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von
G. C. F. Lisch.
E ine halbe Stunde von Ilow, an der Landstraße von Wismar nach Bukow, erhebt sich unmittelbar über dem Kirchdorfe Neuburg auf festem, sandigem Boden, neben einem Bachthale, eine mächtige isolirte Höhe, welche die Aufmerksamkeit um so mehr in Anspruch nimmt, als mehrere Umwallungen offenbar durch Menschenhände geschaffen sind. Dies ist der Wall der Burg Neuburg.
Die allgemeine Sage ist: der Fürst Johann I. von Meklenburg habe J. 1244 1 ) hier seiner Gemahlin Lutgard von Henneberg zu Liebe eine Burg aus einer Höhe gebauet, weil sie dergleichen in ihrem Vaterlande gewohnt gewesen sei. Allerdings hat die Burg eine Lage, welche den süddeutschen Burgen ähnlich ist. Man genießt von der bedeutenden, freien Höhe eine reizende, weite Aussicht über den wismarschen Meerbusen und die Insel Poel auf das Meer und den Klützer=Ort, so wie auf das Land umher ungefähr bis zu den Kirchdörfern Klütz, Gressow, Meklenburg, Lübow, Goldebee, Mulsow, Alt=Bukow und Dreweskirchen. Die Nachricht von dem Bau der Burg stammt ohne Zweifel von Kirchberg 2 ); damals, im J, 1378,
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muß sich die Kunde von der nahen Burg Ilow schon ganz verloren haben, da Kirchberg die Lage von Neuburg nicht mehr nach Ilow, sondern nach dem nahen doberanschen Klosterdorfe Farpen bestimmt. In neuern Zeiten giebt vorzüglich Chemnitz († 1687) in seiner Chronik Nachricht 1 ) der die Angaben Kirchberg's wiederholt, dabei jedoch auch Kunde von allerlei Funden aus der Burgstelle erhalten haben will, jedoch keine Trümmer mehr sah; über den Untergang der Burg hatte Chemnitz auch keine Nachricht erhalten können. In Neuburg herrscht die Sage, daß die Burg schon früh abgebrochen und von den Steinen derselben die Kirche zu Neuburg erbauet worden sei.
Die kirchbergsche Nachricht von dem Bau einer Burg auf dem Burgplateau von Neuburg für die Fürstin Lutgard mag allerdings ihre Richtigkeit haben, jedoch erschöpft sie keinesweges die Geschichte der Burg. Diese ist vielmehr viel älter. Schon im J. 1219 kommt zwei Male im Gefolge des Fürsten Heinrich Borwin I. der Pfarrer Friederich von Neuburg 2 ) vor und darauf als Zeuge der Handlungen des Fürsten Johann I. im J. 1231 3 ) (zu Neuburg) und im J. 1237 4 ) der Pfarrer Arnold von Neuburg. Schon im J. 1229
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ward im Kirchspiel Neuenkirchen die Filiakirche zu Gardeskendorf oder Oedeskirchen, später Dreweskirchen genannt, gebauet 1 ) und schon der Fürst Heinrich Borwin II. hatte, nach der Confirmation vom 5 März 1270, der Pfarre 2 Hufen in Eichholz (also vor 1226) geschenkt 2 ).
Die Burg Neuburg ist daher weit älter, als von Kirchberg angegeben ist. Und hiemit stimmen denn auch die Alterthümer überein, welche, auf der Burgstelle zerstreut liegen. Am 26. Julii 1841 besuchte ich die Burgstelle 3 ). Ich fand die natürliche, sandige Berghöhe zu einem Viereck gestaltet und umher die Spuren von mehrern, jedoch nicht bedeutenden Umwallungen; von Wassergräben kann bei der bedeutenden Höhe nicht die Rede sein. Die Oberfläche der Burgstelle ist gegenwärtig Ackerland. An einigen Stellen ist der Boden leichte, schwarze Wiesenerde, welche wahrscheinlich von unten aufgebracht ist. Ueberall, namentlich aber in der Mitte, fanden sich Gefäßscherben aus der heidnischen Zeit von Urnenmasse, leicht gebrannt, mit zerstampftem Granit durchknetet, mit den antiken Verzierungen; die Scherben sind denen von den Burgwällen von Meklenburg, Ilow, Dobin, Werle und der Ravensburg völlig gleich. Außerdem fanden sich Bruchstücke von Lehm mit Stroheindrücken, Reste der Klemwände. Die genauern Nachforschungen, welche der Herr Pastor Stichert d. J. im Oct. 1841 und später wiederholt anstellte, gaben dasselbe Resultat. Er ließ an mehrern Stellen auf dem Plateau tief eingraben und fand hier, besonders