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1. Die Gründung der Stadt Ratzeburg 67 ).

Die Stadt Ratzeburg liegt auf einer Insel mitten im Ratzeburger See auf der Grenze von Mecklenburg und Lauen-


67) Vgl. L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 1910; M. Schmidt, Beschreibung und Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 1882; Haupt-Weysser, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Kreise Herzogtum Lauenburg, Ratzeburg 1890 (siehe "Ratzeburg").
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burg. Der größte Teil der Stadt gehört heute zu Preußen, nur der Dom und das Gebiet, das diesen unmittelbar umgibt, gehören zu Mecklenburg.

Die Stadt Ratzeburg wurde im 13. Jahrhundert gegründet für das Jahr 1285 kann man ihr Vorhandensein einwandfrei feststellen 68 ). Man hat allerdings angenommen, daß sie schon am Ende des 12. Jahrhunderts bestanden habe 69 ), wobei man sich auf die Angaben der Chronik Arnolds von Lübeck stützt 70 ). Aber dieser Chronist redet an den in Betracht kommenden Stellen immer nur von einer Burg (castrum) und nie von einer Stadt Ratzeburg. Hätte Ratzeburg damals schon als Stadt bestanden, dann würde Arnold von Lübeck den Ausdruck "civitas" gebraucht haben, den er an derselben Stelle seiner Chronik für die Stadt Lübeck anwendet. Ebenso ist 1225 gelegentlich der Belagerung Ratzeburgs durch den Grafen von Schwerin und die Bürger der Stadt Lübeck nur von einer Burg und nicht von einer Stadt Ratzeburg die Rede. Noch für das Jahr 1230 ist uns bezeugt, daß auf der Insel eine Stadt nicht gegründet war 71 ). Die zeitlich nächste Nachricht stammt aus dem Jahre 1261 72 ) und ist in einer Urkunde enthalten, die in der "urbs" Ratzeburg ausgestellt wurde. Aus der Anwendung des Wortes "urbs" hat man auf ein Bestehen der Stadt Ratzeburg schließen zu können geglaubt. Aber das Wort "urbs" 73 ) kann auch die Bedeutung Burg haben. Es ist sogar wahrscheinlich, daß es an unserer Stelle Burg


68) M.U.B. III,1816.
69) Meyer, M.J.B. Bd. 76, S. 42/43 und 63; P. I. Meier, Die Münz- und Städtepolitik Heinrichs des Löwen (Niedersächsische J.B. Bd. 2, 1925, S. 133) ohne Beweise!
70) Arnoldi Chronica Slavorum VI cap. 13 "Castrum Razesburg".
71) M.U.B. I, 314 "ad obsidionem castri Raceburch"; über den geschichtlichen Zusammenhang vgl. Witte a. a. O. Bd. I S. 155. Das Ratzeburger Zehntenregister (M.U.B. I, 375) erwähnt geradezu das Dorf, aus dem die spätere Stadt hervorging (borchvelt Raceburg).
72) M.U.B. II, 916 und 928 "in urbe Raceburg". Es ist auffällig, daß beide Urkunden "per manus Engelberti notarii curie nostre" ausgefertigt sind. Die bestimmte Bezeichnung "in urbe Raceburg" ist vielleicht eine Eigenheit dieses Notars gewesen. Es heißt sonst meistens einfach "Raceburg".
73) Die Bedeutung von "Stadt" hat urbs in mecklenburgischen Urkunden nach meiner Beobachtung überhaupt nicht.
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bedeutet, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Aussteller der in der "urbs" Ratzeburg ausgefertigten Urkunde der Herzog war, dessen eigentlicher Aufenthaltsort die Burg war. Danach erscheint es wahrscheinlicher, daß 1261 mit dem Worte "urbs" die Burg gemeint war und nicht die Stadt, die uns erst 1285 ganz sicher bezeugt ist 74 ); denn im Jahre 1285 werden uns die Ratmänner der Stadt Ratzeburg genannt. Eine Stadt Ratzeburg kann daher erst zwischen 1261 und 1285 entstanden sein.

