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III.

Das Zunftwesen
der Seestadt Wismar
bis zum Beginn
des 17. Jahrhunderts.

Ein Beitrag zur deutschen Zunftgeschichte

von

Joachim Brügmann.

 

Vignette
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Inhaltsverzeichnis.

Seite
Kapitel I: Historischer Überblick 137
Erstes Vorkommen des Handwerks.
Erste Vereinigungen.
Unzweifelhafter Nachweis von Ämtern.
Die verschiedenen Ämter.
Die Straßennamen Wismars und ihre Beziehung auf das Handwerk.
Das Handwerk seiner Stellung zur Verwaltung der Stadt.
Versuche eines Zusammenschlusses gegen den Rat; erste Anzeichen von Unruhen 1345/53/72.
Die Unruhen von 1409/16 und 1427.
Streitigkeiten 1520/37.
Die Bürgerverträge 1583-1600.
Kapitel II: Verfassung und Verwaltung 150
Der Einfluß des Rates.
Die Zunftstatuten als Quellen für obrigkeitlichen Einfluß.
Amtswillküren. Zunftrollen. Ratswillküren.
Strafmaßbestimmungen zugunsten des Rates.
Amtsmorgensprachen und die Anwesenhiet von Ratsabgesandten auf denselben.
Lehrlingswesen
  Die Lehrlingsannahme vor den Werkmeistern und dem ganzen Amte.
  Vorbedingung ehelicher und freier Geburt.
  Lehrjahre mit Probezeit zu Beginn derselben.
  Lehrgeld, Abgaben an das Amt bei Antritt der Lehrzeit.
  Ermahnungen für die Lehrzeit.
  Lossprechung vor dem Amte.
Gesellenwesen
  Das Wandern der Gesellen als Brauch und Pflicht.
  Dauer des Dienstverhältnisses.
  Entlaufene Knechte.
  Arbeitssuche wandernder Gesellen.
  Das "Schenken" der Ortsansässigen.
  Abgaben an das Amt.
  Guter Ruf als Bedingung bei der Aufnahme.
  Wahrung der Gesellenehre.
  Bruderschaft und Gesellenschaft.
  Vorsteher.
  Ziele der Vereinigungen.
  Gesellenstreik und Gesellenverbündnis.
Die Meister
  Dienstjahre in der Stadt.
  Besitz und Dienstbriefe.
  Die Eschung.
  Erwerbung der Bürgerschaft.
  Meisterstücke.
  Besondere Abgaben und Meisterköste.
  Meisterwitwen im Amte.
  Vorteile bei Amtsheirat und für Meistersöhne.
  Fremde Meister.
  Älterleute und andere Ämter.
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Seite
Kapitel III: Zunftgerichtsbarkeit 175
Die Stadtgerichtsbarkeit, teilweise Abtretung an Ämter.
Die Älterleute als Rechtspersonen.
Umfang der Urteilsgewalt.
Berufungsmöglichkeit.
Gerichtsgefälle an Älterleute und Amt.
Schlichtung von Gesellenstreitigkeiten.
Meisterstrafrecht.
Freiheitsstrafen.
Gewerbeaufsichtspflicht der Älterleute.
Strafen für fehlerhafte Arbeit.
Kapitel IV: Das Zunftwesen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt 181
Stadtwirtschaft und Marktgesetze.
Der Amtscharakter der Zünfte und ihre Pflichten gegenüber der Stadt.
1. Sorge für die Verbraucher seitens der Stadtobrigkeit.
  a) Forderung ausreichender Waren.
  Vorschriften über Anfertigungszeit.
  Begünstigung neuer Gewerbe.
  Zulassung stadtfremder Meister.
  Beeinflussung von Ein-und Ausfuhr.
  b) Vorschriften über die Qualität der Erzeugnisse.
  Bestimmung der Herstellungsart.
  Das Anbringen von Kennmarken auf den Waren.
  Kontrolle durch die Älterleute.
  c) Preisregelung.
2. Vorschriften für Produzenten.
  a) Der Umfang der Produktion wird geregelt.
  Bestimmung der Zahl der Arbeitskräfte, Arbeitszeit.
  b) Produktionskostenregelung.
  Gemeinsamer Kauf von Rohmaterialien.
  Festsetzung von Löhnen und Preisen.
  c) Qualitätsregelung.
  d) Regelung der Absatzfrage.
  Scharfe Trennung der Arbeitsgebiete und der Handelsart.
  Ort des Verkaufs.
  Verbot von Hausierhandel.
  Verhütung unlauteren Wettbewerbs.
  Bestimmung der Verkaufszeit.
  Verkauf durch "Nichtzünftige".
Kapitel V: Religiöses, geselliges u. militär. Leben i. d. Zünften 203
Abgaben für Lichte, Bahrtuch und Messen.
Der soziale Gedanke bei den Ämtern.
Kornaufkauf für Notzeiten.
Unterstützungskassen bei den Gesellen.
Amtsfestlichkeiten.
Die Wachtpflicht der Bürger und Ämter.
Art der Einberufung.
Zahlen der zu stellenden Gewaffneten.
Befreiung von Wachtpflicht.
Wehrabgaben.
Amtsharnisch.
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Kapitel I:

Historischer Überblick.

Die Stadt Wismar wurde 1226 neben einer bestehenden dörflichen Siedlung gegründet 1 ). Die Seelage war der Entwicklung der Stadt förderlich. Nach längerem Zwist mit den Landesherren gewann sie größere Selbständigkeit; durch den Erwerb der Vogtei 1373 2 ) und die Niederlegung des herzoglichen Turmes wurde Wismar von direkter Bevormundung frei. Sein engeres Bündnis mit den wendischen Städten seit 1283 und damit seine Teilnahme an der deutschen Hanse haben wesentlich zur günstigen Entwicklung des städtischen Lebens beigetragen 3 ).

Neben der günstigen Verkehrslage verdankt Wismar seinen Aufstieg vor allem der Tatkraft seiner Bürger, dem wagenden Unternehmungsgeist des Kaufmanns und dem nimmermüden Fleiß der in den Zünften organisierten Handwerker. Die folgende Darstellung des monographisch bisher noch nicht behandelten Zunftwesens der Stadt soll einen Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Wismars geben.

Das Handwerk der Stadt Wismar ist schon frühzeitig reich gegliedert gewesen. Im ältesten Stadtbuch 4 ), das die Zeit von etwa 1250 bis 1272 umfaßt, werden genannt: Bäcker, Schlachter, Fischer, Schuhmacher, Gerber, Schneider, Pelzer, Böttcher, Schmiede, Zimmerleute, Maurer, Krämer, Haken, ferner Brauer, Krüger, Garbräter, Heringswäscher, Grützmacher,


1) Friedrich Techen, Geschichte der Seestadt Wismar, Wismar 1929, S. 1.
2) Techen, a. a. O., S. 28.
3) Techen, a. a. O., S. 14.
4) Das älteste Wismarsche Stadtbuch von etwa 1250 bis 1272, herausgegeben von F. Techen (Festschrift zur Pfingsttagung des hansischen Geschichtsvereins), Wismar 1912.
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Wollenweber, Leinweber, Wandschneider, Hutfilter, Weißgerber, Beutler, Gürtler, Riemenschneider, Altschuster, Waffenschmiede, Schwertfeger, Goldschmiede, Grapengießer, Kannengießer, Kupferschläger, Kesselflicker und Töpfer. Vor 1290 begegnen noch: Reifer, Maler, Drechsler, Barbiere, 1292 bis 1294 Riemenschläger, Messerschmiede, Kerzenzieher, Bechermacher, Haardeckenmacher, 1296 Glaser; im Jahre 1472 wird ein Bernsteinpaternostermacher genannt 5 ). Man kann annehmen, daß die in den ältesten Ouellen noch fehlenden Gewerbe, wie Schlosser, Tischler, Sattler und andere Teilberufe, schon im 13. Jahrhundert vorhanden gewesen sind.

Die Gründe, die zur Entstehung von Ämtern geführt haben, sowie die Art der Entstehung selbst sollen hier nicht näher erörtert werden, da diese Probleme sich nur an dem Beispiel der altdeutschen Städte erörtern lassen und die hier entstandenen Zünfte im Kolonisationsgebiet des deutschen Nordens und Ostens als feste Institution übernommen worden sind. Das erste Vorkommen der Wismarer Zünfte können wir vor allem aus den Kämmereiaufzeichnungen von 1272 bis 1300 6 ) erschließen. Man kann aus ihnen einen Schluß ziehen auf engere Vereinigungen von Knochenhauern, Bäckern, Schustern, Krämern, Gerbern, Kupferschmieden und Bechermachern. Es heißt dort, daß die taberne carnificum solvunt 32 marcas, während die Abgabe für die domus pistorum 20 Mark beträgt. Das Gewerbe der Schuhmacher wird geschieden in solche, "qui operantur opus hyrcinum" - sie sollen für ihre "taberna" jeder 20 solidos geben, bis sie besser in Stand gesetzt sei - und solche, "qui operantur opus bovinum", deren Abgabe bedeutend geringer ist. Für die "taberna" der Krämer soll jeder 4 solidos jährlich geben. Die Küter zahlten jährlich nur 6 M. Es werden weiterhin Angaben gemacht über die Preise der Scharren auf dem Markte und ebenso über die Plätze, die von Handwerkern inne gehabt werden. Die Aufzeichnungen von 1290/91 7 ) lassen den Schluß zu, daß die Krämer, Bäcker, Grützmacher, Haken, Hutmacher, Knochenhauer, Gerber und Schuhmacher bereits am Ende des 13. Jahrhunderts korporativ organisiert waren. Dagegen läßt sich über die Stärke dieser Vereinigungen nichts


5) Wismarsches Ratsarchiv (später abgekürzt (R.A.) Tit. IX, Bernsteinpaternostermacher 1, 2.
6) Mecklenburgisches Urkundenbuch (später abgekürzt M.U.B.) Bd. 2, Nr. 1264.
7) M.U.B. 3, 2090.
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Sicheres ermitteln, da die Höhe der Abgaben anscheinend nicht gleich war, auch wohl nach der Größe des benutzten Hauses oder der Scharrenplätze sich unterschied.

Erst mit dem Anfang des 14. Jahrhunderts wird eine genaue Datierung bestimmter Organisationen möglich. In einer Gesellenordnung von 1321, März 26 8 ), treten uns die Böttcher als Gesamtheit entgegen; bald nach 1321 begegnen die Schmiede 9 ) als geschlossene Körperschaft. Böttcher und Schmiede aus den wendischen Städten schlossen damals Vereinbarungen untereinander ab. Bemerkenswert ist, daß die sonst übliche Versicherung des Einverständnisses der Ratmannen mit dem Vertrage in dem Schriftstück der Schmiede sich nicht findet. In derselben Urkunde wird die in einer Tonne Bier bestehende Strafe (Art. 1, 2) den gesamten Schmieden (omnibus fabris) zugesprochen. In späterer Zeit tritt an die Stelle der Gesamtheit der Schmiede als Empfänger von Strafgefällen das ganze Amt (officium). Auf Grund der erwähnten Städtevereinbarung ist 1356 ein Lehrvertrag 10 ) abgeschlossen worden; direkt genannt wird ein "officium" fabrorum in einem Dienstbriefe nach Lübeck im Jahre 1368, Oktober 4 11 ).

Die Gesamtheit der Wollenweber schließt 1329 einen Vertrag mit dem Rat wegen der Walkmühle ab 12 ); 1362, Januar 30, wird in einer anderen Abmachung auch zur Walkmühle 13 ) ein "officium lanificum" erwähnt.

Im Jahre 1336, März 3 14 ), schließt ein Ratmann mit zwei Schuhmachermeistern (magistris sutorum) einen Vertrag zwecks Lieferung von Schuhen an die Armen. Man geht wohl nicht fehl, in diesen beiden Meistern die Älterleute des Schusteramtes zu sehen, die für das Amt den Vertrag abschlossen.

Ein Amt der Knochenhauer darf man bereits 1342, August 28, annehmen, da zu diesem Zeitpunkt der Rat eine Willkür für die Knochenhauer 15 ) veröffentlicht. Die Festsetzungen von Kauf und Verkauf sowie von Höchstpreisen werden dem Amte


8) M.U.B. 6, 4265.
9) Hansische Geschichtsblätter (später abgekürzt HGbl.), Jahrgang 1899, S. 191/92.
10) M.U.B. 14, 8223.
11) M.U.B. 16, 9828.
12) M.U.B. 8, 5101.
13) M.U.B. 15, 8992.
14) M.U.B. 8, 5647; Werkmeister "des Amtes" = "magistri officii sutorum" werden 1355, Jan. 27, erwähnt: M.U.B. 13, 8034.
15) M.U.B. 9, 6230.
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mitgeteilt sein. Werkmeister und damit ein Amt werden 1353 allerdings zuerst genannt 16 ).

Das erste unzweideutige Zeugnis einer Organisation, der Bäcker 17 ), nimmt Techen erst 1345 an; es muß jedoch schon eher Ämter gegeben haben, da 1345, wohl aus Anlaß des aufgedeckten Verbündnisses bei den Bäckern, eine Ratsverordnung über die Morgensprachen der Ämter veröffentlicht wird 18 ). Es heißt dort: nullum "officiorum"; das Wort "officiorum" deutet auf den Bestand von mehreren Ämtern hin. Diese Ratswillkür ist das erste erhaltene offizielle Schriftstück, das den Ausdruck "officium" für eine Zunft anwendet. Die Zunft selbst ist aufzufassen "als der unter Sanktion der städtischen Obrigkeit errichtete Zwangsverband, dessen Mitgliedschaft die Voraussetzung für die Ausübung eines bestimmten Gewerbes innerhalb der Gemeinde ist" 19 ). Wird die Zunft nun als officium bezeichnet, so entspricht das der allgemein geltenden mittelalterlichen Auffassung, daß die Handwerker ihr Handwerk im allgemeinen Interesse auszuüben haben und nicht einem privaten Herrn oder eigenem Nutzen dienen 20 ).

Ein Amt der Schneider 21 ) wird in den Ratsstatuten von 1346, der Böttcher im selben Jahr 22 ), ein Amt der Leinweber 1350 23 ) genannt. Weitere Zeugnisse, die mit Sicherheit eine bestehende Organisation angeben, liegen vor: 1354 für die Kannen- und Grapengießer 24 ), 1355 für die Goldschmiede 25 ), 1367 für die Riemenschneider 26 ), Pelzer 1383 27 ), für die Reifer von 1387 28 ), die Krämer von 1397 29 ), die Gärtner von 1390 30 ), die Segelmacher um 1400 31 ).


16) M.U.B. 13, 7806.
17) M.U.B. 9, 6532.
18) M.U.B. 9, 6531.
19) Wörterbuch für Volkswirtschaft, 2. Aufl., Bd. 2, S. 1425.
20) Wb. f. Volkswirtsch., 2, S. 1425.
21) M.U.B. 10, 6665.
22) M.U.B. 10, 6684.
23) M.U.B. 10, 7133. Techen führt ein unzweideutiges Zeugnis für ein Leinweberamt erst 1394 an, wo in einer Verfestungsnotiz "wercmester van den lynnenweveren" genannt werden: M.U.B. 22, 12716.
24) M.U.B. 13, 7904.
25) M.U.B. 13, 8165.
26) M.U.B. 16, 9688.
27) M.U.B. 20, 11 501.
28) M.U.B. 21, 11 870.
29) M.U.B. 23, 13 090.
30) M.U.B. 21, 12 184.
31) M.U.B. 24, 13 729.
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Die Verhältnisse des 15. Jahrhunderts und der späteren Zeit lassen sich mit größerer Sicherheit auch aus den Zunftrollen erschließen. Man versteht unter den "Rollen" vom Rat erteilte Amtsstatuten, die auf Pergament, in späterer Zeit auch auf Papier aufgezeichnet, zusammengerollt in der Amtslade aufbewahrt wurden. Die ältesten erhaltenen Rollen 32 ) sind die Rolle der Goldschmiede (1380) a ), Wollenweber (1387) b ), Reifer (1387) c ), Kannengießer (1387) d ), Krämer (1397) e ), Bäcker f ) und Schneider g ) (1398), der Wandscherer (vor 1400), Schiffszimmerleute (1415), Wandschneider (um 1420), Schwertfeger (um 1450), Toffelmacher (um 1480), Hutmacher (1484), Malergesellen (1490), Glasergesellen (1497), Tischler (1500), Altflicker (um 1550), Maurer (1568), Nadler (1588), Stellmacher (1637). Der Text anderer Rollen - das Original ist meist verloren gegangen - ist abschriftlich verzeichnet im Ratswillekürbuch 33 ) und in der Rollensammlung des Gewetts 34 ), einer Anzahl von Bänden aus späterer Zeit, deren Abschriften, soweit ein Vergleich mit dem Original möglich war, geringfügige Schreibunterschiede aufweisen. Es sind die Rollen der Haken (1407) 35 ), Garbräter (1435) 36 ), Bechermacher (1489) 37 ), Gläser (um 1490) 38 ), Buntmacher (Buntfutterer) (von 1497) 39 ), Kleinwandmacher (1560) 40 ). Einzelne Rollen, die dem Verfasser jedoch nicht zugängig waren, führt Techen noch an 41 ): der Zimmerleute (1421), Barbiere, Grützmacher, Tubbenmacher (etwa 1530), Altschneider (1588), Bremelsmacher (1589), Drechs-


32) a) M.U.B. 19, 11 293.
b) M.U.B. 21, 11 869.
c) M.U.B. 21, 11 870.
d) M.U.B. 21, 11 889.
e) M.U.B. 23, 13 090.
f) M.U.B. 23, 13 376.
g) M.U.B. 23, 13 354.
a) a) M.U.B. 19, 11 293.
b) b) M.U.B. 21, 11 869.
c) c) M.U.B. 21, 11 870.
d) d) M.U.B. 21, 11 889.
e) e) M.U.B. 23, 13 090.
f) f) M.U.B. 23, 13 376.
g) g) M.U.B. 23, 13 354.
33) Das Ratswillekürbuch (später abgekürzt Rwb.) lag vor im Original und in Abschrift von Dr. Crull.
34) Später abgekürzt: Rs. - Die ältesten Zunftrollen sind auch gedruckt bei: C. C. H. Burmeister, Altertümer des Wismarschen Stadtrechts, Hamburg 1838, S. 45 ff.
35) R.A. Rwb. fol. 18.
36) R.A. Rwb. fol. 59/60.
37) R.A. Rs. vol. 1, S. 78 ff.
38) R.A. Rs. vol. 1, S. 212 ff.
39) R.A. Rs. vol. 1, S. 112.
40) R.A. Rwb. fol. 60-63.
41) Techen, Geschichte Wismars, S. 41 Anm. 10.
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ler (1591), außerdem eine Anzahl von Rollen des späteren 17. und 18. Jahrhunderts.

Der enge Zusammenschluß der das gleiche Gewerbe treibenden Handwerker tritt uns nicht nur in der zunftmäßigen Organisation, sondern auch in der Tatsache entgegen, daß die Handwerker gleicher Art straßenweise zusammenwohnten. Die Straßen des Mittelalters hatten ihren Namen in erster Linie dem Volksmund und dann wohl erst obrigkeitlicher Bestimmung zu verdanken. Begegnet uns im heutigen Straßenbild also ein Handwerksname, der nachweislich aus älterer Stadtzeit stammt, so können wir annehmen, daß zu irgendwelcher Zeit dort Handwerker ihren Wohnsitz hatten. In Wismar treffen wir eine größere Zahl solcher Straßennamen 42 ), wenn auch nicht in dem Ausmaße wie in Rostock. Die Böttcherstraße begegnet bald nach 1260 als platea dolificum, ungefähr 1265 als platea bodekariorum, 1475 boddekerstrate genannt, die Fischerstraße 1428 als platea piscatorum (1475 im Wachtregister fischerstrate genannt). Die Gerberstraße ist bald nach 1260 als strata cerdorum (1475 als gherverstrate), die Grützmacherstraße seit 1408 (platea pultificum, 1475 ghruttemakerstrate), die Kleinschmiedestraße 1440 als platea cleensmede (um 1475 in einzelnen Wachtregistern: mestmakerstrate, mesmakerstrate, meskenstrate, klensmedestrate) nachzuweisen. Die Krämerstraße findet sich bereits bald nach 1260, kremerstrate und kramerstrate heißt sie 1467 und etwa 1540. Eine heute nicht mehr vorhandene Küterstraße wird 1277 als antiqua platea kuterum genannt. Die Sargmacherstraße begegnet 1367 und 1371 als platea sarckmaker bzw. zarckmakerstrate. Die heutige "Groß"schmiedestraße wird ihren Namen dem Gegensatz zur Kleinschmiedestraße verdanken. Bald nach 1270 wird sie als platea fabrorum angeführt, um 1375 heißt sie Smedestraße. Die jetzige Schüttingstraße (dieser Name rührt von dem dort ehemals belegenen Krämerversammlungshause her) hat manchen Namenswechsel erlebt; 1452 43 ) wird sie als remensniderstrate genannt. Die Weberstraße erscheint 1273 als platea textorum (1400 als weverstrate). Die Altböterstraße, 1342 platea judeorum, wird 1475 ebenfalls im Wachtregister als oltboterstrate genannt. Ein Altböter ist ein Altschuster, heute wohl Flickschuster genannt.


42) Vgl. Techen, Die Straßennamen Wismars, M.J.B., Bd. 66, 1901, S.65 ff.
43) R.A. Tit. IX. Rotes Buch der Krämer, S. 24.
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Die zunehmende Bedeutung und das wachsende Ansehen der zunftmäßig organisierten Gewerbe nährten den Wunsch der Handwerksämter, ein Mitbestimmungsrecht am Regiment der Stadt zu erhalten. Das führte in Wismar, wie in vielen anderen Städten Deutschlands. zu inneren Kämpfen zwischen dem demokratischen Element der Zünfte und dem städtischen Rat, der sich in Wismar zum größten Teil aus Kaufleuten, anfangs vielleicht aus den Gründern der Stadt und ihren Nachkommen zusammensetzte. Der Rat scheint in der älteren Zeit nicht ausschließlich aus den reicheren Kaufleuten bestanden, sondern auch vereinzelte Handwerker in sich aufgenommen zu haben. Wenigstens wird uns um 1250 der Schmied Marquart als Ratsmitglied erwähnt 44 ); zwischen 1250 und 1258 hatte derselbe eine Bürgermeisterstelle inne 45 ). Unter den Vorstehern des Hospitals zum Heiligen Geiste wird nach 1283 neben den Bürgermeistern ein Handwerker genannt: Jordanus pellifex 46 ). Die Aufsicht über das Hospital stand nach Mitteilungen aus späterer Zeit aber dem Rate zu 47 ). Im Jahre 1332 gehörte zu den Provisoren noch ein Bäcker. Als letzter Handwerker im Rat ist der Gerber Hinrik bi der Muren erweisbar, der bis 1322/23 den Bürgermeisterposten inne hatte 48 ).

Mehr und mehr jedoch verengerte sich der Kreis des Rates und setzte sich immer ausschließlicher aus Brauern und Kaufleuten zusammen - die Gewandschneider, und seit 1661 wurden auch die Krämer ihnen zugezählt 49 ) -, die Ihren Verwandten die Ratsposten vorzubehalten versuchten.

Die Handwerker fühlten sich benachteiligt, und die Unzufriedenheit wuchs, je mehr das entstehende städtische Patriziat die Alleinherrschaft beanspruchte. Der Rat versuchte, offenem Aufruhr vorzubeugen, und bereits gegen Ende des 13. Jahr-


44) M.U.B. 1, 649: . . . quando dominus Marquardus faber et Heinricus de Bukowe "loquebantur verbum civitatis" . . .
45) M.U.B. 1, 648. Bi der tit, dat her Thitmar van Bucowe unde her Radolf de Vrese spreken der stades wort to der Wissemare unde her Marquart "de smith" . . . des rades plagen . . . Es handelt sich hier wahrscheinlich um eine Handwerksbezeichnung, da die Familiennamen - als solcher wäre smith später anzusehen - erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts anfangen, fest zu werden.
46) M.U.B. 3, 1531, 1657.
47) Techen, Geschichte Wismars, S. 51, und Techen, M.J.B. 55, S. 17, 18.
48) Techen, Geschichte Wismars, S. 43.
49) Techen, a. a. O., S. 43 Anm. 25.
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hunderts wurde eine Verordnung veröffentlicht, nach der es ohne Ratswissen nicht gestattet sein sollte, mehr als 10 Personen im Hause zu versammeln 50 ). Im Jahre 1345 griff der Rat entscheidend ein 51 ). Man hatte von der Ableistung eines geheimen Schwurs bei Eintritt in das Bäckeramt erfahren; danach sollten die Amtsmitglieder vor dem Rate nie etwas gegen das Amt unternehmen dürfen. Daraufhin wurden die Werkmeister ihres Amtes entsetzt. Eine Neuwahl von Älterleuten sollte fortan nur vor den Bürgermeistern und mit deren Rat und Willen stattfinden. Zusammenkünfte sollten ebenfalls nur in Gegenwart von zwei Bürgermeistern erlaubt sein. Im selben Jahr wird wohl nach dem erwähnten Anlaß bei den Bäckern die Anwesenheit von Ratsabgesandten bei den Ämtermorgensprachen zur Pflicht gemacht 52 ). Bei Ungehorsam werden für beide Male hohe Strafen angesetzt. Im Jahre 1373 um Juni 24 stellte der Rat ein bereits seit mehr als 30 Jahren bestehendes Verbündnis bei den Knochenhauern fest 53 ). Sie hatten nicht nur den Schwur zugunsten des Amtsbesten in der geheimen Amtsabmachung festgelegt, sondern sogar die Zahl des Schlachtviehes vom Amtsermessen abhängig gemacht. Den Werkmeistern wurde die Handwerkslizenz für dauernd entzogen, neue Meister wurden vom Rate erwählt. Mit dem Vorgehen gegen die Ämter hing auch wohl die Ratswillkür von 1379, Januar 6, zusammen, die den Ämtern nur die Zugehörigkeit zu einer Gilde gestattete und das Ausscheiden der Ämtergenossen aus der Papagoiengesellschaft anordnete: "da mosten de bedderven lüde de schütten de ammethe von sick sünderghen" 54 ). In der Bürgersprache von 1381, Mai 23, wurde nochmals öffentlich auf das Gebot, nur einer Gilde anzugehören, hingewiesen 55 ).

