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IV.

Wie die
Schweriner Museen wurden

von

Heinrich Reifferscheid.

 

Vignette
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In einer sich auf die Wurzeln des Volkstums besinnenden Zeit wie der Gegenwart ergeht an einen Jeden der Volksgemeinschaft der Ruf nach "Nam' und Art", auf daß ein Jeder sich seiner Sippe wieder bewußt werde. Und damit stellt sich ohne weiteres auch die Frage ein nach der Väter und der Vorväter Gut, wie es vor allem unsere öffentlichen Kunst- und Kultursammlungen als getreuliche Hüter bergen, nicht, um uns der Vergangenheit nachhängen oder uns gar in "die gute alte Zeit" zurücksehnen zu lassen, wohl aber, um uns bewußt zu halten, daß unserer Altvorderen Hinterlassenschaft auch der Gegenwart und der Zukunft unseres Volkes etwas zu sagen vermag.

Die Gegensätze berühren sich. Forscht man nach dem Stammbaum der heute so volkstümlichen Schweriner Museen, so stößt man wieder und immer wieder mit des Herzogs Christian II. Ludwig Namen zugleich auch auf deren Wurzeln. Nicht als ob nicht schon vordem an den mecklenburgischen Hofhaltungen Künstler beschäftigt gewesen, Kunst und Altertum gewürdigt worden wären, nicht als ob nicht auch die nachfolgenden Generationen das Ihre beigesteuert hätten: Herzog Christian II. Ludwig war nicht nur einmaliger Repräsentant des Staatsgedankens, dazu äußerlich der mecklenburgische roi de soleil, wie ihn in pomphafter Aufmachung das Gemälde des Charles Maucourt 1752 der Nachwelt überliefert, sondern auch ein Fürst seines Zeitalters "comme il faut" und darum auch Förderer der schönen Künste; er war zugleich leidenschaftlicher Sammler von Geschmack und Kennerblick, nach dem Idealbild eines Herrschers, wie es Ludwig XIV. dem 18. Jahrhundert vorgelebt hatte.

Ludwig XIV. stand im strahlenden Glanze absolutistischer Machtvollkommenheit, als der einundzwanzigjährige mecklenburgische Herzog seine erste Reise in eine größere Welt unter-

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nahm 1 ). In Begleitung des Geheimen Rates von Wolffradt führte eine diplomatische Mission ihn nach Holland und England. Der Spanische Erbfolgekrieg war in vollem Gange und Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg - Schwerin und -Güstrow, des jungen Herzogs regierender Bruder, war gewillt, der Großen Allianz beizutreten und mecklenburgische Truppen zu stellen und zu unterhalten gegen die sofortige Auszahlung von 200 000 Reichstalern und der jährlich fortlaufenden gleichen Summe für die Dauer des Krieges. Zu diesem Zweck sollte der junge Herzog - und wohl noch mehr sein Reisebegleiter - an den interessierten Höfen diplomatische Fühlung nehmen.

Noch vor der Rückreise aus England ließ Herzog Christian II. Ludwig sich malen. Die beiden von Michael Dahl d. Ä., einem damals in London als Porträtmaler von Rang ansässigen Schweden, geschaffenen, glücklicherweise noch erhaltenen eigenen Bildnisse haben für Mecklenburg die besondere Bedeutung, des Herzogs erste Kunsterwerbungen zu sein. In den Abmessungen ein wenig unterschieden, sind die sich im übrigen gleichenden Gemälde auf der Rückseite der eichenen Tafel bezeichnet: Christianus Ludovicus Dux Megapolitanus. / London den 1 Septembr: 1704. / Dahl Fecit. und wurden dem Maler am 8. September 1704 zusammen mit 17 Reichstalern und 4 guten Groschen bezahlt. 1852 sind nachweislich beide aus dem Schlosse zu Neustadt nach Schwerin gebracht, dort aber haben sich beider Wege getrennt: die kleinere Fassung (H. 32 cm Br. 25,5 cm) ist mit der Galerie in Staatsbesitz übergegangen und wird jetzt im Schweriner Schloßmuseum bewahrt (siehe die Abbildung), während die größere eigenhändige Wiederholung jüngst in Bad Doberan in Privatbesitz aufgetaucht ist.

Frühzeitig hat Christian II. Ludwig seine Kunstliebhaberei auch auf andere Gebiete ausgedehnt; ist doch aus den Akten nachweisbar, daß er auf der Heimreise durch Holland am 2. September 1704 auch "vor Kupferstiche 2 holländische Gulden und 4 Stüver" verausgabt hat.

Und so bereitete er eine fürstliche Sammlernatur im Stile des 18. Jahrhunderts - in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten Kunst und Altertum eine Stätte, zunächst in seinem bescheidenen Heim, dann aber am mecklenburgischen


1) Die Akten "Die Berechnung der Einnahme und Ausgabe auf der Reise des Prinzen Christian Ludewig von Meckl. nach Holland und England. de ann: 1704 Mens: Febr: bis Januar: 1705." im Geheimen und Hauptarchiv zu Schwerin.
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Hofe, ohne sich durch Rückschläge verdrießen oder durch Hemmnisse aufhalten zu lassen. Als 1725 eine Feuersbrunst das Schloß zu Grabow zerstörte und die gesammelten Gemälde bis auf eines vernichtete, nahm Christian II. Ludwig im Schlosse zu Neustadt ungebrochenen Mutes die Sammeltätigkeit wieder auf, und als ihn hier die Bauernunruhen bedrohten, begann er 1736 in Schwerin von neuem, ließ sogar für die Gemälde einen eigenen Bau errichten und gab damit zugleich seinen kunstfördernden Bestrebungen ihren deutlichen Ausdruck (s. Abbildung).

Er Schuf den Grundstock der prächtigen Gemäldesammlung mit den alten Holländern der Blütezeit (siehe die Abbildung des Grothschen Aufrisses), stattete zugleich die Räume des Schlosses mit kostbaren Gemälden aus, sorgte für edles Kunstgewerbe aller Art, sammelte Kupferstiche, Handzeichnungen, Münzen und Medaillen; es gab dort ein Naturalienkabinett, ja selbst für die heimischen Bodenfunde "eine Kammer, wo die Urnen stehen" 2 ).

Eine nicht unerhebliche Veränderung trat unter dem Großherzoge Friedrich Franz I. ein, indem einerseits die von Kaiser Napoleon I. in Schwerin geraubten und nach dem zweiten Pariser Frieden wieder zurückgeschafften Gemälde der Schweriner Schloßgalerie zur Bildung einer zweiten Großherzoglichen Galerie im Ludwigsluster Schlosse führten (siehe S. 140), andrerseits im Jahre 1818 die künstlerische Hinterlassenschaft des Kurfürsten Maximilian von Köln aus dem Hause Habsburg angekauft wurde.

Die Großherzoglichen Kunstsammlungen in der Paulsstadt.

Das von Herzog Christian II. Ludwig (1747-1756) auf der Schloßinsel in Fachwerk errichtete Galeriegebäude mußte nach dem Regierungsantritt des Großherzogs Friedrich Franz II. dem Schloßneubau weichen 3 ) So wurde 1844 der bedeutsame Inhalt der Gemäldegalerie, aber auch die Sammlungsstücke der in der Großen Hofdornitz des Schweriner Schlosses aufbewahrten Kunstkammer für die Dauer des Baues


2) Vgl. die Risse von der Herzoglichen Bilder - Galerie zu Schwerin. Genau nach dem verjüngten Maßstabe gezeichnet von Johann Gottfried Groth. Schwerin im Februar 1798.
3) Vgl. Walter Josephi, Das Schweriner Schloß, S. 13 ff. (Meckl. Bilderhefte, hrsg. vom Institut für Kunstgeschichte der Landesuniversität, Heft II, Rostock [19241]).
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in die zu diesem Zweck gemieteten beiden oberen Stockwerke zweier miteinander verbundener Wohnhäuser der Paulsstadt (Alexandrinenstraße 15 und Wilhelmstraße 12) verbracht, um dort mit einer Kupferstichsammlung vereint zu werden, die aus Beständen des Adjutanturzimmers des Kollegiengebäudes, des Neustädtischen Palais zu Schwerin wie des Ludwigsluster Schlosses zusammenkam. Darüber hinaus hatte Großherzog Friedrich Franz II. eine Vermehrung dieser 1845 der Allgemeinheit geöffneten "Großherzoglichen Sammlungen" durch Überweisung weiterer Sammlungsstücke landesfürstlichen Eigentums oder durch Ankauf neuer in Aussicht gestellt, und so kamen als Überweisungen der Folgezeit das ethnographische Kabinett (1851) und die Gemälde des Schlosses zu Neustadt (1852) hinzu, als dies zum Sitz der Amtsverwaltung eingerichtet wurde. Bei den nur beschränkten Raumverhältnissen mußte dagegen eine Einbeziehung der Ludwigsluster Gemäldesammlung noch unterbleiben.

