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IV.

Finanz=, Verwaltungs=,
Wirtschafts=, und Regierungspolitik der
mecklenburgischen Herzöge im Übergange
vom Mittelalter zur Neuzeit

von

Archivar Dr. Paul Steinmann.

 

Vignette
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Vorliegende Arbeit geht größtenteils auf ungefähr 9 Jahre zurückliegende, durch neue Untersuchungen und Beobachtungen ergänzte Forschungsergebnisse zurück, die neben meiner noch nicht veröffentlichten Dissertation (Rostocker gekrönte Preisschrift 1914): "Die Geschichte der mecklenburgischen Landessteuern und Landstände bis zu der Neuordnung des Jahres 1555" erwuchsen. Sie stellt in vieler Hinsicht eine notwendige Ergänzung zu meiner Dissertation dar, wie andrerseits die Dissertation manche, hier nur kurz angedeuteten Probleme genauer darlegt und begründet.

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D en slavischen Fürsten Mecklenburgs gehörte so gut wie das ganze Land als unumschränktes Eigentum. Dies ergeben mit Sicherheit Rückschlüsse aus den zahllosen Stiftungen, Schenkungen, Belehnungen, Konsenserteilungen und Eigentumsverleihungen der späteren Jahrhunderte. Die Gerechtsame der slavischen Edlen können nur geringfügig und geringwertig gewesen sein. Noch in der deutschen Zeit wurde das Land von der fürstlichen Familie als ihr privates Erbgut (patrimonium) betrachtet 1 ). Die volle Herrschaft über das Land, die Landesherrlichkeit (plena iurisdictio), vererbte sich lediglich kraft Erbfolgerechts auf die Nachkommen 2 ). Diese rein privatrechtliche Auffassung vom Staat herrschte in Mecklenburg bis gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts.

Das Land war also ursprünglich in der Slavenzeit so gut wie ganz Domanium, ja sozusagen Schatullgut. Doch war der Ertragwert dieses gewaltigen, aber ungenügend angebauten, durch die unaufhörlichen Kriege verödeten und stellenweise entvölkerten Grundbesitzes gering. Die finanziellen Verhältnisse der slavischen Fürsten Mecklenburgs können keineswegs gut gewesen sein.

Niclots Sohn Pribislav, durch den das Christentum als Staatsreligion ins Obotritenland eingeführt wurde, hat noch den Versuch gemacht, mit Hülfe seines eignen Volkes das Land neu zu besiedeln und es dem Christentum und der höheren deutschen Kultur zu gewinnen, um so seine eignen Einkünfte zu erhöhen. Diese national-slavische Politik war gescheitert. Die Wenden waren stellenweise zu gering an Zahl und vor allem aus eigner Kraft nicht fähig und z. T. auch nicht willens, die deutsche Kultur und Gesittung anzunehmen 3 ). Daher riefen Pribislavs Sohn,


1) Mecklbg. Urk.-Buch (M. U.-B.) 254 (1219), 552 (1243).
2) M. U. B. 359 (1228), 911 (1261), 987 (1263). Es kannte übrigens die ältere Zeit bei Verträgen, Veräußerungen usw. nur eine Zustimmung der nächsten Angehörigen der fürstlichen Familie.
3) Witte, Meckl. Gesch. I. 1909 (Witte I.) S. 87/89, 91, 101/102, 123.
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Heinrich Burwy sowie dessen Söhne und Enkel seit den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts deutsche Siedler in großen Mengen herbei und überwiesen den deutschen Mönchen, Geistlichen, Rittern, Bürgern und Bauern umfangreiche Strecken Landes und wichtige Gerechtsame.

Der unmittelbare Grundbesitz der fürstlichen Familie, das Domanium, erfuhr also bereits durch die deutsche Kolonisation eine starke Verminderung. Doch erhielten die mecklenburgischen Fürsten erheblich höhere Einnahmen durch die Einführung des deutschen Unternehmertums, der deutschen Wirtschaftsfarmen (Grundherrschaft und Stadtwirtschaft) und der weit überlegenen deutschen Ackerbautechnik (3-Felderwirtschaft und Anwendung des deutschen Pfluges), da die deutschen Siedler bedeutend höhere Abgaben als die Wenden entrichten konnten 4 ). Es wurde auch sehr wahrscheinlich die erste Steuer, die ordentliche Bede 5 ), die jährlich teils in Geld, teils in Naturalien erhoben wurde, bereits bei der Kolonisation in Mecklenburg eingeführt.

Trotzdem gerieten bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts die Fürsten aller mecklenburgischen Teilherrschaften, auch die aus altdeutschen Gebieten stammenden Schweriner Grafen, in finanzielle Schwierigkeiten, ja z. T. in Schulden. Die Urkunden ergeben nichts Näheres über die Gründe hierfür. Doch dürften sie in folgenden allgemeinen Ursachen ihre Erklärung finden: Es entwickelte sich, wie es zu allen Zeiten bei Kolonialländern typisch gewesen ist - es sei nur an die griechischen Kolonien in Klein-Asien und an Nordamerika erinnert - auch hier in Mecklenburg die materielle Kultur außerordentlich rasch. An dem allgemeinen Aufschwung hatten aber die Fürsten wenig Anteil, da die wichtigsten Abgaben bei der Kolonisation auf eine bestimmte Höhe festgesetzt, also nicht erhöhbar waren, außerdem wird sich der Geldwert, die Kaufkraft des Geldes, verringert haben. Hinzu kam, daß nach Abschluß der Kolonisation die auswärtige Politik mit ihren kostspieligen Kriegen immer mehr in den Vordergrund trat.

Die mecklenburgischen Fürsten Suchten sich nun aus ihren finanzieller Nöten auf verschiedene Art zu helfen. Die Fürsten von Mecklenburg und Rostock scheinen in der Hauptsache zur Veräußerung von Grund und Boden und von wichtigen Gerechtsamen an die damaligen Mächte des Kapitals, an die beiden Seestädte Rostock und Wismar und an ihre Bürger sowie an die Geistlich-


4) Witte I. S. 130.
5) "Olde bede" in den Registern des 15. Jahrhunderts genannt, im Gegensatz zur "nygen bede", der außerordentlichen Bede (Landbede), die durch die sog. Bedeverträge, s. Anm. 6, geschaffen wurde.
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keif gegriffen zu haben. Dagegen hielten die Fürsten von Werle und die Grafen von Schwerin eine systematische Schuldentilgung großen Stils für geboten, d. h. Sie halfen sich durch ungewöhnliche und neuartige außerordentliche Steuern. Sie ließen sich nämlich von ihren Ständen - den Vasallen und z. T. auch der Geistlichkeit - außerordentliche Landessteuern (Landbeden) in beträchtlicher Höhe oder mehrere Jahre hindurch von den Hufen der Bauern und sogar von den sonst grundsätzlich steuerfreien Hofhufen der Grundherrn bewilligen, wofür sie freilich den Ständen in den sogenannten Bedeverträgen (besser Reversalien, Schadlosbriefe) von 1276, 1279 und 1285 6 ) alte Privilegien bestätigen und neue erteilen mußten. Vor allem aber erhielten die Stände bei dieser Gelegenheit das wichtige Steuerbewilligungsrecht für alle außerordentlichen Landessteuern, das Fundament des ständischen Staates.

Im 14. und 15. Jahrhundert verursachten in der Hauptsache die zahllosen Kriege und Fehden, die für die genannte Zeit so charakteristisch sind, durch die beträchtlichen, an die heimischen Vasallen zu zahlenden Unterhalts-, Löse- und Schadengelder und infolge des in Mecklenburg im 14. Jahrhundert aufkommenden kostspieligen Söldnerwesens aufs neue starke Verschuldungen der mecklenburgischen Fürsten.

Gar manche dieser Fehden sind sicherlich lediglich der Fehdelust entsprungen. Mit derselben Leidenschaft, mit der die Fürsten der Neuzeit der Jagd oblagen, gaben ihre Vorfahren im Mittelalter sich den Fehden hin. "Man versteht ihr Auftreten nicht, wenn man nicht diese Leidenschaft bei ihnen voraussetzt," bemerkt von Below treffend 7 ). Doch muß betont werden, daß manche Kriege notwendig im Interesse der Selbständigkeit, Erstarkung und äußeren Abrundung Mecklenburgs geführt werden mußten und bedingt waren durch die eigenartige geographische Lage des Landes: Ein Stück der weiten norddeutschen Tiefebene, ohne natürliche Grenzen, das Meer weit mehr anlockend als hemmend, ein schmales Küstenland, im Süden das mächtige Brandenburg, das einen starken Drang zur See verspürte, im Norden die Skandinavischen Staaten, die durch die gegenüberliegende deutsche Küste immer wieder angezogen wurden. Wenn das kleine Mecklenburg aus diesem Ringen der norddeutschen Staaten und der nordischen Völker um die Herrschaft an und auf der Ostsee sogar stark vergrößert hervorging, so verdankt es dies in der Hauptsache über-


6) M. U.-B. 1413, 1414, 1504 A, B, 1781.
7) Territorium und Stadt 1900 S. 268.
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ragenden Herrscherpersönlichkeiten wie Heinrich dem Löwen († 1329) und Albrecht II. († 1379).

Bereits Heinrich der Löwe sah sich in Seiner großen, durch seine vielfachen Kriege und Fehden verursachten Geldverlegenheit genötigt, 1321/22 Pachte, Zinsen und Renten der Geistlichkeit anzugreifen 8 ). Von den Fürsten der wendischen Herrschaften hören wir im 14. Jahrhundert, daß Sie wegen Kriegsschulden Landbeden erhielten 9 ). Ohne Zweifel ist dies auch in den übrigen Herrschaften der Fall gewesen. Da die Landbeden aber nur gelegentlich und nur aushülfsweise gezahlt wurden, indem der Fürst grundsätzlich aus seinem Domanium die Kosten des Landesregiments zu bestreiten hatte, mußten die Fürsten aller mecklenburgischen Teilherrschaften zu zahllosen Veräußerungen und Verpfändungen von ganzen Ämtern, von Dörfern und nutzbaren Herrschaftsrechten greifen. Diese Veräußerungen und Verpfändungen Scheinen in der Hauptherrschaft Mecklenburg nach dem Mißlingen der nordischen Großmachtbestrebungen gegen Ende des 14. Jahrhunderts besonders umfangreich gewesen zu sein 10 ).

Die Herzogin Katharina, welche für ihre minderjährigen Söhne Heinrich IV. und Johann V. von 1424-36 die Vormundschaftsregierung führte, Scheint mitsamt ihren Räten diesen Mißständen durch geordnete Verwaltung einen gewissen Einhalt geboten zu haben 11 ). Aber unter Heinrichs IV., des Dicken, leichtsinniger, verschwenderischer und fehdenreicher Regierung (1436 bis 1477) waren die Verhältnisse Schlimmer denn je. Nicht nur unzählige einzelne Nutzungen und Einkünfte als Zölle, Orbören, Beden, Pächte und ganze Dörfer waren verpfändet oder veräußert, Sondern vor allem die meisten Ämter befanden sich in fremden Händen 12 ). Noch Heinrichs Enkel, Heinrich V., sagt einmal (1521), daß nahezu das ganze Land damals verpfändet gewesen wäre 13 ). Ähnliches berichtet auch der Geschichtsschreiber Nikolaus Marschalk 14 ). Auch von den wenigen, ihm noch verbliebenen Ämtern


8) Kirchberg bei Westphalen Monumenta inedita 1739 IV. S. 817, M. U.-B. 4314, 4426.
9) M. U.-B. 8561 (1359), 11 760, 11 761 (1386).
10) Über die Veräußerungen der ord. Bede im 14. Jahrh. vgl. Ihde, Amt Schwerin, Jahrbuch des Ver. f. mecklbg. Geschichte (Jb.) 77, Beiheft (Ihde) S. 32.
11) Ihre Landesregimentsordnung vom 6. Mai 1424, Geheimes und Haupt_Archiv Schwerin (S. A.) Regesten (Reg.), gedr. bei Sachsse, Mecklbg. Urk. u. Daten 1900 (Sachsse) S. 152/55. Die Urk. des 15./16. Jahrhundert sind nach wenig korrekten älteren Drucken abgedruckt. - Witte I. S. 244/45.
12) S. A., Landesteilungsakten vol. 11, Balck, Finanzverhältnisse in Mecklenburg-Schwerin I. 1877 S. 52-56.
13) S. A., Landesteilungsakten vol. 8.
14) Annales Herulorum et Vandalorum 1521 Buch VII Kap. 7.
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hatte Heinrich der Dicke wenig Nutzen 15 ). Bei der Abrechnung über die laufenden Einnahmen und Ausgaben blieb er den Amtsvögten erhebliche, sich ständig vergrößernde Summen Schuldig 16 ). Daran konnten auch die zahlreichen, während seiner Regierung wahrscheinlich hauptsächlich wegen Kriegsschulden erhobenen Landbeden wenig ändern. Sie waren oft noch gar nicht ganz eingelaufen, so schickte er schon an die Einwohner Briefe mit der Aufforderung, sie sollten ihm senden, was sie davon hätten. Seine Geldnöte waren aber zeitweise so groß, daß er sich Sogar an die Einnehmer wandte, bevor diese die Landbede überhaupt erhoben hatten, oder wenn von ihr nichts mehr da war. Sie mußten ihm dann selbst das Geld vorschießen oder, wenn sie selber nichts hatten, es für ihn mit größerem oder geringerem Erfolg zusammenborgen: "Do konde ik nicht mer lenen, den 10 mark", "Do nam ik, wor ik dat konde borgen, lenen unde sande eren gnaden 10 mark", "Do konde ik de [10 mark] nicht to hope bringen, so sende ik em de nicht", heißt es da z. B. in den Schloßregistern. Heinrich selbst konnte Darlehen nur mit Mühe und unter erniedrigenden Bedingungen erhalten 17 ). Auch die alten Chronisten schildern mit derben und drastischen Worten seine Schlemmerei und seine Geldnöte und erzählen von ihm bezeichnende Anekdoten. So berichtet der Lübecker Chronist Reimar Kock 18 ), er hätte in Seiner Jugend von Dienern Heinrichs des "Bauchigen" (de buckede) gehört, daß er mit allen umliegenden Fürsten gerne Fehden geführt hätte, solange bis daß er nicht einen silbernen Becher mehr hatte. Da hätte er sich von den Holzdrechslern in Banzkow hölzerne Schalen und Kannen anfertigen, anmalen und mit goldenen Blumen verzieren lassen. Diese Gefäße nannte er seine Banzkower Gläser. Das war sein Silbergeschirr! Der herzogliche Archivar Chemnitz berichtet in seiner Chronik 19 ), daß Heinrich es schließlich So arg getrieben hätte, daß Seine Söhne sich genötigt sahen, öffentliche Mandate anschlagen zu lassen, daß niemand sich hinfort unterstehen sollte, von ihrem Vater Güter an sich zu bringen, bei Verlust der Kauf- und Pfandsumme. Mag dies vielleicht auch etwas übertrieben sein, sicher ist, daß seine Söhne sich in den 60er und 70er Jahren verschiedene Ämter verschreiben ließen 20 ) und daß Hein-


15) Quellen für das Folgende: S. A., Schloßregister und Rechnungen, Rentereiregister, Regesten.
16) Beispiele bei Witte I. S. 272.
17) Witte I. S. 273.
18) Handschrift (alte Abschrift) im S. A. II S. 198/99.
19) Original-Handschrift (2. Hälfte 17. Jahrh.) im S. A. III S. 699/700.
20) Rudloff, Pragmatisches Handbuch der mecklbg. Geschichte 1786 II 2 S. 785/86, 810, 814.
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richs Treiben auch seinen Familienangehörigen zu toll wurde. Bezeichnend hierfür ist folgendes Schreiben, das Seine Gemahlin, die Herzogin Dorothea, an ihn richtete: ". . . Also uns juwe leve scrift, wo dat is umme dat gelt, zo wete juwe leve, dat gi vinden to Zwerin enen bref, den uns unse suster sande to Gustrouw, unde wi ene Katten deden, de ene juwer leve scholdeg nabringen. Alzo wi horen, so is he mede bleven to Zwerin; in deme breve vinde gi, wor sick juwe leve na richten mach. Vurder, leve here, werdet juwe borghn pantliken von unser suster inghemanet, unde wi de borghen tuvet unde beden hebben, dat se umme unser bede willen nicht inne reden synt. Hir umme, leve here, denket hir up alzo gi alderbest kone, dat gi dat gelt to hope krighen, dat deit juw not unde behof. . ." 21 ). Diese Herzogin Dorothea muß überhaupt, wie aus einigen Anzeichen hervorgeht, eine tüchtige, kluge und energische Frau gewesen sein. Sie war eben nicht umsonst eine Tochter Friedrichs I. von Hohenzollern, des ersten Kurfürsten von Brandenburg.

