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Gußform für Knöpfe,

ein gelblichgrauer Thonsandstein, 3/8" dick und gegen 2" im Durchmesser, in Form einer Platte, welche jedoch an den Rändern völlig unregelmäßig ist. Zu beiden Seiten dieser Platte ist jedoch sehr regelmäßig eine geringe ovale Vertiefung eingegraben; in diesen ovalen Vertiefungen sind wieder eben so regelmäßig allerlei Charaktere eingegraben, von denen je zwei an jeder Seite merkwürdige, runenähnliche Schriftzüge darstellen. Eine Lithographie eines ähnlichen Steines ist dem dritten Jahresberichte des pommerschen Vereins beigefügt. Gefunden ist diese Platte im J. 1822 zu Dargun auf der sogenannten Neubaute, zwei Fuß tief unter der Erdoberfläche bei Anlegung von Spargelbeeten in einer dammartigen Lage von Kieselsteinen, persönlich vom Herrn Ingenieur Engel zu Dargun, einem völlig zuverlässigen und kundigen Manne, welcher nicht allein, mit Kenntniß der verschiedenen Arten von Gräbern, sehr viele Gräber in ihrer Vollständigkeit beobachtet hat und aufgraben gesehen, sondern auch selbst im Besitze von Alterthümern mancherlei Art 1 ) gewesen ist. In der angegebenen Tiefe von 2 Fuß stieß man auf eine Lage von Feldsteinen von der Größe, wie sie gewöhnlich zum Straßenpflaster gebraucht werden; beim Aufbrechen dieser Steine fand Herr Engel selbst diesen Stein. Das unterirdische Steinpflaster scheint sich noch weiter zu erstrecken, da es noch an einigen andern Stellen in der Nähe zum Vorschein gekommen ist.

Ganz ähnliche Steine sind in Vorpommern, namentlich zu Alt=Kenzlin bei Demmin, gefunden, z. B. einer unter dem Stamme einer alten Eiche. Der pommersche Verein hat über dieselben im dritten Jahresbericht, S. 27 flgd. Nachricht gegeben und diesem Bericht eine Lithographie eines Steines beigefügt. Prof. Rafn zu Kopenhagen wollte sogenannte preußische Runen in den Charakteren erkennen, wagte jedoch keine Deutung. Im vierten Jahresbericht


1) Diese Alterthümer und Münzen hat derselbe dem Herrn Karrig zu Berlin übergeben.
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desselben Vereins S. 42 berichtet jedoch der Herr Dr. von Hagenow zu Loitz, jetzt zu Greifswald, daß "ein alter, närrischer (!) Schäfer in der Gegend von Kenzlin Fabrikant "des" (unter dem Stamm einer Eiche gefundenen) "Runensteins und hundert ähnlicher sei". Auf S. 120 desselben Berichts theilt der Herr Pastor Rudolphi mit, daß "diese, so wie viele ganz ähnliche Steine, welche er besitze, vor wenigen Jahren von einem Bauern zu Beseritz in Meklenburg geschnitzt worden".

Diese Nachrichten von zwei eifrigen und aufmerksamen Sammlern haben allerdings Gewicht für den Werth derjenigen Steine, welche ihnen zu Händen kamen. Dennoch muß es beim ersten Anblick unsers Steins auffallen, wie närrische und rohe Leute zur Erfindung solcher Zeichnungen und Charaktere und zu so scharfer und fester Bearbeitung dieser Zeichnungen haben gelangen können, wie unser Stein dies Alles zeigt.

Unser Verein wandte sich daher noch einmal an den Hrn. Dr. von Hagenow und bat ihn um Einsendung eines Exemplars der pommerschen Steine. Derselbe war so gütig, einen solchen Stein, den er vom Hrn. Pastor Rudolphi zu Friedland geschenkt erhalten hatte, und einen Wachsabdruck eines in Stettin befindlichen Steins zur Ansicht einzusenden, auch noch einige Nachrichten hinzuzufügen. Unser verehrtes Mitglied sagt nämlich: "Es ist augenscheinlich, daß der Schäfer die Absicht hatte, die Steine als Knopfformen zu benutzen, denn die zinnernen Knöpfe an den Bauerkitteln wurden vor Zeiten von Landleuten größtentheils selbst gegossen 1 ). In meinem Geburtsorte Langenfelde bei Demmin habe ich in meiner Jugend diese Formen nicht bloß vielfältig gesehen, sondern auch manchen Knopf selbst darin gegossen. Die geschnitzte Fläche, — wie sie diese Steine zeigen, — bildete die vordere Seite des Knopfes; auf dieselbe paßten zwei andere Stücke, deren jedes die Hälfte der Oese enthielt. Alle drei Stücke wurden auf und an einander gelegt und mit einem Bande verbunden; der Guß geschah von oben durch die Oese. Ja ich habe selbst dergleichen Schieferstücke bearbeitet, um mir als Kind kleine Spielmarken von Blei und Zinn darin zu gießen. — Dieß ist alles, was ich hierüber weiß, und ich glaube, es wird hinreichen, Sie zu überzeugen, daß die fraglichen Steine


