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Römische und vaterländische Alterthümer von Hagenow 1 ).

A. Geschichte des Fundes.

Erste Nachgrabung.

Im September 1841 wurden dem Herrn Minister von Lützow, Präsidenten unsers Vereins, mehrere Bronzen von einem Arbeitsmann aus Horst bei Wittenburg, der sie bei Hagenow gefunden zu haben versicherte, gebracht, mit der Behauptung, daß dort noch mehr dergleichen vorhanden sei. Der Herr Minister kaufte sie an und schenkte sie dem Vereine. Die Sachen fielen als sehr ausgezeichnet in die Augen; es war jedoch kein bestimmtes Zeichen vorhanden, daß man sie mit Sicherheit für griechische oder römische Antiken hatte ausgeben können.

Es waren:
1) eine große Kelle aus Bronze,
2) eine kleine Kelle aus Bronze,
3) ein Sieb von der Größe der kleinen Kelle, aus Bronze, allen drei Gefäßen fehlte der Griff;
               ferner:


1) Hiezu eine Steindrucktafel.
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a. ein aus zwei Schlangen (?) gewundener Henkel aus Bronze, an beiden Enden in menschliche Brustbilder auslaufend, und

b. ein hohl gegossener Cylinder, auf der Oberfläche mit gegossenen Längsreifen verziert, ganz den öfter vorkommenden Leuchterdillen aus den drei letzten Jahrhunderten ähnlich.

Beide Gegenstände paßten nicht zu den gefundenen Gefäßen, und die Gestalt und Verzierung des Cylinders erregte Zweifel gegen ein hohes Alter des Fundes.

Zweite Nachgrabung.

Den Bemühungen des Herrn Burgemeisters Dr. Bölte zu Hagenow gelang es endlich, den Besitzer des Grundstücks, auf welchem die zuerst erworbenen Gegenstände gefunden waren, zu ermitteln. Das Grundstück ist der dritte von den vier Gärten, welche vor der Stadt Hagenow an der Landstraße nach Schwerin und zwar zwischen dem im J. 1818 vor die Stadt verlegten Begräbnißkirchhofe und den Scheuren stadtwärts liegen. Nach einer Tradition sollen hier in alten Zeiten Gebäude gestanden haben, namentlich eine Kapelle, und die angrenzenden Ackerstücke, welche theilweise vom Kirchhofe mit eingenommen werden, heißen noch "auf den Kapellenstücken". - Von diesen vier Gärten ist derjenige, welcher zunächst an der Landstraße liegt, schon vor ungefähr 50 Jahren von dem derzeitigen Besitzer, der dort "vergrabene Schätze" vermuthete, ganz und tief durchgegraben. Ob er etwas gefunden hat, weiß man nicht, glaubt es aber, weil er sonst ein so kostspieliges Nachgraben nicht so fortdauernd fortgesetzt haben würde. Der zweite Garten ist noch nicht durchgegraben, auch der vierte nicht. Der dritte Garten, in welchem die Alterthümer gefunden sind, ist fast ganz durchwühlt theils weil der schon seit 13 Jahren ihn besitzende Miethsmann jährlich Kartoffelgruben, stets auf verschiedenen Stellen, angelegt hat, theils weil sich in der Tiefe von 2 Fuß stets ein Damm von nutzbaren Feldsteinen findet, endlich weil der Besitzer auf Schätze gehofft und gelegentlich gegraben hat. Bis zu der Zeit, wo die oben verzeichneten Alterthümer entdeckt wurden, hat er jedoch nichts als Steine gefunden.

Im Octbr. 1841 wurden beim Graben einer Kartoffelgrube wieder Bronzen gefunden und von dem Arbeiter an den Eigenthümer des Gartens abgeliefert, von diesem durch den Herrn Burgemeister Dr. Bölte für den Verein erworben. Es waren dies:

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4) eine große flache Schale aus Bronze,

5) eine Gießkanne aus Bronze, zu welcher der beim ersten Funde unter a. erwähnte gewundene Henkel mit den zwei menschlichen Brustbildern gehört,

6) eine kleinere Schale aus Bronze, zu welcher der beim ersten Funde unter b. erwähnte hohle, mit Längsreifen verzierte Cylinder als Griff gehört, und

7) ein Deckel aus Bronze, der ungefähr zu dieser Schale paßt. Die schöne Gestalt und Arbeit dieser Gegenstände und der treffliche Rost, welcher die Seiten, die nach unten gelegen hatten, bedeckt, bestärkten die Ansicht, daß die Bronzen römische seien, immer mehr, und der Herr Dr. Bölte übernahm mit Aufmerksamkeit und Ausdauer eine weitere Nachforschung im März 1842, welche denn auch mit dem glücklichsten Erfolge gekrönt ward.

