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III. Andeutungen über die altgermanischen und slawischen Grabalterthümer Meklenburgs und die norddeutschen Grabalterthümer aus der vorchristlichen Zeit überhaupt,

von

G. C. F. Lisch,

Großherzogl. meklenb. Archivar zu Schwerin, Aufseher der Großherzogl. Alterthümersammlung zu Ludwigslust etc. . 1 )

Ist es wahr, daß das Vorhandensein und die Pflege der Geschichte, so wie eine geschichtliche Fortführung aller Verhältnisse, vorzüglich die geistige Ausbildung eines Volkes charakterisirt, so liegt auch der Wunsch sehr nahe, über die Uranfänge und die Entwickelung der heimatlichen Verhältnisse, über das Leben der Vorfahren möglichst im Klaren zu sein. Während die übrigen deutschen Völkerschaften ihre Geschichte bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung und noch weiter verfolgen können, besitzen die deutschen Ostseeländer nicht viel mehr, als eine Geschichte von sechshundert Jahren. Bekanntlich beginnt ihre urkundliche Geschichte erst mit dem Falle des Wendenthums in der Mitte des zwölften Jahrhunderts; und auch in den ersten Zeiten der sächsischen Einwanderung stießen die heimischen Geschichtsquellen gerade nicht reichlich, was wohl dem Umstande zuzuschreiben sein mag, daß in den deutschen Ostseeländern vorzugsweise Cistercienser=Klöster errichtet wurden, welche zwar, von Betriebsamkeit und verständiger Einsicht, unendlich viel für die Cultur des Landes und die Regelung aller Verhältnisse thaten, aber sehr wenig Bücher hinterließen. Zwar haben wir von Tacitus bis Helmold herab über die deutschen Ostseeländer manche Ueberlieferungen in den Geschichtsbüchern anderer Völkerschaften, aus denen wir eine Geschichte der vorchristlichen Zeit unsers Vaterlandes, so gut es gehen will, zusammenstellen können; aber alle diese Ueberlieferungen sind ohne Ausnahme fremde, oft fragmentarisch genug, nicht selten so dunkel, daß sie kaum verständlich sind; an heimischen Denkmälern über dem Erdboden können wir nichts aufweisen. sei


1) Wiewohl diese Abhandlung bereits im Freimüth. Abendbl. 1837, No. 943 u. 944, abgedruckt, auch im Separatabdruck (in Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung zu Rostock und Schwerin, 1837) erschienen ist, glauben wir doch den Mitgliedern einen Dienst zu leisten, wenn wir sie (mit einigen von dem Hrn. Verf. jüngst hinzugefügten Anmerkungen) in diesen Bericht mit aufnehmen, um so mehr, da es wünschenswerth erscheinen muß, daß alles, was von dem Verein auf diesem Gebiete geleistet und ausgegangen ist, in den Vereinsschriften sich zusammengestellt finde.
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es an Bau=, Bild= oder Schriftwerken. Zwar wissen wir aus den gleichzeitigen Jahrbüchern anderer deutscher Völkerschaften und aus den spätern Andeutungen unserer Urkunden, daß in den letzten Jahrhunderten vor dem Falle des Heidenthums in Meklenburg slavische Völkerschaften wohnten; aber wie weit sie zurückreichen, ob sie seit uralter Zeit Eingeborne waren, ob sie später einwanderten und deutsche Völkerschaften unterjochten oder verdrängten: dies alles sind Fragen, welche bis heute noch nicht mit Bestimmtheit beantwortet werden können. Es ist freilich wahr, daß in den neuesten Zeiten gründliche Untersuchungen es zu beweisen übernommen haben, daß in den nordöstlichen Ländern Deutschlands im Anbeginn der europäischen Geschichte germanische Völkerschaften wohnten und diese ungefähr in der Mitte des sechsten oder siebenten Jahrhunderts von slavischen Völkern verdrängt wurden, welche sich bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts siegreich behaupteten; - aber diese frühere Existenz germanischer Völkerschaften in den deutschen Ostseeländern wird von nicht wenigen geistreichen und gelehrten Männern bezweifelt: der bis heute noch nicht ganz geschlichtete Streit ist bekannt; eben so bekannt ist es auch, daß sich der Vortheil immer mehr auf die Seite derjenigen geneigt hat, welche eine germanische Urbevölkerung in den spätern wendischen Ostseeländern annehmen. Viel mehr urkundliche Aufklärung ist schwerlich zu erwarten, da es kaum zu hoffen steht, daß noch neue historische Quellen entdeckt werden, welche für die ältesten Zeiten ergiebig sein könnten. Und gesetzt auch, wir gewönnen Sicherheit in der Erkenntniß der frühesten Begebenheiten, so fehlt uns dann noch immer eine Einsicht in das Leben und die Culturverhältnisse der Völker, welche dem neueren Zustande vorangegangen sind.

Die letzte und einzige Hoffnung, Licht in die Dunkelheit zu bringen, ruhet in den Gräbern, welche bekanntlich aus der Vorzeit als dauernde, Ehrfurcht gebietende Denkmäler noch herüberragen und in ihrem Schooße das bergen, was wir suchen: Erkenntniß des seins und des Lebens der Vorfahren. Nur wenn eine Erkenntniß der Grabalterthümer der mitteleuropäischen Tiefländer von Nordfrankreich bis in die Ebenen Polens vor uns liegt und eine Vergleichung von der einen Seite mit dem Skandinavischen und britannischen Norden und mit Rom, von der andern Seite mit den Ergebnissen aus den noch slavischen Ländern möglich macht, erst dann können wir ungetrübte Blicke in die Vorzeit thun. Und gelingt es uns, zum Ziele zu gelangen, so können wir darauf rechnen, daß aus der Vergleichung der gewonnenen Resultate mit den noch aus dem

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europäischen und asiatischen Rußlande und aus Mittelasien zu gewinnenden Aufklärungen hervorgehen, welche zu den wichtigsten der Alterthumskunde gehören.