In der Zeit, als die Slawen jene Gebiete beherrschten, die ihnen später, vor allem im 13. Jahrhundert, durch die deutsche Kolonisationsbewegung entrissen wurden, war Ratzeburg bereits ein wichtiger Ort. Der wendische Volksstamm der Polaben, der ungefähr das Gebiet der späteren Grafschaft Ratzeburg beherrschte, baute auf einer Insel im Ratzeburger See eine Burg, die den Namen Ratzeburg erhielt. Diese Burginsel liegt dicht bei der Insel, auf der später die Stadt angelegt wurde. Wahrscheinlich waren die beiden Inseln, wie in späterer Zeit, auch schon damals durch einen Damm verbunden. Die Burg war die Hauptburg der Polaben. Da die "Ratzeburg" demnach damals eine erhebliche Bedeutung hatte, ist es wahrscheinlich, daß in der polabischen Zeit schon eine dörfliche Ansiedlung in ihrer Nähe bestand.

Bis zu Anfang des 12. Jahrhunderts behaupteten die Polaben sich in Ratzeburg in ihrer Macht, um dann der deutschen Gewalt zu weichen 75 ). Zu großer Bedeutung für das Deutschtum gelangte die Ratzeburg, als 1142 Heinrich von Badewiede nach einem Kampf mit Adolf von Schauenburg, der schon seit 1110 im Land der Wagrier (Holstein) als Grenzgraf tätig war, durch Vermittlung Heinrichs des Löwen und seiner Räte Ratzeburg und das Land der Polaben (Racesburg et terram Polaborum) als eine selbständige Grafschaft empfing 76 ). Die wendische Burg wurde mit deutschen Rittern


74) M.U.B. III, 1816.
75) M.U.B. I, 59 und Adam von Bremen III, cap. 18. Die Urkunde von 1062 (M.U.B. I, 27), in der Heinrich IV. die Burg Ratzeburg und alles, was dazu gehörte, an Herzog Otto von Sachsen verlieh, ist wahrscheinlich unecht. Vgl. dazu Hofmeister, Die Wehranlagen Nordalbingiens, Heft 2.
76) Helmold, Chronica Slavorum I cap. 56. Die Bezeichnung "Graf" führt Heinrich zum erstenmal 1146 (M.U.B. I, 42).
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besetzt 77 ). Von nun an konnte der Zuzug deutscher Kolonisten ungehindert einsetzen und unter dem Schutze der Ratzeburger Grafen die deutsche Kolonisation auch in dieser Gegend beginnen. Die Ratzeburg war gewissermaßen das Einfalltor der deutschen Kolonisation nach Mecklenburg geworden.

Die Bedeutung dieses Ortes ist wesentlich noch dadurch gehoben worden, daß er schon 1060 zum Sitz eines Bistums bestimmt wurde. Vielleicht gelang es nicht sogleich, das Bistum zu errichten 78 ); aber ein Kloster hat schon zu dieser Zeit in Ratzeburg bestanden 79 ). Jedoch ließ der Wendenaufstand von 1066 die Ausbreitung des Christentums, das damals bei den Wenden Aufnahme fand, wieder zum Stillstand kommen, und auch bei Ratzeburg wurde alles neu Entstandene wieder zerstört. Erst 1144, "nachdem unter Duldung Gottes wegen der Sünden der Menschen das Christentum im Slawenland ausgerottet war" 80 ), wurde zusammen mit Oldenburg (später Lübeck) und Mecklenburg (später Schwerin) das Ratzeburger Bistum von Erzbischof Hartwig von Hamburg erneuert. Aus politischen Gründen erhielt das Bistum erst 1154 seinen Bischof 81 ). Außerdem hat wahrscheinlich schon vor der Erneuerung des Bistum wieder ein Kloster in Ratzeburg bestanden 82 ).

Als Folge der deutschen Kolonisation entstand zunächst bei der deutschen Burg Ratzeburg ein Dorf, das auch mit dem Namen Ratzeburg bezeichnet wurde. Diese Tatsache erkennen wir aus der Bezeichnung, die die Kirche in diesem Dorfe führt. Sie heißt "ecclesia sancti Georgii in Raceburg" 83 ). Erst als die heutige Stadt Ratzeburg gegründet wurde, wird dieselbe Kirche die "ecclesia sancti Georgii apud Raceburg" 84 ) genannt, und das bisherige Dorf Ratzeburg erhielt nach dem