auf der Seite nach dem Dorfe hin, und zwar dort, wo die Erde eine schwarze Farbe hatte, mehrere Fuß tief große Massen von Scherben, Lehmstücken, Steinen und Knochen . Es sind hier offenbar zwei Perioden gemengt, Die eine Hälfte der Scherben besteht aus grobkörniger, leicht gebrannter, hellfarbiger Urnenmasse des Heidenthums mit den linien= und wellenförmigen Verzierungen, ähnlich denen von Ilow, einige Stücke geschmackvoll gezeichnet; der Boden eines solchen zertrümmerten Gefäßes hat auf der äußern Seite ein kleines gleicharmiges Kreuz in Relief, von fast 1" hoch. Daneben finden sich leichte, leicht gebrannte Lehmstücke mit
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zahlreichen Stroheindrücken, von den "geklemten" Wohnungen, und Thierknochen aller Art. Auch wurden hier 4 Spindelsteine, dem von Ilow gleich, gefunden. - Zwischen diesen Resten heidnischen Alterthums lagen denn auch Scherben von den festgebrannten, feinkörnigen, schwarzen Töpfen des 13. Jahrhunderts, Reste von Mauersteinen von großem Format und granitne Fundamentsteine mit daran hängendem Kalk. Jedoch zeigen mehrere der jüngern Scherben durch ein feines Gemenge mit Kiessand sichtbar den Uebergang vom Heidenthume zur christlichen Zeit.
Von Trümmern mittelalterlicher Bauten war keine Spur; am Fuße der Berghöhe lagen einige mittelalterliche Mauersteine von großem Format, welche wohl von Lutgards Schloß herstammen mögen.
Aus diesen urkundlichen und antiquarischen Forschungen ergiebt sich nun ohne Zweifel, daß die Burg Neuburg wenigstens schon unter dem Fürsten Heinrich Borwin I. gegründet sein muß, und zwar wahrscheinlich bald nach dem J. 1171, als Ilow dem Bisthum Schwerin überwiesen ward. Im Gegensatze von Alt=Ilow wird Neuburg: Neu=Ilow sein.
Aus diesem historischen Resultate ergiebt sich denn wieder, daß in den ersten Zeiten des Christenthums selbst in den fürstlichen Burgen die Gefäße aus körniger Urnenmasse noch in der Regel und gebrannte Ziegel noch selten waren. Daher wird es denn auch begreiflich, daß die Besitzer (die Preen) des mit Ilow und Neuburg grenzenden Gutes Steinhausen seit uralter Zeit: von Stênhûs ("de domo lapidea") genannt werden, weil hier, gewiß eine Seltenheit, in der Nähe der fürstlichen Burgen, zuerst eine Ritterburg von gebrannten Ziegeln gebaut ward.
Nach Kirchbergs Nachricht leidet ferner wohl keinen Zweifel, daß der Fürst Johann I. seiner Gemahlin Lutgard im J. 1244 hier nach süddeutscher Weise einen neuen Wohnsitz erbaute, auf welchem sie († 1268) auch ihren Wittwensitz behielt 1 ). Und immerhin mag die Sage wahr sein, daß demnächst, da nach Erbauung der Fürstenburg Wismar der steile, wenig fruchtbare Burgwall von Neuburg geringen Reiz für meklenburgische Fürsten haben mochte, die neue Burg abgebrochen und aus den Steinen derselben die jetzige Kirche zu Neuburg erbauet worden sei, da dieselbe in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert vollendet zu sein scheint 2 ).
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Lange nach Lutgards Tode 1 ) wird die Neu=Burg nicht gestanden haben, da nicht lange darauf der Burgwall als Ackerland benutzt ward; dies redet noch mehr für einen Abbruch der Gebäude, da sonst die Trümmer die Beackerung verhindert haben würden, und die Fürsten Lutgard wahrscheinlich doch schon ein steinernes Schloß gehabt hat. Im J. 1331 nämlich verfügte die Vormundschaft des Fürsten Albrecht über mehrere Hofstellen und Hufen im Dorfe Neuburg, und unter diesen auch über den Burgwall 2 ) welcher damals 8 lüb. Schill. Pacht, und über den daran liegenden Kathen, welcher 16 Rauchhühner gab. Im J. 1331 bauete den Burgwall ein Bauer Namens Schneider; dieser muß aber nicht mehr der erste Bauer des Burgwalls gewesen sein, da es im Dorfe schon eine Bauernfamilie Borchwal 3 ) gab, welche den Namen gewiß von der Bebauung des Burgwalls herleitete, damals aber im Besitze einer andern Hufe war.