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II.

Studien zur Geschichte des

Herzogs Christian (Louis)

(1658-1692)

von

Studienrat Professor Dr. Richard Wagner.

 

Vignette
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Der Feldzug des Herzogs Christian Louis und des Regiments Halberstadt für Ludwig XIV.

(1672-74) 1 )

Wie Herzog Christian, der älteste Sohn Adolf Friedrichs I." der nach dem Tode des Vaters (1658) die Regierung der Schwerinschen Hälfte des Mecklenburger Landes übernahm, im Jahre 1663 auf einer Reise nach Frankreich zum Katholizismus übertrat, dem französischen König Ludwig XIV. zu Ehren den Zunamen Louis annahm und, nachdem er sich mit einer französischen Prinzessin, Isabelle Angélique von Montmorency, vermählt, ein Schutzbündnis mit der Krone Frankreich erwirkte, ist in Bd. 74 dieser Jahrbücher berichtet worden. Auf Grund dieses Bündnisses war die französische Regierung bemüht, dem Herzog in seinen mannigfachen Bedrängnissen zu helfen 2 ), erfüllte indessen seine weitgehenden Erwartungen nicht. Da er aber mit der ihm eigenen Folgerichtigkeit an der Vorstellung festhielt, das französische Bündnis habe den Angelpunkt seiner Politik zu bilden, so kam er nach einigen Jahren um die Zeit, als man in Frankreich den Krieg gegen Holland vorbereitete, auf den Gedanken, durch gute Dienste während dieses Krieges eine Erneuerung des Bündnisses in vorteilhafterer Form zu erreichen. Bekanntlich hat ja eine ganze Reihe deutscher Fürsten, an ihrer Spitze der Erzbischof von Köln und der Bischof von Münster, an diesem Kriege auf Seiten Frank-


1) Den Stoff für diese Studie haben ebenso wie für die früheren (Jahrb. 70 und 74) die für die ganze Regierungszeit des Herzogs sehr reichhaltigen Akten des Geheimen und Haupt-Archivs zu Schwerin dargeboten, außerdem ist Band 3 eines im Archiv aufbewahrten dreibändigen Manuskripts des Geh. Archivrats Wigger († 1886) benutzt: die drei Bände haben die Aufschrift: Der Fürstenhof zu Grabow, Band 3 hat den besonderen Titel: Meckl. Geschichten aus den Jahren 1672 bis 74.
2) S. Meckl. Gesch. i. Einzeldarstellungen, Heft IX, Wagner, Herzog Christian Louis I. (fortab zitiert Chr. L.), S. 63 ff.
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reichs teilgenommen, von deren Absichten der Herzog jedenfalls bereits vorher Kenntnis hatte.

Ehe indessen sein Plan bestimmte Gestalt gewann, geriet er mit seinem Schwager, dem Herzog von Luxemburg, in ein schlimmes Zerwürfnis, das alle seine Berechnungen zu durchkreuzen drohte. Luxemburg war zum Führer des deutschen Hilfsheeres ausersehen und weilte, um im geheimen Vorbereitungen für den Feldzug zu treffen, schon im Jahre 1671 an der holländischen Grenze. Dorthin berief er seinen Schwager, der schon seit Beginn des Jahres 1670 wieder in Paris weilte, zu einer wichtigen Unterredung. Dabei stellte er, angeblich im Auftrage des Königs, an ihn das Ansinnen, für den Dienst des Königs in Mecklenburg Truppen anzuwerben und sie heimlich in Abteilungen von 10 bis 20 Mann nach Frankreich zu schicken. Diese Art Unterstützung - ohne irgendwelche Gewähr einer Gegenleistung .- war nicht im Sinne des Herzogs, er beteuerte also zwar seine lebhafte Freude über die Gelegenheit, dem Könige seine Ergebenheit zu beweisen, bat aber, unter Hinweis auf seine Ungewandtheit in der französischen Sprache, seine endgültige Antwort bis dahin verschieben zu dürfen, daß er näher von des Königs Absichten, von der Rolle, die er selbst dabei spielen solle, und von der Sicherheit, die man dafür ihm selbst und seinem Lande zu gewähren bereit sei, unterrichtet sein werde. Über diese ausweichende Antwort geriet der stolze Franzose derart in Zorn, daß er sich zu beleidigenden Ausfällen gegen den Herzog hinreißen ließ. 3 ) Dieser blieb - nach seiner eigenen Schilderung - aus Achtung für seinen Schwager ruhig und bat nur, man möge ihm eine Unterredung mit Sr. Majestät ermöglichen, erhielt aber die schroffe Antwort, der König habe keine Zeit, ihn zu sehen oder anzuhören. Die beiden Schwäger trennten sich in Unfrieden, und Luxemburg verbreitete nun am Versailler Hofe die Rede, der Herzog habe sich geweigert, in seinem Lande für den König Truppen anwerben zu lassen, wozu er sich doch in dem Bündnis von 1663 verpflichtet habe, er sei überhaupt ein Mensch sans parole, auf den man sich nicht verlassen könne. Um dieses Vorurteil zu zerstreuen, entschloß sich nun der Herzog nach seinem Lande zu gehen, dort auf eigene Hand ein Reiterregiment aufzustellen und es persönlich dem Könige zuzuführen. Auf diese Reise nahm er auch seine Gattin mit, die bei dieser Gelegenheit zum ersten und letzten Male das Heimatland ihres Gatten kennen lernte.


3) On esclata en injures. qu'il n'est pas nécessaire de mettre sur le papier, heißt es in der bald zu erwähnenden Denkschrift des Herzogs. Luxemburgs Auffassung des Vorganges wird vermutlich eine etwas andere gewesen sein.
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In Mecklenburg stellte er also zum Mißbehagen seiner Räte und seiner Untertanen eifrig Werbungen an, als deren Zweck er den Schutz des niedersächsischen Kreises in der unruhigen Zeit bezeichnete. 4 )

Um seine eigentlichen Absichten besser verschleiern zu können, siedelte er schon wenige Tage, nachdem er seine Gattin in feierlichem Einzuge in das Schloß seiner Väter zu Schwerin geführt hatte 5 ), nach Ratzeburg über, während die Herzogin mit dem Hofstaat in Schwerin blieb. Schon vorher hatte sie sich bemüht, durch Briefe ihren Bruder und den König selbst zu begütigen, indem sie sie von der Absicht ihres Gatten in Kenntnis setzte. Dem Herzog von Luxemburg war das mecklenburgische Regiment willkommen, aber gegen die persönliche Führung des Schwagers hatte er Bedenken und schlug ihm in einem Schreiben vom 24. März aus Köln vor, er möge dem Bischof von Münster 300 Reiter - jeden für 45 Taler - überlassen. Nach der Darstellung des Herzogs kam auch ein Vertrag über die Abtretung dieser 300 Reiter an Münster zustande, wurde aber einen Monat später von Münster wieder aufgehoben. Der König antwortete (den 5. April) seiner Kusine mit freundschaftlicher Höflichkeit, für die Sache selbst aber verwies er sie auf ein gleichzeitiges Schreiben seines Ministers und Staatssekretärs Pomponne. Darin wird der gute Wille des Herzogs belobt, zugleich aber ihm das Bedauern des Königs ausgedrückt, daß dieser die volle Zahl der Truppen, die aufzustellen er sich vorgenommen, schon unter Waffen habe. Daran schließt sich der Rat, der Herzog möge seine Truppen in das Heer der Verbündeten des Königs eintreten lassen und sich darüber mit dem Herzog von Luxemburg ins Einvernehmen setzen.