Der völlige finanzielle Zusammenbruch Mecklenburgs stand vor der Tür. Ihn verhütet und eine vollständige Gesundung der Finanzverhältnisse herbeigeführt zu haben, ist Magnus II. (1477 bis 1503) großes Werk. Denn die andern Brüder starben früh, und Balthasar († 1507) verschwindet völlig neben ihm. Seine Neffen, mecklenburgische Adlige und Hofbediente, sowie Nikolaus Marschalk bezeugen, daß Balthasar sich viel mehr der Jagd und der Klöster Ablager als des Landesregiments angenommen habe. Er war allezeit, wie es einmal heißt, ein "milder verthuenlicher fürst", d. h. er gab gerne Geld aus und machte viele Schulden 22 ). Kurz, er glich mehr Seinem leichtsinnigen und verschwenderischen Vater, während in Magnus Adern weit mehr das Hohenzollernblut Seiner tatkräftigen und energischen Mutter pulsierte.

Gleich bei Beginn seiner Regierung ließ Magnus zusammen mit Seinen Brüdern ein Mandat ergehen, in dem bekannt gemacht wurde, daß alle verpfändeten Ämter, Städte, Dörfer, Pächte und andere Nutzungen wieder eingelöst werden sollten. Alle Pfandinhaber wurden darin aufgefordert, binnen einer bestimmten Frist vor den Herzögen zu erscheinen, um durch Urkunden den rechtmäßigen Besitz der Pfandgüter zu beweisen und um die Pfand-Summe zurückzuerhalten. Ferner ließen die Herzöge ein Verbot


21) S. A., Korresp. Heinrichs IV., ohne Jahr, suster = Schwester, tuvet = tövet = aufgehalten.
22) S. A., Landesteilungsakten vol. 11 u. 13. Marschalk (s. Anm. 14) Buch VII Kap. 9. S. A., Reg. 15. VII. 1479, Rentereiregister 1494. Über Albrecht VI. (1477-1483) Vgl. Witte I. S. 279.
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ergehen, niemand Pacht oder Zinsen zu geben, der nicht durch Urkunden oder genügenden Beweis seine wohlerworbenen Rechte daran nachgewiesen hätte 23 ). Sicherlich kamen durch diese Maßregeln wieder so manche Güter und Gerechtsame in den fürstlichen Besitz, die während der allgemeinen Unordnung zur Zeit Heinrichs des Dicken von fremder Hand widerrechtlich in Besitz genommen waren.

Seit der Kolonisation hatte sich das Domanium ständig verringert. Es trat nun, wenn auch nicht ohne erhebliche Schwankungen, hierin eine rückläufige Bewegung ein. Dieses wichtige Mandat legte den Grund dazu.

Das Ziel seines Lebens war für Herzog Magnus, wie er einmal zum Abt von Doberan gesagt hatte, seinen Kindern ein [schulden-]freies Fürstentum zu hinterlassen 24 ). Daß er dieses Ziel erreicht hat, dafür zeugen zahlreiche eingelöste Schuldbriefe und Verschreibungen. Bei seinem Tode waren alle Ämter und wohl auch so gut wie alle andern Verpfändungen eingelöst. Ja, man hielt Herzog Magnus nicht ganz mit Unrecht für einen reichen Fürsten 25 ).

Somit ergibt sich mit voller Sicherheit, daß die Verschuldung des mecklenburgischen Fürstenhauses und des Landes, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein eigentlich den Angelpunkt der inneren Politik Mecklenburgs bildete 26 ), nicht in ununterbrochener Linie bis ins Mittelalter zurückreicht, Sondern in der Neuzeit nach Magnus II. Tod (1503) wiederum von neuem entstanden ist. Wie das kam und wer daran schuld war, Soll weiter unten noch dargelegt werden.

Es wäre naheliegend, anzunehmen, daß Magnus sein Ziel durch Übernahme der Schulden durch die Stände oder wenigstens durch häufigere Forderung von Landbeden zum Zwecke der allmählichen Schuldentilgung erreicht hätte 27 ). Dies ist aber nicht


23) S. A., Reg. [1477/90], 29. VIII. 1482, 30. XII. 1498.
24) S. A., Landesteilungsakten vol. 13 u. 16.
25) S. A., Landesteilungsakten vol. 11, 13, 16: Zeugenaussagen von 1523. Ein Zeuge weiß noch von ungef. 7 eingelösten Ämtern zu berichten. Insbesondere die recht fragmentarische Erhaltung der Rentereiregister gestattet es nicht, den Einlösungsvorgang genauer zu verfolgen. Vgl. auch Witte I. S. 279.
26) Rudloff (s. Note 20, III 2 S. 153) charakterisiert treffend die innere Geschichte Mecklenburgs der Neuzeit mit folgenden Worten: "Die vor uns liegende Periode, von einer fürstlichen Schuldentilgung zur andern, begreift eigentlich fast nur die Geschichte der einzelnen Thaler, die aus den Händen der Landstände in die der fürstl. Gläubiger, durch Capitulation übergiengen."
27) Vgl. dazu Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat 1912 S. 130-35, 140, 153, 163.
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der Fall. Von den zehn während seiner Regierung erhobenen Landbeden ist nur die Landbede von 1479 - vielleicht sogar nur die Hälfte davon - der fürstlichen Schulden wegen erhoben worden. Natürlich konnten mit dieser Landbede nur die allerdringendsten Schulden bezahlt werden. Wenn Magnus auf weitere Hülfe durch die Stände verzichtete, so geschah dies Sicherlich, weil er dadurch nicht in Abhängigkeit von ihnen geraten wollte. Das vertrug sich nicht mit seinem, wie wir sehen werden, sehr stark entwickelten Herrscherbewußtsein.

Magnus erreichte vielmehr sein Ziel durch eine geradezu geniale Finanz-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Regierungspolitik.

Ein Hauptübel der Regierung Heinrichs des Dicken, die verschwenderische Hofhaltung, beseitigte er bereits im ersten Jahr seiner Regierung, indem er mit seinem Bruder Albrecht 1477 einen Vertrag über die möglichste Vereinfachung des gemeinsam zu führenden Hofhaltes schloß. Der Landesteilungsvertrag von 1480 war glücklicherweise nur eine Episode, da Albrecht schon 1483 starb und die gemeinsame Regierung und die vereinfachte und geordnete Hofhaltung mit Balthasar andauernd weiter bestand 28 ). Dem durch die unaufhörlichen Kriege und Fehden mit den Nachbarstaaten und durch Raubzüge einheimischer und fremder Raubritter Schwer heimgesuchten und zerrütteten Lande suchte er die für den Wiederaufbau Mecklenburgs dringend nötige Ruhe und Sicherheit durch den Wilsnacker Landfrieden vom 29. Juli 1479 29 ) zu verschaffen. Die Fürsten von Mecklenburg, Brandenburg und Pommern vereinten sich hierin, tatkräftig unterstützt von ihren Städten, in gemeinsamer Sorge um die Verfolgung der Straßenräuber und um die Befriedung der Straßen. Freilich blieb es hierbei zunächst mehr bei dem guten Willen der Fürsten 30 ). Eine nachhaltige Besserung konnte auch hier nur die Zeit bringen. Und doch war dieser Landfriede von großer Bedeutung dadurch, daß von jetzt ab die nicht minder verderblichen gegenseitigen Kriege und Fehden der genannten Fürsten aufhörten, entsprechend ihrer bereits am 27. Juli 1479 abgeschlossenen eidlichen Vereinbarung, alle gegenseitigen Streitigkeiten nicht gewaltsam, Sondern rechtlich auszutragen 31 ). Im Interesse der Ruhe und Sicherheit ihres Landes mußten die Fürsten ja auch ihrem Adel erst Selbst mit guten Beispielen vorangehen.


28) S. A. Urk. Hausverträge 1477, 1480 (gedruckt bei Sachsse S. 174/78), 1494.
29) Riedel, Cod. dipl. Brandbg. B. V. S. 305/08, C. II. S. 236/38.
30) Witte I. S. 278, 293/94.
31) Riedel, Cod. dipl. Brandbg. B. V. S. 303/05.
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Bereits um 1478 schritt Magnus zu der besonders wichtigen und noch für die Gegenwart grundlegenden Neuordnung der Verwaltung, insbesondere der Finanzverwaltung.

Unter Herzog Heinrich dem Dicken wie unter seinen Vorgängern herrschte eine vollständige Dezentralisation der Verwaltung des Landes 32 ). Die einzelnen Vogteien waren selbständige Wirtschafts- und Verwaltungsbetriebe, die keiner zentralen Verwaltungsbehörde untergeordnet waren 33 ), Sondern unmittelbar unter der Person des Fürsten Standen. So gibt der Herzog selbst den Befehl zur Einnahme der außerordentlichen Landessteuer, er rechnet in den meisten Fällen selbst ab, Seltener läßt er abrechnen mit den Vögten oder Geldeinnehmern über die Geldeinkünfte. Die Kanzleibeamten, Vögte, Zöllner, Pfarrer, Räte, Adlige usw., die dabei zugezogen werden, sind nur Beauftragte oder technische Hülfskräfte und Zeugen des Vorganges 34 ). Der Herzog selbst


32) Quellen für das Folgende s. Anm. 15.
33) Auch nicht der Kanzlei oder dem Rate der Fürsten wie in der Mark Brandenburg: Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter 1908 S. 409/12, 419/21; Schapper, Die Hofordnung von 1470 und die Verwaltung am Berliner Hofe z. Zt. Kurfürst Albrechts, Veröff. d. V. f. Gesch. d. Mark Brdbg. 1912 (Schapper) S. 94/98. Vgl. noch Anm. 34.
34) Der Herzog rechnet "durch" oder "vermittelst" der Kanzleibeamten oder - was viel Seltener vorkommt - durch andere Personen (Zöllner, Adlige, Pfarrer, Räte), die betr. Personen "wegen" des Herzogs mit den Vögten ab. Als Zeugen treten Räte unter Heinrich IV. seltener auf, meist sind es benachbarte Vögte, Zöllner, Vogteischreiber, Geistliche, Kanzleibeamte, gelegentlich Söhne des Herzogs, Bürgermeister und Stadtschreiber von kleinen Landstädten, doch Sind auch verschiedentlich keine Zeugen genannt. - Unter der Regierung der Herzogin Katharina treten Räte, d. h. einige Mitglieder des Landregiments, als Zeugen mehr hervor, wenn auch fast ebensoviel Abrechnungen vorliegen, bei denen keine Zeugen genannt sind. Über die Verhältnisse im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts läßt Sich bei der Dürftigkeit des Materials nichts Genaueres aussagen. Nach M. U.-B. 8263 und 12 447 könnte es so aussehen, als wenn im 14. Jahrhundert die Räte zusammen mit den Fürsten eine "Art Aufsicht" über die Vogteien ausgeübt haben. S. Rudloff, Das landesfürstliche Beamtentum Mecklenburgs im Mittelalter, Diss. Kiel 1910 (Rudloff), S. 34. Doch kann dies durch die besonderen Umstände Verpfändung der Vogtei Schwerin (Ihde S. 5), Einsetzung einer Statthalterschaft über das Land Stargard, seine Erklärung finden. - Die Abrechnungen erfolgten an dem Ort (Vogtei, Kloster, Stadt), wo der Herzog gerade weilte, nicht an bestimmten Orten oder in der Kanzlei. Dagegen fand in der Mark Brandenburg bereits seit etwa 1340 trotz des wandernden Hofes die Rechnungslegung fast regelmäßige in der Kanzlei des Spandauer Schlosses statt". Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 419/20. - Abrechnungen aus dem 15. Jahrhundert, besonders aus der Zeit Heinrichs IV., sind in den Schloßregistern des S. A. in größerem Umfang erhalten.
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empfängt das Geld. So befahl Herzog Heinrich IV. auch ausdrücklich den Vögten und Einnehmern, daß sie niemand, der nicht eine mit dem Siegel des Herzogs versehene Anweisung brächte, Geld aushändigen sollten 35 ). Da der Herrscher besonders durch die zahllosen Fehden, Streitigkeiten und Rechtshändel fast dauernd in Anspruch genommen war und keine ständige Residenz hatte, so gab es keine regelmäßige Abrechnung und Kontrolle der Ämter und keine ordentliche Übersicht über Einnahmen und Ausgaben. Es wurde zwischen Herzog und Vögten oder Einnehmern nicht regelmäßig oder jährlich zu bestimmten Terminen, sondern nur nach Amtszeit des Vogtes oder über eine beliebige Reihe von Jahren oder Monaten gelegentlich abgerechnet. Nur einige wenige Gefälle, insbesondere Zölle und einige Einkünfte der Schweriner Vogtei, scheinen für die dringendsten und persönlichen Bedürfnisse der Fürsten reserviert gewesen zu sein 36 ). Sie gingen an die wenig umfangreiche Hofhaushaltskasse 37 ).

Eine Zentralkasse für alle Einnahmen des Landes, also eine Landeshaushaltskasse, eine Rent(er)ei, gab es bislang nicht 38 ). Die Geldeinkünfte der Ämter wurden nicht mit einem Male abgeliefert, sondern teils von den Vögten an Ort und Stelle für verschiedene Bedürfnisse der Vogtei oder des gerade auf kürzere oder längere Zeit dort verweilenden Hofstaates ausgegeben, teils ließ sie der Herzog, wenn er auf anderen Vogteien weilte, allmählich in kleineren Beträgen durch Anweisungen für sich abheben. Auch Kaufleute und Handwerker erhielten für ihre Forderungen Anweisungen auf ein Amt. Ebenso erfolgten Einlösungen von verpfändeten Gütern und Nutzungen durch die Vogteien. Irgendwelche Register, welche die Einnahmen des ganzen Landes jährlich verzeichneten, gab es nicht. Es liegt auf der Hand, daß diese für


35) S. A. Reg. 23. II. 1454. Dies galt auch für die Kanzleibeamten, s. z. B. S. A. Reg. 14. X. 1462.
36) S. A. Urk. Hausverträge von 1477, 1494, Rentereiregister 1478.
37) Sie wurde früher durch den Kämmerer (Kammermeister) verwaltet und berechnet, Rudloff S. 14; freilich Einkünfte der "Hausgüter" (!) und Steuern hat er sicher nicht berechnet! Der letzte dieser alten lehnsrechtlichen Kammermeister war Otto Viereck, der von 1424-49 sehr häufig begegnet. Hernach hat wahrscheinlich die Kanzlei die Hofhaushaltskasse verwaltet.
38) Wittes Ansicht I. S. 271/72, 298, daß unter der Regierung der Herzogin Katharina eine "Art Zentralverwaltung" bestand, halte ich nicht für zutreffend. Die wenigen vor Heinrichs IV. Zeit erhaltenen Schloß-Register und Rechnungen beweisen nur die Dezentralisation der Finanzverwaltung, wie übrigens auch die Regimentsordnung der Herzogin von 1424 (s. Anm. 11). In M. U.-B. 7988 (1354) deutet nichts darauf hin, daß die Tonnen mit Geld aus einer Zentralkasse stammen.
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die Zeit einer vorherrschenden Naturalwirtschaft charakteristische in der Hauptsache auf Treu und Glauben angelegte, völlig planlose Wirtschaft "von der Hand in den Mund" schon an und für sich nicht von Vorteil für die Einkünfte war. So dürfen wir uns denn nicht wundern, wenn bei den Abrechnungen der Herzog den Vögten noch beträchtliche Summen hinzuzuzahlen hatte.