Aus der Erkenntnis des Zufälligen und Unausgeglichenen der damals vereinten verschiedenartigen Sammlungsbestände, wohl auch aus dem Bedürfnis, etwas Museumsmäßiges zu zeigen, mag sich erklären, daß man zunächst wenigstens für das Kernstück des Ganzen, die kostbare Gemäldegalerie, eine äußere Abrundung erstrebte. Man wollte es den in jeder Hinsicht ganz anders gestellten Museen der großen Residenzen gleichtun, übersah, daß doch die "vier großen Galerien Deutschlands" nach Wilhelm Bode 4 ) einer "kleineren deutschen Bildersammlung" wie der Schweriner gegenüber "als Galerien ersten Ranges bezeichnet zu werden verdienen", und glaubte, daß schon eine gewisse Abrundung die Schweriner Galerie berechtigen würde, "in der Reihe der deutschen Gemäldegalerien den ihr gebührenden Platz unmittelbar hinter denen von Berlin, Dresden, München und Wien einzunehmen", aber man hatte von vornherein keinerlei oder doch nur sehr bescheidene Ankaufs- und Verwaltungsmittel, um diesen Plan verwirklichen zu können.

Dies erhellt deutlich aus einem Vortrag des Geheimen Kabinettsrats Dr. Prosch vom 1. April 1862, in dem es heißt: "Die Galerie hatte 1844 bis auf ein paar Canaletto gar keine Gemälde der italienischen Schulen, gar kein namhaftes der deutschen Schule, ein höchst unbedeutendes der spanischen, kein


4) Wilhelm Bode, Die Großherzogliche Gemälde - Galerie zu Schwerin. Wien 1891, S. 2.
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Gemälde lebender Meister, und so reichhaltig auch die späteren Niederländer vertreten waren, so fehlten doch auch mehrere der bedeutendsten Meister gänzlich . . ."

So hat denn 1846 der Großherzog selbst - denn der gesamte Museumsetat dieses Jahres einschließlich persönliche Ausgaben arbeitete mit 770 Reichstalern - als erste Neuerwerbungen zehn Gemälde der italienischen, deutschen und niederländischen Schule aus der Sammlung des Freiherrn von Gloeden in Bützow aus seinen Privatmitteln für die Gemäldegalerie angekauft, aber als man 1847 an die Erwerbung weiterer sechzehn italienischer und spanischer Gemälde ging, waren schon durch diesen zweiten Ankauf "die zu solchen Zwecken disponiblen Geldmittel auf längere Zeit hin erschöpft". Nun ward in den fünfziger und zu Anfang der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts auf dem Wege des Tausches unternommen, was auf dem normalen Ankaufswege nicht durchzuführen war: man gab unmittelbar aus der Schausammlung Werke besonders reichvertretener oder sonst entbehrlich erscheinender Meister - auf gute Niederländer waren die Kunsthändler leider besonders erpicht, sie bekamen auch diese in der Hauptsache - und erhielt, was man wünschte, vor allem italienische, aber auch spanische, französische und ältere deutsche Bilder, darunter freilich als glänzendste Erwerbung neun Tafelbilder Meister Franckes von 1424, sowie eine Anzahl alter Holländer und Vlamen, von denen Werke in der Galerie noch fehlten oder die nur ungenügend vertreten erschienen.

Gleichfalls ist für 1846 die Einbeziehung der zeitgenössischen Kunst in das Sammlungsprogramm nachweisbar, und zwar betraf sie vornehmlich deutsche, unter ihnen erstmals mecklenburgische Maler, daneben Franzosen und Niederländer des 19. Jahrhunderts.

Für die Anschauungen damaliger Zeit ist bezeichnend, daß man zu Anfang der sechziger Jahre nach dem bereits erwähnten Vortrage des Intendanten vom 1. April 1862 als die "für das Kunstleben in Schwerin segensreichsten Früchte" der freien Zugänglichmachung der Großherzoglichen Kunstsammlungen die starke Zunahme der Künstler und die noch sehr viel stärkere der Kunstdilettanten ansehen zu können glaubte:

"Während 1844" - so schreibt Dr. Prosch - "nur zwei Kunstmaler hier etabliert waren und auch diese nicht ohne Großherzogliche Besoldung hier zu bestehen vermochten, sind jetzt

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hier sechzehn Künstler, welche alle (bis auf einen, der Pension hat) ohne Gehalt für sich und ihre Familien das Nötige erwerben; während damals nur eine einzige Dilettantin sich hier mit Malen beschäftigte, sind jetzt mehr als dreißig Dilettanten und Dilettantinnen, welche sämtlich ebenso wie die Künstler fortwährend die Gemälde - Galerie und das Kupferstich - Kabinett, zum Teil auch die Gips - Abgüsse fleißig benutzen."

Wie das Kopieren Großherzoglichen Eigentums damals vor sich ging, vermag man heute kaum glaubhaft zu schildern. So wurden Gemälde direkt aus der Schausammlung heraus nicht allein in Schweriner Privatwohnungen überlassen, selbst nach Ludwigslust, Boizenburg, Bützow, Ribnitz, aufs Land, bis nach Berlin Künstlern und Dilettanten zugesandt, aber nicht etwa nur belanglosere Stücke, sondern sogar alte Holländer, wie van der Does, de Heem, Hondecoeter, Mierevelt, Moreelse, Potter, Teniers, Wouwerman, ja die unersetzlichen Kleinodien der Sammlung Karel Fabritius und Rembrandt nicht ausgenommen!

Auch malende Töchter und Nichten waren unter den Kopisten, desgleichen ein Medizinstudent und ein Schüler, der wegen Unwohlseins die Schule nicht besuchen konnte; als ein allerdings nicht "zur Gesellschaft" gehörender Malergeselle sich erkühnte, ein Galeriebild entleihen zu wollen, erhielt er 1858 abschlägigen Bescheid:

"daß nur an Damen und solche Herren Gemälde aus der Großherzoglichen Galerie zum Kopieren ausgeliehen würden, von denen für die sichere Aufbewahrung und Rücklieferung in unbeschädigtem Zustande vorher genügend Gewähr gegeben wäre."

Ähnlich scheint es um das Ausleihen von Kupferstichen und Handzeichnungen aller Art bestellt gewesen zu sein, die in Kästen und Mappen herausgegeben wurden. Um nur einen Fall zu erwähnen, so waren aus dem Kupferstichkabinett, dessen "große Anzahl Original - Blätter der alten niederländischen und deutschen Meister" der Geheime Kabinettsrat Dr. Prosch 1851 in einer Eingabe an den Großherzog hervorhebt, 1845/46 30 Originalkupferstiche und 23 Originalholzschnitte von Albrecht Dürer für mehr als ein halbes Jahr in eine Privatwohnung ausgeliehen. Wenn es wohl nur vereinzelt vorkam, daß Gemälde - Originale durchgepaust worden sind oder mit Spuren eines in weißer Kreide über die Malschicht gelegten Quadrat-

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netzes wieder abgeliefert wurden, so heißt es doch ausdrücklich, daß Kupferstiche sogar "gräßlich beschmutzt und verstümmelt zurückgegeben wären". So konnte es nicht ausbleiben, daß 1875 verordnet ward:

"fortan gar keine Gemälde mehr aus den Galerien von Ludwigslust und Schwerin zum Kopieren aus dem Hause der Kunstsammlungen auszuleihen, es sei denn, daß dieselben von Hofdamen und andern dem Großherzoglichen Schlosse angehörenden Personen in den Räumen des Großherzoglichen Schlosse oder Palais kopiert werden",

wobei zugleich das vor seiner Verkündigung stehende Reichsgesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, dem damals sehr beliebten Kopieren von Werken lebender Maler durch Dilettanten eine Schranke setzte.

Daß dagegen auch fernerhin Kupferwerke zur Unterhaltung an den Tee - Abenden in den Schlössern von der Intendantur der Großherzoglichen Kunstsammlungen bereit zu halten und jeweils zu verabfolgen waren, ergab sich aus der Tradition des Hofes.

Zu Anfang der siebziger Jahre begann in Auswirkung der damaligen geistigen Strömungen nach einem auf Veranlassung des Großherzogs Friedrich Franz II. vom späteren Museumsdirektor Dr. Friedrich Schlie 1869 in Neapel entworfenen Plan die Ausgestaltung der Sammlung von Abgüssen antiker Skulpturen. Schon in den Jahren zuvor war die Vermehrung des nur geringen Bestandes an Werken plastischer Kunst ins Auge gefaßt, jedoch aus räumlichen Gründen in Rückstand geblieben. Und als dann die aus Frankfurt a. M. und aus Rom eintreffenden Kisten mit den bestellten Gipsabgüssen kamen, mußten die frischgeformten Abgüsse unausgepackt lagern, selbst für die 1871/72 in Neapel erworbene erlesene Sammlung originaler antiker Keramik: attischer, etruskischer und unteritalienischer Vasen des 6. bis 4. Jahrhunderts v. Chr., war kein Platz. Erst als die Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts sich zum Kauf der beiden Häuser der Alexandrinen- und Wilhelmstraße entschloß und damit auch deren Erdgeschoß von seinen Mietern freigemacht werden konnte, war eine Ausstellung in den neuen Räumen möglich. Ihre Eröffnung fand 1872 statt.

Hand in Hand mit den Aufträgen zur Herstellung der Gipsabgüsse ging auch der Ankauf vereinzelter antiker

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Marmorwerke, wenngleich man, einer Gesamtübersicht zuliebe, den Erwerb von Abgüssen antiker Plastiken bevorzugte.

