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Wendenkirchhof von Börzow.

Dicht vor Börzow bei Grevismühlen am Ende der Tannen, welche vor dem Dorfe an dem Wege von Grevismühlen nach Schönberg liegen, steht rechts am Wege ein weiter, abgegrabener Sandhügel. Als dieser im J. 1841 zur Wegebesserung nach und nach abgegraben werden sollte, fand man ein menschliches Gerippe. Es ward daher eine Untersuchung eingeleitet; da sich aber bei dem Gerippe viele heidnische Urnenscherben fanden, so ward von dem großherzogl. Domanial=Amte zu Grevismühlen nur die weitere Arbeit untersagt und von dem Funde Anzeige an das großherzogliche Alterthums=Cabinet gemacht. Im Sommer 1842 untersuchte der Unterzeichnete daher die Stelle und leitete die erforderlichen Nachgrabungen.

Die Stelle erwies sich als der letzte, kleine Rest eines Wendenkirchhofes. Nach Aussagen der Dorfbewohner war der einige Fuß hohe Sandrücken früher über den jetzigen ganzen, breiten Weg gegangen; seit vielen Jahren war er nach und nach ausgegraben, um den Weg, der früher umher gegangen war, grade zu legen und zu ebenen, und man hatte dabei immer sehr viele Urnenscherben gefunden; man war dabei bis unter die Standfläche der Urnen gekommen, so daß im Wege nichts mehr zu erwarten stand. In dem noch stehenden, auf der Oberfläche sichtbar etwas erhöheten "Ufer" standen nun die Urnen in zwei Schichten über einander; die Urnen in der obern Schicht waren zertrümmert, die in der untern Schicht standen noch in ihrer Form im festen Sande, waren jedoch so stark gerissen, daß nur eine ganz gerettet werden, mehrere jedoch in ihren Formen erkannt werden konnten. Im Ganzen mag wohl noch der Standpunct von 2 Dutzend Urnen erkannt worden sein.

Der Charakter des Begräbnißplatzes war der eines Wendenkirchhofes, wie sie bisher im westlichen Meklenburg (im Obotritenlande) in neuern Zeiten häufiger beobachtet sind; er gleicht in allen Stücken dem Wendenkirchhofe von Camin bei Wittenburg (vgl. Jahresber. II, S. 53). Die Urnen

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sind gewöhnlich groß und weit, obgleich sich auch, wie zu Camin, einige kleinere Gefäße fanden, dunkel, oft mit schwarzem Ueberzuge versehen und mit den bekannten Punctlinien verziert. Die Geräthe bestehen vorherrschend aus Eisen und Bronze. Dieser Wendenkirchhof ist von den bisher beobachteten der nördlichste und die Verbreitung dieser Art von Wendenkirchhöfen läßt sich jetzt durch das Dreieck zwischen Sternberg (Gägelow), Grevismühlen (Börzow) und Lübtheen (Pritzier und Leussow) bestimmen.

Der Fund von Börzow hat folgendes geliefert:

eine fast ganz erhaltene, große, weite, dunkelbraune Urne mit mäanderförmigen Verzierungen von Punctlinien, wie Frid. Tranc. Tab. XXXIV, Fig. 6;

eine kleine, schwarze Urne mit Zickzacklinien um den Bauchrand verziert und mehrere Fragmente von ähnlichen Urnen, welche noch die Gestalt erkennen lassen;

ein eisernes Beil, ganz wie Frid. Franc. Tab. VII, Fig. 4, durch dessen Stielloch eine kleine eiserne Lanzenspitze gesteckt ist, welche darin festgerostet ist;

zwei Hefteln von Bronze und eine gleiche eiserne Heftel, wie Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 13;

eine viereckige Schnalle von Eisen;

drei gewöhnliche eiserne Messer, welche hölzerne Griffe gehabt hatten;

zwei eiserne Sicheln, wie Frid. Franc. Tab. XVII, Fig. 12;

mehrere fast ganz zu Kügelchen zerschmolzene Geräte von Bronze, namentlich ein Gefäß von ganz dünnem Bronzeblech, siebartig von kleinern Löchern durchschlagen, und ein stärkeres, fingerbreites Band. Auf einige nicht geschmolzene Stücke dieses Bandes ist noch wohl erhaltene weiße Leinwand gerostet, welche sehr lose gewebt und nicht zusammengeschlagen ist, so daß dem Weber der Kamm gefehlt zu haben scheint.

Das Interessante bei der Aufgrabung war, daß sich unmittelbar neben den Urnen am Rande des Begräbnißplatzes, in derselben Tiefe, noch ein altes menschliches Gerippe, außer dem oben erwähnten, fand, so daß sich auch hier die Erfahrung, wie auf dem Wendenkirchhofe von Helm (vgl. Jahresber. IV, S. 46), bestätigte, daß in der ersten Zeit des Christenthums die alten Bewohner ihre Todten, wahrscheinlich heimlich, aus Anhänglichkeit auf den alten heidnischen Begräbnißplätzen unverbrannt beisetzten. Nicht weit davon, ebenfalls am Rande des Begräbnißplatzes nach

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dem Dorfe hin, fand sich eine große, wahrscheinlich gemeinschaftliche Brandstätte mit vieler schwarzer Kohlenerde und Asche.

G. C. F. Lisch.