Um einen Überblick über die Einnahmen des Landes zu haben und vor allem um für die geplante Einlösung der versetzten Ämter, Dörfer und Nutzungen die erforderlichen größeren Geldsummen zur Verfügung zu haben, galt es Vorkehrung zu treffen, daß der größte Teil der Geldeinkünfte von den einzelnen Vogteien mit einem Male an eine Zentralstelle abgeführt wurde. Diese Zentralstelle war zunächst die Vogtei Schwerin. Gegen Ende des Jahres 1478 (vom 21. November ab) liefen dort plötzlich Einkünfte (Pächte, Zölle, Brüche usw.) aus allen Gegenden Mecklenburgs in großen Beträgen ein 39 ). Aber die von dem Schloß- (Vogtei-) schreiber (wahrscheinlich einem Pfarrer) geführte Kasse der Schweriner Vogtei hat nur vorübergehend die Funktion einer Zentralkasse gehabt. Soweit die recht fragmentarisch erhaltenen Rentereiregister und die Register und Rechnungen der Vogteien erkennen lassen, wurde der größte Teil der Geldeinkünfte der Vogteien mit Wahrscheinlichkeit bereits von 1480 ab, mit Sicherheit 1489 an die herzogliche Kanzlei alljährlich zu bestimmten Terminen (gegen Ende des Jahres: Martini - Nicolai) abgeliefert. Die Verwaltung der Zentralkasse und die Führung der entsprechenden Register wird zunächst wohl Kanzleischreibern oder Sekretären obgelegen haben. Bereits von 1480 ab Scheint der aus Waltershausen bei Gotha stammende Kanzleisekretär Johann Tigeler die Register der Zentralkasse geführt zu haben 40 ). Diese Funktion behielt Tigeler bei, als er an Stelle Thomas Rhodes 1486 Kanzler wurde. Er war also noch Kanzler und Rentmeister zugleich oder, wenn wir uns modern ausdrücken, Ministerpräsident und Finanzminister in einer Person. Als Tigeler im Laufe des Jahres 1493 in den Ruhestand trat und seine Stelle der Nürnberger Dr. Anthonius Grunwald einnahm


39) Wenn 1373 (M. U.-B. 10 424) die Schweriner Vogtei aus einigen andern Vogteien größere Summen empfängt, so wird dies wohl nur eine vorübergehende, durch besondere Umstände, insbesondere infolge der Höhe der von der Vogtei Schwerin geleisteten Zahlungen verursachte Erscheinung gewesen Sein, denn in den hernach von 1409 ab in größerem Umfange erhaltenen Schweriner Schloßregistern fand Sich vor 1478 etwas Ähnliches nicht.
40) Der Kanzleischreiber oder Sekretär Laurentius Stoltenborg, Kleriker des Havelberger Stifts, scheint von 1481 ab mit ihm in der Registerführung abgewechselt zu haben.
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(-1501), wurde ein besonderer Rentmeister in der Person des Klaus Trutmann 41 ) berufen. Wie Tigeler stammte er aus Waltershausen und war sicherlich durch diesen nach Mecklenburg gekommen. Er verwaltete von jetzt ab bis 1512 die Zentralkasse, die Rent(er)ei oder, wie sie in der Regel genannt wurde, die Kammer, und führte die Register, wenn auch verschiedentlich Kanzleischreiber oder Sekretäre ihn hierbei vertraten oder unterstützten.

Ein besonderer, dem Rentmeister unterstellter Rentschreiber (Später auch Kammerschreiber genannt) begegnet uns zuerst 1506. Es war dies Trutmanns Neffe Balthasar Rotermund 42 ). Er stammte aus Waltersleben bei Erfurt und wurde Später Trutmanns Nachfolger (1512-19). Hernach (1523-51) war er Rentmeister Heinrichs V. 1519 wurde als gemeinschaftlicher Kammermeister (identisch mit Rentmeister) der mecklenburgische Adlige Jürgen Fineke bestellt (-1522). Johann Bullenberg aus Wismar war von 1523-35 Kammerschreiber bzw. Rentmeister Albrechts VII. Er war der erste bürgerliche Rentmeister. Um die Mitte des Jahrhunderts begegnet uns noch ein adliger Rentmeister (Sigmund von Esfeld); alle folgenden Scheinen Bürgerliche gewesen zu sein.

Die Art der Besoldung der Rentmeister war dieselbe wie bei den Hofräten. Auch waren die Rentmeister verschiedentlich zugleich Hofräte (sicher Trutmann, Fineke, Esfeld).

Wie vorher schon der Kanzler Tigeler (im Jahre 1492), so hatte jetzt der Rentmeister den Herzögen über alle Geldeinnahmen und Ausgaben Rechenschaft abzulegen. Die Hofordnung von 1504 43 ) bestimmte es ausdrücklich, doch finden sich einige Hinweise, daß es bereits etwa 10 Jahre vorher der Fall war.


41) Mit dem Titel Rentmeister ist er mir am 10. XI. 1495 (S. A. Reg.), als Geldeinnehmer am 23. VII. 1493 (S. A. Steuerakten G. A. I A) zuerst begegnet.
42) Als "Rentschreiber" tritt er zuerst 1510 auf, doch empfängt er bereits 1506 Geld und gibt es aus. Die Ämter des Rentmeisters und des Kammerschreibers wurden in der Mark Brandenburg 1473 eingeführt, der Rentmeister war aber dort dem Kammerschreiber unterstellt. Schapper S. 98/119.
43) Diese wichtigste der mecklenburgischen Hofordnungen hat Kern, Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts 1905 (Kern), übersehen, da sie unter den Hausverträgen liegt. Die älteste mecklenburgische Hofordnung ist sehr wahrscheinlich 1493 aufgerichtet worden, der "Hausvertrag" vom 1. I. 1494 nimmt ausdrücklich Bezug darauf und stellt eine Ergänzung der eigentlichen Hofordnung dar. Auch der Hausvertrag von 1518 hat vielfach den Charakter einer Hofordnung.
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Die Abrechnung mit den einzelnen Vogteien erfolgte in den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts noch in der alten Weise, daß die Vögte den Herzögen unmittelbar Rechnung ablegten. Seit Anfang der 90er Jahre wird vermutlich die Abrechnung durch den Kanzler Tigeler vorgenommen sein. Nach der Einführung des Amtes des Rentmeisters wird diesem die Abnahme der Rechnung von den Vögten obgelegen haben, wie der Hausvertrag von 1518 ausdrücklich festsetzte 44 ). Auch setzt die Rechenschaftsablegung des Rentmeisters vor den Herzögen (1504 und früher) dies voraus. In den 80er Jahren bahnte sich die jährliche Abrechnung der Vögte an, wenn sich auch daneben noch Fälle finden, daß über eine Reihe von Jahren abgerechnet wird. Um die Jahrhundertwende wird die jährliche Abrechnung allgemein durchgeführt sein. Um diese Zeit wurde es auch üblich, über die Naturalhebungen der Vogteien abzurechnen 45 ). Dagegen ließ sich das alte System der Anweisungen auf einzelne Ämter und des Abhebens von kleinen Summen durch die Herzöge nicht so schnell beseitigen. Der "Hausvertrag" von 1494 und die Hofordnung von 1504 untersagten ausdrücklich diesen Mißbrauch. Noch bis ins 17. Jahrhundert hinein erhielten z. T. fürstliche Beamte ihre Besoldung nicht aus der Zentralkasse, sondern aus den Ämtern 46 ).

An Stelle der bis zu Heinrich des Dicken Tod üblichen Dezentralisation der Verwaltung ist die Zentralisation getreten. Diese Neuordnung der Verwaltung ist vor allem eine Neuordnung der Kanzlei. Erst seit Magnus Regierung erhält sie die überragende Stellung und wird zu dem Zentralorgan, durch das die meisten Angelegenheiten des Landes geregelt werden. Statt der alten lehnsrechtlichen Hofbeamten (Truchseß, Marschall, Kammermeister, Küchenmeister), aus denen noch bis gegen Mitte des 15. Jahrhunderts 47 ) der Fürst die führende Persönlichkeit seines Hofes nahm, ist nun der Kanzler der leitende Staatsbeamte, gleichsam der Ministerpräsident, geworden 48 ). Durch die neue


44) Sachsse S. 202.
45) Ihde S.100.
46) Ihde S. 97.
47) Über Matthias Axkow, Otto Viereck, Henning Warburg vgl. S. 110.
48) Im Gegensatz zu den brandenburgischen Verhältnissen unter dem Kanzler Sesselmann (1445-83) (Levinski, Die brdbg. Kanzlei und das Urkundenwesen während der Regierung der beiden ersten Hohenzoll. Markgrafen 1411-70, Straßburger Diss. 1893 S. 54/60; Priebatsch, Die brandenbg. Kanzlei im Mittelalter, Archivalische Zeitschrift N. F. 9. Bd. 1900 S. 13/15) sind die mecklenburgischen Kanzler von Tigeler - Caspar von Schöneich nach wie vor zugleich Leiter der Kanzlei gewesen. Die meisten Konzepte sind von ihnen selbst und nicht von Sekretären entworfen.
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zentralistische Verwaltungsorganisation, durch die vielen Streitigkeiten mit Mitgliedern der Stände um die Aufrichtung der Landeshoheit, durch die viel lebhafter werdenden Beziehungen zum Reich, durch die Einrichtung des Reichskammergerichts, durch die Rezeption des römischen Rechtes und durch die Gründung des ordentlichen Hof- und Landgerichts wurden Aufgabe und Arbeitslast der Kanzlei jetzt sehr gesteigert. insbesondere trat auch an Stelle der bislang überwiegend mündlich geführten Verhandlungen das schriftliche Verfahren. Die notwendige Folge war eine Vermehrung des Kanzleipersonals und vor allem (1493) die Berufung eines Rechtsgelehrten an die Spitze der Kanzlei, des Dr. der kaiserlichen Rechte Anthonius Grunwald, von dem auch eine bessere Organisation der Kanzlei nach brandenburgischem Muster durch Aufrichtung einer besonderen Kanzleiordnung (1493) geschaffen wurde. Die Anfänge einer allerdings noch nicht streng durchgeführten Geschäftsteilung zeigen sch bereits in den 80er Jahren, bis im Jahre 1493 für das Finanz-, Rechnungs- und Reisterwesen ein besonderer Rentmeister berufen wurde.

So gipfelte die Neuordnung der Finanzverwaltung vor allem im Rentmeisteramt. Die Amtsleute, Vögte und Küchenmeister der Ämter, die Vögte und Zöllner in den Städten sowie die Hofdiener waren nach den Rentmeisterbestallungen (1. erhaltene von 1546) dem Rentmeister unterstellt. Er hatte sie zu kontrollieren und von ihnen Rechenschaft abzunehmen. Zu Seiner Unterstützung wurden von den Herzögen Hofräte (z. B. der Hofmarschall) oder andere Hof- oder Lokalbeamte als "Beisitzer" verordnet, so daß die Abrechnung vor einer Kommission erfolgte, an deren Spitze der Rentmeister stand. Wenn im 16. Jahrhundert die Abrechnung nach den Ordnungen und Bestallungen auch in Gegenwart des Herzogs erfolgen konnte, so Scheint dies in Praxis immer weniger vorgekommen zu sin. Der Rentmeister hatte Mißstände dem Herzog zur Anzeige zu bringen; war der Herzog außer Landes, so hatte der Rentmeister selbständige Verordnungsgewalt und die Strafgewalt über Beamte, die sich Unregelmäßigkeiten hatten zuschulden kommen lassen. Ferner hatte er auf ordentliche Amtshaushaltung, -Verwaltung und -wirtschaft zu achten. Schließlich war der Rentmeister noch für die pünktliche Zinszahlung und Kapitalkündigung, insbesondere bei fürstlichen Schulden, verantwortlich, Soweit dies nicht seit 1555 Sache der Stände war. Ein Voranschlag wurde anscheinend zuerst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts z. Zt. des Rentmeisters Andreas Meyer gemacht. Etwa um diese Zeit dürfte auch die Renterei von der Kanzlei abgetrennt

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sein 49 ). Dagegen stellte sie in der ersten Hälfte des Jahrhunderte noch keine selbständige Behörde dar, sondern gehörte zur Kanzlei 50 ).

Wir haben es hier also mit den Anfängen der Behördenorganisation, den Anfängen des Beamtenstaates, zu tun. Der Rentmeister Klaus Trutmann war einer der ersten mecklenburgischen Beamten in modernem Sinne; er war auch einer der ersten Laien in der Kanzlei, denn die Kanzler, Sekretäre und Schreiber waren bislang Geistliche gewesen 51 ). Erst vom 16. Jahrhundert ab begegnen uns Laien als Kanzler. Der erste war Caspar von Schöneich aus Sorau i. d. Niederlausitz (1507-47). Sein Vorgänger und Oheim Brand von Schöneich (1502-1507) war noch Geistlicher. Die tieferen Gründe für diese Wandlung liegen in der zunehmenden Entklerikalisierung der Weltanschauung 52 ).

Im engen Zusammenhang mit dieser Zentralisation der Landesverwaltung steht auch die Tatsache, daß bereits unter Magnus' Regierung eine gewisse Tendenz zu festen Residenzen sich ausbildete; denn "ein wandernder Hof kann nicht viele Rechnungssachen mit sich Schleppen" 53 ). Noch Heinrich der Dicke "zog unstät von einer seiner Vogteien in die andere" 54 ). Unter Magnus Regierung begegnen uns bereits Kanzleien zu Schwerin (1487) und Güstrow (1496). Die Hofordnung von 1504, die zwar erst nach Magnus' Tod (1503) aufgerichtet ist, aber sicher auch Verhältnisse unter seiner Regierung wiederspiegelt, enthält folgende wichtige Bestimmungen: "Die furstyn und frochen (= Fräulein = Prinzessinnen) Sollen zusampt irn juncfrawen bleiben am fürstlichen hoffe oder an enden, dahyn [sie] von beiden fursten verordent sein und also on beider furstn wissen und verlob auf keyn ampt oder schloß zihen. .... Jtem die fursten wollen an dreyen enden, do sie steten hoff zu halten vor daß best angesehen haben, nemlich zu Swerin, Gustrow und zu Stargard, rauchfueter zu quiten oder hufschlag zu geben nicht verpflicht seyn . . . . . ."


