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I.

 

Die Schalfahrt im 16. Jahrhundert

und ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung.

Von

Dr. Luise Krieg = Charlottenburg.

 

Vignette
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Literatur.

Akten:

Sch. = Großherzogliches Geheimes und Hauptarchiv Schwerin (M.).
L. = Stadtarchiv Lüneburg.
Lb. = Staatsarchiv Lübeck.

Schriften:

Fr. Ag. v. Rudloff: "Pragmatisches Handbuch der mecklenburgischen Geschichte", 2., 3. Teil, Wismar=Rostock, 1780, 1822.

Ch. F. von Lützow: "Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg", 2., 3. Teil, Berlin, G. Reimer, 1835.

Jacobi und Kraut: "Annalen der Braunschweig=Lüneburgischen Churlande", 1. Jahrgang, 1. Stück, Hannover, Pockwitz, 1787, S. 60-81; 2. Stück S. 12-35.

Fr. Stuhr: "Der Elbe=Ostsee=Kanal zwischen Dömitz und Wismar", Schwerin, Bärensprung, 1899. Meckl. Jahrb. 64.

Rehder: "Der Elbe=Trave=Kanal", Lübeck, Rahtgens, 1900.

B. Weißenborn: "Die Elbzölle und Elbstapelplätze im Mittelalter", Halle a. S., C. A. Kaemmerer u. Co., 1901.

Vignette

 

 

Die Schrift ist von der philosophischen Fakultät der Universität Bern am 5. November 1913 als Doktor=Dissertation angenommen worden.

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D as Mecklenburger Land ist eigenartig, nicht nur was seine Verfassung, sondern auch was seine Stellung zum Welthandel und =verkehr betrifft. Seine günstige Lage an der See, im Westen die bequeme Erreichbarkeit der großen Nordseehäfen und im Süden die Nähe Berlins weisen es aus den Durchgangsverkehr hin, um so mehr, als ihm eigene Industrie mangelt. Es berührt daher sehr merkwürdig, daß die direkten Eisenbahnlinien von Hamburg, Kiel und Lübeck nach Stettin, Danzig, Polen und Rußland nicht durch Mecklenburg, sondern über Berlin gehen, und daß die geplante Ostseeküstenbahn immer noch nicht zustande gekommen ist. Ein ähnliches Verhältnis tritt bei den Kanälen Norddeutschlands zutage. Durch den Kaiser=Wilhelm=Kanal ist das Schwergewicht nach Kiel und Hamburg verlegt. In dem Elbe=Trave=Kanal lebt die alte Stecknitzfahrt nach Lübeck wieder auf, der Berlin=Stettiner Kanal ist fertig im Bau, aber die Wasserverbindung Berlin-Rostock ist ein Projekt geblieben. Wie kommt es, daß Mecklenburg sich derart abschließt und einspinnen läßt? An der Ungunst der Verhältnisse liegt es nicht, wohl aber am Charakter der Bewohner. Das Volk ist bodenständig in allen seinen Schichten und getragen von einem starken Unabhängigkeitsgefühl. Es will sich aus eigener Kraft das schaffen, was es selbst braucht, nur das Staatsbahnen und kanalisierte Flüsse durchziehen in großer Menge das Land. Sie stellen gute Verbindungen innerhalb der beiden Großherzogtümer her und die Eisenbahnen ermöglichen es dem Mecklenburger, wenn auch mit Umsteigen, an die großen Verkehrsstraßen heranzukommen. Wie es heute ist, so war es immer: zahlreiche Land= und Wasserstraßen im Innern, - mit den bedeutenden Zentren des Auslandes schlechte Verbindung. Während es heute wenigstens eine große internationale Verkehrslinie gibt: Berlin-Rostock-Gjedser-Kopenhagen nach dem Norden, konnte im Mittelalter von einer solchen durch Mecklenburg führenden Weltstraße überall nicht die Rede sein. Das Lüneburger Salz, dieser wichtige Handelsartikel, wurde nach den baltischen Ländern hauptsächlich über Lübeck aus=

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geführt, das seit Ende des 14. Jahrhunderts durch die Stecknitzfahrt 1 ) in bequemer Wasserverbindung mit Lüneburg stand. Wismar unterhielt allerdings auch seit Alters Handelsbeziehungen zu Lüneburg, konnte darin mit Lübeck aber nicht konkurrieren.

