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Die Kirche zu Klütz.

Die Kirche zu Klütz ist in ihrer jetzigen Gestalt eins der merkwürdigsten alterthümlichen Gebäude Meklenburgs und für die Kunstgeschichte des Landes von entschiedener Bedeutung.

Es wird zur klaren Erkenntniß einmal angemessen sein, das Bauwerk in seiner ursprünglichen Gestalt zu beschreiben und alle Veränderungen und Verunzierungen an demselben nach der Beschreibung aufzuzählen.

Die Kirche besteht aus einem oblongen Schiffe, einem Chor im Osten und einem Thurmgebäude im Westen.

Das Schiff ist eins der ältesten und würdigsten Gebäude Meklenburgs. Es ist im reinen Rundbogenstyl erbaut und schließt sich zunächst an das Schiff der Kirche zu Gadebusch, welches aus derselben Zeit, nämlich ohne Zweifel aus dem 12. Jahrh. (vgl. Jahresber. III, S. 125 u. VII, S. 65), stammt und mit der Kirche zu Klütz gleiche Schicksale gehabt hat. Das Schiff der Kirche zu Klütz besteht wie das gadebuscher Schiff aus einem Mittelschiffe und zwei gleich hohen, jedoch etwas schmälern Seitenschiffen, jedes von 3 Gewölben bedeckt; das Schiff hat also im Ganzen 9 Gewölbe. Die Gewölbe werden von 4 frei stehenden Säulen und 12 entsprechenden Pilastern getragen, von denen die 8 an den Wänden einer halben Mittelsäule, die 4 in den Ecken einer halben runden Säule gleichen Die 4 Säulen in der Mitte des Schiffes sind Säulenbündel, jedes aus vier rechtwinkligen, großen, viereckigen Pfeilern und vier kleinern rechtwinkligen Streifen in den Winkeln zusammengesetzt, und haben entsprechende Deckplatten; alle Pfeiler und Pilaster sind gleich. Die Hauptgurtbogen sind im reinen Halbkreise von Träger zu Träger geführt. Die Gewölbe sind im reinen Rundbogenstyl gebaut, ohne Rippen, nur mit

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feinen Näthen, welche sich schneiden. Das Ganze macht einen sehr wohlthuenden Eindruck. - An jeder Seitenwand hat das Schiff 3 Fensterpaare, in der Mitte eines jeden Gewölbes ein Paar. Die Fenster stehen in Mauernischen, welche im reinen Rundbogen gewölbt sind. Die Fenster sind eng, schräge eingehend und rund gewölbt; die Fensterpaare sind durch eine runde Säule mit Kapitäl, auf welchem der runde Schlußbogen ruht, geschieden. Unter dem Dache steht ein Fries von Relief=Halbkreisen, welche auf Consolen ruhen, welche sehr hübsch und abwechselnd verschieden sind. Die Pforten, in der Mitte jeder Seitenwand eine, waren ohne Zweifel rundbogig. Die Wände hatten keine Strebepfeiler.

So war der Bau dieser "byzantinischen Basilika", einfach, klar, würdig und schön, ein seltenes Werk aus der Zeit des nordischen Ziegelbaues des 12. Jahrhunderts. So ist er leider jetzt nicht mehr ganz. Im Innern ist der Bau, mit Ausnahme der Fenster, vollständig und unversehrt erhalten. Das Aeußere ist dagegen so entstellt und verändert, daß es unmöglich ist, aus dem Aeußern das Innere zu erkennen, und wohl mancher durch das Aeußere abgeschreckt wird, einen Blick in das Innere zu werfen; die Ueberraschung für den, der dennoch den Schritt thut, ist allerdings sehr bedeutend. Kommt man nämlich vor eine Seitenwand des Schiffes, namentlich vor die südliche, der Straße zugewandte, so sieht man eine Kirche aus der schlechtesten Zeit des Spitzbogenstyls. Man hat es nämlich, wahrscheinlich im 15. Jahrhundert, für gut gefunden, was ohne weiteres Beispiel sein dürfte, alles Alterthümliche und den Bau Charakterisirende gänzlich zu vernichten und die Außenwand dem damaligen Geschmack anzupassen. Zuerst vernichtete man die Wölbungen der Fenster und bedeckte die Fensterpaare im Innern fast horizontal oder doch nur mit einem wenig gekrümmten Bogen. Dann machte man aus einem Fensterpaare Ein Fenster, wölbte die äußern Fensternischen spitz und weit und führte die Fensterwölbung spitzbogig zur Spitze der Nische hinauf, wölbte die Pforten spitzbogig, ersetzte den rundbogigen Fries durch einen treppenförmigen und baute unregelmäßige Strebepfeiler an die Wände, - alles unsauber und untüchtig. Und damit war der Rundbogenstyl im Aeußern ganz vertilgt. Die Gestalt der Pforten ist ganz verwischt; von der Gestalt der Mauernischen für die Fenster zeugt nur noch das mittlere und für die Gestalt der Fenster dieses und das östliche Fenster in der Nordwand. Von dem rundbogigen Fries existiren nur noch einige Reste an der Südwand des Schiffes.