Meklenburg ist für die germanisch=slavische Alterthumskunde von nicht geringer Bedeutung, da es, mit unbedeutenden Ausnahmen, eines der westlichsten Slavenländer war und von der andern Seite nur durch ein schmales Meer von dem germanischen Skandinavien geschieden ist. Auch wurden von jeher die Ueberreste der Grabalterthümer in Meklenburg mehr geachtet, als vielleicht in manchen andern Ländern. Schon im Anfange des 16. Jahrh. sammelte der einsichtsvolle Herzog Heinrich der Friedfertige Graburnen und freute sich der Betrachtung der Vorzeit; auch der kunstliebende Herzog Christian Ludwig, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, achtete diese Alterthümer hoch und legte den Grund zu der jetzigen Sammlung des Großherzogs K. H. zu Ludwigslust. - Aber alle vereinzelten Funde, und hätte man deren noch so viele gemacht, werden die Alterthumswissenschaft nicht viel weiter bringen, vielmehr die Hypothesen und die Verwirrung noch mehren; alle ohne Nachricht überlieferten, vereinzelten Gegenstände des Alterthums verdienen, wenn sie nicht zufällig technischen oder künstlerischen Werth besitzen, mit Recht das Schicksal, dem sie früher oder später unterliegen: der "Rumpelkammer" anheimzufallen. Erst aus verbürgten, umsichtig und vorsichtig geleiteten Aufgrabungen, bei denen die äußere Gestalt und der innere Bau der Gräber eben so sorgfältig beobachtet wird, als die in ihnen verborgenen Ueberreste der Vorzeit, kann ein sicheres Resultat für die Geschichte gewonnen werden.

In Meklenburg blieb es der langen segensreichen Regierung des Großherzogs Friedrich Franz K. H. vorbehalten, umsichtige Aufgrabungen für die Wissenschaft zu gewinnen. Des erhabenen Fürsten Kenntniß und Werthschätzung alles dessen, was geschichtliche Bedeutsamkeit hat, ist bekannt. In die Fußtapfen seiner erlauchten Vorfahren tretend, beförderte Er auf jegliche Weise die Pflege des heimischen Alterthums, ja unternahm Höchstselbst die Leitung von Aufgrabungen, z. B. bei Ludwigslust, welche mit dem glänzendsten Erfolge gekrönt wurden. Besonders aber wurden, die Aufgrabungen in den Jahren 1804 bis 1806 durch die Thätigkeit des Hauptmanns, jetzigen Oberzoll=Inspectors Zinck zu Dömitz und die eifrige Theilnahme des verstorbenen Hofmarschalls von Oertzen in höchstem Auftrage betrieben, wobei der Fürst ununterbrochen Theilnehmer blieb. So entstand der Reichthum der großherzoglichen Sammlung germanischer und slavischer Alterthümer zu

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Ludwigslust, begleitet von verbürgten Aufgrabungsberichten und vermehrt durch die Beiträge der allgemein verbreiteten Theilnahme: ein Reichthum, der zwar nicht übermäßig ist und nicht durch Seltenheiten blendet, aber durch eine gleichmäßige Vollständigkeit wohl die meisten Sammlungen in dieser Art übertrifft. Diese Schätze wurden von des Großherzogs K. H. mit der größten Liebe und Sorge gepflegt, bis die Zeit kam, wo ein allgemeines Interesse die wissenschaftliche Bearbeitung derselben wünschenswerth machte. Die günstigsten Aussichten hiezu boten sich dar, als der Professor Schröter zu Rostock, ein Mann von Sachkenntniß, Geist und Kraft, eben aus Skandinavien heimgekehrt, in den ersten Jahren des vorigen Jahrzehnds ein allgemeines Interesse für Grabalterthümer im Lande erweckte. Die Huld des Landesherrn ward ihm in dem Maße zu Theil, daß ihn eine Bestellung zum Aufseher der ludwigsluster Alterthumssammlung zur wissenschaftlichen Bearbeitung derselben, die ihm schon nahe lag, dringend aufforderte. Er sah die Wichtigreit der Sammlung ein und entwarf den Plan zur Herausgabe einer bildlichen Darstellung der vorzüglichsten Alterthümer und der repräsentirenden Stücke jeder Gattung, und demnächst zur Ausarbeitung einer umfassenden Erläuterung, welche die gesammte germanische und slavische Alterthumskunde begreifen sollte. Die Buchhandlung von Breitkopf und Härtel in Leipzig ging auf den Plan ein; das Ganze unter dem Titel: Friderico-Francisceum, sollte sechsunddreißig lithographirte Tafeln im größten Folio=Format, welche alle abzubildenden Gegenstände, wo möglich in natürlicher Größe, enthalten sollten, und einen Band Text nach Beendigung der Lithographie umfassen. - Se. K. H. der Großherzog übernahm die Kosten der Zeichnungen und der Zurüstung zum Texte. Schon im Jahre 1824 erschienen 3 Hefte mit 18 Tafeln. Kaum war Schröter von einer Reise nach Kopenhagen im Interesse des Werkes heimgekehrt, als ihm ein Nervenschlag den freien Gebrauch seiner Geisteskräfte raubte und ihn seiner begeisternden Wirksamkeit entzog. Er hinterließ zur Erkenntniß seines Plans und zur Fortsetzung seiner Arbeit- nichts, da er alle seine Ideen und Erfahrungen bei sich im Geiste trug und überhaupt nur auszuarbeiten pflegte, wenn er mit sich einig geworden war und das gesammte Material gesammelt hatte; er hinterließ nichts, als das fünfte und sechste Heft der Abbildungen bei der Buchhandlung; diese konnten jedoch nicht ausgegeben werden, da noch das letzte Heft fehlte. Seine werthvolle, vorzüglich für heimische Alterthümer in Deutschland und Skandinavien gesammelte Bibliothek verlor sich durch Versteigerung. -