In den nächsten Jahrzehnten ist von Unstimmigkeiten nichts bekannt; beseitigt ist aber die Ursache der Unzufriedenheit mit dem Vorgehen gegen die Ämter nicht. Das 14. Jahrhundert hatte den wendischen Städten eine Steigerung ihrer politischen Macht und wirtschaftlichen Bedeutung gebracht. Das Bewußtsein davon hatte sich auch den Handwerkern mitgeteilt, die das Fehlen des Mitbestimmungsrechtes in Stadtangelegenheiten um


50) M.U.B. 4, 2647.
51) M.U.B. 9, 6532.
52) M.U.B. 9, 6531.
53) M.U.B. 18, 10 337.
54) M.U.B. 19, 11 162.
55) M.U.B. 20, 11 341, Art. 1.
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so mehr empfanden. Als sich nun der Anlaß zu wirksamem Vorgehen gegen die Vormachtstellung des Rates bot, ließ man die Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen 56 ).

In Lübeck war der Bürgerschaft 1408 eine Anteilnahme am Stadtregiment zugestanden. Die Ämter hatten in einem, neben dem neugewählten Rat bestehenden Ausschuß von 60 Mitgliedern einen bedeutenden Teil der Sitze erhalten. Das Patriziat war nicht mehr allein ausschlaggebender Faktor in der Stadtverwaltung.

Lübische Propagandisten zogen nach Wismar, um auch dort eine Umwälzung vorzubereiten und im Falle der Reaktion in der Stadt einen Verbündeten zu haben. Hier fanden die Aufwiegler ein günstiges Feld für ihre Pläne. Durch die Kriege gegen Dänemark im Interesse Albrechts von Schweden, des mecklenburgischen Herzogsohnes, waren die städtischen Ausgaben gewaltig gestiegen. Die Bürgerschaft spürte dies an steigenden Steuern und verlangte, wie es scheint, Aufschluß über das Ausmaß der Geldausgaben. Ein Kontrollausschuß von 100 Leuten 57 ), der teils aus Ämtervertretern, teils aus Bürgern 58 ) bestand, verstand es, mehr und mehr Einfluß in Gesetzgebung und Verwaltung zu gewinnen, so daß der alte Rat 1411 abdankte. Von 1409 bis 1411 findet man in den Verwaltungsstellen neben den Mitgliedern des alten Rates solche des neuen Regiments, nach März 1411 nur noch neue Machthaber. Diese eigenartige Lage wird bei der Erteilung der Bäckerolle 1410, November 14 59 ), zum Ausdruck gebracht. Im neuen Rate waren vertreten die Amtsmeister der Wollenweber Klaus Jesup, der noch 1427 besonders hervortrat, ein Schmied, ein Knochenhauer, ein Werkmeister der Böttcher und einer der Krämer 60 ). Die Ratsämter wurden stärker besetzt.


56) Zu dem folgenden vgl. Techen, Die Wismarschen Unruhen im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts, M.J.B. 55, S. 1 ff., und Techen, Geschichte Wismars, S. 50 ff.
57) Techen, M.J.B. 55, S. 17, Anm. 3.
58) Vertreter der Ämter und Bürger sind nicht gleichzusetzen, da man die gesamte Stadtbevölkerung schied in erb- und später eingesessene Bürger, Ämter und Gemeinheit. Nur wer ein volles Haus in Besitz hatte, war Bürger im eigentlichen Sinne des Wortes; er hatte sich auch einen ganzen Harnisch zu halten. Vgl. Techen, Gesch. Wismars, S. 40.
59) Burmeister, a. a. O., S. 59, Nr. 10.
60) Ob auch die ersten Werkmeisterstellen inne hatten, ist nicht bestimmt. Bei Jesup kann man es annehmen, da sein Auftreten die Bedeutung eines gewöhnlichen Amtsmeisters übersteigt.
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Von 24 Ratsmitgliedern werden 8 Vertreter der Ämter gewesen sein.

Der enge Zusammenhalt mit Lübeck bestand bis 1416. Als man aber an der Trave die alten Zustände wiederherstellte, ließ sich auch eine Restauration in Wismar nicht aushalten. Nach einer Sühnezahlung an die Herzöge nahmen diese die Wiedereinsetzung der alten Ratsmitglieder vor. Von den Ämtern wurde niemand in den Rat genommen, und auch der Kontrollausschuß der Hunderter wurde beseitigt. Am 30. Juni 1416 war somit der Einfluß der Handwerker auf das Stadtregiment wieder aufgehoben, der erste Versuch, die wirtschaftlich bedeutende Stellung auch politisch auszunutzen, war gescheitert.

Die Folge war eine Zahl von Verordnungen gegen Ruhestörer, besonders in den Ämtern. Es sollten bei der Ausnahme ins Amt den Älterleuten keine Eide geschworen werden, die Dienstbriefe waren von Rat zu Rat zu bringen. Der erste Artikel der Knochenhauerrolle von 1417, März 18, enthält besonders betont das Verbot einer Verbindung gegen den Rat und die Warnung für die Älterleute, keine besonderen Eide im Amt aufrecht zu erhalten 61 ). Der Hansetag von 1418 plante die Todesstrafe für öffentliche Ratsgegner und deren Begünstiger sowie die Acht für Städte, die solche Aufrührer schützten.

Den Anlaß zu weiteren Unruhen bildeten kriegerische Verwicklungen mit Dänemark. Die Kriegshandlungen verliefen ungünstig und endeten zur See mit dem Verlust von zwei Handelsflotten. Dies war das Signal für die unzufriedenen Bürger Wismars, gegen den Rat vorzugehen. Der Anführer der Ämter war Klaus Jesup, der von 1411 bekannte Wollenweber; ihm zur Seite standen ein Bäcker Hamborch, ein Schuhmacher Bantekow sowie ein Krüger. Als Hauptmitwirkende werden in der zeitgenössischen Chronik des Johann Werkmann 62 ) neben den Amtleuten solche Bürger angeführt, "die vor 11 Jahren im Regimente waren". Man sprach von der Gefahr eines Überfalles auf die Stadt und warf dem Rat mangelnde Fürsorge vor. Einzelne Ratmänner wurden sogar des Einverständnisses mit dem Dänenkönig verdächtigt. Der


61) In der gleichzeitigen Rolle der Bäcker und Wollenweber findet sich diese Bemerkung nicht. Man dachte bei den Fleischern wohl an die Vorgänge von 1372, oder sollte man eine besondere Beteiligung bei den letzten Unruhen folgern können?
62) M.J.B. 55, S. 96 ff.
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Rat überließ den durch Jesup vertretenen Ämtern die Bewachung der Stadt, die nun, da sie die Macht in Händen hatten, nicht mit weiterem Vorgehen zögerten. Es kam zur Einsetzung eines Ausschusses, der Rechenschaft wegen der Versäumnis im dänischen Kriege fordern sollte. An die Stelle des ursprünglichen Ausschusses von 36 Mitgliedern (24 Bürgern und 12 Amtleuten) trat ein Sechziger-Ausschuß, der unter Führung von Handwerkern stand und zu entschiedenem Vorgehen gegen den Rat entschlossen war. Die Bürgerschaft wurde völlig eingeschüchtert; Jesup sorgte durch versteckte Drohungen und häufige Demonstrationen militärischer Art dafür, daß sich ein Widerstand gegen seine Unternehmungen nicht hervorwagte.

Man wollte wegen der Niederlage im Kriege vor den Bürgern Rechenschaft fordern und bei dieser Gelegenheit den entscheidenden Schlag führen. Durch bewaffnete Handwerker wurden die Bürger in Schach gehalten; es gelang den Anhängern Jesups, den Anführer der Wismarschen zur See, den Ratmann Hinrik van Haren, gefangen zu setzen. Am nächsten Tage wurde auch der erste Bürgermeister, Johann Bantzekow, als er anscheinend fliehen wollte, zur Sicherheit in den Turm gesetzt, "um ihn vor der Volksmenge zu schützen". Damit waren die Häupter der Gegengruppe unschädlich gemacht und der Weg für die Aufständischen frei.

Beide Ratsherren wurden nach kurzem Gerichtsverfahren auf offenem Markte hingerichtet, obwohl Ihnen in der gerichtlichen Verhandlung keine eigentliche Schuld nachgewiesen werden konnte.

Der Rat war seiner Führer beraubt, selbst aber noch nicht ausgeschaltet, da er noch nicht als Verräter überführt war. Um dies zu erreichen, verwies man auf das vom Rate mit Dänemark abgeschlossene Bündnis im Jahre 1423, von dem die Bürgerschaft bei der Ausfertigung wohl keine Kenntnis erlangt hatte. Mit Hilfe der Landesherrschaft erreichte man die Absetzung des alten Rates.

Der neue Rat wurde nach Huldigung der Herzogin Katharina von Mecklenburg von ihr eingesetzt und in den alten Privilegien bestätigt. Eine Ergänzung aus Bürgerschaft und Ämtern sollte ihm gestattet sein. Der Sechziger-Ausschuß blieb bestehen. Eine Änderung in der äußeren Politik trat nicht ein; im Innern hatten die Ämter namentlich auch im Ausschuß der Sechzig das Übergewicht. Die Unzufriedenheit der Bürger

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war dennoch nicht beseitigt, Neid und Mißgunst trieben weiter ihr heimliches Spiel.

Ein Umschwung im Innern wurde durch die Söhne des hingerichteten Bürgermeisters herbeigeführt. Durch die königliche Acht und mit Hilfe der Feme wurde die Stadt unter Androhung schwerster Strafen zum Nachgeben gezwungen. Zur Sühne der Hinrichtung der Ratsherren mußte eine Kapelle errichtet werden, die Bantzekowsche Sühnkapelle, die bis 1850 bestanden hat. Aber neben diesem Eingeständnis des begangenen Unrechts war die Beseitigung der neuen Einrichtungen ein weit schwererer Schlag für die neuen Machthaber. Der neue Rat mußte abdanken, Abbitte leisten und für alle Zeiten eine gehorsame Haltung gegenüber Rat und Stadt angeloben. Der Sechziger-Ausschuß sollte für immer beseitigt werden. Wichtig ist, daß alle Amtshandlungen, sofern sie nicht gegen Landesherrschaft oder Angehörige des alten Rates gerichtet waren, ihre Gültigkeit behalten sollten. Die große Linie der städtischen Politik blieb gewahrt. Die Selbständigkeit der Ämter wurde eingeschränkt, da sie fortan ihre Vorsteher auf ihre Bitte vom Rate empfangen sollten 63 ). Jeder Bürger sollte bei seiner Aufnahme in den Stadtverband Gehorsam gegen den Rat geloben und eidlich versprechen, nichts gegen ihn zu unternehmen.

Durch diese Vorgänge war jedoch auch bei den Regierenden die Einsicht durchgedrungen, daß auch "Außenstehende" am Rate beteiligt werden müßten. Als wenige Wochen nach der Restauration des alten Rates eine Ergänzung stattfand, waren unter den Neuhinzukommenden vier ehemalige Mitglieder des revolutionären Rates 64 ). Die Bürgermeisterposten hatte man aber schon vorher besetzt, um etwaigen Ansprüchen zuvor zu kommen.

Zu neuen Unruhen 65 ) kam es 1520 und 1522. Einige Ratmänner hatten für fremde Rechnung Korn ausgeführt und dadurch eine erhebliche Preissteigerung verursacht. Nach längerem Zwist mußten die Kornkäufer "der Meinheit Abtrag tun". Nun, da der Streit wieder angefacht war, suchte man weitere Beschwerdepunkte. Die Bürger begehrten Rechenschaft von etlichen Jahren, um zu erfahren, "ofte men der guden stadt konde helpen edder nicht". Der Rat bewilligte dies, und zur Prüfung wurde ein Ausschuß von 20 Bürgern und 20 Amt-


63) M.J.B. 55, S. 82 (Art. 16 der herzoglichen Sühnurkunde).
64) Techen, Geschichte Wismars, S. 56.
65) Techen, a. a. O., S. 109-111. R.A. Crull, Collectanea II, 1.
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leuten von der Gemeinheit gewählt. Die Rechenschaftsablage wurde jedoch nicht klar befunden. Der Ausschuß stellte seine Arbeit also ein, wurde für die fleißige Arbeit bedankt und von den Eiden befreit. 1524 bereits wurden allen Stadtämtern und den Gotteshäusern, "buten und binnen belegen", je ein Bürger und ein Amtmann zugeordnet; später jedem Gotteshausvorstand vier Personen, drei Bürger und ein Amtmann, die zu dem Ausschuß in der Anzahl von 20 gehören sollten und vom Rate mit dem Vierziger-Ausschuß zusammen gewählt wurden. Nach zwei Jahren sollte stets mit dem Austritt von zwei Mitgliedern und dem Eintritt von zwei neuen eine Rechenschaftsablage stattfinden. Den Vorstehern stand die Benennung ihrer Nachfolger zu, ebenso wurde dem Vierziger-Ausschuß das Recht der Selbstergänzung erteilt. Im Jahre 1537, Februar 16, wurde dem Rate das Regiment der Stadt wieder aufgetragen und ihm allein überlassen 66 ).

Während des ganzen 16. Jahrhunderts hatten die Reibereien zwischen Stadtführung und Bürgern nicht aufgehört. Steuerliche Belastung und vermeintliche Ratsvorrechte waren steter Grund zur Unzufriedenheit. Im ersten Bürgervertrag von 1583 67 ) wurde dann eine Regelung der Beziehungen zwischen Rat und Bürgerschaft getroffen. Ein ständiger Ausschuß aus 20 Bürgern und 20 Handwerkern sollte dem Rate zur Seite stehen; die Mitgliedschaft war lebenslänglich; bei einer notwendig werdenden Ergänzung sollte der Rat aus drei vom Ausschuß gemachten Vorschlägen einen Mann auswählen. Die Mehrzahl der Vertreter der Ämter wurde aus den vier großen Gewerken, den Wollenwebern, Schuhmachern, Schmieden und Bäckern genommen. Der Ausschuß wurde an der Akziseverwaltung beteiligt und die Ausgaben von ihm überwacht, bei Rechnungsaufnahmen für Kämmerei, Akzise, Wasserleitung, Gerichtsgefälle und Gewett sollte der Rat fortan der Mitbestimmung der Ausschußvertreter unterworfen sein. Änderungen der Bürgersprache und der Erlaß neuer Statuten sollten nur mit Einwilligung des Ausschusses vorgenommen werden.

Als die Zwistigkeiten andauerten, fand 1598 auf herzogliche Anordnung eine Neuwahl des Ausschusses und der Worthalter statt, die Rechte des Rates wurden weiter eingeschränkt.


66) R.A. Protocolli inter senatum et cives I, 4, 2 p. 10 von 1580, April 26. Mitteilung über Unruhen 1523 ff.
67) Zum folgenden vgl. Techen, Geschichte Wismars, S. 176 ff.
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In die Verwaltung des städtischen Vermögens wurde der Ausschuß eingeschaltet, da die Festsetzung von Zusatzsteuern von seiner Einwilligung abhängig gemacht wurde.

Der Streit um kleinliche Rechte zuungunsten des gemeinen Besten ging weiter, und erst im Jahre 1600 kam es im dritten Bürgervertrage zu einer endgültigen Regelung. Stets war die Kämmerei einer der Hauptangriffspunkte gewesen. Nun wurde bestimmt, daß neben den beiden Kämmereiherren von 12 Ausschußmitgliedern je zwei - von Bürgern und Ämtern abwechselnd - bei der Geldeinnahme Beistand leisten sollten bis zur Begleichung der Stadtschulden durch die Akzise. Die übrigen Rechte blieben bestehen. Der Vorschlag der Ergänzungsmitglieder für den Ausschuß fiel diesem selbst, nicht wie 1598 der Gemeinde, zu. Den Ämtern wurde ein zweiter Worthalter zugestanden, so daß sie nun den Bürgern gleichgestellt waren.

Mit der Gewährung dieses zweiten Worthalters für die Ämter und mit ihrer Beteiligung am Ausschuß wurde entsprechend der tatsächlichen Bedeutung nun auch die politische Gleichberechtigung in der Stadt bekundet. Hatte das Jahr 1427 den Höhepunkt sinnfälliger Macht bedeutet, so war mit dem Jahre 1600 erst dieser Macht gesetzlicher Ausdruck verliehen worden. Die Ämter waren in das Stadtwesen eingegliedert, das Streben nach Mitverantwortung und Beteiligung am Regiment hatte sein Ziel erreicht.


Kapitel II:

Verfassung und Verwaltung.

Die zunehmende Bedeutung des Handwerks in der Stadt erklärt es, daß die Handwerker allmählich sich bemühten, Anteilnahme am Stadtregiment zu erlangen. In dem Maße aber, wie die Zünfte nach außen hin von direkter Bevormundung des Rates frei wurden, steigerte sich der Einfluß der Obrigkeit auf ihre Entschlüsse im Innern. Es brach sich die Auffassung Bahn, daß das Handwerk ein Amt sei, das zum Wohl der gesamten Stadt von einzelnen dazu Befähigten ausgeübt werde. Damit wurde aus dem ursprünglich privatrecht-

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lichen Verband der Gewerbetreibenden eine öffentlich-rechtliche Organisation, die dem Aufsichtsrecht der Stadtobrigkeit unterlag. In welchem Grade sich der Einfluß des Rates auf die Gestaltung der Zunft ausgewirkt hat, ist für uns heute fast nur aus den Statuten derselben ersichtlich. Die Bedeutung der Amtsordnungen als Quellen der Entwicklung ist neuerdings besonders von Dieling 68 ) betont worden.

Da im deutschen Kolonisationsgebiet des Nordens und Ostens wohl sehr früh die Auffassung vom Handwerk als übertragenem Amt - wie der Ausdruck "officium" es besagt - herrschend war, so finden wir die "reine Willkür" 69 ) nur selten, selbst in der ersten Zeit der Zunftbildung. Sie war entstanden allein durch den Willen der Genossenschaftsmitglieder, ohne Bestätigung der Obrigkeit. Als Beispiel mag genannt werden die Vereinbarung der Schmiede von Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald, Hamburg und Stade, die dem Anfang des 14. Jahrhunderts angehört 70 ). Die Urkunde zeigt keine Spur obrigkeitlicher Mitwirkung bei ihrem Zustandekommen, ferner erscheinen die Handwerker in der ersten Person pluralis; beides sind nach Dieling 71 ) Zeichen der reinen Willkür.

Die überwiegende Zahl wismarscher Zunfturkunden gehört zu den "obrigkeitlichen Ordnungen" 72 ). Das betreffende Handwerk, dem die Rolle erteilt wurde, war für das Stadtwesen so wichtig geworden, daß die Behörde sich ein Aufsichtsrecht über die Vorgänge und Maßnahmen in der Zunft sichern wollte. So wurde die Rolle erteilt, jedoch mit der Einschränkung, sie jederzeit ändern oder gar widerrufen zu können 73 ). Wenn auch der Rat diese Amtsordnungen von sich aus erließ, so wird die Anregung dazu doch meistens von den Gewerbetreibenden ausgegangen sein, die auch bei der Rollenabfassung "von Rats wegen" nicht ungefragt ihre Rolle erhielten. Eine solche ist


68) Vgl. Friedrich Dieling, Zunftrecht, eine Rechtsquellenstudie mit besonderer Berücksichtigung des Schneiderhandwerks (Heidelberger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 15), Heidelberg 1932. Seine Formulierungen sollen hier beibehalten werden.
69) Dieling, a. a. O., S. 11.
70) HGbl. 1899, S. 191/92.
71) Dieling, a. a. O., S. 12.
72) Dieling, a. a. O., S. 23 ff.
73) M.U.B. 10, 6665. Schneider-R. von 1346, um Juni 29: ". . . quamdiu dominis meis placuerit et donec infringere duxerint vel inmutare seu omnino revocare."
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erbeten worden 1411, Februar 2, von der Bruderschaft der Schiffszimmerleute 74 ), von den Schwertfegern um die Mitte des 15. Jahrhunderts 75 ) und von den Nadlern im Jahre 1588 76 ). Die Rolle der Schiffszimmerleute ist vom Rate nicht offiziell anerkannt, aber auch wohl nicht zurückgewiesen worden; 1415 haben die Schiffszimmerleute in einem Hause der Grützmacherstraße 100 M. zum Lesen ihrer Messe und ihres Gottesdienstes eintragen lassen. Die Rolle von 1674, März 31, greift auf Artikel derselben von 1411 zurück. Die Schwertfegerrolle wird bestätigt sein, da eine aus dem Jahre 1570 ungefähr vorliegende Abschrift kaum nach dem unbestätigten Original angefertigt worden wäre. Die Nadler, die manches Spottwort erdulden mußten in anderen Städten, weil sie "keine Gerechtigkeit haben", erhielten ihre Rolle im Jahre 1588, August 25 77 ), in den wesentlichen Punkten unverändert nach dem eingereichten Konzept.

Aufzeichnungen in den Amtsbüchern der einzelnen Zünfte kann man wohl in die Reihe der sog. "bestätigten Willküren" 78 ) zählen, auch wenn eine besondere Bemerkung hierüber fehlt. Da in späterer Zeit, im 16. Jahrhundert, die Rollen vom Rat erteilt wurden, so werden auch solche Zusatzartikel, Aufzeichnungen bestehenden Gewohnheitsrechtes, den regierenden Herren zur Kenntnisnahme vorgelegt worden sein. Zu erwähnen sind hier Aufzeichnungen über Gewohnheiten bei den Goldschmieden 79 ), Kistenmachern 80 ), Zinngießern 81 ), Riemern und Beutlern 82 ).

Nicht allein an der Erfüllung der Rollenvorschriften hatte der Rat ein Interesse, sondern er war auch bestrebt, seine Einkünfte zu vermehren. Man findet darum als Zeichen der Ausstellung einer Rolle durch die Obrigkeit meistens die Bestimmung, daß ein gewisser Teil der Strafgefälle dem Rate


74) R.A. Tit. IX, Schiffszimmerleute.
75) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, 1.
76) R.A. Tit. IX, Nadler, 2.
77) R.A. Tit. IX, Nadler, 3.
78) Dieling, a. a. O., S. 15f.
79) Friedrich Crull, Das Amt der Goldschmiede zu Wismar, Wismar 1887, S. IV ff., Anl. III.
80) R.A. Crull, Collectanea (später abgekürzt: Crull, Coll.) II, 20.
81) R.A. Crull, Coll. II, 20, Ämter, Zinngießer-Amtsbuch.
82) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtsbuch der Riemer und Beutler.
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zufällt 83 ). Einen Teil erhielten die Werkmeister, das Amt wurde durch Bier entschädigt. Die an den Rat zu zahlende Strafe wurde innerhalb einer Frist von vier Wochen durch die Wetteherren eingezogen 84 ).

Die Bestimmung, daß auf größeren Amtsversammlungen, den Morgensprachen, Ratsabgesandte anwesend sein mußten, wurde bereits erwähnt 85 ). Auch in dieser Anordnung liegt ein nicht zu unterschätzendes Mittel des Rates, seinen Einfluß stets geltend zu machen und unliebsame Maßnahmen durch sein Einspruchsrecht zu verhindern.

Besondere Sorge mußte dem Handwerksnachwuchs von seiten der Zunft gewidmet werden, um die Leistungen auf der Höhe zu halten und den untadeligen Ruf des Handwerks zu wahren. Darum ist die Bestimmung der Zünfte erklärlich, daß die Lehrlingsannahme nicht durch den Meister allein erfolgen sollte. In der Rolle der Hutfilter von 1484, Juli 16 86 ), begegnet die Anordnung, daß die Lehrlingszusetzung vor den Werkmeistern geschehen sollte als der obersten Instanz in der Zunft; ähnlich heißt es in der Rolle der Gläser von ungefähr 1490 87 ), der Tischler von 1500, Febr. 4 88 ), der Stellmacher von 1637, Juni 29 89 ). Im Amtsbuche der Riemer und Beutler lautet die Bestimmung von 1572 90 ), daß der Meister die Zusetzung des Lehrlings den Älterleuten anzeigen soll. In manchen Ämtern wieder war es Sitte, daß das ganze Amt der Lehrlingsannahme beiwohnte; so bei den Buntmachern 91 ), den Krämern 92 ) und bei den Kannen- und Grapengießern 93 ).


83) Die Höhe der Abgabe ist nach den einzelnen Rollen nicht gleich. In den ersten erhaltenen Rollen (vgl. Anm. 32 Kap. I) heißt es stets: "bi broke dem rade en half punt unde den werkmesteren sos penninghe". - In der Rolle der sniddeker, kunthor- und kistenmacher von 1500, Febr. 4 (R.A. Tit. IX, Tischler, 1), lautet die Formel: ". . . soll wedden dem rade drei marck sielberß und dem ampte eine tunne bierß".
84) M.U.B. 9, 5775.
85) Vgl. Kap. I, Anm. 52.
86) R.A. Tit. IX, Hutfilter, 1, Art. 7.
87) R.A. Rs. vol. 1, S. 212, Art. 16.
88) R.A. Tit. IX, Tischler, 1, Art. 8.
89) R.A. Tit. IX, Stellmacher, 3, Art. 5.
90) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtsbuch, Art. 11.
91) R.A. Rs. vol, 1, S. 112, Art. 5.
92) R.A. Tit. IX, Krämer, R. von 1587, Febr. 22, Art. 8. R.A. Tit. IX, Krämer, Buch von 1604, V.
93) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtsbuch, S. 164.
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Der Nachweis der ehelichen Geburt war für den einzelnen und auch für die Zunft von Bedeutung. In den meisten Ämtern, bei denen die Lehrlingsfrage besonders behandelt ist, ist es deshalb als ein Erfordernis anerkannt, "daß der Junge echt und recht geboren sei". Die Bestimmung findet sich bei den Schwertfegern 94 ), Hutfiltern 95 ), Gläsern 96 ), Buntmachern 97 ), Pantoffelmachern 98 ), Klotzenmachern 99 ); die Versicherung ehrlicher Geburt von seiten des Vaters und der Mutter - beide besonders betont - wird verlangt bei den Nadlern 100 ), Gerbern und Rußfärbern 101 ) und den Krämern 102 ). Bei den letzten ist die Bedingung besonders ausführlich angegeben. Es heißt dort, daß der Junge "von ehrlichen Eltern, aus einem rechten, wahren Ehebette, freier Geburt, echt und recht geboren" sein sollte. Die Bedingung der freien Geburt ist sonst nicht wieder betont. Man darf annehmen, daß der Gegensatz "frei - unfrei" keine größere praktische Bedeutung gehabt hat, so daß eine besondere Erwähnung sich meist erübrigte. Ähnlich verhielt es sich, wie es scheint, mit der Forderung deutscher Geburt. Nach Techens Untersuchung ist das wendische Element in Wismar äußerst gering gewesen 103 ); nur in der ersten Zeit nach der Gründung (bis 1296) begegnen drei Wenden als Handwerker. In allen Fällen, wo der Grundsatz ehelicher Geburt nicht besonders betont worden ist, darf man eine Regelung annehmen, die sich an die in den anderen Ämtern herrschenden Gesetze anlehnte.

