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II.

Die Urformen
des Niedersachsenhauses
in Mecklenburg

von

Franz Engel.

 

Vignette
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Inhalt.

Seite
Übersicht über die bisherige Hausforschung 105
Ausgrabungen von Wüstungen
   Siedlungsgrabung bei Hungerstorf 108
   Siedlungsgrabung bei Ramm 113
         Haus 2 115
         Haus 5 119
   Über die Größe mittelalterlicher Häuser 124
Archivalische Quellen:
   Karten und Zeichnungen:
      Karten des 16. Jahrhunderts 127
      Flurkarten des 18. Jahrhunderts 128
      Bauzeichnungen des 19. Jahrhunderts 131
   Akten und Amtsbücher:
      Protokollbücher des Amtes Schwerin 1748 - 74 134
      Amtsbeschreibung von Boizenburg 1696 144
      Inventar des Klosteramtes Ribnitz von 1620 145
      Amtsakten von Ramm. 18. Jahrhundert 147
Ergebnisse:
   Auswertende Übersicht über die benutzten Quellen 147
   Durchfahrtsdielenhaus ist Urform des Niedersachsenhauses (im Südwesten Flettdielenhaus) 150
   Über die Herkunft der Urformen 152
   Historische Entwicklung des mecklenburgischen Bauernhauses 154
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Verzeichnis der Abbildungen.

      Seite
Abb. 1. Zusammenstellung der 5 Haustypen (Durchfahrts-, Durchgangs-, Flett-, Flettarm- und Sackdielenhaus) 106
Abb. 2. Grabung Hungerstorf, Haus 2. Grabungsbefund 110
Abb. 3. desgl. Rekonstruktion 111
Abb. 4. Grabung Ramm, Haus 2. Grabungsbefund 116
Abb. 5. desgl. Rekonstruktion 117
Abb. 6. Grabung Ramm, Haus 5. Grabungsbefund 120
Abb. 7. desgl. Rekonstruktion 121
Abb. 8. Ausschnitt aus der Karte von Meierstorf um 1580 128
Abb. 9. Ausschnitt aus der Flurkarte von Kl. Thurow um 1770. Häuser mit durchlaufender Diele 129
Abb. 10. Niedersachsenhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts mit durchlaufender Diele in Mecklenburg 130
Abb. 11. Durchfahrtsdielenhaus Moraas III (Bonnes). Rekonstruktion nach einer Bauzeichnung von 1865 132
Abb. 12. Die Hausformen des Amtes Schwerin um 1760 138

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Seit den umfassenden Untersuchungen des Bahnbrechers der deutschen Hausformenforschung Willi Peßler in der Zeit vor dem Weltkrieg hat sich die Wissenschaft um die gründliche Untermauerung und die Spezialisierung seiner damaligen Ergebnisse bemüht. Es galt, einerseits die von Peßler ermittelten Grenzen der verschiedenen Haustypen genauer festzulegen und andererseits die Entstehungszeit und die gegenseitige Beeinflussung der einzelnen Typen zu ergründen.

Während der verstorbene Geh. Oberbaurat Pries die Abhängigkeit der verschiedenen jüngeren Formen und ihre allmähliche Wandlung zum Gegenstand mehrerer Abhandlungen gemacht hatte, suchte Prof. Dr. Folkers in Rostock in den letzten Jahren vor allem die Urform des Niedersachsenhauses in Mecklenburg zu ermitteln. Es ist das Verdienst von Folkers, als erster darauf hingewiesen zu haben, daß vermutlich sämtliche jüngeren Formen des Niedersachsenhauses aus dem mittelalterlichen Durchfahrtsdielenhaus entstanden sind.

Schon 1930 sprach Folkers die Vermutung aus, daß der Urtyp des mecklenburgischen Bauernhauses eine offene, von einem Giebelende zum anderen führende Durchfahrtsdiele gehabt habe 1 ). Auf Grund weiterer Untersuchungen kam er dann 1939 in Übereinstimmung mit Pries zu dem Ergebnis, daß die Durchfahrtsdiele bis etwa ins 18. Jahrhundert allgemein üblich gewesen sei und erst dann durch die Einrichtung von Wohnräumen am hinteren Ende des Hauses zugebaut wurde 2 ).

Fragen wir uns jedoch, worauf Folkers seine Ansichten stützt 3 ). so müssen wir feststellen, daß er, von dem gegenwärtig


1) Endler-Folkers, Das Mecklenburgische Bauerndorf, Rostock 1930, S. 114.
2) Folkers, Die Schichtenfolge im alten Bestand niedersächsischer Bauernhäuser in Mecklenburg. In der Festschrift für Richard Wossidlo, Neumünster 1939, S. 115, und Folkers, Verbreitung der Hausformen, Mecklenburg, Werden und Sein eines Gaues, herausg. von R. Crull, Velhagen & Klasing 1938, S. 289 (zit. Folkers, Mecklenburg-Atlas).
3) Folkers beruft sich in seinen letzten Abhandlungen ferner auf eine vorläufige Veröffentlichung der unten ausführlich behandelten Grabung von Hungerstorf (vgl. Engel, Das mecklenburgische Bauernhaus im Mittelalter, Niederdeutscher Beobachter vom 24. Oktober 1936 Nr. 249). Vgl. Folkers, Schichtenfolge S. 116 und Mecklenburg-Atlas Karte 28 c.
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noch vorhandenen Bestand an Bauernhäusern ausgehend, Rückschlüsse auf die früher herrschenden Bauformen zieht 4 ).

An einer Anzahl gerade der ältesten Häuser weist Folkers teilweise am Baubestand und teils auf Grund von Aussagen der Besitzer nach, daß ehemals eine Durchfahrts- oder zum mindesten Durchgangsdiele vorhanden gewesen sei. Wenn diese Feststellungen erstens für sehr alte und zweitens für eine möglichst


4)

Zur Verdeutlichung für den nicht sachkundigen Leser seien hier kurz die verschiedenen in diesem Aufsatz behandelten Haustypen einander gegenübergestellt:

Haustypen einander gegenübergestellt
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große Anzahl von Häusern gemacht werden können, so läßt sich eine allgemeine Entwicklungstendenz vom Durchfahrtsdielenhaus zum Flettdielenhaus und seinen Abarten folgern. Aus diesem Gedankengang heraus kommt Folkers zu dem Ergebnis, daß das Durchfahrtsdielenhaus als die gemeinsame Urform der heutigen Haustypen anzusehen sei.

Nun muß allerdings zugegeben werden, daß aus diesen Feststellungen nur mit Vorbehalt Schlüsse auf die Urform des Niedersachsenhauses gezogen werden können. Es sind im wesentlichen zwei Probleme, die näherer Untersuchung bedürfen. Erstens ist, wie Folkers selbst sagt, zu bedenken, daß direkte Untersuchungen mittelalterlicher Bauernhäuser bis jetzt nicht möglich waren, da der alte Bestand, den die Volkskunde nachprüfen kann, nur bis etwa 1600 zurückreicht 5 ). Für die Urform des Hauses in den vorhergehenden 400 Jahren sind wir also auf andersartige Forschungsmethoden angewiesen. Zweitens ist trotz aller Bemühungen die Anzahl derjenigen Häuser, an denen eine ehemalige Durchfahrtsdiele noch nachzuweisen ist, im Ganzen genommen doch recht gering. Zur Ergänzung muß deshalb auch hier nach anderen Quellen gesucht werden.

Der Zweck dieses Aufsatzes soll es sein, die Möglichkeiten zur Lösung der beiden angedeuteten Probleme aufzuzeigen und besonders die bisher bereits erzielten Untersuchungsergebnisse festzuhalten und der Forschung zugänglich zu machen 6 ).

Die erste Frage, nach den ältesten Formen des mecklenburgischen Bauernhauses, ist mit Sicherheit nur durch die Spatenforschung zu lösen. Es konnten bisher zwei Siedlungsgrabungen durchgeführt werden. Im folgenden wird zunächst die Ausgrabung bei Hungerstorf und zweitens die Grabung bei Ramm ausführlich zu behandeln sein.

Die zweite Frage, nach der allgemeinen Verbreitung der Durchfahrts- oder Durchgangsdielenhäuser, läßt sich durch die


5) Folkers, Schichtenfolge, S. 115.
6) Die 1939 im Flusse befindlichen Untersuchungen konnte ich bei Kriegsanfang wegen meiner Einberufung zur Wehrmacht nicht zum Abschluß bringen, so daß die vorliegende Abhandlung nur eine vorläufige Übersicht zu geben vermag. Um endgültige Ergebnisse zu erzielen, sind weitere Ausgrabungen und eine systematische Bearbeitung der archivalischen Quellen erforderlich. Auch war die Benutzung der Literatur nur in beschränktem Umfange möglich. Trotzdem scheinen mir schon die bisherigen Resultate eine Veröffentlichung zu rechtfertigen.
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umfassende Heranziehung archivalischer Quellen weitgehend beantworten. Ein großes, bisher jedoch völlig unbeachtetes Material bieten die Flurkarten des 18. Jahrhunderts und vereinzelte ältere Karten, die z. T. bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Daneben sind für das Gebiet des Domaniums aus den Amtsakten wie Protokollbüchern, Amtsbeschreibungen, Gehöftsakten usw. für das 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche aufschlußreiche Angaben über die Bauart der Häuser zu entnehmen. Diese archivalischen Quellen sollen im zweiten Teil des Aufsatzes besprochen werden.

Siedlungsgrabung bei Hungerstorf [Abb. 2 und 3].

Die erste Ausgrabung eines mittelalterlichen Bauernhauses konnte ich im September 1936 in der Wüstung Hungerstorf bei Grevesmühlen durchführen. In der Nähe des heutigen Gutes Hungerstorf waren Steinschlägern beim Chausseebau in einem Revierteil der Everstorfer Forst eigenartige Steinsetzungen aufgefallen. Nach eingehenden Untersuchungen konnten diese als Fundamentreste mittelalterlicher Gebäude erkannt werden. Daraufhin wurde die Ausgrabung einzelner Abschnitte der umfangreichen Anlage in Angriff genommen.

Aus den Scherbenfunden ergab sich, daß die Gebäude, von denen die Fundamente stammten, frühestens im 14. Jahrhundert bewohnt gewesen waren, um schon seit etwa 1450 wieder wüst zu liegen 7 ). Auf Grund dieser Datierung konnte geschlossen werden, daß es sich um die Reste der Wüstung Hungerstorf handelte. Die ebenfalls in dieser Gegend zu vermutenden Wüstungen Vulnustorp, Konradsdorf und Klevenow schieden aus, weil die beiden ersteren schon weit vor jener Zeit, Klevenow dagegen wahrscheinlich erst um 1600 verödeten.

Der Ort Hungerstorf wird zum ersten Male 1372 urkundlich erwähnt. Damals verlieh der Herzog Albrecht II. dem Knappen Johann von Molen seinen "anval in dem hove und in dem ghantzen gude to Hungherstorp" 8 ). Die letzte Nennung des Hofes


7) Es würde über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausgehen, die Altersbestimmung der verschiedenen Scherbenfunde sowohl hier wie auch bei der Grabung von Ramm näher zu begründen.
8) MUB 18, Nr. 10373.
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geschieht in einem Steuerregister des Jahres 1411 9 ). Das Gut wird dann wie so viele mecklenburgische Orte im Verlauf des 15. Jahrhunderts verödet sein, denn nach 100jährigem Schweigen der Quellen ist seit 1520 nur noch von dem "Hungerstorper felde" die Rede 10 ). Die wüste Feldmark war teils im Pachtbesitz der Bauern aus Hilgendorf, teils mit Wald bestanden.

Bereits 1578 war die Flur wenigstens zu einem Teil wieder in die Nutzung des Amtes Grevesmühlen übergegangen 11 ). Um 1608 wurde in Hungerstorf ein herzoglicher Hof errichtet 12 ), jedoch nicht an der Stelle des ehemaligen Gutes, sondern einige 100 Meter von diesem entfernt, dort wo noch heute der Gutshof liegt.

Die Ausgrabung zeigte, daß der Platz des alten Hofes seit dessen Verödung im 15. Jahrhundert nicht wieder in Kultur genommen und wahrscheinlich stets mit Wald bestanden war. Diesem Umstand verdanken wir die lange Erhaltung der Steinfundamente, die erst vor wenigen Jahren bei dem Chausseebau beseitigt worden waren.

Andererseits wurde die Ausgrabung durch die zahlreichen Buchenwurzeln und den festen Lehmboden sehr erschwert. Obwohl die Grabung erst nach Herausnahme der Fundamentsteine erfolgte, konnte doch der Umriß mehrerer Gebäude bereits an der Oberfläche auf Grund der Rinnen, in denen die Steine gelegen hatten, genau vermessen werden.

Der Gutshof lag an einem Sumpf, der im Mittelalter wohl noch einen kleinen See gebildet hatte. Er war in älterer Zeit von einer dicken Feldsteinmauer umschlossen, die dann anscheinend aus Sicherheitsgründen durch einen hohen Erdwall mit Graben ersetzt wurde. Bei 70 Meter Länge war der Hof etwa 50 Meter breit.

Das Herrenhaus ließ sich zwar in seinem Umriß noch deutlich erkennen, zeigte jedoch bei der Grabung im Einzelnen so viele Unklarheiten, daß hier auf ein näheres Eingehen ver-


9) Archiv Schwerin, Schloßregister, Vogtei Grevesmühlen 1411. - Sämtliche in dieser Abhandlung zitierten Aktenstellen sind dem Quellenmaterial des Geh. und Hauptarchivs zu Schwerin entnommen, ohne daß dieses in jedem Fall vermerkt ist.
10) Amtsakten Grevesmühlen, Inventar 1520 und Pachtregister 1557; ferner Kontributionsregister, Amt Grevesmühlen 1557.
11) Amtsakten Grevesmühlen, Geldregister 1578.
12) Amtsakten Grevesmühlen, Geldregister 1602 und 1608 und Verpachtung 1629.
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Abb. 2. Grabung Hungerstorf, Haus 2. Grabungsbefund.
Abb. 2. Grabung Hungerstorf, Haus 2. Grabungsbefund.

zichtet werden muß. Auf Fundamenten von großen Feldsteinen waren unter spärlicher Verwendung von Ziegeln im Klosterformat (30 X 17 X 9 cm) die Mauern aufgeführt. Der Fußboden bestand aus festgestampftem Lehm und war stellenweise mit Ziegeln gepflastert. In der Mitte des einen Raumes lag anscheinend der offene Herd aus flachen Feldsteinen. An die Außenseite der Hauswand lehnte sich der Backofen, dessen Gewölbe aus Lehm und einzelnen Ziegeln aufgeführt war.

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Abb. 3. Grabung Hungerstorf, Haus 2. Rekonstruktion.
Abb. 3. Grabung Hungerstorf, Haus 2. Rekonstruktion.

Neben diesem Wohnhaus standen kleinere Wirtschaftsgebäude, deren eines, nach den dort gefundenen Hufeisen zu urteilen, als Pferdestall gedient haben mag. Auf einer kleinen Anhöhe dicht neben dem Wohnhaus hatte der Ritter einen festen Wartturm mit quadratischem Grundriß errichtet.


