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I.

Das alte Schloß in Kleinow

von

Dr. phil. Gerd Dettmann.

 

Vignette
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Die Entstehung des alten Ludwigsluster, zuerst Kleinower Schlosses fällt in die Periode des 18. Jahrhunderts, die für Mecklenburg die unruhigste war, in die Zeit des Kampfes zwischen dem Herzog Karl Leopold und den Ständen, in dem der Herzog schließlich immer mehr zurückgedrängt wurde, während sein jüngerer Bruder Christian II. Ludwig als kaiserlicher Administrator die Landesregierung in offenem Gegensatz zu ihm führte. Christian Ludwig hatte 1708 von seinem ältesten Bruder Friedrich Wilhelm das Amt Grabow als Apanage erhalten. Nach dem 1713 erfolgten Tode Friedrich Wilhelms versuchte sein Nachfolger Karl Leopold sofort, den Vertrag wieder umzustoßen. Da er aber nach wenigen Jahren gezwungen war, in Danzig Zuflucht zu suchen, konnte er nur durch einige ihm ergebene Beamte seinen Einfluß geltend machen, auch als er später nach Dömitz zurückkehrte. Ihm gegenüber fand Christian Ludwig an dem Kaiser und den umliegenden Mächten Preußen und Hannover eine starke Hülfe.

Große Teile des Amtes Grabow bestanden in Jagdgebieten, die der Prinz, ein großer Jagdfreund, eifrig besuchte. Nun liegt aber Grabow, in dessen Schlosse der Prinz anfangs, bis zum Brande von 1725, residierte, abseits der eigentlichen Forsten. Auch das Schloß Neustadt, das Christian Ludwig nach Vernichtung des Grabower Schlosses bewohnte, lag außerhalb der Jagdgebiete, so daß dem Prinzen in seiner Jagdleidenschaft große Zügel angelegt waren. Deshalb beschloß er im Jahre 1724, sich "ein neues Jagddemeure" zu bauen, um die Nächte im Jagdrevier zubringen zu können. Wen er beauftragte, für diesen Bau die Risse zu machen, ist nicht sicher, möglich ist, daß er schon damals mit dem Baumeister Künnecke in Verbindung trat, der später den Bau leitete.

Als Platz wählte der Prinz den in herzoglichem Besitz befindlichen, auf der Stelle des heutigen Ludwigsluft gelegenen Hof Kleinow südwestlich von Neustadt, über den K. Goß in seiner Ge-

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schichte von Ludwigslust (Parchim 1852) ausführlich berichtet hat. Das Verwalterhaus lag auf dem platz des heutigen Fremdenhauses östlich vom Schloß, und sein Garten erstreckte sich bis zum Schloßgrundstück. Im Schlosse zu Ludwigslust befindet sich ein sonst anscheinend unbekannter Stich von Busch, die drei Häuser des Herzogs Christian Ludwig in Kleinow. Hier sieht man als erstes Gebäude einen kleinen achteckigen Fachwerkpavillon, der wohl als Gartenhäuschen für den Verwaltergarten gedient hatte und abgerissen wurde, damit auf seinem Platz das neue "Demeure" errichtet werden konnte. Es findet sich auch in den Akten schon 1717, 7 Jahre vor dem Baubeginn, der Gedanke erwähnt, "das kleine Rondell im Kleinower Garten eventuell auszubauen und als Eßsaal zu optieren", doch wird dieser Plan bald als allzu dürftig aufgegeben und mit neuen Entwürfen begonnen sein. Im Archiv und im Landesmuseum werden eine Reihe von Entwürfen für größere Lusthäuser aufbewahrt. Wenn auch nicht genau gesagt werden kann, welche für diesen speziellen Bau bestimmt waren, und welcher den endgültig ausgeführten Plan darstellte, da es sich bei allen um mehr oder weniger verschiedene, kleine einfache Fachwerkbauten, meist mit hofbildenden Flügeln, handelt, so sieht man doch an den mehrfachen Abänderungen einzelner Pläne das rege Interesse, das der Bauherr an ihnen genommen hat. Aus späteren Umänderungen und gelegentlicher Maßangabe kann man sich den vorerst begonnenen Bau rekonstruieren. Entsprechend der Hofhaltung eines apanagierten Prinzen und dessen Mitteln war das Jagdhaus natürlich von ganz einfachen Verhältnissen. Es bestand aus einem einstöckigen Fachwerkhaus von 142 Fuß Länge und 11 Fensterachsen, in der Mitte mit einem zweistöckigen Risalit zu 3 Fenstern und einem einfachen Walmdach. Den Eingang bildete eine Mitteltür, dahinter lag ein Vorplatz und nach der Gartenseite ein Speisezimmer, das zuerst einen achteckigen Grundriß, mit 3 Seiten über die Gartenfront hinausspringend, haben sollte. Links und rechts waren die Wohn- und Schlafzimmer angeordnet. Nach Süden sollte ein Hof durch zwei Flügel begrenzt, von zwanzig Fuß Front und dreißig Fuß Seitenlänge, sich anschließen.