Für die gründliche Erlernung eines Handwerks war eine längere Lehrzeit nötig, die je nach den zu erlernenden Fähigkeiten sich in der Dauer unterschied. In den Böttcher-Statuten von 1346, Oktober 18 104 ), ist die Lehrzeit allgemein ange-


94) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, 1 (etwa 1450), Art. 6.
95) R.A. Tit. IX, Hutfilter, 1, Art. 7.
96) R.A. Rs. vol. 1, S. 212, Art. 16.
97) R.A. Rs. vol. 1, S. 112, Art. 5.
98) R.A. Tit. IX, Pantoffelmacher, 5, R. von 1592, Sept. 28, Art. 2.
99) R.A. Rwb. fol. 104/105, R. der Klotzenmacher von 1509, Sept. 1, Art. 12, und Burmeister, a. a. O., S. 75.
100) R.A. Tit. IX, Nadler, 1, Übereinkunft der Meister des Nadlerwerkes von 1569, Nov. 30.
101) R.A. Crull, Coll. II, 20, Rollenabschrift von 1587, Pfingsten, Art. 1.
102) R.A. Tit. IX, Krämer, Buch von 1604, V.
103) Techen, Geschichte Wismars, S. 4, Anm. 12.
104) M.U.B. 10, 6684, Art. 5.
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geben; es heißt, daß man einen "lereknecht" halten dürfe: "et illum tenebit, donec sciat officium suum". Für einen Schmiedelehrling wurde 1356, Mai 20, eine Lehrzeit von vier Jahren festgesetzt 105 ), und diese Zahl begegnet 1574, August 23 ungefähr, auch in der Hutmacher-Städteordnung 106 ). Die übliche Zahl der Lehrjahre wird drei gewesen sein; in den mehrfach angeführten Rollen der Wollenweber, Hutfilter, Bechermacher, Buntmacher, Kleinwandmacher, Leinweber, Maurer sind drei Lehrjahre vorgeschrieben. In der Krämerrolle sind je nach dem Alter des Lehrjungen 5 bis 6 Lehrjahre vorgesehen, zu denen noch zwei Jahre kommen, in denen der Junge um "mäßigen Lohn" dienen soll. Die Gerber und Rußfärber verlangen ein Lehr- und ein Lohnjahr; die Rade- und Stellmacher-Rolle sieht ein Lehrjahr für Rademachen und eins für den Stellmacherberuf vor, denen aber noch drei Arbeitsjahre in der Stadt folgen müssen vor dem Meisterwerden.

Die Lehre begann mit einer bestimmten Probezeit; es waren meist 14 Tage, auch vier Wochen, während deren sich der Lehrmeister unterrichten konnte, ob der Junge wohl für das Handwerk geeignet sei. So heißt es in der Hutfilterrolle von 1484: "den (Jungen) mach he (der Meister) besoken 14 daghe", und in der Gläserrolle von etwa 1490: ". . . unde he mach enen versöken veer Weken . . .". Dieser Brauch der Probezeit wird wahrscheinlich bei allen Ämtern bestanden haben; besonders erwähnt wird er noch bei den Buntmachern, den Nadlern und Krämern, die wohl entsprechend der längeren Lehrzeit eine Versuchszeit von einem halben Jahr festsetzten. Nach Ablauf der Probezeit tritt erst der "Junge" in das feste Lehrverhältnis ein und wird vor den Älterleuten "eingeschrieben", d. h. sein Name wird im Amtsbuche vermerkt.

Wurde ein Lehrling angenommen, so mußte entweder er selbst oder der Lehrmeister eine Abgabe an das Amt entrichten: eine bestimmte Menge Wachs zu den Amtslichten in der Kirche und ferner eine halbe oder auch ganze Tonne Bier für das Amt. Lehrgeld in heutigem Sinne, das dem Meister zufällt, wird erwähnt bei den Maurern 107 ) und den Leinwebern 108 ),


105) M.U.B. 14, 8223.
106) R.A. Tit. IX, Hutmacher, Art. 22.
107) R.A. Tit. IX, Maurer, 1, R. von 1568, März 13, Art. 6.
108) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtsbeschluß von 1570: es soll kein "Lehrbade" angenommen werden, wenn er nicht 4 M. lüb. gegeben hat, 2 M. dem Lehrmeister und 2 M. dem Amt. Dazu noch 6 (ß) zu den Lichten.
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bei den Krämern ist ein Teil der Abgaben den Armen bestimmt. Auch bei den Wollenwebern ist neben einer Abgabe in Bier an das Amt dem Lehrmeister eine Geldsumme vorbehalten 109 ).

Es mag üblich gewesen sein, daß der Lehrling während seiner Lehrzeit im Hause des Meisters auch von diesem gekleidet wurde. In einer Ordnung der See- und Landstädte von 1571, November 12, wird für die Wollenweber bestimmt, daß die Lehrlinge keinerlei Gewand oder Kleider von ihren Meistern erhalten sollen 110 ). Dagegen soll der Hutmacherlehrling "ein hardewickelt kleidt" erhalten 111 ).

Die Bestimmungen, die ein untadeliges Benehmen der Lehrlinge fordern, finden sich mehrfach. So wird z. B. bei den Krämern der Lehrling ermahnt, seine Lehrzeit als "ehrlicher, redlicher, treuer, gehorsamer und unverdrossener Junge" hinzubringen, sich vor Ausschweifungen zu hüten und nicht mit leichtfertigen Personen Umgang zu pflegen. Nach einer Jungen-Rolle der Reifer aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts soll der Junge ohne Erlaubnis seines Meisters weder alltags noch sonntags ausgehen dürfen, nicht mit Würfeln oder Karten um Geld spielen, nachts im Hause schlafen und niemals scharfe Wehr bei sich tragen. Diebstahl wird ihn für immer des Handwerks unwürdig machen. Wenn der Lehrling während seiner Lehrzeit seinem Lehrherrn davonlaufen sollte, so soll er bei einem anderen Meister zur Lehre nicht wieder angenommen werden.

Hatte ein Lehrling seine Lehrzeit beendet, so wurde er "losgesprochen", meist wohl von seinem Lehrherrn. Nur im Todesfalle des Meisters, wenn die Witwe das Amt weiter ausübte, sollte der Lehrling vier Wochen vor Beendigung der Lehrzeit zu den Ältesten des Amtes kommen, um dann von ihnen losgesprochen zu werden 112 ). Ein Meistersohn konnte bleiben und von anderen losgesprochen werden. Bei den Hutmachern sollte die Losgabe vor den Älterleuten und "Ambtsveerern" 113 ) geschehen.


109) R.A. Tit. IX, Wollenweber, 3, Amtsbeschluß des 16. Jahrhunderts (undatiert).
110) R.A. Tit. IX, Wollenweber, 6.
111) R.A. Tit. IX, Hutmacher, Ordnung von 1574, Aug. 23, Art. 22.
112) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtswillkür der Kistenmacher von 1571, Dez. 13.
113) Bei Willgeroth, Bilder aus Wismars Vergangenheit, Wismar 1903, S. 299, werden diese als vier Vorsteher der Gesellschaft angegeben.
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Über Abgaben des Lehrlings an das Amt ist wenig bekannt; sie entsprechen wohl der späteren Ausschreibegebühr. Willgeroth berichtet 114 ), daß bei den Rotgießern und den Riemern und Zaumschlägern der Lehrling bis 1555 einen Braten für Meister und Gesellen bei seinem Lehraustritt geben mußte. Später, als nach 1555 der Braten abgeschafft wurde, trat an seine Stelle die Abgabe von 1 (ß) an die Gesellen.

Nach Beendigung seiner Lehrzeit trat der "Junge" in die Reihen der Gesellen. Es war nun gut, wenn er nicht nur in der Stadt, wo er seine Lehrzeit verbracht hatte, eine neue Stelle annahm, sondern sich die Arbeitsmethoden fremder Gegenden zu eigen machte. Eine solche "Wanderzeit" ist in den Quellen teilweise direkt vorgeschrieben. Für die Grapengießergesellen wird 1354, März 2 115 ), vom Rate der Städte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Stettin gewillkürt, daß die Gesellen vor ihrem Fortgang aus der Stadt, um anderswo zu dienen, den "stadbref" werben sollen, daß sie sich gut "ghehandeld" hätten. Andernfalls soll keine Aufnahme in den Städten erfolgen. Den Wollenwebern wurde in der Rolle von 1417, vor Pfingsten, vorgeschrieben, daß von den drei Lehrjahren eins "buthen" abgedient sein mußte. Die Klippenmacher belegten in dem Amtsrezeß von 1486, Pfingsten, das Wandern nach "unwanliken steden" mit einer Buße, wenn der Geselle nach der Stadt wieder zurückkehren wollte, aus der er gewandert war. Für die Wollenweber wird ein Wanderzwang bestanden haben, da nach der Rolle von 1492 116 ) Meistersöhne vom Wandern befreit wurden, "wen dar nothszake by ys". In der Rolle der Kleinwandmacher von 1560, November 4, wurde dem Lehrling vorgeschrieben, nach Beendigung seiner Lehrzeit "drei Jahre auf das Handwerk zu wandern". In der Hutmacherrolle von 1574 wird demjenigen, der sich in den wendischen Städten " niederzusetzen" gedenkt, eine zweijährige Wanderschaft zur Pflicht gemacht.

Das Wanderziel war bisweilen fest bestimmt. In einem Schreiben zwischen Wismar und Burg (Fehmarn) 117 ), das die Gesellenansetzung bei den Pantoffelmachern in Fehmarn be-


114) Willgeroth, a. a. O., S. 299.
115) M.U.B. 13, 7904.
116) R.A. Tit. IX, Wollenweber, 3, Art. 9.
117) R.A. Tit. IX, Pantoffelmacher, 2, a, b, Schreiben von 1594, Mai 22.
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trifft, wird vom wismarschen Amte die neuerliche Gesellenhaltung abgelehnt, da die Gesellen "nach den Städten wanderten, wo die Beliebung gelte". Die Gesellen hätten ein Schenkhandwerk, und zu dem könne man die Fehmarner nicht zulassen, da sie nie darin gewesen seien. Als erlaubte Städte sind vor allem wohl die sog. wendischen Städte anzusehen, mit denen alle wismarschen Ämter nähere Beziehungen angeknüpft hatten.

Wandertermine, zu denen die Gesellen das Arbeitsverhältnis aufgeben konnten, um auf Wanderschaft zu gehen, waren Ostern und Michaelis, da während dieser Zeitpunkte ein Mieten von Knechten möglich war. So ist es bezeugt für die Schmiede 1575 118 ), die Schwertfeger etwa 1450 119 ) und die Gläser etwa 1490 120 ). Wollte ein Geselle weiter wandern oder ein Meister seinem Gesellen "upgeven", so sollte der eine es dem anderen 14 Tage vorher anzeigen.

Die Dauer des Dienstverhältnisses 121 ) der Gesellen bei einem Meister hat sich mindestens auf ein halbes Jahr erstreckt, bei den Rotgießern nach Willgeroths Angaben auf ein Vierteljahr. Die Innehaltung der Termine wurde streng beachtet, und bereits in den ältesten Quellen werden scharfe Maßnahmen gegen entlaufene Knechte angedroht. In der bereits mehrfach erwähnten Schmiedevereinbarung aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts wird bestimmt, daß der entlaufene Knecht in den sieben Städten, die die Vereinbarung schließen, nicht in Dienst und Arbeit genommen werden darf. In der Böttchergesellenordnung von 1321, März 3 122 ), findet sich die Bestimmung, daß niemand außer der Zeit einen "bisteren" Knecht annehmen sollte. Entläuft ein Knecht gar zweimal seinem Herrn "ane sinen dank", der soll in den sechs wendischen Städten von niemand mehr zur Arbeit angenommen werden. Ähnlich lauten die entsprechenden Artikel in den Rollen der Kürschner von 1383, der Reifer und der Kannengießer von 1387. Eine Ausnahme von dem Verbot


118) R.A. Tit. IX, Schmiede, Ethe Boeck des Amtes von 1575, p. 2.
119) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, 1, R. von etwa 1450, Art. 9.
120) R.A. Rs. vol. 1, S. 212 ff., Art. 11. - Willgeroth, a. a. O., S. 301, führt außerdem noch an Böttcher, Buntmacher und Kürschner. Man darf annehmen, daß der Zeitpunkt allen Ämtern gemeinsam war.
121) In der Kürschner-R. von 1383, März 3 (M.U.B, 20, 11 501) ist die Dauer dadurch eingeschränkt, daß kein Knecht "under enes mannes brode to euer tiid" mehr verfertigen soll als zwei Frauen-und zwei Kinderpelze.
122) M.U.B. 6, 4265, Art. 3.
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der Annahme ist nur dann gestattet, wenn die Aufgabe des Dienstes mit Willen des betreffenden Meisters geschehen ist.

Wenn ein Geselle bei einem Amte zuwanderte, so waren Begrüßung, Anmeldung und die Art, wie er sich um Arbeit bemühte, in bestimmter Weise geregelt. Diese Gebräuche sind im allgemeinen dem ganzen deutschen Zunftwesen gemeinsam und brauchen hier nur kurz skizziert zu werden. Der örtliche Schwerpunkt der Gesellenschaft - über diese wird noch zu handeln sein - lag in der Herberge 123 ), dem "kroge", wie es in unseren Quellen heißt. Im Kruge des Amts meldete sich der fremde Geselle. Nach der Hutmacher-Städteordnung sollte er so lange sich dort aufhalten, bis er angenommen war 124 ). Gewöhnlich ging der Altgeselle um, dem neuen Bruder Arbeit zu suchen. War aber kein Geselle da, so sollte der jüngste Meister die Nachfrage tun, vom ältesten Meister bis hin zum jüngsten 125 ). Nach der Nadler-Rolle von 1588, August 25 126 ), sollte der zugewanderte Geselle dem Meister zugebracht werden, der am längsten ohne Gesellen gewesen war. Für die Hutmacher wird durch die erwähnte Ordnung, Art. 13, bestimmt, daß die Nachfrage bei dem Meister nicht ohne der Älterleute Willen geschehen solle; sie gaben dem Nachfragenden also erst den Namen des Meisters an, zu dem der Geselle kommen sollte. Fand er nun dort keine Arbeit, so sollte er entweder den Älterleuten selbst oder dem Meister angeboten werden, dessen Werkstatt am längsten vakant gewesen war.

Die Zugewanderten waren nicht frei von Abgaben. In einem Zusatz von 1573, Februar 7, zur Maurerrolle von 1568 wurde bestimmt, daß die ersten 14 Tage zwar abgabenfrei sein sollten, daß aber bei längerer Arbeitszeit in der Stadt alle acht Tage 2 (ß) in des Amtes Lade zu geben waren, nicht zum "Vertrinken", sondern zu des Amtes Vorrat. Die Hutmacher setzen für zugewanderte Gesellen, die nicht in der Stadt gearbeitet hätten, eine Abgabe von 18 Pf. fest. Der Lohn betrug für jeden Arbeitstag 1 (ß). Erste Vorbedingung einer Dienstleistung in der Stadt war ein guter Leumund. Bereits in der Kürschner-Rolle von 1383 wurde bestimmt, daß der Knecht nicht


123) Georg Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, Leipzig 1877, S. 103.
124) R.A. Tit. IX, Hutmacherordnung von 1574, Aug. 23, Art. 13.
125) R.A. Tit. IX, Nadler, 2, Rollen-Supplikation von 1588, Art. 5.
126) R.A. Tit. IX, Nadler, 3, Art. 8 a.
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zu Dienst angenommen werden sollte, dem Briefe nachgeschrieben würden, "de em an sine ere unde ruchte ghinghen" 127 ). Nach der Tischer-Rolle von 1500 sollten sich die Knechte vor Arbeitsantritt erst von der in den Briefen erhobenen Anschuldigung frei machen 128 ). Dieselbe Forderung wurde in der Gläser-Rolle von etwa 1490 erhoben 129 ). Die Malergesellen-Rolle von 1490, Oktober 22 130 ), gibt den Schaffern der Gesellen mit Zustimmung der Älterleute die Handhabe, dem Angeschuldigten bis zur Erledigung der Angelegenheit die Arbeit zu verbieten. Die Arbeltskollegen aber, die mit einem solchen zusammen arbeiten und von der Beschuldigung unterrichtet sind, sollen gleich dem Beschuldigten für "unwerdig" gehalten werden. Man sprach ihnen die Handwerksehre ab und nahm ihnen damit die Möglichkeit, bei einem zünftigen Meister arbeiten zu können.

Wie man bei fremden Gesellen auf den guten Ruf derselben großen Wert legte, so sah man auch darauf, daß die Gesellen im Amte demselben durch ihr Verhalten keine Unehre machten. Um Unsitten im Trinken vorzubeugen, wurde in der Malergesellen-Rolle von 1490, Oktober 22, Art. 5, verboten, einen Zwang zum Biertrinken im Kruge auszuüben; die Hutmacher setzten in der Städteordnung von 1574, August 23, Art. 16, das Höchstmaß des Biers, das vertrunken werden konnte, auf 3 (ß) fest. Und wer bei ihnen Trinkgefäße "stope", in den Krug warf, sollte dies nach altem Brauche bezahlen. Ein jeder Malergeselle sollte zu rechter Zeit in seines Meisters Haus sein und danach nicht wieder ausgehen, vor der Tür zu toben und zu heulen (Art. 15 der erwähnten Rolle). Die Hutmachergesellen sollten vor 10 Uhr aus dem Kruge gehen; wenn sie später nach Hause kamen und dann durch Klopfen Einlaß begehrten, so sollten sie 6 (ß)! an die Meister zu zahlen schuldig sein. - Die Gesellen durften nachts nicht außerhalb des Meisters Haus schlafen. Bereits in der Knochenhauer-Rolle von 1410 (Freitag nach Allerheiligen) 131 ) wird dies mit einer Abgabe von 1 (ß) an den Meister und von 6 Pf. an die Werkmeister bestraft. Nach der Schwertfeger-Rolle von etwa 1450, Art. 12, beträgt die Strafe 6 Pf., und es wird der Zusatz


127) M.U.B. 20, 11 501, Art. 14.
128) R.A. Tit. IX, Tischler, 1. Rolle von 1500, Febr. 4, Art. 7.
129) R.A. Rs. vol. 1, S.212 ff., Art. 15.
130) R.A. Tit. IX, Glaser, Art. 6.
131) R.A. Rwb. fol. 19, Art. 12. - Nov. 7.
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gemacht, daß der Geselle seines Meisters Werk ohne dessen Erlaubnis nicht versäumen dürfte bei derselben Strafe. Es kam also wohl vor, daß der Geselle nicht nur die Nacht auswärts verbrachte, sondern auch am Morgen nicht zur rechten Zeit zur Arbeit kam. Sittliche Vergehen wurden wohl in allen Fällen vom Amte hart bestraft und hatten meist zur Folge, daß dem Betreffenden die Handwerksausübung in den sechs wendischen Städten untersagt wurde 132 ).

Die Gesellen besaßen eine eigene Vertretung in Gesellenorganisationen, den Gesellenbruderschaften. Es soll hier die Frage nicht erörtert werden, wie weit die "Gesellenschaft" von der früheren "Bruderschaft" beeinflußt worden ist, ob religiöse Interessen oder wirtschaftliche Motive zum Zusammenschluß geführt haben. Man darf aber wohl mit Schanz 133 ) annehmen, daß bei der Mehrzahl der Fälle die ersten Anfänge auf religiösem Gebiet liegen und später der Aufgabenkreis der Genossenschaft sich erweiterte. In Wismar sind beide Aufgabenkreise bereits zusammengeschmolzen. Über das Bestehen und die Organisation solcher Gesellenschaften liegen nähere Zeugnisse vor bei den Wollenwebern 134 ), den Malern 135 ) und den Schmieden 136 ); bei den Hutmachern findet man einige Angaben über eine solche Vereinigung 137 ). Die älteste erhaltene Gesellenrolle ist die der Kürschner von 1480 138 ). An der Spitze dieser Gesellengenossenschaft standen die Schaffer, so genannt bei den Schmieden; bei den Wollenwebern hießen die Vorsteher Meisterknappen, bei den Hutmachern die "Vierer". Über die Zahl der Vorsteher erhalten wir durch die Hutmacherordnung Aufschluß; sie wird auch bei den übrigen Gesellenschaften vier betragen haben. Ihre Aufgabe war es, die Ordnung in der Gesellenschaft aufrecht zu erhalten, die Versammlungen mit


132) R.A. Tit. IX, Gauordnung der Schmiede von 1587, Pfingsten, Art. 7.
133) Schanz, a. a. O., S. 93 ff., S. 101 ff.
134) Techen, Aus dem Amtszeugebuche der Wismarschen Wollenweber, M.J.B. 58, S. 37 ff.
135) R.A. Tit. IX, Glaser, 1, Malergesellen-R. von 1490, Okt. 22.
136) R.A. Tit. IX, Schmiede, 1, Mitteilung über eine Unterstützungskasse für Gesellen von 1528, Aug. 9.
137) R.A. Tit. IX, Hutmacher, Städteordnung von 1574, Aug. 23 ungefähr.
138) R.A. Tit. IX, Kürschner; Techen, Geschichte Wismars, S. 88. Allgemeine Angaben für Tischler, Schwertfeger, Böttcher und Riemer und Zaumschläger macht Willgeroth, a. a. O., S. 306 ff.
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Wissen der Älterleute 139 ) einzuberufen, die Gesellenschaft vor dem Amte zu vertreten. Bei den Hutmachern geschah die Losgabe des Lehrlings vor den Älterleuten und den "Vierern" des Amtes. Ein beschränktes Strafrecht stand ihnen zu, jedoch durften sie bei den Wollenwebern keine höhere Strafe als 1 (ß) verhängen; nach Willgeroth 140 ) waren es bei den Böttchern und Hutmachern 2 (ß). Die Amtszeit der Vorsteher betrug nach Angaben bei den Malergesellen und den Schmieden ein Jahr; innerhalb der Zeit sollte der Schaffer von seinem Meister nicht wandern. Eine besondere Aufgabe erwuchs den Schaffern aus der Verwaltung der Gesellenbüchse, die das alle Vierteljahr einzuzahlende "Zeitgeld" enthielt. Bei den Malergesellen betrug dasselbe vierteljährlich 4 Pf. lübisch; jeder "Sulvesther" sollte 6 Pf. gleicherweise geben. Von diesem Geld sollten bei den Malergesellen jährlich zwei Begängnisse und die Lichte auf dem Gesellenaltar zur Ehre Gottes und St. Lukas gehalten werden. Die Gesellenbüchse sollten drei Schaffer verwalten, zwei Gesellen und ein Meister; sie befand sich im Hause eines Ältermannes, und es mußte jedes Jahr Rechenschaft von der Verwendung des Geldes abgelegt werden. Der älteste Schaffer wurde sodann durch einen neuen ersetzt und ihm die Schlüssel übergeben.

Die Gesellen konnten durch die Geschlossenheit ihres Auftretens einen Druck auf den Willen der Meister ausüben und sie evtl. zum Nachgeben zwingen. Im Jahre 1489 war aus geringfügiger Ursache unter den Gesellen des Wollenweberamtes ein Streit ausgebrochen. Bei der Bestrafung der Schuldigen hatten sich die "Meisterknappen" einen Übergriff zuschulden kommen lassen. Darauf wurde von dem Amte beschlossen, ihnen, die einen Schlichtungsversuch der Meister zurückwiesen, so lange die Arbeit zu verbieten, bis sie sich zum Nachgeben entschlossen hätten. Diese waren aber nicht gewillt, ihre Sache so leicht aufzugeben. Sie riefen die Gesellen zusammen, und alle beschlossen, nicht für das Amt zu arbeiten, sondern mit den Meisterknappen zu Bier zu gehen. Es handelte sich also um einen regelrechten "Streik". Allerdings dauerte der Ausstand nur einen Tag, "da hatte der Haufe kein Geld mehr", und verständlicherweise wollten die Meister den


139) R.A. Tit. IX, Hutmacher, Ordnung von 1574, Art. 19. R.A. Tit. IX, Glaser, Malergesellenrolle von 1490, Okt. 22, Art. 4.
140) Willgeroth, a. a. O., S. 307.
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Gesellen kein Geld leihen. Die Arbeit wurde also wieder aufgenommen, und nur die Meisterknappen blieben ihrer Arbeitsstätte fern. In dem Berichte heißt es dann aber: "so sunnen (begehrten) se gnade" 141 ).