Reichere Aufschlüsse ergab die Ausgrabung eines Bauernhauses, das 40 Meter außerhalb des umwallten Gutshofes lag 13 ). Die Fundamentrinne, in der noch eine Anzahl Feldsteine vorhanden waren, ließ ein etwas unregelmäßiges Rechteck mit einer Länge von 13 und 12 1/2 Meter und einer Breite von 12 und 10 1/2 Meter erkennen. Die Fundamentrinne wies


13) Es ist das 2. Haus des Gesamtplanes der Grabung, der später veröffentlicht werden soll.
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an den Schmalseiten 2 Lücken von etwa 3 Meter und 2 1/2 Meter Breite und an der rechten Längsseite eine schmale Lücke von etwa 1 Meter Breite auf, offenbar die Einfahrtstore und der Seitenausgang. Letzterer war mit faustgroßen Steinen dicht gepflastert. Während der natürliche Waldboden aus rötlichem Lehm besteht, war der Boden im Innern des Hauses allgemein heller und gelblicher gefärbt.

Die Innenaufteilung des Hauses war im einzelnen nicht mehr zu erkennen. Es zeigte sich jedoch, daß auf der linken Seite ein etwa 3 - 4 Meter breiter Streifen mit einer harten, gelben Kiesschicht bedeckt war. Außerdem wurde die Form der Längsdiele erkennbar durch das scharfkantige Schottermaterial, das man wohl zur besseren Haltbarkeit in den Lehm eingestampft hatte.

Der nur ganz wenig erhöhte Herd hatte sich gut erhalten. Er bestand aus einer harten, rotgebrannten Lehmplatte von etwa 100 X 50 Zentimeter Größe, die beiderseits von zwei etwas größeren, gelblich gebrannten Platten umgeben war. Seine Gesamtbreite betrug etwa 1,50 Meter. Schräg hinter dem Herd an der Außenwand des Hauses, deren Fundamentsteine hier noch vorhanden waren, lag der Backofen. Die dunkel gebrannte Lehmplatte und die allerdings nur ganz geringen Wölbungsansätze ließen seine Form deutlich erkennen. Die beiden kurzen Fundamentstücke an seiner Außenseite (Nr. 3 der Abb. 2) mögen einst die Stützen für eine Überdachung getragen haben. Dagegen ist die Bedeutung des kurzen, schräge an der Hauswand ansetzenden Fundamentstückes nicht zu erklären.

Die Berechtigung der Rekonstruktion des Hauses ergibt sich einerseits aus dem Grabungsbefund, andererseits aus den allgemeinen Bauelementen des Niedersachsenhauses. Die Lage der Längsdiele, ihre annähernde Breite und die Einfahrtstore an beiden Enden bedürfen keiner Erklärung.

Der Abstand der Ständer voneinander - oder mit anderen Worten die Tiefe der Fächer - war zunächst lediglich rückschließend aus jüngeren Bauernhäusern mit 2 1/2 Meter angenommen. Bei Einzeichnung dieses Maßes zeigte sich jedoch folgendes: 1. Die Länge des Hauses betrug fast genau 5 X 2 1/2Meter. 2. Das schräge Fundamentstück an der rechten Außenwand setzte in 2 1/2 Meter Entfernung von der Vorderfront an. 3. Der Abstand der einen Wange der Seitentür von der vorderen Wand betrug 2 X 2 1/2 Meter. 4. Die durch ein kurzes

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Fundamentstück nachgewiesene Rückwand des Backofenanbaues traf in 4 X 2 1/2 Meter Entfernung von der Vorderfront auf die Seitenwand. Durch diese mehrfache Wiederkehr der Entfernung von 2 1/2 Meter an der Längswand dürfte die Aufteilung des Hauses in 5 Fächer von je 2 1/2 Meter Tiefe hinreichend begründet sein.

Fassen wir die Ergebnisse der Grabung nochmals kurz zusammen, so ist über Aufbau und Einrichtung des Hungerstorfer Niedersachsenhauses aus der Zeit um 1400 folgendes zu sagen:

Die Außenwände des Hauses waren auf Feldsteinfundamenten errichtet, während die Ständer vermutlich auf Balkenschwellen ruhten. Es war ein sogenanntes Durchfahrtsdielenhaus, d. h. die Längsdiele war nicht wie bei den meisten uns heute bekannten älteren Häusern im Hintergrund durch eine Wand abgeschlossen, sondern führte frei durch das ganze Haus hindurch. Dieses setzte voraus, daß der Herd nicht, wie häufig in späterer Zeit, im Mittelpunkt des Hauses lag, sondern an die eine Längswand gerückt war. Frei konnte der Blick durch die ganze Länge des Hauses schweifen. Aus verschiedenen Anzeichen ergibt sich, daß das Haus in 5 Fach von 2 1/2 Meter Tiefe eingeteilt war. Zur Linken der schottergepflasterten Diele befanden sich vermutlich die Stände für das Vieh, während sich auf der rechten Seite um den Herd herum das häusliche Leben abspielte. Hier führte auch eine schmale Tür und ein steingepflasterter Gang in den Garten und zum Backofen, der unter einem kleinen Anbau an der Außenwand des Hauses errichtet war.

Siedlungsgrabung bei Ramm (Abb. 4 - 7).

Eine zweite Siedlungsgrabung konnte ich im April bis Juni 1939 im Forstrevier Ramm bei Lübtheen unternehmen.

Dort, im Gebiet der sogenannten Jabelheide, geht noch heute die Sage, daß das ehemals große Dorf Ramm durch den von einem wütenden Bullen aufgewirbelten Sand verschüttet und erst später an der jetzigen Stelle wieder aufgebaut worden sei. Da in den weiten Sandgebieten der Jabelheide zahlreiche, heute mit Kiefern aufgeforstete Wanderdünen vorhanden sind, bestand immerhin die Möglichkeit, diese alte Sage mit einem Naturereignis in Verbindung zu bringen.

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Bei Gelegenheit von forstgeologischen Bodenuntersuchungen wurden in einem mit dem Flurnamen "Kirchenstelle" bezeichneten Forstabschnitt mittelalterliche Siedlungsspuren entdeckt, und ein alter Forstarbeiter konnte mir außerdem genau die Stelle bezeichnen, an der vor Jahren beim Bäumeroden Totenschädel gefunden worden waren. Die vorläufige Untersuchung und die anschließenden Grabungen erwiesen den wahren Kern der Sage, denn die Reste des ehemaligen Dorfes Ramm lagen unter einer Sandschicht begraben, die stellenweise mehr als 1 Meter dick war.

Die historischen Nachrichten über die Wüstung Ramm sind bedauerlicherweise nur sehr spärlich. Urkundlich wird das Dorf zum ersten Male im Jahre 1363 erwähnt 14 ). Es gehörte schon damals ebenso wie auch später zu den Besitzungen des Schlosses Redefin. Wichtig ist eine Quelle aus dem Jahre 1595 15 ), in der es heißt: "Zu Ramm hat vorzeiten eine Kapelle gestanden, und ist auf Maria Magdalena alda ein Kirchweih und Jahrmarkt gewesen; hat 14 Hufen Landes und davon der Pastor 14 Scheffel Roggen gehabt; ist aber alles mit Sande verweht, und hat Volradt Pentze zum Redefin daselbst einen Meierhof und Schäferei. Sonsten auch wohnen noch daselbst 5 Kossaten, als Hans Rukith, Hans Vernicke, Karsten, Lutke und Hans Buseke". - Aus dieser Nachricht geht hervor, daß Ramm im Mittelalter ein Bauerndorf mit Kapelle gewesen war und vermutlich schon lange vor 1595 unter Flugsand begraben wurde. Die in vorstehender Nachricht gebrauchte Bezeichnung "daselbst" bezieht sich auf das an anderer Stelle neu errichtete Dorf Ramm. Wegen des völligen Fehlens weiterer Nachrichten über die Wüstung sind wir bei der Datierung der Siedlungsreste allein auf die durch die Ausgrabung zutage geförderte mittelalterliche Keramik angewiesen.

Nach der Verschüttung des alten Dorfes Ramm durch den Sand hatte man die wüste Dorfstätte verlassen und an einem günstigeren Platz, nämlich an der Stelle des heutigen Dorfes Ramm, eine neue Siedlung angelegt. Weil Ramm damals in adligem Besitz war, sind die Nachrichten über die Anfänge des neuen Dorfes sehr spärlich. Erstmalig hören wir 1571 von mehreren Bauernstellen 16 ), und in der Quelle von 1595 wer-


14) MUB 15, Nr. 9187.
15) Kirchenvisitationsprotokoll der Grafschaft Schwerin, 1595, Jabel.
16) Lehnakten Redefin, vol. 1. Streit der Familie Pentz wegen ungleicher Teilung der Redefiner Begüterung, 1571 - 72.
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den ein Meierhof und fünf Kossatenstellen in Ramm erwähnt. Der Meierhof scheint 1571 noch nicht vorhanden gewesen und erst kurz nach diesem Jahr angelegt zu sein. Von dem Wohnhaus dieses Hofes, das in einer Quelle von 1709 genau beschrieben ist, wird im zweiten Abschnitt unserer Abhandlung noch zu sprechen sein.

Durch die Voruntersuchungen an der wüsten Dorfstätte wurde zunächst die Lage von sechs verschiedenen Herdstellen ermittelt. Jedoch konnten wegen des stellenweise dichten Baumbestandes und verschiedener Störungen im Boden bisher nur zwei Hausgrundrisse vollständig ausgegraben werden. Außerdem wurde ein Teil des Friedhofes bei der Kapelle freigelegt.

Über die auf dem Friedhof ausgegrabenen Skelette kann hier nur soviel gesagt werden, daß die genaue Auswertung der Schädel- und Körperformen sehr wichtige Resultate ergeben wird, handelt es sich doch nach den bisherigen Untersuchungen größtenteils um Menschen von nordwestdeutschem Typus 17 ); und das inmitten der Jabelheide, eines Gebietes, das noch bis gegen Ende des Mittelalters angeblich slawisch geblieben sein soll. Hier ist noch hinzuzufügen, daß sich auch in der gefundenen Keramik keinerlei Spuren slawischen Einflusses zeigten.

Erwähnenswert ist, daß unter den Fundamenten der mittelalterlichen Häuser eisenzeitliche Scherben ausgegraben wurden. Diese wiederholte Besiedlung des gleichen Platzes scheint darauf hinzudeuten, daß der Boden vor der Überdeckung mit Flugsand einigermaßen ertragfähig und außerdem die Wasserversorgung im Gegensatz zu den heutigen Verhältnissen gesichert gewesen ist.


Das ältere der beiden ausgegrabenen Häuser (Haus Nr. 2 des Grabungsplanes 18 )) stammt nach Ausweis der Scherbenfunde bereits aus dem 13. bis 14. Jahrhundert. Es hatte ebenso wie das Hungerstorfer Haus eine Länge von 13 Metern, doch war es vorne nur acht und hinten sieben Meter breit, bei einer Dielenbreite von etwa 3 1/2 Metern.

Das Haus war weder auf Steinfundamenten noch auf langen Grundschwellen errichtet. Vielmehr waren die meisten Ständer an der Diele und in den Außenwänden direkt in den


17) Diese Hinweise auf Grund der anthropologischen Untersuchung verdanke ich Fräulein Dr. Asmus in Teterow.
18) Der Grabungsplan soll später veröffentlicht werden.
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Abb. 4. Grabung Ramm, Haus 2. Grabungsbefund.
Abb. 4. Grabung Ramm, Haus 2. Grabungsbefund.

Erdboden eingegraben. Deutlich hoben sich die 40 - 80 Zentimeter tiefen Pfostenlöcher durch ihre dunklere Färbung von dem helleren Sand des gewachsenen Bodens ab. Die anscheinend unten zugespitzten Pfosten waren in einigen Fällen noch durch Steine verkeilt worden. Einige Pfostenlöcher waren wegen Störungen im Boden nicht mehr erkennbar, andere fehlten jedoch, so daß hier die Ständer auf Balkenunterlagen gestanden zu haben scheinen. Schwellenbalken für die Wandfüllungen hatten sich nur in der linken hinteren Hausecke erhalten, dort, wo sie durch das Herdfeuer angekohlt waren.

Eine eigenartige Konstruktion zeigte das hintere Ende des Hauses, in dem statt der zwei Ständer zu beiden Seiten der Diele nur ein großer Mittelständer vorhanden war. Daß sich hierdurch die Raumaufteilung und wahrscheinlich auch die Dachkonstruktion gegenüber dem Durchfahrtsdielenhaus wesentlich ändern mußte, liegt auf der Hand.

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Abb. 5. Grabung Ramm, Haus 2. Rekonstruktion.
Abb. 5. Grabung Ramm, Haus 2. Rekonstruktion.

Den gesamten Raum zwischen den drei Mittelständern und der Außenwand nahm der umfangreiche Herdplatz ein. Diese 3 3/4 X 4 1/2 Meter große, leicht gewölbte Lehmfläche war an einzelnen Stellen stark, an anderen nur wenig durch Feuer gehärtet und außerdem mit manchen Unebenheiten und Löchern versehen. Offenbar diente dieser ganze Raum als Küche, in der auf dem Fußboden an beliebiger Stelle über offenen Feuern die Speisen zubereitet wurden. Zahlreiche Topfscherben wiesen auf die Bestimmung dieses Platzes hin.

Die Diele war aus festgestampftem, jedoch nicht gebranntem Lehm gefertigt und hob sich von der übrigen Hausfläche, die aus mehr oder weniger lehmigem und verfärbtem Sand bestand, scharf ab. Sie reichte nicht bis zur vorderen Hauswand und fand hinten etwa an den Mittelständern ihr Ende.

Eine Pflasterung aus kleinen, etwa faustgroßen Steinen an der linken Hauswand ließ auf einen Seitenausgang schlie-

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ßen. Ein in eine schmale Grube dicht neben der Außenseite der rechten Hauswand eingepreßtes Rinderskelett dürfte vielleicht auf die Verwendung dieser Hausseite als Kuhstall hinweisen.

Die Ausführung der Rekonstruktionszeichnung ergibt sich aus vorstehenden Ausführungen und bedarf keiner näheren Erläuterung. Das Haus hatte eine Länge von sieben Fach und war sieben bis acht Meter breit. Eine oder beide Abseiten wurden vermutlich als Viehställe benutzt 19 ). Die meisten Ständer ruhten nicht auf Sohlen, sondern waren als Pfosten in die Erde eingegraben. Das Haus war nicht mit Durchfahrtsdiele gebaut, zeigte vielmehr in seinem hinteren Abschnitt mit den drei Mittelständern und der Küche mit ebenerdigen Kochplätzen eine recht primitiv anmutende Raumaufteilung 20 ).

Abgesehen von dieser Besonderheit erscheint es berechtigt, von einem Flettarmdielenhaus zu sprechen, da offenbar nur ein Seitenausgang vorhanden war. Folkers ist der Auffassung, daß im Südwesten Mecklenburgs die Flettdielenhäuser sich mindestens schon im 17. Jahrhundert durchzusetzen beginnen und daß sich die Flettdiele durchweg erst aus der Durchfahrtsdiele entwickelt habe 21 ). Auf Grund des Grabungsergebnisses können wir diese Ansicht dahin ergänzen, daß das Flettarmdielenhaus schon im 13. Jahrhundert in Südwestmecklenburg nachzuweisen ist.

