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III.

Die Entwicklung
des Hagenower Bürgerhauses
aus dem
niedersächsischen Bauernhause

von

Johann Friedrich Pries.

Mit 8 Tafeln Abbildungen.

 

Vignette
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Die Anregung zu der folgenden Arbeit gab Herr Amtsgerichtsrat Schlüter in Hagenow. Herr cand. phil. Steinmann, der vorher schon die Inschriften der Hagenower Häuser festgestellt hatte, half mir bei den Aufmessungen.

Zur Vermeidung längerer Worterklärungen im Text, wie sie die bautechnischen Fachausdrücke sonst erfordern würden, sind diese nach einem von Professor Otto Gruber 1 ) gegebenen Beispiele als Anhang in einem alphabetischen Verzeichnis zusammengestellt.

In den beigegebenen Zeichnungen, Taf. 1 bis 8, ist, wo nicht ausdrücklich etwas anderes bemerkt ist, der gegenwärtige Zustand wiedergegeben. Nur bei solchen Veränderungen, die erst von den jetzigen Eigentümern vorgenommen sind und bei denen diese den früheren Zustand noch genau angeben konnten, ist der letztere eingezeichnet. Die Bezeichnungen "rechts" und "links", die im Text gebraucht sind, sind in den Zeichnungen vom Beschauer aus zu verstehen. Das ist zwar heraldisch verkehrt, der Mehrzahl der Leser aber bequemer.

 

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1) Gruber, Otto, "Deutsche Bauern- und Ackerbürgerhäuser", Karlsruhe 1926.
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Einleitung.

Noch vor kurzem wurde es allgemein als selbstverständlich angenommen, daß sich das Bürgerhaus aus dem Bauernhause der gleichen Landschaft entwickelt habe. Erst in neuerer Zeit erheben sich Stimmen, die dies in Abrede nehmen und für das städtische Bürgerhaus, wenigstens einzelne seiner Formen, eine selbständige Entwicklung aus der Urform des Hauses, dem Einraume, heraus annehmen. Als Beispiel sei nur auf die Äußerung Paulys 2 ) hingewiesen: "Ausgesprochene Vermutungen über die Ableitung der städtischen Wohnhausform aus der bäuerlichen finden ... im Kieler Bürgerhause keine Stütze". Ich möchte diesen Satz noch dahin erweitern, daß das mittelalterliche Kaufmannshaus der Hansestädte im Gebiete des Niedersachsenhauses rechts der Elbe jedenfalls nicht von dem niedersächsischen Bauernhause ostelbischer Form abzuleiten ist. Andererseits würde es unbedacht sein, die engen Beziehungen zwischen Bauernhaus und Bürgerhaus in Abrede nehmen zu wollen, die man beim Durchwandern ländlicher Orte und der Kleinstädte Westfalens und der Weserberglande augenscheinlich wahrnimmt. In dem Werke Hugo Ebinghaus 3 ) über das Ackerbürgerhaus jener Gegenden ist aber ein Unterschied gemacht zwischen dem städtischen Hause, das aus dem Bauernhause hervorgegangen, und dem, "das aus dem Einraumhaus entstanden ist", wenn auch das Ergebnis der Entwicklung schließlich das gleiche oder wenigstens ein ganz ähnliches war. Diese Entwicklung geht bei dem aus dem Bauernhause hervorgegangenen Stadthause auf den "Anbau", auf die ursprüngliche Dreiteilung des Hauses in Mittelraum und Abseiten oder Kübbungen zurück, während bei dem aus dem Einraume her-


2) Pauly, Georg, "Die Raumgestaltung des Altkieler Bürgerhauses", Nordelbingen, Beiträge zur Heimatforschung. Flensburg 1927.
3) Ebinghaus, Hugo, (Druckfehler) Das Ackerbürgerhaus der Städte Westfalens und des Wesertales", Dresden 1912.
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vorgegangenen Hause der "Einbau" von Einzelräumen, später von Raumverbindungen, in den Einraum die Ursache der Raumentwicklung ist 4 ). Es sind also - wie oft bei wissenschaftlichen Streitfragen - beide Ansichten teils richtig, teils falsch, und es kommt dabei in der Hauptsache darauf an, wo der Vergleich einsetzt, ob im Beginn, während oder am Schlusse der Entwicklung. Nur wo und soweit man diese in ihrem ganzen Verlauf verfolgen kann, wird man sich bestimmt für eine Ansicht entscheiden können.

Letzteres ist beim Hagenower Bürgerhause, wie es bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts gestaltet war, soweit der Fall, daß seine Herkunft aus dem Bauernhause ohne Lücken nachgewiesen werden kann. Als Bauernhaus kommt babei freilich von vorneherein am Orte selbst nur eine schon zum Ackerbürgerhause fortgeschrittene Form in Betracht, und auch diese jetzt nur noch in bereits umgebauter Gestalt. Der Grund dafür, daß hier dieser Nachweis erbracht werden kann, liegt in der Entwicklung der Stadt, die sich von jener der meisten Städte des Landes wesentlich unterscheidet. Die Amtsstadt Hagenow, die jetzt etwa 4500 Einwohner hat, wird schon um 1370 als Stadt, oppidum, erwähnt, bleibt aber bis 1754 amtssässig, ist also bis dahin nicht mit den vollen Rechten einer Stadt, mit einer Stadtverfassung, ausgestattet. Die Stadt selbst war auch nie befestigt. Sie hat zwar, wenigstens an einem Teil der Feldmark, eine Landwehr gehabt, ihre Tore aber waren schlichte Schlagbäume, die die lange Hauptstraße an beiden Enden abschlossen. Dieser Zustand ist auffallend, da manche Umstände dafür sprechen, daß Hagenow früh der Marktort für eine verhältnismäßig große Umgegend sein mußte. Alle Nachbarstädte, mit Ausnahme von Wittenburg, sind ungewöhnlich weit von Hagenow entfernt und von ihm durch größere Wald- und Wiesengebiete, früher auch durch jetzt angebaute Heidestrecken geschieden, so daß die Stadt seit je Mittelpunkt des örtlichen Verkehrs eines recht großen Bezirkes war. Auch für den Durchgangsverkehr von Lübeck in die Mark mochte der Ort als Rastplatz Bedeutung haben. Immerhin mag der Umstand, daß die Stadt nicht voll selbständig war, der Anlaß sein. daß sich dort länger ländliche


4) Daß von vielen Forschern die Abseiten des Niedersachsenhauses nach ihrer Herkunft nicht als "Anbau" angesehen werden, sei bemerkt.
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Verhältnisse hielten als in anderen, wenn auch kleineren und weniger bedeutenden Städten. Wenn man von den neuen Straßen und von der Hauptstraße, die sich in ihrem Verlauf zum Marktplatz erweitert, absieht, tritt dies noch heute in Erscheinung. Ein neuer Aufschwung der Stadt und ihre neuere bauliche Entwicklung ist durch die Erbauung der Berlin-Hamburger Eisenbahn um das Jahr 1840 veranlaßt. Lag auch der Bahnhof, jetzt Hagenow-Land, etwa 3 km von der Stadtmitte entfernt, so brachte er doch einen Bevölkerungszuwachs und einen erhöhten Verkehr, da von Hagenow aus bald eine Bahn nach Mecklenburg hinein gebaut wurde, die mehrere Jahrzehnte hindurch der wichtigste Zubringer der großen Verkehrslinie blieb, weil sie das größte Hinterland hatte.

Daß in einer solchen Stadt, deren Gemarkung etwa 2550 ha groß ist, wovon das meiste Land unter dem Pfluge liegt, die Ackerwirtschaft eine wichtige Rolle spielen mußte, liegt auf der Hand. Nach den Ackerbürgerhäusern zu urteilen, müssen die kleineren Betriebe, etwa in der Größe von Büdnereien, vorherrschend gewesen sein. Größere "Bauhöfe" hat es dort anscheinend nicht gegeben, nur das am Markt belegene Stadtvogtgehöft, auf das noch ausführlicher zurückzukommen ist, läßt erkennen, daß dort einst eine größere Landwirtschaft, mindestens in dem Umfange eines heutigen "Hofes", betrieben sein muß. Welche Stellung der herzogliche Stadtvogt in der amtssässigen Stadt gehabt haben mag, ist nicht ganz klar. Nach der Hofrangordnung vom 25. Juli 1704 gehörte ein Stadtvogt der 17. Gruppe an, während die Bürgermeister im allgemeinen in der 15., Advokaten in der 14., Amtmänner in der 13., Droste in der 7. Gruppe waren. Die Stadtvögte scheinen jedoch in den amtssässigen Städten zugleich Stadtrichter und nebenher Steuereinnehmer, Lizent-Inspektor, gewesen zu sein. Jedenfalls muß der Stadtvogt von Hagenow ein recht hochmögender Herr gewesen sein. Wie der älteste Staatskalender, von 1776, nachweist, vereinigte später auch der Bürgermeister mit seinem Posten das Amt des Stadtrichters und Steuereinnehmers. Er soll auch im Stadtvogthause gewohnt haben, das zunächst als Rathaus benutzt wurde.

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Das ältere Ackerbürgerhaus.

