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Die Kirche zu Brüel.

So dankenswerth die Nachrichten sind, welche Wohnort über Brüel im Freimüth. Abendbl. 1831, Nr. 647 flgd., und 1830, Nr. 594, mittheilt, so ist es doch auffallend, daß er dabei der Kirche nicht erwähnt. Freilich ist sie in ihrer jetzigen Verfassung sehr dunkel und unfreundlich, und überhaupt nicht in die Augen fallend, da sie weder eine bedeutende Größe, noch einen hohen Thurm hat: aber sie hat doch so viel Eigenthümliches und Schönes, daß sie in der Geschichte der Baukunst in Meklenburg nicht vergessen werden darf.

Die Kirche hat die Gestalt eines Oblongums und besteht aus einem Chore mit einem Gewölbe, einem Schiffe mit zwei Gewölben und einem Thurmgebäude.

Der Chor ist es besonders, der die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, da er aus der Zeit des Ueberganges vom Rundbogen= zum Spitzbogen=Styl stammt und eines der klarsten Bauwerke, wenn nicht das vorzüglichste, aus dieser Zeit in Meklenburg ist; denn nicht allein die äußern Ornamente, sondern auch die Wölbung im Innern stehen sowohl mit dem würdigen Style der Zeit, als auch untereinander im größten Einklange.

Der Chor ist an der östlichen Altarwand grade abgeschnitten, ohne Altartribune. Die drei Fenster des Chors sind in einem aus zwei Kreissegmenten bestehenden Spitzbogen gewölbt; der Spitzbogen ist im Schlusse zwar scharf angedeutet, jedoch im Ganzen so unbedeutend, daß nur eine sehr leise Wendung nöthig wäre, um eine Wölbung im Rundbogen hervorzubringen, wenn nicht der ganze kräftige Bau dieser Fenster die in ihnen enthaltene Construction mit Notwendigkeit bedingte. Die Fenster sind schon viel weiter, als die Fenster aus der Zeit des Rundbogenstyls, jedoch noch nicht so sehr in die Breite gezogen, als die Fenster aus der Zeit des Spitzbogenstyls, welche zur Zeit des Verfalls desselben so oft den ganzen Bau entstellen und mit deren Bau man oft nicht recht hat durchkommen können, wie es scheint. Und in dieser aus einem kräftigen, edlen Geiste

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hervorgegangenen Construction liegt die Schönheit dieses ganzem Baues. - Der Chor, aus großen, trefflichen Backsteinen erbauet, ruhet auf einem Fundamente von Granit, auf dem eine Platte von glasurten Ziegeln steht. Die schräge eingehenden Fenster sind am Rande abwechselnd mit glasurten und unglasurten Ziegeln abgekantet. - Das östliche Altarfenster ist breiter als die Seitenfenster und ging beim Bau tief herab. Jetzt ist das Fenster von unten auf über die Hälfte zugemauert und durch zwei schlichte Säulen in drei Fächer geteilt; dies wird, nach dem Material zu urtheilen, schon im 14. Jahrhundert bei der Einführung der hohen Altartafeln geschehen sein.

Das Gesims besteht aus einer Lage von Ziegeln, welche mit einer Kante nach der Außenfläche gekehrt sind. Ueber diesem Fenster ist in dem dreiseitigen Giebel ein vertieftes Kreuz eingemauert und an jeder Seite unterhalb desselben eine vertiefte Verzierung von drei ganz im Geiste der Fenster gemauerten Spitzbogen, welche durch Halbsäulen mit kleinen aus dem Viereck geschnittenen Kapitälerchen getrennt sind.

Die beiden Seitenfenster sind schmäler als das Altarfenster und durch einen Steinpfeiler, der in der Wölbung in eine dreifach geschweifte Rosette von gebranntem Thon ausläuft, in zwei Fächer geschieden.

Unter dem südlichen Fenster ist die Chorpforte, an den eingehenden Gewänden reich mit Halbsäulen und Gurten verziert und ganz in dem Style der Fenster gewölbt. Gegenwärtig ist diese Pforte durch eine vorgebauete Vorhalle dem Anblicke von außen entzogen.