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Damit die kostbaren Lithographien nicht Makulatur würden, ward der gelehrte Professor Grautoff in Lübeck zur Vollendung und Erläuterung des Werkes im Jahre 1830 gewonnen; kaum hatte er aber die Sammlung in Ludwigslust revidirt, als ihn der Tod wegraffte, ohne daß auch er etwas anders hinterlassen hätte, als einige Handzeichnungen, um sich, fern von der Sammlung, ein klares Bild von den einzelnen Gegenständen verschaffen zu können. - Jedes Jahr drohte immer größern Verlust für die Sache; mit der Berufung an Schröters Stelle übernahm ich zugleich die Schwierige und wagliche Arbeit der Vollendung und Erläuterung des ganzen Werkes, welche bald beschafft werden mußte, da noch von Lebenden Nachrichten eingezogen werden konnten, ohne welche die Fortsetzung unmöglich war. Schröters umfassenden Plan mit Gründlichkeit zu verfolgen, lag außer den Grenzen der Möglichkeit; die Buchhandlung forderte bei den aufgewandten großen Kosten Beschränkung auf eine unentbehrliche Erläuterung der abgebildeten Alterthümer. Des Großherzogs K. H. brachte neue nothwendige Opfer. Schröters Vorbereitungen zum Werke fanden sich nach einiger Zeit; jedoch bestanden sie nur aus Excerpten aus Büchern über nicht meklenburgische Alterthümer, welche jetzt gar nicht benutzt werden konnten; an Hindeutungen über das Friderico-Francisceum fand sich nichts; flüchtige Bemerkungen, auf den Reisen nach Kopenhagen und Rügen gemacht, konnten allein theilweise zur Vergleichung dienen. Jedoch fand sich bei den Acten Schröters der bis dahin vermißte, alte Catalog über die Sammlung von dem Hofmarschall von Oertzen, als frühern Aufseher der Sammlung, in Ludwigslust bei der Sammlung der neuere Catalog Schröters und beim Hauptmann Zinck zu Dömitz dessen wichtige Tagebücher, die er bei den Aufgrabungen geführt hatte. Mit diesen Materialien und dem Hauptmaterial, der Sammlung selbst, welche zu weitern Nachforschungen im Lande Veranlassung gaben, ward dann die Arbeit unternommen; sie ist so weit vollendet, daß das letzte Heft der Abbildungen in der Lithographie und der Text im Drucke ist, so daß das Ganze spätestens bis zur Mitte d. J. im Buchhandel erscheinen kann.

Hierauf die Freunde und Beförderer des vaterländischen Alterthums aufmerksam zu machen und ihnen die Aufnahme des Werkes zum Besten der Sache ans Herz zu legen, ist der Zweck der bisherigen Darstellung. Zugleich aber möchte es an der Zeit sein, durch Darstellung der Resultate, welche aus der Bearbeitung der ludwigsluster Sammlung entsprungen sind, alle Vaterlandsfreunde auf die Wichtigkeit der Sache auf=

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merksam zu machen und sie bei der täglich zunehmenden Zerstörung der Denkmäler des Alterthums zur Rettung dessen zu vermögen, was noch zu retten ist, oder doch wenigstens Nachrichten und Zeichnungen niederzulegen, wozu jetzt bei dem Verein für vaterländische Alterthumskunde in Schwerin oder bei der großherzoglichen Sammlung in Ludwigslust Gelegenheit geboten ist. Zwar wird das Friderico-Francisceum alle diese Resultate enthalten, aber, wie es bei einer kritischen Untersuchung ohne Vorarbeiten nur der Fall sein kann, werden sie bei der reinen Darstellung der gemachten Erfahrungen nur als bescheidene, gelegentliche Vermuthungen, nicht als gewonnene, an die Spitze gestellte Wahrheiten erscheinen können. Diese Resultate sollen hier nach nackten Erfahrungen gegeben werden, ohne irgend eine Beimischung geschichtlicher Ausführungen.

Das Resultat des Friderico-Franciscei ist, wenn nicht Alles trügt, eine klare Scheidung der germanischen und der slavischen Alterthümer in Meklenburg, hervorgegangen aus einer Vergleichung des Baues der verschiedenen Arten von Gräbern und der aus ihnen erweislich ans Tageslicht geförderten Alterthümer. Es gibt in den deutschen Ostseeländern verschiedene Classen von Gräbern nach ihrer äußeren Gestalt; man kann deren sieben bis acht unterscheiden; einige zeichnen sich aber vor allen andern so klar aus, wie sie sich bestimmt wieder von einander unterscheiden. Durch Aufstellung der drei vorzüglichsten Klassen wird sich aber die Richtigkeit der gewonnenen Resultate am besten rechtfertigen lassen.

I. Klasse: Germanengräber.

Es gibt in Meklenburg eine große Anzahl von Gräbern der Vorzeit, und vielleicht möchten ihrer die meisten sein, welche durch ihre bestimmte Form fast allgemein bekannt sind. Sie bilden runde, oft durch angesetzte Begräbnisse auch oval gewordene Hügel in Kegelform von 2 bis 25, auch 30 Fuß senkrechter Höhe vom Gipfel bis zum Mittelpunkt der Basis; daher ist ihnen der Name Kegelgräber gegeben. Nie haben sie große Steine auf dem Gipfel zur Bedeckung, eben so wenig große Steinpfeiler in den Seitenwänden zur Haltung; im Aeußern ist nichts anders sichtbar, als eine Rasen= oder Moosdecke. Oft, jedoch nicht als Regel, finden sich kleinere Feldsteine um den äußersten Ring des Grabes gelegt, zum Schutz und zur Bezeichnung; eben so häufig, und vielleicht häufiger, nicht selten bei Gräbern derselben Art neben einander, ist dies nicht der Fall. Als die größten Gräber dieser Art sind bisher die Gräber bei Proseken, Ruchow und Prillwitz bekannt