Das ältere Ackerbürgerhaus Hagenows zeigt alle wesentlichen Kennzeichen des Vierständerhauses, in einzelnen Ausführungen des Dreiständerhauses, mit Durchgangsdiele. Die Wohnung ist meist eine Vorderwohnung, doch kommt auch die Seitenwohnung vor. Die Diele kann auch als Sackdiele bezeichnet werden, da sie in den meisten dieser Häuser, vielleicht in allen, namentlich in denen mit Vorderwohnung, durch eine Windfangwand in einen Vorderflur und die hintere Auffahrtsdiele geteilt ist. Einzelne dieser Häuser, und zwar die stattlicheren, finden sich in der Hauptstraße der Stadt und am Markt, in größerer Zahl liegen sie in dem südöstlichen, als "Klunk" 5 ) bezeichneten Stadtteile. Hier sind sie namentlich in der Bergstraße in einer, von der Straße und von ihrer Hofseite aus gesehen, interessanten Gruppe erhalten. Dabei fallen recht eigenartige Gestaltungsformen, Anschluß der Abseiten unter einer Art Mansardendach und dergleichen mehr, auf. Mehrere gute Bilder solcher Häuser, auch der genannten Gruppe an der Bergstraße, bringen die Mecklenburgischen Monatshefte im März 1928 6 ). Soweit diese Häuser nicht eine allseitig freie, an Straßen und ihren Hof stoßende Lage haben, sondern als Reihenhäuser aufgebaut sind, sind sie durch Traufgänge voneinander geschieden. Diese sind so schmal, daß sie eben begangen werden können, nicht so breit wie die Warnemünder Tüschen, die als Durchgang für eine hochtragende Kuh angelegt sein mußten. Dazu ist hier kein Anlaß, da die Hofplätze der Grundstücke teils von Hinterstraßen aus, teils durch breite Einfahrten zugänglich sind.

Wohl keines dieser Gebäude hat noch seine ursprüngliche Raumeinteilung oder Raumbenutzung, aus allen scheinen die Stallräume entfernt und in später erbaute Nebengebäude verlegt zu sein. Dabei wurde die Hauptwohnung oft durch Hinzunahme einer früheren Altenteilerwohnung vergrößert und in


5) "de Klunk", "in'n Klunk" - nicht: "up'n Klunk".
6) Schlüter, Ernst, "Die kleine Stadt", mit Lichtbildaufnahmen von F. Müschen, Mecklenbg. Monatshefte 1928.
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den früheren Stallräumen eine zweite Wohnung, zunächst wohl als Mietswohnung, eingerichtet. Häufig wurde dann die Diele durch weitere Durchteilungen verbaut. Man erkennt die ursprüngliche Einrichtung zum Teil nur noch daran, daß im Holzverbande des hinteren Giebels die alte Umrahmung des Dielen-Einfahrtstores erhalten ist. Bei einzelnen Häusern ist aber auch diese schon verschwunden. Wann diese Umbauten der größtenteils im Anfange oder um die Mitte des 18. Jahrhunderts erbauten Häuser im allgemeinen vorgenommen sind, ist nicht mehr bekannt. Vielleicht mögen schon die 1808 aufgehobenen Bestimmungen über die Gewährung von Bauhülfen, auf die ich später zurückkomme, den ersten Anlaß hierzu gegeben haben, im Verein mit dem Empfinden, daß es den städtischen Verhältnissen nicht mehr angemessen sei, mit dem Vieh unter einem Dache zu wohnen. Es mag aber auch ein anderer Umstand, auf den ich später komme, oder ein durch den Eisenbahnbau um 1840 verursachter Wohnungsmangel den Anstoß zu diesen Umbauten gegeben haben. In einzelnen Fällen geschah ein solcher, weil die Ackerwirtschaft aufgegeben und das Haus für einen anderen Gewerbebetrieb eingerichtet wurde.

Tafel 1 und 2 geben Beispiele solcher ursprünglichen Ackerbürgerhäuser. Das Dreiständerhaus (Tafel 1), das aus dem zuletzt angegebenen Grunde verändert ist, zeigt noch seine alte Raumeinteilung, freilich bei veränderter Raumbenutzung. Wie letztere ursprünglich gewesen sein mag, ist in einer zweiten Zeichnung des Grundrisses angegeben. Diese Vermutung stützt sich auf die von der Frau des Besitzers ohne dazu gegebene Veranlassung gemachte Mitteilung, daß das Haus früher zwei Küchen gehabt habe. Das Torgerüst des Straßengiebels läßt noch das ursprüngliche Einfahrtstor erkennen. Der Torsturz trägt die Inschrift: "Las dich Herr Jesu Christ, durch mein Gebeth bewegen, kom in mein Haus und Hertz und bring uns deinen Seeg - Hans. Joachim. Dreyer. - Catharina. Dreyern. - Anno 1743 - Den 28 May." Das Tor ist jetzt durch Fachwerk ausgebaut, in dem sich eine Haustür mit Seitenfenstern befindet. Ein Hineinfahren in das Haus würde heute nicht mehr möglich sein, weil die Decke der Diele tiefer, d. h. in die Höhe der alten Stubendecken, hinabgelegt ist. Die Ausführung dieser Deckensenkung war einfach, da es sich nicht um eine zum Hauptverbande des Hauses gehörige Balkenlage, son-

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Bild: Hagenow i. M. Teichstr.11
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dern nur um eine lose eingebaute Senkbalkenlage - süddeutsch deutlicher als "Zwischenbühne" bezeichnet - handelte. Dieser Einbau eines Fachwerks mit Tür und Fenstern in die alte Toröffnung, verbunden mit der Tieferlegung der Decke über der früheren Auffahrtsdiele, findet sich bei allen den Häusern, bei denen nicht der Umbau noch gründlicher vorgenommen ist; insbesondere ist er bei der erwähnten Häusergruppe an der Bergstraße von der Hofseite her gut erkennbar. Diese bei zahlreichen Häusern in gleicher Weise vollzogene Änderung ist dadurch lehrreich, daß sie zeigt, wie sich solche Veränderungen und damit die Gewohnheiten im Bau- und Wohnungswesen in älterer Zeit in volkstümlicher Weise fortentwickelten. Was zunächst vielleicht ein geschickter Handwerker mehrmals mit Erfolg ausgeführt hat, wird bald allgemein nachgeahmt und damit zum Typ.

Das zweite Beispiel, Tafel 2, zeigt ein Vierständerhaus und einen sehr weit durchgeführten Umbau des früheren Wirtschaftsteiles, dafür aber eine wenig veränderte Vorderwohnung. Wie man die ursprüngliche Einrichtung des Hauses vermuten darf, ist auch hier in einer zweiten Grundrißzeichnung angegeben. Wie die Einteilung der Ställe im einzelnen gewesen sein mag, ist nicht mehr festzustellen. Nach der Örtlichkeit mag man annehmen, daß sich links der Kuhstall für 3 oder 4 Kühe mit Nachzucht, Gänse- und Hühnerstall befunden haben, rechts ein Pferdestall für 2 Pferde, Futterkammer, Holzstall; die Schweine mögen auf dem Hofe in leicht gebauten Koben untergebracht gewesen sein. Die Einfahrt in das Haus muß über den Hof gegangen sein, wo sie freilich heute wegen einer neueren Schmiedewerkstatt nicht mehr möglich sein würde. Die Verwandtschaft dieses Hauses mit dem alten Niedersachsenhause des Landes, das im größten Teile Mecklenburgs, bis an eine Linie Plauer See - Kummerower See, verbreitet ist oder seine Herkunft von diesem, ist durch die Durchgangs- oder Sackdiele und durch die Lage von Wohnung und Stall zu dieser gekennzeichnet. Vorderhaus und Hinterhaus haben jetzt verschiedene Besitzer. Nach einer Feststellung des Herrn Stadtinspektors Kiencke ist die Aufteilung eines Hauses bzw. Grundstückes unter zwei Besitzer in Hagenow so häufig, daß ein "Statut betreffend die Theilbarkeit der städtischen Grundstücke zu Hagenow", landesherrlich bestätigt unterm 15. April 1859,

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Bild: Hagenow i. M. Hirtenstr.2
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erlassen werden mußte, um allzu schwierigen Rechtsverhältnissen vorzubeugen. Der häufigste Anlaß zu diesen Teilungen scheint eine Erbauseinandersetzung gewesen zu sein. Anfangs hat man sich damit begnügt, daß die Beteiligten ihren Vertrag dem Rate vorlegten, der eine entsprechende Eintragung in das Grundbuch vornahm. So einfach wie im vorliegenden Falle ist die Teilung aber nicht immer durchgeführt. Herr Amtsgerichtsrat Schlüter, der in die städtischen Grundbuchakten Einsicht nahm, erwähnt eine Grundstücksaufteilung, bei der die Trennlinie durch Haus, Stall und Hof dreimal im rechten und einmal im schiefen Winkel umsprang. Doch die Trennfläche bleibt hier wenigstens eine senkrechte. Im Süden, schon in südlichen deutschen Ländern, wechseln bekanntlich die Hausbesitzer häufig geschoßweise.

Auch bei unseren mecklenburgischen Bauernhäusern ist die Durchgangsdiele, wie sie die beschriebenen Häuser aufweisen, am verbreitetsten und gleichfalls häufig zur Sackdiele umgewandelt, während Flettdielen und Flettarmdielen selten vorkommen. Bei aller Verwandtschaft des Grundrisses besteht aber ein Unterschied im Aufbau zwischen den Bauernhäusern und den Hagenower Ackerbürgerhäusern. Die alten Bauernhäuser sind überwiegend Zweiständerhäuser; nur in einigen, von Folkers näher festgestellten Gegenden, namentlich im Ratzeburgischen und um Doberan herum, kommt daneben das Dreiständerhaus als typische Hausform vor. Das Vierständerhaus ist dagegen nur vereinzelt im Lande anzutreffen, etwa als Landkrug und auf dem schon städtisch beeinflußten Kiez bei Neustadt-Glewe. Die Hauptgebiete des Vierständerhauses sind: Westfalen, die Weserberglande, die Umgegend Hildesheims und die Altmark, wo sich diese Hausform schon vor Jahrhunderten aus dem Zweiständerhause entwickelt hat. Gewöhnlich findet man angegeben, daß dies unter dem Einflusse der benachbarten mitteldeutschen, zweistöckigen Häuser geschehen sei. Ich bin der Ansicht, daß zu jener Zeit auch schon die städtischen Bürgerhäuser des eigenen Gebietes dazu die Anregung gegeben haben können. Auch für die Hagenower Ackerbürgerhäuser nehme ich an, daß zu ihrer Erbauung als Vierständerhäuser nicht etwa die Bekanntschaft der Handwerker mit solchen von der Wanderschaft her geführt hat, sondern in erster Linie der Gedanke, daß diese mehr einen

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städtischen Charakter trugen als das landübliche Zweiständerhaus mit seinen niedrigen Abseiten. Zu jener Zeit sah der Städter - was uns zum Glück fremd geworden ist - mit einer gewissermaßen mitleidigen Mißachtung auf den Landbewohner herab und vermied ängstlich alles, was geeignet war, ihn mit jenem in Vergleich zu bringen. Dazu gehörte das im Ringe niedrige Haus mit dem hohen Dach; das städtische Haus mußte "hoch heraus" gebaut sein.