Eine bauliche Eigentümlichkeit ist das Fehlen von Sohlenbalken in dem Haus 2 von Ramm, dessen Ständer direkt in die Erde eingegraben waren. Ob diese Pfostenbauweise im Mittelalter weiter verbreitet gewesen ist, läßt sich vorläufig noch nicht entscheiden, denn sowohl im Hungerstorfer Haus als auch im Rammer Haus 5 standen die Ständer auf Sohlenschwellen.


19) Ungefähr die gleichen Ausmaße zeigte 1696 das Haus des Pächters Peter Beneke in der Teldau. Es hatte eine Breite von 28 Fuß oder acht Metern und war acht Fach lang. Auf beiden Seiten der Diele befanden sich die Stallungen für das Vieh. Es hatte ebenfalls keine durchlaufende Diele, war jedoch mit zwei Seitenausgängen als Flettdielenhaus gebaut (Amtsakten Boizenburg Nr. 1 a fasc. 7, Inventaria 1693 - 97).
20) Die Frage, durch welche Einflüsse die primitiven Einzelformen dieses Hauses zu erklären sind, muß mangels geeigneten Vergleichsmaterials vorläufig offen bleiben. Die Möglichkeit, daß es sich um Nachwirkungen slawischer Baugewohnheiten handeln könnte, sei hier nur mit allem Vorbehalt erwähnt.
21) Folkers, Mecklenburg-Atlas S. 289 und Schichtenfolge S. 127.
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Bemerkenswert ist jedoch, daß sich dieser heute völlig ungebräuchliche Pfostenbau noch gegen Ende des 17. Jahrhunderts und vereinzelt sogar um 1750 nachweisen läßt 22 ). Jedoch beschränkte sich diese Bauart meist auf kleine Gebäude oder Anbauten und wurde schon im 17. Jahrhundert als primitiv und veraltet empfunden.


Der zweite vollständig freigelegte Hausgrundriß der Wüstung Ramm (Haus Nr. 5 des Grabungsplanes [Abb. 6] ) stammt ungefähr aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Jedoch ist die Datierung nicht völlig gesichert, da die Keramik dieser Periode bisher noch nicht genügend bearbeitet werden konnte und kein ausreichendes Vergleichsmaterial vorliegt. Um die weitgehenden Auswertungsmöglichkeiten von mittelalterlichen Siedlungsgrabungen aufzuzeigen, soll auf die Einzelheiten auch dieses Hausgrundrisses und die Rekonstruktion des Gebäudes im folgenden näher eingegangen werden.

Das Haus ist im Gegensatz zu den beiden vorher besprochenen fast genau rechtwinklig und mit gerade ausgefluchteten Wänden errichtet. Es ist nur sehr klein (7 1/2 X 11 1/2 Meter) und wohl nicht als eigentliches Bauernhaus, sondern eher als Wohnhaus eines Schäfermeisters oder Pächters anzusehen.

Im Gegensatz zu Haus 2, das von seinen Bewohnern ver-


22) Hierfür aus den Amtsbeschreibungen des Domanialamtes Boizenburg von 1696 und 1697 einige Beispiele: Johann Camp in Besitz hatte eine Scheune "so auf Stützen in der Erden stehet". Auch in Bandekow und Hof Kuhlendorf heißt es von mehreren Katen, sie ständen auf Stützen. Der Pächter Frantz Beneke in der Teldau hatte ein Haus von sieben Fach. "Das ganze Haus stehet auf Stützen, außer das Stubenfach, so unterleget ... abgebrannt gewesen und also dahero off Stützen und aus Not wieder offgesetzet (im Parallelregister: "und dahero aus Not wieder auf Stützen etwas erbauet"). Hierbei eine Scheune gleichfalls auf Stützen in die Erden à fünf Fachen". Der Pächter Matthies Hennings besaß ein Dreschhaus ,,von acht Fachen, für 12 Jahren gebauet, im guten Stande und derogestalt oben in dem Ständerwerke und Balken verbunden und unten auf Pfählen gesetzet, daß wenn sie abgerottet, wieder abgesäget und die Legeden (Sohlen) sodann auf die Erde verleget werden können . . . . " dann eine kleine Scheune à zwei Fachen, die Ständer in die Erden. Noch eine große Scheune à fünf Fachen, so nicht auf Legeden festgesetzet werden können". Noch im 18. Jahrhundert kommt die Pfostenbauweise vereinzelt vor, wird aber als veraltet bezeichnet: 1752 bewohnte Jochim Drewes in Rastow ein Haus von ,,vier Fächern mit Stützen. Ist überhaupt ein alt Gebäude" (Amtsakten Schwerin, Amtsbuch 1751 - 56 S. 196).
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Abb. 6. Grabung Ramm, Haus 5. Grabungsbefund.
Abb. 6. Grabung Ramm, Haus 5. Grabungsbefund.

lassen und dann allmählich zerfallen zu sein scheint, ist Haus 5 durch einen Brand vernichtet worden. Dadurch erklärt es sich, daß das Balkenwerk nicht langsam völlig vermodert und vergangen ist, sondern als Holzkohle stellenweise noch in seiner alten Struktur erhalten blieb. Auf der rechten Seite des Hauses war die Außenwand beim Brand in sich zusammengebrochen, so daß der Schutt das Feuer unter sich erstickte und die Grundschwellen nicht zu Asche verbrannten, sondern als verkohlte Reste bis heute erhalten blieben. Die Lehmwand der linken Hausseite dagegen war als Ganzes in das Innere des Hauses gestürzt. Dadurch lagen die Grundschwellen frei und

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Abb. 7. Grabung Ramm, Haus 5. Rekonstruktion.
Abb. 7. Grabung Ramm, Haus 5. Rekonstruktion.

konnten bis auf geringe Kohlen- und Aschenreste vom Feuer verzehrt werden.

Die Hauptständer des Hauses zu beiden Seiten der Diele waren ebenso wie die Ständer in den Außenwänden auf etwa 30 Zentimeter dicken Sohlenbalken errichtet. Nur für zwei Dielenständer im hinteren Abschnitt des Hauses hatte man je einen großen Feldstein als Unterlage benutzt. Die Sohlen lagen ohne besondere Fundamente direkt auf dem gewachsenen Sandboden. Sehr aufschlußreich für die Rekonstruktion der Fachbreite und der Höhe der Wände mußte es sein, daß sich an vier Stellen längere Stücke der umgestürzten Ständer als verkohlte Reste erhalten hatten.

Die festgestampfte Lehmdiele begann erst in zwei Meter Abstand von der Vorderfront und endete in der gleichen Entfernung von der Hinterwand des Hauses. An einer Lang- und einer Schmalseite war sie durch Balkenschwellen begrenzt. Ob der halbrunde Ausschnitt in der Diele mit der Raumaufteilung im Zusammenhang steht oder auf eine zufällige spätere Bodenstörung zurückzuführen ist, muß dahingestellt bleiben.

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Wie durch einfache Begrenzungsstriche auf der Zeichnung angedeutet ist, hob sich der schmale Hausabschnitt links neben der Diele durch andersartige Verfärbung des Bodens deutlich von dem Raum hinter der Diele und andererseits von dem Raum am Vordereingang ab und dieser seinerseits wieder von dem Boden außerhalb des Hauses. Die Erkennung der erwähnten Begrenzungslinien muß natürlich für die Raumaufteilung des Hauses von Wichtigkeit sein.

Die nur wenig erhöhte, hartgebrannte Lehmplatte des Herdes zeigt eine halbkreisförmige, leicht muldenartige Vertiefung, die als der eigentliche Kochplatz anzusehen ist. Vor dem Herd lagen u. a. die Scherben von zwei tönernen Grapen und in einigem Abstand davon zahlreiche grünglasierte Kacheln des zertrümmerten Stubenofens.

Auf einem Hügel in etwa fünf Meter Entfernung von der linken hinteren Hausecke war der fast kreisrunde Backofen von 2 1/2 Meter Durchmesser errichtet. Die harte, flach gewölbte Lehmplatte zeigte an drei Seiten noch die Ansätze von steilen Aufbiegungen als Reste des eingestürzten Lehmgewölbes. Der Eingang zum Ofen befand sich an der dem Haus zugekehrten Seite, wo die Gewölbeansätze fehlten. Hier war vor dem Ofen der Boden muldenartig vertieft. Ein großer Haufen von Asche und Holzkohlenresten neben der rechten Gewölbeseite läßt auf ausgiebige Benutzung des Backofens schließen.

Die Rekonstruktionszeichnung ergibt sich mit allen Einzelheiten aus dem Grabungsbefund. Die Tiefe der Fächer bzw. der Abstand der Ständer voneinander ist aus verschiedenen Anzeichen mit Sicherheit zu erschließen: Die Enden der Lehmdiele sind von der Vorderfront ebenso wie von der Rückseite des Hauses zwei Meter entfernt. Den gleichen Abstand von der Hinterwand haben die beiden großen Fundamentsteine, und auch die Tiefe des Herdes entspricht diesem Maß. Ferner zeigen die beiden umgestürzten Ständer an der linken Außenwand und an der rechten Dielenseite mit ihren Enden auf zwei Punkte, die von der Vorder- bzw. Rückwand des Hauses ebenfalls zwei Meter entfernt sind. Aus diesen Merkmalen ist zu schließen, daß die Tiefe des ersten und letzten Hausfaches genau zwei Meter betragen hatte.

Denken wir uns die beiden anderen umgestürzten Ständer an der linken Dielenseite und an der rechten Hauswand in

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ihren Fußpunkten aufgerichtet, so betragen ihre Abstände von den Ständern des hinteren Faches genau 1,80 Meter bzw. 2 X 1,80 Meter. Hiermit stimmt überein, daß die Ständer des letzten Faches 4 X 1,80 Meter entfernt sind. Das ganze Haus bestand demnach aus sechs Gefachen, von denen die beiden äußeren eine genaue Tiefe von zwei Metern, die mittleren von 1,80 Metern hatten.

Die Benutzung des zweiten Faches, von hinten gerechnet, als Küche ist durch den Herd und die Grapenfunde nachgewiesen. Im dritten und vierten Fach befand sich offenbar die heizbare Stube, wie aus den hier geborgenen zahlreichen Ofenkacheln zu schließen ist. Die Funde häuften sich im rückwärtigen Teil des dritten Faches, um hier plötzlich abzubrechen und in dem Küchenfach völlig zu fehlen. Zwischen Stube und Küche wird also eine Wand aufgeführt gewesen sein, an die sich der Ofen anlehnte.

Der Platz im letzten Fach neben dem Herd war anscheinend von einem einzigen breiten Raum eingenommen. Dieses ist aus der einheitlich schwärzlichen Bodenfärbung zu schließen, die sich scharf von der helleren des davor liegenden Abseitenfaches abhebt. Die anzunehmende linke Dielenwand fand also im letzten Fach keine Fortsetzung.

Die Lage des Haupteinganges des Hauses ist durch das Fehlen des Schwellenbalkens in der Mitte der vorderen Schmalseite gesichert. Zugänge zur Küche und Stube von der Diele aus müssen über die Balkenschwelle gegangen sein und konnten nicht näher nachgewiesen werden. Ob das Haus noch weitere Türen über den Schwellen besessen hat, etwa am hinteren Ende der Diele, oder einen Ausgang von der Küche aus, muß fraglich bleiben, da aus dem Grabungsbefund hierüber kein Aufschluß zu gewinnen war. Ein Tor im Hintergiebel ist nicht anzunehmen, da sonst im hintersten Fach wohl kein Querraum vorhanden gewesen, sondern die linke Dielenwand bis zum letzten Ständer durchgeführt worden wäre.

Fassen wir die Ergebnisse nochmals kurz zusammen. Das Haus Nr. 5 der Wüstung Ramm war als Niedersachsenhaus mit einer Länge von sechs Fach errichtet. Über den Haustyp erbrachte die Grabung keine völlige Klarheit. Dem Befund nach scheint jedenfalls keine Durchfahrtsdiele vorhanden gewesen zu sein. Ob aber am Ende der Diele 1 oder 2 Seitenausgänge ins Freie führten oder ob wir ein Sackdielenhaus

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vor uns haben - was bei der Kleinheit des Hauses immerhin möglich wäre - ließ sich aus dem Grabungsbefund nicht entscheiden.

Die Raumaufteilung weicht stark von der des normalen Niedersachsenhauses ab und dürfte in der besonderen Zweckbestimmung des Hauses ihre Erklärung finden. Die Diele ist nur 2,50 Meter und die linke Abseite gar nur 1,40 Meter breit. Die rechte Seite des Hauses hat demgegenüber eine Breite von 2,80 Metern, so daß Küche und Stube einen verhältnismäßig großen Teil des ganzen Baues einnehmen. Ließen schon diese Maße auf eine Abweichung von der gewöhnlicher Bauart und eine Bevorzugung der rechten Seite schließen, so findet sich die Erklärung in der Länge des von der rechten Außenwand in das Innere des Hauses gestürzten Ständers. Dieser war noch in einer aufmeßbaren Länge von 2,50 Metern erhalten und kann daher besonders in Anbetracht der geringen Breite des Hauses von nur 7,50 Metern nicht als Ständer einer niedrigen Abseite gedient haben. Die Länge dieses Ständers und die Breite der Wohnräume lassen nur den eine Schluß zu, daß das Haus in Dreiständerbauart errichtet worden war.

Wegen seiner geringen Ausmaße und der Besonderheiten der Raumaufteilung dürfte sich das Haus kaum für einen Bauernbetrieb geeignet haben. Wahrscheinlich hat es als Wohnhaus eines Schäfers oder Pächters gedient. Gegen seine Verwendung als kleinbäuerliche Kate spricht das Vorhandensein eines Ofens, der aus künstlerisch geformten, figurenreichen Kacheln aufgebaut war.


 

Die Ausmaße der Häuser von Hungerstorf und Ramm.

Wüstung Hungerstorf,

Haus 2 (um 1400).
Länge 13 - 12,50 m
Gesamtbreite 12 - 10,50 m
Dielenbreite ca. 4,50 m
Anzahl der Fächer 5
Tiefe der Fächer 2,50 m
Herd 1,00 X 1,50 m
Backofen 1,50 X 2,50 m
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Wüstung Ramm.