Damals (1869) ist die schönste aller bisher bekannt gewordenen Homer - Hermen, gefunden 1868 in einem Weinberg bei Terracina, und der herrliche, gar dem praxitelischen Kunstkreis angehörende Torso der Aphrodite aus schimmernd weißem griechischen Inselmarmor (1872) nach Schwerin gelangt. Dieser Aphrodite - Torso hat in einer Gipshaut als Abguß unter Abgüssen die Ausfuhrgrenze überschritten, ist aber seiner Gipshaut merkwürdigerweise erst annähernd fünfzig Jahre später unter dem gegenwärtigen Museumsdirektor Professor Dr. Josephi entkleidet 5 ) und erstrahlt seither wieder im ursprünglichen Glanze leuchtenden kristallinischen Marmors.

Das international - höfische Museum.

Die Feuerunsicherheit der Häuser nebst ihrer Umgebung und die sich immer stärker geltend machende Überfüllung der im Grunde doch nur mangelhaften und unzureichenden Räume bis ins Dachgeschoß hinauf hatten bereits um die Mitte des Jahrhunderts immer wieder zu dem ursprünglichen Gedanken der Zurückverlegung der Gemäldegalerie ins Schloß geführt. Es zeigte sich aber schon sehr bald, daß die im Obergeschoß des neuerstandenen Burgseeflügels bauplanmäßig vorgesehenen Räumlichkeiten für eine sachgemäße Hängung in historischer Folge bei weitem nicht mehr ausreichten - von einer Eingliederung der Ludwigsluster Gemäldesammlung ganz zu schweigen - , und so wurde denn die Durchführung zunächst ausgesetzt, bis 1862 der Wunsch nach Erbauung eines eigenen Museums sich zu konkreten Vorschlägen verdichtete und zur grundsätzlichen Genehmigung eines Museumsbaues durch den Großherzog führte.

Wenn trotzdem der Museumsplan zunächst für lange Jahre ruhte, so scheinen Gründe finanzieller Art vorgelegen zu haben, sei es, daß sich immer wieder dringendere Bedürfnisse als der Museumsbau einstellten, sei es, daß die Oberste Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts erst ein entsprechendes


5) Max Sauerlandt, Die deutschen Museen und die deutsche Gegenwartskunst, in "Drei Betrachtungen zur Stellung der Kunst in unserer Zeit", Hamburg (1929), S. 34.
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Kapital dafür ansammeln wollte. Unentschieden war dazu der Inhalt der geplanten Museumsschöpfung, über die sich auch das Staatsministerium zu äußern hatte. Sollte sie nur ein Museum der bildenden Künste werden mit Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett, Plastik und Architektur, Ausstellungssaal und Künstlerateliers und sollte dies Museum zugleich Münzkabinett, Altertümersammlung und Bibliotheken umschließen oder sollte man gleich eine reinliche Scheidung des Kunst- und Kulturgeschichtlichen ins Auge fassen, um dann in einem zweiten Gebäude, "welches später am paßlichsten dem Museum vis à vis zu erbauen wäre", Münzkabinett, Altertümersammlung, Naturkundliches und Bibliotheken miteinander zu vereinen?

Die Dinge kamen in Fluß, als die räumlichen Verhältnisse für die Großherzoglichen Sammlungen in der Paulsstadt unhaltbar wurden, aber auch die Möglichkeit finanzieller Beihilfe aus der französischen Kriegs - Kontribution gegeben schien. Die Raumnot in der Gemäldegalerie war so groß, daß man sich vor überfüllten Wänden für den Zuwachs an Gemälden schon seit Jahren mit Staffeleien behelfen mußte. Infolge der planmäßig fortlaufenden Bestellungen von Abgüssen nach der Antike erwiesen sich auch deren neue Räume als gar zu enge, zwangen zu einer Beschränkung bei der Auswahl, und es drohte der weitere Ausbau der Sammlung schwierig zu werden.

So ward denn im Frühjahr 1873 auf Anordnung des Großherzogs Friedrich Franz II. eine Kommission berufen

"zur Vorbereitung der Entscheidung über den Bau eines Museums, den Umfang des bei einem solchen Bau zu berücksichtigenden Raumbedürfnisses für die Großherzoglichen Sammlungen von Gemälden, Kupferstichen und plastischen Gegenständen, sowie ferner für eine Bibliothek und für die Altertumssammlungen zu ermitteln, die Frage über die Zweckmäßigkeit eines oder zweier Gebäude für alle gedachten Zwecke zu prüfen und skizzierte Zeichnungen der Pläne zum Bau eines oder zweier Gebäude für die sämtlichen fraglichen Zwecke unter Beifügung entsprechender Pauschalberechnungen über die zur Ausführung des einen oder des anderen Planes erforderlichen Kosten vorzulegen".

Noch im gleichen Jahre geht am 13. November 1873 eine Regierungsvorlage an den Landtag, um aus dem auf Mecklenburg - Schwerin entfallenden Anteil an den französischen Kriegskosten - Entschädigungsgeldern für den Museumsbau eine Bei-

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hilfe zu erlangen 6 ). Und zwar zielt das beigegebene Promemoria ausdrücklich auf die Erbauung eines Museums der bildenden Künste und auf seine Nutzbarmachung für die Allgemeinheit zu wissenschaftlichen Zwecken.

Wenn es um die mitte der siebziger Jahre noch immer nicht zum Museumsbau kam, so lag das daran, daß die erwachsenden Baukosten zunächst nur aus den Zinsen des Kriegskosten - Entschädigungsfonds unterstützt werden sollten. Da aber dieser Modus nur eine weitere Hinausschiebung des Baubeginnes zur Folge gehabt hätte, forderte und erreichte der Großherzog Friedrich Franz II., "um die Erfüllung des seit langen Jahren gehegten Wunsches der Erbauung eines Museums nicht in sehr weite Ferne gerückt zu sehen", von dem am 16. Februar 1876 zusammentretenden ordentlichen Landtag zu Sternberg die vorschüssige ratenweise Bewilligung der erforderlichen Bausummen für die Jahre 1879 und 1880 und setzte damit den Museumsbau endgiltig durch.

Die von Hofbaurat Hermann Willebrand noch 1876 unter offensichtlicher Anlehnung an das 1874 begonnene Wiener Parlamentsgebäude entworfenen Baupläne sehen in dem am Alten Garten in antikisierendem Stil zu errichtenden Museumsbau das gesamte Obergeschoß für die Aufnahme der Gemäldegalerie vor. Sie rechnen mit dem nunmehrigen Einschluß der erlesenen Ludwigsluster Gemäldesammlung, im Kern jene im Jahre 1807 auf Befehl Napoleons durch den Generaldirektor des Louvre Denon aus der Herzoglichen Gemäldegalerie des Schweriner Schlosses nach Paris entführten (209) Gemälde, die auf Betreiben des Großherzogs Friedrich Franz I. mit den übrigen geraubten Kunstgegenständen 1815/16 fast vollzählig nach Ludwigslust zurückgeliefert worden sind 7 ), Die Baupläne sehen


6) Daher das auf Anregung des Großherzogs Friedrich Franz II von Friedrich Schlie ersonnene Wortspiel der im Obergeschoß des Museums am Alten Garten über dem Eingang zum mittleren Oberlichtsaal der Gemäldegalerie angebrachten Inschrift - Tafel:
       A MARTE AES, AERE AEDES
       AEDES ARTI. NUNQUAM MARTI.
Vgl. dazu die "Acta die Verwendung und Verwaltung der auf Mecklenburg - Schwerin entfallenen Rate der französischen Kriegs - Contribution von 1871, insbesondere die Verwendung zu Schulzwecken und zu verschiedenen Bauten betreffend", Vol, I. 1872-1883, im Geheimen und Haupt - Archiv zu Schwerin.
7) Vgl. Walter Josephi, Der Schweriner Bilderraub Napoleons I., Schwerin 1911. Mss. bei den Akten der Museumsverwaltung zu Schwerin.
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ferner das Untergeschoß für Kupferstiche, Werke plastischer Kunst, Altertümer und Münzkabinett vor, stellen also die Vereinigung eines Museums der bildenden Künste und einer Altertümersammlung dar, lassen dabei aber von vornherein an der Rückseite die Möglichkeit zu späterer baulicher Erweiterung.

Nicht veranschlagt war dagegen ein eigener Ausstellungssaal. Dies erklärt sich aus dem Charakter des Hofmuseums: gelegentlich auszustellende Werke sollten im Privatmuseum des Großherzogs offenbar wie bisher in diesem oder jenem Raum auf Staffeleien vorgeführt werden, einen eigentlichen Ausstellungsbetrieb wünschte man nicht.

Nach der Willensmeinung seines fürstlichen Eigentümers hatte das neue Museum wissenschaftlichen Zwecken zu dienen, und so begann Dr. Friedrich Schlie, der erste in der Reihe der Direktoren, mit der wissenschaftlichen Bearbeitung der Gemäldegalerie, denn, so heißt es im Promemoria vom April 1878 gleich am Anfang: dem Publicum müsse bei der Eröffnung des neuen Museums der lang entbehrte Katalog übergeben werden.

So wurde zunächst das "Beschreibende Verzeichnis der Werke älterer Meister in der Großherzoglichen Gemäldegalerie zu Schwerin" von Schlie in Angriff genommen, das 1882 vorlag 8 ); ihm folgte 1884 das der "Neueren Meister" 9 ).

