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5. Die Kirche und die Glocken zu Hohenkirchen,

vom Herrn Pastor Erfurth daselbst.

Herr Pastor Erfurt schreibt hierüber an Herrn Archivar Lisch, wie folgt.

Im zweiten Bande unserer Jahrbücher sagen Sie von der Capelle zu Althof, daß sie das einzige Gebäude in Meklenburg sei, welches ein Gewölbe im Rundbogenstyl habe. Unwillkührlich fiel mir meine uralte Kirche hiebei ein; ich stellte mich im Geiste unter ihr Gewölbe, kein Spitzbogen wollte sich der Erinnerung darstellen; ich mußte mich durch Ocularinspection überzeugen, und fand wirklich am ganzen Kirchengewölbe, die angebaute Sacristei mitgerechnet, nur Rundbogen, und zwar so, daß die auf den Pfeilern ruhenden Hauptbogen gedrückter, die zwischen denselben befindlichen Kreuzbogen aber erhabener und wirklich rund sind. Besteht nämlich der Spitzbogen aus zwei Zirkelstücken, die in einer Spitze zusammenlaufen, so finde ich diesen hier am Gewölbe nirgends. Nur die Verbindungen zwischen zwei Pfeilern, auf denen die Decke des Gewölbes ruht, so wie die Fenster und Thüren sind spitze Bogen, die Rippen des Gewölbes jedoch theils gedrückte, theils Rundbogen. Die Kirche scheint mir in der Uebergangsperiode aus dem byzantinischen in den deutschen Styl erbaut zu sein. Eben so, wie hier, ist das Gewölbe in der Kirche zu Proseken: die Hauptbogen gedrückt, die sich kreuzenden Bogen aber rund, selbst die Fenster haben dort keinen Spitzbogen. Irre ich nicht, so sind die Gressower und Beydendorfer Gewölbe ebenfalls im Rundbogenstyl.

Ich kann mit Jhnen nicht rechten, wenn Sie sagen, daß mit dem Anfange des 13. Jahrhunderts 1 ), und schon früher, der Rundbogen durch den Spitzbogen verdrängt worden sei, obwohl man gewöhnlich annimmt, daß erst gegen die Mitte des 13.Jahrh. der deutsche Styl in Anwendung gekommen sei. Beide Ansichten widerstreben sich einander keinesweges, sondern verhalten sich wohl zu einander, wie schwacher Anfang zur völligen Ausbildung.