Diese Anschauung wurde auch von oben her amtlich unterstützt, war also allgemein und wurde durch die Art, in der Bauhülfen für städtische Wohnhausbauten gewährt wurden, bestärkt. Wegen der Bauhülfsgelder bestimmt der landesgrundgesetzliche Erbvergleich vom 18. April 1755 im § 62: "An die Neubauenden, wenn sie eine wüste oder abgetrennte Stelle neu bebauet, sollen ... nach dem Werth des Hauses, wenn es 400 Reichsthaler und darunter taxiret ist, 15 pro Cent, über solche Summe aber 20 pro Cent von Unsrer Steuer-Einnahme in bisher üblichen Ratis baar entrichtet werden." Nun sind zwar die Hagenower Häuser schon vor 1755 erbaut, aber die Worte "in bisher üblichen Ratis" deuten auf eine schon bestehende Einrichtung hin. Dazu ist bei den Herzoglichen Resolutionen vom 21. Dezember 1748 zu den "Angelegenheiten der Städte ..." unter Nr. 25 schon auf ein "Reglement von Anno 1708" hingewiesen, nach dem Neubauenden "ein gewisses und Erkläckliches aus der Accise" zufließen und ein Gleiches denen gewährt werden soll, "welche ihre Scheuren zu Häuser entrichten, alte ganz baufällige Häuser repariren und mit Ziegeln behangen lassen". Eine Vorschrift vom 22. April 1765 läßt sogar unter Umständen Hülfsgelder im Betrage von 25 % der Baukosten zu, bedingt aber dabei, daß die "zu erbauenden Häuser in den Hauptstraßen 2 Stockwerk hoch aufzuführen; die in den Quergassen erlaubten Häuser aber können zwar nur eine Etage hoch gebauet werden, jedoch müssen selbige mit Giebeln versehen sein." Die Bauhülfsgelder scheinen dann reichlich ausgenutzt zu sein, denn in einem Reskript an die Landräte und Deputierte zum Engeren Ausschuß der Ritter- und Landschaft vom 17. Dezember 1803 wird bemerkt, daß sich viele wegen Erwartung der Bauhülfe zu leichtfertigem Bauen verleiten lassen, und daß es "viele ledige oder wenigstens kärglich bewohnte Häuser gibt". Nachdem sich

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dann die Landschaft (die Stadtvertretungen) auf dem Konvokationstage vom 1. Oktober 1808 dahin erklärt hat, "daß sie auf die bisherigen Bauhülfen ... Verzicht leisten wolle", wird unterm 7. Dezember 1808 bekanntgemacht, "daß vom 1. Januar 1809 an die §§ 62 und 63 des landesgrundgesetzlichen Erbvertrages ... außer Wirkung gesetzt seien". -

Das im vorigen Absatze erwähnte, in den älteren Gesetzsammlungen nicht abgedruckte "Reglement von Anno 1708" scheint nach den Feststellungen des Meckl.-Schw. Geheimen- und Hauptarchivs eine nicht mehr aufzufindende Verordnung vom 9. März 1708 zu sein, die mit einer gleichfalls nicht mehr vorhandenen vom 29. Oktober 1712 in einer Verordnung des Herzogs Carl Leopold vom 30. April 1717 erwähnt wird. Diese letztere gibt ein wenig erfreuliches Bild von den Anschauungen jener Zeit; in ihr lautet es nach einer Einleitung: "Alß renoviren Wir hiemit so wohl die von Anno 1708 den 9 Martii als auch die von Anno 1712 den 29. Octobr in Druck publicirte [Verordnung] Unsern Steuer-Commissariis und Einnehmern, denen Deputirten von Raht und der Bürgerschafft, Krafft dieses ernstlich und bey Verlust Ihrer Chargen, Gefängniß und anderer Straffen, daß sie ein mehrers nicht pro taxatione, alß ihnen in vorbemeldter Verordnung vom 29. Octobr 1712 § 3 gnädigst bewilliget, nehmen sollen, obgleich diejenigen so die Taxation begehren, ihnen freywillig ein mehreres offeriren würden." Daß die Bauhülfsgelder zu unsachlichen Bauausführungen verleiteten, sucht einer der Magistrate in einem sehr ausführlichen Schriftsatze zu widerlegen; die Mehrheit der Magistrate scheint aber Erfahrungen gemacht zu haben, die sich mit denen der Regierung deckten.

Der Entwicklungsgang der Bauhülfsgeldersache spiegelt sich in den Hagenower Häusern recht deutlich wieder und zeigt, daß die volkstümliche Behandlung des Bauern- und Bürgerhausbaues in manchen Gegenden Deutschlands stark von obrigkeitlichem Einfluß geleitet und unter Umständen umgebogen wurde. Bei Besichtigung der Häuser drängt sich einem die Erkenntnis auf, daß die auf der Senkbalkenlage angelegten oberen Räume recht wenig Zweck haben. Ähnlich liegt es mit den oberen Abseitenkammern des westfälischen Vierständerhauses, ja auch mit dem oberen Stockwerk des mitteldeutschen oder sog. fränkischen Hauses. Man macht immer wieder die Wahrnehmung,

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daß diese oberen Räume nur recht schwach ausgenutzt sind und daß einige Giebelstuben im Dachraume mehr Nutzen schaffen würden als jene Räume. Erst wenn das obere Stockwerk so eingerichtet ist und eine solche Höhe hat, daß dort besondere Mietswohnungen untergebracht werden können, sieht man es, in Mitteldeutschland auch auf dem Lande, in wirtschaftlicher Weise verwendet. Auch in Hagenow hat selbst die gegenwärtige Wohnungsnot nicht zu einer stärkeren Ausnutzung dieser oberen Räume geführt, weil sie so niedrig sind, daß man nur eben aufrecht darin stehen kann, ein größerer Mensch sich kaum auf die Zehen stellen darf, ohne mit dem Kopfe oben anzustoßen. Die Ursache der Anlage dieser Räume ist also in erster Linie die vermeintliche stattlichere Erscheinung des Hauses. Daneben wird man aber auch die höheren Bauhülfsgelder im Auge gehabt haben, die gezahlt wurden, wenn das Haus zweistöckig erbaut wurde. Dem mag nun entgegengehalten werden, daß die auf den Tafeln 1, 2, 5-7 dargestellten Häuser nach den unter "Geschoß" und "Stockwerk" in den Worterklärungen am Schlusse dieser Arbeit gemachten Angaben nicht zweistöckig, sondern nur zweigeschossig sind. Das ist richtig, aber so genaue technische und sprachliche Unterscheidungen machte die Abschätzungskommission zweifellos noch nicht, die aus zwei vereidigten Baugewerksmeistern als Schätzern, dem Steuereinnehmer als Geschäftsleiter und einem Magistratsmitgliede bestand und nachweisbar öfter bei ihren Abschätzungen die Kostenabrechnungen der Bauenden benutzte. Auch der herzogliche Rat, der die Vorschriften vom 22. April 1765 entworfen hat, wird kaum so genau unterschieden haben. Dann hätte er nicht im folgenden Satze von einer Etage sprechen dürfen, wo er ein einstöckiges Haus im Auge hat, und das zu einer Zeit, wo in seinen Gesellschaftskreisen noch vielfach Französisch die Umgangssprache war. Der Franzose kennt eine Etage nur über dem Rez de chaussée, dem Erdgeschoß, das der Deutsche Parterre nennt. Daß sich der biedere Kleinstädter diese Sprachverwirrung zunutze machte und die erhöhte Bauhülfe für das zweistöckige Haus wahrnahm, ohne seinen Bau nach gleichem Maßstab zu verteuern, wird ihm niemand verargen. Ob etwa der Umstand, daß Beihülfen auch solchen Bauenden gewährt wurden, die "ihre Scheueren zu Häusern entrichten" wollten, einen Anstoß dazu gegeben hat, die Wirtschaftsräume der

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Ackerbürgerhäuser in Wohnräume zu verwandeln, läßt sich nicht mehr feststellen. Man ersieht aus allem diesem, einmal, daß die von der Regierung unterm 17. Dezember 1803 geäußerten Bedenken nicht unbegründet waren, weiter aber, daß man die Wurzeln der angewandten Ästhetik manchmal an anderer Stelle suchen muß, als im Kunstgeschichtslehrbuch.