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geworden. Im Innem sind die Ueberbleibsel und Geräthschaften des Todten unter Gewölben von rohen Feldsteinen oder in viereckigen Kisten von platten Feldsteinen beigesetzt. Die kleinern Hügel, in welchen nur ein Todter bestattet ist, bestehen häufig nur aus dem Einen Steingewölbe (Steinkegel), welches dann mit einer dünnen Erd= oder Moosdecke im Aeußern belegt ist; oft aber besteht das Grab eines Einzelnen auch nur aus Erde, mit Ausnahme der platten Unterlags= und Deckelsteine für die beigesetzte Urne. 1 ) Die größeren Hügel bergen gewöhnlich mehrere Begräbnisse oder Steingewölbe und Steinkisten neben einander und sind durch einen hohen Erdaufwurf zu einem runden Hügel vereinigt (Erdkegel). Das Auffallendste im Innern ist zuerst eine doppelte Bestattungsweise. Einige Todte sind in diesen Kegelgräbern als Leiche, ohne Verbrennung, in gewaltigen Särgen von Eichenholz begraben, wie es bei Beckentin, Neukirchen und Ruchow beobachtet ward; andere Leichen sind verbrannt und ihre Asche ist in Urnen beigesetzt; in einigen großen Hügeln finden sich beide Bestattungsarten neben einander in demselben Hügel, z. B. bei Ruchow, wo die Hauptleiche unverbrannt begraben, die übrigen Leichen verbrannt in Urnen beigesetzt waren. Sind die Leichen verbrannt, so findet sich auf dem Boden des Hügels oft die Brandstätte: ein Pflaster aus breiten Steinen, von ungefähr 5 Fuß Länge und einigen Fuß Breite; auf diesem Pflaster liegen dann Asche und Kohlen, unter den letztern sind Kohlen von Eichenholz und verkohlte Eicheln und Wacholderbeeren bemerkt. Die Urnen in den Gräbern dienten zur Aufnahme der aus dem Brande gesammelten Gebeine; häufig finden sich jedoch in einem Begräbnisse mehrere Urnen, von denen dann einige leer sind. 2 ) Die Urnen aus den Kegelgräbern lassen sich in zwei Klassen absondern. Einige sind von grober Masse, im Innern des Bruches stark mit Kiessand durchknetet, im Aeußern glatt von Thon, gelblich, gelbgrau, röthlich und bräunlich oder von gemischter Farbe, fest gebrannt;


1) Ein Hauptkennzeichen dieser Art von Gräbern ist, daß sie auf dem Urboden aufgeschüttet und die Urnen und sonstigen Alterthümer immer über dem Urboden beigesetzt sind.
2) Nach fortgesetzten Beobachtungen bei Ausgrabungen wurden in die größere, stärkere Urne des Grabes die Gebeine gesammelte die zweite feinere, zierlichere Urne enthielt mehr fettige Asche und nur einzelne Knochenstücke, z. B. vom Schädel; eine dritte Urne schien die letzten gesammelten Ueberreste des Leichenbrandes zu enthalten. In der größern Urne zwischen den Gebeinen lagen gewöhnlich die mitgegebenen Geräthe des Todten; die Aschenkrüge enthielten keine Alterthümer. Die Schalen wurden zu Untersatzschalen oder umgestülpt zu Deckeln benutzt.
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ihrer Form nach sind sie entweder im Durchmesser überall nicht viel von derselben Weite abweichend und wenig spitz nach dem Boden zulaufend, oder mit einem engen Hälfe in Form eines Gießgefäßes; 1 ) die Form ist gediegen, edel, groß, jedoch nicht sehr regelmäßig in der Ausführung, so daß die Verfertigung derslben auf der Töpferscheibe als bestritten erscheint. Etwanige Verzierungen bestehen aus einfachen Strichen, welche mit einem unvollkommenen Instrumente aus freier Hand eingekratzt sind. Eine andere Art von Urnen in den Kegelgräbern besteht aus einer feinkörnigen, schwarzen Masse; auch im Aeußern sind sie glänzend und schwarz mit eingesprengten häufigen Pünktchen von Glimmer, 2 ) jedoch ohne allen schwarz färbenden Ueberzug; ihre Form ist kleiner, zierlicher, 3 ) geschmackvoller als die der größern gelblichen Urnen, auch sind die eingeschnittenen Verzierungen regelmäßiger und sorgfältiger gearbeitet. - Was in diesen Gräbern den Todten mitgegeben ward, zeichnet sich zunächst nach dem Material aus. Vorherrschend ist überall Bronze (Erz) von den schönsten Farben, nach chemischen Untersuchungen ungefähr aus 85 Procent Kupfer und 15 Procent Zinn bestehend, jedoch in abweichenden Mischungen, nach der Bestimmung des Geräths sorgfältig berechnet. Alle Gegenstände aus Erz scheinen gegossen zu sein: alle sind stark vom Rost angegriffen oder mit dem herrlichsten, glänzendsten edlen Rost bedeckt, wenn sie nicht im Moor gefunden sind, welches Sachen aus Bronze Jahrtausende lang völlig unversehrt und wie neu erhält. Zum Schmuck findet sich öfter reines Gold. Eisen ist bisher in reinem Kegelgrabe bemerkt, jedoch an einzeln gefundenen Gegenständen, wiewohl höchst selten, beobachtet; Silber ist nie gefunden. Bernstein ist nicht selten; Glasflüsse sind zweifelhaft. - Was nun die in den Kegelgräbern gefundenen Geräthschaften betrifft, so sind sie im höchsten Grade merkwürdig: alles in diesen Gräbern Gefundene ist fremd, eigenthümlich, oft räthselhaft, erinnert in einzelnen


