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VII.

Meklenburgischer Fürsten Gräber

in Wismar 1 ),

von

dem Professor Crain zu Wismar.


D a Wismar im 13. Jahrhundert fast gleichzeitig, wo nicht mit seiner ersten Erbauung, doch mit einer bedeutenden Erweiterung und Vergrößerung Residenz der Herren von Meklenburg 2 ) ward und es mehrere Jahrhunderte blieb, wenn auch die Fürsten hin und wieder an andern Orten ihren Hof hielten, so ließe sich schon im voraus annehmen, daß diese Stadt die Gebeine manches Mitgliedes unseres Fürstenhauses in ihren Mauern bergen mag. Wegen des besondern Ansehens der Heiligkeit freilich, in welchem die Kirche des Klosters zu Doberan stand, und bei der Vorliebe der Fürsten für dieses Kloster scheint die Neigung unter diesen herrschend geworden zu sein, sich in Doberan begraben zu lassen; allein diese Neigung konnte entweder wegen hindernder Umstände, Kriegsunruhen und dergl. nicht allemal befriediget werden, oder es theilten sie auch nicht alle fürstliche Personen oder deren Hinterlassene, und hatten diese ihre besondern Gründe, andern Orten, und unter diesen auch Wismar, den Vorzug zu geben. Leider aber hat in dieser Stadt die Hand der Zeit die Spuren jener Begräbnisse meistentheils vertilgt, und nur ein einziges Monument, aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts, ist noch erhalten. Die Nachrichten der Geschichtschreiber aber über die Plätze, wo fürstliche Personen begraben worden, sind einander oft so widersprechend, daß mit großer Vorsicht und Behutsamkeit zu Werke gegangen werden muß, um in der


1) Hiebei eine Lithographie.
2) Vgl. Jahrb. V, S. 5 flgd.
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Bestimmung derselben nicht zu irren. Wir wollen jetzt versuchen, jene Nachrichten einer genauen Prüfung zu unterwerfen, um das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden und so der Nachwelt die Stellen genauer zu bezeichnen, wo die Asche der in Wismar bestatteten Glieder des meklenburgischen Fürstenhauses geborgen ist.

Der erste Fürst, den die schriftlichen Nachrichten übereinstimmend in Wismar begraben werden lassen, ist

Johann III. ,

Sohn Heinrichs des Pilgers, welcher kurz nach seiner Verheirathung mit der rügischen Fürstin Helena auf einer Fahrt nach Poel zur Jagd, als der Sturm das Boot umschlug, mit vierzehn seiner Edelleute seinen Tod in den Wellen der Ostsee fand; vgl. v. Lützow II, S. 35. Auch in der Angabe seines Todesjahres 1289 treffen alle besseren Nachrichten zusammen, denn die Angabe 1298, welche die genealog. Tabelle des Staats=Kalenders hat, ist nur ein, durch alle Jahrgänge wiederholter Druckfehler, da Rudloff, von dem ich annehmen muß, daß die Tabelle herrührt, in seinem Pragmat. Handbuch II, S. 81 auch das Jahr 1289 hat. In der Angabe des Todestages ist freilich eine große Verschiedenheit. Denn wenn nach einigen Nachrichten Johann sich erst im October, nach der Stammtafel im Staatskalender gar erst am 3. Novbr. dieses Jahres vermählte, so wäre sein Unglücksfall in die letzten Wochen desselben Monats zu setzen. Im doberaner Kreuzgangsfenster aber (vgl. Jahrb. I, S. 131 ff.) ist Johanns Tod auf den 27. Mai (VI kal. Junii) gesetzt, und in einer Original=Urkunde im großherzogl. Archiv d. d. Lubeke anno dni. M°CC°LXXX°IX° sabbato ante festum diem b. Ambrosii, d.i. nach der gewöhnlichen Festrechnung den 2. April 1289, kommen schon die Worte vor: Anastasia et filius ejus Henricus ac relicta filii ejus quondam Johannis. Diese so große Verschiedenheit der Angaben kann vielleicht aus der in der Zeit verschiedenen Feier der Feste erklärt werden; wo nicht, so müssen wir annehmen, daß entweder nur eine, oder vielleicht gar keine richtig ist. Das Jahr jedoch ist wohl unbestritten das J. 1289. Allein in der näheren Bestimmung des Orts der Bestattung weichen die Angaben von einander ab. Schröder (Beschr. der Stadt und Herrsch. Wismar S. 238) nennt als solchen das Graue oder Franciskaner=Kloster; seine Gewähr ist ein Chronicon Wism. Msct.; mit ihm stimmt auch das "Kerckenböck" des Grauen Klosters überein, in welchem es heißt: "Anno 1289 ist de Junge her Johannes, de oldeste Szon

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ern Hinrici des gefangenen in Babilonia, verdruncken in der Goluitze" etc. . Frank dagegen (A. und N. Meklenburg, Buch V, S. 105), Slaggert (Chron. Msct. in der Regierungs=Bibliothek, nach einer mir vom Hrn. Archivgehülfen Glöckler gewordenen Mittheilung,), Latomus (Geneal. Megap. bei Westphal. Tom. IV, p. 251) und andere führen das Schwarze oder Dominikaner=Kloster an 1 ). Der erst= und der letztgenannte nun citiren dabei den mit der Begebenheit fast gleichzeitigen Kirchberg Cap. 137 des Chron. Meclenb. An dieser Stelle ist jedoch, wenigstens in dem Abdruck bei Westphalen, nichts von der Begeben=