Nachdem sich die Verhandlungen mit Münster zerschlagen hatten, sandte der Herzog seinen Kammerjunker de Vandeuil an seinen Schwager mit dem Auftrage, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß der Herzog ohne Aufforderung des französischen Hofes auf eigene Kosten und auf die Gefahr hin, sich mit allen Nachbarn, besonders Brandenburg und Lüneburg-Celle zu überwerfen, die Truppen geworben. Mit dem Bischof von Münster habe er über Abtretung eines Teiles der Truppen in Verhandlungen gestanden, die aber von Münster abgebrochen seien; deshalb habe er beschlossen, sich mit seiner Mannschaft dem Könige selbst darzu-


4) In einem Erlaß vom 11. Februar (nach dem neuen, Gregorianischen Kalender wie alle Daten in dieser Arbeit) 1672, worin er die Werbung von 14 Kompagnien Reiter zu je 70 Mann anordnet.
5) Der Einzug fand am 10. April 1672 statt.
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bringen. Dafür aber möge Luxemburg seinen ganzen Einfluß geltend machen, um seinem Schwager einen festen Vertrag, der ihn sicher stelle, zu verschaffen. Luxemburg sagte unter anerkennenden Worten für den Eifer seines Schwagers seine Fürsprache zu, aber mag sie erfolgt sein oder nicht, das wichtigste Ziel des Herzogs, ein neues Bündnis mit Frankreich, ward nicht erreicht. 6 )

Währenddessen vervollständigte der Herzog die Ausrüstung seiner Truppen und traf dann in aller Stille die letzten Vorbereitungen für den Abmarsch. Zu gleicher Zeit warb sein Bruder, Herzog Friedrich von Grabow, der Vater der drei Nachfolger Christian Louis', der Herzöge Friedrich Wilhelm, Karl Leopold und Christian Ludwig II., ein Regiment für Brandenburg. Als ihm Werbungen auf mecklenburgischem Boden durch einen scharfen Erlaß seines regierenden Bruders untersagt wurden, verlegte er seinen Werbeplatz in die benachbarte Priegnitz und brachte dort ein Reiterregiment von 6 Kompanien zu je 70 Mann - also 420 Mann - zusammen, an dessen Spitze er mit dem brandenburgischen Heere für Holland gegen Frankreich ins Feld zog. So haben in diesem holländischen Kriege zwei Brüder aus dem mecklenburgischen Fürstenhause und mit ihnen auf jeder Seite mehrere Hundert Landeskinder gegeneinander in Waffen gestanden, ein drastisches Beispiel des mangelhaften Zusammenhaltes, den damals das Deutsche Reich und seine Glieder zeigten, und eine treffende Beleuchtung für den Wert des Rechtes, das den deutschen Reichsfürsten im Westfälischen Frieden zugesprochen war, mit auswärtigen Mächten auf eigene Hand Verträge zu schließen, ja selbst Kriege zu führen. Es war eine Gunst des Schicksals, daß sich die beiden mecklenburgischen Regimenter während des Feldzuges niemals unmittelbar gegenübergestanden haben.

Trotz dringender Vorstellungen seiner Räte, insbesondere des Kanzlers Wedemann, der ein entschiedener Gegner der französischen Politik seines Herrn war, setzte der Herzog den 15. Juni 1672 acht Kompanien von Ratzeburg aus in Bewegung, vier ließ er vorläufig im Lande mit der Absicht, sie später nachkommen zu lassen, was er aber dann wegen des wenig befriedigenden Verlaufes seines Feldzuges aufgab. Von den acht Kompanien waren sieben Kompanien Gardereiter unter Oberstleutnant Müller und eine Kom-


6) In der Allianz, die den 4. April 1672 zwischen Frankreich und Schweden geschlossen wurde, fand ein Passus Aufnahme, der beiden mecklenburgischen Herzögen die Erhaltung ihrer Länder gewährleistete; hierin liegt, was Christian Louis betrifft, eine Gunstbezeugung Frankreichs; Herzog Gustav Adolf von Güstrow stand mit Schweden in Freundschaft.
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panie Dragoner unter Oberstleutnant (bald darauf Oberst) v. Bibow. Kommandeur des Ganzen war Oberst v. Halberstadt, bisher Inspekteur der mecklenburgischen Festungen. Die Gesamtstärke der acht Kompanien betrug 600 Mann.

seinen Räten zeigte der Herzog erst den 16. Juni aus Ratzeburg an, er stehe im Begriffe, sich von dort "für eine geringe Zeit an einen andern Ort zu begeben" - freilich war dieser andere Ort ein recht offenes Geheimnis -, am 19. weist er sie von Blankenese aus, unmittelbar vor dem Aufbruch, an seine Gemahlin, der er "Verordnung zurückgelassen, wie es in seiner Abwesenheit gehalten werden solle". 7 )

Marsch und Reise gingen in anerkennenswerter Schnelligkeit über Bremen nach Lingen (an d. Ems), wo der Herzog mit seinen Truppen am 28. Juni ankam. Von hier aus verlangte er eine Geldsendung aus der Heimat, die durch eine außerordentliche Anlage aufgebracht werden soll, und begründete seine Forderung mit den Worten, er habe "seine Reise nicht zu seinem plaisir, sondern zu Conservier- und Aufnehmung seiner Landen und Untertanen angetreten. Es heiße nach der alten Regel: Is, qui sentit commodum, debet etiam sentire incommodum."

Den 9. Juli hatte das Regiment nach Eilmärschen, die Desertionen unter den Mannschaften hervorriefen, die holländische Grenze erreicht. In Doetinchem gab es einige Ruhetage, dann unternahm Halberstadt, ohne sich mit der französischen Truppenleitung vorher ins Einvernehmen zu setzen, eine Rekognoszierung gegen den Feind, was ihm von den Franzosen freilich übel vermerkt wurde. Der Herzog hatte sich von seinem Regiment getrennt, um den König aufzusuchen.

König Ludwig war in siegreichem Zuge durch das brandenburgische Kleve, wo er die damals noch von den Holländern besetzten Festungen nahm, den Rhein abwärts in Holland eingedrungen, hatte auch dort schon im Juni und Anfang Juli eine Anzahl Plätze, wie Doetinchem, Arnheim u. a. genommen und am 5. Juli seinen Einzug in Utrecht gehalten. Gleichzeitig rückte auch der Bischof von Münster weiter im Norden mit seinen, den kölnischen und den übrigen verbündeten deutschen Truppen über Zütphen, Deventer und Zwolle in Holland ein. Es waren die Tage, auf die sich die Wendung "Holland in Not" bezieht.


7) Er setzte sie für die Zeit seiner Abwesenheit als Regentin ein, eine Aufgabe, der sie sich mit Eifer und Hingabe unterzog, nach wenigen Monaten nicht zur Zufriedenheit des gestrengen Gatten s. Chr. L. S. 96 ff.
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Als Ludwig auf dem Marsche von Utrecht nach Herzogenbusch war, erreichte ihn Herzog Christian Louis in Hären, südlich von Herzogenbusch. König Ludwig empfing den Vetter mit gewohnter Höflichkeit. Am 11. schreibt der Herzog darüber an Halberstadt aus Arnheim, und zwar aus dem Quartier des Königs, in das er also mitaufgenommen war. "Der König hat mir Worte gesprochen, nachdem ich ihm meine Intention entdeckt, daß ich sehr content von ihm bin." Auch Turenne, den französischen Feldherrn, und die Minister sprach er, berichtet aber über den Inhalt dieser Gespräche nichts.

sein Regiment hatte sich inzwischen keiner guten Aufnahme zu erfreuen. Die Franzosen sahen auf diese Bundesgenossen, die sich ihnen nun, wo sie den Sieg schon in sicherer Hand zu haben meinten, ungerufen aufdrängten, mit unverhohlener Geringschätzung herab.