Der Bau wurde 1724 begonnen, die Leitung, d. h. wohl mehr die Aufsicht bei der Herbeischaffung des Baumaterials hatte ein in Dömitz wohnender Walkmüller. Das Holz zu diesem Bau kaufte der Prinz teils aus dem brandenburgischen Gebiet, teils bekam er es von seinem Schwager, dem Herzog von Strelitz, geschenkt; auch wurde Material benutzt, das offiziell zur Reparatur des

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Grabower Schlosses und des alten Kleinower Hauses, d. h. wohl des Verwalterhauses, wo der Prinz gelegentlich wird übernachtet haben, dienen sollte, da er nicht befugt war, vor Entscheidung der zwischen ihm und seinem Bruder schwebenden Streitfragen aus den umliegenden Wäldern selbst Holz zu schlagen. Doch obwohl der Bau zunächst rüstig fortschritt, zögerte sich die Vollendung vorerst noch lange hinaus. Denn sobald der Herzog Karl Leopold in Danzig von dem neuen Schloßbau gehört hatte, versuchte er ihn, über die Eigenmächtigkeit seines Bruders erbost, auf alle Weise zu hintertreiben. Am 13. Januar 1725 schon schrieb er an den Amtmann Grantzow in Grabow, befahl ihm, den angefangenen Bau in Kleinow bei schwersten Strafen zu hindern, als "ein Unserer landesfürstlichen Hoheit äußerst nachteiliges Bauwerk" und drohte, ihn wieder abreißen zu lassen. Grantzow antwortete, daß er die Arbeiter "zurückgedroht habe, fürchte aber, daß der Prinz fremde Arbeiter kommen lassen werde. Doch die Drohung scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn im Frühling 1725 wurde der Bau schon wieder eingestellt. Der Prinz scheint jetzt außerdem in der Platzfrage unschlüssig geworden zu sein, denn er plante einen neuen Bau zu Kummer, einem Dorfe bei Ludwigslust. Im Juli 1725 schrieb Karl Leopold wieder an Grantzow, er fürchte, Christian Ludwig würde in Kummer bauen, und er solle dort wieder Handwerkern und Lieferanten die Arbeit verbieten. Grantzow fuhr hin und fand dort zwar einen Neubau, der aber angeblich für den Küchenmeister Mattfeldt aus Grabow aufgeführt wurde, also jedenfalls kein größeres Herrenhaus gewesen sein kann und wohl überhaupt nicht für Christian Ludwig bestimmt war. Goß berichtet, daß Christian Ludwig in Kummer das Haus des verstorbenen Jägers Tiedemann habe ausbauen und ein neues Gebäude von 70-80 Fuß Länge und 30 Fuß Breite habe aufführen lassen wollen, der Bau sei aber wiederum gehemmt. Es kam zum dritten Bauversuch. Im Herbst 1725 wurde auf der Multzau zwischen Göhlen und Kummer, nicht weit von Kleinow entfernt, ein neues Fundament errichtet, der vorhin beschriebene in Kleinow begonnene Bau wieder abgebrochen und nach der Multzau gefahren. Im Februar 1726 fuhr Grantzow wiederum nach diesem neuen Bau, fand, daß er außer der Grundmauer noch nicht begonnen sei, und hörte, daß bisher weder "eine accurate Größe, noch eine Idee einer Figur des zu errichtenden Gebäudes" vorhanden sei. Der Bauplatz sei zwischen zwei Bächen gelegen und vor dem Schloß, d. h. den bis dahin nur ausgeführten Grundmauern sei eine Gebüschallee, davor eine

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Wiese mit viereckigem Platz, an der Rückfront solle eine Allee durch den Wald gehauen werden. Der Prinz scheint also schon vor dem eigentlichen Bau mit der Gartenanlage begonnen zu haben, und die Nähe der zwei Bäche deutet sicher darauf hin, daß sie irgendwie in der Anlage verwertet werden sollten, da ja zu einer richtigen Parkanlage dieser Zeit Wasserkünste unentbehrlich waren. Das Vorhandensein dieser Bäche wird auch vielleicht den Prinzen zum Wechsel des Bauplatzes bestimmt haben, da der Kleinower Bauplatz fast nur ebene Sand- und Wiesenflächen ohne die später ausgeführten Kanalanlagen zeigte. Doch auch dieser Bau wurde nicht weitergeführt. Der Prinz scheint, der dauernden Störungen überdrüssig, erst die Entscheidung in der Grabower Amtssache haben abwarten wollen.

Doch während die allgemeine Stellung des Prinzen sich allmählich festigte, wurde die endgültige Entscheidung immer wieder hinausgezögert, und so entschloß er sich nach 5 Jahren, 1731, weiterzubauen, und zwar wieder in Kleinow. Es tritt jetzt zum ersten Mal auch der Baumeister in Erscheinung. Am 9. Juni 1731 schrieb der Baumeister Joh. Friedrich Künnecke aus Arpshagen, daß er Handwerker für den neuen Bau werben würde. Er war beschäftigt bei den Bauten des Grafen Bothmer in Klütz, und es ist wohl zu vermuten, daß er aus der Lübecker oder Hamburger Gegend dorthin gekommen ist. Dies würde auch einen Grund geben, weshalb der Prinz gerade ihn berief und nicht einen der Baumeister aus der Kleinower Gegend, aus Grabow oder Schwerin. Der ewigen Störungen durch die mecklenburgischen, teilweise noch an Karl Leopold hängenden Beamten müde, wird er diesen auswärtigen Baumeister, der bei einem der Landedelleute, seiner Anhänger, gearbeitet und sich dort bewährt hatte, einem Einheimischen vorgezogen haben, weil er von ihm weniger ein Nachgeben gegenüber den Drohungen seines Bruders zu befürchten hatte, und auch weil er von ihm wohl mehr erwartete als von den bisher an größeren Bauten noch nicht erprobten mecklenburgischen Baumeistern.