49) S. A., Besoldung und Bestallung der Rentmeister, desgl. der Hof- und Staatsdiener überhaupt, Besoldungsregister 1587.
50) Trutmann war übrigens 1501/02 zugleich Vizekanzler, als nach Grunwalds Tod das Kanzleramt eine Zeitlang unbesetzt war.
51) Über eine Ausnahme im 14. Jahrhundert vgl. Rudloff S. 21. Über Trutmann vgl. noch S. 118/19. Der erste Laie in der Kanzlei Ende des 15. Jahrhunderts war wahrscheinlich der Schreiber Kersten Berskamp (1491); 1495 war er Küchenmeister in Schwerin.
52) In der Mark Brandenburg setzt diese Bewegung beträchtlich früher ein. Priebatsch, Brdbg. Kanzlei S. 7/8, 12/15; Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 124.
53) Schulte, Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen Geschichte 1921 S. 14.
54) Witte I. S. 272.
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Freilich, bis sich die Tendenz endgültig durchsetzte, dauerte es noch geraume Zeit: Wenn auch die Fürsten im 16. Jahrhundert längere Zeit im Jahr in den genannten Schlössern verweilten, so wanderten sie doch für ihre Person und mit dem Hof bis hoch in das Jahrhundert hinauf. Besonders ist dies der Fall bei Ulrich von Güstrow (1555-1603). Doch war es für die allgemeine Landesverwaltung von geringerer Bedeutung, da die zentrale Behörde - Kanzlei einschließlich Renterei - schon früh (Seit Wende des 15. zum 16. Jahrhundert) sich in der Hauptsache an festen Plätzen (Schwerin und Güstrow) befand. Auch das Ende der 90er Jahre des 15. Jahrhunderts gegründete ordentliche Land- und Hofgericht, in dem unter dem Vorsitz der Herzöge von den Land- und Hofräten Rechtshändel und alle möglichen, die Fürsten, das Land und die Leute betreffenden Angelegenheiten in der Regel zweimal jährlich zu bestimmten Terminen (Michaelis und acht Tage nach Trium Regum) behandelt wurden, wanderte nicht mit dem Hofe. In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts schwankte der Tagungsort dieser ordentlichen "gemeinen offenen Rechtstage" (auch "Umschläge" und inkorrekt "Landtage" genannt) zwischen Güstrow, Wismar, Rostock, Schwerin und Neubrandenburg 55 ). Später fanden sie regelmäßig zu Wismar und Güstrow statt 56 ).

Auch die ersten bescheidenen Ansätze zu einer neuzeitlichen Finanzordnung des Staates, nämlich zur Scheidung des Landesvermögens von dem landesherrlichen Vermögen, begegnen uns unter Magnus' Regierung. Es finden sich jetzt bereits die Anfänge einer fürstlichen Privatschatulle. Der "Hausvertrag" von 1494 bestimmte nämlich, daß jeder der beiden Fürsten von den Schloß- (Vogtei-) Schreiber zu Schwerin vierteljährlich 50 rheinischen Gulden, "ob uns zu offergeld oder sust zu massen wes


55) Rostocker Stadtarchiv (Ro. A.), Korrespondenz mit den Landesherren, Accise, Kämmerei-, Schoßrechnungen. - über das Hofgericht im 14. Jahrhundert S. Rudloff S. 85/88; Lisch, Jb. 11 S. 490/92. Auch im 15. Jahrhundert hören mir von einem sitzenden Gericht oder Hofgericht (z. B. Lisch, Urkundl. Geschichte des Geschlechtes von Oertzen 1847 II 2 S. 50 (1424), verschiedentlich 1491 ff.: S. A. Reg. 28., 29. X" 8. XI. 1491; Lisch, Urk. Sammlung zur Geschichte des Geschlechts von Maltzan 1842 (Lisch, Maltzan) IV. S. 209/10; Ro. A. Urk. Verträge 6. XII. 1492; S. A. Stadtakten Rostock, Landgüter [Differentiae, Vergleiche] 1494 ff.), aber weder in diesen Nachrichten, noch in den Registern des S. A. und Ro. A. fand sich ein Anhalt, daß dieses Hofgericht regelmäßig und an bestimmten Terminen abgehalten wurde. - Das Gerichtswesen des 15./16. Jahrhunderts bedarf im übrigen noch eingebender Untersuchungen.
56) Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände bis 1555, 1856, S. 144. Dieses Hof- und Landgericht hat sich bis ins 19. Jahrhundert hinein gehalten. Jb. 14 S. 115.
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behuf und notorftich weren", also für seine täglichen, privatesten Bedürfnisse (Trinkgelder, Opfergelder, Spielgelder) gleichsam als Taschengeld erhalten sollte. Außerdem wird in den Rentereiregistern von 1480 ab einige Male Herzog Magnus "eigen geld" erwähnt. In der Hofordnung von 1504 wurde die Summe, welche die beiden Fürsten "zu teglicher notdorft und kurtzweyle" empfangen sollten, auf 400 rh. G. jährlich erhöht. Herzog Balthasars Gemahlin erhielt jährlich 200 rh. G.

Auch sonst tritt in dieser Zeit eine strengere Scheidung von Hofhaushalt und Landeshaushalt zutage, indem in Mecklenburg zuerst seit Anfang der 90er Jahre des 15. Jahrhunderts ein Hofmarschall (auch Hofmeister oder Marschall genannt) als reiner Hofbeamter, der nur den Fürsten verpflichtet ist, auftritt. Er übte im Namen des Herzogs die Leitung und Aufsicht über den Hofhaushalt und über das Hofgesinde aus, war Führer der Hofjunker, für die Innehaltung der Hofordnung und für den "Burgfrieden" verantwortlich, hatte auf Zucht, Ordnung und Sparsamkeit zu sehen und wöchentlich über die Ausgaben des Hofhaushaltes abzurechnen. Die Hofmarschälle waren zugleich Hofräte, und zwar naturgemäß stets "tägliche" oder "wesentliche", d. h. dauernd am Hofe befindlich. Sie hatten dieselbe Funktion und Art der Besoldung wie die Hofräte 57 ). Der erste mecklenburgische Hofmarschall war Jörg Biswang, er begegnet uns mit Sicherheit zuerst am 8. Oktober 1493 58 ), seine Heimat war Franken oder Schwaben, und noch 1488 stand er im Dienste Johann Ciceros von Brandenburg 59 ). Der zweite mecklenburgische Hofmarschall war von 1502 ab Aschwin von Schwichel, aus braunschweigischem Geschlecht. Hernach - wahrscheinlich seit 1509 - begegnet er uns als Hofmeister der Herzogin 60 ). Auch diese Hofmeister der fürstlichen Gattinnen waren zugleich Hofräte. Joachim Hahn (1509-13) war der erste einheimische Hofmarschall 61 ). Im


57) S. A. Regesten; Familien-Urkunden; Bestallung der Schwerinschen Hofmarschälle und Untermarschälle, dsgl. der Hofmeister bei den fürstlichen Gemahlinnen; Hofordnung von 1504: Hausvertrag 1518 bei Sachsse S. 202/03; Kern S. 185 ff. fVgl. noch S. 115.
58) S. A. Reg. Doch erscheint bereits vom 10. XI. 1490 ab in den Rentereiregistern einige Male ein Marschall. In Brandenburg wird ein Hofmeister zuerst 1317 erwähnt. Spangenberg Hof- und Zentralverwaltung S. 55.
59) Priebatsch, Politische Korrespondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles 1893 III. S. 426 Anm.; Jb. 64 S. 198; S. A. Fam.-Urk. Schönfeld. Bereits die Hofordnung von 1504 erwähnt einen Hofmeister der Herzogin "auß anzcal de junckern".
60) S. A. Fam.-Urk. Schwichel, Gutsurk. Beseritz.
61) Lisch, Geschichte und Urkunden des Geschlechtes Hahn 1844 III. S. 138. Sein Vorgänger scheint Rudolf von Bünow gewesen zu sein.
(  ...  )
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16. Jahrhundert finden sich fremde und einheimische Hofmarschälle und Hofmeister in bunter Reihe.

Die alten lehnsrechtlichen Marschälle (Erbmarschälle des Landes zu Mecklenburg, Wenden, Stargard), später (Erb-) Landmarschälle genannt, welche ursprünglich neben der militärischen Funktion die beim Hofmarschall genannten Aufgaben des Hofdienstes mit erfüllt hatten 62 ) waren bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vom Hofe zurückgetreten. Ihre Hoffunktionen sind in dieser Zeit wahrscheinlich durch andere leitende Hofbeamte, z. B. durch den Schweriner Amtmann und Vogt Matthias Axekow, durch den Kammermeister Otto Viereck (am Hofe Katharinas und Heinrichs IV.) und am Stargarder Hof durch den Küchenmeister Henning Warburg mitverwaltet worden. Die alten Erbmarschälle bleiben aber nach wie vor die Führer, Leiter und Bannerträger des Aufgebots der Lehnsmannen, bis dieses im 16. Jahrhundert endgültig zu Grabe getragen wurde. Dagegen erscheinen sie fernerhin noch bei Huldigungen und vor allem als Wortführer der Stände auf den Landtagen. So wurden sie im Laufe der Zeit zu reinen Landmarschällen, also in der Hauptsache zu Organen der Landstände. Ihre wie der Landräte alte persönliche Verpflichtung gegen den Fürsten verblaßte immer mehr. Sie wurde zwar noch im Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 hervorgehoben, war aber tatsächlich nur formeller Art 63 ).

Als Gehülfen der Erbmarschälle bzw. der Hofmarschälle begegnen uns im 14. und im 16. Jahrhundert Futter- oder Untermarschälle 64 ).

Zu der Neuordnung der Finanz-, Landes- und Hofverwaltung trat auch unter Magnus' Regierungszeit die grundsätzliche Neuordnung der Regierung des Landes.


(  ...  ) Lisch, Maltzan IV. S. 375 (1507).
62) Vgl. Rudloff S. 16/20. Doch kann ich ihm darin nicht zustimmen, daß die Funktion des "Erbmarschalls" seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gegenüber der des "Marschalls" ein "neues Amt" darstellt. Dasselbe Amt ist vielmehr erblich geworden. Es hat in Mecklenburg, wie bereits Hegel (Mecklbg. Landstände S. 22) richtig erkannt hat, nie Ministeriale gegeben; Seit der Kolonisation herrschte ununterbrochen das Lehnswesen. Vgl. Anm. 69. Der Erbmarschall bzw. sein Amt ist als hogeste marschalk, overste marschalkampt (vgl. Küster, Jb. 74 S. 122) im Gegensatz zum Unter- oder Futtermarschall bezeichnet worden. Die Repräsentation bei Hofe hat der Marschall als Inhaber eines Hofamtes sicher genau so wie der Erbmarschall gehabt, vgl. nostre curie marschalki (1345) Rudloff S. 16!
63) Sachsse S. 491.
64) M. U.-B. 11 107, 13 673; Note 57. Im 14. Jahrhundert waren sie Lehnsleute, im 16. Jahrhundert bürgerliche Beamte.
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Bislang hatten die mecklenburgischen Fürsten die laufenden Regierungsgeschäfte mehr oder minder unvollkommen und unregelmäßig selbst oder unter Zuziehung ihrer "Räte" erledigt. Es waren dies zum geringeren Teil solche Personen, die in der Regel dauernd am Hofe waren und sich dort eines besonderen Ansehens erfreuten, wie der eine und der andere der lehnsrechtlichen Hofbeamten (Küchenmeister, Kammermeister, Marschall) oder Angehörige der Kanzlei (Kanzler, Protonotare, gelegentlich auch Sekretäre und Schreiber) 65 ). Zum größten Teil aber waren es angesehene und einflußreiche Mitglieder der Stände, die gelegentlich und nach Bedarf auf kürzere oder längere Zeit von ihren Wohnsitzen an den Hof berufen wurden. Neben den Lehnsmannen, die zu allen Zeiten in Mecklenburg den meisten Einfluß hatten, spielten die seit den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts dauernd zu den ständischen Versammlungen hinzugezogenen Prälaten im 15. Jahrhundert eine bedeutende Rolle als Räte. Gelegentlich, und zwar schon früh (seit dem 13. Jahrhundert), begegnen uns auch Ratsherrn von Rostock und Wismar unter den Räten. Freilich waren sie infolge der mehr oder minder stark an Autonomie angrenzenden besonderen Stellung der beiden Seestädte wie den Ständen, so auch den Räten nicht eingeordnet, sondern nur beigeordnet.

Eine feste Organisation dieses Rates nach Art eines geschlossenen Kollegiums oder einer Behörde gab es entgegen Radloffs Behauptung nicht 66 ). Es wurden außer den dauernd am Hofe befindlichen Räten in der Regel nicht alle Räte berufen, Sondern nur eine beliebige Zahl von denen, die in der Nähe des Ortes wohnten, wo der Fürst gerade Hof hielt, oder Solche, die er für besonders geeignet zur Beratung der betreffenden Fälle hielt. Diese von ihren Wohnsitzen herbeigerufenen Räte erhielten kein Gehalt, sondern nur Verpflegung ("Futter und Mahl") für sich und ihre Knechte und Pferde, solange sie am Hofe weilten. Es war ihre lehnsrechtliche, durch einen besonderen Ratseid noch stärker betonte Ehrenpflicht, ihren Lehnsherren Rat zu erteilen. Gleichzeitig waren sie aber auch die maßgebenden Führer und Vertreter der Stände. Von Anfang an bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus nahmen die Räte in Mecklenburg diese Zwitterstellung als "Mitgliedmaßen gemeiner Landschaft und fürstliche Verwandte" (1552) 67 ) ein. Als Anerkennung für langjährige treue Ratsdienste


65) Für das 13./14. Jahrhundert vgl. Rudloff S. 26 und 30.
66) S. 31. Rat ist identisch mit Räte! Im übrigen vgl. Anm. 69.
67) Hegel S. 138. Derselben Ansicht ist für die Mark Brandenburg - wenigstens hinsichtlich der "Landräte" - auch Spangenberg,
(  ...  )
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erhielten sie vielfach von den Fürsten weltliche oder geistliche Lehen. Auch die dauernd am Hofe befindlichen Räte empfingen keine Besoldung, sondern freie Verpflegung, Wohnung und Kleidung am Hofe, außerdem bei Antritt ihres Dienstes Lehngüter oder Pfründen oder eine Antwartschaft darauf. Die Kanzleibeamten werden überdies noch gewisse Sporteln erhalten haben. Es hat in Mecklenburg bis gegen Ausgang des Mittelalters entgegen anderweitigen Annahmen und Behauptungen 68 ) nur einen gleichförmigen, in fester Form durch besonderen Ratseid und durch die Ernennung zu consiliariis in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts begründeten, in seinen Keimen aber weiter zurückreichenden "Rat" gegeben 69 ). Die "Räte" des Mittelalters sind, wie von den Verhältnissen des 15./16. Jahrhunderts aus angestellte Rückschlüsse und Rückblicke ergeben, im wesentlichen - wenn wir von der in der Neuzeit immer Schwächer werdenden persönlichen Verpflichtung gegen den Fürsten absehen 70 ) - identisch mit den Landräten der Neuzeit und ihre unmittelbaren Vorläufer 71 ). Von einem bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurückreichenden grund-


(  ...  ) Hof- und Zentralverwaltung S. 69 und Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 64. Hartungs Einwände dagegen: Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart 1914 (Hartung) S. 26, halte ich, wenigstens was Mecklenburg betrifft, nicht für zutreffend.
68) Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 88, 112; Radloff S. 32. Wenn die Räte gelegentlich als secretarii und einmal als sworen rad bezeichnet werden, so rührt das daher, daß sie nach dem ältesten erhaltenen Landratseid (1577, S. A., Landratsakten) sich eidlich verpflichteten, die ihnen anvertrauten "Geheimnisse" niemand zu offenbaren. Bei der Urk. von 1369 (M. U.-B. 9875) haben wir es mit der im Mittelalter beliebten Häufung von Ausdrücken für einen Begriff zu tun.
69) In Mecklenburg erfolgte ebensowenig wie in andern ostdeutschen Territorien gegen Ende des 13. Jahrhunderts ein Bruch mit der Vergangenheit durch Einführung des neuen Beamtentums der Ministerialen und durch Einführung eines "neuen", sich aus Ministerialen zusammensetzenden Rates, während dieses in Brandenburg der Fall war, Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 20/32. Ministeriale hat es in Mecklenburg, wie gesagt, nie gegeben. Vgl. Anm. 62. Im übrigen begegnen uns in den Zeugenreihen der Urk. der letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderte vielfach dieselben Lehnsmannen als consiliarii, die in den vorangehenden Jahrzehnten als vasalli, milites usw. als Zeugen auftreten. - Besser als die leicht irreführende kollektive Bezeichnung "Rat" ist der identische Begriff "Räte".
70) Vgl. Hegel S. 138/39.
71) Beide haben nie ein Kollegium gebildet, nie Besoldung, sondern nur Naturalverpflegung bzw. Diäten für die Zeit ihres Ratsdienstes erhalten, beide sind lebenslänglich bestellt worden.
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sätzlichen Unterschied zwischen den am Hofe lebenden und den auf dem Lande oder in den Städten ansässigen Räten, wie es Spangenberg für Brandenburg annimmt 72 ), ist in Mecklenburg im Mittelalter nichts zu spüren; selbst bis weit in die Neuzeit hinein sind die Grenzen verschiedentlich noch flüssig gewesen 73 ). Hegels für das 13. Jahrhundert geprägter Satz: "Hofdienst und Lehndienst bildeten noch keinen Gegensatz" 74 ) gilt in Mecklenburg bis in den Anfang der Neuzeit hinein. Die Räte, welche jahrelang am Hofe weilten, traten beim Eintritt in den Ruhestand infolge ihrer Lehen oder Pfründen in die Reihe der übrigen Räte ein.