1) Das Graue oder Franciskaner=Kloster, Graumünchen=Kloster, monasterium oder coenobium fratrum minorum, lag ungefähr 200 Schritt von dem, unter dem Namen der Grube aus dem vor dem Altwismarthore gelegenen Fischerteich (aqua Wisimara), welcher sein Wasser aus dem schweriner See erhält, durch die Stadt geleiteten Kanal, südlich von der Nicolaikirche, in dem Quartier (man vgl. den beigegebenen, lithographirten Grundplan), welches von den 4 Straßen: Krönckenhagen, ABC=Straße, Bademutterstraße und Schulstraße, eingefaßt wird, grade da, wo jetzt die Gebäude der großen Stadtschule stehen, deren Umfangsmauern wenigstens zum Theil noch Reste des Klosters sind. Die Kirche desselben, zum heil. Franciskus, gewöhnlich Graumünchen=Kirche, vor der Gründung des Klosters die Kirche des heil. Kreuzes genannt, womit aber nicht die Kapelle des heil. Kreuzes vor dem Altwismarthore verwechselt werden darf (vgl. C. C. H. Burmeister Nachricht von den wism. Kirchen in Jahrb. III, S. 55 ff. und Schröder P. M. S. 475), stieß dicht an die Klostergebäude und war durch einen sogenaunten Kreuzgang, der erst im J. 1839 weggebrochen ist, mit den Wohnungen der Mönche verbunden. Sie stand bis zum Jahr 1816, wo sie, seit vielen Jahren schon außer Gebrauch und baufällig geworden, mit Genehmigung allerhöchster Behörden weggebrochen, und die Materialien für Rechnung der noch immer sogenannten Graumünchen=Hebung, deren Einkünfte aber seit der Reformation meist zum Besten der Schule verwandt worden, verkauft wurden. Der jetzige Schulhof wird noch der Mönchhof genannt, der Platz aber, wo die Kirche stand, der Mönchenkirchhof, und ist dieser ringsum mit Bäumen bepflanzt. An der Stelle des Chores im Osten der Kirche ward ein kleiner Garten angelegt und ein Wirthschaftsgebäude aufgeführt, und beides zu meiner (des Verfassers d. Bl.) Amtswohnung, die dicht daran lag, geschlagen. Letztere sowohl, als das bezeichnete Terrain des ehemaligen Chores aber sind später durch Kauf in meinen Privatbesitz übergegangen. Nach dieser umständlichen Bezeichnung wird man künftig nicht leicht irren können, wenn man die Lage des Grauen Klosters oder der Graumünchen=Kirche sucht, wenn auch die Zeit alle Spuren des ehemaligen Daseins vollends getilgt haben sollte.
Das Schwarze oder Dominikaner=Kloster, conventus oder claustrum praedicatorum, lag zwischen der, vom Markt aus fast südlich laufenden meklenburger Straße und der südlichen Stadtmauer. Die davon noch übrigen Gebäude heißen noch jetzt das Schwarze Kloster. Sie sind nach der Straße zu von einer Mauer und Hofplatz eingeschlossen und bestehen aus der noch ziemlich wohl erhaltenen, in der Bauart der ehemaligen Franciskaner=Kirche sehr gleichkommenden, nur nach dem Hofe zu, in ihrem Giebel, im Geschmacke des 17. Jahrhunderts modernisirten Kirche, in deren vorderm Raume jetzt das Waisenhaus eingerichtet ist, und aus den Wohnungen der in die, aus den ehemaligen Einkünften des Klosters gebildete Milde Stiftung eingekauften Personen.
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heit zu finden, wohl aber Cap. 135, wo es indeß ganz deutlich heißt:

"zu den mynre Brüdern begrabin",

welches ja doch keine andern als die Franciskaner oder die Mönche des Grauen Klosters sind. Latomus und Frank müssen sich also wohl versehen haben, und nicht weniger hat der gleichfalls von Latomus angeführte Mylius, der auch das Schwarze Kloster nennt, sich in der Farbe vergriffen. Der Hauptgrund aber, der dem Zeugnisse des Latomus und der übrigen für das Schwarze Kloster stimmenden Chroniken=Schreiber entgegensteht, ist der, daß dasselbe vor dem Jahr 1294 wohl schwerlich erbaut war, da den Dominikanern in diesem Jahre erst der Platz für ihr Kloster angewiesen ward, wenn sie auch vielleicht schon länger in Wismar Verkehr hatten. Urkundliche Nachrichten darüber s. bei Schröder Pap. M. S. 824 ff. (Das Datum MDCLXXXXIIII S. 826 ist natürlich in MCCLXXXXIIII zu berichtigen 1 ).

Gäbe es aber auch so gewichtige Zeugnisse gegen das Schwarze Kloster nicht, so würde neben der Auctorität des mit der Begebenheit fast gleichzeitigen Kirchbergs Schröders Angabe nach dem wismarschen Chron. Msct. noch eine besondere Wahrscheinlichkeit durch hinzukommende moralische Gründe gewinnen. Ums Jahr 1284 nämlich überzog Markgraf Otto von Brandenburg im Bunde mit den Fürsten von Meissen, Thüringen, Sachsen und Holstein während der Abwesenheit Heinrichs des Pilgers das meklenburgische Land, und setzte durch Mord, Raub und Brand alles so in Schrecken, daß die Fürstin Anastasia in nicht geringe Besorgniß gerieth. Da soll der Sage nach ihr einst der heilige Franz im Traume erschienen sein, ihr Muth zugesprochen und den


1) Im J. 1297 stand das Kloster bereits. In dem gleichzeitigen Stadtbuche heißt es am Schlusse eines eingetragenen Testaments: Cum ista distributio arbitrata fuit, tunc fratres majorcs domum siue mansionem in Wismaria non habebant. Acta sunt hec anno MCC nonagesimo septimo. (In Burmeisters Alterth. d. wism. Stadtrechts S. 43 fehlt irrthümlich das Wort septimo, welches ganz deutlich geschrieben im Stadtbuche steht.) Auf den ersten Anblick könnte es fast scheinen, als wenn das Kloster selbst in diesem Jahre nicht gestanden hätte; allein die Worte cum - tunc können, vor der Jahrszahl 1297 aufgeführt, sich nur auf eine, mehrere Zeit vor der Eintragung ausgesprochene testamentliche Bestimmung beziehen, und die Erwähnung des Klosters ist nur nach Erbauung desselben denkbar; es fällt mithin die Erbauung des Schwarzen oder Dominikaner=Klosters in die Zeit zwischen 1294 und 1297. Dies stimmt auch mit der Nachricht über die Stiftung der Dominikaner=Klöster auf einem Kirchenstuhle in der Kirche zu Röbel (vgl. Schröder P. M. S. 1250) überein, in welcher es heißt: "Wismariensis 1293"; vgl. auch Schröder P. M. S. 825.
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Ihrigen den Sieg verheißen haben. Zum Zeichen der Wahrheit würde die Fürstin am folgenden Tage eine Lufterscheinung sehen. Diese Erscheinung habe die Fürstin auch wirklich wahrgenommen, habe, dadurch in ihrem Glauben bestärkt und ermuthiget, den heil. Franz malen und ins Panier setzen lassen und die Ihrigen ermahnt, sich getrost und tapfer zu wehren, denn Gott und der heil. Franz würden ihnen zur Seite stehen und den Sieg verleihen. In der That trugen auch die jungen Fürstensöhne unweit Gadebusch einen vollkommenen Sieg über den weit stärkeren Feind davon. (S. Detmar Chron. Lub. ad a. 1285. Cranz Vand. VII, 39. Latom. in Westph. Tom. IV, p. 250.) Aus Dankbarkeit bewies sich Anastasia äußerst mild und wohlthätig gegen das Franciskaner=Kloster; namentlich ließ sie auch in dem, das Jahr vorher von Helmold von Plessen neu erbaueten und dem heil. Franz gewidmeten Chor der Kirche des Klosters drei Fenster machen, das mittlere mit dem Bildniß der heil. Jungfrau, die beiden zur Seite mit den Bildnissen des heil. Franz und des heil. Anton von Padua, wie denn auch bald darauf das Chor von dem Bischof Conrad von Ratzeburg eingeweiht werden konnte: Umstände, welche Latomus angeblich wismarschen Urkunden nacherzählt.