Zuerst sandte Künnecke nur Entwürfe, da er offenbar seine Bothmerschen Bauten noch nicht vollendet hatte. Im Juli 1731 sollte der Bau beginnen. Künnecke schrieb, er werde kommen, sobald der Bau gerichtet würde, vorher solle es am Fundament nicht mangeln. Gleichzeitig bestellte er Kamine und Treppen aus Hamburg und Schweden (wohl aus schwedischem Marmor, der auch beim späteren Schloßbau für Kamine verwandt wurde) Im Winter 1731/32 ruhte der Bau. Aber schon rührte sich Karl

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Leopold wieder. Am 31. Januar erhielt er einen Brief mit Nachricht über den neuen Kleinower Bau, und daß auch das Holz von der Multzau wieder nach Kleinow gebracht würde, ferner ruiniere Christian Ludwig den Kleinower Garten und lasse eine Schneise nach Kummer durch den Wald hauen. Sofort befahl er wieder Hintertreibung des Baues. Doch schon im Januar 1732 waren von einem Ingenieur neue Gebäude abgesteckt, wohl für das Korps de Logis. Künnecke hatte neue Risse gesandt. Der Bau wurde größer. Der Mittelbau wurde an den Seiten um je zwei Achsen verlängert. An die Südseite kamen zwei größere Küchen- und Koppelflügel. Während der Fundamentierungsarbeiten wurde das Fachwerk in Neustadt hergerichtet und fertig nach Kleinow gefahren. Wegen des zu feuchten Grundes hatte Künnecke den Fußboden des Korps de Logis hohl arbeiten lassen. Im Frühling 1732 scheint die Arbeit kräftig aufgenommen zu sein. Im April waren beide Flügel aufgeführt, im Juli war der ganze Bau unter Dach, aber noch ohne Fenster und Innenausstattung. Während dieser Zeit hatte Karl Leopold zum letzten Male versucht, den Bau zu stören, der infolgedessen im April 1732 ein Wachtkommando von einem Wachtmeister, einem Korporal und sechs Lüneburger Dragonern erhielt. Von da an blieb der Bau ohne Störung. Im Herbst 1732 scheint auch die Innenausstattung des Korps de Logis schon begonnen zu sein. Im Juni 1733 wurde mit Joh. Krekow ein Kontrakt geschlossen, das Jagdhaus in Kleinow mit gelber und grauer Farbe zu streichen. Der weitere Ausbau wurde fortgesetzt, die Flügel bekamen zweistöckige Eckpavillons und kleine Mittelgiebel, ferner wurden in Verbindung mit der Hofumzäunung vier Gardehäuschen und Baracken errichtet. Erst 1735 war der Bau ganz vollendet. Das Holz zu diesem vergrößerten Bau ließ der Herzog heimlich durch fremde Hand in Plau kaufen. Die Arbeiter waren zum Teil auswärtige, darunter der Maurer Barc, der Großvater des späteren Hofbaumeisters, den Künnecke aus Bothmer mitgebracht hatte. Das Geld zum Bau liehen dem Herzog die mecklenburgischen Edelleute, die auch die Fuhren stellten.

Nun zum Bau selbst. Die Mitte des ganzen Baukomplexes bildete das Korps de Logis, 165 Fuß lang und 40 Fuß breit, ein Stockwerk hoch. In der Mitte ein 25 Fuß breites, 2 Stock hohes Risalit, 33achsig, mit flachem Giebel geschlossen, Vorder- und Rückwand zu je 15 Achsen, an der Gartenfront ebenfalls ein Risalit, um ungefähr 12 Fuß über die Frontmauer vorspringend. Über den seitlichen Türen kleine Giebel, das Dach, ein einfaches

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Walmdach, mit kleinen Fensterluken. In der Mitte jeder Haupt- und Seitenfront lag, um einige Stufen erhöht, eine Tür. Trat man durch die Tür der Hofseite ein, so kam man zunächst in einen Vorraum mit zwei Fenstern nach dem Hofe zu. Ihm achsial entsprechend auf der Gartenseite der Salon oder Speisesaal, der Hauptraum des Schlosse wenn auch dem Ganzen entsprechend nur von bescheidener Größe, 25 : 35 Fuß. Er wurde zu Festlichkeiten benutzt, an Sonntagen wurde er ausgeräumt, ein Altar aufgebaut, und der Hofstaat und die Dorfbewohner sammelten sich hier zum Gottesdienst, dem der Herzog und die Herzogin in den Nebenzimmern bei geöffneten Türen beiwohnten, eine Anordnung, die beim Kirchensaale im neuen Schloß wiederholt wurde. - Im Ostflügel lagen die Räume des Herzogs zuerst ein Audienzzimmer, dann zwei Kabinette, nach der Hofseite das Schlafzimmer, und an den Vorraum grenzend die Garderobe. Die äußersten Zimmer im Osten waren zu Gast- und Nebenräumen bestimmt. Die Zimmer der Herzogin lagen entsprechend an der Westseite, ein Audienz-Zimmer, ein Schlafzimmer, ein Zimmer für die Prinzessinnen und die Eckzimmer für die Jungfern. Die Treppenanlage lag beim Eintritt zur Linken des Vorsaales und führte in das Dachgeschoß, das im Mittelrisalit wiederum einen Vorsaal und über dem unteren Saal einen sog. Sommersaal barg, der im Sommer als Speisesaal diente.

Neben den Seitenfronten, aber ca. 20 Fuß vorgezogen und durch eine ausgerundete Umzäunung mit dem Mittelbau verbunden, lagen die Flügel, einstöckig, zuerst 42 Fuß parallel dem Corps de Logis beginnend, dann rechtwinklig vorgezogen 70 Fuß lang den Hof bildend und wieder rechtwinklig gebrochen nach außen umbiegend, an beiden Seiten von je einem zweistöckigen 30 Fuß breiten Pavillon begrenzt. Der Hof wurde durch eine Umzäunung geschlossen, an der zwei sog. Baracken lagen, und die in der Mitte in rundem Bogen um 35 Fuß vorsprang. Den Eingang flankierten zwei Wachthäuschen. Hinter den Flügeln, von denen der rechte die Küche, der linke die Ställe (später auch zu Wohnungen eingerichtet) enthielt, lagen noch kleinere Wirtschaftsgebäude. Die Pavillons dienten dem Hofstaat als Wohnung. Die ganze Anlage bildete ein einheitlich geschlossenes Ganzes. In der Mitte zurückliegend das breit gelagerte Corps de Logis mit dem die Achse betonenden Mittelrisalit, daran anschließend die vorgezogenen, den Hofraum bildenden Flügel, nach außen umbiegend und zusammengehalten von den Pavillons, die, zweistöckig, der Bewegung der Flügel Halt geboten und nebst dem gleich hohen

