zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 228 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

10.
Ueber Maireiten und Bürgerbewaffnung im Mittelalter.

In Jahrb. VII., S. 180 flgd. hat der Herr Professor Crain nachzuweisen gesucht, daß die mittelalterlichen Feste und Waffenübungen zur Frühlingszeit in der uralten Sitte einer Frühlingsfeier ihren Ursprung finden. Wenn dies auch nicht zu leugnen sein wird, so liegt doch die Frage nach dem Zwecke dieser Feier im Mittelalter sehr nahe. Unser Freund sagt S. 183 gewiß sehr richtig: "Das Schießen selbst möchte wohl für mehr als bloße Waffenübung anzusehen sein, wenn auch dieser Zweck sich leicht damit verbinden ließ und später der alleinige blieb, als bei der Entwickelung des Städtelebens Vertheidigung gegen äußere Anfälle ein Hauptaugenmerk ,bürgerlicher Erziehung werden mußte." Wir glauben nun, daß im Mittelalter Meklenburgs Waffenübung höchster Zweck

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 229 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und Hauptsache und die symbolische Feier nur ein herkömmliches, nicht sehr bedeutungsvolles Beiwerk der Frühlingsfeste war, wie umgekehrt jetzt das Schießen bei den antiquirten Schützenfesten grade nicht die Hauptsache ist. Ja der Kurfürst Joachim von Brandenburg erklärt (vgl. Riedel Nov. Cod. dipl Brand. I., S. 438) im J. 1560 bei der Privilegirung der Schützengilde zu Witstock "das Schiessen nach dem Vogel in den Städten für ein alt loblich herkommen und ehrliche rittermässige Uebung und ein Ritterspiel."

Die unglaublich große Macht der Städte im Mittelalter forderte gebieterisch eine imponirende Wehrhaftigkeit ihrer Bewohner, die sie auch mehr als einmal glänzend bewiesen haben und die hin und wieder noch in den alten Zeughäusern erkannt wird. Daß das Fest erst "nach und nach zu einem mit dem ernstern Zwecke kriegerischer Uebung verbundenen Spiele" geworden sei, glauben wir dagegen nicht. Betrachten wir schärfer die eigentliche Zeit mittelalterlichen Glanzes in den wendischen Ostseeländern, so ist sie sehr kurz. Das 13. Jahrhundert verfließt in den Städten unter Gründung und Einrichtung, und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist der mittelalterliche Geist völlig verschwunden. Es bleiben also für das "Mittelalter" in Meklenburg in der That nur zwei Jahrhunderte, das 14. und 15. Jahrhundert. Und was in diesem Zeitraume geschieht, geschieht durchaus in selbstbewußtem Geiste mit klar erkanntem Zweck. Ein solcher Zeitraum ist für die allmählige Entwickelung eines Institutes aus einem andern und das Veralten jenes viel zu kurz. Wir müssen also annehmen, daß ein neues Institut mit Triebkraft auf ein altes gepfropft sei.

Auch, glauben wir, muß man sehr den Rang der Städte bei den Festen unterscheiden. In den großen Handelsstädten entwickelte sich seit dem Ende des 13. Jahrh. ein durch Famlienverbindungen, Reichthum, Landgüterbesitz, Macht und altes Geschlecht ausgezeichnetes Patriciat, das den ritterlichen Geschlechtern auf dem Lande nur an Würde nachstand. Daher finden wir in den Hansestädten das Maireiten in voller Rüstung 1 ) zu Roß: eine Art Musterung der berittenen, gerüsteten Bürger, nach Art der Ritter, mit denen sie sich oft zu messen hatten. Ganz klar redet hierüber Joach. Lindemanns, stralsundischen Rathsschreibers, Memorial=Buch in Balt. Stud. VIII., 2, 1842, S. 13:


1) Noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts empfing die rostocker Bürgerschaft den Herzog Johann Albrecht I. in Rüstung; vgl. Neue wöchentl. rostock. Nachr. 1840, Nr. 57, S. 271.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 230 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"Anno LXIII, (1563) hefft Hertzog Erich von Braunschweig seinen Zugk durch Pomernn genohmen vnnd bis Dantzig kohmenn. Ist die burgerschafft zum Sunde, damit zu sehen, was an rustungen vnnd wehrenn in der stadt, auffgebotten vnd gemustert, aber nicht dergestalt, wie wohl gewunschet, gerustet gewesenn; etzliche haben ihre harnisch domaln, welchs viel jahr vnter denn bettenn gelegenn, auffgesucht. Solchs verursachet, daß folgendenn LXIIII jarß daß meyreitenn in voller rustung widerumb angerichtet wurde. Nachdem aber Joachim Dampenn Hanß Warnekenn vorfarnn im letztenn meyreiten den krantz vberreichet, vnd Hanß Warnekenn geburen sollen, itzo widerumb den krantz in das felt zu bringenn, der aber kein sonderiger reuter, schwerfellig vnd bey alter etc. ., also nicht reitenn konnen: hat ein ratsher Georg Moller wegenn deß radts daß reiten wider anzurichtenn, den krantz in das felt bracht, vnnd ist Marten Schwarte, ein lediger gesell, zum meygreue erwelet wordenn. Dass meyreitenn ist fur disser Zeit viel jahr nicht gehaltenn aus disser vrsach, dass der erwelete grosse vnkosten in den meigrefskosten vffwenden mussen; her Johan Hoffmeister, wie der geritten, hat II C fl. fast vffgewandt. Ein erbar radt, ordnung inß werck zu bringen vnnd vnkosten zu lindernn, hat vorordenett, daß die, so ein meigreff erwelet, zehn mark ß. gebenn, die vnkostenn aber, so auff die meigreffskoste gangenn, die mit geritten vnnd zur kostenn kohmen, zu gleichenn teilen betzalen soltenn, welchs diß jahr also gehaltenn. Ist die koste auff dem konig Arendshoff gehaltenn; sein 100 temelich gerustede pferde gewesenn. Folgenden LXV. jarß hat man nicht gerittenn, dann der sommer, sonderlich das vorjhar, fast vnruhig gewesenn."