Dritte Nachgrabung.

Zuerst wurden in der Tiefe derselben Kartoffelgrube, welche den zweiten Theil des Fundes enthielt, als der wichtigste Theil des ganzen Fundes entdeckt:

8) eine Scheere aus Bronze,

c. der abgebrochene Griff der großen Kelle Nr. 1 mit der römischen Inschrift: TI (P)O(P)ILI SIT , und

d. der abgebrochene Griff der kleinen Kelle Nr. 2 mit der römischen Inschrift: - EPIDIA.

Die Bronzen sind also unbezweifelt römischen Ursprungs. Ferner wurden daneben folgende Sachen gefunden, welche den in den Wendenkirchhöfen gefundenen einheimischen Geräthen gleich sind:

9) eine Heftel aus Bronze,
10) eine Heftel aus Eisen mit Silber garnirt,
11) ein Sporn aus Eisen auf Bronzestuhl,
12) eine Schildfessel aus Bronze,
13) eine Lanzenspitze aus Eisen,
14) ein Wurfspieß aus Eisen,
15) 16) zwei Ringe aus Silber mit 2 seitwärts anhangenden Beschlägen,
17) ein Beschlagring aus Silber,
18) ein Endbeschlag aus Silber,
19) ein großer Ring aus Eisen,
20) ein kleiner Beschlag aus Eisen.

Diese hatten zum größern Theile ohne Zweifel in der großen Schale Nr. 4 gelegen, da dieselbe fast ganz mit Eisen=Oxyd bedeckt war.

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B. Beschreibung.

1. Römische Alterthümer.

Die auf Tab. I abgebildeten römischen Alterthümer gleichen in mancher Hinsicht den bei Gr. Kelle gefundenen im Jahresbericht III, 1838, S. 42 - 57 beschriebenen und zum Jahresber. V Anhang abgebildeten römischen Atterthümen; auch hier, wie dort, wurden 1 großes Bronze=Gefäß, 3 Kellen und 1 Scheere gefunden.

1) Eine große Kelle aus Bronze, Tab. I, Fig. 1, 4 1/4" hoch, 7 " weit in der Mündung, mit flachem Boden, zum Stehen eingerichtet, gegossen, innen und außen auf der Drehbank abgedreht und innen mit vertieften, außen mit erhabenen Reifen verziert. Der Griff, Tab. I, Fig. 1 a, ist auch 7 " lang, in den Umrissen geschweift und 1 1/2" bis 2 1/2" breit, am Ende halbkreisrund ausgebogen und mit einer kreisförmigen, eingedreheten Verzierung geschmückt, in deren Rand Blätterverzierungen mit Stempeln eingeschlagen sind. Im untern Theile der Rundung stehen 7 eingeschlagene kleine concentrische Kreise an Strahlen um einen gleichen Kreis. Unter diesen sind 2 größere Kreise eingeschlagen, und weiter hinab ist ein Vierblatt, in jedem Winkel mit einem Kreise eingeschlagen. In dem obern Theile dieser Rundung ist ein halbmondförmig ausgeschlagenes Loch und darüber ist, in der Mitte der Rundung, mit einem Stempel folgende römische Inschrift geprägt:

TI · (P)O(P)ILI · SIT (oder TI (R)O(D)ILI SIT )

Diese Kelle ist der bei Gr. Kelle gefundenen, Jahresber. V, Tab. II, Fig. 2 abgebildeten silbernen Schöpfkelle ähnlich, läuft nach dem Boden jedoch weniger spitz zu.