1) Die Urnen in den Kegelgräbern haben oft eine kannenförmige Gestalt und große Henkel. Nach vielen Erfahrungen dienten die gehenkelten. Gefäße, wie die andern Urnen, zur Aufbewahrung der Gebeine und der Asche.
2) Die eingesprengten Glimmerfünkchen sind nach mehrfachen neuern Erfahrungen kein charakterisches Kennzeichen der Urnen in den Kegelgräbern, wenn denselben auch die schwarzgebrannten, gehenkelten Urnen (ohne färbenden Ueberzug) eigentümlich sind. Glimmerfünkchen sind in Urnen aller Gräberarten bemerkt. Die unterscheidenden Merkmale für die Classificirung der Urnen bleiben: Masse, Form und Verzierung.
3) Besonders merkwürdig ist, daß die feinen Urnen in den Keggräbern oft so dünne und regelmäßig sind, daß ihre Verfertigung aus freier Hand als unmöglich erscheint.
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Fällen nur an Rom und erfreut eben so sehr durch seine antike Eigenthümlichkeit, als durch seine edle, kräftige Form. In allen Gräbern wiederholen sich in den verschiedensten Abweichungen die immer vorkommenden Geräthschaften. Man hat Gußstätten für Speerspitzen mit Schmelztiegeln und Klumpen von Gußerz, z. B. bei Demmin, gefunden und daneben hunderte von gefertigten Geräthschaften: ein Beweis, daß sie heimischen Ursprungs sind; aber alle gefundenen Exemplare derselben Gattung waren verschieden. Einige sich häufig wiederholende Geräthe sind dieser Art von Gräbern völlig eigemhümlich. Als solche treten zuerst die wohl bekannten, von Tacitus geschilderten frameae auf, ohne Ausnahme aus Bronze. Dies sind schwere, voll gegossene Lanzenspitzen, welche in der Richtung des Schaftes statt zugespitzt zu einer beilförmigen Schneide abgestumpft waren: eine von den Römern so gefürchtete Waffe, welche die Germanen als Stoßwaffe und als Wurfwaffe gebrauchten; in mehrern Gräbern ist sie neben der bestatteten Leiche auf einem eichenen Schafte von 3 bis 4 Fuß Länge mit einem ledernen Riemen zum Zurückziehen nach vom Fortschleudern zur rechten Hand der Leiche gefunden worden. Diese Waffe (vergl. freim. Abendbl. 1832, No. 719), theils ganz voll gegossen zum Einlassen in einen gespaltenen Schaft, theils an einem Ende hohl gegossen zum Einstecken eines Schaftes, ist sonst bei keinem andern Volke beobachtet worden. Aber sie ist häufig in Norddeutschland, den Rheinlanden, den Niederlanden, Nordfrankreich, Britannien, Dänemark und Skandinavien gefunden und allgemein bekannt, wenn auch unter verschiedenen Namen, wie Celt, Paalstaf, Streitmeißel, Abhäutemesser, Hobeleisen, selbst als Thränenfläschchen. - Ferner charakterisiren sich die Kegelgräber durch die in zahllosen Formen immer wiederkehrenden Spiralwindungen, theils als platte Spiralwindungen in Tellerform, theils als springfederförimge Spiralcylinder, theils als eingegrabene und eingeschlagene Verzierungen. Diese Spiralplatten finden sich an den bisher den deutschen Ostseeländern eigenthümlichen Handbergen, d. h. Handringe mit auslaufenden großen und platt liegenden Windungen (wie Ammonshörner) zum Schutze der Hand und des Unterarms; sie finden sich in kleinerm Maßstabe an Fingerringen, als Ausläufer an den cylindrisch gewundenen Armschienen, in allen Größen an den Brusthefteln. Die Spiralcylinder finden sich häufig als Fingerringe und als Armringe oder Armschienen, vielleicht auch als Beinschienen. Als Verzierungen kommen sie in durchbrochener Arbeit in den Schwertgriffen vor; als eingeschlagene und eingegrabene Verzierungen

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werden sie bemerkt an Diademen, Schildnabeln, Schwertknöpfen, Messerklingen, Haarzangen, Büchsen und Dosen, u. s. w. Diese Art von reiner Linearverzierung kommt ebenfalls nicht weiter vor. - Alle diese Merkmale sind allgemeine; aber eben so eigenthümlich ist alles Einzelne, was in den Kegelgräbern vorkommt. Eigenthümlich sind diesen Gräbern: jene kurzen, ungefähr 2 Fuß langen, zweischneidigen, gegossenen Schwerter aus Erz, mit erhabenem Mittelrücken und kurzem, kaum die Faust füllendem, ehernem Griffe; - jene kurzen, breiten Dolche mit dem kurzen Griff, den römischen so auffallend ähnlich; - jene Brusthefteln (fibulae) mit zwei Spiralplatten, ebenfalls nur den römischen ähnlich; - jene Diademe mit den eingeschlagenen Spiralverzierungen, jene großen und breiten Gerspitzen, jene langen Speerspitzen und Pfeile, und alle die immer neu verzierten Armringe, die spiralförmigen Fingerringe, die gewundenen Kopf= und Halsringe, die langen, großköpfigen Nadeln, die schönen Messer, die Scheermesser, die Haarzangen: alles aus Bronze; eigenthümlich sind ihnen die gewundenen goldenen Armringe und die cylindrisch gewundenen Fingerringe aus einfachem oder doppeltem Golddrath.

Diese Art von Gräbern ist gefunden von dem Weichselgebiete bis an die Pyrenäen und von den deutschen Hochländern bis tief in Skandinavien und Schottland hinein. Nimmt man dazu die auffallend hiemit übereinstimmenden Berichte des Tacitus, so läßt sich kaum bezweifeln, daß diese Art von Gräbern den Germanen angehört.

II. Klasse: Slavengräber.

Von den germanischen Kegelgräbern unterscheidet sich eine andere Art von Grabstätten in Meklenburg bedeutend, nämlich diejenigen Grabstätten, welche wohl Kirchhöfe und Wendenkirchhöfe genannt werden. Mit dem Namen von Kirchhöfen werden zwar gewöhnlich Gruppirungen vieler Gräber jeder Art, auch Gruppen von Kegelgräbern, belegt; aber eine Art von Kirchhöfen zeichnet sich vor allen andern durch ihren Inhalt sehr bestimmt aus. Die Wendenkirchhöfe sind nämlich langgestreckte, oft unscheinbare Gesammterhebungen auf Ebenen oder natürlichen Abhängen ohne bestimmte Form. 1 ) In diesen


