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3.
Ueber die älteste Form der Belehnung.

Bekanntlich fehlt es in Meklenburg bisher an den ersten und überhaupt an alten Lehnbriefen. In Jahrb. III, S. 164 und 231 flgd. sind 2 Lehnbriefe von 1306 und 1317 mitgetheilt, welche grade nicht für die ältesten Lehnbriefe überhaupt, sondern für die ältesten Lehnbriefe, welche alle Eigenthümlichkeiten der meklenburgischen Lehne vollständig und bestimmt ausdrücken 1 ), ausgegeben sind. Es fehlt zwar nicht an Lehnbriefen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts;


1) Wenn Kämmerer in Gel. und gemeinnütz. Beitr. 1841, Seite 372 zwei bekannte, schon gedruckte Urkunden (von 1304) mittheilt, um zu beweisen, daß sich noch ältere Beispiele über "die Veräußerlichkeit der Lehne" finden, so treffen diese Beispiele nicht zu, theils weil das Recht der Veräußerlichkeit sich durch noch ältere Urkunden beweisen läßt und die von mir mitgetheilten Urkunden von 1306 und 1317 nur mitgetheilt waren, weil sie alle Eigenthümlichkeiten der meklenburgischen Lehne klar und bestimmt enthalten, theils weil in den von Kämmerer mitgetheilten Urkunden nur von Mühlenlehnen die Rede ist.
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aber sie sind nur vereinzelte Erscheinungen, und an ersten Urkunden über die Verleihung alter Stammlehen fehlt es bisher ganz. Theils mag der Grund darin liegen, daß die Urkunden den Lehnträgern hingegeben wurden und in deren Händen im Laufe der Zeit untergingen; theils aber und vorzüglich liegt der Grund darin, daß die älteste Form der Belehnung eine mündliche und symbolische war, also in der Regel keine Lehnbriefe ertheilt wurden. Im Allgemeinen wurden in den frühesten Zeiten nur Urkunden ausgestellt, wenn mit der Geistlichkeit, mit Corporationen und Behörden, mit Fremden und zwischen politischen Partheien verhandelt ward. Gewöhnliche Besitzveränderungen wurden mündlich abgemacht, wie es z. B. die alten Stadtbücher beweisen. So auch verhielt es sich ohne Zweifel mit den ritterlichen Lehen. Wir kennen bisher schon einzelne Andeutungen. In einer Urkunde vom 7. Dec. (1309) 1 ) wird ausdrücklich gesagt, daß der Fürst Heinrich der Pilger dem Kloster Rehna Besitzungen in Benzin mündlich bestätigt (viva voce) habe. Auch das Kloster Dargun ward vom Bischofe Berno von Schwerin mündlich (viva voce) fundirt 2 ) und die Johanniter=Komthurei war wahrscheinlich ebenfalls mündlich gegründet 3 ).

Ich bin so glücklich gewesen, eine Urkunde zu entdecken, in welcher das symbolische Verfahren bei der Verleihung weltlicher Ritterlehen in den ältesten Zeiten ausführlich beschrieben wird. Die Belehnung geschah folgendermaßen:

Der Lehnsherr übergab dem Lehnträger mündlich das Lehn und steckte ihm zum Zeichen der Investitur einen goldenen Ring an den Finger, der Lehnmann leistete den Eid der Treue und der Lehnsherr beschloß den Act dadurch, daß er dem Lehnmanne den Friedenskuß gab.

Die weltliche Belehnung der rittermäßigen Vasallen geschah also durch Ring und Kuß, und dies wird die Lehnshandlung mit Hand und Mund (ore et manu) sein, welche späterhin öfter vorkommt, da die Belehnung durch Aufsteckung des Ringes eine Investitur durch die Hand (manualiter investire) genannt wird. Nach diesem Act der Belehnung erhielt der Lehnmann in spätern Zeiten eine schriftliche Versicherung, den Lehnbrief, welcher jedoch nicht die Belehnung, sondern nur Folge der Belehnung war.


1) Vgl. Lisch Urk.=Samml. zur Gesch. des Geschlechts von Maltzahn, I, S. 164.
2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. I, S. 1.
3) Vgl. Jahrb. III, S. 53.
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Auf diese Weise war, nach der Urkunde vom 4. Oct. (1276), der Vasall Hermann Koß mit den alten kosseschen Stammlehnen Kossow und Teschow belehnt; an dem genannten Tage erhielt derselbe darüber eine Versicherungs=Urkunde 1 ).

Auf ähnliche Weise geschah bei Veräußerungen die Auflassung des Lehns durch Hand und Mund; am 10. Aril 1310 bekannte der Ritter Heinrich Grube, daß er sein Lehngut Niex zu Händen des Klosters Doberan durch Hand und Mund (ore et manu) vor dem Lehnherrn aufgelassen habe 2 ).

Zugleich giebt diese Urkunde die Dauer der Gewähr (warandatio, warschop) von Jahr und Tag an, nämlich 1 Jahr und 6 Wochen. Diese in den wendischen Ländern gebräuchliche Frist war die gewöhnliche große Frist von 1 Jahr 1 1/2 Monaten oder richtiger von 1 Jahr 6 Wochen 3 Tagen. Die allgemeine Bestimmung der Gewähr auf Jahr und Tag kommt in den meklenburgischen Urkunden öfter vor; sie war auch im Lehnrecht nach sächsischem Gebrauche die gewöhnliche: vgl. Sachsenspiegel III, 83, §. 2. Svie en gut liet oder let enem anderen, die sal is ym geweren iar vnde dach.

Ob das Gut Koß=ow (oder Ko[t]z=ow) seinen Namen von den Herren von Koß (oder Koz) habe, also, nach der wendischen Endung, deutsch Kossendorf heißen würde, ist wohl schwer zu enscheiden.

G. C. F. Lisch      



1) Vgl. unten Urkunden=Sammlung.
2) Vgl. unten Urkunden=Sammlung.