Wie es nun auch immer mit der Erscheinung des heil. Franz bewandt sein mag (das Kirchenbuch des Grauen Klosters hat nur einfach die Worte: "Querst godt halp er dat se bystant krech" etc. . ohne Erwähnung des Traumes): der Sieg der meklenburgischen Fürstensöhne ist factisch gewiß, und so viel wird immer aus der Sage erhellen, daß die Fürstin für das Franciskaner=Kloster eine besondere Vorliebe gehabt haben müsse, welche das fürstliche Regierhaus überhaupt in jener Zeit mit ihr getheilt zu haben scheint, da unter andern Beweisen dafür auch ihr Gemahl vom Guardian desselben Klosters, Namens Martin, auf dem Kirchhofe zur Fahrt ins heilige Land eingesegnet und mit dem Kreuz gezeichnet worden sein soll; vgl. Detmar Chron. Lub. z. J. 1271. So versichert auch Schröder aus alten Nachrichten, daß ganz nahe beim Kloster (in der Schulstraße) ein fürstlicher Hof gestanden habe, in welchem im J. 1299 Anastasia wohnte 1 ). Diese Vorliebe der Fürsten zeigt sich noch lange


1) Im J. 1299 kauften die Beguinen von Dietrich Levezow in der Nähe des Franziskaner=Klosters bei Anastasiens Hofe ein Erbe:
Anno Domini MCCXCIX emerunt Baggine apud fratres minores de Thiderico de Lewezowe, filio Johannis de Lewe- (  ...  )
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bis gegen die Zeiten der Reformation hin. Da nun zumal das Dominikaner=Kloster auch erst im J. 1294 erbaut ward, so bleibt nichts anders übrig, als daß Johann III. in dem Grauen oder Franciskaner=Kloster, welches schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet war, da die Franciskaner im J. 1251 nach Wismar kamen, begraben worden sei. Denn an einem andern Orte, als in einer Klosterkirche, wenn es überhaupt in Wismar eine solche gab, ward der Fürst wohl schwerlich beerdigt.

Dieser Annahme steht auch nicht etwa die bei Schröder (Pap. M. S. 809) vorkommende Angabe entgegen, daß Anastasia im J. 1291 den ersten Stein zur Franciskanerkirche gelegt habe. Denn abgesehen davon, daß die Gründung des Klosters auch vom J. 1286 erzählt wird, mag die Sache sich so verhalten. Als im Jahr 1251 oder 1252 die Franciskaner nach Wismar kamen, räumte ihnen Fürst Johann I. die dortige Kreuzkirche ein; vgl. das Kirchenbuch des Grauen Klosters. An deren Stelle ward nachher die Kirche des heil. Franciscus gebaut. Es möchte freilich Wunder nehmen, warum die Kreuzkirche, die selbst noch nicht sehr alt sein konnte 1 ), so bald wieder abgerissen ward, um der Franciskanerkirche Platz zu machen, und warum die Verehrung des heil. Kreuzes der des heil. Franz habe weichen sollen; allein in den ersten Zeiten Wismars gebaut, mochte die Kreuzkirche nur zu klein und schlecht sein, um nicht, sobald das Bedürfniß es erforderte und steigender Wohlstand, so wie fürstliche Liberalität es möglich machte, eine Vergrößerung und Verschönerung wünschenswerth zu machen, wie ja auch eine solche bei vielen Kirchen des Mittelalters in ähnlichen Fällen statt fand. Bei solchen Ver=


(  ...  ) zowe, hcreditatatem sitam apud fratres minores iuxta curiam senioris domine nostre Magnopolensis cum elemosinis Henrici Klumpsuluers bone memorie. Schröder P. M. S. 853.
Schon im J. 1292 wohnten die Beguinen an dieser Stelle, als Dietrich Lewezow ein benachbartes Haus kaufte: Tidemannus Lewetzowe emit ab Everhardo Berkhaue hereditatem sitam iuxta fratres minores inter domum baginarum et novam domunculam Degenhardi Boz, quam sibi coram consulibus resignauit anno domini MCCLXXXXII (Stadtbuch). Diese Beguinen hießen zum Unterschiede von denen in der Beguinenstraße nach ihrer Kleidung die blauen. Noch heute liegt in der Nähe des Schabbelschen Wittwenhauses in der Schulstraße ein anderes "Gasthaus", das noch immer der blaue Convent heißt, und noch heute sind die Thüren und Fensterladen dieses Hauses blau angestrichen. Daß Anastasiens Hof an der Stelle des Schabbelschen Wittwenhauses gelegen habe, ist wohl ziemlich sicher.
1) Sie war nach Schröder Pap. M. S. 475 ums J. 1180 erbaut, wenn derselbe nicht durch eine Verwechselung derselben mit der Kapelle zum heil. Kreuz vor dem Altwismarthore irre geleitet worden ist.
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änderungen wurden aber auch nicht selten die Heiligen gewechselt, oder doch zu den bisherigen Patronen neue hinzugefügt, so wie z.B. die wismarsche Georgenkirche früher auch den heil. Martin zum Patron hatte, der später nur vergessen ward, da die Verehrung des Georg mehr Eingang fand. Es kann nicht verwundern, daß die Franciskanermönche sich den heil. Franciscus zum Patron wählten; es war dies auch noch kein Mangel an Achtung gegen das heil. Kreuz, und die Spuren einer besondern Verehrung gegen dieses finden sich in den Urkunden des Klosters bis in die spätesten Zeiten. War nun zumal der Patron der Mönche dem Fürstenhause in der Schlacht bei Gadebusch beiständig, so erklärt sich das anfangs Befremdende ganz natürlich. Daß nun Helmold von Plessen im Jahr 1283 schon das Chor dieser Kirche erneuern ließ und nun dem heil. Franz widmete, ist bereits erwähnt worden, und so sorgte Anastasia im J. 1291 für den übrigen Theil der Kirche, den sie aus Dankbarkeit und Verehrung demselben Heiligen als ihrem Schutzpatron widmete. Mithin konnte ihr Sohn Johann nicht nur in dieser Kirche, und zwar, wie die Nachrichten lauten, in dem bereits damals fertigen Chor beigesetzt werden, sondern es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die Vorliebe für das Kloster und die Verehrung gegen dessen Patron die Mutter bestimmte, ihn nicht anderswo zu bestatten.