Haus 2 Haus 5
(um 1300) (um 1500

Länge 13 m 11,50 m
Gesamtbreite 7 - 8 m 7,50 m
Dielenbreite ca. 3,50 m 2,50 m
Anzahl der Fächer 7 6
Tiefe der Fächer ca. 2 m ca. 2 m
Herd 3,75 X 4,50m 1,75 X 2,75 m
Backofen -,- 2,50 X 2,50 m

Moraas III

(19. Jahrhundert, s. Abb. 11) zum Vergleich.
Länge 21 m
Gesamtbreite 12,50 m
Dielenbreite 7 m (später 6 m)
Anzahl der Fächer 7
Tiefe der Fächer 2,75 m
Herd 0,75 X 2,50 m
Backofen -,-

Die Größenverhältnisse der heutigen Bauernhäuser unterscheiden sich wesentlich von den mittelalterlichen Bauten - die Allgemeingültigkeit der Grabungsergebnisse vorausgesetzt. Das Hungerstorfer sowie die Rammer Häuser waren 13 bzw. 11,50 Meter lang bei einer Breite von 11 bzw. 7,50 Meter. Demgegenüber haben die Gebäude der späteren Jahrhunderte etwa eine Größe von 21 mal 13 Metern 23 ). Noch stärker prägte sich der Unterschied in der Breite der Hausdiele aus. Diese war im Mittelalter mit drei bis vier Metern nur etwa halb so groß wie in den ältesten heute noch vorhandenen Gebäuden, die allgemein eine Dielenbreite von sechs bis acht Metern aufweisen 24 ). Diese starken Unterschiede lassen erkennen, daß seit


23) Vereinzelt sind noch in späterer Zeit Bauernhäuser geringerer Größe errichtet worden. In einem Inventar der Teldau wird 1696 erwähnt, daß der Pächter Peter Beneke vor zwei Jahren ein Haus zu bauen angefangen habe, das bei acht Fach Länge nur 28 Fuß, d. h. acht Meter breit sei (Amtsakten Boizenburg Nr. 1 fasc. 7).
24) Pries gibt die gewöhnliche Dielenbreite mit sechs bis acht Meter an. (Die Entwicklung des mecklenburgischen Niedersachsenhauses zum Querhause, Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde 26. 4. 1928, S. 339.) Daß im 18. Jahrhundert breite Dielen von sechs bis sieben Metern allgemein üblich waren, zeigt auch (  ...  )
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dem Mittelalter die Ausmaße der Bauernhäuser umfassende Veränderungen erfahren haben müssen, die wahrscheinlich durch die gegen Ende des Mittelalters einsetzende wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung bedingt waren.

Archivalische Quellen zur Bauernhausforschung

Eine bisher für die Bauernhausforschung fast gänzlich ungenutzte Quellengattung bilden die in den Archiven aufbewahrten Akten und Karten vergangener Jahrhunderte 25 ). Freilich sind fast nirgends Hausformen um ihrer selbst willen beschrieben oder dargestellt. In Akten, die bei den verschiedenartigsten Gelegenheiten entstanden sind und manigfachen Inhalt haben, finden sich gelegentlich das bewegliche Inventar der Häuser, die Anzahl der Türen, der Erhaltungszustand des Balkenwerkes u. a. m. beschrieben. Aus diesen Angaben oder aus Flurkarten, auf denen die Dorflage und die einzelnen Gebäude eingezeichnet sind, läßt sich häufig die Bauform der Häuser mit hinreichender Genauigkeit bestimmen.

Die Erkenntnis, daß archivalische Quellen ergiebig genug sind, um systematisch und in. großem Umfang für die Untersuchungen herangezogen werden zu können, bedeutet einen wesentlichen Fortschritt für die Hausforschung. Man ist nun nicht mehr auf mühsame Reisen zu Aufmessungen an Ort und Stelle und auf vorsichtige Rückschlüsse von heutigen auf ver-


(  ...  ) eine Angabe im Schweriner Amtsbuch von 1751. Dort wird von dem Haus des Halbhufners Peter Niemann in Göhren ausdrücklich gesagt, es sei alt und die Diele "nur" 20 Fuß, d. h. 5,70 Meter breit. Diese Bemerkung läßt auf eine größere Dielenbreite bei den übrigen Häusern schließen (Amtsakten Schwerin. Amtsbuch 1751 - 56 S. 2). Andererseits kann das bereits erwähnte Haus des Peter Beneke in der Teldau 1696 kaum eine mehr als vier Meter breite Diele gehabt haben, denn in dem insgesamt nur acht Meter breiten Hause befanden sich, wie es heißt, auf beiden Seiten Stallungen für das Vieh.
25) Folkers hat schon 1925 darauf hingewiesen, daß manche Fragen der Hausforschung nur durch archivalische Studien gelöst werden könnten (Folkers, Beitrage zur Bauernhausforschung in Mecklenburg, Zeitschrift Mecklenburg 1925 S. 111). Mehrfach erwähnt er in seinen Arbeiten archivalische Quellen, ohne sie jedoch systematisch auszuwerten. Diesen Anregungen verdanke ich die Entdeckungen in den Amtsbeschreibungen von Boizenburg und Ribnitz.
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gangene Formen allein angewiesen. Vielmehr lassen sich mit verhältnismäßig geringer Mühe die Bauformen früherer Jahrhunderte direkt aus den Quellen erkennen.

Zwei Schwierigkeiten sind allerdings vorhanden. Einerseits sind diejenigen Akten oder Karten, die Angaben über Bauformen in genügender Ausführlichkeit enthalten, nicht leicht in dem gesamten Aktenmaterial der Archive ausfindig zu machen. Andererseits liegt es in der Eigenart der Quellen, die ja keine eigentlichen Baubeschreibungen geben wollen, begründet, daß sie nur über eine beschränkte Anzahl von Fragen der Bauernhausforschung Aufschluß geben. Zu berücksichtigen ist ferner, daß die Ausdrucksweise der Quellen vielfach nicht ganz klar ist und verschiedene Deutungsmöglichkeiten zuläßt, so daß in allen Fällen eine scharfe Kritik und vorsichtige Auswertung angebracht erscheint.

Für die Untersuchung der Durchfahrts- und Durchgangsdielenhäuser in vergangenen Jahrhunderten sind jedoch. die. Archivalien besonders ergiebig, und zwar sowohl hinsichtlich der großen Anzahl der Hausbeschreibungen, als auch der unzweideutigen Erkennbarkeit dieser Bauformen.

Zwei Quellengruppen sind hier vor allem aufschlußreich und lohnen eine systematische Bearbeitung:

1. Karten und Zeichnungen, und zwar in erster Linie die Flurkarten des 18. Jahrhunderts, daneben Kartenzeichnungen des 16. Jahrhunderts und vereinzelt Bauzeichnungen aus dem 19. Jahrhundert 26 ).

2. Amtsbücher der herzoglichen Domanialämter aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Karten und Zeichnungen.

In der ersten Quellengruppe nehmen die Karten des ausgehenden 16. Jahrhunderts eine besondere Stellung ein, weil sie zwar zahlenmäßig erheblich geringer sind als die des 18 Jahrhunderts, aber dafür um so wertvoller für die Forschung. Einerseits geben sie uns nicht die bloßen Grundrißformen wie die jüngeren Karten, sondern, entsprechend der in jenen Zeiten üblichen Kartenzeichnung, die Gesamtansicht des Hauses, andererseits erlauben sie Rückschlüsse auf das Alter bestimmter


26) Sämtliche im folgenden erwähnten Karten, Zeichnungen und Akten werden im Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin aufbewahrt.
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Formen und die Häufigkeit von deren Anwendung zur Zeit der Anfertigung der Karte.

Die hier beigefügte, von dem Maler Peter Böckel gezeichnete Karte gibt ein Abbild des Dorfes und Gutes Meierstorf bei Grevesmühlen aus der Zeit um 1580. Es ist erfreulich zu sehen, mit welcher Liebe und Sorgfalt der Zeichner ein plastisches Bild des Dorfes und seiner verschiedenartigen Baulichkeiten entwirft.

Natürlich wird bei diesen ältesten Darstellungen stets eine stark kritische Sichtung bei der Auswertung der Einzelformen am Platze sein. Nun sind wir jedoch gerade bei Peter Böckel in der Lage, seine Zeichnung mit anderen von ihm angefertigten Karten zu vergleichen. Wir müssen feststellen, daß seine Darstellung aller Einzelheiten stets individuell ist und - abgesehen von einigen Verzeichnungen - den tatsächlich vorhandenen Formen entsprochen zu haben scheint. Auch ist mit Sicherheit anzunehmen, daß er alle dargestellten Gebäude usw. selber gesehen und die Zeichnung wohl an Ort und Stelle entworfen hat, denn die Karte bildet die Illustration zu einem Prozeß um einzelne Grundstücke, die von Böckel mit Sorgfalt verzeichnet sind.

Die Karte bietet zahlreiche Einzelheiten und Anregungen für die Hof- und Dorfforschung, von denen hier einige nur kurz aufgezählt werden sollen: 1. Lage und Anzahl der Gebäude in den einzelnen Gehöften. 2. Schutz der Gehöfte durch breiten Wall, Hofzaun oder Hecke. 3. Form der Giebel, ob Vollwalm, Halbwalm oder Steilgiebel u. a. m.

Für die Problemstellung des vorliegenden Aufsatzes ist es wichtig, daß sämtliche Bauernhäuser, deren Rückseiten auf der Karte sichtbar sind, im Hintergiebel ein großes Tor aufweisen. Auch das Wohnhaus des zweiten adligen Hofes "Jurgen sein Bawhoff" zeigt dieses hintere Tor. Wir können daraus den Schluß ziehen, daß in Meierstorf im 16. Jahrhundert das Haus mit offener Durchfahrtsdiele den allein herrschenden Bautyp darstellte.


Eine wichtige Quelle für die Verbreitung des Durchfahrtsdielenhauses in älterer Zeit bilden die Flurkarten des 18. Jahrhunderts. Zwar lagen damals die weitaus größte Zahl der Bauernhöfe und damit auch deren Häuser im Gebiet. des herzoglichen Domaniums, aber bedauerlicherweise sind die

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Abb. 8. Ausschnitt aus der Karte von Meierstorf um 1580.
Abb. 8. Ausschnitt aus der Karte von Meierstorf um 1580
(vgl. hierzu S. 128).
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Abb. 9. Ausschnitt aus der Flurkarte von Kl. Thurow um 1770.
Ausschnitt aus der Flurkarte von Kl. Thurow um 1770. Häuser mit durchlaufender Diele (vgl.hierzu S. 130).

älteren Flurkarten dieses Gebietes durch den Brand des Kollegiengebäudes im Jahre 1865 bis auf wenige Reste verloren gegangen. Darum mußten gerade die wichtigsten Gebiete des Landes für unsere Untersuchungen ausfallen. Erhalten sind jedoch die Karten des ehemaligen Herzogtums Strelitz und des Fürstentums Ratzeburg, die für die Untersuchung herangezogen wurden.

Abgesehen von den wenigen Domanialkarten vermögen schon die Karten des ritterschaftlichen Gebietes ein deutliches Bild von der ehemaligen Verbreitung des Hauses mit durchlaufender Diele zu geben.

Die von sämtlichen ritterschaftlichen Besitzungen Mecklenburgs auf Anordnung des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs von 1755 angefertigten sogenannten Direktorialkarten sind außerordentlich sorgfältig gezeichnet. Neben ihrer großen

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Bedeutung, die sie fast bis in unsere Zeit für das Vermessungs- und Steuerwesen behalten hatten, bilden sie für die Wissenschaft eine unerschöpfliche Quelle, die besonders für die Siedlungsforschung immer neue Aufschlüsse zu geben vermag. Ihr großer Wert für die Untersuchung der Dorf- und Hofanlagen der älteren Zeit ist allgemein bekannt; überraschen muß es jedoch, daß sie auch für die Hausformenforschung trotz ihres für diese Zwecke verhältnismäßig kleinen Maßstabes von etwa 1:5000 wichtige Aufschlüsse zu geben vermögen. Neben der hier interessierenden Frage nach der Verbreitung der Durchfahrtsdielenhäuser sei nur an das Problem der Typengrenze zwischen Niedersachsenhaus und Querhaus, das Problem der Hofbildung, der Verbreitung der Querscheunen u. a. m. erinnert.

Nachdem die Genauigkeit der Darstellung erkannt war wurden - soweit greifbar - sämtliche Flurkarten des 18. Jahrhunderts daraufhin durchgesehen, ob sich das Vorhandensein von Durchfahrts- oder Durchgangsdielenhäusern in der Zeichnung der Dörfer nachweisen ließe. Wie das Beispiel der Karte von Kl. Thurow (Abb. 9) zeigt, führt in vielen Fällen ein breiter Weg direkt zum Hintergiebel der Längshäuser, um dort zu enden. Die Genauigkeit der Darstellung voraus gesetzt, kann hieraus mit Sicherheit auf das Vorhandensein einer bis zum Hintergiebel durchlaufenden Diele geschlossen werden. Eine Unterscheidung zwischen Durchfahrts- und Durchgangsdielenhäusern ist auf Grund der Kartenzeichnung nur in wenigen Fällen möglich, weshalb bei einer allgemeinen Übersicht von vornherein hierauf verzeichnet werden muß.

Auf der angeschlossenen Karte von Mecklenburg wurden alle Häuser mit durchlaufender Diele durch je ein Kreuz bezeichnet. Die Karte soll nur eine vorläufige Übersicht geben, wie groß die Zahl der Durchfahrtsdielenhäuser in den verschiedenen Landesteilen war. Genauere Untersuchungen und ausführlichere Veröffentlichungen sind z. Z. wegen des Krieges nicht durchführbar. Die Gesamtzahl der mit Hilfe der Flurkarten ermittelten Häuser mit durchlaufender Diele beträgt 239, von denen der weitaus größte Teil im Westen und besonders im Nordwesten des Landes liegt.

Dieses Gesamtbild muß aus verschiedenen Gründen außerordentlich lückenhaft bleiben und kann nur einen ganz geringen Teil der im 18. Jahrhundert tatsächlich vorhandenen Durchgangs- und Durchfahrts-Dielenhäuser erfassen. Denn erstens sind, wie bereits erwähnt, die älteren Domanialkarten

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Abb. 10. Niedersachsenhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts mit durchlaufender Diele.
Abb. 10. (Vgl. hierzu S. 130, 137/138, 144/145, Anm. 51 und Abb. 12) Jedes einzelne Kartenzeuichen stellt ein Haus dar.
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bis auf wenige Annahmen vernichtet, zweitens konnten bisher nicht sämtliche noch vorhandenen Flurkarten bearbeitet werden; drittens sind auf den Karten bei weitem nicht alle Häuser mit durchlaufender Diele einwandfrei zu erkennen, einerseits weil manche Landmesser die Dorflagen nicht sorgfältig genug gezeichnet haben, und andererseits, weil sehr viele Häuser frei auf ihrem Hofplatz lagen, so daß sich ein etwa vorhandener Hinterausgang auf der Karte nicht ausprägt (vgl. Karte von Kl. Thurow [Abb. 9] ). Berücksichtigen wir diese Ausfälle, so ist zu schließen, daß die Zahl der Häuser mit durchlaufender Diele ganz erheblich größer gewesen ist als auf der Übersichtskarte zum Ausdruck kommt.

Als Ergebnis der Bearbeitung der Flurkarten ist festzustellen, daß der besprochene Haustyp noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts in fast ganz Mecklenburg verbreitet war. Die sich aus der Übersichtskarte ergebende ungleichmäßige Verteilung der Häuser und ihre starke Anhäufung im Nordwesten des Landes dürfte nur zu einem Teil den wirklichen Verhältnissen entsprechen, denn die Heranziehung weiterer Quellen, wie der Protokollbücher des Amtes Schwerin und des Inventars des Klosteramtes Ribnitz vermögen das Gesamtbild wesentlich zu ergänzen und zu verändern, wie die Karte zeigt.