Bald nach Fertigstellung der Stecknitzfahrt kamen die Lüneburger in starke wirtschaftliche Abhängigkeit von Lübeck. Das zeigte sich in empfindlicher Weise, sobald beide Städte Händel miteinander hatten. Dann belegten die Lübecker die Lüneburger Salzschiffe mit Arrest; fuhren auch selbst ihre eigenen Waren zum Verkauf die Elbe nach Oberdeutschland hinauf, was einen Eingriff in Lüneburger Stapelrechte bedeutete. Deshalb sah sich Lüneburg in dem Bestreben, sich von Lübeck unabhängig zu machen, zu Anfang des 15. Jahrhunderts noch nach einem zweiten Ausfuhrhafen für sein Salz um. Als solcher erschien das nahe bei Lübeck gelegene Wismar geeignet. Da man ein Konkurrenzunternehmen für die Stecknitzfahrt schaffen wollte, so konnte man nicht nur wie früher das Salz einfach per Fracht von der Elbe aus auf der Landstraße nach Wismar schicken, man mußte einen billigen Wasserweg herstellen. Dieser Versuch einer Kanalverbindung zwischen Lüneburg und Wismar ist die Schalfahrt.

Der Plan zur Schalfahrt wurde gerade zu der Zeit gefaßt, als für Wismar durch die Beilegung seiner eigenen und der Rostocker Unruhen 2 ) die Hände frei geworden waren zu friedlicher Betätigung und es sich mit der Hoffnung trug, seine frühere Stellung im Hansabunde wieder zu erringen. So kamen sich beide Städte, Lüneburg und Wismar, in ihren Wünschen entgegen. Die Einrichtung der Schalfahrt entsprang aus stadtpolitischen Interessen. Es fragt sich nun, wie sich die Territorialfürsten, die Mecklenburger Herzöge, dazu stellten.

Der Erste, an den die Lüneburger mit ihrer Bitte herantraten, war Herzog Johann. Seine Antwort finden wir in dem Privileg von 1412 3 ): Er gibt darin dem Rat von Lüneburg die Erlaubnis, sich eine Straße, die ihm bequem ist, von Boizenburg nach Wismar zu suchen. Auf dieser Straße wahrt er sich die Oberhoheit, indem er die Lüneburger Kaufleute in seinen Frieden


1) 1398.
2) 1410.
3) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L. Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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und in seine Hut nimmt, indem er verspricht, sie sogar im Kriegsfalle mit dem Lüneburger Fürsten zu beschützen und sich nicht etwa an ihrem Gute schadlos zu halten. Dafür sind ihnen aber befestigte Niederlagen, zu denen die umzäunten Stapel= und Hudenplätze leicht Veranlassung gaben, verboten. Das weitere ist von zollfiskalischem Interesse diktiert. Sie dürfen in seinem Lande, aus seinem Lande und durch sein Land fahren unter der Bedingung, daß sie den Zoll geben, den sie nach Recht geben sollen. Nämlich für jede Last Salz ist zu Boizenburg der Einfuhrzoll von 4 Schill. lüb. zu entrichten. Auf der Rückfahrt von Wismar, Lübeck, Mölln hingegen ist das Gut der Lüneburger in Boizenburg frei. Bei ihren Fahrten durch die Mecklenburger Herrschaften dürfen sie Waren einkaufen und aus dem Lande führen nach Lüneburg oder nach anderen Orten. Sie haben die Erlaubnis, Handel zu treiben, die Freiheit des Einkaufs und der Ausfuhr.

Nachdem der Herzog den Lüneburgern diese Gerechtsame für den Landhandel nach Wismar verliehen hat, geht er auch auf ihre Wünsche wegen der Anlage von Wasserstraßen ein. Sie dürfen Wasserwege graben und Schleusen bauen, und dazu mögen sie sich seiner Holzungen, die "gatlich" dazu sind, bedienen. Benutzen sie aber das Land oder Holz eines der Anlieger, so müssen sie es ihm bezahlen. Sie dürfen Niederlagen oder Huden bei den Schleusen machen, Brücken über die Flüsse schlagen und die Ufer so herrichten, daß sie die Schiffe auf beiden Seiten entlang ziehen können. Zu Erhaltung der Wasserbauten sollen sie auf Salz und andere Güter einen Zollt nehmen. Auch will er dafür sorgen, daß die Waren von Wismar und Boizenburg durch die Lüneburgische Zollstätte die Elbe abwärts geführt und nicht, wie es gern geschah, auf Umwegen der Zollabgabe entzogen wurden. Fände sich jemand, dem dies doch gelungen wäre, so sei er zu bestrafen. Nach dem Grundsatz, womit man sündigt, damit wird man bestraft, ist ihm genau soviel Gut zu nehmen, als er auf dem Umwege an Lüneburg vorbeigepascht hat.