Ich bin mit dem Beweise für die Schrödersche Angabe etwas ausführlicher gewesen, als vielleicht nöthig scheinen mag, da ja die urkundliche Nachricht von der Erbauung des Dominikaner=Klosters im J. 1294 die Angabe des Latomus allein entkräften mußte, nur um zu zeigen, wie leichtgläubig und unkritisch die alten Chronikenschreiber, was sie fanden, nacherzählten oder auch aus Nachlässigkeit verwechselten und entstellten. Hätten sie bisweilen nur einen Schritt weiter gesehen, sie hätten nicht so oft gefehlt. Um aber dieses Fehlers, so viel als möglich, nicht selbst angeklagt zu werden, mag hier noch die Frage beantwortet werden, was für ein Chronicon Msct. wohl Schröder vor sich hatte.

Den Ausdruck Chronicon Msct. Wismariense braucht Schröder, wie mir aus vielen Umständen klar geworden, sicherlich nicht eben nur von einer einzigen bestimmten Chronik; sondern er versteht darunter geschriebene Nachrichten der Vorzeit überhaupt, deren es sowohl im wism. Archiv zu seiner Zeit noch mehrere geben mochte als jetzt, als auch bei Privatpersonen hin und wieder sich fanden. Daß er aber häufig und namentlich bei der Nachricht von Johanns Tode mit jenem Ausdrucke grade unser "Kerckenb oe ck" bezeichnen wollte, kann ich nicht

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länger bezweifeln, da ich in demselben andere Nachrichten finde, die er hier und da in seinen Schriften erzählt und ebenfalls aus einem Chron. Msct. Wism. genommen zu haben vorgibt, ja manchmal selbst von einem Mscto. Neueri spricht, von welchem letzteren, wie wir wissen, ein Theil des Kirchenbuchs herrührt. (vgl. den Aufsatz üb. d. Kirchenb.) Haben wir also seine Angabe von dem Begräbniß Johanns in der Grauenklosterkirche schon durch Kirchbergs Zeugniß, durch Urkunden und moralische Gründe gestützt, so mag auch noch die von uns schon ins Licht gestellte Glaubwürdigkeit dieses Documents ihr zur Bestätigung dienen, dem er diesmal seine Nachrichten entnahm, ohne sich durch Latomus, wie er freilich bei den meisten übrigen Fürstengräbern gethan hat, irre machen zu lassen.

Alle Umstände nun zusammen genommen dürfen wir wohl, ohne Anstand zu nehmen, die Begräbnißstätte des Fürsten Johann der Franciskaner=Kirche, und Schröder behält gegen Frank, Latomus und alle übrigen Gegner Recht.


Johanns III. Gemahlin, Helena, gebar eine posthume Tochter, Namens

Luitgard.

Der Schrecken über des jungen Gemahls unerwarteten Tod soll jedoch nach der allgemeinen Erzählung so nachtheilig auf die Gesundheit der Fürstin gewirkt haben, daß das Kind, welches sie im J. 1290 gebar, eine Tochter, welche in der Taufe den Namen Luitgard erhielt, schwächlich war und noch in demselben Jahre starb. Es sei darauf, heißt es, bei dem Vater, mithin, wenn dieser im Grauen Kloster, gleichfalls daselbst begraben worden. Schröder beruft sich wieder auf das Chronicon Msct. Wism. oder auf das "Kerckenböck". Unsere Tafel nun in diesem hat allerdings die Worte: "Froichen Lutgard filia ducis Johannis submersi Im kor begraben", jedoch ohne Angabe des Jahres, wenn man nicht annehmen will, daß die Jahrszahl 1318, bei welcher der Tod der Gräfin Mechthild von Schwerin angezeigt ist, und hinter welcher Anzeige die Nachricht von der Prinzessin Luitgard unmittelbar folgt, ohne abgesetzt zu sein, mit auf letztere zu beziehen sei, in welchem Falle sie freilich ein Alter von 28 Jahren erreicht hätte. Nun ist auch wirklich Kirchberg der Meinung, daß Johanns Tochter länger gelebt habe und sogar dreimal verheirathet worden sei. Er sagt (Westphalen Mon. Jned. T. IV. p. 781.):

Hinrich der Lewe hatte irkant
einen bruder was Johan genant,

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der nam zu wybe eyn tochtir da
von Ruygen des fürsten Wysla,
von der geborn eyn tochtir wart,
dy waz geheiszen Luthgart,
dy gab irs vatir bruder so,
den man hiez Hinrich Leo,
dren grafen zu echtir dinge tad,
ir eyne nach dem andirn drad,
der erste von der Hoya Gerhard,
Greve Adolf von Holtzten der andir ward,
der dritte von Lindowe Günther
zuleist do nam dy frowen her. etc. .

Diese Angabe unsers auch sonst zuverlässigen Kirchbergs wird nun durch zwei Urkunden sattsam bestätigt. Die eine, oben schon erwähnte, d.d. Meklenb. 1317, Oct. 18, zufolge einer Mittheilung des Herrn Dr. Dittmer zu Lübeck in dem Archiv des Heil.=Geisthospitals daselbst befindlich, in welcher Fürst Heinrich der Löwe den Bewohnern der Insel Pöl die Mahlfreiheit gewährt, 1 ) enthält die Worte: Nos igitur dei gratia Hinricus dominus Magnopolensis et Luitgarda filia dilecti fratris nostri bone memorie, relicta comitis de Segeberg etc. .; der Schluß ist: Ut autem hec omnia stabilia maneant et inconvulsa, presentem paginam inde confectam inclite domine Luitgarde fratruelis nostre charissime supra dicte et sigillo nostro ordinauimus communiri. Datum et actum in curia Mekelenborch anno domini MCCCXVII, in die Luce evangeliste.