Die im Museumsneubau vereinte Gemäldegalerie erstreckte sich im Obergeschoß über die Oberlichtsäle und Kabinette. Man wollte dabei zeigen, was man hatte, und somit wurden die Wände von oben bis unten ohne Zwischenraum mit Gemälden behängt. Als Hilfsmittel hatte Museumsdirektor Dr. Schlie Wand für Wand, Bild um Bild, einen Verteilungsplan maßstäblich festgelegt, um so auch wirklich lückenlos die Wandflächen ausnutzen zu können. Dies Verfahren war noch völlig im Sinne der 1794 von Johann Gottfried Groth gezeichneten Risse der Gemälde in der Herzoglichen Galerie des Schweriner Schlosses (siehe die Abbildung). Ebenso war es noch ganz im Sinne der Anschauungen des 18. Jahrhunderts, neben Originalen unbedenklich Kopien zu belassen, wie auch die Abgußsammlung des Untergeschosses einen Unterschied zwischen Origi-


8) Friedrich Schlie, Beschreibendes Verzeichnis der Werke älterer Meister in der Großherzoglichen Gemälde - Galerie zu Schwerin, Schwerin 1882.
9) Friedrich Schlie, Beschreibendes Verzeichnis der Werke neuerer Meister in der Großherzoglichen Gemälde - Galerie zu Schwerin, Schwerin 1884.
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nalen und Kopien nicht machte. Dagegen erscheint eine spätere museale Entwicklung vorweggenommen, wenn das geringere Kunstgut in Depots abgesondert wurde:

"Diese weniger guten Bilder aber werden für den, welcher kunsthistorische Studien treibt, von dem einen oder andern Gesichtspunkte immer eine ähnliche Bedeutung behalten wie die besseren Bilder. Sie müssen deshalb zugänglich bleiben, können aber recht wohl in einem der abgelegeneren Räume des Museums untergebracht werden, der, wie dies anderweitig geschieht, das Depot genannt wird und für gewöhnlich verschlossen ist. So wird es möglich sein, von den Haupträumen des Museums alles geringere Gut, das den ästhetischen Eindruck der ganzen Sammlung beeinträchtigt, fern zu halten und doch dasselbe zu jeder Zeit dem Kunstbeflissenen für seine Studien bereit zu halten."

Die allgemeine Anordnung - wie übrigens bereits während der Unterbringung der Großherzoglichen Sammlungen in der Paulsstadt nach Schulen - begann mit den Altdeutschen und Altniederländern und führte, ohne daß jedoch "dem Farbenbouquet zu Liebe, welches jede Wand als ganzes Bild für sich darstellt", die Grenzen streng innegehalten worden wären, über Vlamen, Franzosen, Italiener zu Holländern und Deutschen, um mit den Malern des 19. Jahrhunderts zu enden, unter denen sich auch die Mecklenburger befanden.

Nur um Monate hatte Großherzog Friedrich Franz II. die feierliche Eröffnung seiner Museumsschöpfung überlebt. Im Sinne zweckvollen Ausbaues aber war es, wenn schon aus einem der ersten Regierungsjahre des Großherzogs Friedrich Franz III. die Willenserklärung vorliegt, daß die Ankaufsmittel des Museums nicht zu mehr nebensächlichen Dingen wie der gerade in Frage stehenden Vermehrung der Sammlung japanischer Altertümer verwandt würden, da diese Mittel "aus dem Großherzoglichen Haushalt für die Privatsammlung Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs bewilligt, bestimmt wären die Hauptbestandteile der Sammlung, besonders die Bildergalerie, allmählich zu vervollständigen, daher nicht zersplittert werden dürften."

Wie richtig die Ansicht des Großherzogs war, ergibt sich daraus, daß der Ankaufstitel für die gesamten Großherzoglichen Sammlungen im Jahre der Museumseröffnung 1882 nur 1000 Mk. betrug, eine Summe, die 1884 auf 3000 Mk. erhöht wurde. Im Jahre 1907 sank der Ankaufstitel zugunsten der

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Beschaffung neuer Bilderrahmen auf 1100 Mk., betrug 1908 und 1909 wieder 3000 Mk., wurde 1910 auf 1500 Mk. vermindert, um bis zum Beginn der Entwertung der Mark um 1918 wieder 3000 Mk. zu betragen.

Als in der Folgezeit der Zuwachs an Gemälden auch entsprechende Wandflächen erforderte und diese nicht mehr zu vergeben waren, mußte man sich 1896 noch mit einer Umhängung der Bestände des "Modernen Saals" begnügen; denn erst 1901 kam in dem damals aufgeführten Flügelanbau der für die Werke neuerer Kunst bestimmte große Neue Saal hinzu.

Leider aber blieb die Gemäldegalerie auch vor Rückschlägen nicht bewahrt.

Hatte ein Glückszufall den Neuerwerbungen 1862/63 das köstliche Juwel der im altdeutschen Kabinett vereinten neun Tafelbilder Meister Franckes vom Thomasaltar der Englandsfahrer aus der abgebrochenen St. Johanniskirche zu Hamburg von 1424 zugesellt, so gingen dies Juwel und mit ihm sechsundzwanzig Gemälde älterer Hamburger Meister 1898 an die von Alfred Lichtwark neuzuschaffende Galerie Hamburgischer Meister der Kunsthalle zu Hamburg verloren.

Alfred Lichtwark machte kein Hehl daraus, daß er grundsätzlich nur Werke ersten Ranges und bester Erhaltung wollte, und Friedrich Schlie war sich durchaus bewußt, daß das Museum etwas zu geben gebeten würde, was in Bezug auf seinen kunstgeschichtlichen Wert als eine inkommensurable Größe bezeichnet werden müsse, zumal er selbst den Hamburger Meister erst entdeckt und in die Literatur eingeführt hatte 10 ). Die Entscheidung lag beim Herzog - Regenten, und der Herzog - Regent war gewillt, Hamburg den Gefallen zu tun, gegen eine Summe, deren Zinsen es ermöglichen würden, bedeutende Ersatzstücke zu schaffen. Unnötig zu betonen, daß die Zahlung des geforderten Mindestpreises prompt erfolgte. Jedoch haben sich die Hoffnungen, daß von den Zinsen "wenigstens alle zwei oder drei Jahre ein besonders gutes Bild von einem besonders guten Meister erworben werden könnte", in dem erwarteten Maße nicht erfüllt und sind bereits 1908 mit der Auflösung des


10) Friedrich Schlie, Der Hamburger Meister vom Jahre 1435, in elf Lichtdrucktafeln herausgegeben von Johannes Nöhring, Lübeck (1897). Der Name des Meisters Francke und das Datum des Altars 1424 wurde während der Verkaufsverhandlungen durch das Hamburger Staatsarchiv ermittelt, von Lichtwark aber erst mit der Überweisung des Kaufpreises bekannt gegeben.
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"Hamburger Fonds" und der Einziehung des gesamten Kapitals für die Kasse der Obersten Verwaltungsbehörde des Großherzoglichen Haushalts vollends in ein Nichts zerronnen. An Stelle von Schwerin aber ward Hamburg dank der faszinierenden Persönlichkeit seines Alfred Lichtwark mit den Altartafeln Meister Franckes und mit dem dann noch aus der Kirche zu Grabow herausgekauften Hochaltar Meister Bertrams zum Mittelpunkt niederdeutscher Malerei aus der Zeit ihrer Hochblüte!

Für das Kupferstichkabinett war im ursprünglichen Bauplan des Museums der untere Rundsaal vorgesehen. Da dieser nach Norden zu liegt, fehlendes Sonnenlicht und starker Temperaturwechsel aber auf das Papier von Kupferstichen, Radierungen und Handzeichnungen nachteilig wirke, so wurde auf Antrag des Direktors der Großherzoglichen Kunstsammlungen Dr. Schlie statt dessen der Oberlichtsaal an der Annastraße gewählt. Die Benutzung des Kupferstichkabinetts war freilich dadurch erschwert, daß es bis 1878 nicht einmal ein Verwaltungsinventar gab, von einer wissenschaftlichen Ordnung und Katalogisierung ganz zu schweigen, und daß mit dem Aufziehen der Blätter wenigstens auf Kartons (statt Passepartouts) nur erst ein Anfang gemacht war.

Für die Sammlung plastischer Werke und die Vasensammlung war im Untergeschoß des neuen Museums der Flügel zur Seeseite nebst den sich anschließenden Räumen an der Annastraße bestimmt. Man hatte im Bauplan eine Verdoppelung der bereits gesammelten Bestände grundleglich gemacht, aber angesichts der bisherigen Raumnöte gleich eine mehr als dreifache Grundfläche vorgesehen. So fällt denn noch in die Zeit der Einrichtungsvorbereitungen der 1881 von Großherzog Friedrich Franz II. genehmigte Plan einer letzten größeren Vervollständigung der bereits beschafften Abgüsse nach der Antike, von da ab waren dann nur noch Ergänzungen und Abrundungen im kleinen beabsichtigt, "alles dies in Erwägung und mit Festhaltung des Grundsatzes, daß nicht alles für einen vollkommen eingerichteten Lehrapparat Erforderliche, sondern in vorwaltender Rücksicht auf die ästhetische Bildung des Publicums nur das Beste vom Besten aus der Antike in einer der Geschichte entsprechenden Folge ausgesucht werden solle". Um aber die Sammlung zweckvoll zu gestalten und sie der Allgemeinheit zu erschließen, bedurfte es eines wissenfchaftlich fundierten, beschreibenden und erklärenden Verzeichnisses der Ab-

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güsse, das Friedrich Schlie 1887 der Öffentlichkeit übergab, als der verfügbare Raum kaum noch eine Vermehrung zuließ, vielmehr diese schon damals von dem im Bauplan vorgesehenen Erweiterungsbau des Museums abhängig gemacht werden mußte 11 ).