In welchem Jahre die hiesige Kirche erbaut sei, vermag


1) Wie die Kirchen zu Doberan, Neukloster und Bützow. — G. C. F. Lisch.
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ich nicht genau anzugeben; nach dem Rundgewölbe zu urteilen, muß sie ein sehr hohes Alter haben. Die erste Urkunde, in der Hohenkirchen erwähnt wird, ist vom Jahre 1222 oder 1226, worin Heinrich Burwin und dessen Söhne, Heinrich und Nicolaus, mit dem Bischofe Heinrich von Ratzeburg, der Zehnten und Hufen wegen, einen Vergleich schlossen. In Bezug auf die hiesige Kirche heißt es darin: Ecclesias etiam tam fundandas quam fundatas — — Episcopus dotabit et libere possidebit, et idem jus erit in ecclesiis adhuc fundandis. Quarum eclesiarum nomina sunt hec: Prozeken, Beyendorpe, Gressowe, Hohenkerken— —. Ist meine Ansicht richtig, so geht hieraus hervor, daß zwar die Idee, an diesen Orten Kirchen zu bauen, noch nicht ausgeführt war, aber doch der Ausführung nahe stand, besonders da schon, wie die Urkunde sagt, in consecrationem cimiterii Miristorp, Land an den Bischof abgetreten war. Die Erbauung der Kirche fällt aber gewiß vor 1250, da schon 1260 zwischen Johannes Theologus und dem Bischof, wegen einer ambiguitas de jure patronatus Ecclesiarum per terram Bresen ein Vergleich getroffen, und das obige Instrument von 1226 wörtlich wiederholt ward. — Die Kirche ist in Form eines Kreuzes gebaut, so daß auf der einen Seite die Sacristei, und auf der andern das sogenannte Leichenhaus den Querbalken bilden. Glasurte Steine findet man an mehrern Eingangsthüren, das Hauptportal aber ist vermauert und hat eine kleine, geschmacklose Thür an seiner Stelle, wie denn überhaupt die Hand der spätern Jahrhunderte, durch theilweises Zumauern der Fenster, und sonst noch, das edle Bauwerk verunziert hat. Ein in einer Ecke liegender Taufstein und ein Weihkessel, beide von Sandstein, mögen noch der ältern Zeit angehören, sonst findet sich keine Spur aus dem Alterthume darin. Die Kirchenstühle wurden wahrscheinlich nach der Reformation neu gemacht, wenigstens findet sich auf einem Stuhle die Jahreszahl 1564, und darunter das von Bülowsche Wappen. Der Sage nach soll der Thurm ehemals höher gewesen, aber durch Sturm umgeworfen sein, und nun, statt des spitzen Daches, ein platteres erhalten haben. So alt, als die Kirche, ist auch wohl das Eingangsthor zum Kirchhofe, an dessen einer Seite ein Bischof mit seinem Hirtenstabe, und auf der andern Maria mit dem Kinde, auf glasurten Kacheln abgebildet, eingemauert sind. Die Kirche wird dadurch als eine bischöfliche, der Maria geweihte bezeichnet. Wahrscheinlich hatten auch alle im Lande Bresen liegenden Kirchen, weil sie vom Bischof zu Ratzeburg gegründet und dotirt

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waren, den Bischof und die Maria mit dem Kinde im Siegel, wie noch heute die Kirche in Klütz.

Auf dem hiesigen Thurme hangen 3 Glocken, von denen die kleinste schon zum dritten Male umgegossen ist, auch die mittlere gehört der neuern Zeit an, die größte aber stammt noch aus dem Alterthume. Bisher glaubte ich, durch eine schriftliche Notiz im Pfarrarchive dazu verleitet, daß die Inschrift der großen Glocke nicht mehr zu lesen sei, und beruhigte mich um so leichter dabei, da meine Kurzsichtigkeit den Irrthum begünstigte. Zufällig erfuhr ich jedoch vor einigen Wochen von einigen meiner Söhne, welche den Thurm bestiegen hatten, daß die Buchstaben auf der großen Glocke sehr klar und deutlich ausgedrückt seien. Ich trug ihnen daher auf, die Inschrift genau abzuzeichnen. Ich erhielt die Zeichnung, erkannte die einzelnen Buchstaben, konnte aber keinen Sinn darin finden. Meine Mühe, mich mit eigenen Augen zu überzeugen, war vergeblich, da die Glocke für meinen Gesichtskreis zu hoch hängt. Zur Sicherheit gab ich nun dem Organisten Warnke hieselbst Auftrag, die auf der Glocke befindlichen Zeichen mit allen Verzierungen nachzuahmen. Beide Exemplare stimmten aufs Genaueste überein, und lieferten die Schrift, die ich Ihnen vor einigen Wochen in der Eile durch meinen Organisten übersandte 1 ).

Die Höhe der Buchstaben beträgt 3 Zoll; sie stehen ohne Interpunction neben einander in gleichen Zwischenräumen, und nur das gewöhnliche Kreuz ( Inschriftskreuz ) zeigt den Anfang der Schrift. Die Inschrift steht aber theils auf der Haube (der obern Wölbung der Glocke), — was mir als Abweichung erscheint — , theils am obern Rande, und zwar auf folgende Weise:

a) oben auf der Haube steht:

B e NI G N A

b) am obern Rande:

Inschriftskreuz  V A SDEVShOCSIN G N A PELBS A LV A ST A VR A

Die Schrift ist genau nach den Originalzeichnungen wiedergegeben.