Offenbar weist uns diese Urkunde die Nachricht, daß Johanns Tochter bald nach der Geburt gestorben sei, als einen, wenn auch Jahrhunderte alten Irrthum nach. Luitgard, sehen wir, lebt nach 1317 als Wittwe des Grafen von Segeberg, oder, was einerlei ist, des Grafen von Holstein, und so wird Kirchbergs Erzählung vollkommen gestützt, nach welcher Luitgard übrigens vorher schon einmal Wittwe von dem Grafen Gerhard von Hoya gewesen war. Luitgard lebte aber als Wittwe des Grafen Adolf von Holstein auch noch am 22. Nov. 1318. Den Beweis führt die im Wismarschen geistlichen Archiv aufbewahrte, von Heinrich d. L. ausgestellte Urkunde, zufolge welcher dieser an dem genannten Tage den Verkauf der Insel Pöl und mehrerer Dörfer (Friedrichsdorf, Altbukow, Rakow, Russow, Vorwerk Russow, Warkstorf und Gr. Strömckendorf)


1) Vgl. Urkunde Nr. VI.
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an Helmold v. Plessen, Bernhard und Gottschalk Preen, Friedrich v. Stralendorf und die Kinder Heyno's v. Stralendorf für 30,000 slav. Mk. bestätigte. In dieser Urkunde heißt es: quod nos de maturo concilio nostrorum fidelium accedente voluntario consensu seu beneplacito nostre predilecte fratruelis domine Lutgardis vendidimus justoque venditionis tytulo dimisimus etc. .; und am Schlusse: presentes litteras inde confectas sigillorum appensionibus nostri videlicet ac predilecte nostre fratruelis domine Lutgardis predilecte in signum sui voluntarii consensus et beneplaciti testiumque subscriptionibus duximus muniendas. 1 ) Also wieder ein Zeugniß für Kirchberg auf der einen und gegen das Kirchenbuch und die gewöhnliche Meinung auf der andern Seite. Man möchte zwar, wenn man bloß die letztere Urkunde berücksichtiget, der gewöhnlichen Erzählung zu Gunsten sich gern geneigt fühlen, den Ausdruck fratruelis für Vaterbrudertochter zu nehmen, welche Bedeutung das Wort auch wirklich hat (S. Scheller's ausführliches lateinisch=deutsches Wörterbuch unter diesem Worte), wornach denn unsere Luitgard eine Tochter des Johann von Gadebusch sein könnte, eines Bruders von Heinrich dem Pilger, wie denn auch Johann von Gadebusch eine Tochter dieses Namens gehabt haben soll; allein die erstangeführte Urkunde hat das eine Mal zwar auch die Benennung fratruelis gebraucht, das eine Mal aber ausdrücklich filia fratris nostri bone memorie, wodurch aller Zweifel gehoben und zugleich unwiderleglich bewiesen wird, daß fratruelis im Mittelalter mit Brudertochter gleichbedeutend ist.

Wenn also wirklich eine Prinzessin Luitgard neben Johann im Grauen Kloster begraben wurde, so mußte es eine andere sein, als Johanns Tochter. Das sagt auch der Ausdruck Froichen, welcher nicht von verheiratheten Frauen gebraucht werden konnte. Wäre Johanns Tochter aber auch später und verheirathet da=


1) Das neben dem bekannten schildförmigen Siegel des Fürsten Heinrich an der Urkunde hangende Siegel der Gräfin Luitgard ist in der aus zwei sich oben und unten schneidenden Kreisbogen gebildeten, parabolisirenden Form: eine weibliche stehende Figur mit ausgebreiteten Armen, unter der linken Hand ein kleiner Schild mit dem meklenb. Stierkopf, unter der rechten ein dergleichen mit dem holsteinischen Nesselblatt. Die Umschrift ist:
Umschrift
- Die Urkunde befindet sich in einem zweiten Originale auch im Großherzogl. Archive zu Schwerin, aus welchem sie in Rudloff's Urkunden=Lief. No. CI, S. 287 - 295 gedruckt ist; von diesem Exemplare ist Luitgard's Siegel abgerissen.
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selbst begraben worden, so wäre wenigstens nicht wahrscheinlich, daß es im J. 1318 geschehen wäre. Denn zufolge der Urkunde lebte sie am 22. Nov. dieses Jahres noch; sie ward aber nach Kirchberg später noch an den Grafen Lindau (=Ruppin) verheirathet, und es ist schwerlich anzunehmen, daß diese Verheirathung, so wie ihr Tod und Begräbniß, alles noch in den letzten 5 bis 6 Wochen desselben Jahres geschehen sein sollte. Wer denn aber die im Grauen Kloster begrabene Luitgard gewesen, möchte schwerlich auszumitteln sein; der Name Luitgard war übrigens bei den weiblichen Mitgliedern unserer Fürstenfamilie damaliger Zeit sehr gebräuchlich. Beiläufig mögen wir aus unserer Urkunde, verglichen mit der Kirchbergschen Nachricht, zugleich lernen, daß die auswärts verheiratheten Töchter unseres Fürstenhauses, wenn ihnen der Gemahl starb, wieder in die Heimath zurückkehren durften und wieder Ansprüche auf das Dominium hatten, oder wenigstens für ihren standesmäßigen Unterhalt gesorgt werden mußte, daß sie aber auch wieder unter die Vormundschaft des männlichen Hauptes der Familie traten, wiewohl alles vielleicht nur in dem Falle, daß sie ohne männliche Erben blieben. So geschieht denn die Wiederverheirathung der Luitgard unserer Urkunde an den Grafen von Lindau=Ruppin nach Kirchberg durch ihren Vaterbruder Heinrich, der übrigens selbst im J. 1328 eine Tochter dieses Grafen zur dritten Frau nahm, woraus hervorgeht, daß Luitgard nicht des letztern erste Gemahlin ward.

Wer nun aber auch immer die im Chor des Grauen Klosters begrabene Luitgard gewesen sein mag, oder ob die Nachricht von ihr überall ein Irrthum gewesen sei: wir wollen, da wir ohne urkundliche Nachweisungen durch Combination nur leicht auf einen neuen Irrthum gerathen könnten, ihre Gebeine in Frieden ruhen lassen und unsere Untersuchung zu andern, mehr beglaubigten Nachrichten von fürstlichen im Kloster begrabenen Personen wenden.

In der Bezeichnung des Grauen Klosters als des Begräbnißortes der beiden Fürstinnen:

Anastasia ,

der Gemahlin Heinrichs des I. des Pilgers, und

Beatrix ,

der Gemahlin Heinrichs II. des Löwen, vereinigen sich alle Chronikenschreiber; nur daß sie in der Zeit und den Nebenumständen von einander abweichen, indem einige beide im J. 1314, andere bald die eine, bald die andere im J. 1304, erstere auch 1311 und 1306 sterben lassen. Die Frage wegen des Sterbejahres

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der Anastasia haben wir schon in dem Aufsatze über das Kirchenbuch so weit als möglich zu erledigen gesucht, und wenn auch die gegenwärtige Aufgabe eigentlich nur verlangt, den Ort auszumachen, so dürfte es doch nicht unpassend sein, die Zeitfrage auch womöglich in Betreff der Beatrix zu berichtigen, zumal damit die Ortsfrage selbst genauer mit beantwortet wird. Schröder sagt (l.c.p. 238 sq.): "1304 (nicht 1314) d. 25. Sept. ist Beatrix, Herrn Hinrici Leonis Gemahlin, ihren Herrn durch den Tod entrissen und zu Wismar im Franciscaner=Kloster für dem hohen Altar begraben worden. Es sollen bey deren Grabe nachgehends viele Wunder geschehen seyn. Latom., add. Köpken Megap. Fabul. p. 95".