Die Gesellen der Kleinlakenmacher in den Lübeck "umliegenden" Städten - gemeint sind sicher die wendischen Städte - schlossen 1576 ein Verbündnis untereinander ab 142 ), "ohne vorvorchten und volbort", ihrer Meister, die lübischen Gesellen bei sich nicht zuzulassen, es wäre denn, daß sie sich mit einer Summe mit ihnen ausgesöhnt hätten. Da die Meister dem Willen der Gesellen gegenüber machtlos waren, so wurde der Rat gebeten, gegen die Gesellen einzuschreiten und sie zu zwingen, etwaige Streitsachen vor der Obrigkeit zur Erledigung zu bringen. In diesem Fall war der Einfluß der Meister völlig ausgeschaltet worden, die Gesellen hatten selbständig gehandelt.

Die Lehrzeit und die Gesellenzeit dienen nur der Vorbereitung auf den künftigen Beruf, den der Handwerker als Meister in untadliger Weise ausüben soll. Es ist darum verständlich, daß man sich im Amt über Person und Fähigkeiten des Bewerbers vor seinem Eintritt zu unterrichten bestrebt war. So findet man fast in allen Ämtern die Bestimmung, daß vor Amtseintritt eine Dienstzeit in der Stadt bei einem fähigen Meister abzuleisten sei. Sie erstreckte sich in der Regel auf ein Jahr, konnte aber auch länger ausgedehnt werden. Am niedrigsten war diese Zeit bei den Garbrätern 143 ) bemessen; man gab sich mit einem halben Jahr Dienst im Amte zufrieden. Ein Jahr, meistens "Jahr und Tag", wurde verlangt bei den Goldschmieden 144 ), Schneidern, Schwertfegern, Gläsern, Tischlern, Klotzenmachern; für die Wandschneider 145 ) wurde die Bedingung gestellt, daß der Geselle vor der Zulassung Jahr und Tag in der Stadt Bürger gewesen sein mußte. Einzig die Maurer 146 ) verzichteten auf die Dienstzeit, wenn der Knecht


141) Techen, Aus dem Amtszeugebuch, M.J.B. 58, S. 37 ff.
142) R.A. Tit. IX, Kleinlakenmacher, 1, 2, Schreiben des Lübecker Rates an Wismar von 1576, Aug. 31, und 1576, Sept. 10.
143) R.A. Tit. IX, Garbräter, 4, R. von 1502, Juli 5, Art. 9.
144) M.U.B. 19, 11 293, Art. 4. Im Amtsbuche (R.A. Tit. IX), S. 24, wird 1509 festgesetzt, daß der Geselle, der seiner selbst werden will in der Stadt, hier von einem Osterfest bis zum nächsten dienen soll.
145) R.A. Tit. IX, Wandschneider, 1, R. von etwa 1420, Art. 4.
146) R.A. Tit. IX, Maurer, 1, R. von 1568, März 13, Art. 7.
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drei Lehrjahre bei einem Meister gewesen und danach "düchtig" war "mit der kellen tho arbeiden". Eine zweijährige Dienstzeit wurde verlangt bei den Hutmachern, Buntmachern, Kleinwandmachern, Riemern und Beutlern und den Nadlern. Wollte der Geselle außer Amts heiraten, so mußte er bei den Bechermachern 147 ) sogar drei Jahre bei einem Meister dienen. Heiratete er jedoch eine Meistertochter oder eine Meisterwitwe, so sollte er von diesem Dienst befreit sein.

Der angehende Meister mußte bei seiner Bewerbung im Besitz eines bestimmten Kapitals sein. Er hatte für die geforderte Summe Bürgen zu setzen und selbst mit einem Eide vor Rat und Älterleuten seine Angaben zu bekräftigen. Das verlangte Vermögen war nicht gleich bei allen Ämtern, es wechselte an Höhe je nach dem Amtsbereich und der Art des verarbeiteten Materials. Dieser Nachweis wurde offenbar deswegen gefordert, damit der Meister imstande war, einen Kunden mit einem Vermögensteil entschädigen zu können, wenn die in Auftrag gegebene Arbeit verdorben wurde oder nicht zur Zufriedenheit des Auftraggebers ausfiel. Dieser Gedanke wird in der Goldschmiederolle von 1380, Nov. 28, Art. 3, klar ausgedrückt 148 ). In den ersten Jahrzehnten wismarschen Zunftwesens findet sich die Bestimmung über den Vermögensnachweis für jedes Amt, in späteren Rollen ist sie in Fortfall gekommen. Man kann aber annehmen, daß die Anordnung gewohnheitsrechtlich weiter üblich war, deshalb in späteren Dokumenten keine Aufnahme mehr zu finden brauchte. Die Forderung des Vermögensnachweises wurde zum ersten Male, soweit bekannt, in der Schneiderrolle von 1346, um Juni 29 149 ), ausgesprochen. Es wurde von dem Bewerber um das Amt der Besitznachweis von 5 M. lüb. verlangt. Für die Böttcher wurden 1348, Juni 25, 10 M. lüb., für die Leinweber 1350, Nov. 30, 4 M., für die Knochenhauer 1361, Nov. 12, 20 M. gefordert. In der bereits erwähnten Goldschmiederolle wurden 6 M. Kapital für nötig erachtet, die Kürschnerrolle von 1383, März 3, schrieb 5 M. vor, ebenso die Reiferrolle von 1387, April 26, und die Wandschererrolle, die vor 1400 erteilt sein muß, aber undatiert ist. Die Rolle der


147) R.A. Rs. vol. 1, S. 78, R. von 1489, Jan. 22, Art. 1, 2.
148) M.U.B. 19, 11 293. - Vgl. Techen, Die Böttcher in den wendischen Städten, besonders in Wismar. HGbl. 1925, S. 90/91.
149) M.U.B. 10, 6665, Art. 3. - Aber M.U.B. 23, 13 354: R. von 1398, Nov. 6, Art. 3, werden 10 M. gefordert.
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Wollenweber von 1387, April 26, und die der Kannengießer aus demselben Jahre enthalten die Bestimmung über 8 M. Besitz. Weitere Forderungen sind bezeugt für die Haken von 1407, Mai 4 (16 M.), die Krämer von 1421, Dez. 5 (20 M.), die Schwertfeger von etwa 1450 (5 M.), die Hutmacher von 1484, Juli 16 (10 M.), die Gläser von etwa 1490 (10 M.), Buntmacher von 1497, August 18 (20 M.), und die Tischler von 1500, Februar 4 (12 M.). In der nach Techen um 1420 erteilten Rolle der Wandschneider wird von den Bürgern die eidliche Versicherung verlangt, daß der Bewerber "also gued alse twe hundert marck hebbe" 150 ). Diese, im Vergleich zu den oben erwähnten, ungeheure Summe läßt darauf schließen, daß man bestrebt war, den Kreis der Wandschneider sehr eng zu ziehen. Diesem Amte konnten jeweils nur die reichsten Bürger beitreten. Allerdings handelte es sich bei der genannten Summe wohl um den Gesamtbesitz der Betreffenden, während bei den anderen Ämtern z. B. "vif mark Lübescher penninghe" in reiner Münze gefordert wurden.

Wer sich um die Meisterwürde bewarb, mußte sich im Besitz von sog. "Zeugebriefen" befinden. Es waren dies Briefe, vom Rat der Stadt besiegelt, in der der Geselle zuletzt gedient hatte, in denen seine gute Führung beglaubigt und zum Ausdruck gebracht wurde, daß man den Überbringer des Schriftstückes gerne im Amte behalten und als Bürger aufgenommen hätte. Solche Führungszeugnisse sind im Wortlaut nachgewiesen für die Goldschmiede von 1355, Dezember 31, und 1501, August 3 151 ), die Schuhmacher von 1355, Januar 27, die Schneider von 1366, September 26, die Riemenschneider von 1367, Oktober 14, die Schmiede von 1368, Oktober 4, und 1378, Dezember 29, die Wollenweber von 1379, Januar 28, 1387, März 7, und 1393, Februar 22. Diese "Zeugebriefe" (litterae testimoniales), die zuerst, soweit bekannt, in der Schneiderrolle von 1346, um Juni 29, gefordert werden, wurden teilweise insofern verändert, als die Bestätigung der ehelichen Geburt von Vater und Mutter in erster Linie erwähnt und dann erst die gute Führung des Betreffenden beglaubigt wurde. Die Zeugnisse für Wollenwebergesellen von 1387 und 1393 heißen daher mit Recht "Bortbref", Geburtsurkunde. Die Forderung des Nachweises


150) R.A. Tit. IX, Wandschneider, 1, Art. 3.
151) M.U.B. 13, 8165; Sammlung des Germanischen Museums Nürnberg, Sign. Nr. 3300.
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der ehelichen Geburt wurde zuerst, soweit ersichtlich, ausgesprochen in der Rolle der Krämer von 1397, März 28, für die Bewerber um das Amt, denen "en quadt ruchte naqueme", allgemein wird sie betont in der Hakenrolle von 1407, Mai 4. War der Amtsbewerber in der Stadt geboren, so genügte das Zeugnis von glaubwürdigen Leuten. Ebenso sollte diese Art des Nachweises ausreichen für diejenigen, die aus Orten kämen, wo man keine "Ingesegele", also Stadtsiegel, hätte 152 ). In der Kannengießer-Rolle von 1387, Juni 13, wurde bestimmt, das Zeugnis glaubwürdiger Leute gelten zu lassen, wenn "dar neen stad were, dar he lest gedenet hadde". Eine Norm für die Art des Geburtsnachweises lag nicht vor. - Ebenso waren die Vorschriften über das Einholen der Zeuge- und Geburtsbriefe sehr verschieden. Wenn ein genauer Zeitpunkt festgesetzt war, so lag dieser entweder vor der "Eschung", dem Tage, wo der Geselle sich beim Amte um den Eintritt in dasselbe bewerben wollte - er erschien schon mit dem benötigten Dokumente vor den Meistern - oder aber nach der ersten oder zweiten Eschung. In diesem Fall wurde der Bewerber vom Amte fortgeschickt, um die Schriftstücke zu holen. Das Amt hielt also mehrere Zusammenkünfte ab, um in der Angelegenheit des künftigen Amtsbruders sein Urteil zu fällen. In dem "Ethe-Boeck" der Schmiede von 1575 ist der Vorgang der Amtseschung genau festgelegt 153 ). Nach der zweiten Eschung mußte der Geselle seine Geburtsbriefe holen, sie bei der Rückkehr dem ältesten Ältermann in dessen Haus übergeben 154 ), und dann erst konnte die dritte Eschung auf einer neu einberufenen Versammlung erfolgen. Die Verpflichtung, Dienstbriefe beim Meisterwerden beizubringen, bestand in allen wendischen Städten. Das wismarsche Bäckeramt hatte sich über diese Gewohnheit hinweggesetzt, es wurde aber auf eine Klage der wendischen Städte hin vom Rate gezwungen, die Forderung der Dienstbriefe beizubehalten 155 ). Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts kam die Sitte auf, diese Dienstbriefe mit Geld abzulösen. Die hierfür erforderliche Summe wurde vom Amte festgesetzt; sie betrug bei den Goldschmieden für Meistersöhne


152) R.A. Rwb. fol. 21, Leinweberrolle von 1415, April 26, Art. 1.
153) R.A. Tit. IX, Schmiede.
154) Auch R.A. Tit. IX, Rotes Buch der Reifer, Amtswillkür von 1465.
155) R.A. Crull, Coll. II, 20: Auszug aus dem Zeugebuch der Stadt Wismar, p. 205.
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3 rhein. fl. 156 ), im Schmiedeamt 2 Gold-fl. 157 ) und bei den Leinewebern 4 lüb. M. 158 ).

Das Eschen des Amtes erfolgte auf den Morgensprachen, die ursprünglich auch morgens 159 ) abgehalten wurden, seit 1345 in Gegenwart von zwei Ratsherren. Urlaub von diesen Zusammenkünften gab es nicht, ein Fernbleiben wurde bei den Riemern und Beutlern 160 ) mit 6 Pf., bei den Schneidern mit 4 (ß) bestraft 161 ). Bei den Krämern wurde in der Rolle von 1397, März 28, Art. 15, als Strafe für Fernbleiben ein halbes Pfund an den Rat und 6 Pf. an die Werkmeister gesetzt 162 ). In der Rolle der Wollenweber von 1387, April 26, wurde gar eine Kleidervorschrift für die Morgensprachen aufgezeichnet. Es sollte jeder "Sulves-Here synen besten hoiiken (Mantel)" umnehmen, wenn er zur Amtsversammlung erschien. Im Nichtbefolgungsfalle mußte er die übliche Buße von einem halben Pfund und 6 Pf. erlegen. Als Ort der Zusammenkünfte wird für die Böttcher die Heiligen-Geistkirsche 163 ), für die Wollenweber und Leinweber die Georgenkirche genannt 164 ). Die Bäcker und Schuhmacher hielten die Morgensprachen in der "großen Audienz auf dem Rathause" vor den Kämmereiherren ab 165 ). Über die Zahl der Morgensprachen, die vor der Aufnahme des Bewerbers abgehalten werden mußten, liegen nähere Mitteilungen vor. Im Amt der Goldschmiede 166 ), Haken 167 ), Schwertfeger 168 ), Rußfärber 169 ) genügte eine ein-


156) Crull, a. a. O., Anl. 3, Amtswillkür von 1519.
157) R.A. Tit. IX, Schmiede, Ethe Boeck des Amtes, S. 12: 1574, Nov. 1.
158) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtswillkür von 1575, April 28.
159) Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bremen 1877 Bd. 3, S. 119, Art. Morgensprake.
160) Crull, Coll. II, 20, Amtsbuch der Riemer und Beutler, Bestimmung von 1572, Art. 7.
161) R.A. Tit. IX, Schneider. Verpflichtungsaufrechnung von 1573, betr. Amtswerbung. - Es sollte jeder kommen, "sofern he gahn kann".
162) M.U.B. 23, 13 090.
163) Techen, HGbl. 1925, S. 125/26.
164) Willgeroth, a. a. O., S. 213.
165) Techen, Die Morgensprache der Wismarschen Bäcker, Hgbl. 1909, S. 509 ff.
166) M.U.B. 19, 11 293, Art. 17 a der R. von 1380, Nov. 28. Die Morgensprache wurde gehalten am Sonntag vor Himmelfahrt.
167) R.A. Tit. IX, Haken, 1, R. von 1529, Aug. 5, Art. 2.
168) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, 1, R. von etwa 1450, Art. 1.
169) R.A. Crull, Coll. II, 20, R. von 1587, Pfingsten, Art. 2.
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malige Eschung, bei den Krämern 170 ), Gläsern 171 ) und Tischlern 172 ) mußte das Amt auf zwei Morgensprachen "geescht" werden. Wer bei den Reifern, Wollenwebern, Kannengießern, Schneidern, Hutmachern, Bechermachern, Buntmachern nnd Schmieden das Amt gewinnen wollte, sollte sein Amt eschen "to dren tiden, alze to dren verdendel iares tovoren", wie die übereinstimmende Formulierung lautet. Die Morgensprache fand also jeweils nach einem weiteren Vierteljahr statt. Bei den Klotzenmachern 173 ) und den Pantoffelmachern 174 ) sollte diese dreimalige Eschung an einem Tage stattfinden. Der Bewerber sollte um die Aufnahme bitten "in der morghensprake dre Reyse up eynen dach". Im "Roten Buch" der Reifer, das 1668 begonnen wurde und Abschriften von Amtsbewilligungen aus dem Jahre 1465 enthält, wird gar von einer vierfachen Amtseschung gesprochen 175 ). Es ist allerdings anzunehmen, daß in den Aufzeichnungen Gebräuche des Jahres 1668, einer Zeit, wo der Verfall des deutschen Zunftwesens schon einsetzte, für das Jahr 1465 bereits angeführt sind. Denn auch der von dem jungen Meister geforderte ungewöhnlich hohe Aufwand bei den verschiedenen Mahlzeiten paßt kaum in das angegebene Jahr.

Der junge Meister konnte das Gewerbe nicht ausüben, wenn er nicht Bürger der Stadt war. Die Bedingung, die Bürgerschaft zu erwerben, galt sicher für alle Ämter. Zuerst erwähnt wurde sie in einem Statut des Rates für die Leinweber von 1350, Nov. 30 176 ), ferner in Rollen der Hutmacher 177 ) und der Gläser 178 ).

Vor der endgültigen Verleihung der Meisterwürde mußte der junge Meister durch die Anfertigung von mehreren Arbeitsstücken beweisen, daß er imstande war, sein Handwerk in untadeliger Weise auszuüben. Diese "Meisterstücke" wurden in der Regel in der Werkstatt eines Ältermannes gearbeitet und darauf dem Amte vorgelegt. Die Forderung eines solchen Be-


170) R.A. Rwb. fol. 101, Zusatzartikel 1 zur R. von 1397 aus dem Jahre 1421, Dez. 5.
171) R.A. Rs. vol. 1, S. 212, R. von etwa 1490, Art. 1.
172) R.A. Tit. IX, Tischler, 1, R. von 1500, Febr. 4, Art. 2.
173) R.A. Rwb. fol. 104/5, R. von 1509, Sept. 1, Art. 2.
174) R.A. Tit. IX, Pantoffelmacher, 5, R. von 1592, Sept. 28, Art. 3.
175) R.A. Tit. IX, Reifer.
176) M.U.B. 10, 7133, Art. 1.
177) R.A. Tit. IX, Hutmacher, 1, R. von 1484, Juli 16, Art. 1.
178) R.A. Rs. vol. 1, S. 212. R. von etwa 1490, Art. 1.
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fähigungsnachweises wurde in Wismar zuerst in der Schneiderrolle von 1346 erwähnt. Die Schneider sollten je nach dem erwählten Berufszweige ein Paar Frauenkleider zuschneiden oder ein Paar flämischer Kleider "vel aliorum virorum, de quibus se intromittere voluerint". Bei den Goldschmieden wurde die Anfertigung eines goldenen Ringes, zweier Broschen und eines zum Zusammenfassen des Messergriffes geeigneten Ringes als Meisterstück gewertet. Über die nähere Ausführung berichtet uns Dr. Crull in seiner angeführten Abhandlung 179 ). Für die Reifer wurden in der Rolle von 1387 180 ) drei Meisterstücke vorgeschrieben. Nach den Aufzeichnungen von 1465 im Roten Buch des Amtes waren dies ein Ankertau von fünf Daumen Dicke und 40 Faden Länge, eine weitere selbst gestellte Aufgabe und ein bastener Reif, einen Faden und einen Fuß lang, mit einer ein Span langen Öse, dreifach gedreht, der Reif selbst vierfach, "mit einem Schwalecken sterth". Die Kannengießer verlangten drei nicht näher bezeichnete Meisterstücke 181 ). Die Wandscherer sollten so viel "wandes" scheren, wie zu einem Paar Kleider benötigt würde 182 ). Für die Leinweber waren als Meisterstücke vorgeschrieben die Anfertigung von sechs Ellen Tafellaken und sechs Ellen schlichter Leinwand 183 ), die Schwertfeger forderten zwei ausreichende Stücke Werkes 184 ). Bei den Hutmachern bestanden die Meisterstücke aus einem "krusen hoeth", einem "wanderhoeth", einem "underslichten hoeth" und einem "bossenvylt", wohl einem gröberen Filzhut 185 ). Die Bechermacher, über deren Arbeitsart Techen Näheres anführt 186 ), verlangten die Herstellung eines Meisterbechers 187 ), und bei den Buntmachern, die sich im Gegensatz zu dem Pelzemachen der Pelzer nur mit dem Füttern von Sachen befaßten, sollte der Bewerber einen "growen" Mantel und einen "buken" Mantel anfertigen 188 ). Die Meisterstücke der Klotzenmacher waren ein Paar "Klippen myt holen ledderen roet", ein Paar zu machen mit acht Riemen, sowie ein Paar Klotzen und ein


179) Crull, a. a. O., S. 5 ff.
180) M.U.B. 21, 11 870, Art. 10.
181) R.A. Tit. IX, Kannengießer, 1, R. von 1387, Juni 13, Art. 6.
182) R.A. Tit. IX, Wandscherer, 1, undatierte R., wohl um 1387.
183) R.A. Rwb. fol. 21, R. von 1415, April 26, Art. 6.
184) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, 1 , R. von etwa 1450, Art. 4.
185) R.A. Tit. IX, Hutmacher, 1, R. von 1484, Juli 16, Art. 1.
186) Techen, HGbl. 1925, S. 67-127.
187) R.A. Rs. vol. 1, S. 78, R. von 1489, Jan. 22, Art. 4.
188) R.A. Rs. vol. 1, S. 112, R. von 1497, Aug. 18, Art. 1.
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Paar Sohlen. Klippen waren eine Art Überschuhe aus Korkholz und Leder, in gröberer Herstellung Klotzen genannt, die mit Riemen am Fuß festgehalten wurden 189 ). Für die Riemer und Beutler wurden 1669 als Meisterstücke angegeben ein Pferdezeug, ein Paar Halfter, ein Kreuzgürtel und ein Paar Steigleder 190 ). Die Schmiede verlangten ebenfalls mehrere Meisterstücke. Ein Grob- oder Hufschmied sollte zwei Hufeisen und eine "meßforcke" schmieden, dazu eine Anzahl Nägel, ebenso der Ankerschmied, der neben Nägeln einen Bootshaken und eine "roder-smide" verfertigen sollte. Für den Kleinschmied wurden u. a. zwei Bügel, ein vierkantenes Schloßblatt und ein Schlüssel gefordert, dem Messerschmied die Herstellung verschiedener Messer auferlegt 191 ).

An besonderen Abgaben wurden dem jungen Meister bei der Amtswerbung auferlegt eine Tonne Bier für das ganze Amt, ferner kleinere Summen zur Erhaltung des Amtsharnisches, des Amtsbahrtuches und der Lichte vor den Altären der Ämterkapellen 192 ). In der Bürgersprache von 1398 193 ) wurde bestimmt, daß neben den "antiquas iusticias ad armer et ad lumina" eine Tonne guten Bieres an das Amt gegeben werden, sonst aber dem jungen Amtsbruder keinerlei Ausgabe entstehen sollte. Im Laufe der Zeit wurden solche einschränkenden Bestimmungen dann nicht mehr beachtet, die Forderungen von seiten des Amtes wurden gesteigert. In der Hutmacher-Rolle von 1484, Art. 3, wurde zuerst eine "Köste" verlangt, bestehend aus einer Tonne Bier, zwei Schinken mit anderem Fleische, einem "gron rychte" (Gericht von frischem Fleisch), dazu Käse und Butter. Hinzu kamen dann noch die Abgaben für Harnisch und Lichte. Die Bechermacher forderten in der Rolle von 1489, Art. 3 und 5, bei der ersten Eschung eine kleinere Köste, bei den weiteren beiden bestimmte Summen zu Bier und endlich eine "Meisterköste" mit drei Gerichten, Butter und Käse und einer Tonne Bier. Bei den Buntmachern


189) Vgl. Amtsrezeß der Klippenmacher von Lübeck, Rostock, Wismar, HGbl. 1900, S. 153/55.
190) R.A. Crull, Coll. II, 20.
191) R.A. Tit. IX, Schmiede, Ethe Boeck von 1575, S. 1.
192) In der Wollenweber-Rolle von 1387, April 26 (M.U.B. 21, 11 869), Art. 11, heißt es allgemein: "Welk man in dat ampt kumpt unde synes sulves werd, de schal gheven deme ampte ene tunne beres, twe punt wasses to den lichten unde twelf schillinghe to dem boldeke unde to deme harnsche . . ."
193) M.U.B. 23, 13 301, Art. 3 h.
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findet sich dieselbe Art der Köste wie bei den Hutmachern. Erwähnt seien endlich noch die Forderungen der Reifer von 1465. An Gesamtausgaben fielen dem jungen Meister außer der Köste 46 M. 6 (ß) zu. Für den Schmaus mußten besorgt werden 90 Pfund Grapenbraden (mit Essig und Zwiebel gekochtes Rindfleisch, wozu Backpflaumen gegessen wurden), an Gebratenem ein halber Hammel und zwei Lämmer, 32 Pfund Schweinefleisch und ein Kälberbraten, ein gutes Gericht Fisch (meist wurde Hecht verlangt wie bei den Schmieden), endlich Butter und Käse. Dazu wurde eine Tonne Bier getrunken und zu allem Weißbrot gegessen. Selbst wenn man bedenkt, daß das ganze Amt mit Frauen und auch Kindern teilweise beim Schmaus versammelt war, bleibt die Menge der verlangten Dinge beachtlich! Wenn auch Bestrebungen wach wurden, die übermäßigen Gelage einzuschränken, so kam es höchstens zu einer Ablösung der Kösten, die Ausgaben blieben ziemlich dieselben 194 ).

Meisterwitwen durften das Amt ihres verstorbenen Mannes bei den Wandscherern 195 ) und Knochenhauern 196 ) noch Jahr und Tag weiter ausüben. Heiratete eine Knochenhauerwitwe einen anderen Amtsbruder mit Willen der Werkmeister und des Amtes, so konnte sie das "Amt" behalten. Geschah es jedoch nicht, so konnten die Kinder, Sohn oder Tochter, das Handwerk weiter innehaben. Auf Vorschlag der Werkmeister sollten sie vom Rate mit dem Amt belehnt werden. Beiden Schneidern 197 ) sollte einer Meistertochter oder Witwe nicht verboten werden, mit Ratserlaubnis "neues Werk" an Kragen oder Flickwerk zu nähen, und bei den Gerbern und Rußfärbern durfte eine Witwe das Amt weiterführen, solange sie Amtsrecht tun wollte 198 ). Dasselbe wurde in der Rollensupplikation der Nadler angegeben 199 ). Heiratete eine Schneiderwitwe außer Amts, so sollte sie keine Arbeitserlaubnis mehr haben.