77) Hellwig (Chronik S. 2) vermutet, daß die deutsche Burg zuerst am Ufer des Ratzeburger Sees gestanden hat. Diese Vermutung ist unwahrscheinlich. Man hat genügend Beispiele, daß die Deutschen auch die alten wendischen Burgstätten für ihre Burgen benutzten.
78) Vgl. Hauck, Kirchengeschichte III, S. 656/57. Adam von Bremen III, cap. 20 berichtet die Einsetzung des Bischofs.
79) Adam von Bremen III, cap. 19.
80) M.U.B. I, 49 und Helmold I, cap. 69 haben denselben Text.
81) Helmold I, cap. 77.
82) M.U.B. I, 62; vgl. Schmaltz, M.J.B. Bd. 72, S. 117.
83) M.U.B. I, 65.
84) M.U.B. VIII, 5613.
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Namen seiner Kirche die Bezeichnung "Georgsberg". Georgsberg ist noch heute unter diesem Namen erhalten. Das Dorf liegt am Ufer des Ratzeburger Sees neben der Stadt. Auch die St. Georgskirche besteht noch heute. Sie gilt für die älteste des Ratzeburger Bistums überhaupt 85 ) und ist wahrscheinlich die Kirche des Ratzeburger Klosters gewesen, dessen Gründung bereits erwähnt wurde.

Getrennt von diesem Dorf Georgsberg entstand auf einer Insel im Ratzeburger See neben der Burginsel eine andere Ansiedlung, die uns zuerst im Jahre 1230 genannt wird 86 ), wahrscheinlich jedoch schon vorher bestanden hat. Denn die Besiedlung der Insel beginnt bereits im Jahre 1158 mit der Verleihung eines Wohnsitzes an den Bischof 87 ). Vor dem Jahre 1158 war die Insel allerdings, wie uns ausdrücklich bezeugt wird, noch unbewohnt, aber von diesem Zeitpunkt an ist auch die Entwicklung der Ansiedlung auf der Insel denkbar, die uns im Jahre 1230 als "Burgfeld Ratzeburg" genannt wird. Das Burgfeld war wahrscheinlich ein Dorf 88 ) und lag auf der Insel an der Stelle, wo heute die Stadt liegt. Um dies zu beweisen, betrachten wir die Angabe des Ratzeburger Zehntenregisters über das "borchfeld". Diese lautet folgendermaßen: Vom Burgfeld Ratzeburg gehört der halbe Zehnte dem Bischof 89 ). Da nicht anzunehmen ist, daß, falls schon eine Stadt Ratzeburg auf der Insel vorhanden war, das Zehntenregister diese Tatsache verschwiegen hätte 90 ), läßt sich diese Stelle nur so deuten, daß hier dörfliche Ansiedler, die den Acker des früheren Burgfeldes bebauten, den Zehnt entrichteten. Ursprünglich war danach die erste Ansiedlung auf dem Burgfeld


85) Haupt-Weysser, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Kreise Herzogtum Lauenburg S. 54 - 59.
86) M.U.B. I, 375.
87) M.U.B. I, 65. Die Dotationsurkunde des Bistums redet von der "insula nondum culta". Helmold, Chronica Slavorum I, cap. 77 "deditque ei comes Polaborum Henricus insulam ad inhabitandum prope castrum".
88) Bei Stavenhagen liegt noch heute ein Dorf "Borchfeld". Neben dem Dorf hat eine mittelalterliche Burg gelegen. Die Bebauer des Burgseldes nannten ihr Dorf also einfach "Borchfeld". (Der Bericht über die Burg bei "Borchfeld" wurde entnommen aus M.J.B. Bd. 46, S. 309/10.)
89) M.U.B. I, 375 S. 366 "de borchvelt Raceburg dimidia decima uacat episcopo".
90) Die anderen Städte werden als solche genannt.
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ein Dorf. Da späterhin die Stadtfeldmark genau das Gebiet des früheren Burgfeldes einahm 91 ), bleibt nur der Schluß, daß die Dorfgenossenschaft, die das Burgfeld bebaute, auch dieselbe war, die dies Feld später als Stadtfeldmark besaß. Es wird also aus diesem Eigentumsverhältnis am Burgfeld wahrscheinlich, daß eine dörfliche Ansiedlung auf der Insel Stadtrecht bekam. Auch die unregelmäßige Form des Stadtplanes deutet dies an 92 ). Es soll darauf aber wegen der Lage der Stadt auf der Insel weniger Gewicht gelegt werden, da es nicht unmöglich ist, daß diese Lage den Stadtplan beeinflußte.


91) Die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Angabe Hellwigs (Hellwig, Chronik S. 44 ff.) muß ihm überlassen werden. Da späterhin das Burgfeld aber gänzlich verschwindet, ist es immerhin wahrscheinlich, daß das Burgfeld im Gebiet der Stadt Ratzeburg enthalten ist.
92) Zwei Stadtpläne ohne Datierung befinden sich im Neustrelitzer Archiv.