Ferner: "1314 (nicht 1311) ist Anastasia (nicht Beatrix), Herrn Henrici Hierosolymitani Wittwe, da sie krank in Wismar hinein gefahren, auf den Wagen erblasset, und darauf im Grauen Kloster, vor dem hohen Altar zur Erden bestättiget. Latom., add. Köpken Mepapol. Fabul. p. 38 u. 75". Es sind nun aber Latomus Worte (p. 276 l.c.) folgende. "Zwei Monate zuvor für des Herrn (Nicolaus d. Kindes) Ableben zu Rostock d. 27. Sept. ist auch, nicht wie etliche sagen, Frau Beatrix H. Leonis Gemahlin, so für 10 Jahren schon gestorben, sondern Frau Anastasia, des lang gefangenen Herrn Henrici Hierosolymitani nachgelassene Wittwe krank von Ribnitz gehn Wismar geführet, und im Wagen auf der Gassen daselbst verschieden und ihr Körper im Kloster fürm hohen Altar begraben und ihr Grab von Gott wegen ihrer großen Gottesfürchtigkeit mit vielen Wunderzeichen berühmbt gemacht worden". Er beruft sich dabei auf wismarsche Urkunden und auf Kirchberg C. 155. Schade, daß diese wismarschen Urkunden nicht zu ermitteln sind; was aber das Citat aus Kirchberg anlangt, so steht im 155. Cap. (wenigstens bei Westphalen) wiederum nichts, wohl aber im 153 Cap. folgendes:

"Zu der zid her Hinrich, zu Ribnitz hielt würdiglich,
synen hof und syn gelesse u.s.w.
Frow Beatrix waz syn wib
dy trug heilgen seligen lib,
sy wuste iren endes tag zu vür,
daz kam ir von seliger kür,
daz waz dem feste nahe by
des heilgen Mauricii,
do liez sy sich vüren gar,
also krang zur Wysmar,
ir macht viel zu unmasse,

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recht in der smedestrasse,
da starb sy uf iren wagin,
den tod man billich mochte klagin,
e sy in iren hof quam,
der tod daz leben ir benam,
und wart mit ungehabin
zu den barfüssin begrabin,
recht als man dritzenhundert iar
schreib und vierzehin offenbar,
uf irem grabe wart oft gesehen
czeichen, dy man billich mach spehen etc. .

Wenn die leider nicht zu ermittelnden wismarschen Urkunden das Urtheil des Latomus nicht besser möchten begründet haben, so sieht es um seine historische Kritik schlecht aus, und Schröder hat sich in ihm einen wenig zuverlässigen Gewährsmann gewählt. Gerade Kirchberg, den Latomus anzieht, erzählt ja, was dieser von Anastasia, von Beatrix, und daß er es mit vollem Bewußtsein des Unterschiedes der Personen gethan, beweiset die kurz darauf folgende Erwähnung des Todes der Anastasia selbst. Seine Worte sind:

"dy selbin czid starb ouch alda
von Mekelnburg Anastasia,
dy hern Hinrichs muttir waz etc. .
                   (Westph. IV. p. 807.)

Hiernach scheint es freilich, daß er sie auch im Jahr 1314 gestorben annimmt; da er aber bei ihr keine Jahreszahl bestimmt nennt, so würde der Ausdruck "dy selbin czid" selbst nicht einmal gegen unsern im Aufsatz über das Kirchenbuch für das Jahr 1316 geführten Beweis streiten, und könnte, wenn er doch einmal auf einige Tage, Wochen oder Monate nachher bezogen werden müßte, um für 1314 zu zeugen, eben so gut auf zwei Jahre nachher bezogen werden. Abgesehen hievon aber ist Kirchbergs Angabe in Betreff Beatricens ohne Zweifel die richtigere. Er schrieb seine Chronik im Jahr 1378, also in einer Zeit, in welcher noch manche Augenzeugen der Begebenheit lebten. Der seltene Umstand, daß eine Fürstin in ihrem Wagen auf der Straße verschied, war gewiß zu Kirchbergs Zeit noch in Vieler Munde und in so frischem Andenken, daß an einen Irrthum von seiner Seite nicht zu denken ist. Dazu kommt zweitens, daß die fragliche Fürstin auf der Reise von Ribnitz nach Wismar starb. Nun ist aber bekannt, daß Heinrich II. um jene Zeit mit seiner Gemalin Beatrix in Ribnitz seinen Hof hielt, seine Mutter Anastasia

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aber in Pöl ihren Wittwensitz hatte. Es ist daher wahrscheinlicher, daß Beatrix die gedachte Reise machte und auf derselben starb. Man sehe außer Kirchberg noch Slagghert Chron. Ribbenic. in Westphalen IV.

Endlich wird berichtet, daß Heinrich II. sich im J. 1315 wieder mit Anna, Herzogs Albrecht von Sachsen=Wittenberg Tochter und verwittweten Landgräfin von Thüringen (s. Kirchb. ebend.) verheirathete. Wäre nun Beatrix, wie Latomus will, bereits 1304 gestorben, so wäre Heinrich 11 Jahr Wittwer geblieben, ein Umstand, der nicht wahrscheinlich ist, da vielmehr glaublich, daß Heinrich, sobald es sich thun ließ, auf seine Wiederverheirathung dachte, wie es damals unter Fürsten in seinem Falle Brauch war, um so mehr, da er mit Beatrix keine Söhne hatte. Es wird daher immer wahrscheinlicher, daß diese nicht lange vor 1315 gestorben ist.