Eine Gruppe von Karten, die hier nur kurz erwähnt zu werden braucht, sind die vereinzelten Bauzeichnungen alter Häuser aus dem Anfang und der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Sie sind meist durch herzogliche Beamte von überalterten Häusern angefertigt worden, um auf Grund dieser Zeichnung den Umbau und die Modernisierung in die Wege leiten zu können, und bilden deshalb eine wertvolle Quelle für die Erkenntnis alter Bauformen.

Eine dieser Zeichnungen wurde für den vorliegenden Aufsatz nach dem Original umgezeichnet und der ursprüngliche Zustand des Hauses nach Möglichkeit rekonstruiert (Abb. 11). sie wurde hier abgedruckt, um erstens die Einrichtung eines Durchfahrtsdielenhauses aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege zu zeigen und zweitens ein neuzeitliches Bauernhaus mit den ausgegrabenen mittelalterlichen, die alle im gleichen Maßstab hier abgebildet sind, vergleichen zu können. Wir sehen auf den ersten Blick, daß die mittelalterlichen Bauten erheblich kleiner als das Haus von Moraas waren. Wenn wir

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Abb. 11. Durchfahrtsdielenhaus Moraas III (Bonnes). Rekonstruktion nach einer Bauzeichnung von 1865.
Abb. 11. Durchfahrtsdielenhaus Moraas III (Bonnes). Rekonstruktion nach einer Bauzeichnung von 1865.

aber annehmen, daß die Vorschauer und das Stubenende spätere Erweiterungen dieses Haustyps sind, so müssen wir sofort eine erstaunliche Übereinstimmung der Größe zwischen diesem und dem Hungerstorfer Haus feststellen. Die Raumaufteilung ist freilich eine völlig andere.

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Akten und Amtsbücher.

Wohl die wichtigste und aufschlußreichste archivalische Quelle für die Hausforschung bilden die bereits erwähnten Amtsbücher und Amtsbeschreibungen einiger Ämter. In diesen und den zugehörigen Akten finden sich verstreut zahlreiche mehr oder weniger ausführliche Beschreibungen von Bauernhöfen und Häusern.

Für die ritterschaftlichen Ämter sind demgegenüber, abgesehen von den bereits besprochenen Flurkarten, fast gar keine genauen archivalischen Nachrichten über Hausformen enthalten. Erstens sind überhaupt nur sehr wenig Akten über die bäuerlichen Verhältnisse in diesen Gebieten vorhanden und zweitens ist hier im 18. Jahrhundert die Zahl der Bauernhöfe erheblich geringer als im Domanium.

Vereinzelt sind schon aus dem 16. und 17. Jahrhundert Beschreibungen von Bauerngehöften in den Akten überliefert. Jedoch sind diese meist zu allgemein gehalten, als daß über die Formen der Häuser hinreichend Aufschluß zu gewinnen wäre. Im allgemeinen werden die Inventare erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts so ausführlich, daß sie außer über die Zahl der Fächer oder Gebinde auch Angaben über die Inneneinrichtung der Gebäude, über Diele, Stuben und Kammern, Zahl und LAge der Türen u. a. m. enthalten. Eine bemerkenswerte Ausnahme scheint das Inventar des Klosteramtes Ribnitz zu bilden, das genaue Beschreibungen bereits aus dem Jahre 1620 gibt.

Aus der großen Menge des archivalischen Aktenmateials konnten bisher erst drei Quellen systematisch bearbeitet werden:

  1. die Amtsbücher des Amtes Schwerin aus der Zeit von 1748 - 1774 27 );
  2. die Amtsbeschreibung des Amtes Boizenburg aus dem Jahre 1696/97 28 );
  3. das Inventar des Klosteramtes Ribnitz aus dem Jahre 1620 29 ).

27) Amtsakten Schwerin, Beschreibungen
28) Amtsakten Boizenburg, Nr. 1, fasc. 7 und 8.
29) Klosteramt Ribnitz, Beschreibungen.
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Diese Quellen sollen im folgenden in zweierlei Hinsicht besprochen werden. Erstens wird die Anzahl der Häuser mit durchlaufender Diele zu ermitteln sein, um das aus den ritterschaftllichen Flurkarten erzielte Ergebnis wenigstens für drei Ämter zu ergänzen, zweitens soll das zahlenmäßige Verhältnis der durchlaufenden Dielen zu den Flettdielen näher untersucht und ihre gegenseitige Abhängigkeit festgestellt werden.


Vielleicht die ergiebigste Quelle für die Hausforschung sind die Protokollbücher des Amtes Schwerin. Enthalten sie doch in dem angegebenen Zeitraum über 250 ausführliche Hausbeschreibungen 30 ). Erst 1748 beginnen die genauen Nachrichten, während sie vorher allzu summarisch abgefaßt sind. Es handelt sich um sogenannte Amtsverlaßbücher, die vorwiegend Protokolle über Abtretung oder Übernahme von Bauernstellen enthalten. Bei diesen Gelegenheiten wurden außer dem lebenden und toten Inventar des Hofes meist auch die Einrichtung der Gebäude mit allen Einzelheiten verzeichnet. Für die Art der Abfassung dieser Berichte sei hier ein Beispiel aus dem Jahre 1750 angeführt 31 ).

Amtsprotokollbuch Schwerin 1744 - 1751.

Actum Stralendorf den l. September 1750.

Als . . . der Untertan Christian Gracke zum Wirt auf dem Schmillschen Gehöfte alhie zu Stralendorf . . . bestellet und . . . angewiesen werden sollte, . . . so wurde zuforderst das Inventarium aufgenommen:

Das Haus

ist von 6 Verbind mit einem Vor- und Hinterschauer, die Sohlen sind in mittelmäßigem Stande, das Dach ist überall schlecht und nichts nütze.
Die Haustür ist von 2 Flügeln Tannenbrettern mit Eisenhaken und Hängen.


30) Eine geringe Anzahl davon ist für die vorliegende Untersuchung nicht verwertbar, weil die Angaben ungenau oder zweideutig sind.
31) Amtsbuch 1750 Blatt 315
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Eingangs zur linken Hand sind 2 Kammern, deren Türen von alten Tannen- und Buchenbrettern, die eine gehet in Bügeln, die andere hat Eisenhaken und Hänge.
Die hinterste Tür von 2 Flügeln Tannenbrettern mit 4 Eisenhaken und Hängen.
Eingangs zur rechten Hand sind 2 Kammern, die erste Kammertür von Tannenbrettern mit Haken, Hängen, Schloß und Schlüssel.
Die andere Kammertür ist von altem Buchenholz, gehet in Bügeln.
Der Schwiebogen von Mauersteinen.
Die Stubentür ist von alten Tannenbrettern, gehet unten in die Welle und hat oben einen Eisenhaken und Hänge. In der Stube der Ofen von Mauersteinen, der Boden gewunden, die Fenster taugen nichts.
Bei der Stube ist eine Kammer, deren Tür von Tannenbrettern mit Eisenhaken und Hängen, Schloß und Schlüssel.
Die Kammern sind alle mit Bohlen beleget.

Die Scheune

ist von 4 Verbind, an Sohlen und Dach in mittelmäßigem Stande.
An beiden Enden Flügeltüren von Tannenbrettern mit Eisenhaken und Hängen und Stichkrampen.

Aus der vorliegenden Beschreibung läßt sich ohne Schwierigkeiten die Form des Wohnhauses ebenso wie der Scheune erkennen. Die Nachricht, daß sich an beiden Enden des Gebäudes zweiflügelige Türen befanden, dürfte mit Sicherheit auf eine Durchfahrtsdiele schließen lassen. Es handelt sich demnach um ein Durchfahrtsdielenhaus ohne Seitenausgänge. schon aus diesem einen, willkürlich aus der Menge der Inventare herausgegriffenen Beispiel zeigt sich der Wert und die Ergiebigkeit der so zahlreichen Beschreibungen für die Hausforschung.

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Hausformen in den Dörfern des Amtes Schwerin 1748 - 1774 32 )

Durch- Durch- Flett- Neubauten 33 )
fahrts- gangs- arm- Flett- Sack- von
diele diele diele diele diele Flett- Flett-
armdln. dielen

Dambeck - 1 - - 1 - -
Kleinen 1 - - - - - -
Drispeth 1 2 - - - - -
Alt Meteln 2 - - - - - -
Grevenhagen 1 - - - - - -
Dalberg - 1 1 - - 1 -
Lübstorf 1 - - - - - -
Hundorf - - - - 1 - -
Böken - - 1 - - 1 -
Drieberg 2 - - - - - -
Pingelshagen 2 - - - - - -
Zittow - 3 - - - - -
Warnitz 2 2 1 - - - -
Lankow - 1 - - - - -
Wittenförden 3 - - - - - -
Görries - 1 1 - - - -
Kl. Roghan 1 - - - - - -
Gr. Rogahn 2 - - - - - -
Krebsförden - 6 - - - - -
Mueß - 1 - - - - -
Godern 1 2 - 1 - - 1
Pinnow - 1 1 - - - -
Petersberg - - 1 - - 1 -
Wüstmark - 1 2 3 - - -
Pampow 11 3 1 - - 1 -
Stralendorf 2 1 - - - - -
Bolthusen 1 5 2 - - - -
Lehmkuhlen 1 2 - - - - -
Plate 2 2 1 - 4 1 -
Peckatel 3 1 - - - - -
Banzkow 6 3 2 - - - -
Göhren - 1 - - 1 - -
Settin - 1 - - - - -
Zapel - 1 - - - - -
Tramm - 3 4 1 - 2 -

32) Die Dörfer sind nach ihrer Lage im Amt von Norden nach Süden fortschreitend geordnet.
33) Diese Neubauten sind in den links stehenden Spalten der Liste bereits enthalten. Es sind Häuser, die nach 1700 entweder neu errichtet oder umgebaut worden sind.
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Durch- Durch- Flett- Neubauten
fahrts- gangs- arm- Flett- Sack- von
diele diele diele diele diele Flett- Flett-
armdln. dielen

Klinken - 5 - - - - -
Garwitz - 2 3 - - 2 -
Mirow 1 - - 3 - - 1
Sülte - 2 - - - - -
Sülstorf 1 1 1 2 - 1 1
Lübesse - - 2 1 - - -
Ülitz - 3 1 1 - - -
Goldenstädt 1 4 - - - - -
Rastow - 1 2 2 - - 1
Moraas 4 1 - - - - -
Redefin - 1 - 1 - - 1
Picher 5 1 1 - - - -
Gr. Krams 5 2 - 2 - - -
Alt Krenzlin 3 1 - - - - -
Neu Krenzlin - - 1 1 - - -
Loosen 2 - 1 1 - 1 1
Alt Krams 1 - - 1 - - -

Belsch 1 1 3 3 1 1 -
Lübbendorf - - 2 2 - - -
Probst Jesar - - 1 2 - - 2
Lübtheen - - 4 2 - - -
Trebs - - - 2 - - -
Laupin - - 1 3 1 - -
Hohen Woos - - 1 2 1 - -
Vielank - - 1 3 2 - 1

Die vorstehende Liste enthält sämtliche aus den Amtsbüchern des Amtes Schwerin festgestellten Hausformen. Zu berücksichtigen ist hierbei, daß sie nur einen Bruchteil aller in den erwähnten Dörfern damals vorhandenen Häuser umfaßt. Aus der Entstehung der Quelle ergibt sich, daß nur die Gebäude, die in dem Zeitraum von 1748 - 1774 ihren Besitzer gewechselt hatten, Aufnahme haben finden können. Auch diese wurden nur soweit berücksichtigt, als sie mit genügender Ausführlichkeit in den Amtsbüchern beschrieben sind, was gegen Ende der Periode jedoch häufig nicht mehr der Fall ist.

Die Gesamtzahl der im Amt Schwerin ermittelten Wohnhäuser mit durchlaufender Diele beträgt 137. Eintragung in die beigegebene Übersichtskarte von Mecklenburg läßt erkennen, wie lückenhaft das aus den Flurkarten gewonnene Ergebnis ist 34 ). Schienen nach Durchsicht der Flurkarten in dem


34) Vgl. Abb. 10.
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Abb. 12. Die Hausformen des Amtes Schwerin um 1760.
Abb. 12. Die Hausformen des Amtes Schwerin um 1760.
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Raum südlich von Schwerin fast gar keine durchlaufenden Dielen vorzukommen, so zeigen die Amtsbücher diesen Haustyp gerade hier in gedrängter Fülle.

Im Gegensatz zu den Flurkarten war auf Grund der genauen Angaben in den Amtsbüchern die Trennung zwischen Durchfahrts- und Durchgangsdielen möglich. Beide sind etwa zu gleichen Teilen, nämlich mit 68 und 69, im Amte vertreten. Doch dürfte die Zahl der Durchfahrtsdielen in Wirklichkeit noch höher gewesen sein, da alle Gebäude, in denen nicht ausdrücklich eine "große Hintertür" oder eine "Tür mit zwei Flügeln", sondern nur eine "Hintertür" oder "hintere Ausgangstür" erwähnt ist, zu den Durchgangsdielenhäusern gerechnet wurden.

Im folgenden sollen die bisher behandelten Durchfahrts- und Durchgangsdielenhäuser mit den übrigen Grundtypen des Niedersachsenhauses verglichen und daraus die Grundzüge der baulichen Entwicklung im Amt Schwerin abgeleitet werden.

Die Eintragung der verschiedenen Hausformen in die Karte des Amtes läßt deutlich zwei verschiedene Typengebiete hervortreten, die gesondert zu besprechen sind 35 ). Während im Hauptteil des Gebietes die durchlaufenden Dielen mit 137 zu 57 gegenüber sämtlichen sonstigen Typen beträchtlich überwiegen, sind in dem Zipfel des Amtes, der zur Elbe hinweist, südlich der Linie Redefin -Loosen fast ausschließlich Flett-, Flettarm- und Sackdielenhäuser vertreten.

Das Zahlenverhältnis der fünf verschiedenen Grundtypen ist für beide erwähnten Gebiete des Amtes in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Diese enthält sämtliche in den Amtsbüchern des bearbeiteten Zeitraumes erwähnten Wohnhäuser, soweit ihre Typenzugehörigkeit aus den Beschreibungen klar ersichtlich war. Bei den Durchfahrts- und Durchgangsdielenhäusern ist in zwei besonderen Spalten das Vorkommen von einer oder zwei Seitentüren vermerkt. Ferner sind diejenigen Häuser, die in den Beschreibungen ausdrücklich als alt und baufällig bezeichnet werden, und andererseits alle, die nach 1700 neu errichtet oder umgebaut worden sind, gesondert aufgeführt. Von dem letzten Teil der Tabelle mit den Gebäuden des Amtes Boizenburg wird später zu sprechen sein.


35) Vgl. Abb. 12. Vgl. auch die Tabelle auf S. 140
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Verteilung von Hausformen in den Ämtern Schwerin und Boizenburg.
Verteilung von Hausformen in den Ämtern Schwerin und Boizenburg.

36) Häuser, die in den Beschreibungen als alt und baufällig bezeichnet sind.
37) Häuser, die nach 1700 entweder neu errichtet oder umgebaut worden sind.
38) Umfaßt den Südzipfel des Amtes, südlich von der Linie Redefin-Loosen.