Ein Unterschied zwischen diesen Ackerbürgerhäusern und den mecklenburgischen Bauernhäusern einerseits, den westfälischen Vierständerhäusern andererseits, der aber mit der Herkunft aus der gleichen Stammform nichts zu tun hat, besteht darin, daß bei den zuerst genannten Häusern die Auffahrtdiele auch vor dem Einlegen einer Senkbalkenlage über ihr nicht für das Einbringen von Kornfudern geeignet war, weil ihre Höhe dazu nicht ausreicht. Die Dielentore haben allgemein nur eine Höhe von 2,85 m, gleich 10 Fuß hamburgischen Maßes, während die Kornfuder bei Pferdebespannung schon derzeit etwa 3,45 m, 12 Fuß hamburgischen Maßes, lichte Torhöhe erforderten. Die heute im südwestlichen Mecklenburg in kleinen Wirtschaften übliche Kuhanspannung wird, jedenfalls in der Stadt, noch nicht bekannt gewesen sein, die geringe Torhöhe also damit erklärt werden müssen, daß sie nur für Heufuder berechnet war, die niedriger geladen zu werden pflegen. Die geringere Breite der Diele ist damit zu begründen, daß auf ihr nicht gedroschen wurde, weil Kornscheunen innerhalb der Stadt verboten waren. Bereits die Polizeiordnung der mecklenburgischen Herzöge Heinrich und Albrecht von 1516 (gedruckt Jahrb. 57 S. 279) schreiben im § 54 vor: "Van Schünen: Idt scolen ock förder en edder mehr Schunen in die Stedde nicht gebuwet, sunder dar vör gesettet werden". Die Bestimmung wurde noch mehrmals und in verschärfter Form wiederholt, so daß sie zur Zeit der Erbauung jener Ackerbürgerhäuser wirksam war und es bei den Städten, so auch in der Nähe des Klunk, besondere Scheunenviertel oder Scheunenstraßen gab. Daß in Hagenow das Stallende der Häuser mit dem Dielentor im allgemeinen nach hinten gelegt ist, während wenigstens das Einfahrtstor beim Niedersachsenhause sonst der Straße zugewandt ist, ist offenbar auch aus dem Schönheitsempfinden der Erbauungszeit hervorgegangen. Das auf Tafel 1 dargestellte Haus zeigt den selteneren umgekehrten Fall, der dort in der Örtlichkeit, namentlich den Gefällverhältnissen des Grundstücks, seine Be-

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gründung findet. Die im Vordergiebel angebrachte Haustür gibt den Häusern ein städtisches Aussehen und läßt es nach der Straße hin nicht erkennen, daß die Wirtschaftsräume mit im Hause liegen. Trotz aller dieser Unterschiede gegenüber dem Bauernhause läßt sich ihre Herkunft aus diesem nicht verkennen.

Das Gleiche zeigt sogar das damals vornehmste Wohnhaus der Stadt,

das Stadtvogthaus,

das auf Tafel 3 und 4 dargestellt ist. Wann dies Haus erbaut ist, ist nicht bekannt. Es ist anzunehmen, daß dies vor Verleihung der Stadtverfassung von 1756 an die Stadt Hagenow, ja vor Beginn der Verhandlungen hierüber geschehen sein wird, da es sonst schwerlich den ihm beigelegten Namen tragen würde. Das Haus ist voll zweistöckig erbaut, d. h. Erdgeschoß und Obergeschoß sind durch eine regelrechte Balkenlage, nicht bloß durch eine Zwischenbühne getrennt und haben jedes voneinander unabhängige, selbständige Ring- und Innenwände. Für seine Anlage ist kennzeichnend, daß es ursprünglich der Länge nach auf einer mittleren Diele durchfahren werden konnte. Freilich ist das jetzt infolge Umbaues nicht mehr möglich. Im Holzverband des hinteren Giebels ist der frühere Torrahmen deutlich erkennbar und ist ersichtlich, daß die jetzige Hoftür die frühere Haustür ist. Der Hinterflur im Erdgeschoß muß einst die Breite gehabt haben, die jetzt noch der Flur des Obergeschosses aufweist, d. h. die Wand ei ist von gh, wo sie unter rs stand, nach ei in die Diele hineingerückt. Mochte man früher beim Fachwerkbau auch häufig versäumen, Wand auf Wand zu stellen, so sprechen hier doch mehrere Umstände dafür, daß die angegebene Verschiebung vorgenommen ist, am augenfälligsten die Lage der Windeluke in der Decke. Sollte bei dieser ein Wagen unterfahren können, wie es ihr Zweck verlangt, so muß die Wand ei früher etwa bei gh gestanden haben. Auch die Windfangwand il kann erst gezogen sein, als man die Kornwinde nicht mehr benutzte. Endlich mußte die Treppe zum Obergeschoß etwas anders, nämlich steiler, angeordnet gewesen sein, wofür auch die Art spricht, in der der Verschlag unter der Treppe als Mädchenschlafstelle eingerichtet war. Der jetzige gemauerte und geputzte Vorder-

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Bild: Hagenow i. M. Früheres Stadtvogthaus
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giebel am Markt ist eine neuere Schürze, der Flügel, der die Waschküche und den größten Teil einer kleinen Nebenwohnung enthält, ein späterer Anbau. Das Haupthaus ist jetzt in vier Wohnungen aufgeteilt, die auf eine gemeinsame Benutzung der Flure, von denen der obere, fast 80 qm große ein herrlicher Kinderspielplatz ist, angewiesen sind. Welche Räume zu den einzelnen Wohnungen zusammengelegt sind, lassen die beigefügten Nummern erkennen. In der blinkenden Sauberkeit der Wohnungen war kein Unterschied, als wir unangemeldet zur Aufnahme in das Haus kamen.

Über die frühere Einrichtung und Benutzung des Hauses ist nichts bekannt, nur weiß man, erkennt man auch noch, daß der Raum pstu in der jetzigen Wohnung 4 früher eine Küche gewesen ist. Ich vermute die folgende ursprüngliche Einrichtung des Hauses: die Erdgeschoßräume des Vorderhauses, bis zur Linie fn, waren Geschäftsräume, Terminzimmer, Kasse, Schreibstuben usw., das ganze Obergeschoß enthielt die Wohnung des Stadtvogtes, bestehend aus 7 Stuben, der Küche und Nebenräumen, wie Kleiderkammern, Vorratskammern usw., diese in dem Stück oprs. Von den hinteren Räumen im Erdgeschoß wird der unterkellerte Teil klmn die große Wasch- und Wirtschaftsküche mit Backstube, Milchkammer usw. enthalten haben, ghkl gehörte zur Diele und in dfgh vermute ich den früheren Kuhstall. Ein solcher fehlt nämlich auf dem Gehöft und ist auch kein Platz da, wo er ursprünglich gestanden haben möchte. Ein früherer Pferde- und Schweinestall, in dem sich auch Holzstall, Schauer usw. befanden, liegt gegenüber af jenseits der Auffahrt auf das Gehöft und sein Heuboden lag für die Versorgung des im Hause befindlichen Kuhstalles ganz bequem. Die Winde im Hause läßt darauf schließen, daß der Hausboden als Kornboden benutzt wurde. Winden zur Beförderung von Garben oder Heu waren in Mecklenburg, wie wohl überall in Norddeutschland, in älterer Zeit nicht bekannt. Die Scheune des Gehöfts liegt ganz im Hintergrunde des Grundstückes, das an ein kleines Wiesental der Schmarr stößt, also außerhalb der Stadt. Im Zusammenhang mit der Scheune kann der Kuhstall nicht gestanden haben, da er dann vom Hause zu weit entfernt gewesen wäre. Allgemein wird, von großen Gutswirtschaften abgesehen, der Kuhstall möglichst nahe bei der

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Bild: Hagenow i. M. Früheres Stadtvogthaus
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Wohnung angeordnet, da die Hausfrau die Milchwirtschaft mit beaufsichtigt.

So zeigt sich selbst in diesem Hause noch ein ursprünglicher Zusammenhang mit dem altsächsischen Bauernhause. Auch die weitere Entwicklung des Ackerbürgerhauses zu einem Querhause und wie daraus

das spätere Bürgerhaus

entstanden ist, läßt sich in Hagenow gut verfolgen. Wie sich in Mecklenburg beim Bauernhause die Umwandlung aus einem Längshause in ein Querhaus vollzogen hat, habe ich an anderer Stelle ausgeführt 7 ). Wilhelm Peßler 8 ) gibt in seinen Schriften mehrfach Beispiele dafür, wie durch Umbau aus einem Längshause ein Querhaus wurde. Wie solche Veränderungen im westlichen Grenzgebiete des Niedersachsenhauses vor sich gegangen sind, erörtern in anschaulicher Weise Aufsätze von Dütschke 9 ) und Schell 10 ). Auch dort ist der frühere Kuhstall in einst vornehmen Häusern nachgewiesen.

Beim Bürgerhause ist der Übergang vom Längshause zum Querhause naturgemäß einfacher als beim Bauernhause. Der augenfälligste Unterschied zwischen den besprochenen Ackerbürgerhäusern und den späteren Bürgerhäusern in Hagenow liegt am Äußern darin, daß aus den Giebelhäusern Traufenhäuser wurden, nach der Einrichtung darin, daß das Bürgerhaus vor vorneherein keine Ställe enthält, sondern neben den Wohnräumen nur Geschäftsräume für ein bürgerliches Gewerbe, Läden oder Werkstätten.