Wer eine Meistertochter oder Witwe zur Ehe nahm, genoß ähnliche Vorzüge wie ein Meistersohn. So brauchte ein solcher


194) Vgl. R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtsabmachung der Bäcker von 1581, März 17.
195) R.A. Tit. IX, Wandscherer, R. vor 1400?, Art. 6.
196) R.A. Rwb. fo1. 19, R. von 1410, Freitag nach Allerheiligen, Art. 11.
197) R.A. Tit. IX, Schneider, R. von 1568, Nov. 26, Art. 9.
198) R.A. Crull, Coll, II, 20, R. von 1587, Pfingsten, Art, 8.
199) R.A. Tit. IX, Nadler, 2, R.-Supplikation von 1588, Art. 1.
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Bäckergeselle kein Harnischgeld mehr zu entrichten, da sein "vorvare", der verstorbene Ehemann der Witwe, den Betrag schon entrichtet hatte 200 ). Ein Wollenweber, der innerhalb des Amtes sich verheiratete, brauchte sein Amt nur auf einer Morgensprache zu "eschen" 201 ), und ein Goldschmiedsgeselle, der sein Jahr nicht in der Stadt gedient hatte, aber eine Witwe heiraten wollte, sollte dem Amte für das Dienstjahr 4 fl. geben dürfen 202 ). Für einen Schmiedegesellen betrugen die Amtsabgaben bei Amtsheirat im Jahre 1574 nur 45 anstatt 57 M. 203 ). Wenn ein Bechermacher im Amte heiratete, so waren ihm die geforderten drei Dienstjahre erlassen 204 ). In der Leinweber-Rolle von etwa 1580 wurde bestimmt, daß jeder, der Meister werden wollte, eine Meisterwitwe oder -tochter heiraten sollte, und nur Meister oder Meistersöhne durften eine Ehe außer Amtes eingehen 205 ).

Meisterkinder sollten bei den Bäckern 206 ) und den Klotzenmachern 207 ) vor Fremden den Vorzug bei der Amtsgewinnung haben, und bei den Zinngießern wurden sie ohne Dienst zum Amte zugelassen 208 ). Im Amte der Kleinwandmacher 209 ) sollte ein Meistersohn nach Begleichung von 5 M. auf der Kämmerei sein Amt frei haben; wer kein Meistersohn war, aber im Amt heiraten wollte, sollte zwar auch nach Abgabe derselben Summe das Handwerk gebrauchen dürfen, mußte jedoch zwei Jahre gedient haben. Ein Zwang war die Heirat im Amte bis 1600 anscheinend nur bei den Leinwebern, in den übrigen Ämtern war den Bewerbern bei Abgabenerhöhung eine gewisse Freiheit ihrer Wahl gelassen.

Fremde Meister, die in anderen Städten "eigen Vuer und Rock" gehabt hatten, zuzulassen, stand nach den Rollen der


200) M.U.B. 23, 13 376, R. von 1398, Dez. 15, Art. 3.
201) R.A. Tit. IX, Wollenweber, 3, Übereinkunft des Amtes mit dem Rate von 1492.
202) Crull, a. a. O., Anl. III.
203) R.A. Tit. IX, Schmiede, Ethe Boeck, S. 12-13.
204) R.A. Rs. vol. 1, S. 78, R. von 1489, Jan. 22, Art. 2.
205) R.A. Tit. IX, Leinweber, 3, Art. 8. Vgl. hierzu Techen, HGbl. 1925, S. 86 ff.; Crull, a. a. O., S. 10 ff.
206) R.A. Rwb. fol. 17, R. von 1410, Nov. 14, Art. 6.
207) R.A. Rwb. fol. 104/5, R. von 1509, Sept. 1, Art. 3.
208) R.A. Tit. IX, Zinngießer, Aufzeichnung im Amtsbuch, S. 51-56, aus dem Jahre 1550.
209) R.A. Rwb. fol. 60/61, R. von 1560, Nov. 4, Art. 5, 6.
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Schneider (1398, 1568), Klotzenmacher (1509) und Kleinwandmacher (1560) im Ermessen des Rates. Nach der Rolle der Maurer von 1568 sollte einem Fremden, wenn er Bürger werden, aber der Bruderschaft nicht beitreten wollte, die Arbeit nach Abgabe von einer Tonne Bier und zwei Markpfund Wachs an das Amt freistehen. Die Wandscherer verlangten nach der vor 1400 anzusetzenden Rolle die Beibringung von Zeugebriefen. Nach den Rollen der Bechermacher (1489) und der Buntmacher (1497) jedoch sollten auswärtige Meister im Amte keine Aufnahme finden.

Ebenso sollten im Wollenweber-Amte und bei den Schwertfegern nach den Rollen von 1387 und etwa 1450 die Amtsbrüder vom Handwerk ausgeschlossen bleiben, die eine Frau mit üblem Leumund zur Ehe nahmen.

An der Spitze der Ämter standen die vom Amte gewählten, seit 1430 210 ) vom Rate berufenen Vorsteher, bezeichnet als "oldermanni, olderlüde" und "werkmestere". Der Ausdruck "werkmestere", dem das Wort "magistri" in den lateinisch abgefaßten Quellen entspricht, herrscht jedoch bei weitem vor; in 33 vorliegenden Amtsdokumenten wurde nur elfmal diese Bezeichnung nicht angewandt. Die Worte bedeuten in der ersten Zeit des Vorkommens jedoch nicht dasselbe, da "werkmestere" und "olderlüde" nebeneinander gebraucht werden 211 ). Eine nähere Bestimmung ihrer Aufgaben kann man für das Amt der Wollenweber geben. Ihm standen zwei Werkmeister vor, die vom Rate auf Lebenszeit berufen wurden. Sie hatten die Güte der Erzeugnisse nachzuprüfen und führten ebenfalls die Aufsicht über die Walkmühle. Walker und Fuhrleute wurden von ihnen angenommen, und für notwendige Reparaturen hatten sie Sorge zu tragen. Eine Abrechnung fand alle Vierteljahr statt. Die Leitung der Amtszusammenkünfte lag ebenfalls ihnen ob. Das Amt beriet über ihre Vorschläge gesondert und ließ seine Meinung durch den Amtsworthalter kundtun. Neben den Werkmeistern standen vier Meister, die Ältesten, die wohl auf Zeit gewählt wurden und nach Techens Ansicht die eigentlichen Vorsteher der Wollenweberbruderschaft waren. In Gesellensachen waren sie mit den Werkmeistern zusammen zuständig, ob sie bei der Annahme von Lehrlingen


210) Art. 16 der herzoglichen Urkunde über Sühnvorschriften nach den Unruhen von 1427 vom 21. März 1430. M.J.B. 55, S. 82.
211) Vgl. M.J.B. 55, S. 55, Anm. 1.
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und der Zulassung von neuen Meistern entscheidenden Einfluß ausübten, ist nicht bestimmt 212 ).

Die Älterleute hatten allgemein in den Ämtern für Ruhe und Ordnung zu sorgen, sie beriefen die Morgensprachen ein und übten die dem Amte zustehende Gerichtsbarkeit aus. Eine Kontrolle im Amte über die Herstellung der Erzeugnisse wurde auch von ihnen durchgeführt, und sie waren wohl dem Rate in jeder Hinsicht für das Amt verantwortlich. Ein Älterleute-Eid 213 ), der dem Rate abgelegt wurde, ist vor 1583 bekannt. Wer Werkmeister wurde, sollte nach der Rolle der Hauszimmerleute von 1537, Juni 18 214 ), den "brodern" einen Schinken und eine halbe Tonne Bier geben. Nach der Rolle der Stellmacher von 1637, Juni 29, sollte sein Amtskollege einen halben Reichstaler und das Amt 4 fl. erhalten 215 ).

Der Rat setzte 1345 und 1372 die Älterleute der Bäcker und Knochenhauer ab und ordnete bei den Bäckern eine Neuwahl vor dem Rate an, im Knochenhaueramt berief er selbst neue Meister. Aber auch das Amt selbst war bisweilen unzufrieden mit seinen Vorstehern. So beklagten sich etwa 1530 die Pantoffelmacher beim Rate, daß ihr Ältermann, Hans Nagel, seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Außerdem habe er der Amtsbüchse 60 M. entnommen, das Amtsgeschirr versetzt und die Amtsehre gänzlich mißachtet. Man bat den Rat um eiliges Vorgehen in diesem Fall 216 ).

An weiteren Ämtern der Meister wurden 1540, September 23, bei den Leinwebern 217 ) noch erwähnt des Amtes "wordtholder", der "oldeste rekensmann" und der "rekensmann". Der "wordtholder" ist der Meister, der bei Amtsberatungen die Meinung und den Entschluß des Amtes den anwesenden Ratsherren kundtat, die beiden anderen Genannten waren sicher mit der Verwaltung der Amtsbüchse beauftragt. Über weitere Befugnisse der erwähnten Meister ist nichts bekannt.


212) Vgl. Techen, M.J.B. 58, S. 31 ff.
213) R.A. Rwb. fol. 81.
214) R.A. Rwb. fol. 107.
215) R.A. Tit. IX, Stellmacher, 3, Art. 6.
216) R.A. Tit. IX, Pantoffelmacher, 7.
217) R.A. Tit. IX, Leinweber, 2.
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Kapitel III:

Zunftgerichtsbarkeit.

Es ist die Pflicht des Staates wie jeder Gemeinschaft, seine Glieder vor schädlichen Elementen zu schützen. Durch die Gerichtshoheit ist ihm die Möglichkeit gegeben, Übertretungen der durch die Gesetze aufgestellten Norm zu ahnden und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. Die mittelalterliche Stadt als in sich geschlossener Wirtschaftsverband mit eigener Verwaltung bildete - so könnte man es bezeichnen - einen "Staat" im größeren Territorium. Sie war bestrebt, sich von der Bevormundung des Landesfürsten frei zu machen und in eigenen Angelegenheiten selbständige Entscheidungen zu treffen. Im Jahre 1266 wurde der Stadt Wismar der Gebrauch des lübischen Rechtes in jeglicher Art Gericht bestätigt. Allerdings fiel dem Herzog ein Teil der Gefälle aus Sachen, die Hals und Hand betrafen, zu. Wismar erhielt das Willkürrecht und durfte selbst die Höhe der Bußen festsetzen 218 ). Im Jahre 1373 wurden Vogtei und Gericht an die Stadt verpfändet, die bis 1879 in deren Besitz geblieben ist 219 ). Bis zum Jahre 1813 war auch der Stadt die Ausübung der Blutgerichtsbarkeit zugestanden, und der Rat hatte dies Recht nur bei dem Aufstand des Klaus Jesup sich aus der Hand nehmen lassen müssen. Blieb die Entscheidung in Sachen, die "blod unde blaw" betrafen, dem Rate vorbehalten, so wurde in Zivilstreitsachen der Ämtergenossen den Zünften eine genau bestimmte Urteilsgewalt überlassen. Es erklärt sich dies aus der besonderen Stellung des Handwerks im Leben der mittelalterlichen Stadt, aus dem Amtscharakter.

Die Erteilung einer Amtsrolle an eine Handwerkerorganisation war die Verleihung eines Privilegs; den Handwerkern wurde innerhalb ihres Arbeitsgebietes Schutz gegen jede Konkurrenz außerhalb des Amtes zugesichert. Ihnen erwuchs daraus aber auch die Verpflichtung, das Handwerk zum Besten der Stadt und ihrer Bürger auszuüben. Dafür wurde der


218) Techen, Geschichte Wismars, S. 13.
219) Techen, a. a. O., S. 28.
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einzelnen Zunft das Recht eingeräumt, in bestimmten Rechtsfällen ihrer Mitglieder, die nicht den eigentlichen Gewerbebetrieb betrafen, Entscheidungen zu fällen, was sonst dem Rate oder seinen Beauftragten obgelegen hätte. Die Gewährung der beschränkten Gerichtsbarkeit wurde seitens der Zünfte um so mehr begrüßt, als so nicht jede Angelegenheit sofort vor das Forum des Rates gebracht wurde und auch die Selbständigkeit der Handwerker eine Vermehrung erfuhr. - Die Ausübung der Gerichtsbarkeit war den Älterleuten übertragen, die als Vorsteher des Amtes dem Rate für die untadlige Führung des Amtes verantwortlich und ihm gegenüber eidlich gebunden waren, nichts gegen ihn und die Stadt zu unternehmen. In ihrer Eigenschaft als Rechtsvertreter wohl genossen sie auch persönlichen Schutz; 1394 wurde ein Bürger wegen Beleidigung der Werkmeister der Leinweber verfestet 220 ). Die den Älterleuten als Amtsvorstehern gegenüber bestehende Gehorsamspflicht wurde durch ihre Eigenschaft als "Rechtsperson" noch verstärkt. In den Rollen der Kürschner von 1383 221 ), der Reifer 222 ) und Kannengießer non 1387 223 ) wird besonders hervorgehoben, daß jedermann im Amte den Werkmeistern "underdanech unde horzam" sein sollte bei Strafe von einem halben Pfund an den Rat und 6 Pf. an die Werkmeister. Diese Bestimmung steht in engem Zusammenhang mit den übrigen Artikeln über die Rechtsverhältnisse der Zunft.

Die Urteilsgewalt der Älterleute erstreckte sich auf leichtere Streitsachen und Beleidigungsklagen. In der Goldschmiederolle von 1380, November 28, Art. 18, findet sich die Bestimmung, daß kein Goldschmied "twystynghe edder twedracht" den Gerichtsvögten mitteilen sollte, wenn er nicht zuvor die Streitsache den Werkmeistern unterbreitet hatte. Diese sollten die "twydracht wol turugghe legghen unde vlygen sunder claghe". Sie hatten also nach Möglichkeit die uneinigen Amtsbrüder miteinander auszusöhnen. Ähnlich heißt es übereinstimmend in den Rollen der Kürschner von 1383, der Wollenweber und Reifer von 1387, daß sich die Amtsbrüder um "schelinghe" (Uneinigkeit) willen nicht "bevronen", nach der Krämerrolle von 1397 "umme schelinghe edder umme scult willen" nicht "dat richte senden" sollten, bevor die Werkmeister über die


220) M.U.B. 22, 12 716.
221) M.U.B. 20, 11 501. R. von März 3, Art. 6.
222) M.U.B. 21, 11 870. R. von April 26, Art. 12.
223) R.A. Tit. IX, Kannengießer, ohne Datum, Art. 13.
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Ursache der Zwietracht unterrichtet waren. In der Bäckerrolle von 1410, November 14, findet sich die Vorschrift, daß die Werkmeister die Streitsache 14 Tage lang "uplecgen" sollten außer Blutsachen, die dem Rate sofort zu melden waren. Die Älterleute hatten erst einen Schlichtungsversuch vorzunehmen, und erst wenn dieser vergeblich war, konnten die Streitenden vor dem Stadtgericht ihr Recht suchen. Das hing nach der Krämerrolle aber auch von der Zustimmung der Amtsvorsteher ab 224 ). Welche Rechtsfälle von den Ämtern allein erledigt werden konnten, wird ersichtlich aus der Rolle der Kannengießer von 1387 und denen der Knochenhauer und Bäcker von 1410. Der Rat erteilte danach den Ämtern das Privileg, alle "schelmere" und "schelinghe" unter sich zu schlichten "sunder blud (blot) unde blaw und stekene wunden". Jede Streitsache, die der Blutgerichtsbarkeit unterstand, mußte also vor dem Rate ihre Sühne finden. In der Rolle der Hauszimmerleute von 1537, Art. 4, heißt es: "ofte wol deme Ampte brockastich worde, dat schal dat Ampt richten. Sunderlinges wenner die ehne den andern mit worden vorlettet, Also dat die Ersame Radt in andern sachen dat Richte beholden". Dennoch wurden die Bestimmungen nicht immer beachtet. So klagten die Älterleute der Wollenweber im Jahre 1570 225 ), daß sich die Sitte herausgebildet hätte, sich wegen Scheltworten und ehrenrührigen Worten an den Rat statt an die Älterleute zu wenden, "welches nicht alleine den olderlüden tho vorkleinung, sondern dem ganzen Ampte tho vorswekinge und abbruch erer hebbenden olden wolhergebrachten Privileig und gerechtigkeit gerecket". Die berechtigte Entrüstung der Vorsteher wurde anerkannt und die bestehende Vorschrift neu vom Amte bestätigt. Eine Übertretung sollte u. U. Amtsverlust nach sich ziehen.

Wurde der Streitfall zweier Amtsbrüder nicht vor den Älterleuten erledigt, so fand eine weitere Verhandlung in der Morgensprache in Anwesenheit der vom Rate abgeordneten Morgensprachsherren statt. Die Entscheidung wurde dann wohl in Übereinstimmung mit den Ratsmitgliedern gefällt; die Morgensprache scheint also die nächst höhere Instanz zu sein.

In der Rolle der Bechermacher 226 ) von 1489, Januar 22, heißt


224) M.U.B. 23, 13 090, R. von 1397, März 28, Art. 13.
225) R.A. Tit. IX, Wollenweber, Aufzeichnung im Protokollbuch des Amtes, p. 53, aus dem Jahre 1570, Juli 3.
226) R.A. Rs. vol. 1, S. 79/80.
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es: "Können se (die Älterleute) idt denne nicht sliten, so sta idt beth in de morghensprake". Bei den Klotzenmachern wurde in der Rolle von 1509, September 1, Art. 19, in ernsteren Streitigkeiten zwischen einem Amtsbruder und dem Amte die Notwendigkeit einer Morgensprache in Erwägung gezogen. Der schuldige Meister sollte dann die Morgensprache "uthreden" und dem Rate sowie den Amtsbrüdern geben, was ihm gebührenderweise auferlegt wurde 227 ). Für die übrigen Ämter ist über diesen Brauch nichts erwähnt, doch werden für sie ähnliche Bedingungen gegolten haben. Bei den Wollenwebern bestand die Sitte, daß das Amt gegen Ostern zusammenkam, um festzustellen, ob jemand im Amte wäre, "de hat hadde myt dem andren" 228 ). Auf dieser außergewöhnlichen Amtsversammlung, deren Zustandekommen vor Ostern wohl durch religiöse Erwägungen mitbestimmt war, ist anscheinend dann für eine Beilegung der Streitfälle Sorge getragen.

Wurde von den Amtsbrüdern gegen die Artikel der Rollen verstoßen, mißachteten sie die Bestimmungen über die Gehorsamspflicht den Älterleuten gegenüber und verletzten sie die Vorschriften über die Amtsgerichtsbarkeit, so hatten sie neben der Strafe an den Rat auch eine Abgabe an die Älterleute zu entrichten. Die Höhe der Strafe an die Amtsvorsteher war jedoch nicht beliebig, sondern vom Rate in der Rolle festgelegt. So lautet die Bestimmung in der vor 1400 erteilten Rolle der Wandscherer, daß die Älterleute "moghen beden uppe søs penninghe in dinghen, de moghelik sint", und daß sie den Betrag von denen, die ihnen ungehorsam waren, selbst auspfänden dürften 229 ).

Nicht immer aber konnten die Älterleute die Strafgelder für sich beanspruchen. Wenn ein Amt sich aus besonders feierlichem Anlaß versammelte und durch die Schuld eines Amtsbruders Streit und Uneinigkeit hervorgerufen wurde, so mußte bei den Kürschnern, Reifern und Krämern der Unruhestifter dem Amte zur Strafe eine Tonne Bier geben, und wer bei den Kistenmachern den anderen vor dem Amte oder in der Kirche einen Lügner schalt, mußte 2 (ß) an das Amt entrichten. Bei den Reifern wurden 1465 die Ausdrücke "Lügner" und "böser Mann" ebenfalls mit Amtsstrafe von 2 und 4 (ß) belegt und


227) R.A. Rwb. fol. 104/5.
228) R.A. Tit. IX, Wollenweber, Prot.-Buch, p. 20.
229) R.A. Tit. IX, Wandscherer, R. vor 1400?, Art. 7.
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bei den Wollenwebern wurden Schmähworte, wie "Lügner" und "Hundesfoth", gar mit 6 (ß) bestraft. Das Entscheidende für das Verhängen dieser Amtsstrafen wird wohl der Bruch des Amtsfriedens gewesen sein; den Krämern war es nach der Rolle von 1397 verboten, mit "stekemesten", langen, dolchartigen Messern, auf Amtszusammenkünften zu erscheinen. Die Frage, ob die Älterleute oder das Amt im Einzelfall die Strafgefälle erhalten sollten, ist sehr verschieden geregelt, und eine feste Norm läßt sich für die Ämter hier kaum aufstellen. Es scheinen aber der Bruch des Amtsfriedens und die Verletzung der Amtsehre das Entscheidende gewesen zu sein, um eine Strafe durch das ganze Amt und eine Abgabe an alle Amtsbrüder auszulösen.

Streitigkeiten der Gesellen untereinander wurden vor dem ganzen Amte verhandelt 230 ). Dem einzelnen Meister wurde über seine Gesellen nur in einem Falle ein Geldstrafrecht eingeräumt, wenn nämlich der Geselle die Nacht nicht im Meisterhause geschlafen hatte. Nach der Knochenhauerrolle von 1410, Nov. 7, Art. 12, hatte der Schuldige seinem Meister 1 (ß) lüb. und den Werkmeistern 6 Pf. zu zahlen 231 ). Das Vergehen unterlag der Anzeigepflicht, der Meister war also gewissermaßen ausführendes Organ der Gerichtsbarkeit und wurde daher entschädigt.

Freiheitsstrafen sind in der deutschen Zunftgeschichte selten 232 ); um so bemerkenswerter ist daher eine Erwähnung derselben bei den Krämern. In der Rolle von 1587, Februar 22, Art. 9, wird bestimmt, daß ein "Junge oder Knecht, der seines Herrn Brot schänden oder seines Herrn Güter durch Vollsaufen und Unrecht verschwenden würde, den Gerichtsvögten (unsern Gerichts-Voigten!) angemeldet und mit Wasser und Brot im Gefängnis nach Gelegenheit der Wirkung, wie Recht gestraft werden sollte". Während für die Abfassung der Strafbestimmung der Hamburger Böttcher (s. Anm. 232) die Schädigung des Meisters ausschlaggebend war, wird bei den wismarschen Krämern ohne Zweifel die Rücksicht auf das An-


230) R.A. Tit. IX, Hutmacher, Städteordnung von 1574, Aug. 23, Art. 17.
231) R.A. Rwb. fol. 19.
232) Vgl. Otto Rüdiger, Die ältesten hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten, Hamburg 1874, S. 31, Nr. 7, Art. 9. - C. Neuburg, Zunftgerichtsbarkeit und Zunftverfassung in der Zeit vom 13. bis 16. Jahrhundert, Jena 1880, S. 248.
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sehen des Amtes die Höhe der Strafe für das erwähnte Vergehen mitbeeinflußt haben.

Die Gerichtsbarkeit der Zunft erschöpfte sich jedoch nicht im Schlichten leichterer Streitfälle und in der Wahrung einer zunftgerechten Haltung der Amtsgenossen. Die Älterleute hatten auch die Aufsicht über den Gewerbebetrieb inne und übten die Gewerbepolizei innerhalb der Ämter aus. Um zu verhüten, daß durch die Lieferung minderwertiger Produkte den Konsumenten Schaden zugefügt und das Ansehen des Amtes geschädigt wurde, waren die Älterleute verpflichtet, auf Geheiß des Rates in bestimmten Zeitabständen die Arbeit der Zunftgenossen zu kontrollieren; sie hatten die Werkstätten zu besuchen, um die Bestätigung für vollwertige Arbeit erteilen zu können. Eine andere Aufsicht über die Zunftmeister gab es nicht. Da die Älterleute die Verantwortung für die untadlige Arbeitsausführung der Zünfte trugen, sie die Pflicht hatten, den Gewerbebetrieb zu beaufsichtigen, so stand ihnen als Recht die Einnahme eines Teils der vom Rate verhängten Strafgelder für Übertretungen der Arbeitsvorschriften zu; die üblichen 6 Pf. Strafgeld für die Werkmeister flossen in ihre eigene Kasse.

Auf die Angaben der Älterleute hin wurden die bisweilen recht hohen Strafen für unzureichende Arbeit wirksam. Fanden sie bei solchen Kontrollbesuchen, dem "Umgang", "wandelbare" (fehlerhafte) Arbeitsstücke, so mußten solche bei den Goldschmieden zerschlagen werden, außerdem hatte der schuldige Meister eine Strafe an Amt und Gewett zu zahlen 233 ); bei den Kürschnern betrug diese an den Rat ein halbes Pfund, die Werkmeister erhielten 6 Pf. 234 ). Das war auch bei anderen Ämtern die gebräuchliche Buße, so bei den Wollenwebern 235 ), den Buntmachern 236 ) und den Böttchern 237 ). Bei den letzten wurden zu kleine Tonnen vom "Wraker" zerschlagen und verbrannt 238 ). In der Rolle der Hutfilter von 1484, Juli 16, Art. 9 239 ), wurde die Strafe für fehlerhafte Arbeit auf 10 (ß) an den Rat und eine halbe Tonne Bier an das Amt festgesetzt.


233) M.U.B. 19, 11 293. R. von 1380, Nov. 28, Art. 1.
234) M.U.B. 20, 11 501. R. von 1383, März 3, Art. 3.
235) M.U.B. 21, 11 869. R. von 1387, April 26, Art. 8.
236) R.A. Rs. vol. 1, S. 112, R. von 1497, Aug. 18, Art. 6.
237) R.A. Rwb. fol. 20, Böttcher-Verordnung von 1411, Dez. 5.
238) R.A. Rwb. fol. 51, Wrakereid, 1571.
239) R.A. Tit. IX, Hutfilter, 1.
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Wer bei den Kleinwandmachern einen halben Gang "zu Ringe" geschoren hatte, sollte dem Amte zahlen, bei einem ganzen Gange aber in Ratsstrafe stehen 240 ). Warenfälschung wurde mit den höchsten Strafen belegt, bei den Goldschmieden nach der Rolle von 1380 mit Ausschluß aus dem Amte auf ewige Zeiten.

Kapitel IV:

Das Zunftwesen und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt.