An der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert begegnen uns zum ersten Male wirkliche Hofräte 75 ) in Mecklenburg, d. h. solche Räte, die als Berufsbeamte lediglich dem Fürsten verpflichtet waren. Es waren dies vor allem Gelehrte, Juristen.

In gewisser Hinsicht wenigstens waren schon früher die Kanzleibeamten und die Prälaten infolge ihrer höheren, die der anderen Räte weit überragenden Bildung gelehrte Räte, aber sie waren noch in der Regel Theologen. Wenn einmal ein Rechtsgelehrter (Nikolaus Reventlow, Licentiatus in decretis bzw. in iure canonico, magister) als Kanzler (1417-28) auftritt, so ist dies noch eine Ausnahme. Jedenfalls ist von einer Tendenz der mecklenburgischen Fürsten, Juristen zu Leitern der Kanzlei zu bestellen, bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts nichts zu spüren. Der erste, der die Reihe der juristisch gebildeten mecklenburgischen Kanzler eröffnete, war Dr. Anthonius Grunwald. Die Übergangszeit zeigt sich darin, daß er und sein Nachfolger Brand von Schöneich noch von Haus aus Geistliche waren. Beide wurden nämlich noch mit geistlichen Lehen (Pfründen) ausgestattet. Obwohl es Juristen besonders infolge der Gründung der Universität Rostock (1419) im


72) Hof- und Zentralverwaltung S. 88, 112.
73) Der Kanzler Kaspar von Schöneich unterschrieb die Union von 1523! Sachsse S. 216. Hofmarschälle oder Hofräte sind im 16./17. Jahrhundert vorher oder nachher Landräte, z. B. Joachim Hahn, Lisch, Geschichte u. Urk. d. Geschlechtes Hahn III. S. 127 ff., Joachim Bassewitz und Vicke von Bülow, S. A., Bestallung und Besoldung der Hofräte, Bestallung und Besoldung der Hof- und Staatsdiener überhaupt 1603.
74) S. 57.
75) Die Bezeichnung "hausrethe", identisch mit "Hofräten", ist mir zuerst in der Hofordnung von 1504 begegnet. Die Bezeichnung Landräte 1484/85 in der Form consiliarii terrarum et dominorum bzw. consiliarii terre Mekelnborch als gleichzeitige Dorsalregistraturen von Hand des Rost. Stadtschreibers auf Urk. Nr. 4 u. 5 bei Hegel S. 156/57. Bei Nr. 5 ist das Jahr falsch angegeben, es muß 1484 heißen, da Weihnachtsstil.
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Lande gab, wurden sie vor Magnus' Zeit nur sehr selten zu Regierungshandlungen herangezogen 76 ).

Zum ersten Male sind unter Magnus' Regierung Professoren der Universität Rostock neben den Landständen 1481/82 in Magnus' Streit mit der Stadt Rostock um die Zahlung der Bede als Schiedsrichter herangezogen worden 77 ). Hernach begegnen uns verschiedentlich neben den Landräten und Mitgliedern der Stände bei Streitigkeiten der Herzöge mit Rostock, mit Adligen, mit benachbarten Fürsten usw. fremde, insbesondere aber einheimische Rechtsgelehrte. Es waren entweder Professoren der Rostocker Universität oder rechtsgelehrte Prälaten 78 ). Von dieser anfangs wohl nur gelegentlichen und noch ungeregelten Inanspruchnahme der Juristen bis zur persönlichen, regelrechten und dauernden Verpflichtung des einen oder des andern von ihnen durch besondere Bestallung zum Hofrat auf Grund von Dienstvertrag, Eidesleistung und Reversausstellung war nur ein Schritt. Der erste mecklenburgische Hofrat ist wahrscheinlich der aus Lübeck stammende Rostocker Professor Dr. und Lizentiat in beiden Rechten und Magister Liborius Meyer gewesen, der in den 90er Jahren verschiedentlich im Dienste der Herzöge auftritt 79 ). Bei Beginn des 16. Jahrhunderts spielten als Hofräte Kaspar von Schöneich, der spätere Kanzler, und der Rostocker Professor Nikolaus Marschalk eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig und in der Folgezeit begegnet noch eine ganze Reihe von meist fremden gelehrten bürgerlichen Hofräten. Daneben treten aber bereits adlige nicht gelehrte Hofräte auf 80 ). Der erste von ihnen scheint Sigismund von Witzleben (1507 ff.) gewesen zu sein; er war wohl wie Marschalk Thüringer. Neben solchen fremden adligen Hofräten kommen aber seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer mehr einheimische Adlige als Hofräte vor.


76) Ein Beispiel (1443) in Rostocker wöchentl. Nachr. und Anz. 1756 S. 25/27.
77) Ro. A., Korresp. mit Wismar; Hegel S. 151. Wahrscheinlich stammt auch das lat. Rechtsgutachten von [1482] (S. A., Stadtakten Rostock, Onera) über die Frage, ob Rostock verpflichtet ist, Steuern zu zahlen, von einem Angehörigen der Universität.
78) S. z. B. Lisch, Maltzan IV. S. 218.
79) 1490 wird er als cancellarius (Jb. 61 S. 70), 1493 als secretarius (S. A. Reg. 29. IX. 1493), 1492-97 verschiedentlich als "Rat" bezeichnet, d. h. er versah Hofratsdienste in der Kanzlei. Frühling bis Herbst 1493 war er Rektor der Univ., wie vorher 1478 und 86 und nachher 1497, Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock 1889 I. S. 204b. 207, 245, 266, 286; Krabbe, Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert, 1854, S. 241/44.
80) S. A., Bestallung und Besoldung der Schwerinschen bzw. Güstrowschen Hofräte, Kanzler, Rentmeister.
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Alle diese Hofräte - gleichgültig ob Gelehrte oder Adlige - zerfielen in zwei Unterabteilungen, in "wesentliche" oder "tägliche" Hofräte, d. h. solche, die dauernd am Hofe waren, und in Hofräte "von Haus aus", die auf Anforderung der Herzöge von ihren innerhalb oder außerhalb Mecklenburgs gelegenen Wohnsitzen vertragsgemäß teils so oft es die Herzöge verlangten, teils nur einige wenige Male im Jahr an den Hof eilten, um ihrer Ratspflicht zu genügen. Teilweise haben auch die Hofräte von Haus aus ihre Gutachten nur schriftlich dem Hof übermittelt.

Die Art der Bestallung und Besoldung war für alle diese und auch für die übrigen Hofräte (Kanzler, Sekretäre, Hofmarschälle, Hofmeister, Rentmeister) in der Hauptsache dieselbe. Sie wurden auf Grund von gegenseitig halbjährlich kündbaren Dienstverträgen unter Reversausstellung und Eidesleistung auf ein oder mehrere Jahre angestellt. Verschiedentlich wurden sie auch bei besonderer Bewährung nach einer Reihe von Dienstjahren zu lebenslänglichen Diensten verpflichtet. Als Besoldung erhielten sie ein festes, meist recht hohes Jahresgehalt, "Sold, "Jahrgeld", "Dienstgeld", "Dienstsold" genannt. Daneben bekamen sie freie Wohnung und Verpflegung für sich, ihre Knechte und Pferde, wenn sie am Hofe waren, sonst wurden ihnen Naturalien geliefert; auf Reisen standen ihnen Zehrungskosten zu. Im 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigen sich aber noch Übergangserscheinungen und Anklänge an die Entlohnung der alten "Räte". Es erhielten nämlich alle Arten von Hofräten für ihre geleisteten und noch zu leistenden Dienste häufig weltliche oder geistliche Lehngüter oder die Anwartschaft darauf, einzelne Nutzungen, ja sogar ganze Ämter als "Gnadenlehen" auf Lebenszeit, z. T. sogar erblich. Hatten sie diese Güter in Besitz genommen, so fielen die Soldzahlungen fort. Aber schon früh, seit dem zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts, tritt eine gewisse Tendenz zutage, die Anrechte auf Güter abzulösen durch Vorbehalt des Rückkaufs, durch höhere Soldzahlungen oder durch Gewährung von beträchtlichen Summen von "Gnadengeldern" oder "Verehrungen". In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hat sich diese Tendenz im allgemeinen bereits durchgesetzt. Die Herzöge wählten solche, wie gesagt, vielfach fremde und bürgerliche Hofräte, weil sie über eine höhere, den veränderten Zeitverhältnissen entsprechende Bildung verfügten, und um Berater zu haben, die von den Ständen unabhängig waren.

Diese gelehrten und landfremden Hofräte verdrängten allmählich die Landräte vom Hofe und von der Behandlung der laufenden Regierungsgeschäfte. Die Landräte wurden immer mehr auf die Beratung der grundlegenden verfassungsmäßigen

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Handlungen auf den Landtagen beschränkt. Bereits um 1544 versuchten die Herzöge an Stelle des den Herzögen unbequemen Land- und Hofgerichts, in dem Landräte neben gelehrten Räten als Beisitzer tätig waren, ein lediglich aus Juristen bestehendes Kammergericht einzuführen. Aber dies scheiterte an dem Widerstand der Stände 81 ). Doch wurden die Landräte, wie schon früher die Landmarschälle, im Laufe der Zeit zu bloßen Organen der Landstände.

Bereits durch die Hofordnung von 1504 wurde eine straffere Organisation für die Behandlung der laufenden Regierungsgeschäfte durch die Hofräte eingeführt 82 ). Die dauernd am Hofe befindlichen und die von ihren Wohnsitzen herbeigerufenen Hofräte 83 ) sollten danach täglich zu bestimmten Stunden "an eyne bequeme stedt dor zu verordent" tagen, um alle Angelegenheiten der Herzöge, des Hofes des Landes und der Untertanen "zuvorhoren, zuberatschlagen, zuantworten, beizulegen, zuvortragen und zurichten", ohne daß die Herzöge ständig dabei zugegen zu sein brauchten. Der Hausvertrag von 1518 bestimmte bereits genauer, daß die laufenden Regierungsgeschäfte durch den Kanzler, den Hofmarschall und zwei Hofräte erledigt werden sollten 84 ). Nach der Hof- und Regierungskanzleiordnung von 1537 sollten Kanzler, Hofmarschall, Hofmeister und etliche stets wesentlich am Hofe befindliche Gelehrte täglich zu bestimmten Stunden sich in der Ratsstube versammeln, die Briefe und Händel vorlesen, beratschlagen, sich über einen billigen Bescheid vergleichen und diesen durch einen Sekretär schriftlich verfassen lassen. So entwickelte sich nach und nach ein festes Hofratskollegium, das immer weiter ausgebaut wurde 85 ), bis im 17. Jahrhundert aus der Zahl der Hofräte einige wenige herausgehoben und zu einer übergeordneten, zentralen, kollegialen Landesbehörde ("consilium formatum", "collegium"), dem "Geheimen Rat" 86 ), zusammengefaßt wurden, der späterhin durch das moderne Ministerium ersetzt wurde.


81) Ro. A., Landtagsakten vol. I . Instruktion für den Güstrower Landtag 1544. Vgl. Hegel S. 144/45.
82) Über die Verhältnisse in Brandenburg vgl. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 35; Schapper S. 183.
83) So möchte ich die nicht ganz klare Stelle der Hofordnung: . . "derhalben wollen die fursten, daß ir furstlichen gnaden hausrethe zur zceit ym hoffe und vom lande bewegten zukommen teglich . . . . bey eynander und zusammen finden und vorfugen," auslegen.
84) Sachsse S. 203.
85) In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begegnen Kriegsräte und Kammerräte, im 17. Jahrhundert Kanzleiräte usw.
86) Hauptarchiv Neustrelitz, undatierte Geheime Ratsordnung des Herzogs Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow (1654-95). Einzelne Geheime Räte kommen geraume Zeit früher vor.
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Nicht nur ein Reorganisator der Verwaltung und Regierung war Magnus, sondern auch ein großer Wirtschaftspolitiker.

Wir sehen, daß zum ersten Male ein mecklenburgischer Fürst größere Wirtschafts- und Handelsunternehmungen treibt und die natürlichen wirtschaftlichen Kräfte und die Güter und Produkte seines Landes selbst möglichst vorteilhaft zu verwerten sucht, ja geradezu als Unternehmer und Kaufmann auftritt.