In dem Hagenower Stadtteile Klunk steht das nach der Angabe auf der Wetterfahne 1767 erbaute Querhaus oder Traufenhaus Tafel 5 von fast quadratischer Grundfläche,


7) Pries, Johann Friedrich, "Die Entwicklung des mecklenburgischen Niedersachsenhauses zum Querhause und das mecklenburgische Seemannshaus", Forsch. zur deutschen Landes- und Volkskunde, Stuttgart 1928.
8) Peßler, Wilhelm, "Das altsächsische Bauernhaus in seiner geographischen Verbreitung", Braunschweig 1906.
9) Dütschke, Gottfr., "Die älteste Bevölkerung des Wuppertales nach ihren Höfen", Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 1908.
10) Schell, Otto, "Einige Beiträge zur Entwicklung des bergischen Hauses", Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 1905.
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Bild: Hagenow i. M. Hirtenstr.10
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9,00 m in der Straßenfront lang, 8,90 m tief. Vielleicht ist die geringe Abweichung vom Quadrat nur durch einen Ausführungsfehler oder durch Sackungen entstanden, oder es handelt sich nur um einen Meßfehler. Das Haus konnte also genau so gut als Längshaus wie als Querhaus, d. h. mit parallel wie mit senkrecht zur First geführter Diele erbaut werden. Der Grundriß hat, wenn man davon absieht, daß das Haus nur Wohnräume und keine Ställe enthält, nahe Verwandtschaft mit dem Wohnteile der als Vierständerhäuser erbauten Ackerbürgerhäuser in ihrer ursprünglichen Anlage. Die Mitte nimmt die von der Vorder- zur Hinterfront durchgehende Diele ein, die freilich, da sie nicht befahren wird, zu einem Flurgang zusammengeschrumpft ist. Dieser ist hier wie der Flur der bisher besprochenen Häuser durch einen Windfang zugfreier gemacht. Jederseits der Diele liegt eine Wohnung, deren eine ursprünglich als Altenteilerwohnung gedacht sein mag; die Anordnung der Räume folgt den bei den Ackerbürgerhäusern zu beobachtenden Grundsätzen, nach denen sie in einfacher Folge aneinandergereiht sind. Auch darin gleicht dies Haus jenen, daß die Ständer seiner Fachwerkwände in einem Stück von der Schwelle bis unter das Dach durchgehen, das Haus also auch einstöckig, aber, wie es bei jenen der Fall war, durch eine Senkbalkenlage in zwei Geschosse geteilt ist. Die oberen Räume sind auch bei diesem Hause aus den dort erörterten Gründen ziemlich wertlos und wären zweckmäßiger in Giebelstuben des Dachraumes untergebracht gewesen, da dieser hier unbenutzt ist, weil der Heuboden im Stalle liegt. Das Zwischengeschoß dürfte also auch hier nur der erhöhten Bauhülfe seine Entstehung verdanken, wobei in diesem Falle schon das bei den älteren Häusern gegebene Beispiel die unmittelbare Anregung gegeben haben mag.

Bis an das Dach oder, genauer gesagt, bis an die Dachbalkenlage oder noch genauer: bis an die die Dachbalkenlage tragenden Wandrähme, d. h. bis an die Linie xy der Zeichnung, unterscheidet sich das Haus in nichts von einem Längshause, dort setzt die Firstschwenkung ein. Den gleichen Vorgang kann man besonders gut und häufig in westfälischen Klein- und Landstädten beobachten; ihn schildert Steinacker 11 )


11) Steinacker, Karl, über Bauernhäuser im Kreise Holzminden "Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Braunschweig", Bd. 4, Braunschweig 1907.
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anschaulich bei der Beschreibung braunschweigischer Häuser im Wesertale. Zeitlich dürfte der Vorgang dort und hier ungefähr zusammenfallen und dieselbe Ursache haben, nämlich den Wandel in den Schönheitsanschauungen, der in jener Zeit aus der Gestaltung der Bauschöpfungen des Barock hervorgegangen war. Ein näheres Eingehen hierauf gehört an dieser Stelle nicht zur Sache, es muß die Anführung der Tatsache genügen: das Giebelhaus galt nicht als vornehm. Dies kommt auch in den Verordnungen des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck und durch sie zur allgemeinen Geltung. Eine Zirkularverordnung des Herzogs Friedrich vom 18. September 1770 verlangt, daß "der Bau neuer Häuser [in den Städten] regulair und schicklich eingerichtet werden soll" und daß "bey Streckung der Sohlen ... darauf zu halten sey, daß en froute an der Gasse ... die grade Linie beybehalten werde", wozu am 28. Juni 1771 die weitere Erläuterung gegeben wurde, daß "alle neu erbaut werdenden Häuser als Quergebäude angelegt ... werden sollen". Das hier besprochene Haus ist freilich schon vor Erlaß dieser Vorschriften erbaut, aber solche wurden damals noch nicht auf Grund theoretischer Erwägungen erlassen, sondern waren ein Niederschlag der herrschenden Anschauung und Sitte. Das Schönheitsgefühl der Zeit hatte sich schon allgemein geltend gemacht, bevor jener Erlaß herausgegeben wurde, der freilich am 29. Juli 1786 noch einmal verschärft wiederholt werden mußte.

Einen weiteren Entwicklungsschritt stellt das Haus Lange Straße 56, Tafel 6 und 7, dar, dessen Erbauungszeit um 1780 liegen mag. Bei seiner Betrachtung hat man sich den Flügelanbau und die der Küche vorgebaute Spülküche als spätere Zutaten, die Speisekammer (Spk) als nachträglichen Einbau fortzudenken. Auch die Trennung des Hausflures in Vorder- und Hinterflur wird nicht ursprünglich sein. Sieht man von diesen Teilen ab, so hat man wieder ein Haus mit durchgehender Diele, dem Flur, und jederseits einer Wohnung. Vom Beschauer aus rechts liegt die ursprüngliche Altenteilswohnung, wieder aus Stube (jetzt Laden), Kammer und Küche bestehend, links die Hauptwohnung mit vier Räumen. In ersterer ist die Raumverbindung noch die alte, bei der die Gemächer in einer Reihe an die Diele angeschlossen sind, in der Hauptwohnung liegen sie in zwei Fluchten, nach vorne

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Bild: Hagenow i. M. Langestr. 56
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Bild: Hagenow i. M. Langestr.56
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Stube und Kammer, nach hinten Küche und zweite Stube. Diese Zusammenstellung der Räume, die im 18. Jahrhundert auch schon bei mecklenburgischen Bauernhäusern vorkommt, die als Querhäuser erbaut sind, ist bei älteren Büdnereien sehr verbreitet; auch bei der Mehrzahl aller Häuslereien im Lande trifft man sie an. Auf ihre zweckmäßige Anwendung dort weist später ein Runderlaß der Großherzoglichen Kammer vom 24. Mai 1850 ausdrücklich hin. Die Entstehung dieser Wohnungseinteilung aus der eines alten Sackdielen-Bauernhauses durch mehrfache Umwandlungen habe ich in meiner schon erwähnten Schrift nachgewiesen. Das hier zu wiederholen, würde zu weit führen. Für das auf der Senkbalkenlage liegende Zwischengeschoß treffen die oben über solche gemachten Bemerkungen auch zu, wenn sich hier in diesem auch eine kleine Mietswohnung befindet, deren alleinstehende Bewohnerin sich an die niedrigen Räume gewöhnt haben mag. Die hintere Stube der Hauptwohnung ist in der Art einer "Upkamer" (s. Worterklärungen) unterkellert und daher auch recht niedrig. Zum Keller, in den die Kartoffeln usw. vom Torweg aus durch kleine Schächte hineingeschüttet werden, führt von der Küche aus eine Treppe durch ein Kellerschaff hinab. Eine neuere Anlage des Hauses ist der Torweg, der nötig ist, da die eigentliche Diele des Hauses, der Flur, von der Straße aus nicht befahren werden kann. Ob man ursprünglich vom Hof aus auf die Diele fahren konnte, um mit einem Wagen an die Winde zu gelangen, ist infolge der Um- und Anbauten an der Hinterseite nicht mehr zu erkennen. Vielleicht mußten die Kornsäcke von der Hoftür bis zur Winde getragen werden. Der Torweg ist als eine überbaute Hofauffahrt anzusehen. Die Frage wurde bestritten, ob ein solcher Torweg dann als Bestandteil des Hauses zu werten sei oder nicht. Die "Gravamina der Städte in Steuersachen" vom 6. Januar 1783 enthalten unter Nr. 23 die Beschwerde: "Daß die Bauhülfsgelder wider §§ 62 und 63 des Landes-Vergleichs auf mancherley Art verkürzt werden, indem a) ... b) die Thorwege am Hause mit den darüber gebaueten Zimmern, auch Thorflügeln, aus der Taxe weggelassen ... würden." Die Resolution lautet: "Thorwege und Thorflügel, wenn jene mit Wohnzimmern überbauet sind, sollen mit zur Taxe gebracht und berechnet werden." Im vorliegenden Falle wird es also

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für den Torweg keine Bauhülfsgelder gegeben haben, da er nicht mit Zimmern überbaut ist; doch ist nicht bekannt, ob die Handhabung der Bestimmungen von vorneherein im Lande eine gleichmäßige war.

Das Haus enthält noch manches, was für das Bild der Wohnkultur der guten alten Zeit Bedeutung hat, Wandschränke auf dem Flur und in der Küche, das Guckfenster zwischen Wohnstube und Flur zur Überwachung der Haustür und anderes. Von diesem Fensterchen erzählte der humorvolle Besitzer, daß es unter einem seiner Vorgänger, einem Ratsherrn, dazu gedient habe, die Pässe der wandernden Handwerksgesellen hindurchzureichen. Die Frau Senator scheint also auf saubere Dielen in der Stube gehalten zu haben. Ein interessanter Fund war unlängst im Torwege beim Legen eines Sieles gemacht: mehrere stark verschlissene Mühlensteine von geringen Abmessungen, die dort vergraben waren. Hierin zeigt sich ein Stück Kulturgeschichte. Untern 24. Mai 1719 hatte die Kayserliche Executions-Kommission verboten, Handquerren anzulegen, durch die die Mühlengerechtsame oder die Mahlsteuer wohl recht häufig umgangen wurden. Sie hatte die "Haupt- und Ambt-Leute, auch Magistrate" angewiesen, daß sie "alle Querren hinweg und ins Gerichte nehmen ... lassen", auch die Müller ermächtigt, "diejenigen Häuser und Orte, woselbst sie dergleichen Querren vermuten, zu visitieren". Das scheint mit solchem Erfolge und solcher Dauer geschehen zu sein, daß man es darüber vergessen hat, die Steine wieder hervorzuholen.