1) Nach neuern Erfahrungen in Meklenburg und nach vielfältigen Beobachtungen in Pommern und im südöstlichen Holstein sind die Urnen der Wendenkirchhöfe nicht über der Erde unter Hügeln beigesetzt, sondern unter die Erdoberfläche eingegraben, also förmlich begraben. Sie werden nicht selten unter der ganz flachen, ebenen Erdoberfläche gefunden und unbedeutende Er= (  ...  )
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unbestimmt geformten Erhebungen stehen die Urnen in unglaublicher Menge, am Rande umher zwischen kleinen Steinen verpackt, im Innern dicht gedrängt in der Erde, oft auch zwischen kleinen Steinen, nicht tief unter der Erdoberfläche. In den Urnen findet man Geräth aller Art. Kirchhöfe dieser Art und immer von derselben Art sind aufgedeckt oder berührt zu Kothendorf, auf der Mooster bei Marnitz, zu Gägelow, Preseck u. a. a. O.; oft sind sie unbeachtet beim Ziehen von Gräben und Landstraßen zerstört. Die Urnen enthalten immer Knochen und Asche; 1 ) von Bestattung der Leichen ist keine Spur, eben so wenig von Brandstätten, da der Beisetzungsplatz für die Urnen nicht zugleich die Brandstätte gewesen zu sein scheint. Die Urnen sind zwar denen in den Kegelgräbern in einiger Hinsicht ähnlich, aber die meisten unterscheiden sich charakteristisch von denselben, so daß es in der Zukunft vielleicht gelingen kann, die Gräber selbst nach Urnenscherben zu erkennen, wenn auch andere Kennzeichen fehlen. Die Urnen in den Wendenkirchhöfen sind von feinerer Masse 2 ) und regelmäßiger geformt, so daß der Gebrauch der Töpferscheibe bei ihnen wahrscheinlicher ist. Häufig sind sie mit einem platten einpassenden 3 ) Deckel bedeckt, welcher freilich gewöhnlich zerbrochen ist, während die Urnen in den Kegelgräbern gewöhnlich mit platten Steinen zugedeckt sind, was jedoch auch in den Kirchhöfen beobachtet ist. Oft haben die Gefäße nasenähnliche Knötchen und kleine Henkelchen, welche zum Anfassen fast zu klein sind. Der Hauptcharakter der slavischen Urnen liegt aber in ihrer Form und Verzierung. Während die Grabgefäße in den Kegelgräbern mehr gleichmäßig in ihrer Weite von oben nach unten und mehr edel und kräftig in ihren Umrissen, oder auch mit engem Halse und gehenkelt gebildet sind, ist die Form der slavischen Urnen, wenn auch mehr ausgearbeitet, doch gewissermaßen etwas übertrieben: sie sind oben weit geöff=


(  ...  ) hebungen über den Urnen sind entweder geringe, natürliche an Abhängen, oder höchstens ein Erdaufwurf von dem Cubikinhalt der eingegrabenen Urnen. Die Urnen stehen in großer Zahl neben und über einander, ganz frei in der Erde oder auch durch einzelne platte Steine geschützt.
1) In den Wendenkirchhöfen finden sich oft auch mehrere, gewöhnlich zwei zusammengehörende Urnen neben einander; die eine enthält ebenfalls, wie in den Kegelgräbern, Gebeine und Alterthümer, die andere nur Erde und Asche.
2) Die Urnen in den Wendenkirchhöfen sind im Durchschnitt von feinerer Masse; in den Kegelgräbern sind die größern Urnen grobkörniger, die kleinern, feinern Urnen feinkörniger, als in den Wendenkirchhöfen.
3) Einpassende Deckel und überdeckende Schalen finden sich auch nicht selten auf enghalsigen Urnen in den Kegelgräbern. Einpassende Deckel finden sich nur auf gewissen weiter geöffneten Urnen in gewissen wendischen Begräbnißstellen.
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net und laufen nach dem Boden hin sehr spitz zu, so daß man sie oft kaum berühren kann, ohne sie umzustoßen. Die Verzierungen sind aber vorzüglich eigenthümlich: sie bestehen nämlich nicht selten aus parallelen, in spitzen oder in rechten Winkeln gebrochenen Linien, den Mäanderformen ähnlich, und sind offenbar mit einem viereckig gezahnten, wahrscheinlich radförmig gearbeiteten Instrumente eingedrückt. Auf einer zu Kothendorf gefundenen Urne ist ein rechtwinkliges, gleicharmiges Kreuz eingeprägt, dessen Balken links hin im rechten Winkel gebrochen sind, grade so, wie es sich auf den dänischen Goldbrakteaten aus den letzten Zeiten des Heidenthums findet. Oft sind die verzierten Urnen mit Asphalt von tiefschwarzer Farbe überzogen; die übrigen sind bräunlich gefleckt gebrannt, jedoch selten so hell, wie die germanischen Urnen; jene schwarz gebrannten, mit Glimmerfünkchen besprengten Urnen der Kegelgräber sind nicht bemerkt, wenn auch Glimmerfünkchen in braunen Urnen der Wendenkirchhöfe vorzukommen scheinen. Auffallend ist die sehr große Zahl der Urnen, welche in der Regel sehr gut erhalten sind, wenn Unverstand sie nicht zerstört hat. Alle diese Eigenthümlichkeiten, ja dieselben Formen finden sich in den verschiedensten Gegenden Meklenburgs wieder, stimmen auch auffallend mit den, in der Mark Brandenburg zahlreich gefundenen Urnen überein, während in den Kegelgräbern gewöhnlich jedes Stück des Alterthums zwar dieselbe allgemeine Grundform, aber doch immer seine besondere Gestaltung hat. - Die in den Wendenkirchhöfen gefundenen Geräthschaften lassen mit den in den Kegelgräbern gefundenen durchaus keine Vergleichung zu. Hier in den Wendenkirchhöfen ist alles mehr neu und bekannt, an die moderne Zeit grenzend, ja mit ihr übereinstimmend. Alles Fremdartige ist verschwunden: es fehlen die frameae, die Handbergen, die antiken Hefteln mit den Spiralplatten, die Spiralwindungen und Spiralverzierungen, die Spiralcylinder, die kurzen ehernen Schwerter u. s. w. Das Material, aus dem die meisten Sachen gefertigt sind, ist Eisen; aus Eisen sind die Schwerter, Lanzen, Pfeile, Schilde, selbst Streitäxte, Messer, Ringe u. s. w. Eigenthümlich sind den Wendenkirchhöfen lange, grade, wahrscheinlich einschneidige Schwerter, in mehrere Enden zusammen gebogen, um sie in die Urnen legen zu können: eine Erscheinung, welche dem Skandinavischen Norden völlig fremd ist, welche dagegen bei Ruppin neben einem mit christlichen Symbolen verzierten ehernen Gefäße beobachtet ward; eigenthümlich sind ihnen die großen, hutförmigen eisernen Schildbuckel; eben so modern sind die graden, spitzen