Trotz dieser ziemlich allgemein gehaltenen Bestimmungen sah der Rat von Boizenburg, der bisher die diesbezüglichen Wasserwege beherrscht hatte, in dem Schiffahrtsprivileg der Lüneburger das Ende seiner eigenen Unabhängigkeit und Selbständigkeit, was ihn um so besorgter machte, als innerhalb seines Schiffswerks ein Streit ausgebrochen war, weil die Deutschen die Wenden unterdrücken wollten. Boizenburg suchte daher jede Beeinträchtigung der Freiheiten seiner Bürger durch Fremde

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zu hintertreiben, indem es sich seinerseits ein Privileg verschaffte und zwar von Herzog Albrecht 1422 4 ): Der Herzog schützt darin die Boizenburger gegen die Wenden, indem er fortan nur solche Leute in das Schiffamt aufnehmen ließ, die von Deutschen echt und recht geboren waren. Und er schützt sie gegen die Lüneburger, indem er nur den Schiffwerksgenossen und ihren Nachkommen erlaubte, zu flößen und zu fahren auf dem schwarzen Wasser und dem See zu Bandekow. Da aber die Schale in die Sude, die auf ihrem Unterlauf den See zu Bandekow und das schwarze Wasser bildet, fließt, so war damit den Lüneburgern die Anwendung ihres Privilegiums für die Schale vereitelt. Oder wollten die Boizenburger die Lüneburger Schalfahrt nur von sich abhängig machen durch den Zusatz: "niemand anders darf hier flößen und fahren, sundern der Rat und das Schiffamt will es ihm sundergen gönnen"?

Während die Urkunden der Herzöge Johann und Albrecht nur von Kanälen überhaupt sprachen, und die Schale und der Schalsee nur stillschweigend in Betracht gezogen waren, werden beide Gewässer in dem Vergleich von 1430 5 ) ausdrücklich genannt. Herzogin Katharine erlaubt darin den Lüneburgern, die Schale aufzuräumen und schiffbar zu machen, auch von dort eine Straße nach Wismar zu suchen. Auf die Beschwerde der Lüneburger, daß die Boizenburger ihnen die Schiffahrt und Flößerei auf dem schwarzen Wasser streitig machten, bestimmt sie, daß beide Teile das schwarze Wasser befahren mögen, nur der Oberlauf der Sude sei allein den Boizenburgern gestattet. Im weiteren Verlauf der Urkunde betont sie das Umladerecht der Boizenburger. Sollten die Lüneburger so große Elbschiffe haben, daß sie auf der Sude und Schale nicht fortkommen können, so müssen die Waren auf der Schütte zu Boizenburg in Boizenburger Schiffe umgeladen werden. Die kleinen Elbschiffe hingegen dürfen durchfahren. Das ganze Verhalten der Mecklenburger Regenten den Boizenburgern gegenüber zeigt, daß sie sehr wohl die Rechte und Vorteile ihrer Untertanen zu wahren wußten, obgleich sie andererseits die Lüneburger mit den weitgehendsten Privilegien ausstatteten.