Halberstadt mußte seinem Herrn den 15. Juli aus Gendringen (östlich von Emmerich) melden, mit seinen Truppen sehe es traurig aus, es fehle an Geld zum Solde, man gönne ihnen kein Obdach, ja kaum einen Platz im freien Felde. Der Gouverneur von Emmerich und der Kommandant von Zütphen hätten wiederholt schriftlich verlangt, sie sollten "sich packen", und gedroht sie mit Gewalt zu entfernen. Dagegen hätten sich der Gouverneur von Doesburg und der Oberkommissar von Zütphen ihrer mitleidig angenommen und ihnen etwas Brot gereicht.

Auch für sich selbst beklagt sich Halberstadt lebhaft: er habe zu dem Feldzuge keinen Reichstaler bekommen und solle doch als Oberst auftreten. "Und ob ich wohl," so schreibt er, "die armen Bauern, so das Ihrige verlassen und flüchten müssen, zu Zeiten beklage, so befinde, daß ich mit denen bei mir habenden Truppen viel elender als sie, ja ärger denn ein Rohrdommel, dem in der Wüsten noch ein Nest gegönnet wird, leben muß."

Er erklärt dann seine Absicht, das Regiment ganz von der französischen Armee zu trennen und zu den deutschen Verbündeten stoßen zu lassen, im Falle sie da angenehm und willkommen seien.

Der Herzog sandte vorläufig 1000 Taler Sold und antwortete den 17. Juli: ,,Ich erwarte morgen oder übermorgen die letzte Resolution, wozu man uns employieren will."

Diese Resolution war für ihn eine Enttäuschung. Er hatte sich mit der Hoffnung getragen, selbst in der französischen Armee, gleich den französischen Prinzen von Geblüt, wie Condé und Luxemburg, einen seiner hohen Stellung entsprechenden Posten zu bekommen - als Kavalleriegeneral - und so der oberste An-

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führer seiner Truppen zu werden. Statt dessen speiste man ihn mit höflichen Worten ab, und von seinen Truppen wollte man vollends nichts wissen. Endlich wurde bestimmt, daß von den acht Kompanien fünf unter Halberstadt in kölnischen Sold treten, drei unter Oberstleutnant v. Oertzen mit der herzoglichen Bagage bei der französischen Hauptarmee bleiben sollten, eine Zersplitterung, die der Leistungsfähigkeit beider Abteilungen nicht eben förderlich sein konnte.

Den 26. Juli verließ der König den Kriegsschauplatz und ging nach Paris zurück, in seinem Gefolge auch Herzog Christian Louis. 8 )

Der Kurfürst von Köln war gerne bereit, die fünf Kompanien zu übernehmen, wünschte aber noch 2 Kompanien mehr, was Halberstadt wiederholt empfahl, damit man ein vollständiges Regiment von sechs Kompanien - ohne die Dragoner - habe. Der Herzoge verstimmt über die Undankbarkeit der Franzosen, lehnte das ab, ebenso wie den andern Vorschlag, die Dragoner-Schwadron absitzen zu lassen und zu einem vollständigen Infanterieregiment zu erweitern.

Halberstadt, der langsam nach Norden marschiert war, wurde endlich angewiesen, das Belagerungsheer vor Groningen zu verstärken. Da erhob sich eine neue Schwierigkeit. Die Mecklenburger waren wohl bereit gewesen, für ihren angestammten Herzog ins Feld zu ziehen, aber an den Kurfürsten von Köln wollten sie sich nicht verkaufen lassen. Es kam zu einer offenen Meuterei. Nur die Dragoner-Kompanie "blieb in etwas beständig". Die anderen vier setzten sich zu Pferde und bemächtigten sich einer Standarte. Halberstadt und Bülow ließen eine Wagenburg schlagen und stellten die Dragoner mit den sämtlichen Offizieren, die sie an sich gezogen, dahinter. Als nun eine der anderen Kompanien, die Behrsche (die des Rittmeisters v. Behr), heransprengte und ihre Standarte verlangte, drohte Halberstadt, Feuer geben zu lassen. Die Meuterer hielten an, darauf redete ihnen Halberstadt scharf ins Gewissen, und sie kehrten zum Gehorsam zurück gegen Gewährung von Verzeihung. Dafür setzte Halberstadt durch, daß seine Leute nicht dem Erzbischof den Eid zu leisten brauchten, sie blieben also Mecklenburger Truppen und galten als Verbündete des Erzbischofs.

Vom 1. bis 27. August standen die Mecklenburger vor Groningen; wegen des heldenhaften Widerstandes der holländischen Besatzung und anhaltenden Regenwetters wurde den 27. die Be-


8) Über seine Erlebnisse dort (er wurde für etwa zwei Monate unter Bewachung gestellt, weil er seine Gattin in Schwerin, als sie abreisen wollte, in Gewahrsam hatte nehmen lassen) s. Chr. L. S. 103 ff.
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lagerung aufgegeben, eines der Symptome, daß das im ersten Ansturm überraschte und überrannte holländische Volk sich zum Widerstande aufgerafft. Die Mecklenburger hatten bei der Belagerung keine Gelegenheit gefunden, sich hervorzutun.

Den September hindurch stand Halberstadt vor Steenwyk, die Truppen hatten bei fortdauerndem Regenwetter viel zu leiden, da sie weder Zelte noch Mantel hatten.

Im Oktober zogen die geistlichen Herren ihre Truppen nach Westfalen zurück, das von Brandenburgern angegriffen war. Es kam hier nicht zu Kämpfen, aber der Zustand der Truppen ward immer elender. Halberstadt meldete, die Uniformen seiner Reiter seien so zerrissen, daß er sich schäme, mit ihnen aufzuziehen, auch hatten die Kompanien durch Seuchen und Desertionen viele Mannschaften verloren, es waren gegen Ende Oktober nur noch 167 Mann, ohne die Dragoner, deren Stärke gegen 80 Mann betrug.

Trotzdem wußten sich die beiden leitenden Offiziere, Halberstadt und Bibow, bei den Verbündeten in Achtung zu setzen. Halberstadt erhielt das Kommando auch über kölnische Reiter. Bibow lag Anfang 1673 in der kleinen Stadt Wert (zwischen Soest und Unna). Dort griffen ihn am 6. Januar die Brandenburger an. Sie berannten die Stadt und forderten am 7. ihre Übergabe. Bibow hatte seine Dragoner gerade auf eine Streifpartie ausgeschickt und hatte nur 300 Soldaten bei sich. Mauer und Graben waren in schlechtem Zustande. Dennoch weigerte er die Übergäbe. Darauf machten die Brandenburger drei Angriffe, die Bibow mit seinen Leuten und den Bürgern, die willig und tapfer mithalfen, abwies. Dann ward das Städtchen 10 Tage lang stark beschossen. Trotzdem lehnte Bibow eine zweite Aufforderung zur Übergabe wiederum ab. Da gab der Feind trotz seiner großen Überzahl die Belagerung auf. Auch die Dragoner hatten inzwischen auf ihrer Streife Erfolg gehabt, über den indessen nichts Genaueres berichtet wird. Zur Belohnung verlieh der Kurfürst (von Köln) dem Obersten ein Infanterieregiment von sieben Kompanien. Und als später der Marschall Turenne in diese Gegend kam, besuchte er die Stadt, ließ sich den Hergang erzählen und schenkte Bibow ein englisches Pferd.