2) Eine kleine Kelle aus Bronze, Tab. I, Fig. 2, 3 1/4", hoch, 5 " weit in der Oeffnung, halbkugelförmig, so daß sie beim Hinsetzen auf den Griff zurückfällt, ebenfalls, wie es scheint, gegossen, auf der Drehbank innen und außen abgedreht und mit vertieften Reifen verziert. Der sehr lange Griff, Tab. I, Fig. 2 a, ist 8 1/4" lang und 7/8 " bis 1 7/8 " breit und an den Seitenrändern mit einer eingegrabenen Linie, am Ende mit einer Reihe concentrischer kleiner Halbkreise, welche mit dem zu der großen Kelle gebrauchten Stempel der kleinen concentrischen Kreise eingeschlagen sind, verziert. Auf der Oberfläche des Griffes ist mit einem Stempel die römische Inschrift eingeschlagen

- EPIDIA.
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Der Stempel ist links nicht fest aufgesetzt, und es scheint vor den angegebenen deutlichen Buchstaben ein Buchstabe zu fehlen.

Diese Kelle entspricht der bei Gr. Kelle gefundenen, a. a. O. Fig. 3 abgebildeten Bronzekelle.

3) Ein Sieb oder Durchschlag aus Bronze, Tab. I, Fig. 3, beinahe von der Größe der Kelle Nr. 2, so daß sie gerade in diese hineinpaßt, auf der Drehbank abgedreht, innen mit vertieften Reifen verziert, ebenfalls von runder, jedoch etwas geschweifter Form, mit etwas ausgebogenem Rande. In der untern Hälfte sind Löcher in Mäander= und Spiral=Linien durchgeschlagen. Der Griff fehlt.

Zu Gr. Kelle ward auch eine dritte Kelle gefunden, von der jedoch nur noch ein Theil des Griffes vorhanden ist; vgl. a. a. O. Fig. 4.

4) Eine große flache Schale aus Bronze, Tab. I, Fig. 6, weit und allmählig abgerundet, 1 1/4' weit und nur 4 " hoch, aus sehr dünne geschlagenem Bronzeblech, am Rande vielfach und stark ausgebrochen, so daß sich die Gestalt der Oeffnung durchaus nicht erkennen läßt, außen an einigen Stellen mit edlem Roste bedeckt. Auf der innern Fläche sitzt viel Eisenrost, der fast ganz die innere Fläche bedeckt und wahrscheinlich von den eisernen Geräthen herrührt, die neben der Schale gefunden wurden. Nach den sichtbaren, häufigen Hammerschlägen ist die Schale unbezweifelt getrieben.

Auch bei Gr. Kelle ward ein großes Bronzegefäß, vgl. a. a. O. Fig. 1, gefunden, welches jedoch gegossen ist.

5) Eine Gießkanne aus Bronze, Tab. I, Fig. 8, 9 " hoch, mit stark eingezogenem Halse und an beiden Seiten eingedrückter Mündung, gegossen und auf der Drehbank abgedreht und mit Reifen verziert, an der Seite, welche in der Erde gelegen hat, mit dem schönsten edlen Roste bedeckt, an der entgegengesetzten Seite von Oxyd zerfressen, mit einem schönen Henkel, Tab. I, Fig. 8a, von Ciselir= (oder Cälatur= oder toreutischer) Arbeit; der Griff besteht aus zwei gewundenen Schlangen, wie es scheint, und endigt an beiden Enden in weibliche Brustbilder: oben sitzt ein weibliches Brustbild mit hohem Haarputz und faßt mit beiden Armen um den hintern Rand der Kanne; unten sitzt um den Bauchrand ein weibliches Brustbild (Leda?), mit beiden Armen einen Vogel vor der Brust haltend. - Diese Kanne ist unbezweifelt eins der schönsten Stücke des Alterthums, welches je in nördlichen Gegenden gefunden ist.

6) Eine kleine Schale aus Bronze, Tab. I, Fig. 4, flach, 10 1/2 " weit in der Oeffnung, mit einem 1/2 " breit über=

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gebogenem Rande, gegen 2 1/2 "hoch, aus dünnem Bronzeblech, gegossen, auf der Drehscheibe nachgedreht, an einigen Stellen mit edlem Roste, auf dem Boden in einem Kreise von 1 " Breite versilbert; an einer Seite sitzt ein hohl gegossener, mit erhabenen Längsreifen und an den Enden mit Querreifen verzierter Griff von 4 " Länge, welcher mit 3 Nieten angeheftet gewesen ist; da er ganz hohl ist, so ist er wahrscheinlich zur Aufnahme eines Stocks bestimmt gewesen. An dem dem Griffe entgegengesetzten Ende ist eine kreisförmige Zinnlöthung von 3/4" Durchmesser sichtbar, welche hier offenbar auch einen Vorsprung getragen hat.