Zur Zeit der Streitigkeiten zwischen Rat und Zünften in Lüneburg, während 80 Jahren, schweigen die Verhandlungen so


4) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
5) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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ziemlich, dann auf einmal lassen sich die Boizenburger ihr Schiffahrts= und Flößungsprivileg auf dem schwarzen Wasser und dem Bandekower See von den Herzögen Albrecht und Heinrich 1510 und von Herzog Heinrich 1532 6 ) von neuem bestätigen. Es war nicht nur die Eifersucht um ihr Vorrecht, sondern ganz einfach der Kampf ums Dasein, der die Boizenburger mit so häufigen Klagen zu den Herzögen trieb. Wenn die Zahl der Schiffamtsgenossen eine unbegrenzte war und noch Unberechtigte nebenher schifften und flößten, was leider nur zu oft geschah, so fand mancher arme Mann seine Nahrung nicht mehr und mußte auswandern. Daher schützt Herzog Heinrich 1540 7 ) am Tage Philipp! und Jakobi (1. Mai) die Innung durch folgende Bestimmungen: In dem Schiffamt sollen auf einmal nicht mehr denn 36 Schiffer sein, und ein jeder Schiffer auf der Elbe und dem schwarzen Wasser soll nicht mehr denn nur 1 Schiff haben, damit Holz und anderes zu flößen und zu führen. Ein jeder Schiffer soll jährlich auf dem Suckower Fohrde nicht mehr denn 600 Faden Holz flößen. Auch sollen die Boizenburger ohne der Herzöge Wissen und Willen niemand in das Schiffamt fordern oder annehmen.

Mit diesem Erlaß sind die für die "Einrichtung" der Schalfahrt resultatlosen Verhandlungen zu Ende, und die Lüneburger gehen nun, nach 140 Jahren, nach Klärung ihrer inneren Wirren, endlich wirklich ans Werk. Bürgermeister Witzendorf weiß sich am Dienstag nach Misericordias Domini (18. April) 1553 8 ) von Herzog Johann Albrecht noch einmal ein Privileg zu verschaffen, das zunächst nur eine Bestätigung des von 1412 enthält, dem aber dann folgt "ein sunderbarer Vertrag belangend die Erbauung und Einrichtung der Schiffahrt und Schleusen auf der Schale". Die Arbeit beginnt, wenn auch allmählich. Laut Urkunde vom 10. Juli 1561 9 ) hatten sie den Bau auf eigene Unkosten zu unternehmen und dazu das Holz, ausgenommen das, so der Herzog ihnen verehret hat, selbst zu liefern. Die Lüneburger sowohl als die Herzöge sollen auf der Schalfahrt ein Zollhaus und einen Zöllner haben. Der Schalzolll wird zur Erhaltung der Schleusen erhoben und, wenn die Einkünfte zu gering sein sollten, sind sie ermächtigt, den Zoll zu erhöhen. Der Mecklenburger Schalzoll konnte sozusagen als die Verzinsung des


6) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
7) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiff amt, Sch.
8) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L.
9) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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Privilegs betrachtet werden. Die Flüsse waren überhaupt fürstliche Regalien, und sicherlich haben die Herzöge sich ihre Privilegien von den Lüneburgern bezahlen lassen. Von Herzog Ulrich wissen Wir es nicht, aber von Herzog Johann Albrecht heißt es in einem Schreiben des Rates zu Lüneburg 10 ), daß er etliche 100 Taler dafür bekommen. Außerdem reservierte sich Johann Albrecht das Recht der Fischerei. Denn die Schale war außerordentlich ertragreich. Und ebenso schützte er seine Jagd. Denn alle, so auf Schiffen fahren und bei den Schleusen wohnen, sollen sich des Hauens, Schießens und Weidwerks ganz und gar enthalten und keine Hunde halten, weil die Fahrt durch die Wildbahn geht.

Was den Holzhandel betrifft, so steht er mit Eichen= und Buchenmastholz allein den Mecklenburgern zu, die Lüneburger dürfen nur Brennholz kaufen und Schiffen. Aber auch dieser beschränkte Handel flößte den Boizenburgern Besorgnis ein, wie aus der Schiffahrtshandlung von 1563 11 ) zu ersehen ist. Dadurch, daß die Lüneburger das Holz teurer bezahlen, kaufen sie die Boizenburger aus und bringen so den Hamburger Holzhandel an sich. Darum regelt Johann Albrecht die Einkaufsgerechtigkeit noch einmal. Es wird bestimmt: Beide Teile dürfen vom Adel Holz kaufen, aber jeder an seinem Orte. Ist dem einen Teile Schaden zugefügt worden, so hat man ihm Ersatz zu schaffen und den Übeltäter zu bestrafen. Der Strom ist zu schließen und die Schiffahrt zu verbieten, bis der Schaden wieder erstattet ist. Das Verhörs= und Strafrecht wird den Vögten des Herzogs übertragen und damit die Lüneburger Schalfahrt unter Mecklenburger Gerichtsbarkeit gestellt.