Am kläglichsten erging es den drei Kompanien, die unter Oberstleutnant v. Oertzen bei der französischen Hauptarmee zurück-gelassen waren, und der bei ihnen verbliebenen Bagage des Herzogs, Oertzen schreibt den 3. August aus der Gegend von Herzogenbusch, er habe stündlich Ordre erwartet, wie er nebst der

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Equipage sich verhalten solle. Da die Ordre aber bisher ausblieben, so seien sie "ein Spott und Verachtung der Leute, inbetracht Uns ein jeder anfährt und fraget, was wir allhier wollen und warum wir uns allhier so lange aufhalten, da doch aller großen Herrn Equipage schon weg ist." Die drei Kompanien täten zwar täglich Dienst, aber ohne Brot oder Geld zu erhalten. Dazu habe er vertraulich erfahren, daß die Leute des Rittmeisters Heidereiter, dessen Kompanie gerade als die beste, die Leibkompanie, galt, die Absicht hätten, die Bagage, falls sie in die Heimat zurückgesandt werden solle, zu plündern, um in den Besitz von Geld zu kommen. Trotzdem rät Oertzen dringend, die Bagage nach Mecklenburg zurückzusenden, wozu sich aber der Herzog so schnell nicht entschließen konnte.

Den 12. August berichtet Oertzen von einem bösen Auftritt, der den 10. vorgefallen sei. Einige Mecklenburger Reiter waren zur Bagage kommandiert, als nun unterwegs unter den Gepäckwagen ein Durcheinander entstand, gerieten die Mecklenburger mit Franzosen in Streit, so daß beide Parteien die Pistolen und Degen gegeneinander zogen. Der Marschall Turenne kam darüber zu und gebot Friede. Da legte einer der mecklenburgischen Reiter seine Pistole auf ihn an, - der Schuß versagte aber, der Täter wurde sofort ergriffen, vor ein Kriegsgericht gestellt und, obgleich er erklärte, den Marschall nicht gekannt zu haben, gehängt. Besonders hatte sich Oertzen über die Franzosen im Troß des Herzogs zu beklagen, sie betrügen sich unverschämt und wollten nicht wie die Deutschen vorlieb nehmen. So gut es ging, suchte er sich und seine Leute mit geliehenen Geldern durchzuhelfen, bat aber wiederholt dringend um seine Entlassung in die Heimat, er sei jedoch erbötig, falls der Herzog es wünsche, die Bagage dorthin mitzunehmen. Doch wurde es nach einigen Wochen besser, als die Truppen der Brigade des Grafen Königsmark zugewiesen wurden, der ihnen Brot und Sold geben ließ und auch der Bagage sich annahm.

Anfang September wurde auch die Belagerung von Herzogenbusch abgebrochen, Turenne zog auf das rechte Rheinufer gegen die Brandenburger. Vor dem Abmarsch wurden die Mecklenburger den 1. September auf die Dauer des französischen Dienstes für den König von Frankreich in Pflicht genommen, mit der Zusicherung, sie sollten zur Verfügung des Herzogs und nur, so lange dieser es wünsche, bei der französischen Armee bleiben. Trotzdem desertierten auf dem rechten Rheinufer eine ganze Anzahl. Am 18. September betrug die Stärke der drei Kompanien, Offiziere

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eingeschlossen, 155 Mann. An diesem Tage übergab Oertzen mit Genehmigung des Marschalls Turenne das Kommando an Rittmeister v. Plessen, einen gewissenhaften und umsichtigen und darum auch bei den Truppen beliebten Mann, er selbst kehrte mit .der ganzen Bagage nach Mecklenburg zurück. Der Herzog hatte allerdings angeordnet, sie solle nach Lüttich geführt werden und dort ihn oder weitere Ordre erwarten. Der Marschall aber erklärte den Marsch nach Lüttich des Feindes wegen für unmöglich, somit nahm Oertzen die Verantwortung für den Rückmarsch auf sich.

Inzwischen hatte sich der Herzog (im August 1676) mit einer Denkschrift, bei deren Abfassung ihm unter anderen auch Herr v. Feuquière, einer der tüchtigsten Diplomaten am französischen Hofe, seine Unterstützung geliehen, an den König gewandt. Er weist darin auf seine unbegrenzte Verehrung für den König und bewiesene Opferwilligkeit hin, auch auf die Gefahren, in die er sich durch sein Interesse für den König gestürzt - man befürchtete damals einen Einfall der Brandenburger in Mecklenburg, und einmal entstand auch eine panische Flucht unter dem Landvolk im Westen des Landes -, somit bittet der Herzog um den bereits mündlich verheißenen Schutz des Königs. Im einzelnen wünscht er Weisungen an die französischen Gesandten in Wien und Regensburg, dem Kaiser und dem Reichstage zu erklären, König Ludwig habe den Herzog von Mecklenburg-Schwerin unter seine Protektion genommen und sich verpflichtet, seine Person und sein Land besonders gegen Brandenburg zu beschützen. 9 )

Eine entsprechende Erklärung wird gewünscht an den Kurfürsten von Brandenburg, ferner eine Aufforderung an Schweden, nötigenfalls Mecklenburg gegen Brandenburg zu beschirmen. Weiter wünscht der Herzog, Frankreich möge in Wien eine Entschädigung Mecklenburgs erwirken für die Truppendurchzüge und Einquartierungen, die es - in den Jahren 1658 bis 1660 während des schwedisch-polnischen Erbfolgekrieges - erfahren. Endlich bittet er, "damit sein Eifer nicht fruchtlos bleibe", um einen seinem Range entsprechenden Posten in der französischen Kavallerie. 10 )


9) Il sera obliqué de le défendre, si l'on entreprend quelque chose contre sa personne ou contre ses états et si ses terres souffrent le moindre dommage des troupes de l'empire ny de celles de Mr. l'électeur de Brandendenbourg. sous quelque cause et prétexte que ce soit.
10) d'un employ digne de na naissance parmi ses troupes de cavallerie; er verspricht, sich dieses Postens anzunehmen mit all dem Eifer und der Treue, die der König erwarten darf d'un prince, qui a témoigné par toutes ses actions, qu'il voulait vivre et mourir fidèle au service du roi.
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Feuquière übernahm die Übermittelung dieser Vorschläge, dafür sicherte ihm der Herzog zu, seinen Sohn zum Führer des "Regimentes Mecklenburg" zu ernennen, falls der König, wie ebenfalls erbeten werden sollte, aus den drei Kompanien ein solches bilde und dem Herzog die Bestellung des Kommandeurs überlasse.

Eine direkte Antwort des Königs an den Herzog scheint nicht erfolgt zu sein, durch Feuquière erfuhr er aber, daß der König angeordnet habe, seine Gesandten in Deutschland und anderswo (also in Schweden) sollten Weisungen den Wünschen des Herzogs gemäß erhalten. Ob sich dies auch auf die Entschädigungsforderung für die Truppendurchzüge erstreckte, die aussichtslos war, dürfte zweifelhaft sein. Das Regiment Mecklenburg wurde bewilligt und seine Verleihung an den jungen Feuquière genehmigt. Aber des Herzogs Wunsch, eine Stelle in der französischen Armee zu erhalten, wurde abgelehnt, mit der höflichen Wendung, daß alle Posten, die seiner würdig wären, besetzt seien. 11 )

Mit diesem Erfolg war er zufrieden und beantwortete alle Zuschriften seiner Räte, die ihn immer aufs neue bestürmten, sich von den Franzosen loszulösen, ablehnend. Ein Anschluß an seine Nachbarn (z. B. Brandenburg) sei nur durch Geld oder "Abtretung einiger Landespertinenzien oder durch gänzliche Submission" zu erhalten. "Derohalben Uns gar nicht zu verdenken stehet, wenn Wir eine solche Partei, deren Schutz und Hilfe Wir Uns zu versehen, erwählen." "An Unsern Nachbarn werden Wir schwerlich jemals gute Freunde kriegen."