Die wismarschen Urkunden, worauf Latomus sich beruft, könnten zwar einiges Bedenken erregen. Dagegen läßt sich aber sagen: Latomus wie Schröder nehmen es mit dem Worte Urkunde nicht immer so genau, daß sie darunter nur besiegelte Documente verstehen; vielmehr heißt ihnen oft Urkunde, was sie nur irgend von geschriebenen Nachrichten vorfanden. In einer solchen geschriebenen, vielleicht oft copirten Nachricht konnte aber auch eine Namensverwechselung stattfinden, wenn Latomus nicht selbst sich eine solche hat zu Schulden kommen lassen, wie es ihm ja auch bei Kirchberg gegangen ist und wir von seiner Ungenauigkeit im Citiren noch andere Beweise gesehen haben. Wir können ihm daher so wenig als Schrödern und andern, die ihm nachgeschrieben haben, in der Behauptung beipflichten, daß Beatrix bereits im Jahr 1304 gestorben sei oder sich Heinrich 1305 wieder vermählt habe. Das erstere geschah vielmehr 1314, das andere 1315, wie auch der Staatskalender angibt. Bestätigung unserer Behauptung finden wir nun auch durch die Tafel unseres Kirchenbuchs, welcher vielleicht der Werth einer Urkunde weniger abgesprochen werden dürfte, die aber Schröder dießmal nicht beachtet hat. Es heißt nämlich daselbst: "Anno 1314 ist gestoruen frow Beatrix vth Brandenborch eyn gemal ern hinrici filii hierosolymitani". Daß sie im Grauen Kloster auch begraben worden, steht zwar nicht ausdrücklich dabei, ist aber offenbar als gemeint anzunehmen, da die Nachricht neben der von den übrigen hier bestatteten fürstlichen Personen steht und überhaupt die Tafel sich auf Begebenheiten des Grauen Klosters bezieht. Soll aber der Streit wirklich nur durch eine Urkunde im engern Sinne ausgemacht werden, so dürften wir wohl die laut Mittheilung des

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Herrn Archivar Lisch noch jetzt im Großherzoglichen Archiv zu Schwerin aufbewahrte Urkunde des Fürsten Heinrich, d.d. Brandenburg 1310 in die Luce ev. (18. Oct.) für uns anführen, worin es heißt: ob remissionem peccaminum incliti principis domini nostri karissimi marchionis Alberti felicis memorie, nostrorum parentum, uxoris nostre simul et nostrorum, nach welchem Ausdruck gleichfalls anzunehmen zu sein scheint, daß nicht nur die genannte uxor damals noch lebte, sondern es auch, da nur von Einer die Rede ist, die erste Frau, mithin Beatrix, die Tochter des Markgrafen von Brandenburg war. Kurz alles stimmt für 1314, als das Sterbejahr der Beatrix.

Die Beerdigung der Anastasia nun in derselben Franciskanerkirche ist wohl nicht zu bezweifeln, sie mag nun gleichfalls im J. 1314 oder, wie wahrscheinlicher, erst 1316 gestorben sein. Die Schriftsteller stimmen darin überein, und der moralische Grund, daß es kaum denkbar ist, daß sie anderswo ihre Ruhestatt fand als hier, da sie mit so vieler Liebe an diesem Kloster hing und aus Dankbarkeit und Verehrung so viel für dasselbe gethan hatte, wiegt mit, so wie auch der Umstand, daß sie dann mit ihren Geliebten, dem Sohne und der Enkelin, wieder vereinigt ward. Der Conduct ihres Leichnams von Pöl, wenn sie hier starb, war auch leicht zu bewerkstelligen.

Diese Beisetzung in dem von ihr begünstigten Kloster bezeugt nun ja auch unsere Tafel im Kirchenbuch mit genau bestimmenden Worten. Es heißt nämlich daselbst: "wort begrauen by ehren Szon Johannen, im kor Int norden", nur daß die letztere Bestimmung mit der sonstigen Angabe "vor dem hohen Altar" variirt. Könnte hierauf etwas ankommen, so dürften wir wohl dem Kirchenbuche Recht geben, da nämlich bereits Beatrix vor dem hohen Altar kurz vorher bestattet worden war, deren Ruhe nicht zu stören, die Schwiegermutter nördlicher beizusetzen so natürlich war. Daß die Gräber nicht gewölbt waren, um in eins mehre Särge zu bringen, daß diese vielmehr in die bloße Erde kamen, hat sich beim Abbruch der Kirche hinlänglich bewiesen.

So viel bleibt denn nach allem wohl ausgemacht, daß die Ruhestatt beider merkwürdigen Fürstinnen Meklenburgs die Kirche des Grauen Klosters ist. Welcher von beiden Frömmigkeit aber die gedachten Wunder bewirkt habe, dürfen wir wohl auf sich beruhen lassen. Ausgezeichnet fromme Frauen waren, nach den Begriffen der damaligen Zeit, gewiß beide Fürstinnen. Für Anastasien sprachen viele, theils auch schon von uns erwähnte Umstände; für Beatrix legt Zeugniß ab eine Inschrift,

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die ehedem in der Kirche des Grauen Klosters sich befunden haben soll. Sie ist bei Latomus (Westphal. IV. p. 265) und aus diesem, wiewohl corrumpirt, bei Schröder (Pap. Meklb. S. 886), sonst auch bei Frank u.A. abgedruckt und heißt:

"Triste terens, diadema ferens, modo laeta Beatrix, Luce cluens, requieque fruens, sit in arce juvatrix. Nempe valens fuit, atque calens bonitatis amatrix, Felle carens, et ut ipsa parens inopum miseratrix",

wo denn "parens" selbst auf die Schwiegermutter Anastasia gedeutet werden mag. Die Inschrift war schon lange vor Schröder nicht mehr vorhanden. (S. diesen a.a.O.) Auch Wunder werden nicht mehr geschehen, wir müßten denn die Blumen dafür nehmen, die jetzt in dem an der Stelle des Chores der abgebrochenen Kirche angelegten Garten (S. die Anmerkung zu der Abhandlung über das Kirchenbuch) mit jedem neuen Lenze aus der Asche der Fürstinnen lustig hervorblühen und wenigstens von den Augen der Kinder bewundert, wenn auch nicht gefürchtet und gescheut werden.

In Blumen feiert das jährliche Auferstehungsfest auch die Asche der Fürstin

Anna ,

der zweiten Gemahlin Heinrichs des Löwen. Kirchberg erzählt im 167. Capitel, daß im J. 1326 der 21ste doberaner Abt Bertold gestorben und demselben der Abt Johann gefolgt sei, und fährt dann also fort:

"Darnach eyn iar der czal vord an,
do man dy jarczyd schreib gewis
czehin calendas Decembris,
du starb ouch dy fürstinne da,
von Mekilnburg frau Anna,
dy von Saszin sundir haz,
Herzogen Rudolfes swestir waz,
und ward zur Wysmar schon begraben,
zun barfuszin ungehaben".
               (Westph. IV. p. 822.)