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Wie Folkers in seinen Untersuchungen betont, sind Durchfahrtsdielen fast ausschließlich auf sehr alte Häuser beschränkte Alle jüngeren Bauten zeigen andere Formen. Auch in den alten Häusern lassen sich Durchfahrtsdielen meist nur noch an geringen baulichen Einzelheiten nachweisen, da sie fast alle schon vor längerer Zeit durch den Einbau von Stuben in Flett- oder Flettarmdielen umgewandelt worden sind 39 ). Auf Grund dieser Beobachtungen kommt Folkers zu dem Schluß, daß das Durchfahrtsdielenhaus schon seit langem im Aussterben begriffen ist und daß die Wandlung zunächst zum Durchgangsdielenhaus und dann zu der neuzeitlichen Bauweise des Flett- und Flettarmdielenhauses bereits im 18. Jahrhundert begann 40 ). Mitten in diese Übergangsperiode führen uns die Amtsbücher.

Noch war die größere Zahl aller Häuser mit durchlaufender Diele versehen, aber schon damals ist mehrfach von Umbauten die Rede, bei denen das Haus durch Hinzufügung eines Stubenendes erweitert und dadurch in seiner Raumaufteilung oft grundlegend verändert wurde. Hierfür einige Belege aus den Amtsbüchern: 1757 heißt es von einem als sehr alt bezeichneten Hause in Warnitz, vor etwa 20 Jahren sei die Stube und die Schlafkammer hinten am Garten als ein Vorschauer angehängt 41 ); von einem alten Haus in Peckatel wird 1760 erwähnt, daß vor 21 Jahren das Stubenfach angebaut wurde 42 ); bei Dalberg heißt es von einem Haus, "das Stubenende ist außerdem angebaut, worin die Stube und Kammer ist" 43 ); ähnlich wird in Böken angegeben, "das Stubenende ist als eine Abseite in der Quere angebaut" 44 ). Insgesamt sind in den Amtsbüchern 13 Häuser erwähnt, die durch Anbau eines Stubenendes verändert wurden. Da die wirkliche Zahl der An- und Umbauten sicher viel höher ist, muß damit gerechnet werden, daß zahlreiche Flett-, Flettarm- und Sackdielen erst im 18. Jahrhundert aus zugebauten Durchfahrts- oder Durch-


39) Eine nennenswerte Ausnahme bilden lediglich die Häuser im ehemaligen Fürstentum Ratzeburg, wo sich die alte Form noch bis in unsere Zeit erhalten hat vgl. Folkers, Schichtenfolge S. 116/117).
40) Folkers, Schichtenfolge S. 115 und Mecklenburg-Atlas S. 289.
41) Amtsbuch 1757 S. 322
42) Amtsbuch 1760 S. 446/47
43) Amtsbuch 1765 S. 844
44) Amtsbuch 1755 S. 528
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gangsdielenhäusern entstanden sind. Die Haustypen mit Hinterausgang müssen also noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts weit zahlreicher als in der Untersuchungsperiode gewesen sein.

Neubauten im Amt Schwerin 45 ).
Neubauten im Amt Schwerin

Wenn auch die Zahl derjenigen Häuser, bei denen das Baujahr aus den Akten festgestellt werden konnte, nicht sehr groß und von Zufälligkeiten abhängig ist, so gibt die vorstehende Tabelle doch ungefähr einen Überblick über die Bautätigkeit im Amt Schwerin. Die Zahl der neuerrichteten Durchfahrtsdielenhäuser war im 18. Jahrhundert nicht mehr groß, doch wurden noch um die Mitte des Jahrhunderts und darüber hinaus im Jahre 1767 einzelne Gebäude dieses Typs neu gebaut. Besonders beliebt waren Durchgangs- und Flettarmdielenhäuser, während das Flettdielenhaus erst langsam weitere Verbreitung fand. Während die erste Spalte der Tabelle die Bauform der Vergangenheit und die letzte die der Zukunft enthalten, zeigen die beiden mittleren Spalten, welche Haustypen schon seit Anfang des 1. Jahrhunderts bzw. seit dessen Mitte modern waren.

Die folgenden Erörterungen beziehen sich zunächst nur auf den Hauptteil des Amtes Schwerin ohne Berücksichtigung des Elbegebietes, das anschließend gesondert betrachtet werden soll. Noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts waren in diesem Hauptteil über ein Drittel aller Wohnbauten reine Durchfahrtsdielenhäuser, und auch 1750 wurden noch mehrere Bauten deses Typs neu errichtet. Durchgangsdielenhäuser waren in der gleichen Anzahl vertreten, so daß trotz aller


45) Das Elbegebiet des Amtes ist nicht berücksichtigt, ebenso sind diejenigen Neubauten fortgelassen, deren Baujahr in den Amtsbüchern nicht genau angegeben ist.
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Modernisierungsbestrebungen noch 71 Prozent aller Gebäude mit durchlaufender Diele versehen waren. Die Anzahl der neuerrichteten Durchgangsdielenhäuser zeigt sogar eine stetige Zunahme. Andererseits war diese Hausform schon lange üblich, denn mehrere dieser Bauten stammten bereits aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges -- unter der Annahme, daß den ausdrücklich als alt bezeichneten Häusern ein Alter von 100 und mehr Jahren zuzusprechen ist.

Von den 137 Häusern mit durchlaufender Diele waren 29, d. h. etwa 21 Prozent, mit einem Seitenausgang versehen. Diese Beobachtung bietet jedoch keine Überraschung, da wir eine Seitentür sogar schon bei dem viel älteren Hungerstorfer Durchfahrtsdielenhaus gefunden hatten. Bemerkenswerterweise ist in diesem Gebiet an keinem einzigen Haus mit durchlaufender Diele das Vorhandensein von zwei Seitentüren festgestellt worden.

Den Hauptteil der neben den Häusern mit durchlaufender Diele auftretenden neuartigen Bauformen bildete das Flettarmdielenhaus mit 30 Gebäuden. Jedoch ist dieses ein Typ, der sehr leicht aus Durchfahrts- oder Durchgangsdielenhäusern mit Seitentür durch Verbauung des Hinterausgangs entstehen konnte. Vielleicht waren die vier als "alt" bezeichneten Flettarmdielenhäuser auf diese Weise aus jenen älteren Bautypen entstanden. Daß die Flettarmdielenhäuser in jener Zeit sehr beliebt und in starker Zunahme begriffen waren, zeigte die verhältnismäßig große Zahl von Neubauten, die fast sämtlich in der Zeit zwischen 1740 und 1760 entstanden sind.

Bei den reinen Flettdielenhäusern ist eine Ableitung aus den älteren bodenständigen Typen in den meisten Fällen unwahrscheinlich, weil diese nie mit zwei Seitentüren versehen waren. Die Flettdielen scheinen erst im 18. Jahrhundert in das Untersuchungsgebiet eingedrungen zu sein, denn ihre Zahl ist überhaupt nur gering - etwa ein Zehntel aller Wohnhäuser -, außerdem sind gar keine alten und baufälligen Flettdielenhäuser vorhanden, vielmehr sind 5 von den 18 Häusern dieses Typs Neubauten aus der Zeit von 1730 - 1760.

Die wenigen Sackdielenhäuser des Untersuchungsgebietes bilden offenbar nur einen sekundären Bautyp. Meist handelt es sich um kleine Gebäude, von denen außerdem zwei erst durch Anbau eines Stubenendes entstanden zu sein scheinen.

Im Elbegebiet, als dem südlichsten Teil des Amtes Schwerin, herrschten im 18. Jahrhundert grundsätzlich andere

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Baugewohnheiten als in den nördlich anschließenden Landschaften. Außer zwei Häusern mit durchlaufender Diele an der Grenze des Gebietes sind ausschließlich Bauten mit Flett- oder Flettarmdiele und daneben noch einige Sackdielenhäuser vorhanden. Hier waren offenbar die reinen Flettdielen bodenständig, denn nicht nur ihre Gesamtzahl, sondern auch die Zahl der alten Gebäude ebenso wie die der Neubauten ist größer als die entsprechende Anzahl der Flettarmdielenhäuser. Außerdem ist das einzige vorhandene Durchfahrtsdielenhaus nach Art der Flettdiele mit zwei Seitentüren versehen - eine Bauform, die im Nordteil des Amtes überhaupt nicht vorkommt.

Sackdielenhäuser sind auch in diesem Gebiet nur in geringer Anzahl vertreten. Möglicherweise sind sie hier als besonderer Bautyp anzusehen, da sie mehrfach auch an größeren Gebäuden festzustellen sind und schwerlich aus Flett- oder Flettarmdielen entstanden sein können.


Die Beschreibung des Amtes Boizenburg aus dem Jahre 1696/97 enthält Angaben über sämtliche im Amt vorhandenen Wohnhäuser und sonstigen Gebäude 46 ). Jedoch sind außer den Inventaren der Amtshöfe und der Höfe in der Teldau 47 ) nur die Beschreibungen einiger Bauernhäuser in Gothmann und Bandekow genügend ausführlich, um daraus die Hausformen mit Sicherheit bestimmen zu können. Diese Häuser, und zwar elf in Gothmann und zwei in Bandekow, haben sämtlich Durchfahrtsdielen mit großen Türen von zwei Flügeln an beiden Enden.

Neun von den elf Gebäuden in Gothmann sind an beiden Seiten mit Nebentüren versehen. Diese Bauart läßt vielleicht


46) Amtsakten Boizenburg Nr. 1 fasc 7 und 8
47) Auf die Beschreibungen dieser Höfe soll hier nicht näher eingegangen werden. Alle Amtshöfe scheinen mit Flettdielen angelegt zu sein, während die Pachthöfe der Teldau verschiedene z. T. sehr interessante Bauformen zeigen. Lassen sich hier doch außer Flettdielenhäusern einzelne mitteldeutsche Gehöftanlagen mit Querwohnhaus, Dreschhaus usw. und bemerkenswerterweise mehrere sogen. Hauberghäuser nachweisen. Es ist m. W. das erste Mal, daß diese Hauberge die heute für die Halbinsel Eiderstedt in Holstein typisch sind, in Mecklenburg festgestellt werden konnten. Sie sind in den Beschreibungen durch den zentral gelegenen, etwa quadratischen "Haubarg", der an drei Seiten von Dreschdielen umgeben ist, eindeutig charakterisiert.
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auf einen starken Einfluß des Flettdielenhauses schließen, wie sich ja auch im Amt Schwerin nur im Elbegebiet das Durchfahrtsdielenhaus mit zwei Seitentüren findet. Diese Form scheint in Gothmann bodenständig zu sein, denn sie ist sowohl bei einem Neubau vorhanden als auch bei zwei wegen Alters baufälligen Häusern, die vielleicht schon aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammen. Ob die beiden Gebäude in Bandekow Seitenausgänge gehabt haben, geht aus der Beschreibung nicht hervor.


Das Inventar des Klosteramtes Ribnitz von 1620 ist eine wichtige Quelle, die schon aus verhältnismäßig sehr früher Zeit genaue Beschreibungen von Bauernhäusern liefert. Bei einer beabsichtigten Vertauschung der Klostergüter wurde von einer Kommission ein genaues Verzeichnis der gesamten Besitzungen aufgenommen.

Hierbei wurden auch die Abgaben und das lebende und tote Inventar der Klosterbauern protokolliert. Ein Beispiel aus Bartelshagen möge die Art der Gebäudebeschreibung zeigen 48 ):

"Hans Westphal, ein Baumann . . . . Sein Haus ist von 7 Gebinden ohne beide Kihlende.

Vor den großen Tor und Heck an einer Seiten zwei, in der andern ein Stall, uff beiden Abseiten Stallung.

Bei der kleinen Tür, unter den hintersten Kyhlende, eine Stuben, darin 3 Fenster, 1 Kachelofen, umbher eine Lehmwandt mit einem Windelboden, dabei eine Lucht von 4 Fenstern.

Über der Dehle ein Bahlenboden mit Lehm beschlagen halb, die an der Hälfte mit Schlet belegt.

Das Holzwerk, Ständer und Wände gut, das Dach ist ziemlich."

Der Baubestand und die Einrichtung ist klar. Das Haus von sieben Gebinden bzw. sechs Fach Länge war vorne und hinten mit Vorschauern oder Kühlenden unter zwei Vollwalmen versehen. Wie noch heute im Nordosten Mecklenburgs üblich, lag das große Einfahrtstor zurückgezogen zwischen den beiden Vorschauern. Die Diele führte frei durch das ganze Haus. In den beiden Abseiten befanden sich Ställe und an der einen Seite


48) Inventar a. a. O. Bartelshagen Nr. 1, fol. 104.
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neben der Stube eine Lucht, d. h. ein Dielenarm, der bis an die Hauswand reichte und dort mit Fenstern versehen war. Diese Lucht, in der der Herd lag, wurde als Küche benutzt. Der einzige geschlossene Raum im Hause war die mit Lehmwänden und einer Decke (Windelboden) versehene heizbare Stube unter dem hinteren Dachwalm neben der Küchenlucht. Der Kachelofen wurde wahrscheinlich vom Herd aus geheizt.

Fraglich bleibt zunächst, ob die Häuser eine Durchfahrtsdiele hatten oder ob am hinteren Giebel nur eine kleine Fußgängertür vorhanden war. Die in allen Hausbeschreibungen angewendeten Bezeichnungen "großes Tor" und "kleine Tür" sind nur scheinbar ein Hinweis für das Vorhandensein einer bloßen Fußgängertür. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß der Ausdruck "Tür" im Gegensatz zu dem heutigen Sprachgebrauch damals lediglich einen Ausgang ohne Rücksicht auf seine Größe bezeichnete und häufig auch für das doppelflügelige vordere Tor angewendet wurde. Außerdem wird die Bezeichnung "kleine Tür" in den zahlreichen Hausbeschreibungen des Inventars ganz stereotyp zur Unterscheidung der beiden Haustüren gebraucht, und auch in einem reinen Durchfahrtsdielenhaus dürfte die Hintertür stets kleiner als das Einfahrtstor gewesen sein. Wichtig ist die Angabe in mehreren Hausbeschreibungen, daß die Stube unter dem hintersten Kühlende in der Abseite und ihr gegenüber in der anderen Abseite eine Kammer oder häufig der Backofen gelegen habe. Die Diele scheint also in voller Breite oder doch nur wenig eingeengt bis an die hintere Wand des Hauses geführt zu haben. Hieraus folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß die Häuser des Klosteramtes Ribnitz echte Durchfahrtsdielen hatten.

In dem Ribnitzer Amtsinventar von 1620 sind insgesamt 175 Beschreibungen von Bauernhäusern enthalten. Von diesen sind 72 für unsere Untersuchung nicht zu verwerten, weil sie entweder lückenhaft sind oder außer der Haupttür keine weiteren Ausgänge erwähnen 49 ). Abgesehen von zwei Ausnahmen mit ein bzw. zwei Seitentüren hatten sämtliche genau beschriebenen Häuser einen Hinterausgang. Es ist also zu folgern, daß die Niedersachsenhäuser des Klosteramtes Ribnitz um 1620 fast ausnahmslos mit durchlaufender Diele, wahrscheinlich mit breiter Ausfahrt, versehen waren.