Zu diesen eigentlichen Kunstsammlungen von Gemälden, Kupferstichen und Plastiken sowie der nur lehrhaften Sammlung von Gipsabgüssen traten im unteren Rundsaal des neugeschaffenen Museums die zu einem Kunstkabinett zusammengefaßten kunstgewerblichen Bestände an Schnitzwerken aus Elfenbein, Mosaiken, Korkmodellen und dergleichen aus der alten Herzoglichen Kunstkammer im Schweriner Schlosse. Hier liegen die Anfänge einer eigenen kunstgewerblichen Abteilung, die der mecklenburgischen Landes- Gewerbe- und Industrie- Ausstellung Schwerin 1883 ihre Entwicklung verdankt. Aus Großherzoglichem, kirchlichem und Privatbesitz wie aus der Sammlung vaterländischer Altertümer waren damals kunstgewerbliche Altertümer im Großherzoglichen Museum zu einer Sonderschau vereint 12 ) und damit war der Blick auf diese Schätze gelenkt. Durch Überweisung des Überschusses der Mecklenburgischen Landes- Gewerbe- und Industrie- Ausstellung und die Dotierung aus dem dem Ministerium des Innern unterstehenden landesherrlichen Industriefonds in der Folgezeit erhielt die neuzuschaffende Abteilung ihr eigenes, im Vergleich zu den anderen erfreulich starkes finanzielles Rückgrat. Da sie mit einer in Schwerin zu errichtenden Kunstgewerbe- oder Handwerkerschule zusammen der Hebung des Kunsthandwerks im Lande dienen sollte, s hatte das bisherige Kunstmuseum damit auch noch die Aufgaben eines Kunstgewerbemuseums zu erfüllen. Und so war es Friedrich Schlie vergönnt, mit recht ansehnlichen Mitteln nicht nur den Grundstock zu der hervorragenden Sammlung europäischer und außereuropäischer Keramik zu legen, die freilich erst in dem späteren Flügelanbau des Museums zu voller Geltung kam, sondern gleich-


11) Friedrich Schlie, Gipsabgüsse antiker Bildwerke im Großherzoglichen Museum zu Schwerin. In kunstgeschichtlicher Folge beschrieben und erklärt. Anhang I: Antiken des Schweriner Museums. Anhang II: Nachbildungen antiker Werke in Marmor, Schwerin 1887.
12) Verzeichnis der im Großherzoglichen Museum ausgestellten kunstgewerblichen Altertümer. Gruppe XVI der Mecklenburgischen Landes- Gewerbe- und Industrie- Ausstellung im Jahre 1883 zu Schwerin.
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zeitig kunstgewerbliche Stücke aller Art und Länder zusammenzubringen, darunter auch mecklenburgische Trachtenstücke, Kirchliches, Haus- und Innungsgerät der Heimat. Doch ist zu betonen, daß die Sammeltätigkeit noch nicht eigentlich auf das Mecklenburgische abzielte, sondern daß noch immer der ursprüngliche Gedanke des international - höfischen Museums den Ausschlag gab.

Die Altertümer - Sammlung, auch Sammlung vaterländischer Altertümer genannt, erstreckte sich im unteren Museumsflügel der Theaterseite bis in das Kellergeschoß hinein und umfaßte seit 1882 die vor- und früh geschichtlichen Bodenfunde und kirchliche wie weltliche Altertümer des Landes 13 ) in systematischer Verschmelzung der Sammlungen des Großherzogs mit denen des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.

Was insbesondere den vor- und frühgeschichtlichen Teil der Altertümersammlung anlangt, so hätte nach G. C. F. Lisch, dem der Einblick in das gesamte Akten- und Schriftenwesen des Hofes offenstand, schon im Anfange des 16. Jahrhunderts Herzog Heinrich V., der Friedfertige (1503-1552), Graburnen gesammelt und sich der Betrachtung der Vorzeit gefreut 14 ). Als eigentlicher Begründer der Herzoglichen Sammlung von Bodenfunden im Schweriner Schloß ist aber erst Herzog Christian II. Ludwig (1747 bis 1756), als Mehrer Herzog Friedrich (1756 bis 1785), anzusehen, bis dann unter dem Herzog und späteren Großherzog Friedrich Franz I. (1785-1835) 1804 die Schweriner Bestände nach Ludwigslust übernommen, mit den dortigen vereinigt und durch planmäßige Grabungen wie Fundablieferungen erweitert wurden. Diese Ludwigsluster Sammlung mecklenburgischer Grabaltertümer, über die ein 1837 von G. C. F. Lisch vollendetes Tafelwerk 15 ) erschienen war, ward im gleichen Jahre wieder in das Schweriner Schloß verlegt, hier den seit 1835 im Entstehen begriffenen Sammlungen des


13) Vgl. Robert Beltz, Vorläufige Übersicht über die Sammlung vaterländischer Altertümer im Großherzoglichen Museum zu Schwerin, Schwerin 1882.
14) G. C. F. Lisch, Andeutungen über die altgermanischen und slavischen Grabaltertümer Mecklenburgs und die norddeutschen Grabaltertümer aus der vorchristlichen Zeit überhaupt, abgedr. in Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Jahrgang 2, Schwerin 1837, Jahresbericht S. 134.
15) G. C. F. Lisch, Friderico - Francisceum oder Großherzogliche Altertümersammlung aus der altgermanischen und slavischen Zeit Melenburgs zu Ludwigslust, Leipzig 1837.
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Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde in der Großen Hofdornitz des Schlosses zugesellt und als nunmehrige Sammlung Mecklenburgischer Altertümer 16 ) nach Art der Vereinssammlung auf die geschichtliche Zeit weitergeführt. Infolge des Schloßneubaues mußten beide Sammlungen 1844 das Schloß verlassen, wurden aber nun nicht mit der Bildergalerie und der Kunstkammer in die Paulsstadt verbracht, vielmehr gesondert in ein eigenes Gebäude, das der früheren Tierarzneischule in der Amtstraße (Nr. 7), überführt, wo sie bis zur Einrichtung des Großherzoglichen Museums zwar in räumlicher Vereinigung, aber getrennter Aufstellung und Anordnung verblieben. Es bestanden also in der Zeit von 1844/45 bis 1882 in Schwerin zwei öffentliche Sammlungen, von denen die eine die Kunstsammlungen, die andere die kulturgeschichtlichen Sammlungen enthielt.

Die Verschmelzung der beiden vorgeschichtlichen Sammlungsteile des Großherzogs und des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde erfolgte 1880-1882 auf Grund des von Lisch mit Thomsen in Kopenhagen etwa gleichzeitig, jedoch selbständig und unabhängig von diesem entdeckten, bisher nur auf die Sammlung des Geschichtsvereins angewandten Dreiperiodensystems: der Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Ein gedrucktes wissenschaftliches Katalogwerk für die von dem neuen nebenamtlichen Abteilungsvorstand verschmolzenen vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen, die in den folgenden Jahrzehnten umgruppiert, beträchtlich vermehrt und systematisch ausgebaut wurden, ist allerdings erst 1910 erschienen 17 ).

Infolge der räumlichen Vereinigung dieser Altertümer mit den bisher getrennt aufgestellten Kunstsammlungen des Großherzogs aber war das Museum am Alten Garten zu einem allgemeinen, also nicht landschaftlich begrenzten höfischen Kunst- und Kunstgewerbemuseum mit dem heimischen Einschlag der Sammlung vaterländischer Altertümer geworden.


16) So zuerst im Großherzoglich Mecklenburg - Schwerinschen Staatskalender 1838, S. 21.
17) Robert Beltz, Die vorgeschichtlichen Altertümer des Großherzogtums Mecklenburg - Schwerin. Vollständiges Verzeichnis der im Großherzoglichen Museum zu Schwerin bewahrten Funde. Schwerin i. M. 1910.
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Dazu war noch ein Münzkabinett unter gleichfalls gesonderter nebenamtlicher Verwaltung gekommen und in dem neuen Museum im unmittelbaren Anschluß an die Altertümer - Sammlung untergebracht. Es vereinigte in sich drei Sammlungen verschiedenen Ursprungs und Umfangs, deren eine Herzog Ludwig zu Mecklenburg (1725-1778) angelegt und zum Fideikommiß des regierenden Hauses bestimmt hatte. Diese Herzog - Ludwig - Sammlung wurde in Ludwigslust bewahrt und enthielt antike Münzen sowie mecklenburgische Münzen und Medaillen, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu erheben. Von ihnen überwies Großherzog Paul Friedrich im Jahre 1839 die antiken der Landesuniversität zu Rostock, die mecklenburgischen dem Großherzoglichen Archiv in Schwerin, das sich damals noch im alten Kollegiengebäude befand, aus dessen Brand 1865 mit dem Geheimen und Haupt - Archiv auch die Mecklenburgica - Sammlung gerettet wurde. Die zweite Sammlung, nämlich die Großherzogliche Allgemeine Münzsammlung, geht auf die Herzöge Christian II. Ludwig (1747 bis 1756) und Friedrich (1756 bis 1785), in der Hauptsache aber auf den Herzog und späteren Großherzog Friedrich Franz I. (1785-1837) zurück, umfaßt außerdeutsche europäische und deutsche Münzen und Medaillen, dazu mecklenburgische Münzfunde. Gleichfalls 1839 aus Ludwigslust nach Schwerin überführt, wurde sie hier bei der Sammlung mecklenburgischer Altertümer im Schloß, 1844 mit dieser im früheren Gebäude der Tierarzneischule Amtstraße 7 aufgestellt und mehrte sich wie die Großherzogliche Altertümersammlung durch eingelieferte Funde, Ankäufe und Überweisungen. Die dritte Sammlung, die Münzsammlung des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, endlich stellt einen Teil seines 1835 aufgestellten Sammlungsprogramms dar mit antiken Stücken, mecklenburgischen, in der Überzahl aber sonstigen Münzen und Medaillen, die in der Regel als Geschenk, ausnahmsweise auch durch Kauf zusammenkamen und innerhalb der Vereinssammlungen zunächst im Schweriner Schloß, sodann in der Amtstraße ihr Heim hatten.

