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10.
Der Nothschrei Joduthe in Norddeutschland.

Es ist bekannt, daß nach altdeutschem Criminal=Rechte das peinliche Verfahren gegen Gewaltthäter eingeleitet ward, sobald der Nothschrei bezeugt war. In diesem Sinne verleiht der Fürst Nicolaus von Rostock dem Kloster Dargun am 31. Julii 1238 einen Theil der Gerichtsbußen (vgl. Meklenb. Urk. I, S. 54) in dem Verfahren gegen gewaltsamen Ueberfall, Nothzucht und Jungfernraub, nämlich gegen die

"violentiae illatores, oppressores mulierum, raptores virginum, ita dumtaxat, si in ipso instanti mulier aut virgo violentiam factam clamore valido, sicut moris est, per vicinos et adjuvantes fuerit attestata".

Der Schrei selbst ist aus meklenburgischen Urkunden bis jezt noch nicht bekannt. Er kommt zuerst in einem noch ungedruckten Lehnbriefe über die Mühlen der Stadt Gadebusch vom 12. Jan. 1302 vor und wird hier: teiodhuite in folgenden Worten genannt:

"si forte ex violentia vite vel rebus illata in dictis molendinis contigerit clamor necessitatis, qui teiodhuite dicitur in vulgari".

Daß dies der gewöhnliche niederdeutsche Nothschrei to iodute oder iodute sei, leidet nach J. Grimm's Rechtsalterth. II, S. 877 keinen Zweifel. So heißt es in Burmeister's Altth. des wismar. Stadtrechts, S. 23:

Mauricius van Kochlestorp is vorvestet, de makede to ioduchte in nachtslapender tydt (1417)".

Auch nach dem lübischen Rechte, und zwar nach der ältesten lateinischen Recension aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts, war für Verfestungen auf handhafter That:

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"wapenscreinge 1 ) toiodute Ludt"

nothwendig; vgl. Hach Das alte lübische Recht, S. 215 (§. C). Eben so kommt er hier noch vor in der niederdeutschen Recension aus dem Ende des 13. Jahrh. und in dem hamburger Rechte; vgl. das. S. 359 (§. CCXV) und 531 (§. CCCLXXV). Auch nach dem niedern lüb. Rechte aus dem 16. Jahrh. rief der Büttel über den abwesenden Verfesteten: "Tojodute"; vgl. das. S. 145 Not. 1. Ja selbst zu den ersten plattdeutschen und nordischen Bibelübersetzungen ward der Ausdruck benutzt; vgl. Dähnerts Pomm. Bibl. V, S. 441 flgd.

Die Erklärung dieses Wortes hat mir eben so wenig, als Andern gelingen wollen. Ich füge nur noch eine Stelle aus C. Bothen Croneke der Sassen, Mainz 1492, hinzu, wo es zum J. 1115 heißt:

"To einer dechtnisse des suluen strides (vor dem wulpes holte) buweden de sassen eyne clene kappellen vp de stidde dar de stryd geschach vn richtede dar vp ein sule dar vp stod ein wapet man de hadde eine schilt in der hant vn ein kule mit scharpe tacken vn de bede an vor eine got vn hete öne todute vn mende dat se dorch hulpe sunte iodute den stryd gewunne hedden".

Das Wort muß übrigens sehr bekannt gewesen sein, da es bis auf die neuern Zeiten traditionell war. In einem Hexenprocesse der Stadt Wittenburg vom J. 1689 bekannte die Hexe:

"Sagte sie, den Huk" (eine Art von Halsweh, Leiden des Zäpfchens im Schlunde, angina uvularis) "wüste sie auch zu stillen undt thäte derowegen also, wie folgendes beschrieben. Sie nehme einen Keßelhaken, so vfn Feurherde hengende, in die Handt, ließ den Athem darüber gehen vndt japete darüber, vndt sagte

"Hodejoduth!
Ick kan den Ketelhaken nicht vpschluken"

vndt dabey hette sie auch gesprochen:

"Im Nahmen Gottes des Vaders, des Sähns vndt deß hilligen Geistes",

ohn Amen".

G. C. F. Lisch.     



1) wâfen ist im Mittelhochdeutschen bekannter Ausdruck des Schmerzes, Ausruf der Noth (z.B. wâfen unde owê; wâfen schrîen (vgl. nach swerten ruofen) ist: nach Hülfe rufen. Daher Allarm (d.i. aux armes!) und Lärm.