49) Ob hierunter einzelne Sackdielenhäuser waren, ist nicht zu entscheiden.
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Häuser mit durchlaufender Diele im Klosteramt Ribnitz 1620 50 ).
Häuser mit durchlaufender Diele im Klosteramt Ribnitz 1620

Ein Aktenstück über den Ort Ramm möge die Einzeluntersuchungen archivalischer Quellen beschließen, da es eine gewisse Ergänzung zu den Grabungsergebnissen darstellt. Nachdem die Wüstung Ramm vom Sande verschüttet worden war, hatte man an anderer Stelle eine neue Siedlung angelegt. Bei dem Verkauf dieses Meierhofes im Jahre 1709 wurde ein Inventar angefertigt, in dem das Wohnhaus mit 14 Verbinden, zwei Abseiten und zwei Kröpelgiebeln als ein "ganz altes Zimmer" bezeichnet wird. Es hatte zu beiden Seiten Viehställe und außerdem zwei Seitentüren. Die besondere Erwähnung des hohen Alters läßt darauf schließen, daß es bereits bei der Neueinrichtung des Hofes Ramm bald nach 1571 erbaut worden war. Dadurch wäre also ein weiterer Beweis gefunden, daß das Niedersachsenhaus mit Flettdiele in dieser Landschaft, die ja zu dem bereits erwähnten Elbgebiet des Amtes Schwerin gehörte, bereits in früher Zeit heimisch war.

Ergebnisse.

Um zu einer rückschauenden Übersicht über den Gang der Untersuchung zu gelangen, sollen noch einmal kurz die verschiedenen Quellen in ihrer Ergiebigkeit für die Hausforschung miteinander verglichen werden. Der Wert der einzelnen Untersuchungsmethoden liegt einerseits in der Anzahl der mit ihrer Hilfe zu ermittelnden Hausformen, andererseits in deren Alter begründet, denn je näher eine Quelle dem Mittelalter steht,


50) In Wustrow und Klockenhagen waren je 1 Haus ohne Hinterausgang mit 1 bzw. 2 Seitenausgängen vorhanden.
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desto aufschlußreicher muß sie für das zur Erörterung stehende Problem sein.

Angefangen mit der Gegenwart seien im folgenden die verschiedenen Quellen ihrem Alter nach einander gegenübergestellt:

1. Von den gegenwärtig noch vorhandenen Bestand an Niedersachsenhäusern geht Folkers aus und sucht aus den Bauformen der ältesten Häuserrückschließend festzustellen, welche Form im Mittelalter allgemein herrrschend war. Solange keine weiteren Quelle zur Verfügung standen oder systematisch verwertet wurden, mußten alle Schlußfolgerungen unsicher bleiben, da das benutzte Material sowohl der Menge als auch dem Alter nach der Ergänzung bedurfte. Immerhin war es ergiebig genug, daß Folkers der Forschung den richtigen Weg zu zeigen vermochte 51 ).

Durchfahrtsdielenhäuser nach Folkers mit Angabe der Baujahre.

Durchfahrtsdielenhäuser nach Folkers mit Angabe der Baujahre.

51) Durch jahrelange Forschungenist es Folkers gelungen, eine Anzahl alter Durchfahrtsdielenhäuser in ganz Mecklenburg zu ermitteln. Es ist sein Verdienst, diesen alten Bestand noch vor seinem gänzlichen Erlöschen festgestellt und aufgemessen zu haben. Die nachstehende Liste entält landschaftlich geordnet die in den Arbeiten von Folkers, Schichtenfolge S. 116 ff., und Endler-Folkers S. 108 ff. einzeln erwähnten Durchfahrtsdielenhäuser. Fast ein Drittel davon liegt im ehemaligen Fürstentum Ratzeburg, und nur diese sind z. T. noch in der ursprünglichen Form erhalten. Im östlichen Mecklenburg sind Durchfahrtsdielen nur noch ganz vereinzelt aufzuspüren (Vgl. hierzu Abb. 10).
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2. Einen weiteren Beitrag liefern die in den Archiven aufbewahrten Bauzeichnungen des 19. Jahrhunderts, die meist die Gebäude bereits vor dem neuzeitlichen Umbau darstellen.

3. Die Flurkarten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weisen das zahlreiche Vorkommen der durchlaufenden Diele in Mecklenburg nach, wobei die Unterscheidung zwischen Durchfahrts- und Durchgangsdiele im einzelnen nicht möglich ist. Sie zeigen zunächst nur, daß deren Verbreitung noch im 18. Jahrhundert groß war, und zwar, wie oben erwähnt wurde, erheblich größer als auf der beigegebenen Karte zum Ausdruck kommt. Sie erlauben jedoch keine zuverlässigen Schlüsse auf die wirkliche Anzahl, die unterschiedliche Stärke der Verbreitung in den verschiedenen Landesteilen sowie das Verhältnis zu den anderen Hausformen.

4. Die Akten der Domanial- und Klosterämter aus dem 17. und 18. Jahrhundert konnten bisher nur zu einem kleinen Teil erschlossen werden. In den Amtsbeschreibungen, Gehöftsakten usw. harrt noch ein umfangreiches, aber schwer zugängliches Material der Bearbeitung. Diese Quellen vermögen einerseits Aufschluß zu geben über die zahlenmäßige Verbreitung der Häuser mit durchlaufender Diele und andererseits über deren genaues Verhältnis zu anderen Bauformen und damit über die Entwicklungsgeschichte des mecklenburgischen Bauernhauses. Wohl die umfangreichste und ergiebigste Quelle überhaupt sind die Protokollbücher des Amtes Schwerin aus der Zeit von 1748 bis 1774. Einzelne aufschlußreiche Angaben lieferte die Boizenburger Amtsbeschreibung von 1696. Besonders wichtig war das Ribnitzer Inventar von 1620. Einerseits sind Quellen aus dem Osten des Landes bisher ziemlich selten, und andererseits erlaubt das Inventar Rückschlüsse auf das 16. Jahrhundert und leitet dadurch bereits zum Mittelalter über.

5. Zahlenmäßig gering, aber dafür um so wertvoller sind die Karten des 16. Jahrhunderts, da einige von ihnen vollständige Abbildungen von Bauernhäusern der damaligen Zeit enthalten.

6. Die Ausgrabungen mittelalterlicher Hausgrundrisse sind die wichtigste und sicherste, jedoch auch am schwersten erreichbare Quelle historischer Hausforschung. Da weder Zeichnungen noch Beschreibungen von Gebäuden aus jenen frühen Jahrhunderten vorliegen, sind sie für uns das einzige Mittel, ein direktes

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Bild von den Urformen des Niedersachsenhauses zu erhalten. Welche weitreichenden Rekonstruktions- und Erkenntnismöglichkeiten hier vorhanden sind, hoffe ich in den vorliegenden Untersuchungen über die Ausgrabung der Wüstungen Hungerstorf und Ramm gezeigt zu haben.


Die abschließende Auswertung der bisher durchgeführten Einzeluntersuchungen hat von den beiden Grabungen als den ältesten direkten Quellen auszugehen. Ihre so sehr verschiedenen Ergebnisse lassen eine getrennte Betrachtung als notwendig erscheinen.

Durch die Grabung Hungerstorf konnte ein Durchfahrtsdielenhaus aus der Zeit um 1400 nachgewiesen werden. Die gleiche Form zeigen. soweit erkennbar. sämtliche Häuser auf der Karte von Meierstorf im 16. Jahrhundert. Wenn schon diese rein zufällig aus dem alten Bestand an Häusern heraus gegriffenen Beispiele die gleiche Bauform aufweisen und wenn sich ferner diese Form als so dauerhaft erwiesen hat, daß sie sich in sehr zahlreichen Dörfern bis ins ausgehende 18. Jahrhundert (vgl. Flurkarten) und teilweise sogar bis in unsere Zeit (Folkers) findet, so ist sie wohl mit Recht als ursprünglich und bodenständig anzusehen. Die Akten der Ämter Schwerin und Boizenburg zusammen mit den Flurkarten und den Folkersschen Untersuchungen weisen nach, daß diese Folgerung außer für den Nordwesten auch für den gesamten Westen des Landes mit Ausnahme des Elbgebietes bei Lübtheen Gültigkeit hat.

Wir kommen also zu dem Ergebnis, daß das Durchfahrtsdielenhaus die wohl ausschließlich herrschende Urform des Niedersachsenhauses in Westmecklenburg war.

Die Besiedlung Mecklenburgs in der Kolonisationszeit verlief von Westen nach Osten. Nun ist nicht einzusehen, welche anderen Hausformen als die im Westen herrschenden Typen von den Kolonisten eingeführt sein könnten und woher diese stammen sollten. Auf Grund dieser Überlegung und weil durchlaufende Dielen noch im 18. Jahrhundert (Flurkarten) und heute (Folkers) im ganzen Land vorkommen, ist anzunehmen daß Durchfahrtsdielenhäuser ehemals auch im Osten des Landes allgemein üblich waren. Da diese Folgerung durch die Aus-

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wertung des Ribnitzer Inventars von 1620 weitgehend bestätigt wird, kann das Durchfahrtsdielenhaus als Urform des Niedersachsenhauses in fast ganz Mecklenburg angesehen werden 52 ).

Der Wandel vom Durchfahrts- zum Durchgangsdielenhaus muß, wie die Schweriner Amtsbücher erkennen ließen, schon im 17. Jahrhundert vor sich gegangen sein. Daß zur gleichen Zeit bereits in nennenswerter Zahl Flettarmdielenhäuser durch Verbauung des Hinterausganges entstanden waren, erscheint möglich, ist aber nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Jedenfalls war das Flettarmdielenhaus neben dem Durchgangsdielenhaus im 18. Jahrhundert offenbar die beliebteste Bauform und in starker Zunahme begriffen 53 ). Daneben wurden noch nach 1750 einzelne Durchfahrtsdielenhäuser neu errichtet 54 ). Wohl seit Anfang des 18. Jahrhunderts war das


52) Für Vorpommern und das ostpommersche Küstengebiet gelten die gleichen historischen Voraussetzungen wie für Ostmecklenburg, da sich in der Kolonisationszeit die Ostwanderung der niedersächsischen Siedler durch Mecklenburg bis in die Gegend von Stolp erstreckte. In diesem ganzen Gebiet dürfte also ebenso wie in Mecklenburg das Durchfahrtsdielenhaus als Urform des Niedersachsenhauses geherrscht haben. Trotz der Einführung von Normalformen durch die preußischen Landbaumeister seit dem 18. Jahrhundert sind noch heute manche Beispiele der ursprünglichen Bautypen erhalten. Jedoch sind, soweit ich z. Zt. übersehen kann, bisher keine zusammenfassenden Veröffentlichungen über die ostpommerschen Niedersachsenhäuser erschienen. Als Hinweis für das ehemalige Vorkommen durchaufender Dielen fehlen hier ein Haus aus dem Fischerdorf Tamp (Abb. im Bauernhausatlas des Verbandes deutscher Architekten, Pommern, Blatt 2,2) und je ein Haus aus Grabow und Gristow im Kreise Tammin genannt, die beide ursprünglich Durchfahrtsdielen gehabt haben dürften (Abb. siehe Lübke, Die dörflichen Haus- und Hofformen im nördlichen Kreis Tammin, Heimatkalender des Kreises Tammin 1929, S. 28).
53) Diese Beobachtung scheint für den größten Teil Mecklenburgs zuzutreffen. Jedenfalls dürfte die Annahme von Pries, daß das Flettarmdielenhaus lokal begrenzt sei und nur in Gegenden vorkomme, wo sich Einflüsse von auswärts (Hannover) geltend machen, verfehlt sein (Folkers Schichtenfolge S. 115)
54) Im ehemaligen Fürstentum Ratzeburg wurden nicht weniger als 16 Durchfahrtshäuser noch nach 1800 neu gebaut, davon drei erst im Jahre 1838. Diese Tatsache zeigt, wie verschieden rasch die Entwicklung in den einzelnen Landesteilen verlaufen ist (vgl. Brückner, Bauernhäuser und Volkskunst im Lande Ratzeburg, Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz Bd. II, 1934, S.393 ff. Vgl. auch Folkers Schichtenfolge S. 116/117).
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Flettdielenhaus, das anscheinend als eine fremde, nicht aus den bodenständigen Typen entwickelte Form anzusehen ist, in langsamem Vordringen aus dem Elbgebiet nach Norden begriffen.

Die Ausgrabung in der Wüstung Ramm ergab die Aufdeckung eines Flettarmdielenhauses aus der Zeit um 1380. Auch das Haus des neuen Hofes Ramm wurde im 16. Jahrhundert mit Flettdiele erbaut, deren Einfluß sich ferner im 17. Jahrhundert in den Häusern von Gothmann bei Boizenburg erkennen ließ 55 ). Die Auswertung der Amtsbücher ergab ferner, daß die Flettdiele nur in einem scharf abgegrenzten Gebiet an der mecklenburgischen Südwestgrenze verbreitet war. Von hier aus dürfte sie im 18. Jahrhundert nach Norden vorgedrungen sein. Die Grenze dieses Gebietes, die südlicher zu liegen scheint als Folkers annimmt 56 ), bedarf noch genauer Erforschung.


Wenn, wie wir nachgewiesen hatten, im größten Teil Mecklenburgs das Durchfahrtsdielenhaus als Urform des Niedersachsenhauses anzusehen ist, so muß vorausgesetzt werden, daß in allen Gebieten Westdeutschlands, aus denen die Siedler in der Kolonisationszeit nach Mecklenburg kamen, ebenfalls einheitlich das Durchfahrtsdielenhaus geherrscht hat. Folkers glaubt dieses annehmen zu dürfen 57 ). Zahlreiche Beispiele in verschiedenen Gebieten Nordwestdeutschlands scheinen die weitere Verbreitung der Durchfahrts- oder Durchgangsdielen-


55) Auch ein von Lehrer Vick in Boizenburg untersuchtes Bauernhaus in Zweedorf aus dem Jahre 1608 scheint von Anfang an mit Flettdiele erbaut zu sein (vgl. Folkers, Schichtenfolge S. 118).
56) Folkers betrachtet die Bahnlinie Bahnlinie Grabow-Ludwigslust-Hagenow-Wittenburg-Zarrentin als ungefähre Grenze und spricht von einer "Linie, die etwa von Zarrentin über Göhlen nach Grabow läuft". (Mecklenburg-Atlas. S. 289.) Zahlreiche Durchfahtsdielenhäuser sind jedoch südlich dieser Linie nachzuweisen (vgl. die beigefügte Übersichtskarte Abb. 10, die Amtsbeschreibung von Boizenburg 1696/97 und Folkers, Schichtenfolge S. 118).
57) Nach Mecklenburg brachten die Kolonisten ihre Hausform nach dem Stande des 12. und 13. Jahrhunderts mit (Endler-Folkers S. 118); jedoch ist "im niedersächsischen Altsiedellande das ehemalige Vorhandensein derselben Schicht nur noch mit Mühe an derHand vereinzelter mühsam zusammengesuchter Überbleibsel nachweisbar" (Folkers, Schichtenfolge S. 115.).
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häuser in älterer Zeit zu bestätigen 58 ). Allerdings muß die Tatsache zu denken geben, daß für den größten Teil Niedersachsens bisher wenig über diese Urform bekannt oder veröffentlicht ist.