Im September (1672) erschien nun die brandenburgische Hauptarmee, darin Herzog Friedrich mit seinem Regiment 12 ) und zugleich eine kaiserliche Armee unter Montecuccoli im Felde. Die Besorgnis der Räte steigerte sich, und sie warnten aufs neue. In diesem Falle aber war der Herzog besser unterrichtet, als seine Räte in der Heimat, er schrieb in einem eigenhändigen Post-Skriptum am 14. Oktober: "Ihr werdet Euch nicht mehr bekümmern, denn Ich versichert bin, daß alles wohl sein wird, der Kaiser und König verstehen sich ganz wohl". - Das sind dunkle Briefe zu lesen." Die Worte beziehen sich augenscheinlich auf das geheime Einverständnis, in dem damals der Wiener Hof mit dem


11) l'embarras ne se trouve que dans la grande qualité de V. Alt., n'y ayant point de poste digne d'Elle, qui ne soit remplie.
12) Von Herzog Friedrichs Regiment wurden bei einem Gefechte in der Nähe von Andernach drei Reiter gefangen, Leutn. Hoffmann vom Regim. Meckl., der grade Ordonnanzoffizier bei Turenne war, sprach sie selbst, wie er den 15. November dem Herzog berichtete.
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Versailler stand und das die geheime Instruktion von Montecuccoli veranlaßt hatte, es nicht zu einer Schlacht gegen die Franzosen kommen zu lassen, "das wilde Roß von Brandenburg zu zähmen", wie der Wiener Minister Fürst Lobkowitz sagte. Christian Louis wird in Paris von diesem geheimen Spiel gehört haben, während seine Räte nichts davon wußten.

Das Regiment Mecklenburg schmolz inzwischen mehr und mehr zusammen, der Abzug Oertzens mit der Bagage hatte auf die zurückgebliebenen Kompanien einen demoralisierenden Einfluß geübt, es waren alles verheiratete Leute, die Haus und Hof, Weib und Kind in der Heimat hatten. Nach Oertzens Abzug glaubten sie nicht mehr, daß sie je Ihren Herzog oder Ihre Heimat wiedersehen würden. Als man nun gar wieder in weitere Ferne zog, von Westfalen nach dem Rhein, gingen die Reiter in ganzen Trupps davon und desertierten - in die Heimat.

Anfang Oktober überschritt man wieder den Rhein, von Offen nach Westen, die mecklenburgischen Reiter setzten mit ihren Pferden durch den breiten Strom, ohne einen Mann bei dieser Bravourleistung zu verlieren, aber am 12. Oktober waren die drei Kompanien des Regiments Mecklenburg, die damals bei Köln standen, außer den Offizieren nur noch 66 Mann stark.

Plessen, ihr interimistischer Führer, verbuchte den Abgang durch neue Werbungen zu ersetzen, aber mit geringem Erfolg. 13 ) Man vereinigte also gegen Ende November die drei Kompanien zu einer unter Plessens Befehl. Zwei Standarten wurden aufgerollt und verwahrt, die Stangen verbrannt.

Noch kritischer wurde die Lage, als der französische Kommandeur, Herr de Feuquière, beim Regiment eintraf. Er mag über dieses Regiment von damals 57 Mann nicht wenig erstaunt gewesen sein. Übrigens trat er anmaßend auf und geriet gleich in schwere Kompetenzkonflikte mit dem Rittmeister v. Plessen und dem "aide-maior" (Adjutanten) Hoffmann. Beide waren auf die Nachricht von der Ernennung des französischen Kommandeurs schnell nach Paris gereist und hatten, obgleich der Herzog ungnädig sich weigerte sie zu sehen und ihnen ihre Reise als überflüssig und ungehörig verwies, doch auf schriftliche Eingaben Antworten bekommen, die Ihnen beiden besondere Befugnisse, Plessen als ältestem Rittmeister, Hoffmann für die weitere Besorgung der Sold- und Gehaltszahlungen verliehen oder bestätigten, außer-


13) Er erwirkte endlich, nach wiederholtem Anhalten, einen Generalpardon für die in die Heimat Zurückgekehrten, falls sie sich wieder zum Eintritt meldeten; mit welchem Erfolg, ist nicht ersichtlich.
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dem wurde Hoffmann, bisher Cornett, zum Leutnant ernannt. Als beide diese Aktenstücke dem neuen Kommandanten vorlegten, weigerte er sich, sie entgegenzunehmen und Hoffmanns, eines früheren Kammerdieners Ernennung zum Leutnant, die ohne sein Wissen und gegen seinen Willen erfolgt sei, anzuerkennen. Er setzte Hoffmann in Arrest und bedrohte auch Plessen damit. Diese Drohung führte er allerdings nicht aus, wie er selber schreibt, weil Plessen der einzige anwesende Rittmeister im Regimente sei. 14 ) Daneben wird auch die Rücksicht auf die Stimmung der Leute eine Rolle gespielt haben. Allem Anscheine nach hätten sich diese eine solche Behandlung ihres verehrten Rittmeisters nicht gefallen lassen, ja Plessen durfte es sogar wagen, Hoffmann wieder außer Arrest zu setzen. Da zog es der Franzose vor, eine Reise nach Utrecht zu machen, von da richtete er eine geharnischte Beschwerde über das unbotmäßige Verhalten von Plessen und Hoffmann an den Herzog, mit der Forderung, beide zum Gehorsam anzuweisen. Gleichzeitig beschwerten sich Plessen und Hoffmann nicht weniger lebhaft über das anmaßende Auftreten des Franzosen und seine Eingriffe in ihre Befugnisse. Noch einen Tag früher (v. 5. Januar 1673) ist eine Eingabe der sämtlichen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften von Plessens Kompanie datiert. Sie hätten gehört, daß Ihr Rittmeister, "mit dem sie wohl und friedlich seien", seine Entlassung nehmen wolle - diese Absicht hatte Plessen allerdings, für den Fall daß ihm nicht sein Recht werde -, und daß sie dann unter einen ganz fremden Offizier kommen sollten; sie würden aber ungerne ihren Oberoffizier missen, "den Hochfürstl. Durchl. uns selbst auf der Residenz und Festung Schwerin bei unsrem Abmarsch vorgestellt mit dem Fürst-gnädigen Verheißen, wo unser Rittmeister bleibe, wir auch bleiben sollen". Sie bitten also, der Herzog möge dafür sorgen, daß ihr Rittmeister ihnen erhalten bleibe, andernfalls bitten sie sämtlich um ihre Entlassung. Denn "da wo unsere Offiziere bleiben, wollen auch gerne wir bleiben nach Ihrer Hochf. Durchl. gnädigem Versprechen, denn wir ungern unter einem Franzosen sein wollen".

Der Streit fand dadurch seinen Abschluß, daß Feuquière nicht wiederkam 15 ), Plessen behielt also das Kommando.

Mitte Februar (1673), wo man wieder in Westfalen stand,


14) Heidereiter war dienstunfähig, auch wenig tüchtig und pflichttreu, v. Lützow, der dritte, war abkommandiert.
15) Plessen nennt ihn in einem Schreiben an den Sekretär des Herzogs in Paris, Taddel, vom 25. April 1673 seinen vierundzwanzigstündigen maitre de camp.
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hatte das Regiment nur 24 dienstfähige Reiter. Der Marschall Turenne befahl nun, es mit einem anderen, das gar nur 20 hatte, zu vereinigen. Mit größter Energie aber setzte sich Plessen dafür ein, um seinem Herzog die Leute zu erhalten, daß diese Maßregel vorläufig aufgeschoben wurde.