Fand auch nach dem Tode des Großherzog Friedrich Franz II. insofern eine Eigentumsänderung statt, als ein Teil der Großherzoglichen Allgemeinen Münzsammlung letztwillig in das Privateigentum des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg überging, so wurde doch 1887 die Verschmelzung der bisher nur räumlich vereinten Sammlungsbestände Großherzoglichen Eigentums mit denen des Vereins für mecklenburgische

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Geschichte und Altertumskunde zu einer einheitlichen Sammlung durchgeführt. Hierzu trat 1900 durch einen Willensakt des Herzog - Regenten noch dessen inzwischen stark vermehrte Sonder - Sammlung, so daß die vollständige Vereinheitlichung unter Aufrechterhaltung der Rechte der drei Eigentümer erst damals geschaffen ward.

Die Museumserweiterung von 1901 durch einen Flügelanbau nach der Rückseite hatte nicht nur die sich immer mißlicher gestaltende Raumnot für den Zuwachs der Gemälde des 19. Jahrhunderts im Ober- und der keramischen Sammlung im Untergeschoß gemindert, sie hatte zugleich die Verlegung der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung aus dem Unter- in das Kellergeschoß, die des Münzkabinetts in das Obergeschoß des Museums zur Folge. Dafür sollte dann die Sammlung kirchlicher Altertümer mit mittelalterlichen heimischen Altarwerken, wie dem Neustädter Altar von 1435, dem Hochaltar des Schweriner Domes, dem Bülow - Altar aus Gadebusch, um nur die bedeutsamsten zu nennen, und dem Renaissance - Altar der Schloßkirche zu Schwerin aus den Kellerräumen in den darüberliegenden Saal des Untergeschosses verbracht werden. Die bisher von der Altertümersammlung eingenommenen übrigen Räume des Untergeschosses waren bereits für das Kunstgewerbe freigemacht worden, das sich bei seinem gutdotierten Sonderetat aus dem Großherzoglichen Industriefonds ständig mehrte, nicht zuletzt aber auch dank der umfangreichen Überweisungen aus den Schlössern zu Ludwigslust und zu Schwerin.

Der Gedanke einer besseren Unterbringung und Neuordnung der kirchlichen Altertümer und ihrer Lösung aus der verwaltungsmäßigen Gemeinschaft mit den vor- und frügeschichtlichen Bodenfunden mag Friedrich Schlie während seiner letzten und größten Arbeitsleistung, dem fünfbändigen Merk der "Kunst- und Geschichts - Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg - Schwerin" gekommen sein, der rastlos tätige Mann ist jedoch über den Plan hinweggestorben.

Wie das Großherzogliche Museum nach dem Willen seines fürstlichen Gründers wissenschaftlichen Zwecken dienen sollte, so verfolgte unter Friedrich Schlie die gesamte Museumsarbeit letztlich die Ziele eines wissenschaftlichen Institutes mit möglichst erleichterter selbständiger Benutzbarkeit; die Objekte selbst, die Aufstellung und die Darbietung der Sammlungen aber waren darüber zu kurz gekommen.

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Erst Dr. Ernst Steinmann, der Nachfolger Schlies seit dem Jahre 1903, hat dem von Hermann Willebrand mit Auffahrt, großer Freitreppe und antikisierender Säulenhalle in der Außen - Ansicht zu einem repräsentativen Schaustück gestalteten Hofmuseum mit pflegsamer Hand und diskreter Einfühlung in den gegebenen architektonischen Rahmen und die ihm anvertrauten Großherzoglichen Sammlungen nunmehr auch im Innern die der Schlieschen Aufstellung durchaus fehlende Folie internationaler Geschmackskultur gegeben.

Steinmann begann 1904 mit der Durchführung der bisher nur geplanten Neuaufstellung der kirchlichen Altertümer in dem nach ihnen benannten "Gotischen Saal". Unter erstmaliger Verwendung einer Stoffbespannung und naturfarben - eichener Wand- und Fensterumrahmungen diente die plastische Abteilung des damals neueröffneten Berliner Kaiser - Friedrich - Museums zum Vorbild.

Mit ungleich größerer Liebe folgte im Jahre darauf die Herrichtung des "Italienischen Saales" der Gemäldegalerie, wo, wiederum nach Berliner Muster, jedoch in freier Nachschöpfung, nicht lediglich ein Bildersaal, vielmehr eine Milieu - Stimmung, das "Prunkgemach eines vornehmen italienischen Kunstmäzens" mit Gemälden, Plastiken, Möbeln und Ausstattungsstücken hergerichtet werden sollte. So waren hier in lockerer Hängung nicht nur die Italiener und Spanier in einem Raum vereinigt, sie hatten teilweise auch eine neue geschmackvolle Rahmung erhalten und waren sogar durch eine Reihe glücklicher Neuerwerbungen ergänzt. "Es wurde aber" nach Ernst Steinmanns eigenen Worten "unter vielem Guten auch manches Minderwertige ausgestellt, und einige Bilder könnten im Depot verschwinden, ohne eine fühlbare Lücke zu hinterlassen."

Das nächste Jahr brachte im Trakt der Oberlichtsäle die Neuordnung des "Altdeutschen Saales", zu dessen Hauptschaustück der bereits 1905 erworbene "Tempziner Altar" ausersehen ward, mit den bedeutungsvollsten der Altarflügel aus mecklenburgischen Kirchen und dem Wenigen, was dem Museum an altdeutschen Werken verblieben war, Möbeln, Wandtäfelungen und Zinngerät. Dann kamen in den nächstfolgenden Jahren die drei Holländersäle an die Reihe mit des Museums größten Bilderschätzen unter wohlabgewogener, nach den Flügeln zu symmetrisch sich abstufender Tönung der Einzelräume als künstlerischem Mittel vornehm - feierlicher Ruhe und mit Fayencen,

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chinesischen Porzellanen und Truhen als Ausstattungsstücken. Endlich, in einem weiteren Jahre, ward der "Französische Saal" neugeordnet und dann kam das Ende der musealen Tätigkeit Ernst Steinmanns, die in der grundlegenden Ausstellung des Lebenswerkes des einst hochgefeierten, dann aber vergessenen mecklenburgischen Hofmalers Georg David Matthieu als eines deutschen Malers des Rokoko würdig ausklang 18 ).

Charakteristisch für die internationale Einstellung der Sammeltätigkeit Ernst Steinmanns aber ist, daß seine Ankäufe in beträchtlichem Umfange auf italienischem Boden gemacht worden sind. So verdankt Schwerin Steinmanns rasch zupackender Hand auch die Erwerbung der erstauftauchenden Funde der Frühkeramik von Orvieto, die kaum in einem anderen deutschen Museum in solcher Reichhaltigkeit anzutreffen sind wie in Schwerin. Doch darf nicht übersehen werden, daß schon während der Steinmannschen Verwaltung sich zugleich eine ganz leise, in der Schlieschen Periode nur erst im Unterbewußtsein mitschwingende Besinnung auf das Mecklenburgische angebahnt hat.

Das mecklenburgisch - höfische Museum.

Auch der dritte der Museumsdirektoren, Dr. Walter Josephi, war sich durchaus der Verpflichtungen bewußt, die sich aus der Verwaltung eines Hofmuseums ergaben. Dr. Josephi begann 1911 als gelernter Museumsmann, nachdem er kurz zuvor durch einen großen wissenschaftlichen Katalog 19 ) der damals noch jungen Beschäftigung mit der deutschen Plastik einen starken, sogar heute noch nachwirkenden Impuls gegeben hatte. Er wurde bald gewahr, daß nach den neuaufgestellten kirchlichen Altertümern und den wenigstens in den Oberlichtsälen neugeordneten Gemälden jetzt die kunstgewerblichen Sammlungen am dringendsten einer sichtenden Hand bedürften, zumal sie sich im Laufe von knapp drei Jahrzehnten zur zweitstärksten Sammlung des Museumsganzen entwickelt hatten, sich aber wie auch die Gemäldegalerie nicht mehr mit ihren Ankaufsmitteln auf dem internationalen Kunstmarkt zu behaupten vermochten. "Dadurch", so heißt es in der programmatischen Denkschrift des Museumsdirektors vom 16. Januar 1912 an


18) Vgl. Ernst Steinmann und Hans Witte, Georg David Matthieu. Ein deutscher Maler des Rokoko (1737-1778). Leipzig 1911.
19) Kataloge des Germanischen Nationalmuseums: Walter Josephi, Die Werke plastischer Kunst. Nürnberg, 1910.
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das Ministerium des Innern, "werden die Ziele der Großherzoglichen Museumsverwaltung von vorneherein in Schranken gebannt: speziell in der kunstgewerblichen Sammlung werden sich die Ankäufe auf die Abrundung des vorhandenen Materials (insbesondere bei der mustergültig angelegten keramischen Sammlung) und auf die Festhaltung aller Mecklenburgica und der noch im Lande vorhandenen guten kunstgewerblichen Erzeugnisse zu beschränken haben; daneben aber wird der Schwerpunkt darauf zu legen sein, daß das herrliche vorhandene Material in mustergültiger, belehrender Weise aufgestellt werde und daß bei diesen Aufstellungen der vornehme Charakter des Museums, der es vor den meisten ähnlichen Instituten auszeichnet und der ihm seine eigene Note giebt, besonders betont werde".