Die mittelalterliche Stadt bildet in der Regel mit dem ihr zunächst liegenden, sie umgebenden Gebiet einen abgeschlossenen, einheitlichen Wirtschaftskörper, der nicht nur seine wirtschaftlichen Angelegenheiten selbst regelt, sondern auch bestrebt ist, seine Wirtschaftsinteressen nach außen hin nötigenfalls mit den Waffen zu verteidigen und sein Einflußgebiet zu vergrößern 241 ). Die Stadtwirtschaft beruhte auf der Auffassung, daß die städtische Obrigkeit verpflichtet sei, das Leben in der Stadt und auf dem Markte in christlichem Sinne zu regulieren und zu überwachen. Das konnte aber nur möglich sein, wenn Kauf und Verkauf auf dem städtischen Markte unter strengster Aufsicht der Obrigkeit erfolgten, und so bilden die Wochenmarktgesetze den Kern der sog. "Stadtwirtschaft" und den Ausgangspunkt für weitere gesetzgeberische Maßnahmen wirtschaftlicher und sozialpolitischer Art. Für die Organisation des Wochenmarktes ist charakteristisch, daß einmal jeglicher Verkehr öffentlich war, um die gute Kontrolle seitens der Obrigkeit zu ermöglichen, und daß zum anderen der Käufer nur vom Produzenten direkt die Ware erwerben konnte, da nur durch Ausschaltung des Zwischenhandels eine Verteuerung der Produkte zu verhindern war.


240) R.A. Rwb. fol. 62, R. von 1560, Nov. 4, Art. 23.
241) Zum folgenden vgl. G. von Below, Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum, Bielefeld und Leipzig, 1925, S. 108 ff., in Monographien zur Weltgeschichte, Bd. 6. - G. Schönberg, Zur wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Zunftwesens in Hildebrands Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 9, 1867.
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Die Ziele der Stadtwirtschaft gelangten zur Verwirklichung auf den Gebieten des Handels und des Gewerbewesens, die beide von den "Bürgern" als ihr ausschließliches Vorrecht angesehen wurden. Der Handel wurde als öffentliche Angelegenheit aufgefaßt, und dieselbe Anschauung erstreckte sich auf die handwerkliche Tätigkeit. Das Wohl der ganzen Gemeinde als der Gemeinschaft aller Erzeuger und Verbraucher sollte durch die Organisation der Zünfte gefördert werden. Im Innern der Zunft sollte den Meistern und Zunftgenossen ein standesgemäßer Unterhalt gesichert werden, ein christlich-ethischer Geist sollte ihr Handeln bestimmen und an die Stelle des freien Wettbewerbs der Grundsatz der Gleichheit und Brüderlichkeit treten. War den Zünften das Recht auf Arbeit eingeräumt, so übernahmen sie andererseits die Pflicht, ihre Arbeit zum Wohle der Gesamtheit auszuführen und dem Publikum, den Konsumenten, durch ihre Erwerbstätigkeit keinen Schaden zuzufügen, sondern stets gute und preiswerte Arbeit zu liefern. Aus dieser Auffassung entstand die Bezeichnung der Zünfte als "Ämter (officia)".

Die Verhältnisse der gewerblichen Produzenten und der Konsumenten des Publikums waren in den mittelalterlichen Städten gesetzlich geregelt. Maßgebend war dabei allein das Wohl des Ganzen, das Interesse der Erzeuger und Verbraucher wurde in gleichem Maße berücksichtigt.

1. Das Interesse der Verbraucher (Konsumenten), des Publikums, wurde gewahrt durch die Forderung guter, billiger und ausreichender Erzeugnisse.

a) Die städtische Obrigkeit sorgt dafür, daß die Quantität der Waren den Anforderungen des städtischen Verbraucherkreises genügt. Deshalb wird vielfach den Meistern zur Vorschrift gemacht, in Auftrag erhaltene Arbeitsstücke innerhalb einer bestimmten Frist fertigzustellen. Nach der Schneiderrolle von 1568, Nov. 28, Art. 10, sollten von einem Meister nicht mehr Kleider zur Arbeit angenommen werden, als er in 14 Tagen fertigstellen konnte. War es dem Meister nicht möglich, das Kleid innerhalb der bestimmten Frist zu liefern, so stand dem Kunden das Recht zu, das Zeug wegzuholen und es einem andern Meister zur Bearbeitung zu überlassen 242 ). Wurde ein Goldschmied vor den Werkmeistern um Gold oder Silber verklagt, das man ihm zur Bearbeitung in seiner "Wohnung"


242) R.A. Tit. IX, Schneider, 2.
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überlassen hatte, so wurde ihm eine Frist von 14 Tagen oder länger, je nach der zur Anfertigung des Auftrags benötigten Zeit, gesetzt. Wurde der Kunde aber nicht durch die aufgegebene Arbeit befriedigt oder ihm in barem Geld oder mit einem Pfand eine Entschädigung zuteil, so sollte der Goldschmied ein halbes Jahr vom Amte ausgeschlossen bleiben 243 ). Im Jahre 1566, Juni 26, klagte Gert von der Lühe auf Steinhagen beim Rat über einen Wagenmacher, "das kleyne Mennichen, so in der Dankwartstraße whonet", der innerhalb der abgemachten Frist (14 Tage) die aufgegebene Reparatur nicht ausgeführt und ihm dadurch Schaden und Schimpf zugefügt habe 244 ).Nach der Rolle der Hauszimmerleute von 1537, Juni 18, Art. 8, durfte die Arbeit von dem Zimmermann vor endgültiger Fertigstellung nur mit Willen des Auftraggebers im Stich gelassen werden, wenn der Handwerker bei einem anderen vorher arbeiten wollte 245 ). Wenn ein Maurer über eine versprochene Zeit hinaus der bereits begonnenen Arbeit fern blieb, so durfte ein anderer Meister die Arbeit fortsetzen, ohne straffällig zu werden 246 ). Und nach der Tischlerrolle von 1500, Februar 4, Art. 12, konnte ebenfalls ein Amtsbruder straflos eine begonnene Arbeit fortführen, wenn derjenige, der den Auftrag angenommen und sich zur Arbeit verdingt hatte, ihn nicht in der versprochenen Zeit erledigen konnte. Inwieweit eine Bezahlung an den ersten Handwerker erfolgte, ist in keinem Fall näher angegeben.

Die Begünstigung neuer Gewerbe seitens des Rates war weiter geeignet, die Bürger der Sorge um ausreichende Produktion zu entheben. Wenn die mittelalterliche Gewerbeteilung auch vorwiegend bestimmt war, den einzelnen Gewerbetreibenden einen ausreichenden Lebensunterhalt zu gewährleisten, so war doch gerade durch die Vielheit der handwerklichen Erwerbszweige auch erst die Möglichkeit gegeben, daß die Handwerker den Anforderungen seitens des Publikums gerecht wurden. Betrachtet man nur die besonders reiche Gliederung des Schmiedehandwerks, so wird einem klar, daß durch die Trennung in Einzelgewerbe eine bessere Herstellung, eine Steigerung der Produktion gegeben war; ein Meister, der alle Erzeugnisse der Schmiedekunst herstellte, würde die Forderungen


243) M.U.B. 19, 11 293. R. von 1380, Nov. 28, Art. 9.
244) R.A. Tit. IX, Stellmacher, 1.
245) R.A. Rwb. fol. 108.
246) R.A. Tit. IX, Maurer, 1, R. von 1568, März 13, Art. 11.
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der Konsumenten kaum in dem gewünschten Maße haben befriedigen können.

Bisweilen wurde durch Freistellung der Gesellenzahl für genügende Produktion gesorgt. Bei dem 1560 errichteten Amte der Kleinwandmacher wurde den acht zugelassenen Meistern gestattet, so viel Gesellen zu halten, wie für sie nach ihrem Ermessen nötig waren 247 ). Dies Privileg ist wahrscheinlich mit Rücksicht auf eine ausreichende Versorgung der Bürger erteilt worden.

Gelegentlich wurden auch wohl auswärtige Handwerksmeister, dem Zunftrecht zuwider, in der Stadt zur Arbeit zugelassen, wenn den Bürgern durch deren Arbeitsmethode, die in der Stadt selbst nicht üblich war, ein Nutzen erwuchs. So stand es nach der erwähnten Rolle der Kleinwandmacher, Art. 36, im Ermessen des Rates, fremde Lakenmacher, die eine bessere Lakenart herstellen könnten, zuzulassen. Wenn ein Bürger eine "ansehnliche, künstliche nye arbeit in gevelen (Giebeln) edder anderm Muerwergke" machen lassen wollte, die er den ortsansässigen Maurern nicht zutraute, so sollte es ihm frei stehen, fremde Maurer nach seinem Belieben anzunehmen 248 ).

Eine weitere Möglichkeit, sich gegen Warenmangel zu schützen, lag in der Beeinflussung der Ausfuhr. In der Reiferrolle von 1387, April 26, Art. 7 249 ), wird den Reifern verboten, "ienegherleye tøuwe" aus der Stadt auf Jahrmärkte oder auf das Land zu bringen bei Strafe von einem halben Pfund an den Rat und 6 Pf. an die Werkmeister. Den wismarschen Böttchern war offenbar mit Rücksicht auf die einheimischen Brauer verboten, Biertonnen auszuführen 250 ).

Im Nahrungsmittelgewerbe war die Stadt auf Einfuhr angewiesen. In der Bürgersprache von 1351, September 25, Art. 13, wird allgemein bestimmt, daß Brauer und Bäcker "secundum exigenciam temporis" brauen und backen sollten 251 ). Und in der Bäckerrolle von 1417, September 22, Art. 5, ist als Mindestmaß ein zweimaliges Backen in der Woche vorgeschrieben 252 ). Die "iura pistorum" in Lübeck von


247) R.A. Rwb. fol. 61, R. von 1560, Nov. 4, Art. 11.
248) R.A. Tit. IX, Maurer. R. von 1568, März 13, Art. 4.
249) M.U.B. 21, 11 870.
250) Techen, HGbl. 1925, S. 102.
251) M.U.B. 13, 7516.
252) R.A. Rwb. fol. 58/59.
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1295 werden in "beschränktem" Maße auch in Wismar gegolten haben 253 ). Danach war die Einfuhr von Brot, das einen Denar kostete, oder von zwei Broten zu einem Denar "jederzeit" erlaubt; eine Einschränkung muß jedoch bestanden haben, denn im Gegensatz hierzu steht der Art. 9 der Bäckerrolle von 1410, Nov. 14, nach dem es altem Rechte gemäß jedermann freistehen sollte, die "leste weken vor paschen" Brot in die Stadt zu bringen 254 ). Wurde Vieh von der See her in die Stadt gebracht, so durften die Knochenhauer es erst kaufen, wenn es Tag und Nacht in dem Stall eines Bürgers gestanden hatte. Der Zweck dieser Vorschrift war, auch anderen Bürgern den Kauf für eigene Bedürfnisse zu ermöglichen. Wollte ein Bürger einen oder mehrere Ochsen, ein Schwein oder Schaf erwerben, jedoch alles für eigenen Gebrauch, so sollte er dem Knochenhauer für einen Ochsen 1 (ß) und für ein Schaf 6 lüb. Denare geben 255 ). Nach der Knochenhauer-Rolle von 1410, Nov. 7, Art. 3 256 ), sollte den Bürgern vor den Knochenhauern das Kaufrecht auf Rindvieh zustehen, wenn dasselbe "dach unde nacht in den stalle edder in der herberge unser borgere" gewesen war. - Die Bedeutung einer ausreichenden Ernährung der Bürger liegt klar vor Augen, und die Sorge der Obrigkeit, die Publikation verschärfter Vorschriften, sind verständlich; im Jahre 1372, um Juni 24, wurde in Erfahrung gebracht, daß die Werkmeister und Ältesten des Knochenhaueramts heimlich versucht hatten, die täglich zu schlachtende Viehmenge von ihrem Ermessen abhängig zu machen 257 )!

Nicht allein mußten die Anforderungen der Konsumenten, des Publikums, befriedigt werden durch die Menge handwerklicher Erzeugnisse, sondern die Ausführung der Arbeit selbst mußte zur Zufriedenheit der Kunden erfolgen. Die städtische Obrigkeit übernahm darum:

b) die Sorge für die Güte oder Qualität der Arbeitsprodukte. Dies geschah durch die Forderung einer zunftmäßigen Ausbildung der Handwerker. Während seiner Lehrzeit sollte sich der "Junge" die nötigen handwerksmäßigen Kenntnisse


253) Das Original befindet sich im R.A. Wismar; eine direkte wismarsche Verordnung ist nicht erhalten.
254) R.A. Rwb. fol. 17.
255) M.U.B. 9, 6230. Ratswillekür für Knochenhauer von 1342, Aug. 28.
256) R.A. Rwb. fol. 19.
257) M.U.B. 18, 10 337.
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aneignen, die Wanderzeit als Geselle sollte ihn mit den verschiedenartigen Arbeitsmethoden fremder Gegenden bekannt machen; in der Meisterprüfung endlich mußte er dann diese erworbenen Fertigkeiten beweisen und durch das Meisterstück nachweisen, daß er würdig war, das zünftige Handwerk selbständig auszuüben.

Die Vorschriften, eine gleichbleibende Güte der Erzeugnisse zu erzielen, sind sehr verschieden. Vielfach wurden Bestimmungen erlassen, die die Herstellungsart selbst regelten. In einer Vereinbarung der Stadtobrigkeiten von Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald und Stettin aus den Jahren 1354, März 2 258 ), und 1361, Juni 24 259 ), über die Grapen- und Kannengießer wurde bestimmt, daß die Grapen (gegossene Gefäße mit drei Beinen) 260 ) aus weichem Kupfer gegossen sein sollten, nach rechtem Maße gemengt, nämlich zu dem "schippunde" weichen Kupfers die Hälfte "gropenspise" oder vier livländische Pfund Zinn ohne Blei. Nach der neuen Verordnung von 1361 sollten Kannengießer, die späteren Zinngießer, zu dem Schiffspfund Zinn fünf livländische Pfund Blei nehmen und Schüsseln, Flaschen, "ampullen" (große Kannen, beim Gottesdienst gebraucht) 261 ) aus reinem Zinn gießen. In einer weiteren Verordnung für Grapengießer derselben Städte von 1368 262 ) wird die früher nicht gestattete Zusetzung von Blei erlaubt: "Dar mut men to don bly also vele, also darto behof is." In der Rolle der Kannen- und Grapengießer von 1387, Juni 13, wurde den Kannengießern vorgeschrieben, Flaschen, "vate" (Gefäße), "salsere" (Salznäpfe), Schüsseln und Appollen aus "clar fyn tin" ohne jede Beimischung zu gießen 263 ). Die Kannen sollten ohne die Handgriffe gegossen werden "uppe dat veerde punt" (Art. 2). Die Grapengießer der Stadt sollten gießen "twe punt hardes coppers, dat drudde week" (Art. 4). - Nach der Rolle von 1380, Nov. 28, Art. 1, sollte kein Goldschmied Glas oder einen Stein, "de mit valscher kunst is gemaket", in Gold setzen, noch durfte er Gold mit Silber mischen, ebenso wenig wie mit Zinn; das Löten mit diesen Metallen war gleicherweise verboten 264 ). Ferner sollte keiner eine Gold-


258) M.U.B. 13, 7904.
259) M.U.B. 15, 8916.
260) Otto Rüdiger, a. a. O., Glossar, S. 322.
261) Rüdiger, a. a. O., Glossar, S. 316.
262) M.U.B. 16, 9724.
263) R.A. Tit. IX, Kannengießer, Art. 1.
264) M.U.B. 19, 11 293.
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oder Silberarbeit herstellen, die er "invlotet mit slaghelode" (Art. 17). Es wird sich hier um das Verbot handeln, "hohle oder schwächere Gegenstände durch Eingießen oder durch Verstärkung mit Schlaglot, Messing mit größerem Zinngehalt, widerstandsfähiger oder gar schwerer zu machen" 265 ). Um Betrügereien keinen Vorschub zu leisten, durfte das Siegel einer würdigen, vornehmen Persönlichkeit nur unter der Versicherung des Auftraggebers ausgeführt werden, daß die Arbeit für den Träger des Wappens selbst sei (Art. 16). - Den Reifern wurde die Garnart bestimmt. Jeder Reifer sollte bei sich schlagen und verarbeiten Hamburger Garn und "Ryghes" Garn, beides unvermischt. Die Taue sollten so lang hergestellt werden, daß sie einem jeden Kunden genügen möchten 266 ). - In der Böttcherverordnung von 1411, Dezember 5, wurde der Tonneninhalt der wismarschen Tonnen auf 32 Stübchen festgesetzt, ein halbes Stübchen mehr oder weniger war straffrei. Das Ausmessen war durch obrigkeitliches Richtmaß möglich. - Nach der Gläserrolle von etwa 1490, Art. 3, sollten die Gläser nur aus Seide oder neuer Leinwand Fahnen herstellen, und wenn versprochen war, für die Ausführung einer Arbeit (wohl zur Stickerei) Gold zu nehmen, so sollte es nicht mit Zinn verfälscht sein. - Besonders genaue Vorschriften galten für die Wollenweber 267 ) und die Kleinwandmacher, da ein Schaden an ihren Erzeugnissen für die Bürger besonders spürbar war. Die Laken der Wollenweber wurden in dreifacher Qualität hergestellt. Die besten Laken, "alze de breden", waren weiß oder grau und wurden aus guter Scherwolle verfertigt. Die zweite Sorte waren die "ruggheden" Laken, die sich sowohl an Breite als auch an Güte von den eben erwähnten unterschieden. Sie waren aus guter Scherwolle, jedoch konnte das dritte Haar Raufwolle 268 ) dazu genommen werden. Unter diese Kategorie fielen auch alle diejenigen breiten Laken, die den Anforderungen nicht völlig genügten. Als letzte Sorte wurden die "streckeden" Laken zum Verkauf ausgeboten. Es wird sich um eine ganz schmale Ausführung gehandelt haben, die aber wohl


265) Crull, a. a. O., S. 19.
266) M.U.B. 21, 11 870, Reifer-R. von 1387, April 26, Art. 4, 5.
267) M.U.B. 21, 11 869, R. von 1387, April 26, Art. 5, 6.
268) "Die Felle wurden zusammengerollt und aufeinander geschichtet. Durch die sich entwickelnde Wärme löste sich die Wolle und konnte gerupft und geschabt werden." (C. Wehrmann, Die älteren lübeckischen Zunftrollen, Lübeck 1872, S. 516.)
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ähnlich gearbeitet war wie die der Laken zweiter Qualität, denn die zu schmalen "ruggheden" Laken mußten als "streckede" weggegeben werden. - Die Kleinwandmacher sollten drei Arten von Laken anfertigen, nämlich Pnick-, Middel- und Segellaken 269 ). Die Hälfte der hergestellten Laken überhaupt erhielt ein besonderes Maß: Pnicke und Mittellaken waren 18 Ellen lang und 11 Quarter breit, die Segellaken hatten dieselbe Länge, waren aber nur 10 Quarter breit (Art. 19). Die andere Hälfte der Laken waren heile, die Pnicke und Mittellaken maßen 36 Ellen an Länge und 11 Ellen an Breite, die Segellaken nur 10 Ellen (Art. 20). Die Laken sollten auf dem Webstuhl 50 Ellen lang und 4 Ellen 1 Quarter breit geschoren sein (Art. 21). Pnicke und Mittellaken waren zu 54 Gängen zu scheren bestimmt, jeder Gang mit 50 Faden. Die Vorschrift für Segellaken lautete auf 50 Gänge mit 26 Faden (Art. 22).

Um den Bürgern das Erkennen der ordnungsmäßigen Herstellung zu erleichtern, wurden die Laken mit einem bleiernen Stempel versehen und je nach der Güte war die Zahl der Stempel verschieden. Die ordentlichen Pnicklaken erhielten zwei Stempel und ein großes lateinisches P auf den "Rahmen", die nicht vollwertigen erhielten nur einen Stempel. Die Mittellaken wurden mit einem M und einem großen und kleinen Stempel, bei Nichtvollwertigkeit nur mit einem kleinen Stempel, die Segellaken mit einem S und einem kleinen Bleistempel versehen (Art. 31-33). - Die Kennzeichnung der Arbeit mit einem Zeichen oder dem des Meisters war auch bei anderen Ämtern üblich. Seit 1347 mußten die Böttcher ihre Tonnen mit ihrem Setznagel zeichnen 270 ), den Grapengießern wurde 1354, März 2, vorgeschrieben, ihre Arbeit mit dem Stadtsiegel und ihrem eigenen zu versehen 271 ), und für die Kannengießer galt die Bestimmung, ihr Zeichen auf den Handgriffen der Zinnwaren anzubringen 272 ). Die Schwertfeger waren ebenfalls verpflichtet, ihre Arbeit zu "merken" 273 ), und für die Goldschmiede galt dasselbe, nur daß sie wieder eigenes Siegel und Ratssiegel auf ihre Arbeit gemeinsam schlagen


269) R.A. Rwb. fol. 62, R. von 1560, Nov. 4, Art. 18.
270) Techen, HGbl. 1925, S. 108.
271) M.U.B. 13, 7904.
272) R.A. Tit. IX, Kannengießer, Zusatz von 1441 auf der Rolle von 1387.
273) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, R. von ungefähr 1450, Art. 10.
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mußten, "dat make werk sy grodt edder klein" 274 ). Der Zweck all dieser Maßnahmen war, bei möglichen Reklamationen den Produzenten erkennen zu können und ihn zur Ersetzung des Schadens an den betreffenden Kunden veranlassen zu können. Für die Güte des Arbeitsstückes war der verfertigende Meister verantwortlich und im Falle der Beanstandung zu vollwertigem Ersatz verpflichtet. Zwischen 1325 und 1350 wurde diese Bestimmung für die Zimmerleute, Maurer und Decker erlassen 275 ) und kehrt in späterer Zeit in allen Amtsrollen und Ordnungen wieder. Im Jahre 1345 und 1349 bürgte Meister Nikolaus der Maurer für die Güte eines von ihm ausgeführten Giebels und einer Mauer und erklärte sich zu etwaiger kostenloser Wiederherstellung in späteren Jahren bereit, falls der Schaden durch seine Nachlässigkeit entstanden sein sollte 276 ). Im Jahre 1347 leisteten zwei Steinsetzer Gewähr für ihre Arbeit auf die Dauer von sechs bis sieben Jahren.

Um die Notwendigkeit einer späteren Beanstandung auszuschalten und den Konsumenten beim Kauf der handwerklichen Erzeugnisse die Garantie für die Güte derselben geben zu können, war, wie bereits erwähnt wurde, von der Zunft auf Anregung des Rates eine Kontrolle durch die Älterleute eingeführt, der "Umgang". Zeit und Zahl der Umgänge standen vielfach im Ermessen der Älterleute, nach der Rolle der Kleinwandmacher von 1560, Nov. 4, Art. 25 bzw. 38, mußten die "towe" zweimal wöchentlich besichtigt, nach derjenigen der Leinweber von etwa 1580, Art. 11, das Werk dreimal im Jahr geprüft werden. Der Umgang der Älterleute der Riemer und Beutler erfolgte, wenn sie Morgensprachen ansagten 277 ). - Die Prüfung erstreckte sich oft auf fertige Waren, bei den Grapengießern wurde sie vorgenommen durch einen vereidigten Meister und einen Vertreter der Kaufleute, "de de gropen plegen to vorkøpende" 278 ). Nach der Rolle der Bechermacher von 1489, Januar 22, sollte niemand Becher zu Markte bringen, wenn sie nicht erst den Werkmeistern gezeigt worden waren 279 ), und bei


274) Crull, a. a. O., Anl. II, S. III, R. von (1403, Aug. 28), 1543, März 29, Art. 2.
275) M.U.B. 7, 4683.
276) M.U.B. 9, 6576; 10, 6985.
277) Crull, Coll. II, 20. Aufzeichnung von 1572 im Amtsbuch, Art. 8.
278) M.U.B. 13, 7904. Ratsordnung von 1354, März 2.
279) R.A. Rs. vol. 1, S. 78.
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den Klotzenmachern unterlag der Verkauf von "dossynwerk" derselben Vorschrift 280 ). Eine Nachprüfung der Gesellenarbeit beim Umgang war nach der Hutmacher-Städteordnung von 1574 um August 23, Art. 23, vorgesehen 281 ). - Im Baugewerbe konnte eine Prüfung der Arbeit erst nach der Fertigstellung erfolgen. Wenn ein Meister der Hauszimmerleute eine Arbeit ausgeführt hatte, die nicht zur Zufriedenheit seines Auftraggebers ausgefallen war, so war nach der Rolle von 1537, Juni 18, Art. 7, eine Besichtigung durch die Werkmeister des Amtes, die Maurer und Ratskämmerer vorgesehen. Erwies sich die Beanstandung als zutreffend, so mußte der schuldige Meister den Schaden ausbessern und hatte außerdem an das Amt eine Buße zu zahlen 282 ). Auch die Maurerarbeit wurde nachgeprüft, und zwar von vier Meistern, die vom Rate dazu gesandt wurden (Sachverständige). War ein "steinen glindt", eine Brandmauer, ein Giebel oder Pfeiler gemauert, die nach dem Urteil der vier verordneten Meister nicht lotrecht waren, "vor Loth und Recht", so verfiel der Meister, der die Arbeit ausgeführt hatte, der Strafe des Rates und des Amtes und hatte den Schaden am Werk richtig zu stellen 283 ). - Arbeitsstücke von Gästen sollten nach der Kürschner-Rolle von 1387, März 3, Art. 13, von keinem Amtsbruder zum Zweck des Verkaufs erworben werden, wenn nicht die Werkmeister zuvor die Vollwertigkeit des Erzeugnisses bestätigt hatten 284 ).