Der Herzog war über alles dies in höchstem Maße verstimmt. Er klagte schon in einem Schreiben an seine Räte vom 2. Dezember 1672, daß er "bei jetzigem üblen Betragen seiner Miliz den Succeß seiner Intention bei Hofe schwerlich zu erwarten haben werde", und dachte daran, in die Heimat zurückzukehren. Als er den Einverleibungsplan erfuhr, sandte er Plessen die Weisung, mit seinen drei Kompanien zum Obersten von Halberstadt zu ziehen und sich wieder unter dessen Befehl zu stellen. Turenne legte dem nichts in den Weg und ließ auch vor dem Abmarsch Offizieren wie Reitern ihren vollen Sold auszahlen.

Halberstadt, der nur 10 Meilen entfernt (bei Meschede) stand, holte selbst seine Landsleute ab (den 22. März 1673). Damals waren die drei Kompanien 6 Offiziere und 57 Unteroffiziere und Mannschaften stark.

Halberstadt hatte vorher mit 500 Reitern ein ungünstiges Nachhutgefecht unweit Arnsberg gegen 2000 Feinde ausfechten miissen und dabei etwa 50 Leute verloren. Die Leute aber hatten es meistens verstanden, wieder zu entkommen, und so hatte er den Verlust bald ersetzt und seine vier Kompanien wieder auf 261 Mann gebracht. Unter den neu Eingetretenen befanden sich nach seinem Bericht auch über 30 Mann von Herzog Friedrichs Regiment, sie hatten, nachdem der Herzog in die Heimat abgereist war, ihr Regiment verlassen und waren zu ihren Landsleuten hinübergekommen.

Der Herzog wies Halberstadt außer den Resten der drei Plessenschen Kompanien auch die Dragonerkompanie des Obersten von Bibow wieder zu, der selbst an die Spitze eines kurkölnischen Regimentes trat. So waren die Mecklenburger März 1673 wieder vereinigt. Halberstadts Kommando wurde noch ein zweites Reiterregiment unterstellt, er wurde also Brigadekommandeur in der deutschen Hilfsarmee der Franzosen.

Anfang April erhielt er den Befehl, mit seiner Brigade und einigen Regimentern Infanterie ins Hildesheimsche zu marschieren, um dieses Stift für den Kurfürsten von Köln, der zugleich Bischof von Hildesheim war, zu decken. Anfang Mai war er dort damit beschäftigt, sein Regiment für den Sommerfeldzug wieder in stand zu setzen. Jeder Reiter erhielt einen Koller und

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einen Mantel, auch eine Schabracke, je vier zusammen ein Zelt. Am 4. Juni wurde das Regiment von dem Marquis de Rennel, dem neuen Oberbefehlshaber der kurkölnischen Armee, besichtigt. Er zeigte sich als einen wackeren, gütigen Mann, nur ward die Verständigung mit Halberstadt dadurch erschwert, daß Rennel kein Deutsch und Halberstadt kein Französisch verstand. Darauf unternahm Halberstadt eine Reise nach Mecklenburg, um dort die Festungen zu inspizieren; Plessen, der mittlerweile Oberstleutnant geworden war, vertrat ihn inzwischen. Beide klagen in ihren Berichten, daß sie so lange nichts von ihrem Herrn gehört: es war die Zeit, in der der Herzog in Paris unter Bewachung gestellt war, weil er seine Gemahlin in Schwerin, um ihre Abreise zu verhindern, hatte gefangen setzten lassen. 16 )

Den 27. Juni brach das Regiment Halberstadt, etwa 340 Mann stark, mit den andern kölnischen Truppen nach dem Rhein auf, Halberstadt mit ihnen als Brigadeführer. Den 29. Juli wurde er von seinem Herzog zum Generalmajor ernannt. Der Marsch ging nach Wesel und von dort nach Hessen in die Gegend von Marburg, wo sich das kölnische Korps der französischen Armee unter Turenne anschließen sollte. Man erwartete einen Vorstoß der Kaiserlichen aus Böhmen durch Franken, und ein Zusammentreffen der Mecklenburger mit den Kaiserlichen war um so bedenklicher, als Österreich jetzt eine entschiedenere Haltung annahm und der Reichskrieg gegen Frankreich immer näher rückte.

War dieser erklärt, was allerdings offiziell erst den 24. Mai 1674 geschah, so ward ein Kampf für den Reichsfeind zum Reichsverrat. Um die Mecklenburger rechtzeitig von den Franzosen zu lösen, kam es zunächst darauf an, den Herzog zur Abreise aus Frankreich zu bewegen. Dies war nicht nur die Meinung der Schweriner Räte, sondern auch die Halberstadts. So gab dieser den 9. August von Marburg aus dem Herzog den dringenden Rat, in die Heimat zurückzukehren, wo seine Anwesenheit aus mannigfachen Gründen lebhaft ersehnt werde.

Die Gefahr ward größer, als der Kaiser den 20. August ein allgemeines Avokatorium erließ, in dem er nach Aufzählung aller Feindseligkeiten, die die Franzosen von Beginn des holländischen Krieges an gegen deutsches Reichsgebiet begangen, Befehlshaber und Soldaten an ihre Pflicht gegen Kaiser und Reich erinnerte und sie aufforderte, sich aller wider den Kaiser und den Frieden ge-


16) Genaueres s. Chr. L. S. 98 ff. Die Haft des Herzogs dauerte vom 30. April bis zum 2. Juli.
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richteten Bestallungen alsbald zu begeben, ihren Dienst und ihre Tapferkeit vielmehr zu Schutz und Rettung, nicht zur Vergewaltigung des Reiches anzuwenden, bei Vermeidung schwerer Ungnade und der gesetzlichen Strafe.

Auf die Kunde von diesen Avokatorium nahmen viele Offiziere der kölnischen Armee sofort ihren Abschied. Halberstadt hielt seine Leute zusammen, erklärte aber, als zu dem beabsichtigten Sturm auf die von Kaiserlichen besetzte Burg der Stadt Friedberg den 30. August auch Mecklenburger bestimmt wurden, dem kölnischen Kommissar, er sei nicht beauftragt und gewillt, gegen den Kaiser zu kämpfen, seine Truppen seien an Kurköln nur zu einem Kriege gegen die Holländer überlassen. 17 )

Turenne überschritt nun den Main - nach Süden; am 5. September stand Halberstadt in Aschaffenburg. Ein kaiserliches Heer stand hier den Franzosen gegenüber, die Kölner wurden aber, gewiß zu Halberstadts und der Mecklenburger Freude, in das letzte Treffen der Armee auf den linken Flügel gestellt. Dennoch wurden einmal einige Leute des Regiments Halberstadt von den Österreichern gefangen genommen, dadurch aber wurde die österreichische Heeresleitung, an deren Spitze damals wieder Montecuccoli stand, darauf aufmerksam, daß ihnen auch Mecklenburger gegenüberstanden. Nach Plessens Bericht vom 28. September fragte Montecuccoli einen gefangenen Rittmeister einer anderen Brigade, ob ein mecklenburgisches Regiment bei den Kölnern stehe, und als dieser es bejahte, sprachen die österreichischen Offiziere "mit sonderlicher Miene" italienisch miteinander.