Am Anfange von Magnus' neuzeitlicher Wirtschaftspolitik stehen seine allerdings wenig glücklichen Versuche und Bestrebungen zur Durchführung einer territorialen Grenzzollpolitik. Wohl schon auf Antrieb von Magnus, der wahrscheinlich durch das brandenburgische Vorbild angeregt war, hatte sich Heinrich der Dicke vom Kaiser auf dem Reichstage zu Regensburg 1471 neue Landzölle zu Ribnitz und Grevesmühlen verleihen lassen. Neuartig war an diesen Zöllen, daß sie nicht mehr wie die mittelalterlichen bloße Gebühren waren, sondern bereits moderne Finanzzölle, deren Erträge für öffentliche Zwecke, nämlich für die Befriedung der Landstraßen, bestimmt wurden. Ferner sollte das ganze Zollwesen eine neue Grundlage erhalten, indem an Stelle der vielen Binnenzölle einige Grenzzölle treten sollten. Mit Brandenburg wurden auch wichtige Vereinbarungen getroffen (1473, 1477), wobei z. T. Mecklenburg führend war. Dagegen entstanden hinsichtlich der Ribnitzer und Grevesmühlener Zölle Verwicklungen. Lübeck war vom Kaiser von dem Zoll befreit worden, die Landstraßen wurden von den Kaufleuten fast gemieden, Rostock und Wismar führten ihre Güter über See aus. Auf Betreiben von Magnus erlangte daraufhin Heinrich der Dicke vom Kaiser ein neues Privileg zur Errichtung neuer Wasserzölle zwischen Wismar und der Insel Poel und zwischen Rostock und Warnemünde (1475). Da schlossen Rostock und Wismar zur Abwehr dieser Zölle eine Einung (Vertrag) ab, und so wurde der Wasserzoll bereits 1476 gegen Zahlung einer Geldsumme durch Rostock aufgehoben. Der Streit um den Landzoll zog sich noch längere Zeit hin, wurde mit andern Streitpunkten (Landbede, Strandgut, Jagd) verknüpft und fand wie diese erst durch den Vertrag vom 15. August 1482 seine Erledigung. Rostock wurde gegen Zahlung von Abstandsgeld auch von den neuen Landzöllen befreit 87 ). Auch mit seinen Versuchen, die Elbzölle zu Boizenburg und Dömitz (1490 ff.) und die Land-


87) Ro. A., Zoll, Korresp. mit Wismar; S. A., Verträge mit Rostock; S. A. Reg. 1476. Koppmann, Geschichte der Stadt Rostock, 1887, S. 37/38, 40. Witte I. S. 274/75, 281/82. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 455/57. - Auch Wismar wird durch Zahlung von Geldsummen sich die Befreiung von den Zöllen erworben haben.
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zölle an den märkischen Grenzen zu erhöhen bzw. neu zu errichten, scheint Magnus wenig Erfolg gehabt zu haben 88 ).

Schon früh erkannte er das Lohnende des eigenen Getreidehandels, der unabhängig war von Zwischenhändlern und von den Seestädten Rostock und Wismar. Als seine Absichten, über See hinweg Korn nach Holland zu verschicken, an dem Widerstand der Seestädte und der benachbarten Fürsten scheiterten (1486-91) 89 ), erreichte er sein Ziel auf dem Wege der Flußschiffahrt, indem er die Elbe sowohl stromauf- als stromabwärts benutzte. 1492 ließ er in Hamburg Roggen durch seinen Grabower Vogt verkaufen. Derselbe sollte auch 1494 Nachrichten über Kornpreise in andern Handelsstädten einziehen. Da wies ihn der Vogt auf Magdeburg 90 ). Offenbar folgte Magnus diesem Hinweis, denn um 1498 sehen wir größere Handelsunternehmungen in der Magdeburger Gegend im Schwange 91 ). Seinen alten Plan, mit Holland eigenen Kornhandel zu treiben, verlor er nicht aus den Augen. Er erreichte sein Ziel gleichfalls unter Benutzung der Elbe. Bis zu seinem Tode ließ er mindestens ein Jahr ums andere Roggen dorthin schicken im Mindestbetrage von 6-700 G. 92 ).

Auch den Holzreichtum seines Landes suchte er unmittelbar auszubeuten, indem er nach Hamburg und Magdeburg in den Jahren 1495-99 teilweise zusammen mit seinem Rentmeister Klaus Trutmann einen Bretterhandel betrieb, worüber beide sich freilich eine Zeitlang entzweiten 93 ).

Aber nicht nur seine eignen Wirtschaftserzeugnisse suchte er selbst möglichst vorteilhaft außerhalb Landes zu verkaufen, er trieb auch Handel mit Produkten, die er selbst erst auskaufen mußte. Als er merkte, daß es beim Heringshandel etwas zu verdienen gab, da trieb er ihn bis weit nach Mitteldeutschland hinein; selbst bis Erfurt versandte er die Tonnen (1498). Auch hier suchte er durch seine Beauftragten möglichst gute Absatzgebiete zu erkunden. Sein Rentmeister Klaus Trutmann, der den


88) Witte I. S. 297/98.
89) Witte I. S. 296/97. Doch hören wir hernach noch von erneuten Versuchen: Ro. A., Korrespondenz m. d. Landesherrn 24. V. 1492, wo Bemühungen Magnus', durch einen Schiffer Korn westwärts zu verschiffen, erwähnt werden. Noch 1503 wollte er von Rostock aus Roggen nach Amsterdam schicken. Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 109.
90) S. A. Rentereiregister. Witte I. S. 297.
91) S. weiter unten und S. 119.
92) S. A., Landesteilungsakten vol. 12 und 18, Rentereiregister 1504/05, wo ungefähr 700 G., die aus Dordrecht für verkauften Roggen kommen, gebucht sind.
93) S. A., Rentereiregister 1495 und 1498, Rentmeisterakten. Magnus hatte gegen Trutmann die Anschuldigung erhoben, daß er sich zu Hamburg Bretter angeeignet hätte, die dem Herzog gehörten.
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wirtschaftlichen Sinn seines Herrn teilte und durch selbständige Handelsunternehmungen es zu Wohlstand brachte 94 ), wies seinen Herrn auf den gewinnbringenden Speckhandel hin. Herzog Magnus könne in Mecklenburg ein Schiffspfund (280-300 Pfund) Speck wohl für 3 Gulden kaufen; da der Zentner zu Magdeburg 2 Gulden 1/2 Ort (1/8 Gulden) gelte, so sei guter Vorteil dabei 95 ). Das erlöste Geld aber verwandte Magnus, um möglichst billig allerhand Waren einzukaufen. So kaufte er von dem Hamburger Brettergeld vor allem Silber in Leipzig für seine Münze, auch Zeug und andere Waren (1495). Von dem Geld, das in Magdeburg einkam, wollte Trutmann an Ort und Stelle Salpeter einkaufen (1498), und von dem Erlös des Roggens, den Magnus 1503 von Rostock aus nach Amsterdam schicken wollte, sollten daselbst Tuchstoffe und andere Bedarfsgegenstände eingekauft werden 96 ). Wenn wir ferner gelegentlich hören, wie er über Lübeck und Rostock Handelssperren verhängte, Kornausfuhrverbote erließ, für den einheimischen Bierhandel sorgte 97 ), den Städten Rostock und Wismar ein Ausfuhrmonopol für Hopfen und Hanf erteilen wollte (1499) 98 ), so wird klar, daß alle diese Bestrebungen doch mehr bedeuteten als bloße "tastende Versuche" 99 ). Es war etwas grundsätzlich Neues, wir stehen am Wendepunkt einer neuen Zeit. Diese war wirtschaftlich orientiert und suchte die inneren Kräfte des Landes zu heben und dem Staate dienstbar zu machen. Dagegen war die alte landhungrige Zeit in der Hauptsache auf die Vergrößerung und Abrundung des Landes bedacht gewesen. "Auf das Geschlecht der kühnen Kriegshelden des 15. Jahrhunderts


94) S. A., Stadturkunden Schwerin, Stadtverlaßbuch 1424-1597 fol. 49: Testament Trutmanns von 1517. In den 90er Jahren nahm ihm die Stadt Rostock Hopfen, mit dem er Handel betrieben hatte, fort. Darauf befehdete er die Stadt regelrecht und plünderte im Bunde mit herzoglichen Amtsvögten und mecklenburgischen Adligen Dörfer der Rostocker! S. A. Reg. 1498-99; Ro. A., Korresp. m. d. Landesherrn 1496-1503, Accisenrechnungen 1503/04. Lisch, Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Geschlechts Behr 1861 IV. S. 166/67. Bezeichnenderweise kennzeichnet der kaiserliche Kammerbote Trutmann als "rittersman". S. A. Reg. 6. VII. 1498. Trutmann ist der erste Handel treibende Adlige in Mecklenburg. Bernd Maltzan auf Wolde und Henning Holstein auf Ankershagen, die in der Sage als berüchtigte Raubritter "de böse Bernd" und "Henning Bradenkirl" fortleben, sind dann die ersten einheimischen Adligen, die einen Getreidehandel im Großen nach auswärts mit Hülfe der Flußschiffahrt betreiben. (1510 bis 1532.) Lisch, Maltzan IV. S. 405/6. S. A" Landtagsakten.
95) S. A., Rentmeisterakten.
96) S. A., Rentereiregister 1495, Rentmeisterakten, Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 109.
97) Witte I. S. 296, 298.
98) Ro. A., Korrespondenz mit Wismar.
99) Witte I. S. 298.
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folgten friedliche Fürsten, die von Krieg und Fehden nichts wissen wollten, sich statt dessen dem Innern Ausbau ihrer Territorien widmeten," sagt Hartung treffend in seiner deutschen Verfassungsgeschichte 100 ).

Bislang hatte das Schwergewicht der Wirtschaft Mecklenburgs in den Vogteien und vor allem in den Städten gelegen, die lauter kleine, streng voneinander abgeschlossene selbständige Wirtschaftskreise darstellten. Jetzt trat der Fürst auf den Plan. Er suchte die Isolierung dieser lokalen Wirtschaftsgebilde aufzulösen und die trennenden Linien zu beseitigen. Von dem Fürsten, also von oben her, sollte die Wirtschaft des ganzen Landes nunmehr nach einheitlichen Gesichtspunkten geleitet und gefördert werden. Die erste mecklenburgische Polizeiordnung stammt bereits aus dem Jahre 1516; sie enthält wichtige und einschneidende Bestimmungen über Wirtschaft, Handel, Verkehr, Verwaltung der Städte und des platten Landes 101 ). Die Städte kamen von der bisherigen Höhe herab und verloren an Bedeutung. An Stelle der reinen Vogtei- und Stadtwirtschaft trat in Mecklenburg seit den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts allmählich die Territorialwirtschaft, ja z. T. bereits die Volkswirtschaft, da sich Magnus' handels- und wirtschaftspolitische Unternehmungen teilweise weit über Mecklenburgs Grenzen hinaus erstreckten 102 ). Manche seiner Bestrebungen stellen geradezu den Anfang des Merkantilismus dar, da sein Hauptziel war, die wirtschaftliche Macht des Staates und nicht der einzelnen Stände zu stärken und im Interesse seiner Finanzen möglichst viel fremdes Geld ins Land hereinzuholen.

Von besonderer Wichtigkeit für die Umwandlung Mecklenburgs aus einem mittelalterlichen, locker, dezentralistisch organisierten Territorium zu einem neuzeitlichen, festgefügten, zentralistisch organisierten Staat sind Magnus' Bestrebungen zur Aufrichtung der Landeshoheit 103 ) gewesen.

Die mächtigen Seestädte Rostock und Wismar, die Geistlichkeit und einige mächtige Adelsgeschlechter, wie die Maltzans und Flotows, hatten unter Ausnutzung der finanziellen Nöte der mecklenburgischen Fürsten viele staatliche Hoheitsrechte auf dem Gebiete des Steuer-, Gerichts-, Kirchen-, Lehns- und Jagdwesens durch Privilegien oder durch Usurpation im Laufe der Zeiten an sich gebracht und sich dadurch mehr oder minder der fürstlichen Gewalt entzogen. Sie waren schon nahezu Staaten im Staate geworden,


100) S. 35.
101) Jb. 57 S. 279 ff.
102) Vgl. dazu von Below, Probleme der Wirtschaftsgeschichte 1920 S. 613/19. Doch möchte ich an dem Begriff Territorialwirtschaft festhalten, da in Mecklenburg das Neue entschieden überwog.
103) Eingehendes hierüber in meiner Dissertation.
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so daß der Staat ganz auseinanderzubrechen und in verschiedene autonome Gewalten, analog den süddeutschen Reichsstädten, Reichsrittern und -prälaten, sich aufzulösen drohte. Da hat Magnus mit starker Hand alle diese zentrifugalen Kräfte zu bannen und einer starken, zwingenden und übergeordneten Staatsgewalt zu unterwerfen versucht. Den echt mittelalterlichen Prinzipien der Vorrechte, der Selbständigkeit und Selbstherrlichkeit und des schrankenlosen Individualismus setzte er das neue Prinzip der Landeshoheit d. h. den Anspruch auf Durchsetzung einer unveräußerlichen, unteilbaren, obersten, zwingenden, allmächtigen Staatsgewalt entgegen. Dieser Obrigkeitsstaat, vertreten durch den Herrscher von Gottes Gnaden, wollte alle Staatsglieder als Untertanen ohne Rücksicht auf Sonderrechte und Sonderinteressen gleichförmig unterwerfen und zu einer organischen Einheit zusammenfassen 104 ). Den äußeren Anlaß hierfür bot auch in Mecklenburg das Bedürfnis, sämtliche Kräfte des Staates möglichst ungehindert für die Ordnung der Finanzen verwenden zu können 105 ). So sind Magnus' Bestrebungen zur Aufrichtung der Landeshoheit im Grunde genommen Bestrebungen zur Aufrichtung der Finanzhoheit gewesen. Bemerkenswert ist es, daß er Unterstützung fand bei den Landräten und bei den Ständen, die er als Schiedsrichter vielfältiger Streitigkeiten mit Rostock, mit den mächtigen Adelsgeschlechtern der Maltzans und Flotows und der Geistlichkeit benutzte. Mochten auch gelegentlich ihre eignen Rechte, wie die ihrer mit Magnus in Streit lebenden Standesgenossen, durch sein Vorgehen bedroht sein, so hatten sie sich doch wohl zu der Überzeugung durchgerungen, daß eine starke Hand notwendig sei, um Mecklenburg vor dem völligen Verfall zu bewahren. Wenn auch der Herzog durchaus nicht immer Erfolg hatte und es ihm vor allem nicht gelang, die Seestädte Rostock und Wismar seiner Landeshoheit zu unterwerfen und sie auf die Stufe der Landstädte hinabzudrücken 106 ), so vermochte er doch die widerspenstigen Gewalten so weit zu bändigen, daß ihrem Selbständigkeitstriebe Einhalt geboten und sie in gebührende Schranken zurückgedrängt wurden. Den wenigen, die etwa die Ansicht hegten, daß Magnus allzu streng gegen Mitglieder der Stände gewesen sei, konnte daher der Hamburger Geschichtsschreiber Albert Krautz, der 1503 die Leichenrede bei Magnus' Begräbnis hielt, mit Recht entgegenhalten, daß es Krankheiten gebe, die nur durch Eisen und Feuer geheilt werden


104) Vgl. Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 120/22, 27.
105) Vgl. Hartung S. 35.
106) Dies hat Witte I. S. 290/91 gegenüber Hegel S. 100/01 und der auf ihm beruhenden neusten Literatur (Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 161/63, Hartung S. 34) richtig erkannt und hervorgehoben.
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könnten. Was als Härte angesehen würde, sei eine Medizin gewesen, so daß jedes Glied zur Ordnung zurückgekehrt sei 107 ).

Wie kam nun Magnus zu all diesen neuartigen Bestrebungen? Handelte er aus eignem Antrieb oder war er mehr oder minder das Werkzeug seiner Ratgeber? Wenn auch die Quellen gerade aus seinen ersten Regierungsjahren recht lückenhaft sind, so kann man diese Frage wohl dahin beantworten, daß die meisten dieser Neuerungen wahrscheinlich seiner eignen Initiative entsprungen sind, da sie bereits während der Amtszeit Thomas Rhodes 108 ) einsetzten, der schon unter Heinrich dem Dicken Kanzler war. Vor allem wird dies der Fall sein bei Magnus' Versuchen zur Begründung einer territorialen Grenzzoll-, Wirtschafts- und Handelspolitik, bei seinen Bestrebungen zur Aufrichtung der Steuer-, Lohns-, Kirchen-, Gerichts- und Jagdhoheit und überhaupt der Landeshoheit. Im allgemeinen wird dies auch zutreffen bei der Einführung der Zentralisation der Verwaltung und des Finanzwesens, wenn man auch die Verdienste Tigelers und Trutmanns nicht zu gering einschätzen darf. Dagegen dürfte die Neuordnung der Kanzlei und des Hofhaushaltes in der Hauptsache auf Grunwalds Anregung zurückgehen. überhaupt muß man Tigeler, Grunwald und Trutmann rühmend nachsagen, daß sie es trefflich verstanden, die neuen Bestrebungen und Ideen folgerichtig weiter auszubauen und durchzuführen und um die eine oder andere Anregung zu bereichern.

