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1. Die Gründung der Stadt Neustadt-Glewe 178 ).

In dem Namen Neustadt-Glewe ist die Gründungsgeschichte dieser Stadt, die um 1248 zuerst genannt wird, enthalten 179 ).


178) Vgl. Porepp, Die Stadt Neustadt in Mecklenburg. Zweite Auflage 1893; Schlie, Deenkmäler III, S. 276 ff.; Bachmann a. a. O. S. 426; über "Neustadt" vgl. Zeitschrift Heimat, Jahrg. 6 (1912 - 13).
179) M.U.B. I, 612, 718.
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Das Wort Glewe ist slawisch und bezeichnet wahrscheinlich ein wendisches Dorf, das vor der deutschen Kolonisation schon in der Nähe von Neustadt bestand, aber nur geringe Bedeutung hatte, denn der Mittelpunkt des umgebenden Landes war nicht Glewe, sondern Brenz, ein Dorf, das noch heute bei Neustadt liegt und in dessen Nähe ein wendischer Burgwall erhalten ist 180 ). Wo wir Glewe zu suchen haben, ist nicht sicher zu bestimmen. Vielleicht neben der heutigen Stadt unmittelbar an der Edle; denn nach einem Bericht vom Jahre 1576 181 ) gab es hier eine Siedlung mit dem Namen "Kietz" (wendische Fischeransiedlung). Es ist aber auch möglich, daß Glewe in weiterer Entfernung von der Burg und der heutigen Stadt "über den Eldengraben und Strom" hinweg gelegen hat. Hier gibt es eine Stelle, die die Flurbezeichnung "auf der alten Stadt" führt und auf der einst Neustadt gestanden haben soll.

Während in dem heutigen Neustadt-Glewer Stadtnamen das Wort Glewe also an das slawische Siedlungselement erinnert, kommt in dem ganzen Wort Neustadt-Glewe der Siedlungsvorgang zum Ausdruck, der während der deutschen Kolonisationsbewegung zur Gründung der heutigen Stadt führte. Dieser Vorgang ist vielleicht nicht so einfach gewesen, wie man ihn sich bisher vorgestellt hat 182 ). Man dachte sich ihn in der Weise, daß die Grafen von Schwerin sich zunächst, da sie die günstige Lage von Glewe an dem südlichen Ende ihrer Grafschaft erkannten, hier an der Elde eine Burg erbauten und dann neben der Burg und dem Wendendorf Glewe eine Stadt gründeten.

Ob tatsächlich die Burg 183 ) vor der Stadtgründung bestanden hat, läßt sich urkundlich nicht mehr feststellen. Da aber die Neustädter Burg an der Südgrenze der Grafschaft für den Grafen sicherlich ein militärisch wichtiger Punkt war, ist die Annahme, daß sie vor der Stadtgründung bestand, nicht unberechtigt.

Wie es aber zur Gründung der "Nova Civitas Chlewa" kam, bedarf noch einer näheren Untersuchung. Zu dem Zweck prüfen wir zunächst einen Bericht über Neustadt aus dem Jahre 1576, der von dem damaligen herzoglichen Mathematiker


180) Vgl. Lisch, Der Burgwall von Brenz, M.J.B. 18, 276 - 79.
181) Bericht des Mathematikers Tilemann Stella vom 8. Februar 1576 (Schlie a. a. O. III S. 277 Anm. 2).
182) Vgl. Schlie III, S. 276 ff.
183) M.U.B. XIV, 8371/72.
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Tilemann Stella herrührt. Tilemann schreibt unter dem 8. Februar 1576 über Neustadt: "Neustadt ist vorzeiten Glewen genannt worden, imo Gneven. Diß Gnewe ist aber an diesem ort, do die statt itzunder liegt, vorzeiten nit gewesen, sondern an dem ort, do es noch itzunder auff der alten statt genant wird, liegt hinter dem Stadtvogt hinwegk und auch zum teil uber den Eldengraben und Strom." Dann fügt Tilemanns Bericht das unmittelbar südwestlich vor dem Tor gelegene wendische Fischerdorf Kietz hinzu: "Kitze, 14 Fischerkerle." Man hat diesen Bericht bisher in dem Sinne gedeutet, daß er die Gründung von Neustadt neben dem Wendendorf Glewe aussagte. Gesagt ist dies jedoch von Tilemann, wenn wir wörtlich interpretieren, nicht. Denn dieser berichtet doch, daß Neustadt einst Glewe genannt worden ist und zu dieser Zeit auf dem Platz gelegen habe, der die Bezeichnung "auf der alten Stadt" führte. Daraus geht hervor, daß Glewe an einer andern Stelle als die heutige Stadt gelegen hat. Aber wir sind nicht berechtigt, das Wort Glewe in Tilemanns Bericht ohne weiteres als eine Bezeichnung für das frühere wendische Dorf Glewe aufzufassen, wie man es bisher getan hat.