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Messer, die Lanzenspitzen, - Geräthe, welche vorzüglich viel in der Altmark gefunden sind. Bronze (Erz) tritt in den Hintergrund; nur einzelne Gegenstände sind aus Erz gefertigt, z. B. kleine Ringe, Knöpfe, Schnallen, Nadeln, moderne Stopfnadeln, Verzierungen auf Eisen, namentlich Eichelverzierungen, welche man wohl für Glocken gehalten hat, und die immer in derselben Gestalt wiederkehrenden kleinen Brusthefteln mit gebogenem Bügel und mit einer kleinen, dünnen Nadel, während alle diese Gegenstände auch aus Eisen neben andern derselben Art aus Erz vorkommen. An diesen Geräthen aus Erz ist der edle Rost noch nicht bemerkt; gewöhnlich sind sie mit einem mehlartigen Anfluge von mattgrünem Oxyd bedeckt. Gold ist nie bemerkt; dagegen findet sich häufig Silber bei allen Gegenstanden, die auch aus Erz vorkommen; im skandinavischen Norden fällt Silber in die letzte Periode des Heidenthums und in den Anfang des Christenthums; arabische Schmucksachen und Münzen deuten darauf hin, daß das Silber wohl erst durch den Handelsverkehr des Khalifats in die Ostseeländer kam. Als Verzierungen kommen blaue und buntfarbig eingelegte Glasflüsse häufig vor, so auch Bernstein; sauber gearbeitete Gegenstände aus Knochen, wie z. B. Kämme, werden öfter gefunden; Darstellungen roher menschlicher Figuren und ringförmige Schnallen mit christlichen Inschriften mit lateinischen Schriftzügen des 12. und 13. Jahrhunderts werden in Urnen gefunden, welche eine Vergleichung mit denen aus den Wendenkirchhöfen aushalten.

Nach diesen unleugbaren Erfahrungen möchte es nicht gesagt sein, diese Art von Gräbern der slavischen Bevölkerung zuzuschreiben. Zwar spricht hiefür kein Tacitus; aber es giebt innere Gründe, welche diese Annahme unterstützen: in den Wendenkirchhöfen ist alles moderner und, mit Ausnahme des Eisens, weniger durch die Zeit angegriffen; diese Art von Gräbern erstreckt sich geographisch nur so weit, als die slaven gegen Westen und Norden vorgedrungen sind; die Vergleichung ergiebt, daß das Volk dieser Gräber mit dem Norden zur letzten Zeit des Heidenthums und mit dem Khalifat in Verbindung stand; ja Spuren einer christlichen Cultur kommen vor; endlich ist es der directe Gegensatz, oder doch eine völlige, nie zu vereinigende Abweichung von den, nach Rom deutenden Kegelgräbern, welche die sogenannten Wendenkirchhöfe der slavischen Bevölkerung zuschreibt.

Mit den Resultaten der Wendenkirchhöfe kann aber die Betrachtung der Wendengräber noch nicht geschlossen sein; es

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läßt sich annehmen, daß einzelne Vornehmere des Volks besonders und kostbarer begraben wurden. Hierüber fehlen jedoch noch Erfahrungen.

III. Classe: Urgräber oder Hünengräber.

Diese Art von Gräbern bietet die großartigste Erscheinung im Reiche der Gräber dar. Diese Gräber bilden in der Regel ein Oblongum von unbehauenen großen Granitpfeilern und sind am Ostende mit gewaltigen Granitplatten bedeckt. Die größten Gräber dieser Art sind mit ungefähr 40 bis 50 Pfeilern umgeben, welche bis 4 Fuß im Durchmesser haben und noch 3 bis 6 Fuß hoch aus der Erde ragen, und sind gewöhnlich im Ostende mit 4 Steinen bedeckt, welche, bei einem Umfange bis 40 Fuß, in der Dicke ungefähr 4 Fuß messen; die Gräber haben oft eine Länge von 120 bis 160 Fuß. Das gewaltigste Grabdenkmal dieser Art, vielleicht in Deutschland, ist das bei Katelbogen; ein anderes majestätisches Grab liegt bei Naschendorf; übrigens sind sie in Meklenburg, namentlich im östlichen Theile desselben, nicht selten. Innerhalb der Steinpfeiler ist der Grabhügel aufgeschüttet wie eine langgestreckte, umgekehrt muldenförmige Erhöhung von 4 bis 8 Fuß Höhe. - Unter den großen Decksteinen findet sich gewöhnlich eine Steinkiste 1 ) aus großen, platten Steinen, in welcher die Alterthümer liegen, die übrigens auch in andern Theilen des Grabes Zerstreut sind. Der Inhalt dieser Gräber ist sehr einfach. Gewöhnlich finden sich nur Scherben von rohen, dick geformten Urnen; 2 ) in Meklenburg ist keine Urne bekannt, die unversehrt aus einem Hünengrabe gekommen wäre. Hin und wieder sind auch Gerippe von Menschen in den Hügeln gefunden. Das Material, welches in diesen Gräbern vorherrschend vorkommt, ist Feuerstein; jene vielbesprochenen, breiten, schön geschliffenen Keile aus Feuerstein (Streitkeile, an andern Orten auch wohl Donnerkeile und Thorskeile genannt) werden oft in großer Anzahl in ihnen gefunden; mit Sicherheit ist es nicht bekannt, daß sie je in einem andern Grabe gefunden wären. Außerdem finden sich noch Messer mancherlei Art aus Feuerstein in ihnen. Hiernach hat man diese Gräber einer uralten Zeit zugeschrieben, in welcher der