Im großen und ganzen war nun alles geordnet, so daß am 18. August 1564 12 ) die Lüneburger den Herzögen Johann Albrecht und Ulrich ihren Dank abstatten und melden konnten, sie hätten die Schleusen und Schalfahrt dermaßen ins Werk gestellt, daß es binnen acht oder vierzehn Tagen geliefert werden könne. Es erübrigte nur noch, verschiedene Einzelheiten festzusetzen, wie die Höhe des Schleusenzolls, der auf dem von einem ehrbaren Rate zu Kölzin erkauften Hofe erhoben werden soll und von dem die Hälfte an die Herzöge, die andere Hälfte an den


10) Acta navigationis in numinibus: Schale, Sch.
11) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
12) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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Rat zu Lüneburg abgeht. Auch wünschen sie noch einmal eine Erörterung über den Punkt, ob der fremde Kaufmann die Schalfahrt auf und tal gebrauchen dürfe oder nicht.

Somit war die Schalfahrt um den 1. September 1564 vollendet, und es handelte sich nun darum, vom Schalsee aus die Fahrt nach Wismar herzustellen. Dazu brauchten die Lüneburger wieder die Hilfe der Herzöge. Aber ihr Gesandter klagt am 7. April 1565 13 ), er hätte Briefe überkommen, daß beide Fürsten von der Wismer in die Elbe eine neue Schiffahrt anrichten lassen, und er merkt, daß es ihnen um diese neue Schiffahrt mehr zu tun ist, als um die alte. Das Interesse wandte sich dem Kanal Wismar-Dömitz zu.

Während die Lüneburger doch noch auf die Vollendung ihres Werkes hofften, wurden sie wegen der Benutzung der Schalfahrt von mißgünstigen Nachbarn angefeindet. Am 23. Februar 1568 14 ) wünscht Herzog Franz von Lauenburg, daß die Lüneburger sich des Schiffens, Handels und Wandels auf dem Schalsee enthalten, weil sie seiner Hoheit auf dem See nicht Rechnung getragen und sich des Holzzolls wegen nicht mit ihm verglichen, und weil sie der Fischerei geschadet hätten. Johann Albrecht tritt Februar und März 1568 15 ) für sie ein und bestätigt noch einmal die früheren Verträge, aber mit dem Vorbehalt, daß die Privilegien der Stadt Lüneburg nicht nachteilig seien. Denn die Herzöge beschützten zwar die Lüneburger Kaufleute in Kriegs= und Friedenszeiten in Mecklenburg, wollten aber ihretwegen nicht in Fehde mit den Nachbarfürsten geraten. Die Verhandlungen gehen nach Art der damaligen Zeit hin und her. Herzog Franz nimmt Lüneburger Schiffe und Waren in Arrest. Der Rat behauptet, seine Vorfahren hätten die Privilegien gegeben, und er wäre nur nicht damit zufrieden, "seitdem sie ihn einer Schuld halben vor ausgeliehenes Geld hätten ansprechen lassen". Sie bitten nun wiederholt um Abschaffung des Arrests, weil es ein zu Recht verbotenes Vornehmen sei. Schließlich, 1570, wird der Streit beigelegt und die Schiffahrt auf dem See freigegeben.

In demselben Jahre verlangt Herzog Christoph von Mecklenburg 16 ) als Administrator des Stiftes Ratzeburg Abtrag von der Stadt Lüneburg wegen ihrer Schiffahrt auf der Schale, be=


13) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
14) Salinaria 83, L.
15) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
16) Salinaria 84, L.
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sonders beim Dorfe Bennin. Denn das Stift hätte nicht nur die Hoheit am Grund und Boden, sondern auch über den halben Strom des daran anstoßenden Wassers. Er läßt deshalb einen Baum über den Fluß schlagen und schickt zum Beweis für die Stiftsgerechtsame das documentum von 1245 an den Rat der Stadt. Herzog Ulrichs Vermittlung gelingt es, den Frieden herzustellen, und im April 1571 wird gegen Überreichung des Bewilligungsguldens der Bewilligungsbrief gegeben.