Wie Tafel 8 zeigt, läßt sich die Ableitung des Hagenower Bürgerhauses vom Bauernhause noch bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein verfolgen. Das um diese Zeit erbaute Haus ist, da keine Bauhülfsgelder mehr gewährt wurden, einstöckig angelegt, doch mit einem Aufbau unter Schleppdach versehen, der auch auf eine obrigkeitliche Anordnung zurückgeführt werden kann. Die oben, auf Seite 14, angeführte Bestimmung von 1765, es dürften in den Quergassen Häuser "zwar nur eine Etage hoch gebaut werden, jedoch müssen selbige mit Giebeln versehen sein", leidet offenbar auch an einer sprachlichen Ungenauigkeit, wenn man den Worten unsere heutigen Begriffsbestimmungen zugrunde legt. Beim Durchwandern unserer kleinen Städte kommt man auf die Vermutung, daß mit "Giebeln" hier Frontispize, zu deutsch:

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Bild: Hagenow i. M. Hagenstr. 20
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Zwerchhäuser, gemeint gewesen sein müssen. Diese bieten nun wegen der Kehlen, mit denen ihr Dach an das Hauptdach anschließt, namentlich bei einem Pfannendache einige, doch häufig überschätzte Schwierigkeiten in der Herstellung und in der Erhaltung. Das wird einen findigen Hagenower Zimmermeister dahin geführt haben, dem Aufbau ein Schleppdach zu geben. Diese Ausführungsweise kommt natürlich auch sonst öfter vor, für Hagenow ist sie aber typisch und eine charakteristische Erscheinung in den Straßenbildern.

Im Grundriß muß man das Haus, wenn man seine Herkunft aus den vorher beschriebenen Häusern verstehen will, nach der Linie xy in zwei Häuser zerlegen, bei deren einem der Torweg, dem anderen der Flur den Vorraum zu je zwei Wohnungen abgibt. Wieder ist beiderseits neben dem Vorraum je eine aus Stube, Küche, Kammer bestehende Wohnung angeordnet. Ein Unterschied und Fortschritt besteht nun darin, daß die Küchen und Kammern in der Mehrzahl der Wohnungen anders, und zwar so gelegt sind, daß beide unmittelbares Licht von der freiliegenden hinteren Hausfront her erhalten. Dies ist erreicht, indem die Räume, wie in der Hauptwohnung des vorigen Beispiels, in zwei Fluchten angeordnet wurden. Das Haus enthielt ursprünglich sechs fast genau gleichwertige Kleinbürgerwohnungen. Wie es jetzt zu zwei etwas größeren Wohnungen und zu zwei Witwenwohnungen ausgenutzt ist, ist auf der Zeichnung angegeben.

Da der Altersunterschied der besprochenen Häuser kaum hundert Jahre beträgt, können die Angaben über

die Bauart der Häuser,

auf die bisher noch nicht eingegangen wurde, zusammengefaßt werden. Die Fortentwicklung der Häuser in Grundriß und Aufbau läßt sich zwar auch unabhängig von ihrer Bauart erörtern; einen mittelbaren Einfluß üben darauf aber Baustoffe und Bauverbände doch aus, so daß das Bild ohne ihre Beschreibung unvollständig bleiben würde.

Die Grundmauern der in dieser Abhandlung besprochenen Häuser sind von Feldsteinen aufgesetzt, die Kellerwände teils gleichfalls von solchen, teils von Ziegeln gemauert und die Keller in manchen Häusern mit Ziegeln überwölbt, in anderen,

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namentlich wenn es sich um kleine Halbkeller handelt, mit Balkendecken versehen. Hierauf sind die Häuser in Fachwerk errichtet, wobei man am Äußeren Eichenholz, im Innern einschließlich der Dachstühle Kiefernholz verwandte. Beide Holzarten waren aus städtischen Waldungen und nahen fürstlichen Forsten in guter Beschaffenheit zu haben. Zierfachwerk fehlt, der Umrahmung der Dielentore ist dadurch eine gefälligere Form gegeben, daß die Kopfbandstreben unter dem Torsturz bogenförmig ausgeschnitten sind. Torsturze oder Giebelbalken haben bei manchen Häusern eine in Blockbuchstaben eingehauene Inschrift. Wie schon die Zeichnungen zeigen, fällt im Fachwerk der Wände auf, daß wenig Streben angewandt sind, ohne daß deshalb besondere Nachteile wahrzunehmen wären. Eine am 16. April 1765 amtlich herausgegebene "Instruction, nach welcher die Zimmerleute bey Verzimmerung aller und jeder, auch der schlechtesten Gebäude sich zu richten haben", gibt genaue Anweisungen über Einzelheiten des Holzverbandes, erwähnt aber mit keinem Worte die Streben. Vielleicht war das ein Anlaß, von diesen sonst für so wichtig gehaltenen Gliedern des Gebälkes abzusehen. Die Senkbalkenlagen sind ziemlich willkürlich gelegt, zuweilen in dem gleichen Zwischengeschoß zum Teil senkrecht, teilweise parallel zur First. Teils liegen sie auf Riegeln, so daß ihre Köpfe außen sichtbar sind, teils sind sie in die Ständer oder Riegel eingezapft und dann außen nicht wahrzunehmen. Die älteren Dachstühle sind einfache Kehlbalkendachstühle, in die nur in größeren Häusern Stuhlwände zum Längenverband eingezogen sind. Der Sparrenabstand hat die ungewöhnliche Weite von 1,75 bis 2,25 m statt etwa 1 m, man sah daher auch überall Notsparren nachträglich eingefügt.

Das Fachwerk scheint in seinen Feldern schon allgemein mit Ziegeln ausgemauert zu sein. Gemusterte Tafelausmauerungen, von denen auf Blatt 6 Beispiele gegeben sind, sieht man selten; an einem Hause sind noch Donnerbesen undeutlich zu erkennen. Von außen sind die Häuser vielfach getüncht, seltener vorher verputzt, im Innern sind die Wände in den Stuben, ebenso wie die Windelböden der Decken, allgemein verputzt, nur in Nebenräumen ist noch der Holzverband der Wände und Balkenlagen unbekleidet. Zu den Ziegeldächern sind bei einigen Häusern Zungensteine verwandt, das vor-

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herrschende Dach ist aber das Pfannendach. Ursprünglich werden die Pfannen mit Strohwiepen eingedeckt gewesen sein, womit der ungewöhnliche Sparrenabstand zu erklären sein würde. Daß man man (Druckfehler) auf diesen Häusern Rohrdächer gehabt haben sollte, wird nicht in Frage kommen. Bei diesen war der im Lande übliche Sparrenabstand noch größer, er betrug 2,85 bis 3,45 m oder 10 bis 12 Fuß hamburgischen Maßes. Eine Verordnung vom 9. Juni 1764 erwähnt zwar noch Strohdächer in den Städten, doch wird es sich da um Scheunen handeln. Nach den "Artikuln der Brand-Assecurations-Gesellschaft der Städte", landesherrlich bestätigt am 30. Juli 1785, durften in einer aufzunehmenden Stadt keine mit Strohwiepen gedeckten Ziegeldächer mehr vorhanden sein. Durch das Eindecken der Pfannen mit Kalkmörtel wurden die Dächer soviel schwerer, daß sich die Notsparren erforderlich erwiesen.

In den Stuben und bewohnten Kammern hat man heute allgemein Dielungen, auf den Fluren und in den Wirtschaftsräumen Estriche oder Ziegelpflaster. Im Hause Langestraße 56 hatte der Hausflur bis zum vorigen Jahre einen Belag von roten Ziegelplatten in der Größe zweier Ziegel, wie sie in den älteren Warenverzeichnissen der amtlichen Ziegeleien als Pflasterziegel oder Fliesen aufgeführt sind. Der anderwärts, z. B. in Stralsund, in Doberan für diese Platten gebräuchliche Name "Alstraken" schien in Hagenow nicht bekannt zu sein; auch habe ich nicht erfahren, ob sie dort noch häufiger anzutreffen sind. Sie waren an dieser Stelle durch einen Terrazoestrich ersetzt und zur Kellerpflasterung herabgesunken. Im übrigen ist über den Ausbau der Häuser nichts Besonderes zu bemerken, doch ist auf eine gediegene Art von Haustüren hinzuweisen, die sich in der Stadt in gleicher Ausführung, wohl alle von demselben Tischler angefertigt, in größerer Zahl, also als eine typische Erscheinung des Ortes finden. Es ist eine Verdoppelungstür, die außen mit quadratischen Feldern in Rahmen belegt ist, wobei dann die Rahmenkreuzungen mit kleinen Platten bekleidet sind. Im Märzheft der "Mecklenburgischen Monatshefte" 1928 ist auf S. 122 als Abb. 3 eine solche Tür wiedergegeben. Hier und da fanden sich noch kleine, in Karniesblei verglaste Fenster, alte Kachelöfen von einst wertvollerer Erscheinung nur noch einige Langestraße 56. Herde mit Schwibbogen sind in der Stadt gleichfalls seit 1785

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nicht mehr zulässig, man sieht aber noch manche offene Herde mit Rauchfang darüber und auf diesen gesetzten steigbaren Schornstein, der regelmäßig noch zur First hinausgeführt war. Die Rauchfänge waren häufig durch seitliche Herdmauern, selten durch einen Holzpfosten gestützt, ein am Deckenbalken aufgehängter Rauchfang wurde nur in einem der besichtigten Häuser angetroffen. Die Erscheinung, daß eine allgemeine Verbesserung des inneren Ausbaues der Häuser eintritt, wenn eine Stadt mit neuen Betriebsanlagen, Kanalisation, Wasser- und Gasleitung, Elektrizitätsanschluß versehen wird, war auch in Hagenow zu beobachten.

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Die weitere Entwicklung des Bürgerhauses
und dieser Vorgang an andern Orten.