Allerdings wußte sich Magnus von der größten, einem Herrscher drohenden Gefahr freizumachen, nämlich von einseitiger Beeinflussung durch seine Räte oder gar durch eine Hofclique. Dies bezeugt Reimar Kock, der erzählt, daß Magnus überall in Deutschland der kluge Herzog Magnus genannt wurde und die Angewohnheit gehabt habe, seine Räte, wenn ein jeder seine Meinung geäußert hatte, mit den Worten zu entlassen: "Wie danken juw juwes rades, wie raden nu vordom." In einem andern Punkte dagegen kann man Reimar Kock keineswegs beipflichten, wenn er angibt, daß Magnus an seinem Hof weder adlige noch Unadlige Ausländer hätte haben wollen 109 ). Es muß im Gegenteil betont werden, daß Magnus Gehülfen bei der Wiederaufrichtung und Neuordnung Mecklenburgs in der Hauptsache Nichtmecklenburger waren. Insbesondere waren es Mittel- oder Süddeutsche. Der Grund hierfür war vor allem der Umstand, daß


107) Vandalia 1519 Buch XIV, Kap. 33.
108) Er begegnet von 1461-68 als Schreiber, von 1469-70 als Sekretär, von 1471-86 als Kanzler.
109) II. S. 372/73.
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die mittel- und oberdeutsche Kultur, Bildung, Verwaltungs- und Regierungstechnik der norddeutschen durchaus überlegen war.

Freilich steht Magnus mit seinen modernisierenden Bestrebungen nicht allein da. In verschiedenen deutschen Territorien finden wir Gleiches oder Ähnliches. So wurde auch Magnus getrieben von den Strömungen der Zeit. Aber daß er ihren Wellenschlag verstand und mit ihm ging, das ist eben das Große an ihm. Manch anderer wäre wohl zurückgewichen vor all diesen revolutionären Bestrebungen, die radikal mit altem Herkommen und Brauch aufräumten.

Da Magnus 1462 zu den Räten Friedrichs II. von Brandenburg gehörte und auch sonst in den 60er und 70er Jahren häufig an dem Hofe der brandenburgischen Kurfürsten in der Mark oder in Franken weilte 110 ), so ist anzunehmen, daß er dort Anregungen empfangen hat. Es wurde ja auch die Verwaltung der Mark Brandenburg in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts von den fränkischen Besitzungen der Hohenzollern aus neu organisiert 111 ).

Wie vielleicht das moderne kollegiale Behördenwesen 112 ), so kann auch die moderne Zentralverwaltung und überhaupt das Prinzip der Zentralisation und Landeshoheit im 14./15. Jahrhundert von Frankreich und Burgund zunächst nach Süddeutschland gekommen sein. Letzten Endes dürfte dies alles in dem ersten modernen Staat, der Sizilianischen Monarchie des deutschen Kaisers Friedrichs II. (1212[15]-1250), sein Vorbild und seinen Ausgangspunkt gehabt haben. Überragende und tatkräftige Herrscherpersönlichkeiten, wie der Normanne Roger II. (1101-1154) und der Hohenstaufe Friedrich II., die eigentümliche staatsbildende Kraft der Normannen, arabische, indische und byzantinische Einflüsse und vor allem die Aufnahme des römischen Rechts ins Staatsrecht schufen dort in Sizilien einen straff zentralistisch organisierten, absoluten Obrigkeitsstaat. Diese, im 12. und 13. Jahrhundert in Sicilien einsetzende Bewegung wird nun gegen Ende des 15. Jahrhunderts - vielleicht getragen vom Humanismus - auch nach Mecklenburg gelangt sein. Es ist sicherlich kein Zufall, wenn das erwähnte Mandat Herzog Magnus aus dem Anfange seiner Regierung, das über die Antretung des urkundlichen Beweises für die Rechtmäßigkeit des Besitzes von fürstlichen Hoheitsrechten handelt in


110) Riedel A. XXIV. S. 184, B. V. S. 67, A. X. S. 307, B. V. S. 131, A. IV. S. 344, Priebatsch, Politische Korrespondenz I. S. 246. S. A., Rentereiregister 1479. 1470/71 unternahm Magnus zusammen mit Ulrich von Stargard eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Jb. 60 S. 144/45.
111) Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung S. 466, 468; Schapper S. 3/5, 44/45, 106/113.
112) Vgl. Hartung S. 44/45.
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der Constitutio de resignandis privilegiis Rogers II., Heinrichs VI. und Friedrichs II. sein Gegenstück hat 113 ). Römisch-rechtliche Bestimmungen und Vorstellungen sind sicherlich hier wie dort für die Abfassung dieses grundlegenden Gesetzes maßgebend gewesen.

Unter der Regierung des Herzogs Magnus erfolgte nämlich die Rezeption des römischen Rechtes, und zwar ins Staatsrecht. Wie erwähnt, ließ bereits 1482 Magnus ein hoch interessantes römisch-rechtliches Gutachten über die Bedepflicht Rostocks 114 ) anfertigen und in den folgenden Jahren begegnen verschiedentlich römisch-rechtliche Erachten und Prozeßakten über Streitigkeiten des Herzogs wegen Durchsetzung der Landeshoheit gegenüber Mitgliedern der Stände. Bezeichnend ist es, daß Magnus im Verlaufe des Rostocker Domstreites 1487 an die Stadt schrieb, daß sie durch ihre Frevel sich des "crimen lese maiestatis schuldig gemacht habe 115 ). Die Verhältnisse in Mecklenburg bestätigen, entgegen v. Belows Einwänden 116 ), Labands Ansicht 117 ), daß "die Entwicklung des absoluten Staates und die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland ein und derselbe historische Vorgang" sei, denn Magnus war der erste mecklenburgische Fürst, der entschieden absolutistische Tendenzen verfolgte. Auch ist während seiner Regierung von einem Widerstand der Gesamtheit der Stände nichts zu spüren.

Während in Brandenburg in der Hauptsache die militärische Macht der Hohenzollern, das Krachen der großen Geschütze, die neue Zeit einleitete und herbeiführte, hat Magnus mehr mit geistigen Waffen, mit Hülfe der neuen Kunst des römischen Rechtes, durch Verhandlungen und durch Benutzung der - in der Hauptsache durch ihn zu diesem Zweck geeinten - mecklenburgischen Gesamtlandstände als Richter über widerspenstige Ständemitglieder sein Ziel zu erreichen gesucht. Es führten daher seine Bestrebungen denn auch vielfach zu Kompromissen. Die große kriegerische Kraft und Tüchtigkeit, die so manchen seiner Vorfahren ausgezeichnet hatte, hat offensichtlich dieser hervor-


113) Casper, Roger II. und die Gründung der normannisch-sicilischen Monarchie 1904 S. 320/21. "Hierbei war ein wesentlicher Gesichtspunkt die Rückforderung unbedacht oder in der Not veräußerten Königsguts." Dasselbe war auch in Mecklenburg der Fall.
114) S. Anm. 77.
115) Ro. A, Domfehde 3. VIII. 1487. S. A., Stadtakten Rostock, Stadtsachen I. A. 5. VIII. 1487.
116) Die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland 1905 S. 54/57.
117) Die Bedeutung der Rezeption des römischen Rechts für das deutsche Staatsrecht (Straßburger Univ.-Rede 1880 S. 39, vgl. noch S. 27, 30, 37/39, 50/51.
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ragend wirtschaftlich veranlagten Persönlichkeit gefehlt. Dies beweisen u. a. seine militärischen Mißerfolge gegen Rostock und die Tatsache, daß er, wie sein Sohn Heinrich aussagte, wenig Geschütz besaß 118 ).

Alle seine Bemühungen gipfeln in dem Bestreben, den Staat von oben her straff zentralistisch zu organisieren und zu regieren. Die tieferen Gründe hierfür gehen aber nicht auf irgendwelche zufällige oder äußerliche Vorgänge zurück, sondern sie wurzeln tief in der Geistesgeschichte. Sie wurzeln in einer neuen Idee, in einer neuen, vor allem im römischen Recht vertretenen Auffassung vom Wesen des Staates und vom Herrscherberuf, nämlich im Gottesgnadentum.

Der zuerst durch Pippin den Kurzen bzw. Karl den Großen wohl unter Einfluß biblischer Vorstellungen ins deutsche Staatsrecht eingeführte Titel "von Gottes Gnaden" ist jetzt nicht mehr ein Zeichen der Demut des Herrschers gegen Gott oder gar eine bloße Formel, sondern er wird als Grundlage der Herrschaft aufgefaßt. Das theologische Gottesgnadentum entwickelt sich zum juristisch-staatsrechtlichen. Die Herrschaft ist nicht mehr "ein privatrechtlicher Besitz" der fürstlichen Familie, sondern ein direkt "von Gott übertragenes Amt", das den Herrscher hoch über die Untertanen emporhebt und zwingende Gewalt über sie verleiht, aber auch zu schwerer und verantwortungsvoller Pflichterfüllung zwingt 119 ). "Die Landesherrn sind von Gott eingesetzt, und zwar nicht, um für sich selbst etwas zu erstreben, sondern um für den gemeinen Nutzen ihres Volkes zu sorgen und um es zu beschützen, denn sie sind verpflichtet, Gott Rechenschaft abzulegen . . ." heißt es in dem erwähnten Rechtsgutachten von [1482] auf Grund des römischen Rechts und seiner Glossatoren.

So beginnt die bislang herrschende rein privatrechtliche Auffassung vom Staat sich in die öffentlich-rechtliche umzuwandeln. "Der Staatsgedanke ist das Neue, das im 15. Jahrhundert allmählich aufkommt" 120 ). Allerdings war dieser Staatsgedanke noch kein reiner, sondern durchaus an die Person des Herrschers gebunden.

Herzog Magnus hat nun nicht etwa lediglich die Technik, das äußere Gerippe, des modernen zentralistischen Obrigkeitsstaates übernommen, sondern ist auch in diese seine geistesgeschichtlichen Grundlagen eingedrungen und hat sie sich zu eigen gemacht. Zwar fand sich bislang noch nicht so ein geradezu klassischer Ausspruch wie der jenes absolutistischen Herzogs Rudolf IV. von Öster-


118) S. A., Landesteilungsakten vol. 6 und 13.
119) Vgl. Hartung S. 36.
120) Hartung S. 36.
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reich (1356-65), der erklärte, daß die Stellung des [von Gott] erleuchteten Fürsten hoch erhaben sei über den viehischen Unverstand seiner Untertanen 121 ). Aber verschiedene Äußerungen des Herzogs Magnus zeigen doch, daß die Idee des Gottesgnadentums. der Ausgangspunkt für seine Bestrebungen zur Aufrichtung der Landeshoheit war. So beanspruchte er 1482 das Recht auf Zoll und Strandgut, da es ihm von Gott gegeben und angeerbt sei 122 ), und dabei hatte Sein Ahnherr Fürst Heinrich Burwy I. bereits 1220 das Strandrecht als eine unmenschliche und abscheuliche, aus dem Heidentum stammende Sitte aufgehoben 123 )! Als die Rostocker 1483 die Einrichtung des Domstiftes ablehnten, da dies ihren Privilegien zuwider sei, erklärte Magnus, wenn sie ihn mit Gewalt von seinem Vorhaben, den Gottesdienst zu vermehren, abdrängen wollten, so wäre dies seiner fürstlichen Ehre und seinem von Gott gegebenen Stande zu nahe 124 ). 1485 hatte sich Rostock bei den Landräten beschwert, daß Magnus Rostocker Bürger zu Waren gefangen gesetzt hätte. Da Schrieb Magnus an die Landräte, es sei das sein Recht, da er von Gottes Gnaden Herr und Fürst seiner Lande und nicht den Rostockern rechenschaftspflichtig sei 125 ).

Woher stammt nun diese Idee des Gottesgnadentums und wie kam sie nach Mecklenburg? Genauere Darlegungen müssen für später vorbehalten werden, hier kann die Geschichte dieser Idee, die sich durch nahezu 4 Jahrhunderte verfolgen läßt, nur kurz skizziert werden. Soviel ist sicher, daß die Auffassung, die Macht und Herrschergewalt des Fürsten stamme von Gott her, keine germanische Staatsauffassung ist, denn am Anfang der deutschen Geschichte steht nach Tacitus Germania und nach andern Quellen bei den Westgermanen der Freistaat und bei den Ostgermanen der vom Volk erwählte, dem Volke verantwortliche und durch das Volk absetzbare Volkskönig. Auch die deutschen Kaiser und Könige waren im Grunde genommen bis gegen Ende des Mittelalters noch Volkskönige. Die Idee des Gottesgnadentums stammt vielmehr aus dem Orient. Wir finden sie zuerst mit Sicherheit in dem berühmten Gesetz des babylonischen Königs Hammurabi rund um 2000 vor Christi Geburt, ferner bei den Ägyptern 126 ), bei den


121) Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat S. 124.
122) Ro. A., Korrespondenz m. d. Landesherrn 24. III. 1482.
123) M. U.-B. 268.
124) S. A., Stadtakten Rostock, Stadtsachen I. A. 11. XI. 1483.
125) Ro. A, Domfehde 31. III. 1485. . . . "szo wy van den gnaden gadeß fursten unde heren unßerer lande sind, weß wy mid den unsen van Warne to donde hebben, den van Rostock dor nicht plichtich sind to to antwordende."
126) Hier findet sich die verwandte Auffassung des Gottkönigtums.
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Juden, auch bei den Chinesen und vielleicht schon bei den vielleicht gleichfalls mongolischen Sumerern. Das Gottesgnadentum dürfte aber wohl nicht rassenhaft, sondern anthropogeographisch zu erklären sein als natürliche Folgeerscheinung der "großen Räume", die eine starke Tendenz zur absoluten Regierung haben. Auch die besonders starken religiösen Impulse des Morgenländers werden zur Schaffung dieser Staatsauffassung erheblich beigetragen haben.

Mag man sich auch zu dem Gottesgnadentum stellen wie man will, so muß doch anerkannt werden, daß im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit die Aufnahme des Gottesgnadentums in seiner neuen staatsrechtlichen Bedeutung ein Akt der Notwendigkeit und für die Zeit etwas Segensreiches war. Jedenfalls bildete das Gottesgnadentum eine notwendige Übergangserscheinung, da es nur so möglich war, durch den nach der Auffassung jener Zeit von Gott übergeordneten Herrscher den Staat vor dem Zerfall zu bewahren und straff zu organisieren. Außerdem trug das Gottesgnadentum sehr wesentlich zur Veredlung des Herrscherberufs bei. Als im Verlaufe des Bedestreites die Stadt Rostock bat, sie bei ihren Privilegien und Gewohnheiten und bei ihrer alten Bedefreiheit zu lassen, erklärten Magnus und Balthasar: Sie wären Fürsten von Gottes Gnaden und wollten keine Privilegien oder Verschreibungen, durch ihre Vorfahren oder durch sie gegeben, brechen 127 ). Wie ein Fürstenwort aus dem Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus mutet uns Magnus Erklärung an, es gezieme sich für ihn als Fürsten des Landes, jeden, der in seinen Angelegenheiten verunrechtet würde, zu beschützen und ihm in seinem Rechte Beistand zu leisten 128 ).