16 Jahre später trat man von Lübeck aus mit einem neuen Schiffahrtsplan an die Herzöge heran. Die Lübecker Reederei, das Bäcker= und Brauergewerbe blühte, aber den Schiffbauern fehlte es an Holz für ihre Schiffe, und die Brauer und Bäcker brauchten einen bequemen, billigen Zugang zu den Mühlen am Schalsee. Schon 1530 17 ) hatte man daran gedacht, wie man vom Ratzeburger See in die Elbe kommen könnte. Diesen Plan griff man auf und arbeitete ihn aus. Es existieren davon teils Karten, teils Beschreibungen. Anno 1587 den 21. Oktober 18 ) wurde auf Befehl eines ehrbaren Rates der Stadt Lübeck eine Kommission nach dem Schalsee verordnet, mit "was Fuge und Bequemlichkeit eine Schiffahrt aus dem Schalsee in den Ratzeburger See zu verfertigen wäre". "Die Ratmannen und Handwerksmeister haben nach fleißiger Besichtigung und Abmessung befunden, daß die Fahrt aus dem Schalsee auf das bequemste zu verfertigen und anzurichten wäre und ungefähr kostet, wie folgt 19 ):

"Erstlich liegt eine Mühle zu Dutzow an dem Schallsee, Lüder Lützowen gehörig; darum muß erstlich mit Lüder Lützowen gehandelt werden, wo sich dann der Lützower daselbst vernehmen lassen, mit ihm leichtlich darum zu handeln sein sollte. Diese Mühle liegt 1 1/2 Ellen höher als die Schallsee und müßte zunächst aus dem Schallsee bis an die Mühle durch eine Wiese 45 Rth. lang, 1 1/2 Rth. breit und 2 Ellen tief gegraben werden, wäre in alles 136 Rth., die Ruthe zu graben wird geachtet auf 6 ß = 50 M 10 ß.

2. Von obgedachter Mühlen längs de Beke in den goldener See ist ein Morast 252 Rth. lang, mit 1 1/2 Rth. Breite und 3 Ellen Tiefe, ist alles zusammen = 1134 Rth. Die Ruthe zu graben wird geachtet = 6 ß = 425 M 4 ß.


17) Lauenburgica XII, Lb.
18) Lauenburgica XII, Lb.
19) Wörtlich, bis auf Änderung der niederdeutschen Worte in hochdeutsche und auf die Hinweglassung immer wiederkehrender Wendungen.
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3. Danach aus dem goldener See durch den Papendik in den Mostiner See durch ein Morast, gehört Otto und Lüder Lützow und Hans Rantzowen zu, ist 360 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. breit und 4 Ellen tief gegraben werden = ist zusammen 2160 Rth., die Rth. zu graben = 6 ß = zusammen 810 M . Es muß vor dem Mostiner See aber über den Weg eine Brücke gemacht werden, wird geachtet auf 20 M .

4. Danach aus dem Mostiner See, so Hans Rantzowen gehört, in den Lüttken See, dazwischen ein Moor 105 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. breit und 4 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen = 630 Rth., die Ruthe zu graben geachtet auf 6 ß = 123 M 12 ß [falsch, muß sein = 236 M 4 ß].

5. Danach aus dem Lüttken See an den Mostiner Acker in ein Moor, lang 56 Rth., muß 1 1/2 Rth. weit und 4 Ellen tief ausgegeben werden = zusammen 336 Rth. Die Ruthe zu graben auf 6 ß geachtet = 126 M .

6. Danach durch den Mostiner Acker bis an das Grammer Moor, so Hans Rantzowen gehörig = 75 Rth. lang, 3 Rth. weit und 8 Ellen tief, ist zusammen = 1800 Rth.. die Ruthe wird geachtet auf 8 ß Gräberlohn = 900 M . Und muß vor dem Grammer Moor über den Weg eine kleine Brücke gemacht werden, wird geachtet auf 30 M . Danach zwei Kisten, jede von 7 Ellen Falls, werden beide geachtet, daß sie kosten werden ungefähr 4000 M . Vorgeschriebene vier Seen mit dem kleinen Papendik müssen sämtlich 1 1/2 Ellen ablaufen, alsdann kommen sie dem Schallsee gleich. Darum muß mit den Lützowen und Hans Rantzowen gehandelt werden.