So wurden zunächst aus den überfüllten kunstgewerblichen Sammlungen die glänzendsten und wertvollsten Stücke, die Edelschmiedearbeiten und Elfenbeinschnitzereien, herausgehoben und im oberen Rundsaal des Museums zu einer Pretiosenschau, einer Schatzkammer des Fürstenhauses, vereint, um ihnen damit "eine museumstechnisch richtige, pädagogisch brauchbare und ästhetisch befriedigende Aufstellung zu geben." Und siehe da, selbst in dieser Auslese von Kostbarkeiten aller Art machte sich sogar der bäuerliche und vornehm städtische Schmuck gar nicht übel, prunkten die Glanzstücke der Willkomme mecklenburgischer Zünfte!

Ein Glückszufall kam den weiteren heimisch - höfischen Bestrebungen des Museumsdirektors entgegen. Fand er doch bei der Durchstöberung des Alexandrinen - Palais in Schwerin 1913 den gesamten Privatschmuck und persönliches Gebrauchsgerät der Königin Luise, und alles durfte dank der Freigebigkeit des Großherzogs Friedrich Franz IV. dem Museum verbleiben!

Außer den Zuweisungen aus den Schlössern wurde es aber immer schwieriger, für die Sammlungen des Hofes qualifiziertes Kunstgewerbe zu beschaffen. Hier beschränkte sich Professor Dr. Josephi auf das Mögliche, nutzte die Gelegenheiten und baute mit glücklicher Hand die damals nur geringen Bestände geschnittener, geätzter und bemalter Gläser zu einer abgerundeten Sammlung auf, da die Preise für Gläser noch eben erschwinglich waren.

Im Laufe seiner Museumsarbeiten aber ward sich der Museumsdirektor mehr und mehr bewußt, daß seine sammlerischen Bemühungen in erster Linie der Rettung heimi-

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schen Kunst- und Kulturgutes zu gelten hätten. Die erste Auswirkung (1912) war sein Antrag an das Ministerium, die volkskundlichen Sammlungen des Heimatforschers Professor Dr. Wossidlo in Waren zu einem namhaften Preise anzukaufen, ganz ohne Rücksicht darauf, daß jede Möglichkeit einer Aufstellung der Sammlung und ihrer Einordnung in den Museumsorganismus fehlte und in absehbarer Zeit auch schwerlich durchgeführt werden konnte.

Denn vor allem brauchten die überfüllten Museumsräume Luft, und wenn auch bereits Steinmann damit begonnen hatte, die von Schlie magazinierten ethnographischen und naturwissenschaftlichen Gegenstände nach Rostock zu verkaufen, so hatte diese Maßnahme dem Untergeschoß doch keine nennenswerte Entlastung gebracht. Die Abhilfe mußte vielmehr an anderer Stelle erfolgen.

Professor Dr. Josephi war einer der ersten in Deutschland, der "die zerstörende Wirkung der Gipsabgüsse, die das tiefste Mißverstehen des Künstlerischen zur Folge haben mußte, weil durch sie jedes Gefühl für die Echtheit des Bildstoffes und für die Rolle, die er bei der Entstehung des Kunstwerkes spielt, abgetötet wird" 20 ), in ihren Folgerungen erkannte. Es gelang ihm, den Großherzoglichen Museumsherrn zu einer Schenkung der Antiken - Sammlung von Gipsabgüssen an die Universität Rostock zu veranlassen, und er hatte die Freude zu sehen, daß fast gleichzeitig sich auch in Berlin der Übergang der Gipsabgüsse nach der Antike aus dem Museum an die Lehrsammlungen der Universität vollzog. Da die Ausführung sich über die Zeit der Staatsumwälzung von 1918 hinzog, so stand damals eine ganze Flucht leerer Räume zur Verfügung, um den Plan einer eigenen Abteilung mecklenburgischer Künstler zur Ausführung zu bringen.

Als schlimmsten Mangel sah aber der beruflich geschulte Museumsdirektor das Fehlen einer inneren Verwaltung an, und wenn in einem heute kaum begreiflichen Arbeitsaufwand diese im Zeitraum von sieben Jahren geschaffen wurde, so wurde dadurch doch der Museumsorganismus so fest gefugt, daß er den weitgehenden Ansprüchen, die die Staatsumwälzung von 1918 mit sich bringen mußte, voll gewachsen war.


20) Max Sauerlandt, Die deutschen Museen und die deutsche Gegenwartskunst, in "Drei Betrachtungen zur Stellung der Kunst in unserer Zeit", Hamburg (1929), S. 34.
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Die kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen des Staates.

Was ein Jahrzehnt vorher unmöglich gewesen wäre: die Aussonderung des Eigentums des ehemaligen Landesherrn aus dem unkatalogisierten Museum und gar seine Bewertung, vollzog sich dank der jetzt vorliegenden ordnungsmäßigen Zettel - Katalogisierungen reibungslos und ohne Schwierigkeiten.

Das Kernproblem nach den politischen Umwälzungen war, dem entwurzelten höfischen Museum bei seiner Umwandlung in Landessammlungen 21 ) eine den neuen Verhältnissen angepaßte neue Lebensmöglichkeit zu geben; und dabei mußte die erste Aufgabe sein, die Bestände zu sieben und zu sichten.

Rasch folgten also den Gipsabgüssen die Gemälde - Kopien, so daß nunmehr das Museum zu einer Sammlung von Originalwerken im modernen Sinne geworden war, und als es gar gelang, durch die Überführung der reichen kunstgewerblichen Sammlungen und des Münzkabinetts in das Schloß ein Schloßmuseum 22 ) zu schaffen, war der Weg gebahnt, die Schweriner Museen zu Instituten umzugestalten, die ästhetisch und museal zu den besten ihrer Art gehören 23 ).

Eine wesentliche Bereicherung waren die vom Großherzog bereitwilligst zur Verfügung gestellten außerordentlich umfangreichen und kostbaren - später vom Staat auf dem Tauschwege erworbenen - Leihgaben. Vor allem aber erfuhr die von Anfang an von der Museumsleitung befolgte klare Linie der Hervorhebung des Mecklenburgischen durch die äußeren Ereignisse eine starke Förderung. Aus dem Arsenal zu Schwerin wurde die bisher von einer eigenen Großherzoglichen Kommission verwaltete militärische Sammlung der Ruhmeshalle, "deren Aufstellung aber trotz des seit 1913 dafür erwachten Interesses keine sehr sachgemäße war" 24 ), überführt, zu einer rein Mecklenburgischen Militär - Abteilung umgestaltet und in dieser strikten Beschränkung ausgebaut, so daß sie, als Pfleg-


21) Vgl. Josephi, Der Kunstbesitz der deutschen Fürsten, V. Die Kunstschätze des Großherzogs von Mecklenburg - Schwerin, in "Der Cicerone", hrsg. von Georg Biermann, Jahrg. XII, Leipzig 1920, S. 27 ff.
22) Vgl. W. Josephi, Das Schweriner Schloßmuseum, in Museumskunde", hrsg. von Karl Koetschau, Bd. XVII, Berlin und Leipzig 1924, S. 1 ff.
23) Vgl. H. Reifferscheid, Mecklenburgs kunst- und kulturgeschichtliche Museen, in "Mecklenburg". Ein Heimatbuch. Hrsg. von Otto Schmidt, Wismar 1925, S. 296 ff.
24) Wilhelm Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin. Von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. II, Schwerin i. M. 1920, S. 585.
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stätte der Tradition, in ihrer Gliederung nach Regimentern einen klaren und eindrucksvollen Überblick über Mecklenburgs Anteil am deutschen Heerwesen gewährt. Hinzu kam endlich die ohne finanzielle Belastung gegebene Möglichkeit, die mecklenburgischen Hof- und Staatsuniformen systematisch in mehr als einem halben Hundert zu sammeln und somit ein lebensvolles Bild des höfisch - gesellschaftlichen Lebens darzustellen. Aber, trotz aller dieser in reichem Maße zuströmenden Sammlungsstücke fehlte es doch fast völlig an Mitteln, die Hauptaufgabe eines Landesmuseums auszuführen, nämlich die immer zahlreicher von den verarmenden Familien angebotenen, oft durch Generationen sorgsam gehüteten Besitztümer zu erwerben und damit vor der Abwanderung zu retten.

Denn auch über den Museen schwang die deutsche Not der Nachkriegszeit ihre Geißel: deutsches Kunstgut, scheinbar gesichert für alle Zeiten, mußte auf Wanderschaft gehen. Der Welfenschatz Heinrich des Löwen zog über den Ozean und wie er wanderten unersetzliche Schätze des an Kleinodien so reichen Museums von Sigmaringen ab. Jahre hindurch bildeten die Wettiner Kupferstichbestände einen Hauptbestandteil des internationalen Kunstmarktes. Wohl kein deutsches Museum blieb von dem Elend der Geldnot verschont; damit aber tauchte überall das Bestreben auf, durch Abstoßung von Entbehrlichem sich wenigstens für die Hauptaufgaben leistungsfähig zu erhalten.