7) Ein Deckel aus Bronze, Tab. I, Fig. 5, flach, 11 1/4" im Durchmesser und 1 " hoch, gegossen, und auf der Drehbank nachgedreht und mit vielen Kreisen verziert. Auf der Oberfläche ist ein erhabener bronzener Verzierungsreif von 7 1/2 " Durchmesser und 5/8 " Breite aufgelöthet. Die ganze Oberfläche ist mit schönem edlen Rost bedeckt. Der Rand ist auf der äußern Fläche trefflich versilbert. Dieser Deckel paßt grade auf die kleine Schale Nr. 6, Fig. 4; jedoch ist der völligen Ueberstülpung der Griff der Schale etwas hinderlich.

8) Eine Scheere aus Bronze, Tab.I, Fig. 7, 7 1/4"lang, von der antiken Gestalt der heutigen Schafscheeren, an den Rändern mit eingegrabenen Linien verziert, ganz wie die zu Gr. Kelle gefundene, a. a. O. Fig. 6 abgebildete Scheere gebildet, nur daß diese aus korinthischem Erz, die bei Hagenow gefundene aber aus gewöhnlicher Bronze ist.

2. Heimische Alterthümer.

Die folgenden, unmittelbar neben den vorstehend beschriebenen römischen Alterthümern gefundenen, auf Tab. II abgebildeten, Gegenstände sind, mit Ausnahme einiger ganz ungewöhnlicher Gegenstände, denjenigen Alterthümern identisch, welche in den Wendenkirchhöfen, als aus der Eisenzeit stammend gefunden werden.

9) Eine Heftel (broche) aus Bronze, ganz wie sie in Frid. Franc. Tab. XXIV, Fig. 13 abgebildet ist und ganz von derselben Gestalt, wie sie in Wendenkirchhöfen äußerst häufig gefunden wird, mit denselben Verzierungen bedeckt.

10) Eine Heftel (broche) aus Eisen, Tab. II, Fig. 13, ganz von derselben Gestalt, wie Nr. 9, an dem Bügelschirm mit feinen Silberperlen garnirt. Dergleichen eiserne Hefteln kommen öfter in den Wendenkirchhöfen neben Silber vor, man vgl. nur Jahresbericht II, S. 60, Nr. 6, 7 und 10.

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11) Ein Sporn mit eiserner Spitze auf bronzenem Stuhl, Tab. II, Fig. 14, wie dergleichen in Wendenkirchhöfen öfter vorkommen, wie sie in Jahresber. VI, S. 144 flgd. beschrieben und dort und auf der beigegebenen Lithographie abgegebildet sind.

12) Eine Schildfessel (?) aus Bronzeblech, Tab. II, Fig. 12, 9 " lang und ungefähr 1/2 " breit, mit durchgehenden, beweglichen, an den beiden Enden mit runden Knöpfen bedeckten, 3/4" langen Nieten versehen, mit den Verzierungen der Geräthe aus den Wendenkirchhöfen bedeckt; hin und wieder sitzt Eisenrost von den Alterthümern, welche daneben gelegen haben. Ohne Zweifel diente dieser Beschlag zur Bedeckung und die Vernietung zur Zusammenhaltung eines dicken hölzernen oder ledernen Griffes; man vgl. Frid. Franc. Tab. IX, Fig. 2.

13) Eine Lanzenspitze aus Eisen, Tab. II, Fig. 9, gegen 9 " lang, wie Frid. Franc. Tab. XXXIII, Fig. 3, eine abgebildet ist und wie dergleichen öfter in Wendenkirchhöfen gefunden werden; man vgl. Frid. Franc. Erl. S. 93 - 94.