Zusammenfassend können wir sagen, daß Magnus mit vollem Recht den Beinamen "der Große" verdient, den ihm sein Sohn Heinrich 129 ) und der Historiker Nikolaus Marschalk 130 ) beilegen. Zutreffend sagt sein Sohn Albrecht um 1523 von ihm, daß er es verstanden habe, Hofhaushalt und Nutzung des Landes so miteinander in Einklang zu bringen, daß er nicht nur alle Schulden tilgen, sondern noch Reichtum erwerben konnte, dessen Ruhm allgemein bekannt sei 131 ). Reimar Kock preist ihn mit folgenden Worten: "Bey düßes fürsten dage iß ein gülden tidt in sinem


127) Ro. A., Korresp. m. d. Landesherrn 24. III. 1482.
128) Ro. A., Akten, betr. die Streitigkeiten der Herzöge Magnus und Balthasar mit Rostock usw. 6. X. 1491.
129) S. A., Landesteilungsakten vol. 8 1521.
130) Annales Buch VII Kap. 8.
131) S. A, Landesteilungsakten vol. 12 und 13.
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lande gewesen, sehr gude münte, gath frede, nene schattinge und alle ding wollfeile" 132 ).

Während in der Neuzeit vielfach Fürsten unberechtigt künstlich zu Landesvätern idealisiert wurden, muß man auch darin Nikolaus Marschalk völlig beipflichten, daß Magnus ein wahrer Vater des Vaterlandes gewesen sei.

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Zum Schluß sollen noch kurz die Finanz- und Wirtschaftsverhältnisse unter Magnus' Söhnen betrachtet werden.

Als er im Jahre 1503 starb, hinterließ er seinem Bruder und seinen Söhnen ein blühendes Land und geordnete Finanzverhältnisse. Trotzdem kamen seine Nachfolger bereits wenige Jahre später nicht mehr mit den Einnahmen des Landes aus und mußten zu Darlehen greifen, wie uns die Rentereiregister zeigen. So weist die erste erhaltene Jahresabrechnung der mecklenburgischen Landeseinnahmen und -ausgaben von 1506 einen Fehlbetrag von rund 700 G. auf. 1508 belief er sich bereits auf rund 3600 G. In den folgenden Jahren nahm die Verschuldung weiter zu, so daß Heinrich V., der Friedfertige, beträchtliche Summen von der Mitgift seiner Gemahlin zuschießen mußte. 1515 erstreckte sich der Fehlbetrag schon auf rund 11 600 G., einschließlich ungefähr 6500 G., die Heinrich wieder von der Mitgift seiner Gattin zugebüßt hatte. Bezeichnend für die am Hofe herrschende Geldverlegenheit sind die Wahlsprüche, welche einige Rentereiregister dieser Zeit führen: Otto von Sebachs Register a. d. J. 1512 trägt den Kern-Spruch: "Frawen und bar gelt reigert die welt", und ein anderer Rechnungsführer seufzte: "Ich hätte gerne fel geltes van mynem gnedigen herrn und krige weynegh" (1514). Auch die Versetzung von Ämtern hatte wieder begonnen: 1505 waren Marnitz und Wredenhagen, 1508 Dömitz, 1514 Goldberg in fremden Händen 133 ). So kam es, daß sich 1517 die Herzöge eine ganze Landbede zur Tilgung der Schulden von den Ständen bewilligen lassen mußten.

Wie erklären sich nun diese nach dem glänzenden Aufstieg unter Magnus doppelt auffallende Schwierigkeiten? Auskunft darüber geben uns die Landsteilungsakten 134 ) und Rentereiregister. Schon Magnus' Begräbnis, das so prächtig gehalten wurde wie nie zuvor bei einem mecklenburgischen Fürsten, kostete viel. Herzog Balthasar, der mit seinem Neffen Heinrich zusammen bis 1507 regierte, hatte wieder beträchtliche Schulden gemacht.


132) II. S. 373.
133) Balck, Finanzverhältnisse I. S. 53, 54, 56.
134) Vol. 8, 12, 13, 16, 19.
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Herzog Erich verbrauchte viel Geld als Student in Bologna. Die Fehde mit Lübeck 1505 ff. und die an befreundete Fürsten zur Unterstützung gesandten Hülfstruppen waren durch Sold- und Schadengelder recht kostspielig. Ferner wurde viel Geschütz und Pulver angeschafft, und an den Ämtern und Festungen (Neustadt, Plau, Lübz) wurde viel verbaut. Auch der Aufwand der Hofhaltung an Kleidern und kostspieligen Gesandtschaften war sehr gestiegen. Vor allem aber hat Albrecht VII., der Schöne, durch großen Prunk und langjährigen Aufenthalt in fremden Ländern die Schulden verursacht. Erhielt er doch von 1513 ab jährlich 3400 G. Jahrgeld 135 ), wogegen sich Heinrich und Balthasar nach der Hofordnung von 1504 noch mit jährlich 400 G. begnügt hatten. Von 1507 bis 1519 hatte Albrecht im ganzen rund 24 000 G. erhalten, ungefähr soviel, als die Landbede brachte, die 1517 zur Deckung der Schulden gefordert werden mußte.

Was Heinrich anbetrifft, so muß man anerkennen, daß er wenig Aufwand trieb. Nach Reimar Kock 136 ) wurde er allerdings wegen seines unzüchtigen und bösen Lebenswandels damit von Gott gestraft, daß er ohne männliche Erben hinsterben mußte. Doch scheint dies übertrieben zu sein, wenn auch in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts in den Straßen Schwerins ein Spottlied von dem Gretlein mit dem Fingerhut gesungen wurde, womit Heinrichs Geliebte gemeint war, die Schwägerin des evangelischen Pfarrers in Schwerin Magister Egidius Faber 137 ). Heinrichs Angabe jedenfalls, daß Albrecht von 1510 ab allein mehr Geld verbraucht habe als er mit Weib und Kind zusammen, kann man durchaus Glauben schenken. Er erscheint uns als ein guter und sparsamer Landesvater, der seine Rentereiregister vielfach eigenhändig führte und noch in seinen letzten Lebensjahren mit schon zitternder Hand Eintragungen machte, sich auch nach Ausweis seiner Merkzettel um die Einzelheiten und Kleinigkeiten der Regierung, Verwaltung und Wirtschaft des Landes persönlich bemühte. Dafür fehlte ihm aber der Weitblick für Wirtschaftsunternehmungen, der seinen Vater ausgezeichnet hatte. Der von diesem so verheißungsvoll angefangene Getreidehandel nach Holland


135) Sachsse S. 199.
136) Fahne, Die Herren und Freiherren von Hövel 3. Band: Chronik des Gotthard von Höveln 1856 (Verf. des ersten Teils der Chronik ist Reimar Kock) S. 14.
137) S. A., Kirchenakten Schwerin, Lutherische Prädikanten, Mag. Egidius Faber. Sie heiratete später einen herzoglichen Baumeister Gabriel Wulff. Durch ihre Vermittlung kamen verschiedene evangelische Prediger nach Schwerin.
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wurde von ihm immer mehr vernachlässigt 138 ), schließlich gab er den Städten den ganzen Zwischenhandel wieder 139 ), ohne jedoch dadurch den wirtschaftlichen Rückgang der Seestädte aufhalten zu können. An Stelle der mecklenburgischen Fürsten traten jetzt mecklenburgische Ritter als Getreidegroßhändler auf 140 ). Als Albrecht den Getreidehandel wieder aufnahm, da erklärte Heinrich, daß man den armen Untertanen die Nahrung nicht schmälern dürfe. Albrechts Holzhandel nach auswärts verwarf er, da das Holz nicht zum feilen Verkauf, sondern nur zur eignen Notdurft da sei 141 ). So wird auch er dadurch, daß er nicht auf den bewährten Bahnen der väterlichen Wirtschaftspolitik weiterschritt, die Einnahmen des Landes etwas verringert haben. Sein ruhiger und bedächtiger Geist, dem allerdings auch eine gewisse Kleinlichkeit und Starrsinnigkeit anhaftete - bezeichnend ist sein Wahlspruch: Ich wart der Zeit - 142 ) überflog auch hierbei nicht die Grenzen seiner Herrschaft. Er wollte sich innerhalb ihres Gebietes auswirken und beschäftigte sich daher mit der Hebung der kleineren Wirtschaftsbetriebe seines Landes, des Salinenbetriebes, des Hütten- und Mühlenwesens und des Weinbaus, doch scheint er hierbei nicht viel Glück gehabt zu haben 143 ).

Albrechts unruhiger und leidenschaftlicher Geist war dagegen auch in der Wirtschaftspolitik auf große Ziele gerichtet. Er nahm bald Magnus' Pläne, zur See Getreide zu verschiffen, wieder auf und suchte sein Ziel hartnäckig mit Hülfe der Klipphäfen zu erreichen 144 ), auch betrieb er wieder einen Holzhandel. Ferner beschäftigte er sich mit dem alten Projekt eines Elbe-Ostseekanals und ließ am später so genannten Wallensteingraben arbeiten 145 ).

Von Bedeutung für die Zukunft kann die erste, bis zum Jahre 1517/18 sich erstreckende Verschuldung der Söhne Herzog Magnus' nicht gewesen sein. Mit der Landbede von 1517/18 wurden wohl


138) Das Rentereiregister 1506/07 bucht 260 G., die zu Dordrecht empfangen wurden und nachständig geblieben waren, für verkauften Roggen; 1513/14 brachte der Schweriner Küchenmeister 126 1/2 G. Roggengeld aus den Niederlanden und 1515/16 100 G. Korngeld aus Holland.
139) 1519 verkaufte er das Korn an einen Wismarer Bürger. S. A., Landesteilungsakten vol. 8.
140) S. Anm. 94.
141) S. A., Landesteilungsakten vol. 12 ff.
142) Lisch, Maltzan IV. S. 320.
143) Schnell, Mecklenburg im Zeitalter der Reformation 1900 S. 128/29.
144) Ro. A., Korresp. mit Wismar 8. X. 1520. Ro. A., Bavenrolle 1521/22. Koppmann, Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 110 ff.
145) Stuhr, Jb. 64 S. 199/203.
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im großen und ganzen die damals vorhandenen Schulden gedeckt. Denn als nach Abschluß des Neubrandenburger Hausvertrages 1520 die Auseinandersetzung der Brüder erfolgte, war nichts verpfändet oder verkauft und das Land ohne irgendwelche bedeutenden Schulden. Heinrich erklärte noch 1523, daß er ein freies, unverpfändetes Land besitze 146 ). Sein Landesteil war 1548 nach Aussage seines Neffen nicht nur von Schulden frei, sondern es war noch ein stattlicher Vorrat vorhanden 147 ). Auch Reimar Kock 148 ) rühmt Heinrichs großen Reichtum und berichtet, daß Johann Albrecht mit Heinrichs Gold den Schmalkaldischen Krieg finanziert habe.

Dagegen war Albrecht bereits von 1524 ab verschuldet, vor allem wohl infolge der Prozeßkosten wegen der von ihm erstrebten Landesteilung. 1524 und 25 versuchte er vergeblich, Landbeden zu erhalten. Da er sie für sich ganz allein beanspruchte, rief er den Widerstand seines Bruders hervor, der jedesmal dagegen einschritt und verhinderte, daß es zu einer Bewilligung kam. Erst von den Landbeden von 1531 und 1534/35 wird er 1/4-1/2 ihres Ertrages zur Bezahlung seiner Schulden erhalten haben.

Wir dürfen annehmen - Rentereiregister sind von 1520 ab nicht oder nur sehr lückenhaft erhalten -, daß Albrecht vor 1535 wohl noch einige Schulden besaß, daß diese aber einen irgendwie bedeutenderen Umfang nicht erreicht haben. Somit wird klar, daß erst Albrechts mißglückter, 300000 G. kostender Versuch, 1535/36 den dänischen Königsthron zu gewinnen, die Grundlage der chronischen Verschuldung des nur in Albrechts Stamm weiter fortlebenden mecklenburgischen Fürstenhauses gewesen ist. Man kann es den Ständen wirklich nicht verdenken, wenn sie sich lange sträubten, die Kosten dieser eigenmächtig und leichtfertig unternommenen Hausmachtspolitik zu bezahlen, die von vorneherein zum Mißerfolg verurteilt war und nur im Interesse Lübecks, nicht aber im Interesse des Landes lag 149 ). Bezeichnend für die Beurteilung des Unternehmens ist die ziemlich grobe, aber durchaus treffende Antwort der Stadt Rostock auf Albrechts Gesuch um Rat und Hilfen Die Lübecker hätten, um gegen Dänemark wegen Nichthaltung ihrer Privilegien vorgehen zu können, eines Potentaten bedurft. Sie hätten deswegen bei Herzog Albrecht angehalten und der hätte sich mit ihnen eingelassen. Der Herzog wäre nun selbst


146) S. A., Landesteilungsakten vol. 19 und vol. 11.
147) S. A., Steuerakten G. A. I C. 13. XII. 1548.
148) S. Anm. 136 S. 10 u. 14.
149) Vgl. auch Techen. Zeitschrift für Lüb. Gesch. Bd. XIX S. 264/65.
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des fürstlichen hohen Verstandes, er hätte auch eine stattliche Verwandtschaft und Freundschaft, die im Notfalle ihm dabei raten könne, so daß der Rat der Rostocker nicht vonnöten sei 150 )!

Durch Albrechts des Schönen Schuld also entstanden die für die folgenden Jahrhunderte so charakteristischen Finanznöte Mecklenburgs. Auch ist er Schuld an den von jetzt ab ungefähr zwei Jahrhunderte lang die mecklenburgische Geschichte wie ein roter Faden durchziehenden Landesteilungsstreitigkeiten, die durchaus einen Rückfall in die alte privatrechtliche Staatsauffassung darstellen. Dagegen hat Heinrich der Friedfertige die Stände in den Sattel gehoben, indem er bei den Landesteilungsstreitigkeiten sie dauernd zu einer energischen Stellungnahme gegen Albrecht drängte, sie überhaupt erst zur Erkenntnis ihrer Macht brachte und sie sehr wahrscheinlich veranlaßte, die Union von 1523 abzuschließen. Es sollte das Verhängnis Mecklenburgs sein, daß Magnus' große Gaben in seinen Söhnen nur geteilt fortlebten. Heinrich war haushälterisch und sparsam und stand sich durchaus gut mit seinen Ständen. Albrecht dagegen war wirtschaftspolitisch interessiert, lebte vielfach im Zwist mit Adel und Städten, beschatzte sie, wandte ungewöhnliches Gericht gegen sie an und hatte gar manches von einem absoluten Herrscher in sich. Wären diese Gaben in der Person eines Regenten vereint gewesen, so wäre Mecklenburg mindestens ebenso früh wie Brandenburg ein moderner, wohlgeordneter und finanziell unabhängiger Staat geworden oder vielmehr geblieben, denn das war es bereits unter Magnus' Regierung.

So haben aber bereits dessen Söhne das Werk Ihres großen Vaters, das vor allem in der Sanierung der mecklenburgischen Finanzverhältnisse und im Zurückdrängen der mächtigsten Glieder der Stände gipfelte, wieder zunichte gemacht und die bis in die jüngstvergangene Zeit hinein währende politische und finanzielle Abhängigkeit der mecklenburgischen Herzöge und Großherzöge von den Ständen verursacht.

 

Vignette

150) Ro. A., Landtagsakten, Instruktion 18. III. 1535.