Weder an, noch über, noch unter den Buchstaben steht ein Abbreviaturstrich, noch sonst ein Zeichen. Bis zum zwanzigsten Buchstaben, vom Kreuz an, hat der Künstler Verzierungen angebracht, dann hören diese auf und kehren nur in einzelnen Andeutungen bei drei Buchstaben wieder, Dem letzten A fehlen die sonst gewöhnlichen innern Striche; der Künstler war ermüdet.

Alle meine Versuche, sie zu lesen, sind so ausgefallen, daß ich durch keinen befriedigt werde. Als Anfänger im Lesen der


1) Die Inschrift ist sehr sauber, klar und verständig gezeichnet. — G. C. F. Lisch.
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alten Schrift darf ich es freilich kaum wagen, Kennern etwas vorzulesen, indessen glaube ich die einzelnen Buchstaben zu kennen, nur der vierte vor dem letzten ( A ) macht mir einige Scrupel; ich halte ihn für ein verbundenes ta oder at 1 ). Daher folgendes:

Betrachten wir das Wort benigna auf der Haube, so fällt es mir schon darum auf, weil es einzeln steht. Soll es den Namen der Glocke bezeichnen? Aber findet man dergleichen sonst noch? Der Taufname ward ja immer erst gegeben, wenn die Glocke an ihren Bestimmungsort aufgehängt werden sollte, wohl niemals vor dem Gusse 2 ). Außerdem finde ich im Kalender auch keine heilige Benigna, und doch taufte man die Glocken nur mit Namen von Heiligen. Ich bin daher geneigt zu glauben, daß nur des Raumes wegen dies Wort auf die Haube gesetzt worden sei, und daß man also — besonders, da es gerade über Inschriftskreuz vas steht, benigna vas, oder vas benigna lesen müsse. Aber dann macht dies Wort neue Verlegenheiten. Als Adjectiv kann es hier nicht stehen, es muß der Imperativ von benignare sein. Nun gibt es im mittelalterlichen Latein zwar ein Deponens benignari, aber kein Activum, wenigstens ist mir ein solches unbekannt. Und doch muß ich mich hier hinter den weiten Mantel des Mönchslatein verbergen, und nehme benigna als Imperativ = segne, mit dem Objectsaccusative construirt, wie benedicere im Mittelalter.

Verbinde ich hiemit die Schrift am obern Rande, so lauten die ersten Wörter: Benigna vas deus hoc, und geben, obwohl die Wortstellung auffallend ist, den Sinn: Segne, o Gott, dieses Geräth. — Nun aber, signapelb! Was ist mit diesem anzufangen? Offenbar hat der Künstler eingesehen, daß ihm der Raum gebreche, und hat darum von einzelnen Wörtern entweder nur die Anfangsbuchstaben, oder doch nur einige modellirt. Die letzten Buchstaben bilden, wenn ich mich in dem viertletzten nicht irre: salva statura.

Wochenlang habe ich über den Inhalt der Inschrift nachgedacht, aber nur folgendes Ungenügende heraus gebracht:

1. Benigna, vas, Deus, hoc, signa (=singna) pelle Barbarorum, salva statura.

Wenn man sich nämlich auch unter den signis barbarorum etwas denken kann, so weiß ich doch nicht, wie ich die abl.


1) Der Buchstabe sieht aus wie ein mittelalterliches A , dem der untere Theil des rechten Perpendikular=Balkens fehlt, dafür aber zwei Querlinien zwischen den beiden Balken hat. D. Red.
2) Ein Beispiel von einer Ausnahme giebt die alte, in diesem Jahresbericht beschriebene Glocke auf dem Schelfthurme zu Schwerin. Vgl. S. 193. D. Red.
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absol. — salva statura damit verbinden soll. Ich muß dann übersetzen: "Segne, o Gott, dieses Geräth, vertreibe die Waffen (Angriffe) der Barbaren, und erhalte die Form". Aber es mißfällt, daß der vordere und hintere Theil der Inschrift sich auf die Glocke bezieht, der mittelste aber auf die Wenden, die freilich hier auch nicht ganz friedlich waren; oder auf die Seeräuber, welche, bei der Nähe der Ostsee, oft Räubereien verübten. Darum zweifle ich an der Wahrheit der Erklärung 1 ).