14) Ein Wurfspieß oder eine Lanzenspitze aus Eisen, Tab. II, Fig. 10, mit Widerhaken in Harpunenform, ungefähr 9 " lang, wie eine ganz gleiche Waffe auch auf dem Wendenkirchhofe zu Kothendorf gefunden ist; vgl. Frid. Franc. Erl. S. 89 flgd.

15) Zwei Ringe aus Silber, Tab. II, Fig. 15, mit 16, seitwärts anhangenden Silberbeschlägen. Das Silber ist fast ganz rein, ungefähr 14löthig. Diese beiden, ganz gleichen Ringe sind räthselhaft; offenbar sind es Beschlagringe. Sie sind aus dünnem Silberblech von 3/8 " Breite, 1 3/4" weit; die Ränder sind mit Reihen, der Raum dazwischen mit einer Zickzacklinie von Puncten verziert, die von innen mit Punzen herausgetrieben sind. An zwei Seiten sind kleine Oehren, in welchen ein kleiner geschlossener Ring von 1/2" Durchmesser hängt; in jedem Ringe hängt ein doppelter Silber=Blechstreifen, 1 1/8 " lang, auseinanderstehend, an jedem Ende mit einem Niete versehen. Diese Beschläge, welche nur an einer Seite verziert sind, haben offensichtlich dazu gedient, einen ledernen Riemen oder dergleichen aufzunehmen, wobei zu bemerken ist, daß die Ringe mit den Beschlägen nicht grade in der Mitte, sondern mehr nach einer Seite hin hangen. Offenbar hing also in den großen Ringen etwas, was an einem Riemen getragen ward, der mit den Nieten an den Trageringen befestigt war.

17) Ein Beschlagring aus reinem Silber, Tab II, Fig. 16, ebenfalls 1 3/4" weit, hohl, an einer Seite der Länge nach und auch im Querdurchschnitt geöffnet. Ohne Zweifel

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diente dieser rundliche Beschlag zum Endbeschlage irgend eines cylinderförmigen Werkzeuges, welches an den beiden eben erwähnten Ringen Nr. 15 und 16, Fig. 15, getragen ward.

18) Ein Endbeschlag aus reinem Silber, Tab. II, Fig. 17, vasenförmig, 1 1/4" hoch, ungefähr wie der zu Gr. Kelle gefundene a. a. O. Fig. 1 b. abgebildete Knopf gestaltet. Vielleicht gehört er als Beschlag zu den eben erwähnten silbernen Beschlägen etwa eines Hifthornes oder dgl.

19) Ein großer Ring aus Eisen, Tab. II, Fig. 11, 4" weit, 1/2 dick, wie ein Pfortenring gestaltet, auf welchem ein 1 1/2 " breiter, überfassender, beweglicher Ring sitzt.

20) Ein kleiner Beschlag aus Eisen, aus 2 Stücken Eisenblech bestehend, 1 1/2 "lang.

C. Antiquarisch=kritische Forschung.

Die Erläuterung dieser Alterthümer und die Benutzung derselben für die vaterländische Geschichte war ernster Gegenstand der Sorge des Ausschusses unsers Vereins. Es ward deshalb eine weit verzweigte Correspondenz eingeleitet, welche gewonnene Ansichten bestärkt und neue hervorgerufen und beigesteuert, jedoch die Hauptsache noch nicht zur Entscheidung gebracht hat. Der Herr Professor Th. Bernd in Bonn brachte nach brieflichen Mittheilungen den Fund in der Zeitschift der Freunde des römischen Alterthums zu Bonn, 1842, S. 75 flgd., schon öffentlich zur Sprache und lieferte dabei, nach einem ihm mitgetheilten galvanoplastischen Facsimile, die Stempelinschrift und die Verzierungen des Griffes der größern Kelle Nr. 1 in Holzschnitt.

1. Römische Alterthümer.

Darüber sind alle competenten Stimmen einig, daß die oben für römisch ausgegebenen, auf Tab. I abgebildeten Bronzen ohne Zweifel römischen Ursprunges seien. Form, Arbeit, Rost, Inschriften u. s. w. reden allein schon eindringlich dafür.