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Mittelrisalit Mitte und Enden der Anlage betonten. Die ausladende Umzäunung endlich fing die vom Mittelportal ausgehenden und über den Hofraum ausladenden Raumkurven wieder ein zwischen den festen Punkten der Wachthäuser, von dort frei in die Landschaft auslaufend. Daß Künnecke diesen Raum nicht zufällig, sondern bewußt geschaffen hat, beweisen die verschiedenen Abänderungen in den einzelnen Plänen, wonach er die Verbindung zwischen Corps de Logis und den Flügeln zuerst zum Hofraum konvex, dann rechtwinklig und schließlich konkav, der Raumbildung des Hofes am günstigsten, gestaltete. Auch die Notwendigkeit der geschlossenen Baumasse, durch die Eckpavillons erreicht, scheint er erst während des Planens erkannt zu haben. Ebenfalls genau berechnet war die Einheit des Hofraumes. Dies zeigen einige Grundrisse des Schlosses, auf denen Künnecke die Anlage nach bestimmten Linien berechnet. So läuft eine Verbindungslinie von den Mitteltüren der Seitenflügel über die Ecken der Gitterausbuchtung nach dem Mittelportal der Umzäunung, das nur soweit vortreten sollte, daß es von der Tür aus noch gesehen, also mit dem Hof noch eine Raumeinheit bilden konnte, mithin eine bewußte, nach eingehenden Überlegungen entstandene Raumbildung. Den gleichen Zweck verfolgt eine Linie von der Mitteltür des Corps de Logis über die Ecken der Flügel nach den kleinen, sonst architektonisch nicht betonten Seitentüren der Umzäunung.

Wie stehen nun Künnecke und sein Bau zur allgemeinen Stilgeschichte. Über die Persönlichkeit Johann Friedrich Künneckes ist nichts bekannt, außer daß er aus dem Dienst des Grafen Bothmer in Klütz kam. Wie schon vorhin erwähnt wurde, stammt er wahrscheinlich aus dem lübischen oder hamburgischen Gebiet, wohin auch die wirtschaftlichen Verhältnisse jener Gegend weisen. Nun ist es ja an sich eine bedenkliche Sache, einen einfachen Fachwerkbau, im äußeren ohne jeden Schmuck, auf Grund stilistischer Untersuchungen dieser oder jener Architekturrichtung zuzuweisen, zumal da von dem Bau und seiner Innenausstattung nichts erhalten ist. Es haben sich aber glücklicherweise, wie schon oben gesagt, eine große Anzahl von Entwürfen, besonders Grundrissen von Lusthäusern und anderen kleinen Gebäuden Künneckes erhalten, die interessante Aufschlüsse geben über die Kunstrichtung des Baumeisters. Wenn auch über die Herkunft Künneckes nichts bekannt ist, so gleichen doch diese Zeichnungen das Fehlen von Nachrichten gewissermaßen aus, denn, um es vorwegzunehmen, es sind die Bautheoretiker der Zeit, aus denen Künnecke die An-

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regungen zu seinen Plänen geschöpft hat, und damit verliert die Frage der Herkunft des Baumeisters stark an Bedeutung, da die Richtung seiner Kunst nunmehr zu erkennen ist.

Die Entwicklung des Schloßbaues seit dem Mittelalter nimmt ihren Ausgang von den mittelalterlichen Burgen. Der erste Schritt von der historisch gewordenen, unregelmäßigen Baumasse der Burg zum einheitlichen, nach einem Plan gestalteten Bau tut die Renaissance. Von der mittelalterlichen Burg übernimmt das Renaissanceschloß den allseitig geschlossenen Komplex mit dem Hof in der Mitte, aber er bekommt jetzt quadratischen Grundriß mit Türmen an der Ecke, meist noch mit Graben und Wall umgeben. Beispiele dieser Art bieten in Mecklenburg Güstrow in seiner ursprünglichen Anlage und Dargun. Den nächsten Schritt tut die Barockzeit. Ihr Hauptmerkmal ist die Bewegungs- und Richtungstendenz, in der Grundrißbildung die Betonung einer Hauptachse, und so wird das Quadrat zum Rechteck. Die beiden Langseiten treten allmählich vor dem nunmehrigen Mittelbau zurück und behalten nur noch in den Pavillons an den Ecken, wohl Erinnerungen an die alten Ecktürme, die gleiche Höhe mit dem Mittelbau; die Eingangsschmalseite schmilzt zum niedrigen Portalvorbau zusammen, und die Macht der ganzen Achsenbewegung richtet sich gegen die Front des rückliegenden Mittelbaues. Diese Art tritt besonders bei den unter niederländischem Einfluß entstandenen Schlössern des 17. Jahrhunderts hervor, während die auf südliche, d. h. italienische Anregung weisenden Bauten die Langseiten gleichmäßig hoch ohne Pavillons geben oder auch noch die einfache Triklinienanlage mit drei gleich hohen Flügeln. Alle genannten Typen, auch der des Renaissancehofes halten sich als Residenzschlösser in den Städten sehr lange, da sich hier auch im 18. Jahrhundert die Anforderungen gegenüber dem 17. Jahrhundert wenig geändert hatten, wie die Entwürfe Leonh. Chr. Sturms für Herrenpaläste vom Jahre 1718 zeigen. In der Anlage von Sommerschlössern auf dem Lande aber hatte sich schon lange unter Führung Frankreichs ein neuer Stil entwickelt. Das Wesen des Sommerschlosses ist das Verbundensein und das Aufgehen in der freien Natur; nicht Abschließen vor der Umgebung, wie in den Städten, sondern die leichteste Möglichkeit, von den Zimmern in den Park zu kommen und in die Natur zu gelangen, ist sein Zweck. So wird die allseitige Umschließung beseitigt, die den freien Blick nur den an der Außenseite gelegenen Zimmern gestattet, und die Flügel werden kürzer oder biegen nach außen. Die Hauptetage wird entweder durch Freitreppen mit dem Garten