1) Die Alterthümer der Hünengräber finden sich häufig zu den Seiten der Steinkiste.
2) Die Urnen der Hünengräber zeichnen sich vorzüglich durch eigenthümliche, tiefeingegrabene, etwas schwerfällige, wenn auch oft geschmackvolle Verzierungen aus.
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Gebrauch der Metalle noch nicht bekannt war. Aber es ist unleugbar, daß in Meklenburg in denselben auch Spuren von Eisen 1 ) vorkommen; gewöhnlich ist dieses Metall vergangen, aber man hat auch einzelne Geräthe noch ziemlich gut erhalten aus ihnen hervorgeholt, wie Ringe, Streithammer u. dgl. Die holländischen und nordischen Forscher leugnen zwar das Vorkommen von Eisen in den Hünengräbern; aber es lassen sich sichere Aufgrabungen in Meklenburg nicht wegleugnen. Außerdem finden sich noch Schleifsteine von feinkörnigem, rothem Sandstein und Bernsteinschmuck; weiter ist nichts beobachtet. Das Vorkommen des Eisens setzt die Bestimmung der Hünengräber einen Augenblick in Zweifel; aber ein Hinblick auf die geographische Verbreitung derselben giebt zur weitern Forschung Muth. Die Hünengräber finden sich nämlich in allen den Gegenden, in welchen die germanischen Kegelgräber vorkommen: in Norddeutschland, in den Niederlanden, in Nordfrankreich, in Britannien und in Skandinavien, also am häufigsten in den Ländern, wohin die Slaven nie gedrungen sind. Man ist also gezwungen, sie einer nicht slavischen Bevölkerung zuzuschreiben, und will man nicht annehmen, daß die Germanen im Laufe der Zeit gewaltige Rückschritte gemacht haben, so ist man veranlaßt, die Hünengräber einer alten germanischen oder vorgermanischen Zeit anzuweisen, gewiß einer Zeit, welche der voraufging, in der die Kegelgräber erbaut wurden, aus denen römischer Einfluß nur zu klar hervorleuchtet. Auffallend bleibt allerdings die Zurückdrängung des Eisens durch das römische Erz; aber der Mangel an Technik zur vollkommenem Bearbeitung des Eisens mag wohl Veranlassung zur allgemeinern Aufnahme der schönen, brauchbaren und edlen Kupfercomposition durch die Bekanntschaft mit den Römern geworden sein. Auch kommen allerdings Beispiele von dem fortgesetzten Gebrauche des Eisens in Kegelgräbern vor. - Der Name Hünengräber tritt übrigens auch in Deutschland, selbst in Süddeutschland, urkundlich schon im


1) Das auffallende Vorkommen von Eisen in den Hünengräbern, welches jedoch nur hin und wieder bemerkt ist, ist unbestreitbar. Es ist bisher jedoch nur in Hünengräbern derjenigen Länder beobachtet, in welchen einst Wenden gesessen haben. Auch Professor, Director Danneil zu Salzwedel hat in geringer Tiefe Urnen mit eisernen Geräthschaften in Hünengräbern gefunden. Dieser Forscher hat daher die wohl richtige und schöne Ansicht gefaßt, daß in jüngern Zeiten oft Slaven in Hünengräbern beigesetzt worden seien und man also in uralten Gräbern neben der alten eine zweite, spätere Begrabung habe. Es ist eine interessante Beleuchtung über das Vorkommen von Eisen in Hünengräbern von Danneil zu erwarten. - Auch die sibirischen Völkerschaften pflegen noch heute ihre Todten in und an alten Grabhügeln zu bestatten.
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Mittelalter auf und ist gleichbedeutend mit den ebenfalls in Urkunden vorkommenden Ausdrücken: Riesengräbern, Riesenbetten, Gigantengräbern, Gräbern der Vorzeit.

Außer diesen Hauptgattungen giebt es noch andere Arten von Gräbern, welche sich aber bei genauerer Forschung irgend einer Hauptgattung zuschreiben lassen. - Zuerst sind bekannt die Steinkisten oder Steinhäuser, von gelehrten Forschern auch Urgräber genannt. Dies sind freistehende, viereckige Steinsetzungen, in den Wänden von großen, auf die schmale Kante gesetzten Steinplatten erbauet, über welche ein großer Stein als Decke gelegt ist. Sie finden sich überall, wo sich die Hünengräber finden, und enthalten dieselben Gegenstände, nämlich Scherben von groben Urnen, und Keile und Messer aus Feuerstein. Sie sind also derselben Zeit zuzuschreiben, aus der die Hünengräber stammen, und möchten in den frühesten Zeiten der Hünengräber erbaut oder auch unvollendete Hünengräber sein, an denen der äußere Steinring und der aufgeworfene Erdhügel fehlt. Ihre Gestalt hat unzählige Male zu der Meinung Veranlassung gegeben, als seien diese Steinkisten Opferaltäre; oft werden sogar halb zerstörte Hünengräber für Opfersteine gehalten. - Andere Classen sind: sogenannte Kistenhügel, d. h. kleine Erdhügel mit Urnen, welche zwischen platten Steinen wie in einer Kiste verpackt sind, - ferner kleine Steinringe mit einem niedrigen Erdhügel und endlich bloße Erdhügel. Alle diese Gräber sind untergeordneter Art und enthalten gewöhnlich nur Urnen und andere, oft unscheinbare Kleinigkeiten. Je nach dem Inhalte wird man die einzelnen Hügel dieser Gattungen einer Hauptclasse zuweisen können, namentlich wenn man erst das Studium der Urnen durch sichere Beurtheilung der größeren Gräber eine festere Grundlage gewonnen hat. Bei dem Studium der deutschen Grabalterthümer thut man übrigens wohl, den Inhalt der süddeutschen Gräber einer genauen, sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen, indem die Gräber dieser Gegenden oft bedeutende Eigenthümlichkeiten haben.

Dies sind die als fertig hingestellten Resultate der aus der großherzoglichen Sammlung zu Ludwigslust hervorgegangenen meklenburgischen alterthümlichen Forschungen, welche im Friderico-Francisceum durch Zeichnungen und authentische Aufgrabungsberichte begründet und erhellt, aber vielleicht nicht so fertig hingestellt sind, als es hier geschehen ist. Diese Zeilen haben nur den Zweck, dem größern Werke allgemeinern Eingang vorzubereiten und die allgemeinere Aufmerksamkeit bei etwa bevorstehenden Aufgrabungen zu schärfen, damit in den nächsten

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Zeiten durch Zeichnung und Schrift noch gerettet werde, was nach einigen Jahrzehenden vielleicht vergeblich gesucht wird. Daß diese Schilderung für manche Forscher nicht umfassend genug geworden ist, liegt darin, daß hier nicht ein vollständiger Abriß der germanisch =slavischen Alterthumskunde, welche auch zu Hypothesen ihre Zuflucht hätte nehmen müssen, gegeben werden sollte, sondern nichts weiter als die Resultate, welche aus dem Friderico-Francisceum hervorgehen. Was hier vielleicht vermißt wird, bietet, nach meiner Einsicht, die ludwigsluster Sammlung nicht. Uebrigens werden diese Resultate ihre Würdigung erst nach dem Erscheinen und dem Studium des größern Werkes finden können. Diese Blätter sollen nichts weiter als Ankündiger, Vorläufer und demnächstige Begleiter des Friderico-Franciscei sein.