Es wäre aber möglich, daß Inhalt und Form der Inschriften und der Verzierungen auf den beiden Kellen einen festern Anhaltspunct gäben. Und hier muß zunächst die Erklärung der Inschriften zur Sprache kommen. Am vollständigsten ist die Inschrift der größern Kelle, Tab. I, Fig. 1 a. Aber hier ist zu bedauern, daß der dritte und vierte Buchstabe zu enge an einander gerückt und dadurch beide undeutlich geworden sind und in dem fünften Buchstaben der Zirkel zur Anbringung der Kreisverzierungen eingesetzt ist. So viel ist jedoch gewiß, daß der fünfte Buchstabe mit einer Perpendikulair=Linie │ begann. Der dritte und vierte Buchstabe

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können nur PO oder RO gelesen werden. Nach allen Zeichen ist daher zu lesen:

TI . POPILI . SIT

Hiefür entscheidet sich auch z. B. der Herr Professor Hermann zu Göttingen. Die Erklärung des Wortes SIT hat Schwierigkeiten, "wenn man es nicht grade als Ausdruck der Bestimmung des Geräthes: " "es soll des Titus Ropilius " "sein" ", auffassen will. In dieser Bedeutung kommt auch öfter die Sigle S, und auch zuweilen die Abbreviatur SI., statt dieser Bezeichnung aber auch der bloße Dativ des Namens des Empfängers vor. Der Herr Professor Hermann meint: "Wäre die Form des Gefäßes dazu geeignet, so läge am nächsten, " SITVLA oder SITELLA zu lesen, was ein Schöpfgefäß "(ìδρiα) bedeutet". Und hiefür dürfte man sich am Ende ohne Wahl entscheiden müssen, da diese " Kellen", wie die bei Gr. Kelle gefundenen, offenbar Kellen zum Schöpfen sind, indem sie hingesetzt auf den Griff zurückfallen, also nur zum Handgebrauche bestimmt waren. Man könnte also einstweilen lesen und erklären:

T I . POPILI . SIT.
Titi Popilii Sitella.

Des Titus Popilius Schöpfkelle.

Gewöhnlich nimmt man an, daß dergleichen Inschriften Stempel des Fabrikanten seien; es steht aber nichts im Wege, namentlich hier, wo der Genitiv steht, die Bezeichnung des Besitzers aufzufassen, was hier sogar die Wahrscheinlichkeit für sich hat, wenn nicht die Anfertigung eines Stempels für eine Art von Geräthen für einen einzelnen Besitzer Bedenken erregen könnte. Hiemit ist aber noch nichts für die Zeit gewonnen, indem über diesen Mann bis jetzt noch nichts mit Sicherheit erforscht ist.

Auf dem Griff der kleinern Schöpfkelle, Tab. I, Fig. 2 a, steht ohne Zweifel

EPIDIA

ohne Punct hinter irgend einem Buchstaben. Im Anfange ist der Stempel nicht scharf aufgesetzt. "Es wäre also leicht LEPIDI . A zu ergänzen"; es steht aber kein Punct hinter dem I. Es kommt aber Epidius als römischer Name vor (vgl. Forcellini Lex. s. h. v.), und es könnte also die Inschrift mit diesem Namen zusammenhangen.

Der Inhalt der beiden Inschriften giebt also für jetzt keine Ausbeute für die Zeitbestimmung. Mehr leistet dafür die Form der Inschrift überhaupt und im Besondern der Buchstaben.

Alle Forscher im römischen Alterthume, so viele deren befragt sind, stimmen darüber ein, daß die Kellengriffe mit ihren Ver=

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zierungen und Inschriften in eine frühe Zeit und namentlich in das erste Jahrhundert nach Christi Geburt fallen, " so schwierig auch die Entscheidung sein möge". Namentlich meint z. B. der Herr Professor Gerhardt zu Berlin, seiner Meinung nach würden die Bronzen "in die frühern Jahrhunderte des römischen Alterthums fallen"; und hiemit stimmen viele Alterthumsforscher überein. Der Herr Professor von Hefner zu München glaubt annehmen zu dürfen, daß die Verfertigung dieser Gefäße in die Zeit von 10 vor Chr. G. bis 50 nach Chr. G. falle; die gleichen Schriftzüge auf den Münzen und den Inschriften auf Gefäßen aus dieser Zeit redeten dafür. Der Herr Professor Hermann zu Göttingen schreibt: "Das fragliche Stück kann den Schriftzügen nach in "das erste Jahrhundert der Kaiserzeit fallen, indem die Münzen des Kaisers Augustus ähnliche Gepräge darbieten; insoferne es jedoch in der Natur der Sache liegt, daß solche Fabrikstempel mit den Fortschritten der Münzstempel nicht gleichen Schritt hielten, so steht nichts im Wege, es auch später zu setzen".