Uebrigens war der Mairitt eine Pflicht der Bürger. Berckmann erzählt in seiner stralsund. Chronik (S. 211):

"Anno 1474 brachte Krassow (Heine) sohn Arndt vam Rode den meienkranß vnd scholde riden in dat meien; vnd he toch na Rostock vnd dede deme so nicht. De rath warnede ehne, dat he nicht nha Rostock rede. De rath leth ehn vorbaden des vrigdages vor Viti, dar ehme Krassow

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 231 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

sede vmme dat meien tho ridende; de rath sede, he scholde willköhr der stadt dohn vnd wedder denen mit 60 mk. vnd riden - - in dat meien vnd holden de olden beleuinge nha alse vor."

Es wird die Bürger=Rüstung zu Roß auch um so weniger auffallend erscheinen, da im Mittelalter und im 16. Jahrhundert rittermäßige Männer nicht selten Burgemeister in den Städten waren, selbst in kleinern Städten, wie in Sternberg. Berckmann sagt S. 177 z. B. von Stralsund, daß der Burgemeister Johann Culpe zehn gerüstete Männer zu Rosse aus seinem Hause stellen konnte:

"Herr Johann Culpe - - de waß ein borgermeister vnd ock en ridder; de konnte sulf teinde vth sinem huß wehrhaftig riden."

Ja es kommt der Fall vor (J. Berckmanns Stralsund. Chronik S. 11), daß im J. 1434 der Herzog Barnim von Pommern in Stralsund mit dem stralsunder Bürger Berend Voth turnirte und dieser den Herzog in den Sand setzte:

"Anno 1434 stack hir hertoch Berner, Bugslaus vader, vp den alten marckede. - - Vnd hir was en erlich borger van personen, de hete Berendt Voth, de stack eme aff; do he gefallen waß, do fell he ock; de quam noch tho rade. Darna steckenn noch IIII par en tho ehrenn."

Hieraus scheint die Maigrafschaft und das Maireiten ganz klar zu sein. Was aber die vornehmsten Bürger in den vornehmsten Städten thaten, war gewiß voller Ernst und Hauptsache. Und wenn die Alten zum Ernst die Freude gesellten, so wollte auch die Jugend fröhlich sein: auch die Schuljugend feierte eine Maigrafenfahrt und wählte sich einen Maigrafen (vgl. Jahrb. VII., S. 182).

Der Kranz war im Mittelalter das Zeichen einerWürde; auch die Schaffer der Gilden trugen Kränze als Zeichen ihrer Würde (vgl. Jahrb. VII., S. 201 u. 204).

Auch die jungen Leute wurden zur Uebung in den Waffen angehalten; die Kaufgesellen schossen nach dem Papagoyen (Jahrb. VII., S. 206).

So war es in den großen Städten. In den kleinen Städten konnte man eine ritterliche Wehrhaftigkeit nicht finden; hier war zwar auch die Bewaffnung der Bürgerschaft nothwendig, aber sehr bescheiden, da sie aus Armbrust, Spieß und Dolchmesser bestand. In einem Schreiben des Dömitzer Vogts an die Herzoge Magnus und Balthasar vom Ostermontage 1488 heißt es:

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 232 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

"Item gnedige lieuen hernn, ik hebbe de lude vnnd nenne in jwer gnaden fogedie hir to Domptze vor my gehad vmme erer were 1 ) haluen. Aldus gnedigen lieuen hernn hebben de lude alle vorwilkort, ze willen alle eyn islik by zik eyn gud armborst, eyn rutink 2 ) vnnd eyne barde 3 ) hebbenn vund is em allen wol to danke 4 ). Auer gnedigen lieuen hernn dusse borger byn alle 5 ) Domptze hebben nicht X armborste vnnd kan ze dar nicht to bringen, dat ze dat stedekenn vaste makenn vnnd were tugenn 6 ), des doch grote noth vnnd behoff is. Alzo gnedige lieuen hernn bidde ik jwe gnade, dem Rade vnnd den borgernn scriue vp dat hardeste vnnd hogeste, dat ze ere were vnnd eyn iderman eyn gud armborst hebbe, wente 7 ) id zint alle junge, rasche nenne vnnd ift et 8 ) qweme 9 ), dar god vor zy, dat ze scholden ere stedeken weren, ik endorfte 10 ) myd em nicht vthe deme dore wankenn 11 ), wente 7 ) ze enhebben 10 ) neyne were."



1) were: Bewaffnung.
2) rutink: großes Messer, Degen.
3) barde: Hellebarde, Spieß.
4) to danke: genehm, recht.
5) byn alle: binnen ganz.
6) tugen: zeugen, schaffen.
7) wente: denn.
8) ift et: wenn es.
9) qweme: käme.
10) en - nicht: nicht.
      en - neyne: keine.
11) wanken: gehen, ziehen.
7) wente: denn.
10) en - nicht: nicht.
en - neyne: keine.