Mehr als die andern durchweg weit besser gestellten Sammlungen waren die mecklenburgischen Staatsmuseen sammlerisch leistungsunfähig geworden. Daher berichtete die Museumsverwaltung unter dem 19. Mai 1926 dem Ministerium, daß sie infolge der geringfügigen (und in der Folgezeit ganz aufgehobenen) Ankaufsmittel "die Hauptaufgabe einer jeden staatlichen Altertumssammlung, die Altertümer des Landes zu retten und zu bergen, als unerfüllbar ablehnen müsse", sofern nicht durch Verkäufe an einer möglichst erträglichen Stelle Mittel für die Rettung der immer stärker abwandernden heimatlichen Altertümer, daneben vielleicht auch noch für den Ankauf mecklenburgischer Kunstwerke beschafft würden.

Das Ministerium genehmigte die beabsichtigten Rettungsmaßnahmen und stimmte dem vorgeschlagenen Verkauf von fremdländischer Graphik zu unter der weiteren Zielsetzung "namentlich zur Ergänzung und Fortführung der Galerie deutscher und insbesondere mecklenburgischer Künstler". Infolge eines besonders glücklichen Zusammentreffens inter-

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national - wirtschaftlicher Ereignisse betrug das finanzielle Ergebnis fast 150 % der schon sehr hoch angesetzten Taxen für diese bisher nur magazinierten und daher der Öffentlichkeit völlig unbekannten graphischen Bestände, und so wurde es möglich, endlich auch eine Darstellung der Entwicklung der großen deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts durch markante Proben anzubahnen, wie auch den verschiedenen mecklenburgischen Abteilungen frisches Blut zuzuführen.


Seit dem Jahre 1921 teilte sich der Museumsorganismus in das Schloßmuseum und in das Museum am Alten Garten, beide offiziell in dem Namen "Mecklenburg - Schwerinsches Landesmuseum" zusammengefaßt.

Das Schloßmuseum 25 ), in den historischen Bauten des stolzen Residenzschlosses untergebracht, wurde nach modernen musealen Grundsätzen aufgebaut und hat sich streng aus den Gegebenheiten entwickelt. Gegeben war einmal die herrliche Lage des Schlosses auf der Insel im See: ihre planmäßige Einbeziehung in das Schauprogramm bedeutet einen Hauptvorzug vor den übrigen deutschen Museen. Gegeben waren weiter die Prunkräume und endlich ausgeräumte Zimmerfluchten, in denen die reichen kunstgewerblichen Sammlungen unter kritischer Auslese der Qualitätsstücke zur Schau gebracht wurden. Die Folge der zwanglosen Anordnung ist eine jedem Besucher auffallende Harmonie zwischen Inhalt und Umgebung.

Nicht nur Ausgangs-, sondern auch Kernpunkt der weitläufigen Museumsanlage sind die aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stammenden Prunkräume des Schlosses geworden: aus ihnen ergibt sich, um sie gruppiert sich alles übrige. So dient das Hauptgeschoß, die "Fest - Etage", der Darstellung fürstlicher Kultur im besonderen, unter Einschaltung der mecklenburgischen Münzen- und Medaillensammlung. Das Untergeschoß dagegen hat in der Hauptsache die kunstgewerblichen Fachsammlungen aufgenommen mit der ganz hervorragenden Sammlung Altmeißener Porzellane. Aber ihren Höhepunkt erreichen die Sammlungen des Schloßmuseums in der 1923 der Allgemeinheit erschlossenen Großen Hofdornitz, der glücklichsten Raumschöpfung niederdeutscher Renaissance - Baukunst, mit ihren ganz ungewöhnlich kostbaren Jagdwaffen, Jagdgeräten und Jagdtrophäen heimischer Herkunft.


25) Vgl. Führer durch das Mecklenburgische Landesmuseum in Schwerin. W. Josephi: Die Sammlungen und die Prunkräume des Schloßmuseums, 3. erweiterte Auflage, Schwerin i. M. (1925).
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In der stattlichen Flucht der Königszimmer, der prächtigsten Gasträume des Schlosses, und der anschließenden Elisabethzimmer ist die Mecklenburgische Militär - Abteilung untergebracht (1925), des weiteren, gefördert durch die Oberpostdirektion Schwerin, eine Sammlung "Mecklenburgisches Verkehrswesen" (1928), in den Hessischen Kammern darüber die Sammlung mecklenburgischer Hof- und Staatsuniformen (1932).

Mit der Einrichtung des Schloßmuseums war nun auch die Bahn frei geworden für die bereits 1922 erfolgte Neuorganisierung des Museums am Alten Garten 26 ).

Im Untergeschoß ist die aus den internationalen kunstgewerblichen Sammlungen gelöste Mecklenburgische Abteilung aufgestellt, hier finden sich die kirchlichen und weltlichen Altertümer des Mittelalters und der Folgezeiten, daran anschließend die vor- und frügeschichtlichen Bodenfunde, deren Neuaufstellung allerdings noch bevorsteht.

Eine Ergänzung bildet, gleichfalls seit 1922, die Abteilung mecklenburgischer Künstler, beginnend mit den Hofkünstlern des 18. Jahrhunderts und endend mit der Gegenwart.

Im Obergeschoß hat die kostbare Gemäldesammlung durch übersichtlich - lockere Hängung unter Ausscheidung alles Entbehrlichen und Nichtvollwertigen Licht und Luft bekommen und bringt die holländischen Meister der Glanzzeit noch eindringlicher als bisher in Erscheinung. Der Gemäldegalerie ist das Kupferstichkabinett unmittelbar angeschlossen.

Diese Neuordnung stellt sich als eine folgerichtige und zeitgemäße Fortführung jener von Steinmann begonnenen älteren dar, mit dem Ziele, dem sorgenzerrissenen, unruhvollen Alltage eine Weihestätte ungetrübter Freude, unbeeinträchtigten Genusses und unaufdringlicher Belehrung zu bieten.

Im Vergleich mit dem früheren Großherzoglichen Hofmuseum ist während der Amtszeit des gegenwärtigen Museumsdirektors das heutige Mecklenburgische Landesmuseum ein Vielfaches geworden. Trotz ihrer augenfälligen Einseitigkeit und trotz äußerster finanzieller Beschränkung sind doch die beiden unter dem Namen Landesmuseum vereinten Institute zu Museen herangewachsen, die als Qualitätsmuseen ausgesprochen künstlerischer Museumskultur sich einer geradezu großstädtisch anmutenden Besucherzahl erfreuen. Dabei bilden


26) Vgl. Führer durch das Mecklenburgische Landesmuseum in Schwerin. Die Sammlungen im Museum am Alten Garten. Hrsg. von der Museums - Verwaltung. Schwerin 1922.
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Museum am Alten Garten und Schloßmuseum trotz ihrer räumlichen Trennung noch immer eine Einheit, ein in sich abgeschlossenes Ganzes, sie sind und bleiben die zentrale Kulturstätte der jetzt wieder vereinten mecklenburgischen Lande.

 

Gleich einem Sturmwind brauste die nationale Erhebung von 1933 auch durch die deutschen Kunstsammlungen, unterschiedslos alles vor sich herwirbelnd, was an Undeutschem, Dekadentem und Schlüpfrigem die Nachkriegszeit dem deutschen Volke als Kunst vorzusetzen gewagt hatte. In den Schweriner Staatsmuseen war aber nichts zu säubern: gesunde Kritik und ein hohes Verantwortlichkeitsgesühl der Nachwelt gegenüber hatte davor bewahrt, um eines billigen Augenblickserfolges willen "modern" sein zu wollen; der Vorwurf der Rückständigkeit ließ sich ertragen, da doch noch wieder eine Zeit kommen mußte, die Entartetes als entartet erkennen würde. So dienten die vornehmen Schauräume ausnahmslos wirklicher Kunst, dazu mit einer Fülle heimischen Gutes aus unserer Altvorderen Erbe ausgestattet, dessen Rettung unter allerschwierigsten Verhältnissen dauernd einen Ruhmestitel der Schweriner Museen darstellen wird.

Der Sinn der beiden Schweriner Museen, wie sie heute dastehen, ergibt sich aufs klarste aus einer Stellungnahme des Museumsdirektors Professor Dr. Josephi aus Anlaß der nach der Staatsumwälzung von 1918 zu erwartenden Umwälzungen:

"Die Zeiten des internationalen Hofmuseums sind vorbei, für ein Land wie Mecklenburg auch die Zeiten internationalen Sammelns; ein Heimatmuseum können wir nicht werden, denn die Wurzeln der höfischen Vergangenheit sind überstark und die Blüten so reich und schön, daß dieser stolze Baum stets der Mittelpunkt des Ganzen bleiben wird. Wir müssen uns besinnen, daß wir Deutsche und daß wir Mecklenburger sind: in der sammlerischen Auswertung dieser Erkenntnis, und vor allem der letzteren, liegt nach meiner Überzeugung die Zukunft eines Mecklenburgischen Landesmuseums."

Vignette
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Die Herzogliche Gemäldegalerie im Schlosse zu Schwerin.
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Michael Dahl d. Ä.: Herzog Christian II. Ludwig.
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Aus der Herzoglichen Gemäldegalerie im Schlosse zu Schwerin.
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