1) Dies geschah vorzüglich in der Gegend von Dargun; vergl. Mussäus in Jahrb. II, S. 130.
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Knopfformen gewesen sind oder werden sollten. Daß sie auf beiden Seiten geschnitzt sind, hatte unstreitig den Zweck, um zwei Knöpfe zugleich von beiden Seiten gießen zu können."

Der Wachsabdruck des stettiner Steins zeigt eine leichte und schlechte Arbeit, und die vom pommerschen Vereine gegebene Lithographie ebenfalls viele Unregelmäßigkeiten und Flüchtigkeiten im Verhältnisse zu unserm sehr regelmäßig gearbeiteten Steine. Der vom Hrn. v. Hagenow eingesandte Stein zeigt aber, bei großer Regelmäßigkeit, eine auffallende Uebereinstimmung mit der Arbeit unsers Steins. Man hat sich daher von unserer Seite überzeugen müssen, daß diese Steine nichts weiter als Knopfformen sind, wie es übrigens klar vorliegt, daß sie Gußformen sind. Eben so klar ist es hiedurch ferner, daß die Steine, eben weil sie Knopfformen sind, nicht müßige Spielereien närrischer Leute sind.

Dagegen stellt sich jetzt eine andere, höchst interessante Seite der Forschung heraus. Die Steine sind in Ostmeklenburg und Westpommern an verschiedenen Orten gefunden, und zwar oft unter Umständen, welche auf ein höheres Alterthum schließen lassen, wie unter dem Stamme einer alten Eiche und unter einem alten, längst verschütteten Steinpflaster: dies deutet also auf eine weite Verbreitung eines Brauches in der Zeit und im Raume. Es ist möglich, daß noch in neuern Zeiten solche Knopfformen gebraucht sind; auf jeden Fall verrathen sie aber eine uralte Tradition bedeutsamer Charaktere, welche bei dem besondern, kastenmäßigen Stande der Schäfer in Meklenburg und deren Gebräuchen, Sagen und Künsten gar nicht auffallend sein kann. Die Charaktere sind so sonderbar und originell, daß sich kaum eine willkürliche Erfindung annehmen läßt. — Auf dem Steine des Hrn. v. Hagenow ist z. B. ein großes lateinisches E eingraben; auf unserm Steine sind dagegen gar keine bekannte Zeichen, sondern lauter runenähnliche Charaktere befindlich, unter andern z. B. ein vollkommenes, klares runisches runisches M (ein = M), wie die runisches M auf den muthmaßlich ächten Runensteinen von Neu=Brandenburg in der neustrelitzer Sammlung. Auf beiden Steinen finden sich jedoch die Charaktere, den B spiegelbildlich und B ähnlich.

Es wäre daher von hohem Interesse, auf Sammlung solcher Steine auszugeben und dabei die Fundorte und das muthmaßliche Alter der Steine genau anzumerken. Es würden sich durch sorgfältiges Studium gewiß dereinst Resultate zeigen, welche auf wendische Traditionen 1 ) deuten, um so mehr, da


1) So hat auch J. Grimm (s. unten. "Gesammelte Nachrichten von alten Bildwerken") ein großes Gewicht für die Aechtheit der strelitzischen Runendenkmäler (  ...  )
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sich die Steine in Gegenden finden, in denen sich das Wendenthum lange gehalten hat: vgl. Meklenb. Urkunden Bd. I. an verschiedenen Orten.

G. C. F. Lisch.


(  ...  ) ] auf die Uebereinstimmung des auf denselben häufig vorkommenden runisches M (=M) mit der wendisch=glagolitischen Form runisches M für M gelegt. Und grade dieses gabelförmige runisches M kommt auf den fraglichen Knopfformen so bestimmt vor, daß an einer uralten Tradition dieses Zuges kaum zu zweifeln ist. - Auch das E auf der v. Hagenowschen Form: wird im Abgusse ein links gekehrtes, also glagolitisches, obgleich dies auch Ungeschicklichkeit des Formschneiders sein kann.