Das Vorzüglichste an der Kirche besteht aber in dem einen herrlichen Gewölbe des Chors, welches ebenfalls ganz in dem äußerst kräftigen, edlen Geiste der Fenster aus der Zeit des eben beginnenden Spitzbogens mit Großartigkeit und Kühnheit aufgeführt ist. Die Gurte der Gewölbe ruhen auf zierlichen, runden, fast ganz hervorstehenden, dünnen Säulen oder Pilastern von nicht viel größerm Durchmesser, als die zusammenstoßenden Gurte; die Kapitäler der Säulen sind mit einer Ranke mit drei Blättern verziert.

Nach dem Schiffe hin ist der Chor durch einen Spitzbogen geöffnet.

An den Chor stößt das Schiff, aus einem Oblongum bestehend, welches etwas breiter ist, als der Chor. Das Schiff ist mit zwei Gewölben im Rundbogen, die Fenster sind dagegen mit leisen Spitzbogen gewölbt. Offenbar ist das Schiff in etwas jüngerer Zeit oder doch von einem andern Baumeister angebauet. Die Fenster sind zwar in demselben Styl, wie die

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Fenster des Chors, aber sie sind viel weiter, und dies will zu der ganzen Construction nicht recht passen, so daß die Oeffnungen schon viel schwerfälliger sind, was recht klar in die Augen springt, wenn man seinen Standpunct in einiger Entfernung nimmt. Das Material des Schiffes ist übrigens fast eben so gut und alt, als das des Chores. Wahrscheinlich also ist der Bau des Schiffes noch eine letzte Anstrengung zur Nachahmung des Rundbogenstyls.

Fragen wir nach der Zeit der Erbauung, so stammt der Chor ohne Zweifel aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts. Schon im J. 1222 war der Priester Theoderich von Brüel ("Theodericus sacerdos in Bruile: Rudloff Urk. Lief. S. 7") zu Sonnenkamp Zeuge der Stiftung des nahe gelegenen Antonius=Klosters Tempzin. Wahrscheinlich ist also der Chor das erste Gotteshaus von Brüel aus dem Anfange des 13. Jahrh., dem bald die Anbauung des Schiffes folgte. Haben wir nun in der Kirche zu Gadebusch eine Basilika, in den Kirchen zu Lübow und Vietlübbe Bauwerke des reinen byzantinischen Rundbogenstyls, so besitzen wir in den Kirchen zu Neukloster und Brüel alle Elemente der Entwickelung des Spitzbogenstyls mit Anklänge aus der Zeit des Rundbogenstyls.

In jüngern Zeiten, wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert ist an der Südwand des Schiffes eine Art Capelle, wie ein Kreuzesarm, zur Vergrößerung der Kirche, vielleicht ursprünglich zu einer Familien=Begräbniß=Capelle, im schlechten Geschmacke angebauet. Schon vor diesen Zeiten hat nach den Spuren an der Mauer die Kirche an derselben Seite bereits einen Anbau gehabt. - An der Nordwand des Schiffes ist ebenfalls eine Begräbniß=Capelle angebauet.

Das Thurmgebäude scheint ebenfalls alt zu sein, dem Material nach von dem Alter des Schiffes. Es hat in der Höhe vertiefte Nischen, von je zwei Spitzbogen, in denen kleinere, rundgewölbte Schallöffnungen durchgehen.

An Mobiliar hat die Kirche fast nichts bemerkenswerthes. Das v. Plessensche Wandgemälde und die Glocken sind von Wehnert a. a. O. schon beschrieben. Außerdem wären etwa nur noch die an den Schlußsteinen der Gewölbe hangenden 3 Rosetten, mit einer Lilie, einem Stern und einem Christuskopfe, so wie ein geschnitztes Stadtwappen an dem Rathsstuhl aus dem 16. Jahrhundert zu erwähnen.

Die Inschriften auf den beiden ältern Glocken hat Wehnert im Abendbl. 1830, Nr. 594, abbilden lassen und erläutert.

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Die Inschrift auf der kleinern Glocke hat den bekannten Spruch mit gotischer Schrift:

Inschrift

und eine Jahrszahl, welche Wehnert liest:

Jahreszahl

Aber es ist schon von vorne herein unwahrscheinlich, daß die Inschrift richtig gelesen sei, da sich die gothische Minuskel schwerlich vor dem J. 1350 zu Inschriften angewendet findet. Auch ergiebt der Augenschein, daß Wehnert nicht richtig gelesen hat; denn es steht auf der Glocke:

Jahreszahl

Die Ansicht von dem hohen Alter dieser Glocke muß man also ganz fallen lassen.

G. C. F. Lisch.