58)

Niedersachsenhäuser mit durchlaufender Diele sind in fast allen Teilen des nordwestdeutschen Raumes teils zahlreich, teils vereinzelt nachzuweisen. Im folgenden sollen die mir bisher bekannt gewordenen Beispiele in einer kurzen Übersicht zusammengestellt werden, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen kann.

In Holstein nördlich der Unterelbe zwischen Stör und Eider herrscht das "Holstenhaus mit Achtergang" (Lehmann, das Bauernhaus in Schleswig-Holstein, Altona 1927, S. 4 - 13). Durchgangsdielenhäuser aus diesem Gebiet (Moorhusen und Kleinsonnendeich in den Elbmarschen und Todenbüttel sind ferner abgebildet im Atlas des Verbandes deutscher Architekten (Das Bauernhaus im Deutschen Reiche, herausgegeben vom Verband deutscher Architekten- und Ingenieurvereine, Dresden 1906. Atlasband Schleswig-Holstein, Tafel 1 und 2, und Textband S. 109).

In dem Marschenland südlich der Unterelbe, von Hamburg bis Cuxhafen findet sich das "niedersächsische Kübbungshaus mit Hintergiebelflur" (H. Ellenberg, Über die bäuerliche Wohn- und Siedlungsweise in NW-Deutschland in ihrer Beziehung zur Landschaft, insbesondere zur Pflanzendecke. Mitteilungen der Floristisch-soziologischen Arbeitsgemeinschaft in Niedersachsen, Hannover 1937, Heft 3 S. 227). Die zweite Giebeltür bei den Häusern im alten Lande bei Hamburg dürfte ebenfalls ein Rest der durchlaufenden Diele sein (W. Lindner, Das niedersächsische Bauernhaus in Deutschland und Holland. Hannover 1912, S. 179). Häuser mit Durchgangsdiele stehen noch vereinzelt im Reg.-Bez. Stade (Lindner a. a O. S. 66).

In der Lüneburger Heide waren früher Häuser mit einer Tür im Hintergiebel vorhanden. Ein derartiges Haus von 1571 befindet sich im Celler Museum (W. Bomann, Bäuerliches Hauswesen und Tagewerk im alten Niedersachsen, Weimar 1927, S. 46 und Abb. 1).

Nördlich von der Stadt Hannover in Isernhagen u. s. O. konnte ich 1940 während des Krieges durch Erkundigungen bei alten Leuten feststellen, daß früher vereinzelt Durchgangsdielenhäuser vorhanden gewesen sind.

In Glentorf bei Braunschweig stand ein Niedersachsenhaus mit Hinterausgang aus dem Jahre 1703 (abgebildet im Atlas des Versandes deutscher Architekten. Braunschweig Blatt 1).

Im Oldenburgischen erwähnt Lindner Durchgangsdielenhäuser (a. a. O. S. 66). In einem Haus aus Osterseefeld in Budjadingen erinnert ein langer Gang an die ehemalige Hintertür (Atlas des Verbandes deutscher Architekten. Oldenburg).

In Südwestfalen, im Weserbergland, im Ravensbergischen und westlich bis Hagen sind Durchgangsdielenhäuser allgemein verbreitet (W. Peßler, Die Abarten des altsächsischen Bauernhauses, Archiv für Anthropologie, NF 8, 1909, und P. Sartori, Westfälische Volkskunde, Leipzig, S. 20). Bei einer Reise durch die Dörfer längs der

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In einem schmalen Landstrich Südwestmecklenburgs herrschte seit alters das Flettdielenhaus. Folkers sucht den Grund hierfür in dem über die Elbe herüberwirkenden Einfluß des Altsachsenhauses, das sich schon früh vom Durchfahrtshaus zum Flettdielenhaus weiterentwickelt habe 59 ). Das Haus von Ramm stammt jedoch bereits ans dem 14. Jahrhundert, d. h. aus der Zeit kurz nach der Kolonisation, in der ja nach der im vorigen Absatz gemachten Voraussetzung noch das Durchfahrtsdielenhaus in altsächsischem Gebiet geherrscht hätte. Wahrscheinlich haben sich die Flettdielenhäuser des Elbgebietes nicht erst nachträglich aus ursprünglichen Durchfahrtsdielenhäusern unter fremdem Einfluß entwickelt. sondern sie sind bereits in der Kolonisationszeit von den Neusiedlern mitgebracht worden. Diese hätten dann freilich aus anderen Gebieten stammen müssen als die Kolonisten der übrigen mecklenburgischen Gebiete. Jedenfalls zeigt schon diese kurze Gegenüberstellung, daß über die Herkunft der Urformen des mecklenburgischen Niedersachsenhauses noch manche Unklarheiten bestehen, die der Aufhellung bedürfen.


Eine kurze Übersicht über die Wandlungen des mecklenburgischen Niedersachsenhauses im Rahmen der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung vom Mittelalter bis zur Gegenwart möge den Aufsatz beschließen. In der Kolonisationszeit hatte der deutsche Bauer zunächst die Aufgabe, sich auf Neuland eine Existenz aufzubauen und zu sichern. Anzahl und Einrichtung der Gebäude mußten auf das Notwendigste beschränkt bleiben. Das niedersächsische Einraumhaus wird allen Anforderungen genügt haben, ohne daß irgendwelche Nebengebäude vorhanden waren.


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Weser zwischen Hameln und Karlshafen konnte ich im Sommer 1939 zahlreiche stattliche Häuser mit durchlaufender Diele beobachten. Schon von der Straße aus kann häufig der Blick durch das ganze Haus bis auf den rückwärtigen Hofplatz schweifen.

In den westlichen Grenzgebieten Deutschlands und der benachbarten holländischen Provinz Drenthe ist die Durchgangsdiele allgemein verbreitet (Lindner a. a. O.).

59) Folkers, Schichtenfolge S. 127: Das südwestmecklenburgische Flettdielengebiet zeigt die spätere Wirksamkeit der Ausstrahlung altniedersächsischer Baugewohnheiten nach Mecklenburg hinein.
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Die schweren Unruhen, die das offene Land noch im 15. Jahrhundert erschütterten, hatten zur Folge, daß zahlreiche Höfe und Dörfer verwüstet und nicht wieder aufgebaut wurden 60 ). Die Seßhaftigkeit der Bevölkerung war äußerst gering 61 ), und der fehlende Wohlstand verhinderte die Weiterentwicklung des Niedersachsenhauses. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen hatten sich seit der Kolonisationszeit kaum geändert, so daß das ursprüngliche Wohnstallhaus noch immer den Ansprüchen genügte 62 ). Wie die Ausgrabungen zeigten, hatte es nur geringe Ausmaße, und seine Diele war etwa halb so breit wie in späteren Jahrhunderten. Ob schon damals vereinzelte Nebengebäude vorhanden waren, ließen die Grabungen nicht erkennen.

Das 16. Jahrhundert mit seinen großen wirtschaftlichen Umwälzungen brachte eine Blütezeit des Bauerntums, das sich überall tatkräftig zu regen begann. Zugleich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung im Lande und der Hochkonjunktur des Getreidehandels setzte die Entwicklung zur adligen Gutsherrschaft und andererseits eine Festigung der ländlichen Verhältnisse ein. Bei zunehmendem Wohlstand war die Seßhaftigkeit des Bauerntums in stetigem Anwachsen, und mit der allgemeinen Bevölkerungsvermehrung stieg auch die Durchschnittszahl der auf einem Hof arbeitenden Personen 63 ). Die Anbaufläche


60) Vgl. hierzu u. a. Witte, Mecklenburgische Geschichte I S. 260 und Ihde, Amt Schwerin, MJB. 77 Beiheft S. 135. Die Abhandlung von Ihde ist hier besonders wertvoll, weil sie gerade das von uns vorwiegend besprochene Amt Schwerin betrifft Die meisten Wüstungen in Mecklenburg stammen nicht, wie häufig angenommen wird, aus dem Dreißigjährigen Kriege, sondern bereits aus dem 14. und 15. Jahrhundert.
61) Nach Ihde a. a. O S. 140 sind im Amt Schwerin von 1454 bis 1478 nur 15 Prozent aller Familien auf Ihrer Hofstelle seßhaft geblieben. Vgl. auch Endler, Ist der Bauernstand im Lande Ratzeburg vor dem Dreißigjährigen Kriege seßhaft gewesen? Volk und Rasse 1930 und Engel Deutsche und slawische Einflüsse in der Dobbertiner Kulturlandschaft,. Kiel 1934, S. 69. In der angegebenen Literatur wird andererseits darauf hingewiesen, daß die Seßhaftigkeit im Verlaufe des 16. Jahrhunderts in stetem Anwachsen war.
62) Wie ich an anderer stelle nachgewiesen habe, waren die Bauernstellen noch um 1500 reine Familienbetriebe mit 3 - 4 Erwachsenen auf jedem Hof. Etwa 100 Jahre später waren auf einer Bauernstelle durchschnittlich 1 - 2 Dienstboten vorhanden, und die Personenzahl hatte sich auf 5 -6 erhöht. Engel a. a. O. S. 71/72 und 116.
63) siehe Anmerkung 62
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des Getreides wurde in allen Feldmarken durch Urbarmachen von großen Teilen des alten Weidelandes erheblich vergrößert 64 ).

Als Folge dieser Veränderungen sind vermutlich erst damals im 16. Jahrhundert die großräumigen Bauernhäuser mit breiter Dreschdiele entstanden. Der Typ des Durchfahrtsdielenhauses wurde zwar noch beibehalten, aber das Raumbedürfnis war größer geworden. Und doch reichte trotz der Errichtung von Vorschauern und kleinen Anbauten der Platz noch nicht aus, so daß wohl auf den meisten Höfen Scheunen und Speicher errichtet wurden. Hatte man sich bis dahin mit dem offenen Einraumhaus begnügt, so schritt man nun bei steigendem Wohlstand allgemein zum Einbau von ofengeheizten Stuben und einzelnen Kammern in den Abseiten neben der Durchfahrtsdiele 65 ).

Der Dreißigjährige Krieg brachte die gewaltsame Unterbrechung dieser verheißungsvollen Anfänge. Erst im 18. Jahrhundert konnte sich eine Entwicklung fortsetzen, die sich in vielem bereits im 16. Jahrhundert angebahnt hatte. Das Haus erfuhr eine weitere Vergrößerung; allerdings nicht so sehr aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um den gesteigerten Wohnbedürfnissen zu genügen. Mehrfach ist in den Quellen erwähnt, daß am Stubenende ein besonderes Fach als Wohnteil angebaut wurde und dadurch eine Verlängerung des Hauses erfolgte 66 ). Häufig dürfte dieser Anbau quer vor der Hinterfront des Hauses der Grund für die Einengung und völlige Abschließung der durchlaufenden Diele gewesen sein.

Die Urform des Durchfahrtsdielenhauses hatte sich etwa seilt dem 18. Jahrhundert überlebt. Die Zukunft gehörte dem Flettarmdielenhaus und dem neu eindringenden und bald alle anderen Formen überflügelnden Flettdielenhaus und seinen Abarten. Die Gesamtanlage der Bauernhöfe war seit dem


64) Engel a. a. O. S. 81 ff.
65) Das Ribnitzer Inventar von 1620 führt uns etwa an das Ende dieser Entwicklung. Damals scheint es in den Dörfern des Klosteramtes noch mehrere Einraumhäuser ohne heizbare Stuben gegeben zu haben. Von anderen Gebäuden wird ausdrücklich erwähnt, daß die Stube mit dem Kachelofen erst neu gebaut oder "noch allerdings nicht fertig" war. Die meisten Bauern- sowie Kossatenhäuser hatten freilich bereits eine Stube oder Dörnße mit Kachelofen und Fenstern.
66) Vergl. Anmerkung 65.
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16. Jahrhundert kaum verändert. Fast überall war außer dem Wohnhaus, in dem regelmäßig das Vieh zu beiden Seiten der Diele untergebracht war, eine Scheune vorhanden, während die Anzahl der sonnigen Nebengebäude wie Schuppen, Ställe, Backhäuser usw. noch gering war 67 ).

Im 19. Jahrhundert erfolgten die Intensivierung der Landwirtschaft und grundlegende Veränderungen in der Anlage der Höfe und Häuser. Um dem verfeinerten Wohnbedürfnis Rechnung zu tragen, wurde die völlige Trennung der Wohn- und Wirtschaftsräume durchgeführt. Die Bauernhöfe wurden nun mit Vorliebe im sogenannten Gutstyp angelegt, bei dem drei Seiten des Hofplatzes von Gebäuden eingenommen wurden. Quer im Hintergrund lag das Wohnhaus und zu beiden Seiten die Scheunen, Ställe und Schuppen.

Erst die jüngsten Siedlungsbauten brachten vielfach wieder die Vereinigung sämtlicher Wohn- und Wirtschaftsräume unter einem Dach 68 ). Die Inneneinrichtung des Hauses hat allerdings mit jenen alten Bauten nichts mehr gemeinsam und entspricht den modernen Anforderungen an Wohn- und Wirtschaftsräume.

Die Wandlungen des Niedersachsenhauses haben gezeigt, daß sich jede Wirtschafts- und Kulturstufe ihre entsprechenden neuen Formen schafft. Die der Pionierzeit des mecklenburgischen Bauerntums angemessene Urform hatte sich unter den veränderten Verhältnissen der folgenden Jahrhunderte als so anpassungsfähig und bodenständig erwiesen, daß noch heute zahlreiche Niedersachsenhäuser in den Bauerndörfern des ganzen Landes die Zeiten überdauert haben. Das vorige Jahrhundert und besonders die Siedlungsbauten der Systemzeit schie-


67) Die Errichtung von kleineren Nebengebäuden scheint nicht überall in dem gleichen Umfange vor sich gegangen zu sein. War doch in der Gegend von Ribnitz schon 1620 die Zahl dieser Bauten etwa ebenso groß wie erst 150 Jahre später im Amt Schwerin. Offenbar waren hierfür wirtschaftliche Voraussetzungen, wie z. B. der starke Großviehbestand der Ribnitzer Bauern, maßgebend.
68) 1938 schreibt Walter Kasch: "In den letzten Jahren hat sich das Einhaus durchgesetzt, das Wohnraum, Stallungen und Scheunen unter einem Dach birgt . . . . Das breiter gebaute und mit abgewalmten Giebel versehene Eindachhaus fügt sich durchaus in die mecklenburgische Landschaft" (Kasch, Bäuerliche Neusiedlungen. Mecklenburg, Werden und Sein eines Gaues, herausg. von Trull, Velhagen & Klasing, 1938, S. 287 und Abbildungen S. 284/85).
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nen die völlige Abkehr von den altüberlieferten Formen zu bringen. Erst unsere Zeit besinnt sich wieder auf die bodenständige Form des Niedersachsenhauses, das unter seinen mächtigen Dachflächen die gesamten Wohn- und Wirtschaftsräume des Hofes birgt.

Wäre es auch völlig verfehlt, alle Neubauten nachdem gleichen Muster errichten zu wollen oder gar die alten Formen blindlings zu kopieren. so ist doch die Kenntnis der Urformen und ein offener Blick für die bodenständige Baugestaltung früherer Jahrhunderte erforderlich, um von dieser Grundlage aus artgemäße Lösungen für die Errichtung von Siedlungsbauten finden zu können.

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