7. Danach durch das Grammsche Moor bis an den Grammer See sind 120 Rth. lang, 1 1/2 Rth. weit und 4 Ellen tief, die ausgegraben werden, ist zusammen 720 Rth. Die Ruthe wird geachtet auf 6 ß = 270 M . Und liegt der Grammer See 9 Ellen sider als der Schallsee. Hier endet sich der Lützowen und Hans Rantzowen Gut.

8. Danach aus dem Grammer See in den Lankower See, dem Domkapitel zu Ratzeborch gehörig, durch ein Moor, das Baalefordt genannt, 120 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. weit und 2 Ellen tief aufgegraben werden, ist zusammen 360 Rth., die Ruthe zu graben geachtet auf 6 ß = 135 M . Und muß kurz über den Baalower Fordt eine Brücke gemacht werden, wird geachtet auf 30 M .

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9. Aus dem Lankower See in den Mächower See, dazwischen eine Beke, ist lang 60 Rth., muß 1 1/2 Rth. weit und 3 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen 270 Rth., die Ruthe zu graben = 6 ß = zusammen 101 M 4 ß. Und muß der Lankower See eine Elle ablaufen, und daselbst ist über das Berch eine Brücke zu machen = 30 M .

10. Danach aus dem Mächower See durch das Papenholz ein Morast bis an den Berg beim Nienhuse = 560 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. weit und 3 Ellen tief gegraben werden, ist zusammen 2520 Rth. Die Ruthe zu graben = 6 ß = zusammen 945 M . Daselbst ist vor dem Papenholze eine Brücke zu machen über den Weg = 30 M .

11. Danach ein Berg gegen dem Nienhuse liegend, ist lang 24 Rth., muß 3 Rth. weit und 17 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen 1224 Rth. Die Ruthe zu graben wird geachtet auf 12 ß = zusammen 918 M .

12. Danach achter dem Berge eine Kiste, wird geachtet ungefähr 2000 M .

13. Danach durch eine Wiese ist 140 Rth. lang, liegt 2 Ellen sider als vorgeschriebenes Moor, muß 1 1/2 Rth. breit und 3 Ellen tief ausgegraben werden = zusammen 630 Rth. Die Ruthe zu graben wird geachtet auf 6 ß, zusammen 236 M 4 ß.

14. Danach von einem Damme, so benedden der Wiese liegt, in den Ratzeburger See, ist 300 Rth. lang, muß 1 1/2 Rth. breit und 3 Ellen tief ausgegraben werden, ist zusammen 1350 Rth., die Ruthe zu graben geachtet auf 12 ß, dieweil es lauter Steingrund ist, = zusammen 1012 M 8 . Zwischen diesem Damme und dem Ratzeburger See müssen 6 Kisten gelegt werden, geachtet auf 12000 M . Und dann vor dem Ratzeburger See muß eine Brücke über den Weg = 30 M .

Danach folget der Ratzeburger See und liegt nach dieser Besichtigung und Affschrodung der Schallsee höher als der Ratzeburger See = 60 Ellen, und sollte diese Fahrt, wie vorgemelt anzurichten, an Holz und Arbeitslohn, zu graben und zu zimmern, wenn man des Herzogen und der vom Adel "Wollen hett", ungefähr kosten 24223 M 10 ß, wovon ungefähr 18736 M 2 ß auf das Ausgraben gehen." -

Die Terrainschwierigreiten lagen darin, daß der Boden fast durchweg morastig war. Darum hielt die Kommission es auch für nötig, dem Graben durch die Moore eine Tiefe von 4 Ellen = 2,40 m zu geben. Durch das Grammer Moor mußte sogar