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verbunden, oder das Hauptgeschoß wird zum Erdgeschoß und an die Stelle der Fenster treten Türen. So entsteht der mehr die Breitenentwicklung betonende französische Schloßbau, wie ihn sein berühmtestes Beispiel, Schloß Versailles, freilich noch nicht in der vollen Freiheit des 18. Jahrhunderts, zeigt, ohne daß deshalb die in der früheren Literatur weit verbreitete Ansicht, jedes auch noch so kleine Schloß des 18. Jahrhunderts sei eine mehr oder minder gelungene Kopie von Versailles, zu Recht bestünde. Während Versailles noch eine tiefe cour d'honneur zeigt, wird zur Zeit des Rokoko im 18. Jahrhundert der Hof ganz flach. Die früher sich vereinigenden Flügel gehen jetzt auseinander, der enge Hofraum wird zum breiten Schloßplatz. Wohl bleibt teilweise der Zusammenschluß der Baumassen durch Pavillons an den Flügelenden gewahrt, aber sie machen die Seitenbewegung mit und treten an die äußersten Enden der Anlage. Und doch kann der Bau eines Zusammenschlusses auch seiner freien Seite nicht entbehren, denn es würde der Raum des Hofes wirkungslos verfließen, verbände nicht ein, wenn auch nur niedriges Gitter mit einem Mittelportal die Flügel, so dem Hofraum bestimmte Grenzen und damit bestimmte Form gebend. Dieser Typus dringt in Deutschland ungefähr um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts ein, analog dem auf allen Gebieten sich anbahnenden Wechsel von holländischen zu französischen Einflüssen. So vertritt ihn auch Schloß Kleinow und fügt sich in die gleichzeitige Entwicklungsreihe ein.

Während sich Künnecke also in dem Anlagetypus des Schlosses eng an die französische Mode angeschlossen hat, berücksichtigt er, wie im folgenden gezeigt wird, neben anderen französischen Einflüssen auch deutsche Sonderheiten.

Einen zweiten Faktor zur Beurteilung der Stellung Künneckes bildet die Grundrißanlage des Corps de Logis, ihre Zimmerfolge und die der anderen Entwürfe Künneckes zu Lust- und Gartenhäusern. Entsprechend den Gewohnheiten und Sitten der Bewohner und den festen Regeln und Zeremonien, in denen sich das Leben, zumal der Höfe, in jener Zeit bewegte, hatte sich im Schloßbau allmählich eine feste Ordnung einer Zimmerfolge ergeben. Je höher der Rang des Bewohners, desto größer der Umfang der Wohnung. So gibt Sturm für einen regierenden Herrn ein großes und ein kleines Vorgemach an, in königlichen Schlössern dagegen drei Vorgemächer, im ersten hatte der Hofjunker, im zweiten der Kammerjunker, im dritten der Kammerherr aufzuwarten. Im allgemeinen bestand die Zimmerfolge aus vier Räumen, und hier

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hatte sich zwischen den französischen und deutschen Baustilen ein Unterschied herausgebildet, der oft ein wertvolles Unterscheidungsmerkmal für die Schulung eines Künstlers bildet. Die französische Sitte ordnet hintereinander antichambre, chambre à coucher, cabinet und garderobe. Also das eigentliche Wohnzimmer, das Kabinett, lag hinter dem Schlafzimmer und war nur durch dieses zu erreichen, falls nicht das Schlafgemach selbst mehr zum Wohnen und täglichen Aufenthalt benutzt wurde. Sturm hingegen sagt: "Ein vollkommen Gemach aber hat zum wenigsten ein Vorgemach, eine Audienz oder Paradegemach, ein Schlafgemach und eine Guarderobbe." Also hier bildet das Schlafgemach unserem heutigen Brauch entsprechend das letzte Zimmer. Denkt man aber an die französische Sitte, auf dem Bett liegend Besuche zu empfangen, die in Deutschland wohl nie in dem Maße gepflegt wurde wie in Frankreich, und erst später, als sie in Frankreich schon zur Form erstarrt war, auch an den kleinen deutschen Höfen als Nachahmung französischer Sitten der Form nach Eingang fand, so erklärt sich dieser Unterschied leicht. Betrachtet man nun den Kleinower Grundriß, so findet man dort zuerst den Vorsaal, dann den Speisesaal, der der Wohnung des Herzogs als das von Sturm geforderte Vorgemach diente ("vor den regierenden Herrn gehöret sich aber ein großes Vorgemach, das zugleich zum Speisesaal dienet"), dann folgt das Audienzzimmer und daran anschließend das Schlafzimmer. Allerdings gehörten außer der Garderobe noch zwei durch das Audienzzimmer zu erreichende Kabinette zur Wohnung des Herzogs, die den ebenfalls von den Theoretikern geforderten Zweck, die Kunstschätze des Herzogs aufzunehmen, also als Kunst- und Wunderkammer zu dienen, erfüllten und durch ihren Zugang sich von den durch das Schlafzimmer zu erreichenden französischen Kabinetten unterschieden. Dasselbe Anordnungsprinzip verfolgte die Wohnung der Herzogin auf der anderen Seite des Schlosses. Hierin also folgt Künnecke seinem mecklenburgischen Amtsvorgänger Sturm und dessen von Frankreich abweichenden Theorien. Ein anderer in allen Architekturwerken erwähnter Punkt ist die auch in Kleinow beachtete Anordnung der Zimmer des Hausherrn an der Ostseite, der Hausfrau auf der Westseite, was hier aber an sich bedeutungslos ist, da die eigentlichen Ost- und Westzimmer nicht zu den erwähnten Wohnräumen gehörten, aber doch die Schulung in diesen architektonischen Grundregeln der damaligen Zeit zeigt.

