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IX. Zur Rechtskunde.

1.

Manus Mortua, die Todte Hand,
der blinkende Schein.

Nachtrag zu Jahresbericht III, S. 94.

Im Jahre 1838 wurden dem Vereine 5 Todten=Hände und zwei hölzerne Schüsseln zur Aufbewahrung aus der ehemaligen Gerichtsstube des Heil. Geist=Hauses zu Wismar übergeben. Der Jahresbericht III, S. 94, wies dabei auf die alte deutsche Rechtssitte hin, den Leichnam des Erschlagenen nicht vor genommener Rache oder Sühne zu begraben, auch denselben vor Gericht vorzuzeigen, statt dessen später bloß die abgetrennte Hand symbolisch gebraucht ward.

Hiebei sind noch nachträglich zwei Puncte zu erwähnen: zuerst nämlich, daß diese Rechtssitte in Meklenburg sicher noch während des 16. Jahrh. bestand.

Im J. 1559 ward Helmuth von Plessen zu Brüel in Wismar auf der Hochzeit des Daniel von Plessen zu Steinhausen durch Joachim von Stralendorf erschlagen. Nur ungern sandte der Rath zu Wismar, das competente Gericht, dem Mörder eine Wachshand statt der wirklichen Hand des Erschlagenen, als Mahnung, vor Gericht zu erscheinen, zu. Der Rath ließ sich sogar dieserhalb einen Revers von den Angehörigen des Getödteten geben. Vgl. Schröder's Papist. Mecklenburg, S. 670; Franck's A. u. N. Mecklenb. Buch X, S. 76. 77.

Als im J. 1549 Achim Barnekow auf Gustävel einen Bürger Namens Wardenberg aus Pritzwalk erschlagen hatte, vertrug er sich mit den Angehörigen desselben dahin, daß er ihnen 8 Tage nach Antonius 1550 zu Plau 40 Gulden Münze und 5 Mark lübisch "zur Bestettigunge des Entleibten Hand" zu bezahlen verhieß.

Im J. 1566 sollte Lüder Barse zu Stieten den Peter Bützow zu Poppendorf beim Zechgelage getödtet haben. Er behauptete aber, unschuldig zu sein, und bat deshalb die Blutsfreunde des Peter Bützow, dem Todten die Hand abzunehmen und bis zum Austrag der Sachen zu verwahren, indem er sich vor Gericht stellen werde.

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Diese Angaben sind den gleichzeitigen Acten entnommen. Auch lassen sich noch mehrere ähnliche Fälle nachweisen.

Der zweite Punct betrifft eine mehrfach und namentlich auch von Franck, A. u. N. M. Buch X, Seite 77, angeführte Nachricht über eine andere Art von Todten=Händen. Man soll auch verarmten Leibeigenen nach ihrem Tode die rechte Hand abgelöst und diese den geistlichen Herren, denen sie Zins oder Arbeit schuldigten, zugesandt haben. Franck meint sogar, daß die zuweilen, wie in Sternberg, sich findenden Knochen von Todtenhänden solchen verarmten Leibeigenen angehören dürften. Er beruft sich dabei auf Lehmann's Speiersche Chronik, Buch IV, Cap. 42, wo allerdings gesagt wird, daß ein Abhauen der Hand in solchen Fällen stattgefunden habe.

Allein diese Behauptung ist eine Fabel oder doch sicher nicht als verbreiteter deutscher Rechtsgebrauch nachzuweisen. Sie beruht wohl auf mönchischem Mißverstande oder Entstellung des "Besthaupts, mortuarium." Dies ist ein in fast allen Gegenden Deutschlands vorkommender Sterbezins, nach welchem der Herr des verstorbenen Eigenmannes unter dessen Fahrniß, besonders dem Vieh, sich ein Stück auswählen darf. In Frankreich und England geben sogar die Vasallen ein "mortuarium" an den König. Vgl. Grimm's deutsche Rechtsalterthümer, Buch I, Cap. 4.

Schon zu Francks Zeiten ward übrigens von manchen Gelehrten, wie von Heineccius (Elementa iuris german.), jene Behauptung als Fabel bezeichnet. Auch in Meklenburg sprach sich z. B. der verdiente Joh. P. Schmidt im J. 1743, damals Rector der Universität Rostock, nachher mekl. schwer. Geheimer Rath, bei Gelegenheit eines Leichenprogramms auf Anna Sophie Eggerdes, des Dr. und Prof. Handtvig zu Rostock Ehefrau, in demselben Sinne aus, indem er die Nachrichten und Grundsätze, "de jure manus mortuae sive der Todten=Hand", d. h. die Lehre vom Besthaupte, erörterte.

Üebrigens findet sich auch noch eine ausdrückliche Bestätigung über den Ursprung der besonders in meklenburgischen Kirchen zuweilen aufbewahrten Todtenhände in einer strafrechtlichen Abhandlung aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. "J. F. Stemwede, praeside Mantzel, jus crimin. Meklenburg." sagt nämlich pag. 32:

Et quoniam constat ex antiquis practicis, quod in casibus non succedentis cruentationis, putantes, homicidam non esse praesentem, membrum quod-

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dam, maxime manum absciderint, idem obtinuisse in terris Meklenburg, probant relationes, fide omni haud destitutae, de manibus amputatis in templis, v. gr. Petrino Rostoch. ut et Georgiano Wismariensi forte, in hunc etiam diem adseruatis."

Schwerin.

A. F. W. Glöckler.