Der Verkauf von Erzeugnissen des Nahrungsmittelgewerbes, besonders der Knochenhauer, mußte vor allem eingehend geregelt werden. Die Güte der Ware hing hier mit der Frist zusammen, die zwischen Schlachtung und Verkauf, bzw. dem Verbrauch, lag. Deshalb ist die Verkaufsfrist genau bestimmt. Bereits 1323 wurde durch eine Ratswillkür festgelegt, daß im Sommer das Fleisch nur 24 Stunden, im Winter aber 48 Stunden frisch verkauft werden dürfte. Was an Fleisch unverkauft blieb, konnte eingesalzen und auf den Scharren verkauft werden 285 ). Dieselben Bestimmungen wurden 1372, um Juni 24 286 ), und in der Rolle von 1410, Nov. 7, Art. 1, 2,


280) R.A. Rwb. fol. 104/5. R. von 1509, Sept. 1, Art. 11.
281) R.A. Tit. IX, Hutmacher.
282) R.A. Rwb. fol. 107/8.
283) R.A. Tit. IX, Maurer. R. von 1568, März 13, Art. 10.
284) M.U.B. 20, 11 501.
285) R.A. Rwb. fol. 8.
286) M.U.B. 18, 10 337.
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wiederholt 287 ). Stand bei einem Knochenhauer finniges Fleisch zum Verkauf aus, so mußte es auf einem Laken liegen, um so von anderem vollwertigem unterschieden zu sein 288 ).

Der Erwerb von ausreichend vorhandenen guten Waren wurde für den gemeinen Bürger dennoch unmöglich, wenn die Preise zu hoch gesetzt waren. In der heutigen Zeit reguliert sich der Preis eines Produktes durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage und durch die freie Konkurrenz der Produzenten. Im Mittelalter aber war diese ausgeschaltet; es konnte leicht zu einer Preissteigerung kommen, zumal die Forderung eines auskömmlichen Preises und eines standesgemäßen Gewinns am Einzelstück seitens der Produzenten erhoben wurde. Man mußte also zu einer direkten Festsetzung des Preises der Arbeit und der Gewerbeprodukte schreiten. Die städtische Obrigkeit übernahm

c) die Sorge für die Billigkeit der Erzeugnisse, wobei den Bedürfnissen der Konsumenten sowohl als den Forderungen der Produzenten Rechnung getragen wurde.

Die ersten Preisfestsetzungen wurden für die Bäcker und Knochenhauer getroffen. Nach dem lübischen Bäckerstatut von 1295, das wohl auch in Wismar galt, mußte fremdes Brot von auswärts für einen Den. oder einen halben Den. ausgeboten werden 289 ). Im Jahr 1342, Aug. 28, wurde für die Knochenhauer die Bestimmung erlassen, daß man "quodlibet quartale sive quartam partem de ove" nicht teurer verkaufen sollte als für 14 lüb. Den., und der Preis für ein "par pedum porcinorum" sollte 2 lüb. Den. nicht übersteigen 290 ).

Zwischen 1325 und 1350 erließ der Rat eine Schneidertaxe 291 ). Jeder Schneider sollte für eine "simplex tunica" (Pelerine?) 8 Den., für eine "duplex togha" (Kittel) 10 Den. erhalten. Eine Garnitur Frauenkleider, bestehend aus "mantellum" (Mantel), "sorcutium" (Oberrock), "togha" und "tunica", war stückweise mit 8 Den. zu bezahlen. Wer mehr forderte, hatte 10 (ß) Strafe zu zahlen. - Im Jahre 1351, Juli 8, wurde für die Böttcher bestimmt, daß der Tonnenpreis zwischen 1 (ß) und 18 Den. schwanken dürfte 292 ).


287) R.A. Rwb. fol. 19.
288) R. von 1410, Art. 8.
289) M.U.B. 3, 2316.
290) M.U.B. 9, 6230.
291) M.U.B. 7, 4684.
292) M.U.B. 13, 7492: "Inter solidum et inter decem et octo denarios potest fieri asensus et descensus".
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2. Gesetzliche Vorschriften für die Produzenten.

Herrschend war hierbei die Anschauung, daß die gewerbliche Arbeit dazu dienen müsse, den zunftmäßig organisierten Handwerkern, die für das Wohl der Gesamtheit arbeiteten, auch den Nutzen ihrer Arbeit gleichmäßig zuteil werden zu lassen; jedem einzelnen sollte ein standesgemäßes Einkommen, eine behagliche Existenz gewährleistet werden. Der Gewinn sollte den Zunftgenossen möglichst gleichmäßig zufallen, die freie Konkurrenz ausgeschaltet bleiben und das Prinzip der Gleichheit und Brüderlichkeit zur Durchführung kommen. Um dies zu ermöglichen, wurde eine Reihe von Bestimmungen erlassen, die in Produktion und Verkauf "das freie Spiel wirtschaftlicher Kräfte" ausschalteten. So wurde

a) der Umfang der Produktion geregelt. Um das gleiche Maß derselben bei den einzelnen Meistern zu erreichen, wurde die Zahl der Arbeitskräfte, der Gesellen und Lehrlinge, eingeschränkt.

Im allgemeinen waren zwei Gesellen zu halten gestattet, doch war außerdem bei der Bestimmung der Zahl auch wohl die Größe und Bedeutung des Handwerks maßgebend. Nach der Hutmacher-Rolle von 1484, Juli 16, Art. 6, konnte ein Meister zwei Gesellen und einen Lehrling oder zwei Lehrlinge und einen Gesellen halten 293 ), und in der Städteordnung von 1574 desselben Amts waren zwei Gesellen und ein dritter 14 Tage lang vorgesehen 294 ). Bechermacher erlaubten die Zusetzung von zwei Gesellen und einem Lehrling 295 ), die Klotzen- und Pantoffelmacher nach den Rollen von 1509 und 1592 296 ) nur die von einem Gesellen und einem Lehrjungen. Ein Nadlermeister durfte nicht zwei Gesellen oder Lehrjungen zugleich in Arbeit halten, wenn im Amte eine Werkstatt ohne Gesellen war. Wohl die höchste Zahl von Arbeitskräften war bei den Reifern 297 ) gestattet: drei Gesellen und ein Tagelöhner. Waren zwei Jungen in der Lehre, so durfte dennoch ein dritter angenommen werden, wenn der eine bald ausgeschrieben wurde. Bei den Schneidern war nach einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1578 derjenige Meister mit einer Strafe von vier


293) R.A. Tit. IX, Hutmacher, 1.
294) R.A. Tit. IX, Hutmacher.
295) R.A. Rs. vol. 1, S. 80. R. von 1489, Jan. 22.
296) R.A. Rwb. fol. 104/5; R.A. Tit. IX, Pantoffelmacher, 5.
297) R.A. Tit. IX, Reifer, Rotes Buch, begonnen 1649, Abschrift einer Beliebung von 1492.
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Reichstalern an die Morgensprachsherren und zwei Tonnen Bier an das Amt zu bestrafen, der ohne Erlaubnis der Älterleute zwei und drei Werkstätten hielt, die allgemein übliche Zahl von Arbeitskräften also weit überschritt. Wenn ein Wollenweber Wolle zum Spinnen austragen ließ, so sollte er bei bewiesenem Vergehen 8 (ß) Strafe zahlen 298 ). Er hatte mehr Arbeitskräfte in Arbeit gehalten, als erlaubt war, und versucht, einen unrechtmäßigen Vorteil vor seinen Amtsbrüdern zu erlangen.

Weiter wurde die Arbeitszeit festgesetzt, damit nicht der eine Meister vor dem anderen durch Mehrbeschäftigung seiner Hilfskräfte eine Produktionssteigerung erzielen konnte. Die Hauszimmerleute sollten morgens um 3 Uhr auf die Arbeit gehen 299 ), die Arbeitszeit der Maurer war im Sommer von morgens 4 Uhr bis abends 1/2 7 Uhr 300 ). Die Hutmacher begannen ihren Arbeitstag um 5 Uhr in der Frühe 301 ). Eine Grenze für die Arbeitszeit am Abend ist außer für die Maurer nur für die Bechermacher, auch da mit Einschränkung, gegeben. Ein Amtsbruder sollte "des werkeldages na neghen nich kloppen" 302 ). Ob ihm "hemelick werk", andere Arbeit, die sich ohne lautes Arbeitsgeräusch erledigen ließ, erlaubt war, ist nicht angegeben. Die Vorschriften über Arbeitsruhe am Heiligen Abend werden im wesentlichen durch religiöse Rücksichten bestimmt sein. Den Bechermachern war es nach der erwähnten Rolle verboten, an diesem Tage bei Licht laut zu arbeiten, "to kloppen", und nur "hemelick werk" durfte er bis 6 Uhr abends anfertigen. Die Klotzenmacher sollten am Heiligabend nach 7 Uhr bei Licht nicht mehr arbeiten 303 ). Dieselbe Bestimmung wurde 1592 in der Rolle der Pantoffelmacher wiederholt 304 ). Bei den Wollenwebern hatte derjenige Meister 12 (ß) Strafe zu zahlen, der auf "halven hyllygen dach, dat eyn appostel dach ys", am Vormittag arbeiten ließ, "er to IX de sarmon uth ys" 305 ). Die Goldschmiede durften nach der Rolle von 1380, Nov. 28, Art. 11, an Heiligentagen, am Sonnabend


298) R.A. Tit. IX, Wollenweber, Amtsstatuten von 1584, April 30.
299) R.A. Rwb. fol. 108, R. von 1537, Juni 18, Art. 12.
300) R.A. Tit. IX, Maurer, 1, R. von 1568, März 13, Art. 16.
301) R.A. Tit. IX, Hutmacher. Städteordnung von 1574, um August 23, Art. 26.
302) R.A. Rs. vol. 1, S. 79/80. R. von 1489, Jan. 22.
303) R.A. Rwb. fol, 104/5, R. von 1509, Sept. 1, Art. 13.
304) R.A. Tit. IX, Pantoffelmacher, 5.
305) R.A. Tit. IX, Wollenweber. Amtsstatuten von 1584 April 30.
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oder am Heiligabend bei Licht nicht mehr arbeiten; eine Ausnahme war nur gestattet, wenn die Werkmeister ihre Erlaubnis erteilt hatten und die Nachbarn über die Dringlichkeit des Auftrags unterrichtet waren. Mitbestimmend war für die Vorschrift also auch wohl die Rücksicht auf die Nachtruhe der Umwohner. - Das "Entmieten" von Knechten war strengstens verboten, und wenn ein Meister durch ein derartig unsoziales Verhalten den Umfang seiner Produktion zu steigern versuchte, wurde er mit hohen Strafen belegt. Ebenso wurde das übermäßige "Montagmachen" der Gesellen untersagt 306 ), weil dadurch nicht nur der Meister geschädigt wurde, sondern auch Gefahr bestand, daß nicht genügend Arbeitsprodukte hergestellt wurden und so auch den Konsumenten ein Schaden erwachsen konnte.

b) Die Produktionskosten wurden geregelt. So wurde bisweilen von seiten der Zunft für die Beschaffung des Rohmaterials Sorge getragen und darauf geachtet, daß niemand übervorteilt wurde. Die undatierte Schwertfeger-Rolle von etwa 1450 enthält in Art. 7 die Vorschrift, daß in die Stadt eingeführtes Material vom Amte zusammen gebraucht werden möge 307 ). Im Reiferamte sollte "bast edder draet" von den Werkmeistern "deme gantzen ampte to gude" gekauft werden; der Kauf sollte dem Amte angezeigt werden, um den einzelnen Meistern Gelegenheit zu geben, ihren Bedarf an Material zu decken 308 ). Die Bechermacher kauften das Becherholz nur in Anwesenheit der Werkmeister ein, die beim Kauf wohl das Interesse des ganzen Amtes wahrten. Erst wenn mit dem Kaufmann keine Übereinstimmung erzielt werden konnte, durfte jeder, der Holz brauchte, es erwerben 309 ). Der Farbkauf der Gerber und Rußfärber sollte nicht seitens des einzelnen gemacht werden, sondern was an Farbe von den Amtsbrüdern eingekauft wurde, sollte zu gleichen Teilen unter alle verteilt werden 310 ). Um den Wollkauf zu gleichen Bedingungen für alle Meister zu ermöglichen, bestand für die Wollen-


306) R.A. Tit. IX, Schmiede, 2. Zunftordnung der sechs wendischen Städte von 1563, Pfingsten, Art. 5. - R.A. Tit. IX, Hutmacher, Städteordnung von 1574, Art. 10.
307) R.A. Tit. IX, Schwertfeger, 1.
308) R.A. Rwb. fol. 14, Zusatzartikel von 1487, Okt. 31, zur Reifer-R. von 1387.
309) R.A. Rs. vol. 1, S. 79/80. R. von 1489, Jan. 22.
310) R.A. Crull, Coll. II, 20. R. Art. von 1587, Pfingsten.
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weber die Bestimmung, daß die Wolle nur "ausgeworfen", zum Kauf dargeboten, werden durfte, wenn der Kauf im Amtskruge "apenbar maket is". Eine Befreiung von diesem Zwang war nur dann möglich, wenn die Wolle naß geworden war und zu verderben drohte. In diesem Falle hatten aber die Werkmeister ihre Zustimmung zu erteilen 311 ). Vor Michaelis (29. Sept.) pflegte das Amt im Kruge zusammen zu kommen, um die Wolle von den Landleuten zu erwerben, wobei aber streng darauf geachtet wurde, daß keiner dem anderen seine Kaufleute abspenstig machte oder die von ihm in Aussicht genommene Ware wegkaufte. In der Kreuzwoche versammelte sich das Amt ebenfalls des Wollkaufs wegen (Prot.-Buch S. 20). Im Jahre 1545 (Aug. 11) wurden auf herzoglichen Befehl die in- und ausländischen Vorkäufer von den Kanzeln der Städte und Dörfer öffentlich ermahnt, die aufgekaufte Wolle nicht aus dem Lande auszuführen, sondern sie in den mecklenburgischen Städten zum Verkauf auszubieten. Die Verordnung war notwendig geworden, weil die wismarschen Wollenweber durch die Wollausfuhr merklichen Schaden erlitten und dem Herzog angaben, ihren Bedarf an Rohmaterial nicht in ausreichendem Maße decken zu können 312 ).

Bisweilen wurde das Handwerkszeug, dessen Beschaffung für den einzelnen zu teuer war, von dem ganzen Amte gemeinsam gehalten. In der Bruderschaft der Schiffszimmerleute befanden sich die Rollen und Winden im Gemeinbesitz; es durfte niemand für sich allein solche halten. Der Verdienst mit diesen Hilfswerkzeugen wurde zu religiösen Zwecken der Bruderschaft verwandt 313 ). Das Amt der Wollenweber hatte die Walkmühle vor dem Mecklenburger Tor, die jetzige Papiermühle, vom Rate auf Zeit gepachtet; der Nutzen, der dem Amte aus dem Vertrage erwuchs, kam natürlich allen Amtsbrüdern gemeinsam zugute 314 ).

Der Regelung der Produktionskosten diente die Festsetzung der Löhne und Preise. Die erste Verordnung dieser Art sind die Böttcher-Statuten von 1346, Oktober 18. Der Gesellenlohn für die Anfertigung einer Tonne betrug danach 2 1/2 lüb.


311) R.A. Tit. IX, Wollenweber, Prot.-Buch p. 14, Aufzeichnung von 1492.
312) R.A. Tit. IX, Wollenweber, 10.
313) R.A. Tit. IX, Schiffszimmerleute, erbetene R. von 1411, Februar 2, Art. 6.
314) M.U.B. 15, 8992. Vertrag von 1362, Januar 30.
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Den. 315 ), und zu dieser Bedingung schloß 1356, Jan. 1-19, der Meister Johann Pommerenke einen Arbeitsvertrag mit seinem Gesellen ab 316 ). Den Reifern wurde in der Rolle von 1387, April 26, Art. 14, vorgeschrieben, den Bürgern nicht im Übermaß den Lohn zu berechnen, wenn diese ihnen eigenes Garn oder "eghen drad" zur Verarbeitung brächten 317 ). Nach der Hutfilter-Rolle von 1484, Juli 16, Art. 8, sollten die Gesellen für den lammwollenen Hut "tho punden swaer" 5 Pf., für den "hervest wullen hoeth" 4 Pf. und für den "punth hoeth" 3 Pf. zu Lohn erhalten. Genauere Bestimmungen wurden in der Städteordnung desselben Amtes von 1574 gegeben. Zugleich wurde die Mindestleistung am Tage fixiert. Es sollte ein Geselle von der besten Wolle drei "wichte" zum Tagewerk schlagen und der Zahl entsprechend eine Summe von Sechslingen erhalten (Art. 2). Die Arbeitsleistung an Lamm- und Filzwolle betrug vier "wichte", die Entschädigung für jedes "wicht" Filz 4 Pf. (Art. 3). Es wurden weiter als Tagesarbeit verlangt zehn Filze, klein oder groß oder zwei englische oder sechs lammwollene Filze. Die Entschädigung betrug entsprechend 2 Pf., 1 (ß), 3 Pf., jeweils für ein einzelnes Arbeitsstück. Weitere Forderungen waren 1 1/2 flämische, 6 große lammwollene Hüte, 8 lammwollene, 4 rauhe gestickte Kinderhüte, 4 Mittelhüte, 2 gewöhnliche kurz gestickte Bauern -, 3 rauhe, gestickte, 4 Bootsmannshüte (Art. 6-9). Die Lohnhöhe war je nach der geforderten Arbeitsleistung verschieden, sie bewegte sich bei den in den letzten Artikeln erwähnten Erzeugnissen zwischen 2 und 6 Pf. für das Einzelstück. Bei den flämischen, den rauhen gestickten und den Bootsmannshüten betrug der Lohn für das Sticken 1 (ß), 4 und 3 Pf. Bei den anderen Hüten wurde die Anfertigung bezahlt. - Es würde zu weit führen, die vielfältigen Lohnangaben für die dem Nichtfachmann nur schwer verständlichen besonderen Arbeiten der Wollenweber hier wiederzugeben; es mag erwähnt werden, daß der Höchstlohn für das Weben eines kleinen Lakens 2 (ß), der eines groben Lakens 1 (ß) betrug. Weitere Einzelarbeiten wurden bis zu 6 Pf. bezahlt 318 ). - Ein Nadlergeselle erhielt an Lohn für 1000 Nadeln 3 (ß), für 100 Segelnadeln 8, 1000 Angelspitzen 6, 100 Läppennadeln 2, 1000 Haken 8 und für


315) M.U.B. 10, 6684.
316) M.U.B. 14, 8177.
317) M.U.B. 21, 11 870.
318) R.A. Tit. IX, Wollenweber, Amtsstatuten von 1584, April 30.
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1000 Öhre 4 Pf. 319 ). Vergegenwärtigt man sich die Schwierigkeit der Herstellung, so versteht man, daß der Geselle schon ein sehr geschickter Arbeiter sein mußte, wenn er bei der Lohnhöhe sich das für die Amtswerbung nötige Kapital erwerben wollte! Die Gesellen der Kleinwandmacher sollten gleichen Lohn erhalten "van kemmen, kratzen und wevende". Für ein heiles Laken zu weben erhielten sie 9 (ß), die beste Wolle "aver tho kratzen und van den kemmen" 9, von der zweiten Sorte 6 und von der geringsten Wolle 3 Pf. 320 ). - Der Tagelohn eines Knechtes bei den Büchsenmachern betrug 1 (ß) 321 ). - Im Baugewerbe wird die Zusammenarbeit der Meister und Gesellen offenkundiger als in den anderen Handwerken. Wurde bei den Ämtern, die Werkstücke anfertigten, der Lohn an die Gesellen auch meistens für das verfertigte Arbeitsstück bezahlt, war er also Stücklohn, so wurde im Bauhandwerk Stundenlohn bezahlt. Der Meister wurde entsprechend seiner qualifizierteren Ausbildung und seinen Kenntnissen höher bezahlt, die endgültigen Kosten einer in Auftrag gegebenen Arbeit bemaßen sich jedoch, abgesehen von Materialkosten, im wesentlichen nach dem Arbeitslohn; ein Unternehmertum der Neuzeit gab es im Mittelalter nicht, Unternehmergewinn fiel also fort. Für die Hauszimmerleute betrug der geforderte Arbeitslohn von denen, die keine Kost gaben, in der Zeit von Lichtmeß bis Allerheiligen 3 (ß), dazu 3 Kannen Bier, von Allerheiligen bis Lichtmeß 7 Witten und 2 Kannen Bier. Wurde Früh- und Vesperkost gereicht, so waren in dem ersten Zeitraum 2 (ß) und 3 Kannen Bier, im zweiten 5 Witten und 2 Kannen Bier zu geben 322 ). Die Maurermeister erhielten an Tagelohn 3 (ß), die "plegeslüde", wohl Handlanger, nur 2 (ß). Dazu sollten Meistern und Knechten 6 Pf. zur Frühkost, "so jemands desülve tho geven sich beschweren wurde", und 3 Kannen Bier gegeben werden 323 ). Durch Ratswillkür wurde im Jahr 1570, Okt. 9, bestimmt, daß fernerhin keine Kost und Bier mehr gegeben werden sollten, sondern allein Geld, und zwar sollte ein Meister 5, die Arbeitsleute aber 4 (ß) erhalten 324 ). Akkordarbeit war


319) R.A. Tit. IX, Nadler, 3, R. von 1588, Aug. 25, Art. 11.
320) R.A. Rwb. fol. 61, R. von 1560, Nov. 4, Art. 12.
321) R.A. Tit. IX, Schmiede, Zunftordnung der sechs wendischen Städte von 1563, Pfingsten, Art. 12.
322) R.A. Rwb. fol. 108, R. von 1537, Juni 18, Art. 12.
323) R.A. Tit. IX, Maurer, 1, R. von 1568, März 13, Art. 17.
324) R.A. Rwb. fol. 68.
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den Schiffszimmerleuten nach der Rolle von 1621, Art. 4, bei 20 Taler Strafe verboten.

Es wurde bereits erwähnt, daß die Preisfestsetzung seitens der Obrigkeit dem Interesse der Konsumenten diente, da eine übermäßige Verteuerung der Produkte hierdurch verhindert wurde. Der Nutzen der Maßnahme kam aber auch dem Produzenten zugute, da durch die Bestimmung der Löhne und Preise der Gewinn am Einzelstück für alle Zunftgenossen der gleiche war. Der Meister, der mehr Kapital zur Verfügung hatte als der ärmere Amtsbruder, konnte die Preise also nicht unterbieten, wenn er auch dabei trotzdem noch auf seine Kosten gekommen wäre und vielleicht auf diese Art seinen Umsatz hätte steigern können. Der "standesgemäße" Gewinn am Einzelstück wurde seitens der Obrigkeit gesichert; die einzige Möglichkeit einer Gewinnvermehrung und Vermögensverbesserung lag in der angewandten Arbeitskraft des Meisters und seiner Hilfskräfte. Wohl konnten Arbeitszeit, die Zahl der Arbeitskräfte, Löhne und Preise festgesetzt werden, die Arbeitskraft des einzelnen ließ sich nicht gut normieren.

c) Es wurde weiter die Qualität der Erzeugnisse bestimmt, und auch diese Maßnahme diente dem Besten der Konsumenten sowohl als auch dem der Produzenten. Durch den "Umgang" der Werkmeister wurden schlechte Waren festgestellt und aus dem Handel gezogen; der Ruf der Zunft konnte durch Pfuscher innerhalb des Amtes nicht gefährdet werden. Schlechte Arbeit mußte dem Ruf des ganzen Amtes schaden und konnte leicht die Umsatzmöglichkeit verschlechtern. Deshalb war hier ebenfalls der oberste Grundsatz der, die Waren so anzufertigen und zu liefern, daß damit der Stadt und der Zunft Genüge getan werden konnte. Über die näheren Bestimmungen der Qualitätsfestsetzung wurde bereits bei Erwähnung der Maßnahmen für die Konsumenten Näheres ausgeführt.

d) Endlich wurde die Absatzfrage einer obrigkeitlichen Regelung unterzogen. Um zu verhüten, daß ein Amt die Interessen eines anderen verletzte, waren Arbeits- und Handelsgebiete der einzelnen Zünfte genau begrenzt. Es sollte kein Krämer, Schneider oder Tuchscherer mit den Wandschneidern "societatem habere" und kein Krämer sollte andere Tuche ausschneiden als die von alters her üblichen Arten, nämlich "Yrener swesterdok" (beliebtes irländisches Tuch), "berwer" (Barchent), "sagen" (dünnes buntes Tuch), "tyrletey" (aus Wolle und Leinwand zusammengesetztes Tuch, das für Frauenunterkleider gebraucht

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wurde), "spiresch" (speyerisches Tuch) und "fardokos" (ein dünnes Zeug aus Wolle und Leinen, das am Oberrhein hergestellt und ebenfalls zu Frauenunterkleidern verwandt wurde) 325 ). Das Amt der Sniddeker, Kunthor- und Kistenmacher - der Tischler - hatte nach der Rolle von 1500, Februar 4, Art. 6, das alleinige Recht, geleimtes Werk, Altartafeln und "hangende kronen stoele" herzustellen. Weiter gehörte zu seinem Arbeitsbereich die Verfertigung von Pancel, "masselrin" (Schnitzwerk geometrischer Art), Kisten, Schränken, Laden, "Kunthoren" (Zähl- und Schreibtischen), leichten Fenstern, geleimten oder ungeleimten Pfosten, "zu sundergen von wagenschate und ecken holtze" (astfreiem, zersägtem Eichenholz, das in zwei Fuß langen Brettern zu feineren Arbeiten und Vertäfelungen gebraucht wurde) 326 ). Die Hauszimmerleute hatten die Berechtigung, Schränke, Kisten und Sänften herzustellen, doch durfte die Arbeit kein Leimwerk enthalten 327 ). Die Schneider sollten zum Schaden der Krämer ihren "Schneidergästen" keinerlei Kramware als "Sardock, Seter, Krägeler, Seiden-Bändelein" in Ellen verkaufen 328 ). Kein Schuhmacher oder Klippenmacher durfte "rothlasch, ruchfelle, rot oder schwarz" gerben oder färben, noch verarbeiten. Nur Amtsbrüder der Gerber und Rußfärber durften weiße Felle gerben und verkaufen; Riemer und Pelzer konnten die Sachen verarbeiten und für den Eigengebrauch eine Gärung vornehmen 329 ). - Die Haken handelten mit Heringen, Hühnern, Käse, Salz und anderen ähnlichen Waren 330 ), sie hielten aber nur "penninge ware" feil 331 ). - Die Garbräter konnten zu "twen kumpanen" feilbieten: zwei Lämmer, ein Schwein zum Preise von 1 M. lüb., davon aber nur Kopf, Rücken, Kehlbraten (ein Bratstück von der Kehle), die Pfoten und ein Bauchstück. Der Verkauf war gestattet, wenn auf den Scharren solch Fleisch nicht zu erhalten war. Das übrige Fleisch sollte gekocht, jedoch nicht länger als drei Mahlzeiten ausgelegt werden. Weiter durften von den Amtsbrüdern feilgeboten


325) M.U.B. 9, 6569, Bürgersprache von 1345, Sept.11, Art. 6, 7. Zu den Erklärungen vgl. Willgeroth, a. a. O., S. 257.
326) R.A. Tit. IX, Tischler, 1.
327) R.A. Rwb. fol. 108, R. von 1537, Juni 18, Art. 17.
328) R.A. Tit. IX, Krämer, R. von 1587, Februar 22, Art. 7.
329) R. A. Crull, Coll. II, 20, R. der Gerber und Rußfärber von 1587, Pfingsten, Art. 6.
330) Techen, Geschichte Wismars, S. 436, Anm. 11.
331) R.A. Tit. IX, Haken, 1, R. von 1529, Aug. 5. Art. 8.
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werden rohe und gebratene Gänse, Meerschwein frisch und gesalzen, Stör, Lachs, "raff", gesalzener Aal, Seehundsspeck, Walspeck frisch und gesalzen. Saugferkel und einen Eber durften sie ebenfalls verkaufen, jedoch sollte der Preis 6 lüb. (ß) nicht übersteigen 332 ). Den Garbrätern zum Schaden sollte kein Knochenhauer von Pfingsten bis St. Bartholomäus Schweinefleisch verkaufen, ebenso war es den Kütern untersagt, vor Bartholomäus Würste feilzuhalten. Beides war ein Recht der Garbräter 333 ). - Nach der Rolle der Wandschneider von etwa 1420, Art. 13, 14, durfte kein Schneider oder Wandscherer heile Laken für sich kaufen und sie zum Verkauf zerschneiden, und ebenso war es den Schneidern verboten, Laken zu kaufen oder für sich kaufen zu lassen, um daraus Kleider zuzuschneiden, die sie dann als alte in den Handel bringen könnten. Den Kleinwandmachern war es gleichfalls nicht gestattet, Tuch in Ellen auszuschneiden und zum Verkauf auszubieten. Unter sich im Amte angefertigtes Tuch konnte von ihnen untereinander verkauft werden 334 ).