Einen direkten Beweis für die Benutzung eines deutschen Architekturwerkes liefern einige im Archiv zwischen den Plänen

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für Kleinow gefundene Blätter mit Grund- und Aufrissen zu Landhäusern aus dem 1722/29 erschienenen Werk von Rud. Fäsch: "Anderer Versuch seiner Architekturwerke." Fäsch, ein Schüler Pöppelmanns, folgt in seiner Frühzeit der barocken Richtung seines Lehrers, in späterer Zeit, der der zweite Teil des Architekturwerkes angehört mit den hier in Betracht kommenden Entwürfen für ganze Bauten, schließt er sich mehr der französischen, die spätere sächsische Kunst beherrschenden Richtung an. Sieht man das Fäsch'che Werk durch, so findet man überall stärkste Anklänge an die Entwürfe Künneckes. So stammt das Motiv eines Landhauses mit je einem nach beiden Seiten vorspringenden, im Innern in drei Räume aufgeteilten Flügel hierher. Eine andere Entlehnung zeigen die auf Grund eines Quadrats mit abgeschnittenen Ecken und mit an diese Ecken angelehnten ebenfalls quadratischen Kabinetten entworfenen Pavillons, die in mehreren Variationen wohl hauptsächlich für den Kleinower und den Neustädter Schloßgarten gedacht waren und wohl auch teilweise ausgeführt wurden. Auch Fäsch gibt meist das Schlafzimmer als letztes, ferner in Giebelfeldern eine Rocaillenkartusche, die fast genau in Künneckes Entwürfen wiederkehrt. Den Speisesaal, den die Franzosen und die barocke Richtung meist durch zwei Stockwerke gehen lassen, soweit er in der Mitte des Gebäudes liegt, dann meist italienischer Saal genannt, findet man bei Fäsch wie in Kleinow einstöckig. Dagegen weicht Künnecke in der Form des ungebrochenen Daches gegenüber dem Marsardendach bei Fäsch, in der ganzen Anlage des bei Fäsch meist geschlossenen Baukomplexes und Unterschieden in der Behandlung technischer Einzelheiten auch erheblich ab, so daß man wohl von starker Anlehnung, aber keinesfalls von Kopie Fäsch'cher Entwürfe sprechen kann, wozu noch der Umstand kommt, daß Fäsch meist für massive Bauten entwirft, Künnecke dagegen nur in Fachwerk baute. So zeigt sich Künnecke als ein starke Anregung empfangender und suchender, aber alles selbständig verarbeitender Architekt, der in den Bahnen der norddeutschen klassizistischen, das Technische dem Künstlerischen gleichstellenden Stilrichtung arbeitete.

Über die Innenausstattung lassen sich nur gelegentlich aus Rechnungen Schlüsse ziehen. Der Vorplatz war mit öländischen Fliesen gedeckt, die Wände in allen Zimmern mit Lambris versehen, die Dielen mit englischem Fußboden belegt. Die Lambris waren "gelbbräunlich gestrichen und teilweise gebohnt", die Wandpaneelung dunkelgrau gestrichen. Die Wohnzimmer und der Speisesaal waren mit Spiegeln aus Neustadt a. d. D. verziert,

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einige davon sind in das neue Schloß übernommen, wo sich noch mehrere ganz in Rokoko dekorierte Spiegel befinden, also nicht mehr zur Bauzeit des neuen Schlosses passen. Die Zimmer des Herzogs und der Herzogin waren mit Seidentapeten bespannt, die übrigen gestrichen und später mit bemalten Papiertapeten beklebt. Der Saal wurde 1757 mit Skulpturen, wohl aus Stuck oder Holz, von Busch geschmückt. Die linke Haupttreppe hatte ein durchbrochenes Geländer. Die Möblierung war wohl zuerst sehr einfach und nicht sehr reich, da noch 1760 größere Möbeltransporte aus anderen Schlössern, wie Güstrow und Dargun, und aus Köpenick, wo die Mutter der Herzogin ihren Wohnsitz hatte, nach Kleinow gingen, das gegenüber den ändern Schlössern immer mehr in den Vordergrund trat. Wie für den ganzen Bau, so waren auch für die der Modeströmung noch viel stärker unterworfene und ihr auch viel leichter folgende Innenausstattung die Musterbücher der Zeit maßgebend, wie sie in der herzoglichen Bibliothek vorhanden waren. Daß das Schloß, in seinen Räumlichkeiten zu einem kleineren Jagdschloß für vorübergehenden Aufenthalt des Hofes bestimmt, allmählich seit der Regierung des Herzogs Friedrich zu einer ständigen Residenz erhoben wurde und somit auch die dazu erforderliche prächtigere Ausstattung erhielt, wird einen Zwiespalt zwischen den sehr kleinen Räumen und ihrer Ausstattung gegeben haben.