Der Herr Professor Th. Bernd in Bonn a. a. O. faßt die übrigen Verzierungen des Griffes der größern Kelle ins Auge und findet in den Strahlen Aehnlichkeit mit bekannt gewordenen römischen Schildbildern, glaubt also annehmen zu müssen, daß diese Verzierungen "keinesweges ohne Bedeutung", also gewissermaßen eine Art von Wappen seien. Demgemäß setzt er das Gebilde in die Zeit der Notitia dignitatum et administrationum in partibus orientalis et occidentalis, deren Abfassung ungefähr in die Zeit des Kaisers Theodosius d. Gr. oder etwa um das Jahr 400 nach Chr. G. fällt. - Wir erblicken aber in diesen Verzierungen nichts anders, als eben Ornamente, welche in jener Zeit üblich waren, wie die Kreisstempel auch zur Verzierung der kleinern Kelle, und dazu für andere Formen benutzt, sind. Der Herr Professor Hermann sagt in Beziehung auf diese Ansicht: "In die Zeit der Notitia dignitatum möchten wir die Gefäße nicht hinabdrücken, weil in jener Zeit die Buchstaben viel dünner und schlanker zu werden anfingen. Die Aehnlichkeit der übrigen Zeichnungen mit den Schilden der Notitia dünkt uns irrelevant, da diese Schilde vielmehr so verziert wurden, weil dergleichen überhaupt üblich war, als daß die Verzierungen irgend einen nähern Bezug auf die Schilde hätten".

Es wäre also durch die Forschung so viel gewonnen, daß anzunehmen ist, die Gefäße aus Bronze seien unzweifelhaft römischen Ursprunges und im ersten Jahrhundert des Kaiserreichs verfertigt worden.

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2. Heimische Alterthümer.

Die übrigen, auf Tab. II abgebildeten Alterthümer von Bronze, Eisen und Silber kündigen sich auf den ersten Blick als meklenburgische Alterthümer an. Es sind dieselben Alterthümer, welche sich auf den "Wendenkirchhöfen" oder den Begräbnissen der Eisenperiode finden und welche als die Ueberreste der jüngsten Heidenzeit erscheinen. Und zwar finden sich hier charakteristische Stücke. Die bronzenen Hefteln (broches), durchaus von derselben Gestalt und mit demselben Rost, finden sich auf jedem wendischen Begräbnißorte und sind in Meklenburg in zahllosen Exemplaren gefunden.

Heftel

Ja, es kommen auf den Wendenkirchhöfen auch schon eiserne Hefteln von derselben Gestalt vor; die großen Wendenkirchhöfe von Kothendorf (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 89 flgd.), Camin (vgl. Jahr. II, S. 53) und Pritzier (vgl. unten) geben hinreichend Beweise.

Sporn

Eben so sind die Sporen, mit der Verbindung von Eisen und Kupfer, charakteristische Kennzeichen der Wendenkirchhöfe (vgl. Jahresber. VI, S. 144 flgd.). Um diesen Theil des hagenower Fundes ganz in die Zeit der Wendenkirchhöfe zu versetzen, ward auch noch Silber gefunden, welches erst seit der muhamedanischen und merovingischen Zeit an den Ostseeküsten aufzutreten

scheint, wie noch in Franken unter den Merovingern die Goldmünzen sehr häufig, die Silbermünzen äußerst selten, dagegen kufische Silbermünzen in den Ostseeländern sehr häufig sind.

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Silber ward ebenfalls zu Kothendorf, Camin und Pritzier und in andern Wendenkirchhöfen derselben Art gefunden (vgl. Jahresber. VI, S. 74 und VII, S. 44). Dazu ward bei Hagenow an der mit Silberperlen sehr geschickt garnirten eisernen Heftel gar Silber auf Eisen gefunden! Die Schildfessel und die Lanzenspitzen von dieser Gestalt kommen ebenfalls in Wendenkirchhöfen vor.