Der Ort des Verkaufs war genau bestimmt. Die Knochenhauer, Garbräter, Schuhmacher, Bechermacher, Riemer und Beutler verkauften ihre Erzeugnisse auf den Scharren am Markte, die Krämer und Hutfilter sollten ihre Waren vor der Tür ausbieten, und auch die Haken hielten die Waren in ihrem Hause feil. Bedingung in allen Ämtern war, daß der Produzent selbst die Produkte zum Kauf ausbot und nicht durch seine Frau oder Gesellen vertreten und unterstützt wurde. Nur im Notfalle konnte die Frau die Ware verkaufen, wie dies in der Garbräter-Rolle von 1435, Art. 2, erwähnt wird 335 ). Für Amtsbrüder und Einheimische war das Hausieren mit ihren Erzeugnissen verboten, und nur die Garbräter durften die zur Fastenzeit gebackenen "Kropele" (Krapfen) nach alter Gewohnheit durch ihre Knechte in der Stadt umtragen und verkaufen lassen 336 ). Auswärtigen Händlern, Gästen, war das Hausieren mit Kramware auch während der Zeit des Jahrmarktes, an dem sie ausstanden, verboten; bei den Hutfiltern galt die Bestimmung, daß kein "lantverynk", landfahrender


332) R.A. Rwb. fol. 60, R. von 1435, Dez. 14, Art. 5-7.
333) R.A. Tit. IX, Garbräter, 4, R. von 1502, Juli 5, Art. 14.
334) R.A. Rwb. fol. 62, R. von 1560, Nov. 4, Art. 14.
335) R.A. Rwb. fol. 59.
336) R. von 1435, Art. 3.
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Krämer, Filzhüte in der Stadt verkaufen sollte außer ganzen oder halben Dutzend. Von einem Markt ist bei dieser Vorschrift nicht die Rede, es wird also der Hausierverkauf gemeint sein 337 ).

Den Hutmachern war das Beziehen des Marktes nur zur Zeit der "kerkmessen" gestattet. Man wollte zweifellos verhüten, daß einzelne Meister vor anderen einen Vorteil errängen durch Besuch mehrerer Märkte 338 ). Zu demselben Zweck wurde 1571, November 12, von den Wollenwebern die Amtsvereinbarung getroffen, keine ungewöhnlichen Markttage auf den Dörfern oder in Städten aufzurichten, also nach Belieben zu verkaufen, sondern nur die von dem Landesfürsten eingerichteten Jahrmärkte sollten besucht werden dürfen 339 ).

Zur Abwendung "unlauteren Wettbewerbs" gab es genaue Vorschriften über die Art, die Waren auszulegen. Im Krämeramte sollten die Amtsbrüder "des hilghen daghes" nicht mehr als dreierlei Gut auf das Fenster setzen 340 ), und die Riemer sollten einander dadurch nicht schädigen, daß ein Amtsbruder seine Erzeugnisse auf die "armeholter" hängte 341 ). Weiter durfte der Marktverkauf in den "lathen steden", den Scharren, nicht eher beginnen, als bis alle Amtsbrüder anwesend waren und ihre Waren feilbieten konnten (Art. 12). Dieselbe Bestimmung galt auch im Amte der Bechermacher 342 ). Das Aufkaufen von Amtserzeugnissen zum Zweck des Weiterverkaufs war in allen Ämtern streng verboten.

Um eine Absatzregelung durchführen zu können, mußte auch die Verkaufszeit bestimmt werden. Die Angaben hierüber sind nur sehr spärlich. Die Knochenhauer sollten an drei Tagen in der Woche ihr selbst geschlachtetes Fleisch feilhalten; in der Krämer-Rolle von 1397 wurde besonders betont, daß an den Heiligen-Tagen jeder Krämer feiern sollte, also auch nicht verkaufen durfte (Art. 9). Den Riemern war es untersagt, am Sonntag ihre Ware auszulegen (Amtsbuch 1572, Art. 9).

Genaue Vorschriften bestanden für alle, die außerhalb der Ämter, ohne Amtsgerechtigkeit zu besitzen, Produkte der Zünfte


337) R.A. Tit. IX, Hutmacher, 1, R. von 1484, Juli 16, Art. 12.
338) Ebenda, Art. 14.
339) R.A. Tit. IX, Wollenweber, 6.
340) M.U.B. 23, 13 090, R. von 1397, März 28, Art. 10.
341) R.A. Crull, Coll. II, 20, Amtsbuch der Riemer und Beutler, R. von 1572, Art. 13.
342) R.A. Rs. vol. 1, S. 78, R. von 1489, Januar 22.
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oder Waren der Krämer und Haken verkaufen wollten. Die "klederzellerschen", Trödlerinnen, sollten keine neue Goldschmiedearbeit feilhalten oder verkaufen 343 ); ebenso war es den "ketelbotern", Kesselflickern, verboten, neues Werk der Kannengießer in der Stadt zu veräußern; man sollte, um das zu verhindern, den Kesselflickern nicht mehr verkaufen, als sie für ihren Bedarf nötig hatten 344 ). - Im Jahre 1402, Pfingsten, wurde vom Rate verordnet, daß Bürger oder Gäste keine Kramkeller gegen das Amt halten sollten 345 ). Wer aber so einen Keller innehaben wollte, durfte nur große Mengen Kramware auswiegen, z. B. 100 Pfund Reis, 25 Pfund Pfeffer und Mandeln. Der Verkauf von Hosen und Mützen durfte nur zu Dutzenden geschehen, und Tuch konnte nur in ganzen Stücken, nicht aber ellenweise, ausgeboten werden. - Pfennigware auf dem Markte oder an anderen Stellen der Stadt feilzuhalten, war alleiniges Recht der Haken, wie bereits erwähnt wurde, doch durften auf der Wage-Brücke bis zum Hopfenmarkt am Mittwoch, Freitag und Sonnabend während der Zeit außerhalb der Fasten und des Advents Hakenwaren bis 10 Uhr vormittags verkauft werden; in der Fasten- und Adventszeit durfte der Verkauf bis 11 Uhr ausgedehnt werden. Nach diesem Zeitpunkt waren die Handelsartikel fortzunehmen, und die Verkäufer hatten auch nicht das Recht, von ihrem Hause aus den Verkauf fortzusetzen 346 ).

Eine Fülle von Einzelvorschriften bestimmte das wirtschaftliche Leben des Mittelalters, hielt die private Initiative des einzelnen in Schranken. Dennoch mag rückschauend gesagt werden, daß der unserer modernen Zeit in vielem unerträglich erscheinende Zwang der Verwirklichung eines großen Gedankens diente: Erzeuger und Verbraucher unter gleichem Recht zu einen, jedem eine ausreichende Existenz zu gewährleisten und im Innern der Handwerkerverbände einen praktischen Sozialismus zur Tat werden zu lassen.


343) M.U.B. 19, 11 293, R. der Goldschmiede von 1380, Nov. 28, Art. 14.
344) R.A. Tit. IX, Kannengießer, 1, R. von 1387, Art. 8.
345) R.A. Tit. IX, Krämer, Rotes Buch des Amtes.
346) R.A. Tit. IX, Haken, 1, R. von 1529, Aug. 5, Art. 8.
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Kapitel V:

Religiöses, geselliges und militärisches Leben in den Zünften.

Das religiöse Leben wismarscher Ämter vollzog sich in den selben Formen, die dem ganzen deutschen Zunftwesen gemeinsam sind. Eine nähere Ausführung erübrigt sich deshalb. Es mag nur erwähnt werden, daß der junge Amtsmeister vor seiner endgültigen Aufnahme in die Zunft für die Erhaltung der Lichte auf dem Altar des Amtes sowie für die Instandhaltung des Amtsbahrtuches eine Abgabe zu leisten hatte. Die Ämter trugen ihre Toten selbst zu Grabe, der Sarg wurde mit dem meist seidenen Bahrtuche, das Amtseigentum war, bedeckt. In den Rollen der Krämer 347 ) von 1397, der Schneider 348 ) und Bäcker 349 ) von 1398 und der Knochenhauer 350 ) von 1410 findet sich die Bestimmung, daß zu den "Messen" eine Summe zu zahlen sei. Es handelte sich dabei um Seelenmessen, die zu gewissen Zeitpunkten für verstorbene Mitglieder der Ämter gelesen wurden.

Religiöse Erwägungen werden auch mitbestimmend gewesen sein, das soziale Element im Leben der Zunft zu stärken. Besonders in Notzeiten galt es, das Gebot der Brüderlichkeit zu verwirklichen, jeden bedürftigen Amtsbruder zu unterstützen. Um dies zu ermöglichen, trachtete man danach, einen Vermögensgrundstock aufzubauen. Nach der Rolle der Kleinwandmacher von 1560, Nov. 4, Art. 8 351 ), sollte jeder angehende Meister außer den üblichen Abgaben zu Licht und Harnisch noch 5 M. in die Amtsbüchse zahlen. Von diesem Geld sollte "van Jaren tho Jaren" ein Kornvorrat angeschafft werden, damit in den Zeiten der Not und Teuerung die Amtsbrüder keinen Mangel zu leiden brauchten. Im Schneideramte wurden 1568 die Amtskösten aufgehoben, weil dem Amte aus ihnen besondere Unkosten entstanden waren. Es sollte aber dafür jeder zugelassene Meister 15 M. in die von Älterleuten und


347) M.U.B. 23, 13 090, R. von 1397, März 28, Art. 1.
348) M.U.B. 23, 13 354, R. von 1398, Nov. 6, Art. 2.
349) M.U.B. 23, 13 376, R. von 1398, Dez. 15, Art. 4.
350) R.A. Rwb. fol. 19, R. von 1410, Nov. 7, Art. 10.
351) R.A. Rwb. fol. 61.
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Beisitzern verwaltete Lade geben. Von dem Gelde sollte zum Besten des Amtes Getreide gekauft werden, das in Notzeiten gegen bare Bezahlung an die Zunftgenossen abgegeben wurde. Es sollten jährlich 4 Last Korn auf Vorrat gehalten werden 352 ).

War in der großen Zunftorganisation die Sorge für das Gemeinwohl einer der Hauptpunkte, so wurde bei den gegen Ende des 15. Jahrhunderts sich bildenden Gesellenschaften dies ebenfalls betont. Religiöse Gründe hatten wohl anfangs zur Errichtung einer Gesellenbüchse geführt, doch traten diese bald zurück gegenüber dem Gedanken der Mitgliederunterstützung. Wenn ein Geselle des Maleramtes "gekrenket worde vormiddelst gottlicher krankheit alß, dat he de krankheit nicht von schlachtinghe edder von eghener boßheit wegen gekregen hadde", so sollte er nach Rate der Älterleute und der Schaffer aus der Gesellenkasse unterstützt werden. So lautete die Bestimmung in der Malergesellenrolle von 1490, Oktober 22, Art. 2 353 ). Wenn der Geselle starb, sollte man das ausgelegte Geld "wedder soken ahn dem sinen oft an sinen fründen", wurde er aber wieder gesund, so mußte er den geliehenen Betrag selbst mit seinem zuerst verdienten Gelde wieder zurückzahlen. - Im Schmiedeamte bestanden 1528, August 9 354 ), zwei Kassen; die der Älterleute enthielt 20 M., die der Schaffer und Gesellen 29 M. Das beim Tode eines Gesellen geopferte Geld sollte unter Aufsicht der Schaffer in diese Büchse getan werden zur Unterstützung für Arme und Verarmte. Bei der Krankheit eines Gesellen - ob verschuldet oder unverschuldet, ist hier nicht besonders betont - sollte man ihm 4 (ß) zur Notdurft geben 355 ). Man stellte ihm, wenn es nötig war, eine Krankenwärterin und entschädigte sich im Falle seines Todes durch den Erlös aus seinen Kleidern und sonstigem Besitz. Das nach der Gesundung zuerst verdiente Geld war zur Rückzahlung der geliehenen Summe zu verwenden. Ein Vergehen gegen diese Bestimmung wurde mit Ächtung bestraft, ebenso ein Entweichen aus der Stadt vor Begleichung der Schuld. Zur Aufrechterhaltung der Bruderschaft sollten nach l4tägiger Arbeit 6 lüb. Pf., alle Halbjahr 2 lüb. Pf., bei den Kürschnern alle


352) R.A. Tit. IX, Schneider, 2, R. von 1568, Nov. 26, Art. 5.
353) R.A. Tit. IX, Glaser, 1.
354) R.A. Tit. IX, Schmiede, 1.
355) Die Kürschnergesellen erhielten nach der Gesellenrolle von 1480 (R.A. Tit. IX, Kürschner, Abschrift von 1618, Johannes) 4 (ß), doch konnte ihnen bis zu 1 M. zugelegt werden.
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Vierteljahr 2 Pf. abgeliefert werden. Eine Übertretung der Anordnung zog eine Ermahnung, danach steigende Strafe durch Schaffer, Büchsenmeister und das ganze Amt nach Amtsrecht nach sich.

Neben der Arbeit kam auch die Geselligkeit nicht zu kurz. Auf den Meisterkösten, die der junge Meister dem ganzen Amte zu geben hatte, waren die Amtsbrüder wohl mit Frauen und Kindern versammelt, dem Essen und Trinken wurde gut zugesprochen. Näheres über die Reichhaltigkeit der aufgetragenen Speisen wurde bereits ausgeführt. Auch zu Pfingsten und Fastnacht fanden Amtszusammenkünfte statt, die geselliger Art waren. Erwähnt ist dies von den Wollenwebern 356 ) und Schiffszimmerleuten 357 ); ob bei diesen Festen nur ein Trinkgelage, wie man aus der Rolle der Schiffszimmerleute entnehmen kann, oder auch eine Schmauserei veranstaltet wurde, ist nicht bestimmt. Die Wollenweber begingen besonders festlich noch den Tag ihres Amtspatrons, des heiligen Sever. Der Schwerpunkt des Festes lag in der kirchlichen Feier, doch fand an demselben Tage auch ein Gelage statt. Für alle Amtsfeierlichkeiten waren genaue Regeln über das gute Benehmen der Amtsbrüder aufgestellt und den Schaffern die Gewalt erteilt, Verstöße sofort zu ahnden. Auch im Krämeramte wurde das Pfingst- und Weihnachtsfest durch einen Zusammentrunk begangen; im Gefolge der Feierlichkeiten wurde eine religiöse Zeremonie zum Gedenken der verstorbenen Amtsmitglieder veranstaltet. Aus einer Aufzeichnung in der Krämerrolle von 1604 geht hervor, daß bei den Amtsfeiern auch der Tanz zu seinem Rechte kam 358 ).

Die Zusammenkünfte fanden, wenn der Platz es erlaubte, im Hause eines Ältermanns statt; im 16. Jahrhundert erwarben einzelne Ämter dann Krughäuser, in denen sie nunmehr ihre Veranstaltungen abhielten. So sind solche Häuser bezeugt für die Bäcker, Böttcher, Hauszimmerleute, Krämer, Schneider und Wollenweber.

Das militärische Leben der mittelalterlichen Stadt war beherrscht von dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht; die Wehrkraft der Stadt beruhte auf der Wehrfähigkeit ihrer Bürger, da ihr, wie dem modernen Staat im allgemeinen,


356) Vgl. Techen, M.J.B. 58, S. 35.
357) R.A. Tit. IX, Schiffszimmerleute, erb. R. von 1411, Februar 2, Art. 2.
358) Techen, Geschichte Wismars, S. 87.
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keine größeren Söldnermassen zur Verfügung standen, ihre berechtigten Interessen zu wahren. Die Bürger mußten also selbst ihre Stadt verteidigen und nötigenfalls zum Angriff gegen äußere Feinde schreiten.

Einen wichtigen Teil der Wehrpflicht machte die Verpflichtung der Bürger zur Wache aus. Sie ist bereits in der Bürgersprache von 1345 festgelegt 359 ) und wird in den Jahren 1349, 1351, 1371-73 und 1430 wieder erwähnt. Danach sollte jeder Bürger zu Fuß oder zu Pferde wachen an dem Platz, wohin er gestellt wurde, oder aber einen Vertreter namhaft machen, für den er persönlich verantwortlich war. Ferner sollte jeder stets seine Waffen bereithalten und beim Alarmruf an seinen ihm bestimmten Platz eilen: "ad valvam sibi deputatam". Nach den Ausführungen von Techen 360 ) lag die Wachtpflicht auf dem Hause eines Bürgers; der Ausdruck "personaliter vigilet" in der erwähnten Bürgersprache wird sich demnach wohl auf erbgesessene Bürger bezogen haben.

Ferner waren aber die Ämter zur Wache verpflichtet. In einem Entwurf zu einer Wachtliste aus dem Jahre 1483, Juli 21, wurde von den einzelnen Zünften die Stellung einer bestimmten Zahl Bewaffneter zur Besetzung der Landwehren, Mauern und Tore verlangt. So hatten die größeren Ämter der Pelzer, Bäcker und Schmiede je 10 Mann zu stellen, die kleineren entsprechend weniger; Zahlenangaben fehlen hier jedoch. Eine weitere Ordnung von 1489, August 19, die allerdings nur für kurze Zeit gelten sollte, gibt näheren Aufschluß über die Art der Aufstellung. Danach sollten jeweils unter der Führung von Ratsmitgliedern die Böttcher, Riemer und Träger mit 22 Bürgern vor dem Rathause Wache halten, in den Kirchspielen von St. Marien und St. Georgen waren die Wollenweber, Krämer, Schuhmacher, Haken, Schmiede und Leinweber mit je 14, in dem von St. Nikolai mit 16 Bürgern zusammengezogen. Die Tore wurden von den Ämtern der Klotzenmacher, Glaser, Grapen- und Kannengießer, Hutfilter und Pantinenmacher besetzt gehalten, unterstützt durch einige Bürger. Die reitende Wacht sollte von dem halben Amt der Knochenhauer und Bürgern mit einem Ratsherrn sowie den Ratsdienern versehen werden. Den angeführten Ämtern gegenüber standen die


359) M.U.B. 9, 6474.
360) Techen, Die Bevölkerung Wismars im Mittelalter und die Wachtpflicht der Bürger, HGbl. 1890, S. 83.
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andere Hälfte der Knochenhauer, die Bäcker, Badstüber, Barbiere, Buntmacher, Gerber, Goldschmiede, Hutfilter, Kistenmacher, Maurer, Pelzer, Reifer, Schneider, Schiffszimmerleute und Töpfer, um die bedeutenderen zu nennen.

In Friedenszeiten wurde wohl niemals die ganze wehrfähige Bevölkerung zur Wachtleistung in Anspruch genommen; aus einem Wachtregister von 1455 361 ) ist zu ersehen, daß die Heranziehung zum Wachtdienst in bestimmten Zeiträumen wochweise erfolgte und die Ablösung der Nachtwachen um Mitternacht stattfand. In seiner "Geschichte der Seestadt Wismar" 362 ) wird von Techen angeführt, daß "die Ämter wol sämtlich eine gewisse Anzahl Harnische und jedes Amt seine bestimmte Zahl Gewaffneter zu stellen hatten". Die letzte Vorschrift geht bereits aus der Wachtliste von 1483 hervor, genauere Zahlen des gewöhnlichen Aufgebots sind leider nicht angegeben. Nur in der Rolle der Leinweber von 1415, April 26, Art. 5, wurde bestimmt, daß sie "tho den allerminsten scholen holden tho der Stadt behof twe ferdige schutten" und daß bei höherer Anforderung seitens der Stadt sie nach ihrer Macht tun sollten. In einem Zusatz zur Ratswillkür für Knochenhauer von 1361, November 12 363 ), wurde jedem Knochenhauer die Haltung eines Pferdes im Werte von 12 M. lüb. zur Pflicht gemacht. In den Rollen von 1410, November 7, Art. 13 364 ), und der Ergänzung von 1417, März 11 365 ), wurde die Bestimmung wiederholt und hinzugefügt, daß jeder Amtsmeister für den Rat und die Stadt reiten sollte, so oft es nötig wäre, "alse van oldinghes geweset hefft". Die Ämter der Träger und Hauszimmerleute waren vom Wachtdienst befreit 366 ). In der Rolle der letzten von 1537, Juni 18, wurde in einem Nachsatz Art. 18 festgelegt, daß das Amt befreit sein sollte, "in die graven tho gande, vor den doren to sittende, darup to wakende edder sunst die Wacht tho gande". Dagegen sollten einige Amtsbrüder bei auswärtigen Kriegsunternehmungen mit ausziehen, um die "Bussen" im Notfall auszubessern. Bei Feuersnot hatten die Amtsbrüder bis zuletzt mit ihren Äxten und Leitern Beistand zu leisten. (Art. 10 und 11 der Rolle von 1537.)


361) Techen, HGbl. 1890, S. 81.
362) Techen, Geschichte Wismars, S. 41.
363) M.U.B. 15, 8960.
364) R.A. Rwb. fol. 19.
365) R.A. Rwb. fol. 58.
366) Techen, HGbl. 1890, S. 78.
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Zur Instandhaltung des Amtsharnisches wurde bei Amtseintritt von den jungen Meistern eine Abgabe erhoben, z. T. mit dem Geld für Lichte und Bahrtuch zusammen. Diese war nach der Stärke des Amtes und des Amtsharnisches verschieden hoch. Sie betrug im Jahre 1410 bei den Knochenhauern 2 M. 4 (ß); sie zahlten damit bei weitem am meisten, werden also auch wohl die größte Zahl von Rüstungsstücken besessen haben. Bei den Schneidern wurden 1398 19 (ß), bei den Krämern 1397 1 M. lüb. gefordert; die Bäcker hatten 1398 10 (ß) zu erlegen. Die Summe von 2 M. wurde erhoben bei den Hutmachern (1484), Buntmachern (1497), den Klotzenmachern (1509), doch ist bei diesen letztgenannten Ämtern ein Schluß auf die Stärke des Harnisches und die Zahl der Gewaffneten schwerlich zu ziehen, da die steigende Geldentwertung berücksichtigt werden muß. Mit dem Ausgange des 16. Jahrhunderts wurden dann auch die Wehrabgaben der Ämter erhöht; so hatten im Jahre 1587 die Krämer 5 M. zu zahlen gegenüber 1 M. im Jahre 1397. Die Nadler gaben 1588 1 fl. als Harnischgeld an das Amt.

Die Ämter hatten die Pflicht, die Rüstung gebrauchsfertig zu halten und sie bei Bedarf zu ergänzen. So wurden im Leinweberamt im Jahre 1565 drei neue Harnische angeschafft. Die Angaben über die Zahl der Waffen und Rüstungen sind gering. Im Jahre 1491 wurde bei den Wollenwebern eine Aufstellung der vorhandenen Rüstungsgegenstände angefertigt 367 ). Danach besaß das Amt 2 Harnischtonnen mit 7 Panzern, 5 Kragen, 8 kleine Stücke, 2 Bartkragen, 1 Schott und einen eisernen Hut. Die Krämerrüstung bestand im Jahre 1587 aus gutem Harnisch für 5 Mann, 5 guten fertigen Röhren und einem halben Dutzend guter Spieße 368 ). Endlich sei noch die Böttcherrüstung aus dem Jahre 1611 angeführt. Das Amt besaß 2 gute und 6 gemeine Harnische mit Armschienen, 4 runde Hüte, 3 vollkommene Panzer, 9 lange Röhren, einen halben Harken, 2 Hellebarden, 3 Federspieße und einen langen Spieß, dazu 16 Feuereimer 369 ).

Vignette

367) R.A. Tit. IX, Wollenweber, Prot.-Buch, p. 9.
368) R.A. Tit. IX, Krämer, R. von 1587, Febr. 22, Art. 4.
369) Techen, HGbl. 1925, S. 123.