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An die Ostseite des Schiffes ist ein Chor jüngeren Styls von der Breite des Mittelschiffes und von der Länge zweier Gewölbe angebaut; ob diesem Chor eine alte halbrunde Altartribune hat Platz machen müssen oder ob der Rundbogenstyl grade seine Endschaft erreicht hatte, als der Chor angesetzt ward, läßt sich nicht mehr ermitteln. Der Chor ist ein durchaus regelmäßiges, rechtwinkliges Oblongum aus der Zeit des Ueberganges vom Rundbogen zum Spitzbogen. Die grade, rechtwinklig angesetzte Altarwand hat 3 tief hinabgehende Fenster, von denen das mittlere höher ist, als die beiden andern; jede Seitenwand hat zwei, nicht verbundene, höher liegende Fensterpaare, der Chor im Ganzen also an den Seiten 8 Fenster. Zur Zeit der Ansetzung des Chors sind auch wohl die mit den Chorfenstern correspondirenden 2 Fenster an die östlichen Wände der Seitenschiffe eingebrochen. Alle Fenster des Chors sind noch eng, schräge eingehend, fast unmerklich zugespitzt, mit Wölbungen aus zwei Kreissegmenten, wie sie die kurze Zeit des Ueberganges charakterisirt. In demselben Style ist eine Pforte in der Südwand des Chors erbaut. Die Ränder und Wölbungen der Fenster, so wie die Gliederungen der Pforte sind aus abwechselnd grün glasurten und rothen Backsteinen aufgeführt. Die Mauern krönt ein Fries von Halbkreisen, welche jedoch nicht mehr so sauber gearbeitet sind, als dieselben Reliefs am Schiffe. Die zwei Gewölbe des Chors, von der Breite des Mittelschiffes, sind in dem Geiste der Fenster und der Pforte aufgeführt, im ernsten Style zugespitzt, jedoch noch ohne Rippen. Von Bedeutung ist, daß der Chor noch keine Strebepfeiler hat. - An der Nordwand des Chors ist in gleichem Styl mit demselben eine gewölbte Sakristei (Gervekammer) angebaut.

So haben wir in der Kirche zu Klütz zwei sich berührende Perioden des Baustyls, des Rundbogenstyls und des Uebergangsstyls, vollständig neben einander.

Der Thurm scheint ein Werk aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu sein.

An alterthümlichem Geräth in der Kirche zu Klütz ist ein alter geschnitzter Stuhl ("Römerstuhl" oder Juratenstuhl genannt), welcher die ganze Südwand des Chors einnimmt, bemerkenswerth. Die treffliche Arbeit ist aus der bessern Zeit der Schnitzkunst; die Rosetten und Palmetten sind sehr wacker gearbeitet. Die Figuren an den Seitenwänden sind nicht schlechter: rechts ein heiliger Bischof mit Mitra, Buch und Stab und die h. Katharine mit Rad und Schwert, - links vor einer Heiligen mit einem Buche im Arme ein segnender

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Engel mit Flügeln (Verkündigung Mariä ?); in den Giebeln dieser Seitenwände sitzt ein Affe. - Außerdem hat die Kirche mehrere gewöhnliche Kirchenstühle mit geschnitzten Wappen, z. B.

B. v. P. 1564 mit dem von plessenschen Wappen,
A. v. P. mit dem von penzschen Wappen.
anno . Inschrift . mit dem von tarnewitzschen Wappen (Schild mit gewässertem Querbande),
daneben  das von penzsche Wappen.
Hinrick  Tarnevitz, mit dem gewässerten Bande auf dem Schilde und am Helme zwei Flügel mit demselben Bande,
Dorote Brocktorpt, mit einem fliegenden Fische auf Schild und Helm.

Vor dem Altare liegen einige alte Leichensteine; die Inschriften sind aber nicht mehr ganz zu entziffern. Auf einem steht ein Priester, der den Kelch consecrirt; der Kelch war mit Messing ausgelegt gewesen, fehlt jetzt aber; von der Umschrift ist noch zu lesen:

Umschrift

Nach der Mittheilung des Herrn Professors Dr. Crain zu Wismar sind von 4 Glocken 2 alt. Die eine große Glocke hat auf der einen Seite den h. Nicolaus, auf der andern Seite die h. Katharina mit Schwert und Rad, auf einer liegenden Figur (dem Kaiser Maxentius) stehend, mit der Umschrift:

Umschrift

Eine andere Glocke mit der Jahrszahl 1513 ist ähnlich. Beide sind von demselben Meister und mit ähnlichen Verzierungen, wie eine Glocke auf dem Schelfthurme zu Schwerin (vgl. Jahresber. III, S. 193).