Demnach wäre der Vorfall im J. 1327 geschehen; die genealogische Tabelle des Staatskalenders hat: nach 25. Junius 1327, wo sie also gemäß urkundlicher Ausweisung noch lebte. Latomus setzt das Factum das Jahr nachher, und zwar auf den 1. März, erzählt es übrigens nicht abweichend, nur läßt er unbestimmt, welches Kloster es gewesen. Sicher todt war Anna am 9. Aug. 1328, da Heinrich in einer Urkunde von diesem Datum von seinen verstorbenen Gemahlinnen redet. Wüßten wir bestimmt, wie lange etwa die Trauer=Etikette den meklenb.

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Fürsten zu warten vorschrieb, ehe sie nach dem Tode der Gemahlin zu einer neuen Ehe schritten, so ließe sich vielleicht auch die Frage wegen 1327 und 1328 ausmachen, da nämlich Heinrich in einer andern Urkunde vom 28. Sept. 1328 wieder von seiner geliebten Gemahlin spricht, und er sich mithin zwischen dem 9. Aug. und diesem Datum zum dritten Male, nämlich mit Agnes, verheirathet haben muß, welches, wenn Anna den 1. März starb, etwa ein halb Jahr nachher gewesen wäre.

Abgesehen nun von der Zeit bleibt aus schon früher für das Franciskanerkloster als fürstlicher Ruhestatt angeführten Gründen und nach Kirchbergs ausdrücklicher Angabe darüber wohl kein Zweifel, daß Anna hier begraben ist. Ein weiteres Zeugniß, und zwar für das Jahr 1328, hat nun auch unsere Tafel im Kirchenbuch. Es heißt daselbst: "Anno 1328 obt frow Anna vth Sassia dat ander Gemahel ern hinrici leonis dicti". Bestimmter, und mit Kirchberg übereinstimmend, redet Slagghert (in Westph. Mon. IV, p. 853): "1327. Eod. ao. illustrissima Anna, uxor secunda Henrici Leonis Stargardie feliciter obdormiuit in domino, sepulta vero est in Wismaria apud dominam Beatricem primam uxorem eius, in choro fratrum minorum. Ibidem sepulti sunt dominus Henricus Magnopolensis iunior et domina Anna domicella, soror ipsius filii domine Anne".

Mit der Nachricht von dem Begräbniß der Fürstin Anna verbindet Latomus die Erwähnung der Bestattung ihrer beiden, bereits vor ihr im J. 1321 in früher Jugend gestorbenen Kinder

Heinrich und Anastasia ,

welche nun mit ihr in einem und demselben Grabe beigesetzt wurden. Er beruft sich dabei, so wie hinsichtlich der Mutter, auf wismarsche Urkunden. Ihm folgt denn auch Schröder, a.a.O., der sogar noch eine Tochter, Namens Anna, hinzufügt.

Was es mit der letzteren für eine Bewandniß habe, mag dahin gestellt bleiben. Denn wiewohl der erwähnte Stammbaum noch ein drittes Kind Namens Anna aufführt, so starb diese doch erst im J. 1381 als eine Gräfin von Holstein. Die Namensgleichheit mit der Mutter mag auf den Irrthum geführt haben. Den Umstand der Beisetzung der beiden andern Kinder bei der Mutter hat der Stammbaum auch; von Anna erwähnt er jedoch nichts. Für Heinrich und Anastasia spricht nun auch unsere Tafel im Kirchenbuch. Die Worte: "Anno 1321 ist gestoruen deselue junge her hinricus filius Hinrici Hierosolomitani Syn S ue ster froychen

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Anastasia kort darna" sind freilich, wie schon bei der Würdigung des Kirchenbuchs gezeigt worden, offenbar corrumpirt. Wir haben aber auch schon bemerkt, daß der Irrthum, wahrscheinlich des Abschreibers, durch die Tafel selbst verbessert wird, dadurch, daß bei Anna gleich hinter den schon oben angeführten Worten: "dat ander gemahel ern hinrici leonis dicti", die Worte folgen: "Noch ij Kinder hinricus und Anastasia", welche Worte man denn wieder nicht auf das Ableben, das schon 1321 erfolgte, sondern auf die Beisetzung bei der Mutter zu beziehen hat.

Wir finden also als Resultat unserer Untersuchung, daß der oben bezeichnete Garten, wenn auch jetzt kein Denkmal mehr redet und wir auch in Hinsicht einiger sich widersprechenden Nebenumstände, bis darüber vielleicht noch aufzufindende Urkunden nähere Auskunft geben, im Ungewissen bleiben müssen, doch die Gebeine einer ganzen Reihe fürstlicher Personen des Hauses Meklenburg unter seinem Rasen birgt, da er genau an der Stelle des Chors der ehemaligen Grauen=Mönchen=Kirche angelegt ist, wie der beiliegende Grundriß, auf welchem die Umfangsmauern der Kirche angedeutet sind, ausweist.


Augenscheinlicher ist freilich der Begräbnißplatz der Herzogin

Sophie ,

der Wittwe des Herzogs Magnus II., welche im J. 1504 starb, in der Kirche des Schwarzen Klosters. (S. Schröder Beschr. d. St. u. H. Wismar S. 241 und Lisch im Jahresbericht III, S. 142.) Die messingene Decke der Gruft mit dem erhaben gearbeiteten Bildniß der Herzogin und einer Umschrift, in der Mitte des Chores vor dem hohen Altar ist noch heute zu sehen, so wie in einer Mauernische noch vor Kurzem ein altes seidenes Gewand aufbewahrt ward, welches die Herzogin getragen haben soll. Nach Schröder, Latomus u.A. ward hier auch ihre Schwester, die Herzogin

Margarethe ,

Herzog Balthasars Wittwe, gest. im J. 1525, beigesetzt, vielleicht in derselben Gruft mit der Schwester; ein besonderes Denkmal wenigstens bezeichnet ihre Ruhestätte nicht.

Hiemit nehmen wir von dem Leser Abschied, da von weiteren Fürstengräbern in Wismar unseres Wissens weder Schriften noch Sagen reden. Wir begrüßen ihn indeß künftig vielleicht einmal wieder mit der Beschreibung der hier stattgefundenen

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feierlichen Leichenbegängnisse und Parentalien einiger hier gestorbenen, oder nach dem Ableben mit feierlichem Geleit durchgebrachten, wenn auch anderwärts beigesetzter meklenburgischen Fürsten, sollten wir uns auch vorher, um nicht immer von Grab und Tod zu sprechen, durch Schilderung einer oder der andern Begebenheit aus ihrem Leben eine heiterer stimmende Abwechselung gestatten.