Inzwischen war das kaiserliche Avokatorium auch an Herzog Christian Louis gesandt zur Bekanntmachung und Befolgung in seinem Lande, und zwar nach Schwerin. Hier führten seit der Entzweiung des Herzogs mit seiner Gattin und deren Abreise (Mai 1673) die herzoglichen Räte allein, an ihrer Spitze der Kanzler Wedemann, die Regierung im Namen ihres Herrn. Sie öffneten also das Schreiben. Gleichzeitig langte ein Schreiben des Herzogs aus Paris an ( vom 22. September), er sei durch die Nachricht vom Ausbruch des Krieges zwischen dem Kaiser und Frankreich über-


17) Plessen schreibt d. 29. an den Sekretär Taddel, es sei "gleich diese Stunde" dem meckl. Regiment anbefohlen, daß jeder Reiter morgen zwei Faschinen liefern solle. Ob dieser Befehl wieder zurückgenommen ist oder die Mecklenburger doch durch die Lieferung der Faschinen bei dem Sturm beteiligt gewesen sind, erfährt man nicht.
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rascht und habe seinem Gesandten in Regensburg bereits aufgegeben, ihn beim Kaiser wegen seines Verbleibens in Paris zu entschuldigen, da ihn nur seine Privatverhältnisse, nicht aber totale Gesinnung dort zurückhielten. Er sei indessen nicht schuldig, seine Truppen aus dem kölnischen Dienst abzuberufen, da sie dem Erzbischof nur zum Kriege gegen Holland überlassen seien, und könne sie jetzt auch nicht zurückrufen, sonst gerate er zwischen zwei Stühle, vom Kaiser habe er sich keines Schutzes zu versehen, von Frankreich und Schweden müsse er dagegen alles Unheils gewärtig sein.

Kanzler Wedemann antwortete dem Herzog, es sei jetzt dringend geboten, "ohne Valediktion" die Reise von Paris nach Mecklenburg zu beschleunigen. "Nichts ist an Seiten Ew. Durchl. übrig, denn Frankreich mit dem Rücken anzusehen, Caesari dare, quae sunt Caesaris, und die Truppen eiligst zurückzurufen."

Er sandte dann auf eigene Verantwortung eine Abschrift des Avokatoriums (den 4. Oktober) an Halberstadt mit der Weisung - ad mandatum Serenissimi Celsissimi proprium -, er solle die Truppen hinfort nicht mehr für mecklenburgische ausgeben. Der Überbringer dieses Schreibens, der Trompeter Wolf Rummer, hatte noch den Auftrag, falls Halberstadt die sofortige Kassierung und Abdankung der Mecklenburger weigere, ihm zu sagen, sobald er, der Trompeter, darüber in der Heimat berichte, würden die Güter Halberstadts und seiner sämtlichen Offiziere eingezogen, ihre Frauen und Kinder des Landes verwiesen werden. Von diesen Schritten wurde dem kaiserlichen Hofe Mitteilung gemacht, man hatte sich damit diesem gegenüber gedeckt.

Im geheimen erhielt der Trompeter noch einen milder gefaßten Brief der Räte mit an ihren "werten, lieben Freund" Halberstadt, in dem die Räte "die unglückliche Stunde" beklagen, in der der Herzog "zur unzeitigen Werbung und Einmischung in ein fremd Spiel zwischen Monarchen, Potentaten und anderen Gewalten" gebracht sei. Auch hier aber bitten sie ihn dringend, die Truppen im Namen des Herzogs aufzulösen.

Diese Maßregel, die, im Namen des Herzoge angeordnet, doch dessen Willensmeinung schnurstracks zuwiderlief, rechtfertigten die Räte oder, wir dürfen sicher annehmen, für sie der Kanzler Wedemann in einem ausführlichen Schreiben an den Herzog vom 8. Oktober ebenso eindringlich wie freimütig. Es heißt darin u. a.: "Glauben und trauen Ew. Durchl. sicherlich, daß es mit Dero und Ihren Landen nicht gefährlicher jemalen als jetzo gestanden."

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Durch einen kaiserlichen Herold mit einer Erklärung, die im Lande angeheftet werde, könnten Landsassen und Untertanen von allem ferneren Gehorsam entbunden werden. Um nicht ihren Herrn "gar verderben zu lassen", hätten sie sich gedrungen gefühlt, jenen Befehl an Halberstadt zu schicken. "Was ist doch in der Welt gefährlicher, als daß Fürsten des Reichs sich in Frankreich aufhalten", dort Ratschläge annehmen von Leuten, "die im Flüstern gehen und vom Römischen Reich nichts wissen." "Alle unglücklichen consilia sind gleich einem Stein, der ins Wasser geworfen, dadurch die eine Welle nach der anderen verursachet, die letztere an das Land geschlagen wird. Dieweil denn die letzten Werbungen aus einem unglücklichen principio erwachsen, dürfte besorglich dieselbe (d. i. die Gefahr) nicht ehender aufhören, bis das größere Unglück zu seiner Maturität geraten, welcher letzter Umstand aber künftig nimmer zu remedieren sein möchte, die Sache ist auf die Spitze geraten, daß Ew. F. Durchl. Ihro Gemüt von Frankreich absetzen, sonsten die Gefahr wegen ihrer Landen stehen müssen. Unmöglich kann man zweien widerwärtigen Herren dienen. Allhie haben Ew. Durchl. Dero Herzogtum und Landen, hier hat die Pflicht ihren Sitz, dorten gewinnen Ew. Durchl. nichts und werden mit vergeblichen Vertröstungen aufgehalten. Uns betrifft die Sache nicht weniger; geben wir den kaiserlichen advocatoriis keine Folge, kommen wir unfehlbar in die Acht." Durch die Gehorsamserklärung und die Absendung von Abschriften der Depesche an Halberstadt sowohl nach Wien als nach Regensburg ist "Ew. Durchl. vor dies Mal von der Gruben, davor Sie ad praecipitium usque gestanden, mit herzhaftem Mute abgewandt. - Mit der Hülfe des Allmächtigen sollen Ew. F. Durchl. für das Mal oben bleiben, Ihre Landen behalten, der Sie sonst, so wahr der Höchste lebet, verlustig geworden. Darum lassen Ew. F. Durchl. die Prinzipien in Frankreich fahren. Es ist kein Stern in Frankreich, der Ew. F. Durchl. jemalen glücklich ausscheinen wird." Die Räte warnen dann, der Herzog möge ja ihr Cassatorium an Halberstadt nicht umstoßen; wenn die Kassation in Frankreich bekannt werde, möge er die Schuld nur auf seine Minister schieben und sich ihre künftige Ahndung vorbehalten. Sie schließen mit dem abermaligen Rat, der Herzog möge "Frankreich mit dem allerehesten quittieren, an andere unverdächtige Örter sich begeben, sich als einen Fürsten des Reiches allein ästimieren lassen, und die übrige Zeit seines Lebens in Ruhe, in Vergnüglichkeit und Conservation seiner Landen, eines von Gott ererbten, so herrlichen Schatzes leben und zubringen."

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Der Herzog ließ sich diese Mahnrede seiner getreuen Räte gefallen und nahm auch ihre Maßregeln, die ihn ja dem Kaiser und Reiche gegenüber sicher stellten, als einmal geschehen hin, aber ihren Rat, Frankreich schleunigst zu verlassen, ließ er unbefolgt. 18 )

Der Trompeter Rummer aber hatte große Mühe, Halberstadt und sein Regiment zu erreichen. Die französische Armee war Ende Oktober bei Philippsburg über den Rhein gegangen, Rummer holte also den General erst den 3. November in der Nähe von Worms ein.