Künnecke hatte den Bau zu Ende geführt, und es ist nicht bekannt, wie lange er noch in des Herzogs Diensten geblieben ist, und ob er seinen während des Schloßbaues bezogenen Wohnsitz in Neustadt beibehalten oder neue fremde Aufträge angenommen hat. Erst im Jahre 1747 tritt ein neuer Name auf. Der Landbaumeister A. W. Horst unterzeichnete im Januar 1747 in Schwerin den Kostenanschlag für ein fürstliches Gartenhaus. Ob Horst schon längere Zeit vorher in herzoglichen Diensten stand, ist nicht zu ermitteln. Daß er in Schwerin wohnte, deutet darauf hin, daß er schon vorher Landbaumeister war und jetzt, vielleicht nach Künneckes Tod oder Fortzug, auch mit dessen Arbeiten für die herzoglichen Bauten beauftragt wurde. Er behielt auch seinen Wohnsitz in Schwerin. Denn da 1747 Karl Leopold gestorben und Christian Ludwig endgültig Herzog geworden war, brauchte er seine Beamten nicht mehr in seinem Apanagen-Gebiet wohnen zu lassen. Doch hat sich von Horst nur der Aufriß zu einem kleinen einstöckigen Fachwerkjagdhaus unbekannter Bestimmung erhalten. Überhaupt hat er nur vorübergehend die Hofbauten geleitet. Denn sofort nach seinem Regierungsantritt scheint sich der Herzog nach

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das alte Schloß in Kleinow
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einem neuen Baumeister umgesehen zu haben. Unter seinen Landsleuten glaubte er keinem die großen Aufgaben, die er sicher noch zu vergeben gedachte, zutrauen zu dürfen, und so berief er den Franzosen Legay, der später durch seine Mitarbeit an den Bauten Friedrichs d. Gr. in Potsdam bekannt wurde. Die Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Zeit, in der unter den ausländischen Architekten in Deutschland die Italiener mindestens in Norddeutschland vollständig von den Franzosen verdrängt wurden und an fast allen größeren Höfen ein Franzose die Oberleitung der Bauten hatte. Dury in Cassel, de la Fosse am Darmstädter Hof, Pigage in der Pfalz, Gupiéres in Stuttgart waren um diese Zeit tätig. Wahrscheinlich ist, daß der Erbprinz Friedrich in Paris die ersten Beziehungen zu Legay angeknüpft hat, da beide bald nach seinem Eintreffen in Mecklenburg in enger Verbindung zusammenarbeiteten. Da der Erbprinz sich besonders für Architektur interessierte, wird er sicher seinem Vater zur Berufung dieses ihm aus Frankreich bekannten Architekten geraten haben. Am 16. Oktober 1748 wurde Legay fest angestellt, doch hatte er schon seit 1747 für den Herzog gearbeitet.

Am Kleinower Schloß hat Legay den Aufbau eines Altans ausgeführt, wie aus einem von ihm unterzeichneten Entwurf hervorgeht, der im Landesmuseum aufbewahrt wird. Es handelte sich darum, dem niedrigen Corps de Logis einen Aufbau zu geben, der es ein wenig mehr über die Gebäude an der Hofseite erhob und auch von der Gartenseite stattlicher erscheinen ließ. Legay erreichte dies, indem er das obere Drittel des Daches abdeckte und auf die nun offen liegenden Balken eine schmale Galerie aufsetzte, die von einem hohen Gitter umschlossen wurde. Auf die Mitte über dem Sommersaal wurde ein Uhrturm aufgesetzt, dessen Uhr später beim Abbruch des Schlosses nach dem damaligen neuen Gasthof, dem heutigen Hotel Weimar, kam. Der Uhrturm war mit Festons in Stuck verziert und der Altan ebenfalls (auf der Skizze noch nicht angegeben), wie aus einer Malerrechnung hervorgeht. Die Zeichnungen zu den einzelnen Dekorationen dieser Galerie zeigen die ganz leichte, aber symmetrische Ornamentik französischer Stilrichtung. Was freilich der Bau durch diesen Aufsatz an Höhe und damit an stattlichem Aussehen gewann, verlor er an Einheitlichkeit, da die Galerie dem Schlosse doch nur als Fremdkörper angeheftet und mit ihm nicht recht organisch verbunden war, andererseits die von Künnecke fein abgewogenen Höhen- und Baumassenverhältnisse des Corps de Logis und der Hofgebäude beeinträchtigte. Auch das für Innenräume gedachte

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feine Ornament muß am Außenbau kleinlich gewirkt haben. Dieser Umbau wurde im Jahre 1752/53 ausgeführt und 1755 mit Kupfer gedeckt.

Ein anderer kleiner Anbau war schon im Jahre 1750 ausgeführt, es wurde vor das Vorder- und Hinterrisalit je ein auf vier Säulen ruhender Balkon vorgelegt, zu dem die Zeichnungen von A. W. Horst stammen. Das Gitter der oberen Balkons bildete ein leichtes Holzstabmuster. Der Vorbau war an der Hofseite so breit, daß eine Karosse darunter vor die Eingangstür vorfahren konnte. Die höfische Sitte, die auch beim späteren Bau wieder wirksam wurde, und der Wunsch, vor dem Sommersaal einen Balkon zu haben, veranlaßten den Bau. Zum letzten Male wurde 1757 am Schloß gearbeitet. Christian Ludwig war 1756 gestorben, und sein Nachfolger wählte das Schloß zu seiner dauernden Residenz. Nun wurde es neu gestrichen und repariert und außerdem der linke Flügel, der bisherige Pferdestall, zu einer Wohnung für den Prinzen Ludwig, den Bruder des neuen Herzogs ausgebaut und als Ersatz in der Nähe ein neuer Pferdestall errichtet. Diese Umbauten leitete als seine ersten Bauarbeiten Legays Nachfolger, der spätere Hofbaumeister, bisherige Hofskulpteur Joh. Joach. Busch.

Das Schloß Kleinow, seit 1754 Ludwigslust genannt, war als Jagdschloß erbaut worden. Als der Herzog Friedrich es aber zu seiner Hauptresidenz erhob und bei ihm die gleichnamige neue Residenzstadt Ludwigslust mit Hilfe seines Baumeisters Busch erbaute, wurde der Mangel eines geräumigen Schlosses immer fühlbarer. Dies und die Baulust des Herzogs führten endlich 1772 Zum Bau des neuen Schlosses, das, unmittelbar hinter dem alten errichtet, 1776 vollendet wurde. In dem darauffolgenden Jahre wurde das Corps de Logis des alten Schlosses abgerissen. Die Flügel standen noch bis zum Jahre 1846 bzw. 1848, da der zuerst ebenfalls geplante Bau neuer Flügel aus Mangel an Geldmitteln nicht ausgeführt, wurde.

