr jung.

Es ist nun die Frage, wessen Tochter Sophia war. Urkundliche Nachrichten sind nicht mehr vorhanden. Ueber die Fürstin giebt es außer den Urkunden nur noch eine alte Quelle, Kirchbergs Chronik von 1378, zu welcher die Klosterquellen benutzt sind; jedoch steht sie schon zu ferne, als daß sie für die ältern Zeiten in schwierigen Dingen ohne Verdacht der Unvollständigkeit sein könnte. Kirchberg sagt:

Nu tu wir vurbaz sage schyn,
wy von Rodestog her Burwyn,
der dritte son waz wirdiglich
geboren von Burwyne Hinrich.
Der nam des koniges tochtir da
von Denemarkin, dy dar na
von godis genaden im gebar
dry sone, der hiez eyn Waldemar,
vnd den andirn Hinrich,
den dritten der hiez Erich.

Cap. CLXXXII.


1) Gedruckt in Lisch Mekl. Urk. I, S. 69.
2) Vgl. doberaner Urkunde in Westphalen Mon. ined. III, p. 1511: "pro salute-- matris nostre domine Sophie et fratris nostri Johannis".
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und

Do man schreib zwelfhundirt iar
vnd eyn vnd funftzig sundir spar
-  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -
-  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -  -
dar nach yn dem nehisten iar
frow Sophia starb virwar,
Swedisch geborn von koniges lib,
des iungen Hinrich Burwins wib,
vnd wart mit vngehabin
zu Doberan begrabin.

Cap. CLXXXI.

Kirchberg widerspricht sich hier darin, daß er die Sophia ein Mal aus Dänemark, das andere Mal aus Schweden stammen läßt. Man sollte fast vermuthen, daß er, wie wir, die eine Nachricht vom Kloster Doberan, die andere vom Kloster Dargun erhalten habe; in der Jahreszahl ihres Todes wird er sich aber wahrscheinlich versehen und 1251 statt 1241 geschrieben haben: denn von zwei Gemahlinnen Borwins ist in den Quellen nirgends die Rede. Nach ihrem Siegel war Sophia sicher eine dänische Königstochter; der Verfasser der darguner Urkunde vom J. 1241 muß sich also versehen und den Namen Schweden (Swetia) überhaupt für die nordischen Reiche genommen haben.

Aus diesem Gewirre von Nachrichten hat man nun eine Geschichte construirt, ohne sie durch Urkunden beweisen zu können. Man hat dem Fürsten Borwin zwei Gemahlinnen gegeben, bald Margaretha und Sophia, bald beide Sophia genannt, hat die eine 1241, die andere 1251 (nach Kirchberg) sterben lassen; Rudloff hat im Gegensatze dieser unbegründeten Darstellungen nur Eine Gemahlin Borwins: Sophia, welche "vor 1251 vermählt und vor 1268 gestorben" sein soll, freilich nach Urkunden, jedoch sehr weit von der Wirklichkeit entfernt.

Sophiens Vater wird nirgends mit Namen genannt; er muß also aus den damaligen Verhältnissen herausgefunden werden. Im Allgemeinen hat man den König Abel von Dänemark für den Vater der Fürstin Sophia ausgegeben und zwar aus dem Grunde, weil er in einer Urkunde vom J. 1251 1 ) den Fürsten Borwin seinen Schwiegersohn (dilectum generum nostrum dominum Borwinum) nennt. Hiergegen wird im Allgemeinen vorgebracht, daß gener nicht immer den "Schwiegersohn", sondern oft nur eine Verwandtschaft bezeichne.


1) Gedruckt in Nettelbladt Hist. dipl. Abhandl. Beil. Nr. XIV., und Rostock. Nachr. u. Anz. 1752, S. 97; vergl. v. Lützow Meckl. Gesch. II, S. 17 u. 20.
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Zwar ist es nicht zu leugnen, daß gener im Mittelalter zuweilen nur irgend ein, nicht immer bestimmtes, näheres Verwandtschaftsverhältniß bezeichnet, wie durch patruus sehr häufig jedes weitere Verwandtschaftsverhältniß (Vetter) ausgedrückt wird. Aber in der Urkunde vom J. 1251 werden andere Verwandtschaftsverhältnisse bezeichnet und der König nennt neben seinem Vater und Bruder seinen "geliebten Schwiegersohn" so daß sich aus dieser engen Zusammenstellung wohl auf eine sehr enge Verwandtschaft schließen läßt.

Die dänischen Schriftsteller, namentlich Becker 1 ) und Werlauff 2 ), stimmen gegen die Annahme, daß Sophia Abels Tochter gewesen sei, weil Abel nur Eine Tochter, Sophia, gehabt habe, welche um das J. 1240 geboren und im J. 1258 an den Fürsten Bernhard von Anhalt verheirathet worden sei. Diese Sophia ward also vermählt, als Sophia von Rostock starb. Beide Schriftsteller machen es dagegen, mit Latomus, wahrscheinlich, daß Sophia von Rostock die Tochter des Königs Waldemar III. († 1231) gewesen sei. Aber Waldemar III. vermählte sich mit Eleonore um das J. 1228, und beide starben im J. 1231. Sophia, welche im J. 1236 vermählt ward, kann also die Tochter dieses Fürstenpaares auch nicht sein. Daß ein Waldemar Sophiens Vater gewesen sei, möchte sich daraus schließen lassen, daß einer ihrer Söhne auch Waldemar hieß.

Man wird daher, da Sophiens Vermählung und Tod urkundlich bedeutend weiter hinauf gerückt ist, am Ende zu der Annahme gezwungen werden, sie für eine Tochter Waldemars II. zu halten, so daß Abel Borwins Schwager war. Genauere Erforschungen über die Herkunft der Sophia müssen wir jetzt aber dänischen Forschern überlassen, nachdem es zur Gewißheit erhoben ist, daß

der Fürst Borwin III. von Rostock im Anfange des J. 1237 mit einer dänischen Prinzessin Sophia vermählt war, welche im Anfange des J. 1241 mit Hinterlassung mehrerer Söhne gestorben war.

Vignette

1) Becker a. a. O., S. 20.
2) Werlauff in Jahrb. IX, S. 122.