Eigenthümlich sind dem hagenower Funde die runden Silberbeschläge, welche ohne Zweifel zusammen und zu einem und demselben (musikalischen?) Instrumente gehören, und der große eiserne Ring. Die Silberbeschläge fallen dem Gehalte des Silbers, da es fast rein ist, und der Arbeit nach, namentlich nach der Art der Vernietung, ebenfalls in die heidnische Eisenperiode. Der große eiserne Ring, der am wenigsten oxydirt ist, sieht ganz aus wie ein mittelalterlicher Pfortenring, wie sich solche Ringe noch an Kirchenthüren finden.

Schluß.

Es entsteht nun die Hauptfrage, ob sich ein historischer Schluß aus dem ganzen Funde und aus einem Theile desselben auf den andern ziehen läßt.

Die römischen Alterthümer fallen in das erste Jahrhundert nach Christi Geburt; Bearbeitungsweise, Formen, Inschriften und Rost reden dafür. In diese Zeit fallen, unserer Ansicht nach, noch die (germanischen) Kegelgräber der Bronze=Periode, welche nur Bronze mit demselben edlen Roste und Gold, nie Eisen und Silber enthalten. In einem solchen Kegelgrabe bei Lehsen (vgl. Jahresber. IV, S. 27) fanden sich neben den bekannten goldenen spiralischen Fingerringen auch unbezweifelt römische Glasperlen von blaugrüner Farbe, ohne Zweifel coeruleus der Römer. Hiernach würden die Kegelgräber der Bronze=Periode gewiß noch in die letzten Jahrhunderte vor Chr. G., also dicht vor die römischen Bronzen von Hagenow, fallen.

Die heimischen Alterthümer von Hagenow fallen dagegen, nach allen Kennzeichen, in die Eisen=Periode der Wendenkirchhöfe. Daß diese die letzte heidnische Periode füllen, leidet keinen Zweifel, da zwischen ihr und dem christlichen Mittelalter keine Spur von einer andern Cultur beobachtet ist und die Geräthe der Eisen=Periode den mittelalterlichen Geräthen christlicher Länder gleichen, auch besondere Zeichen genug vorhanden sind, daß die Wendenkirchhöfe etwa in die Zeit vom 7. bis zum 12. Jahrhundert fallen.

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Es ließe sich nun denken, daß die Eisencultur grade bis in die ersten Jahrhunderte nach Chr. G. zurückreiche und ihren Anfang grade in der Zeit genommen habe, als die, vielleicht spät außer Gebrauch gesetzten römischen Bronzen von Hagenow vergraben seien. Eine solche Annahme würde die in Norddeutschland und Skandinavien bisher angenommenen Ansichten von den Perioden der heimischen Alterthümer bedeutend erschüttern oder doch wenigstens die Grenzen der Perioden etwas verrücken. Dagegen aber spricht der Rost der bei Hagenow gefundenen heimischen Alterthümer. Der Rost ist nämlich durchaus jener leichte, mehlartige, nicht tief eindringende Anflug von Oxyd, welcher auf den Bronze=Alterthümern der Wendenkirchhöfe liegt; auch die Oxydation der eisernen Alterthümer geht nicht tief.

Der Rost beider Abtheilungen der hagenower Alterthümer ist zu disparat, als daß man annehmen könnte, alle wären zu gleicher Zeit der Erde anvertraut. Es bleibt daher nichts weiter übrig, als anzunehmen, daß beide Abtheilungen auf einer zu verschiedenen Zeiten bewohnten Stelle durch einen Zufall zusammengekommen seien, um so mehr, da die Fundstelle kein Grab war.

Auf jeden Fall werden die heimischen Alterthümer jünger sein, als die römischen, selbst wenn sie zusammen vergraben worden wären, da man annehmen muß, daß die römischen Alterthümer vor ihrer Versetzung in den Norden im römischen Reiche verfertigt sind, und annehmen kann, daß sie, als seltene Kunstwerke, mehrere Generationen hindurch vererbt sind. Ohne Zweifel fallen also die heimischen Alterthümer der bezeichneten Art mit der Mischung der Eisen= und Silber=Cultur in die Zeit nach der Blüthe der römischen Bronze=Cultur und nach den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.