Gleichzeitig mit dem Schloßbau fand die Anlage des Schloßgartens statt. Das Schloß stand in dem schon oben genannten Verwaltergarten. Am 21. Januar 1732 ward, wie bereits erwähnt ist, Karl Leopold nach Danzig berichtet, Christian Ludwig ruiniere den Garten in Kleinow, lasse Obstbäume fällen und eine Schneise vom neuen Gebäude nach Kummer durchschlagen, die wohl später zur heutigen Kanalanlage ausgebaut wurde. Die Pläne zur ersten Gartenanlage stammten wahrscheinlich auch von Künnecke, denn im Juli 1733 schrieb ihm ein Hofbeamter v. Rhein: "Der Garten solle nicht eingeschränkt werden." Die von ihm ausge-

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führten Anlagen werden nur sehr einfach gewesen sein, denn schon 1741 wurde der Garten nach einem Entwurf des Schweriner Schloßgärtners Gallas umgebaut und erweitert, am Anfang der 50er Jahre unter Legays Leitung wurden Springbrunnen angelegt und ebenfalls Veränderungen vorgenommen. Die Umgestaltung durch Gallas war in Anlehnung an die ehemalige Anlage des Belvederegartens in Wien erfolgt, wie ein bei dem Entwurf des Gallas für Kleinow gefundener, wohl ebenfalls von seiner Hand stammender Grundriß des Belvederegartens beweist. Natürlich konnte sich diese Anlehnung nur auf einzelne Züge beschränken, da dort ein abfallendes, reich mit Wasser versehenes Gelände, hier ein ebenes, sandiges Gelände zur Verfügung stand. Der heutige Ludwigsluster Schloßgarten läßt nur noch wenig von der Anlage aus der Zeit des Herzogs Christian Ludwig erkennen, da die lange schon unter Legay sich anbahnende und bis in unsere Tage dauernde Vorliebe für regellose englische Parks die Anlagen früherer Zeit zum größten Teil in ihrem Sinne umgestaltet, zum andern Teil durch Vernachlässigung hat zugrunde gehen lassen. Nur einige der alten Anlagen haben sich bis heute bewahrt. Bei ihrer Betrachtung ist es natürlich nicht immer zu erkennen, welche Anlagen von Künnecke und Gallas, welche von Legay und welche von dem anfangs auch noch in den Bahnen barocker Gartenkunst gehenden Busch stammen, denn fast alle Grundpläne gehören einer späteren Zeit an, und nur einige wenige Zeichnungen aus der ersten Zeit sind erhalten. Die Anlage des Parkes, wenigstens in der Umgebung des Schlosses war natürlich in voller Symmetrie zu diesem gehalten, und seine Grundzüge bestimmen auch noch das heutige Bild. Vor der Gartenfront des Schlosses lag ein großes rechteckiges Parterre, dessen Längsachse senkrecht zur Breitenachse des Schlosses stand, und das, in vier kleine Rechtecke geteilt, in ornamentalen Mustern bepflanzt war. Die Querachse in der Mitte lief rechts in den Küchengarten, der den gleichen Umfang wie das Parterre hatte, und bildete nach links eine Allee, die wiederum von einer Querachse geschnitten wurde, deren Enden in zwei runde Pavillonbesetzte Inselchen auslief.. Die Mitte des Küchengartens bildete ein Wasserbecken mit einer Fontäne. Die Achse des Parterres wurde von einer Allee fortgesetzt bis zum Ende des Gehölzes. Das Parterre wurde umgeben von Bosketts und Heckengängen, die in sich unsymmetrisch angelegt waren, und dahinter von einer Mauer, die von Portalen an den Achsenschnittpunkten unterbrochen war. Die erwähnte Allee zur Linken führte zu einer von flachem Wasser umgebenen Insel, an deren Ende

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heute die katholische Kirche steht. Die Richtung dieses Platzes, der einen besonderen Garten bildete, später nach den hier aufgestellten Büsten römischer Koffer aus der Ludwigsluster Kartonfabrik Erster Kaisersaal genannt, weicht von der Achse des Schlosses und des Parterres ab und war wohl durch vorhandene Wasserläufe und Terrainschwierigkeiten bestimmt. Hier standen an der Nordostseite, wie aus alten Plänen zu ersehen ist, ein größeres Lusthaus mit einem Saal, einer Galerie und zwei Kabinetten, in denen Teile der herzoglichen Gemäldesammlung untergebracht waren, ferner symmetrisch zu diesem Lusthaus an der andern Seite des Platzes zwei kleine Pavillons, zwischen denen noch ein zweites Lusthaus geplant war. Der Platz diente der Hofgesellschaft noch bis ins 19. Jahrhundert als Festplatz bei Sommergartenfesten. Der Park war geschmückt mit Statuen, Bassins, Tempelchen, Grotten usw. Erwähnt werden zwei heute nicht mehr vorhandene Statuen der Musik und Malerei. Zu den verschiedenen Lusthäusern sind sehr viele Skizzen und Entwürfe vorhanden, und alle zeigen den Stil Künneckes und seine Anlehnung an das Fäsch-sche Werk. Der Anlagetypus des Gartens war der durch das Wiener Vorbild gegebene Garten des Hochbarock, im Gegensatz zu dem im Schweriner Schloßgarten gegebenen späteren Typus, der an dem Fortfall der in Kleinow noch vorhandenen, das Parterre einfassenden Bosketts und an dem freien Übergang des Mittelparterres in die Baumpflanzungen zu erkennen ist.

 

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