Gekünstelter noch sind folgende Interpretationsversuche:

2) Benigna vas, Deus, hoc, sin gentilium natio audeat, pie elevatum (vas) laedere balistis, salva (imperat.) statura(m).

Möglich ist es, daß aus Mangel an Raum das m ausgefallen sei, da das letzte A dicht am Inschriftskreuz steht.

3) Benigna vas, Deus, hoc sacrum, id ne gentiles navibus advecti perturbent et (neve) laedant, benigne salva statura(m).

Versucht aber habe ich auch, Benigna als Namen der Glocke zu nehmen, und folgende Zusammensetzungen gebildet:

1) Benigna. Vas, Deus, hoc serva in nominis (tui) gloriam; nemo audeat pie elevatum laedere, benigne (oder Benignae) salva statura.

2) Benigna. Vas, Deus, hoc sacrum ingeneret nobis


1) Es finde hier ein anderer Erklärungsversuch einen Platz. - Es ist nicht wahrscheinlich, daß das Wort benigna in den Anfang gehört; der Künstler, der die Inschrift modellirte, zeichnete durch die Stelle gewiß nicht von vorne herein ein Wort aus, welches er füglich nach dem Kreuze in den Anfang setzen konnte; das Wort benigna bildet wohl den Schluß der Inschrift. Ferner wird hier angenommen, daß die Buchstaben des Wortes pelbs versetzt sind statt plebs und daß das S nach pleb statt zwei Mal nur ein Mal steht. Dann lautet die Inschrift:
Inschrift
d.i. Vas dens hoc signa! Plebs salva statura benigna! Dies ist dann ein vollständiger Hexameter, was um so mehr zu der Annahme dieser Stellung berechtigt. - Vas steht im Mittelalter oft für = Glocke, Singnare, d. i. wie oft, signare, heißt nicht selten: cruce signare, bekreuzen, segnen. Die erste Hälfte ist also eine Anrufung an Gott in einem kirchlichen Bilde: als Oberpriester die Glocke zu weihen. — Salva (freilich ohne Beachtung der Position) bedeutet wohl: (durch das Christenthum) gerettete, = bekehrte Volk. — Statura ist das Particip von stare, wobei sit ausgelassen ist: statura sit = stet, maneat. — Benigna ist = felix, glücklich, oder: = wohlwollend (gegen die Kirche). — Der Sinn wäre also:
"Segne, o Gott, dies Gefäß! (Dein) gerettetes Volk, möge es glücklich bleiben!
"Weihe, o Gott, diese Glocke! Möge dein Volk im Heile glücklich bleiben!
G. C. F. Lisch.
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amorem paternum et labefactam benigne salva staturam.

3) Benigna. Vas, Deus, hoc sempiternam indicet nominis (tui) gloriam nobis audientibus; perturbationibus et labe benigne salva statura(m).

Manche andere Conjecturen übergehe ich mit Stillschweigen, weil sie mir noch weniger gefallen, als die eben mitgetheilten.

Auffallend ist bei dieser Inschrift überhaupt, daß Gott angeredet wird, da entweder Jesus oder Maria, mit ihren veni cum pace oder ora pro nobis, gewöhnlich den Inhalt ausmachen.

Ueber das Alter der Inschrift, also auch der Glocke, wage ich nicht, etwas Entscheidendes auszusprechen. Die mehrfach vorkommenden E und N deuten jüngern Ursprung an 1 ); später als ins 15. Jahrhundert möchte ich sie jedoch nicht stellen 2 ).


1) Den Schriftzügen nach stammt diese Glocke noch aus dem 13. Jahrhundert. Die Inschrift enthält erst wenige geschnörkelte Buchstaben des 14. Jahrhunderts; grabe die E und N, statt e und N , deuten auf das hohe Alter. Eine Inschrift aus dem 15. Jahrhundert würde wohl schon gothische Minuskel haben. — G. C. F. Lisch.
2) Andere Glockeninschriften s. unten die dritte Rubrik der Nachrichten.