Tilemann könnte mit dem Wort Glewe auch ein Dorf gemeint haben, das seine Entstehung der deutschen Kolonisation verdankte und seinen Namen von dem in seiner Nähe gelegenen Wendendorf hernahm. Wir halten es nämlich für unwahrscheinlich, daß mit dem Flurnamen "auf der alten Stadt" die Lage des untergegangenen Wendendorfs Glewe bezeichnet wird. Man würde dafür viel eher den einfachen Namen Glewe erwarten. Außerdem gibt uns auch Tilemann selbst, wenn wir die alte Stadt nicht als das slawische Glewe gelten lassen wollen, ein Wendendorf in unmittelbarer Nähe Neustadts,den Kietz, an. In dieser Wendenansiedlung, die noch im 16. Jahrhundert bestand, haben wir dann die Reste des wendischen Dorfes Glewe zu suchen. Von diesem slavischen Dorf aber ist die alte Stadt in Tilemanns Bericht klar unterschieden.

Wir können also sagen, daß der Name Neustadt-Glewe nicht unbedingt die Anlage der Stadt neben dem Wendendorf Glewe ausdrückt. Es ist auch möglich, daß der Name an die Gründung Neustadts neben einem deutschen Dorf Glewe erinnert. Zum Unterschiede von diesem deutschen Dorf Glewe, das in der Kolonisationszeit neben dem Wendendorf Glewe angelegt wurde, erhielt die dritte Siedlung den Namen Neustadt.

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Es erübrigt noch, die Frage zu beantworten, ob Neustadt-Glewe eine Stadtgründung aus frischer Wurzel war oder ob es aus einem Dorf hervorgegangen ist. Wahrscheinlich war es vorher ein Dorf. Der Grundriß der Stadt zeigt im wesentlichen nur eine lange, in ihrem Lauf noch dazu gekrümmte Straße, an der auf der einen Seite die Kirche, auf der andern der Marktplatz liegt, und die sich an der Burg vorbeizieht 184 ). Sollte man sich zu einer Zeit, wo man auch in Mecklenburg den Kolonisationsstadtplan in seiner Vollendung bereits kannte 185 ), mit einer derart einfachen Anlage begnügt haben? Immerhin läßt der rechteckige, fast quadratische Marktplatz eine sichere Beurteilung der Entstehung des Stadtgrundrisses von Neustadt nicht zu. Man könnte wegen der regelmäßigen Form des Marktplatzes auch versucht sein, Neustadt für eine Gründung aus frischer Wurzel zu erklären. Wenn wir aber annehmen, daß Neustadt-Glewe zuerst als Dorf angelegt wurde, müssen wir selbstverständlich auch vermuten, daß die anzunehmende alte deutsche Ansiedlung Glewe ein Dorf gewesen ist, da ja Neustadt-Glewe später als Glewe entstanden ist. Vertraut man der Beschreibung, die Tilemann Stella von der Lage Glewes, der "alten Stadt", macht, so scheint dieser Ort zu einem Teil schon "über den Eldengraben und Strom hinweg" sich erstreckt zu haben. Danach hätte dann Glewe in weiterer Entfernung von der Burg der Grafen von Schwerin gelegen als Neustadt-Glewe, das sich unmittelbar am Fuße dieser Burg hinzieht. Es ist nach dieser Lage der beiden Siedlungen wahrscheinlich, daß die anzunehmende deutsche Siedlung Glewe schon vorhanden war, als die Burg angelegt wurde, dagegen Neustadt-Glewe erst zugleich mit dem Burgenbau entstand.


184) Stadtkarte von Neustadt aus dem Jahre 1711 (Schweriner Geh. und Haupt-Archiv, Schrank "Saal Urk.Schr.", Nr. 24).
185) Vgl. Ribnitz, Gnoien, Neukalen, Malchin, Parchim.