Die weitere Entwicklung des Hagenower Bürgerhauses gesondert zu verfolgen, hat für die gestellte Aufgabe keine Bedeutung. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, die Zeit nach den Freiheitskriegen bringt zunächst keine wesentliche Veränderungen. Mit dem wachsenden Eisenbahnverkehr verschwinden dann die örtlichen Eigentümlichkeiten und der Entwicklungsgang wird in größeren Bezirken der gleiche. Dazu kommt, daß von jener Zeit ab auch das bürgerliche Bauwesen nicht mehr auf volkstümlicher Überlieferung und handwerksmäßig erworbener Übung beruht, sondern eine schulmäßig erlernte Tätigkeit wird, so daß die Schulen, nicht mehr das örtliche Herkommen, die Unterschiede bestimmen. Dabei gründet sich der Fortschritt im bürgerlichen Bauwesen nicht auf einer Erforschung seiner geschichtlichen Entwicklung, sondern sucht seine Gesetze von den Werken der höheren Kunst abzuleiten. Das gereichte dem bürgerlichen Wohnungswesen sehr zum Nachteil, das durch Eindringen der Bauspekulation und der vermehrten Ausnutzung der Häuser zu Mietswohnungen weiter verschlechtert wurde und sich von diesen Schäden erst jetzt zu erholen beginnt.

Wenn es hier unternommen ist, aus dem Entwicklungsgange für eine einzelne Stadt die Herkunft des Bürgerhauses aus dem Bauernhause nachzuweisen, so muß doch wiederholt vor einer Verallgemeinerung dieses Ergebnisses gewarnt

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werden. Zweifellos wird sich in anderen Städten, in denen die Bedingungen andere waren, die z. B. schon im Mittelalter ein enger Befestigungsgürtel umschloß, das Gegenteil von dem hier Dargelegten nachweisen lassen. Kleine Unterschiede, die manchmal auf rein persönlichen Einflüssen beruhen, geben der Beweisführung vielleicht schon eine andere Richtung. In dem Hagenow benachbarten Neustadt-Glewe ist das Bild bereits ein etwas anderes. Die Häuser auf dem noch nicht eingemeindeten Ortsteile Kiez stehen den mecklenburgischen Bauernhäusern näher als die älteren Hagenower Ackerbürgerhäuser; in der Stadt hat sich das Giebel- und Längshaus, auch als wirklich zweistöckiges Haus, offenbar länger gehalten als in Hagenow. Damit ist aber noch nicht bewiesen, daß das Neustadt-Glewesche Bürgerhaus als eine jüngere Form des Hauses vom Kiez anzusehen sei. Das kann der Fall sein, braucht es aber nicht zu sein. Daß man in Hagenow die Firstschwenkung früher vornahm, kann daran liegen, daß der erste wirkliche Bürgermeister der jungen Stadt - er hieß Mussäus - den neuen Anschauungen eifriger Rechnung trug als sein Kollege in Neustadt-Glewe. Es sind also zunächst Einzeluntersuchungen zu machen, bevor man sichere Folgerungen machen kann, und diese müssen zunächst in einer größeren Zahl von Städten angestellt werden, bevor man allgemein Gesetze aus den Untersuchungen herleiten darf. Mit anderen Worten: die Synthese führt in diesem Falle sicherer zum Ziel als die Analyse.

Auch in anderer Richtung ist vor voreiligen Schlüssen zu warnen. Lesern, die sich eingehender mit der Hausforschung beschäftigt haben, mag an den in den Zeichnungen dargestellten Häusern aufgefallen sein, daß die Raumanordnung, namentlich des Hauses auf Tafel 5, an den von Hunziker 12 ) als "dreisässiges" Haus bezeichneten Haustyp erinnert, der vornehmlich in Oberdeutschland vorkommt. Anderes erinnert wieder an die von Meringer 13 ) als "Mittelflurhaus" bezeichnete Hausart, die auch in Mittel- und Oberdeutschland verbreitet ist. Daraus irgendwelche näheren Beziehungen her-


12) Hunziker, "Das Schweizerhaus nach seinen landschaftlichen Formen und seiner geschichtlichen Entwicklung", Aarau 1910. 1914.
13) Meringer, Rudolf, "Studien zur germanischen Volkskunde", Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien 1891. 1893.
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leiten zu wollen, kann zu bedenklichen Schlüssen führen. Es muß zugegeben werden, daß man, vom mitteldeutschen Hause ausgehend, auch einen Entwicklungsgang finden kann, der auf die Hagenower, als Querhäuser erbauten Bürgerhäuser hinführt. Vielleicht ist der Weg sogar einfacher, als wenn man das Niedersachsenhaus als Ausgangspunkt annimmt. Das hätte aber nicht dem Zweck dieser Ausführungen entsprochen, der eben der war, nachzuweisen, daß man, vom Niedersachsenhause ausgehend, auf dem Wege einer fortlaufenden Entwicklung zu dem eine ganz andere Erscheinung bietenden Bürgerhause gelangen kann.

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Worterklärungen.

Abseite, en sind die seitlichen Nebenräume des Niedersachsenhauses, s. dort.

Bauhof, als B. wurden ursprünglich die Wirtschaftshöfe der Burgen, Klöster usw. bezeichnet, in manchen Städten nennt man die größeren Ackerwirtschaften so und in diesem Sinne ist das Wort hier gebraucht. Weiter werden die Baustofflager- und Zimmerplätze der Werften und Städte als Bauhöfe bezeichnet, was hier jedoch nicht in Betracht kommt.

Dreisässiges Haus, nach dem "Wörterbuch der schweizerischen Sprache" ein "Haus, das quer zum First hintereinander angeordnet Stube, Küche und ein drittes, verschieden benanntes Gemach enthält". Die Hausform findet sich insbesondere bei Häusern der Alpenländer, dem altoberschwäbischen Hause, dem Schwarzwaldhause usw. Nach Hunziker hat sie ihre Urform in Burgund.

Dreiständerhaus, s. Niedersachsenhaus.

Durchgangsdiele, s. Niedersachsenhaus.

Fachwerk. Volkstümlich wird darunter eine Art von Wänden verstanden, die aus dem Gebälk, d. h. einem Rahmenwerk (als tragenden Teil) und Füllungen der einzelnen umrahmten Fächer (als wandabschließenden Teilen) bestehen. Das Rahmenwerk ist aus der Schwelle, den senkrechten Ständern oder Stielen und dem Rähm als oberem Abschluß zusammengesetzt; zur Verbindung der Ständer und als Halt für die Füllungen dienen wagerechte Riegel, gegen Verschiebungen wird das Rahmenwerk durch schräge Streben gesichert. Die Füllungen oder Austafelungen bestanden in älterer Zeit aus Staken oder Flechtwerk mit Lehmbewurf (Klehmwerk oder Kleibwerk), später aus einer Ausmauerung von Ziegeln. Statt der Austafelung oder als Wärmeschutz auf dieser kann auch eine Bretterbekleidung usw. angewandt werden.

Flett, Flettarm, Flettdiele, s. Niedersachsenhaus.

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Frontispiz, ein Dachaufbau, dessen Vorderwand eine Fortsetzung der ansteigenden Ringwand ist, dessen Seitenwände und Dach (in der Regel ein Satteldach) an das Hauptdach des Gebäudes anschließen. Die deutsche Bezeichnung ist: Zwerchhaus.

Geschoß, die in genau oder annähernd gleicher Höhe liegenden Räume eines Hauses bilden ein "Geschoß"; man unterscheidet Erdgeschoß, 1., 2., usw. Obergeschoß, Dachgeschoß. Für die oberen Geschosse ist im allgemeinen Bedingung, daß ihre Räume auf der gleichen Balkenlage liegen. Zwischengeschoß s. unten. Vom Geschoß ist das "Stockwerk" zu unterscheiden, s. dort. In Frankreich wird das Erdgeschoß als Rez de chaussée bezeichnet, die Obergeschosse als 1., 2. usw. Etage, die in Deutschland viel angewandte Bezeichnung des Erdgeschosses als Parterre ist in Frankreich nicht üblich, da dies Wort dort einen anderen Sinn hat.

Halbkeller, ein nur wenig in den Erdboden eingeschnittener Keller, dessen Decke höher liegt als der Fußboden der Erdgeschoßräume, so daß zu der über dem Keller liegenden Kammer oder Stube einige Stufen hinaufführen. S. auch "Upkamer".

Handquerre, eine Handmühle.

Hinterwohnung, s. Niedersachsenhaus.

Kehlbalkendach, ein Dach, das aus Sparren und diese miteinander versteifenden Hölzern, den Kehlbalken, hergestellt ist. Die Sparren sind bei einem solchen Dachstuhl in der Regel in die Balkenköpfe der Dachbalkenlage eingezapft. Als Längenverband sind bei größeren Dächern eine oder mehrere Stuhlwände (s. dort) eingebaut. Beispiele geben die Tafeln.

Kellerschaff, ein Einbau in einen Raum über einer Kellertreppe, dessen oberen Abschluß eine schräge Falltür bildet. Nach Dethlefsen 14 ) eine ostpreußische Eigenart, es kommt aber auch in Mecklenburg in Häusern des 18. Jahrhunderts viel vor und wäre hier vielleicht "Kellerschapp" zu schreiben.

Kübbung, die nordwestdeutsche Bezeichnung der Abseiten des Niedersachsenhauses.

Längshaus, ein Haus, dessen Eingangsraum (Diele, Flur usw.) in der Firstrichtung in das Haus hineinführt und dessen Haustür daher im Giebel liegt; häufig, aber nicht immer, gleichbedeutend mit Giebelhaus. Der Gegensatz ist Querhaus.

Mansarddach, ein gebrochenes Dach, benannt nach dem französischen Architekten François Mansart, 1598 bis 1666, der als sein Erfinder gilt.