Halberstadt beantwortete das Schreiben gleich am nächsten Tage von Worms aus. Ohne sich durch die Drohung mit der Konfiskation seiner Güter einschüchtern zu lassen, erklärte er, dem Avokatorium und dem Kassationsbefehl zur Zeit nicht Folge leisten zu können und riet der Regierung, ihn und sein Regiment durch ein Schreiben an den Kurfürsten von Köln abzuberufen, zugleich meldete er alles dies dem Herzog, dem er bald darauf noch einmal vorschlug, ihn durch ein Schreiben an die kölnische Kriegsbehörde, wie es diese verlangt hatte, abzuberufen. Vom Herzog mehrere Wochen ohne Antwort gelassen, sandte er den Oberstleutnant v. Plessen nach Schwerin und bat noch einmal um regelrechte Abberufung. Plessen sollte auch unterwegs versuchen, das Regiment, das Anfang November auf einer Musterung bei Kreuznach 289 Köpfe zählte bei einem andern Fürsten unterzubringen, da die heimische Regierung überhaupt nichts davon wissen wollte.

Vor Plessens Ankunft hatte man in Schwerin auf Halberstadts von dem Trompeter überbrachte Weigerung hin ein neues Reskript erlassen, in dem besonders betont wird, daß die Rückführung des Regimentes nach Mecklenburg "gefährlich und darum verschlossen sei. "Ein einziger Weg bleibt noch übrig: Wer laufen will, der tue es bei Zeiten!" Das Regiment wird für kassiert erklärt und das Reskript als die letzte Vermahnung an Halberstadt bezeichnet. Leiste er nicht in drei, höchstens vier Wochen Gehorsam, so bleibe nichts übrig, als seine Güter 19 ) einzuziehen und ihm Weib und Kind nachzuschicken. Dies wurde den 10. Dezember dem Kaiser gemeldet mit dem Zusatz, daß inzwischen mit der Aufzeichnung der beweglichen und unbeweglichen Güter Halberstadts schon der Anfang gemacht sei.


18) Er ist trotz des Reichskrieges erst im Mai 1676 nach England hinübergereist.
19) Leetzen, Langenbrütz und Gottesgabe, alle drei unweit Schwerin.
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Man hatte also wieder dem Kaiser Gehorsam geleistet. Mit der Übermittlung des Schreibens hatte man es nicht eben eilig, es wurde nicht durch einen Depeschenreiter, sondern mit der Post einem Agenten in Speyer zur weiteren Besorgung gesandt und scheint überhaupt nicht in Halberstadts Hände gelangt zu sein.

Plessen erhielt ein neues strenges Abberufungsschreiben an Halberstadt (vom 25. Dezember) mit auf den Rückweg, aber kein Schreiben an die kölnische Kriegsbehörde. Dem General wurde aufgegeben, bei Strafe der Konfiskation seiner Güter sich sogleich von der kölnischen Armee zu trennen, doch wird ihm freigestellt, das Regiment in den Dienst eines andern Reichsfürsten zu bringen, der am Kriege unbeteiligt sei. Plessen versuchte dies in Celle und Kassel, an beiden Stellen vergebens, und suchte nun wieder Halberstadt zu erreichen.

Das Regiment hatte sich nach Plessens Abreise weiter vom Rhein entfernt, den 12. Dezember stand es einige Meilen von Metz. An diesem Tage erhielt Halberstadt endlich wieder ein Schreiben des Herzogs, datiert vom l. November, das also volle vier Wochen unterwegs gewesen; es war noch nicht die Antwort auf seine Meldung vom Eingang des Kassatoriums der Regierung. In dem Schreiben hieß es, er solle jede Gelegenheit vermeiden, "wider die kaiserliche Armee das Geringste zu tentieren, er solle sich zurückziehen und sich an einen unverdächtigen Ort begeben, bis er Gelegenheit finde, sich anderweit unterzubringen und die Leute zu konservieren". Halberstadt erklärte in seiner Antwort (noch vom selben Tage) abermals die Trennung von der kölnischen Armee ohne ein förmliches Abberufungschreiben an die Generalität für unmöglich.

An eben diesem 12. Dezember erhielt er Befehl, wieder in die Gegend von Kreuznach zu rücken, um dort Winterquartiere zu beziehen. Kurz darauf aber ward die kölnische Armee auf einem weiten Umwege über Metz, Verdun und Sedan nach Jülich und von da nach Neuß und Umgegend geführt. Der Grund des Marsches war der Wunsch, die Armee in das von Oranien und Montecuccoli bedrängte kurfürstlich-kölnische Gebiet zu dessen Schutz zurückzuführen, was in der augenblicklichen militärischen Lage nur auf diesem weiten Umwege möglich war.

Den 6. Februar 1674 berichtet Halberstadt von Kaiserswerth aus von diesem aufreibenden Marsch, der fast ununterbrochen Tag und Nacht fortgesetzt worden war und viele Mannschaften und

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Pferde gekostet hatte, er selbst hatte unterwegs seine ganze Bagage - 3 Wagen - verloren.

Noch immer hatte er seine Entlassung aus dem kölnischen Dienst nicht, vielmehr erhielt er eben den 6. Februar den Befehl, mit 3 Regimentern, darunter dem mecklenburgischen, wieder über den Rhein zu gehen und zum zweiten Mal ins Stift Hildesheim zu ziehen. Dies bot den großen Vorteil, daß man der Heimat weit näher war.

Plessen hatte ihn noch nicht wieder erreicht. Der war den 14. November, drei Tage nach Halberstadts Aufbruch von Metz nach Verdun, in Metz angekommen. Da er dort über Halberstadts Aufenthalt nichts erfahren konnte - der Marsch der Kölner wurde geheim gehalten -, so war er nach Paris gereist zum Herzog und hatte diesem die für Halberstadt bestimmten Depeschen übergeben und zugleich um seine eigene Entlassung aus dem Regiment gebeten.

Dieser Wunsch ward ihm erfüllt, er erhielt eine in Mecklenburg verbliebene Kompanie und reiste den 10. Februar wieder mit dem Auftrage ab, unterwegs Halberstadt aufzusuchen und ihm Schreiben zu überbringen.

Es gelang ihm, sich durch die kaiserliche Armee, die zum Teil westlich des Rheins stand, bis Mainz hindurchzuschleichen und hier durch einen guten Freund des Herzogs einen Paß nach Köln zu erhalten. Da er aber auf dem Wege dorthin die kaiserliche Armee zu passieren und dabei eine Durchsuchung zu gewärtigen hatte, so verbrannte er vorher des Herzogs Briefe an Halberstadt. Er reiste dann dem General nach, den Rhein abwärts bis Wesel und von da nach Hildesheim, wo er ihn endlich den 4. April erreichte.

Halberstadt war nach einem schwierigen Marsche an feindlichen Stellungen vorüber den 1. März in Hildesheim angelangt, sein Regiment zählte noch 135 Köpfe. Von hier aus verhandelte er über Abtretung des Regimentes an den Kreisobersten, Herzog Georg Wilhelm von Celle, die aber nicht zustande kam. Endlich erhielt er, den 9. April, seine Entlassung aus dem kölnischen Dienst. Eine Schwierigkeit machte noch die Soldzahlung. Der General selbst hatte noch für 12 Monate Sold zu fordern, die Offiziere hatten seit sechs, die Leute seil vier Monaten keinen Sold mehr erhalten. Aber die kölnischen Kassen waren erschöpft, die Mecklenburger wurden also mit einem einmonatlichen Sold abgefundene darauf wurden sie von Halberstadt den 13. April 1674 ihres Eides entlassen.

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Am 14. kam ein Schreiben des Herzogs an mit dem Befehl, das Regiment nach Mecklenburg zurückzuführen. Es war zu spät, das Regiment Halberstadt bestand nicht mehr, und mit ihm hatte der Versuch des Herzogs Christian Louis, sich mit seinem Regiment als mitwirkendes Rädchen in das Getriebe der großen europäischen Kriegspolitik dieser Jahre einzuschieben, um für sich, sein Haus und sein Land Vorteile zu gewinnen, ein wenig rühmliches Ende gefunden.

 

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