Mitteldeutsches Haus, die in Deutschland verbreitetste Bauernhausform, vielfach (völkerkundlich nicht ganz richtig) auch als "fränkisches Haus" bezeichnet. Die Räume dieses Hauses liegen in ältester Zeit bei genau oder ungefähr gleicher Höhe quer zur Firstrichtung nebeneinander, gewöhnlich in der Folge: Stube, Kochflur, Stall. Später werden diese Räume


14) Dethlefsen, Richard, "Bauernhäuser und Holzkirchen in Ostpreußen", Berlin 1911.
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durch Scheidewände, die in der Firstrichtung stehen, durchgeteilt, auch der Stall oft zur Stube oder zu Kammern gemacht und weitere Räume angeschlossen. In Mittel- und Westdeutschland ist dies Haus in der Regel zweistöckig, im nordöstlichen Deutschland einstöckig. In dieser Ausstattung ist es auch im südöstlichen Mecklenburg die gewöhnliche Bauernhausform, in den Ausschlußgebieten Rossow und Netzeband kommt es auch zweistöckig vor. Auf eigentlichen Bauerngehöften steht das mitteldeutsche Haus gewöhnlich als besonderes Wohnhaus auf dem regelmäßig angelegten Gehöft, als Kleinbauernhaus ist es auch mit Stall- und anderen Wirtschaftsräumen vereinigt. Seiner Natur nach ist das mitteldeutsche Haus ein Querhaus, ausnahmsweise kommt auch ein Eingang vom Giebel aus vor.

Mittelflurhaus ist von Meringa eine Hausform benannt, bei der ein Flur in der Mitte des Hauses von einer Frontwand zur gegenüberliegenden Frontwand hindurchgeht. Die Wohn- und Wirtschaftsräume liegen rechts und links von diesem Flur. Auf Häuser mit einem in der Längsrichtung hindurchgeführten Mittelflur, wie sie auch in Oberdeutschland vorkommen, pflegt man den Ausdruck M. nicht anzuwenden, keinenfalls aber auf Niedersachsenhäuser mit Durchgangsdiele (s. Niedersachsenhaus). Die Gegensätze sind Seitenflurhaus und Eckflurhaus. Sie kommen hier nicht in Betracht.

Niedersachsenhaus. Die Entstehung des Niedersachsenhauses, für die verschiedene Vermutungen aufgestellt sind, ist unaufgeklärt und strittig. Nach Mecklenburg ist es im 11. bis 13. Jahrhundert durch einwandernde Niedersachsen gebracht und von der im Lande gebliebenen wendischen Bevölkerung angenommen. Es besteht in seiner ältesten nachweisbaren Form aus einer hohen, breiten Halle, der Diele, an deren Langseiten niedrige Wohn- und Stallräume als "Abseiten" angeklappt sind. In dieser Form heißt das Haus ein "Durchgangsdielenhaus". Mündet die Diele am hinteren Ende in einen die ganze Hausbreite einnehmenden Raum, dem "Flett", das in der Mitte die Dielenhöhe, an den Seiten die Abseitenhöhe hat, so heißt das Haus "Flettdielenhaus" und behält diesen Namen auch, wenn an das Flett, an der hinteren Giebelseite des Hauses, Stuben und Kammern, das "Kammerfach", angebaut ist. Wird ein Seitenteil des Flettes zu einem geschlossenen Raum gemacht, so entsteht das "Flettarmhaus", werden beide Seitenteile des Fletts nach der Diele hin abgeschlossen oder wird beim Durchgangsdielenhause an den hinteren Giebel ein Kammerfach angebaut, so entsteht das "Sackdielenhaus". Beim Durchgangsdielenhause unterscheidet man solche mit "Vorderwohnung" oder "Hinterwohnung", bei der die Wohnräume am vorderen oder hinteren Giebel beiderseits vom Eingange liegen, von denen mit "Seitenwohnung", deren Wohnräume alle auf einer Seite der Diele liegen, während sich die Ställe an die andere Dielenseite anschließen. Für die genannten vier hauptsächlichsten Formen des Grundrisses gibt es drei Hauptformen

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des Aufbaues. Werden Decke und Dach des Mittelbaues, der Diele, am Ende oder nahe den Enden des Deckenbalkens durch zwei Reihen Ständer oder durch zwei Wände unterstützt, während die Deckenbalken und Sparren der Abseiten (zunächst) nur nebensächlich an den Mittelbau angefügt sind, so heißt das Haus ein "Zweiständerhaus". Gehen dagegen die Außenwände der Abseiten ganz bis an die Hauptbalkenlage hoch, die sich dann, ebenso wie das Dach, über die ganze Hausbreite erstreckt, so entsteht das "Vierständerhaus". Zeigt das Haus an einer Langseite die eine, an der andern die andere Ausführungsart, so ist es ein "Dreiständerhaus". Weitere Unter- und Abarten des Niedersachsenhauses interessieren an dieser Stelle nicht.

Notsparren sind nachträglich zwischen zwei zum ursprünglichen Dachverbande gehörige Sparren leicht eingebaute Zwischensparren.

Pfannendach, ein mit ~-förmigen Dachziegeln (Pfannen) eingedecktes Dach. Zur Dichtung benutzte man früher kleine Strohbünde, Strohdocken oder Strohwiepen, die wegen Feuersgefahr demnächst verboten wurden. Seitdem dichtet man mit Kalkmörtel.

Querhaus, ein Haus, dessen Eingangsraum, Diele oder Flur, von einer Langseite, Traufseite, aus senkrecht zur First in das Haus hineinführt, dessen Haustür daher auch in einer Langseite liegt. Gewöhnlich, doch nicht immer, gleichbedeutend mit Traufenhaus. Der Gegensatz ist das Längshaus.

Querre, s. Handquerre.

Sackdiele, -enhaus, s. Niedersachsenhaus.

Schleppdach, eine aus dem Hauptdache heraustretende kleinere Dachfläche, die ihr Gefälle in derselben Richtung, ihre Traufe an derselben Seite wie das Hauptdach hat.

Seitenwohnung, s. Niedersachsenhaus.

Senkbalkenlage, die Balkenlage einer Zwischendecke im Fachwerkhause, die nicht auf dem Rähm einer Fachwerkwand liegt und zwei Stockwerke voneinander trennt, sondern etwa in halber Höhe eines höheren Stockwerks in dessen Wände eingelassen ist. Die Balkenenden einer Senkbalkenlage sind dabei in die Fachwerkständer eingezapft oder ruhen auf Riegeln oder in der Austafelung des Fachwerks.

Stockwerk, d. h. das auf Stöcken (Ständern, Stielen) stehende Werk, umfaßt die von zusammenhängenden Fachwerkwänden umschlossenen Räume eines Hauses, deren Fußboden auf der gleichen Hauptbalkenlage liegt. Ein Erdgeschoß ist hiernach strenge genommen kein Stockwerk. Eine Senkbalkenlage (s. dort) teilt die Räume nach der Höhe nicht in Stockwerke, sondern nur in Geschosse, da die Ständer der Fachwerkwand für die unteren Räume die gleichen sind wie für die oberen. Der Ausdruck "Stockwerk" hat hiernach nur im Fachwerkbau Sinn, beim gemauerten Hause (ein massives Haus gibt es nicht, sein Zweck verlangt, daß es innen hohl ist) nur, wenn nach älterer Weise die Innenwände von Fachwerk sind.

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Stuhlwand nennt man eine aus Ständern, Rähmen und Kopfbändern bestehende Unterstützung eines Dachstuhles. Beim Kehlbalkendach liegen die Rähme der Stuhlwände unter den Kehlbalken und haben häufig nur den Zweck, einen Längenverband des Dachstuhles zu bilden.

Torsturz ist der die Toröffnung oben abschließende Balken, der mit seinen Enden auf oder in den Torständern ruht und mit diesen durch Kopfbandstreben verbunden zu sein pflegt, die ihn gleichzeitig unterstützen. In gleichem Sinne spricht man von einem Türsturz und Fenstersturz.

Traufgang, ein schmaler Gang zwischen zwei Häusern zur Ableitung des Traufwassers der Dächer auf die Straße. In nicht kanalisierten Orten werden auch die Küchen- und sonstigen Hausabwässer durch den Traufgang abgeleitet. Bildet der Traufgang bei entsprechender Breite auch den Zugang zum Hof, so heißt er Wich oder Bauwich, in den Küstenorten auch Tüsche von tüschen = zwischen. In anderen Gegenden hat man noch weitere Bezeichnungen für diese Gänge.

Tüsche, s. Traufgang.

Upkamer, der in Schleswig-Holstein gebräuchliche Name für eine unterkellerte Kammer, deren Fußboden einige Stufen höher liegt als der Erdgeschoßfußboden, weil der Keller (oft wegen hohen Grundwasserstandes) wenig in die Erde eingeschnitten ist. Zu der Kammer führt gewöhnlich eine kleine aufklappbare Treppe hinauf, unter der die Stiege zum Keller liegt. S. auch Halbkeller.

Verdoppelungstür, eine aus einer doppelten Bretterlage gefertigte Tür. Die innere Brettlage pflegt glatt zu sein, die äußere aus schmalen Brettern in einem Rahmen oder Rahmen und Füllungen zu bestehen. Im 18. Jahrhundert die übliche Ausführungsart für Haustüren, die in neuerer Zeit wieder vielfach angewandt wird.

Vierständerhaus, s. Niedersachsenhaus.

Vorderwohnung, s. Niedersachsenhaus.

Windelboden, die ältere Art der Ausfüllung der Decke zwischen den Deckenbalken, bestehend aus strohumwickelten Staken, deren Umwickelung mit Lehmschlamm durchtränkt ist. Die umwickelten Staken werden in Falze der Deckenbalken eingetrieben und dann von unten mit Lehm beworfen und glattgerieben oder einschließlich der Balken verputzt.

Zungensteindach, ein mit Zungensteinen (Biberschwänzen), d. h. ebenen, in der Regel am unteren Rande abgerundeten Platten, eingedecktes Ziegeldach.

Zweiständerhaus, s. Niedersachsenhaus.

Zwerchhaus, s. Frontispiz.

Zwischenbühne, eine süddeutsche Bezeichnung der Senkbalkenlage oder richtiger der Senkbalkendecke.

Zwischengeschoß, das auf einer Senkbalkenlage liegende Geschoß, auch zuweilen als Halbgeschoß bezeichnet.

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