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8 Ellen tief = 4,80 m gegangen werden. Zwischen dem Mechower und dem Ratzeburger See ändert sich der Boden, er wird hart und hügelig. Es muß durch eine Bodenwelle ein Durchstich von 17 Ellen = 10,20 m Tiefe gemacht werden, und weiterhin geht es durch Steingrund mit 3 Ellen = 1,80 m Tiefe, bei dem der Arbeitslohn auf das Doppelte erhöht wurde. Der Graben sollte demnach mit seiner durchschnittlichen Tiefe von 3 Ellen = 1,80m für damalige Verhältnisse ein recht tiefer werden, hatte doch der gleichzeitige Dömitzer Kanal eine Tiefe, schwankend zwischen 1,20 m und 1,70 m und der Delvenaugraben eine solche von nur 0,85 m. Die durchschnittliche Breite betrug 1 1/2 Rth. = 7,20 m, ungefähr dieselbe wie beim Delvenaugraben, während der Dömitzer Kanal ein beträchtliches breiter war, etwa 9,20 m bis 13,80 m. Die Länge der durchgrabenen Landstrecke sollte 2217 Rth. = 10641,60 m betragen. Der Weg des Dömitzer Kanals wurde auf 62 Morgen = 17 856 m 20 ) berechnet. Eine weitere Schwierigkeit bot die verschiedene Höhenlage der Seen. Die kleineren, wie der goldene, der Mostiner, der Luttken See und Papendik lagen 1-3 m höher als der Schalsee, der Lankower und Mechower See dagegen 3 und 4 m tiefer, und bei dem Ratzeburger See machte der Tiefenunterschied sogar 60 Ellen, also ungefähr 36 m aus. Folglich mußte der Lauf des Kanals reguliert werden, was zu Besorgnissen Veranlassung gab. "Und obwohl der Schallsee 60 Ellen höher als der Ratzeburger See, und man sich befürchten möchte, daß in Kriegsläuften oder sonsten die Kiste zerbrechen und das Wasser also häufig nachstürzen möchte, ist doch verhoffentlich keine Gefahr deßfalls zu vermuten, und wenn gleich in solchen Zeiten die Kisten zerbrechen und dem Wasser zu laufen Raum gegeben werde, könnte doch auf solchen Fall das Wasser aus dem Schallsee nicht über 2 Ellen nachfallen, auch wegen Widrichkeit des Weges so eilig nicht nachfolgen, welcher alles allhier durch unsere Frei=Schutte wohl ohne Schaden wieder abtragen könne."

Zu diesem Ratzeburger Kanal wurden sehr sorgfältige Abrisse gezeichnet, die schon mehr kleinen Bildern glichen, und die sich noch bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Sie sind lang und schmal, auf starkes Papier gezeichnet und bunt ausgemalt. Das längste Exemplar - wohl mehrere Meter lang - ist das zu Lübeck, aber das Iustigste befindet sich in Schwerin 21 ), lustig,


20) Fr. Stuhr, "Der Elbe=Ostsee=Kanal zwischen Dömitz und Wismar", Schwerin, Bärensprung, 1899, S. 19. Meckl. Jahrb. 64, 209.
21) Sch., Abriß num. 26.
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weil es mit naiven Erklärungen versehen ist. Man sehe sich nur den kleinen Platz am Schalsee an mit den Baumstümpfen und Holzstapeln mit der Unterschrift: "Hir hawen die lunenborger". Solche Karten wurden an die in Betracht kommenden Regierungen verschickt. Denn es hieß nun, Interesse für den Plan zu erregen. Heinrich Husanus erfuhr 1587 22 ) unter der Hand, daß der Herzog von Lauenburg wohl geneigt sei zur bewußten Durchgrabung, aber Lüder Lützow habe einen Streit mit ihm, und darum läge die Sache wieder darnieder. Auch sei der Herzog von Mecklenburg besonders zu gewinnen.

Selbstverständlich sind die Lüneburger dagegen, daß die Lübecker ihnen hier ins Gehege kamen. Es werden daher Circumcisionis Domini (1. Jan.) 1588 23 ) Gesandte für Herzog Ulrich und seinen Neffen Johann instruiert. Die Herzöge sollen veranlaßt werden, Franz von Lauenburg dahin zu bestimmen, daß er die Erlaubnis verweigert und den Lübeckern befiehlt, ihre "vorhabende Durchgrabung wiederumb abzuschaffen und in vorigen Stand zu bringen, so sich befinden würde, daß sie mit Unfüge und zu ihrer fürstlichen Gnaden oder dero Untertanen und die in ihrer fürstlichen Gnaden diesfalls Verspruch und Schutz stehenden Schaden und Nachteil gegeben haben würden." Doch auch in Lübeck gab es Leute, die gegen den neuen Kanal waren. Es wurde sogar - für uns von unbekannter Hand - ein Schriftstück 24 ) verfaßt, das alle Dubia wegen der neuen Fahrt in die Elbe enthielt. Solcher Bedenken sind folgende:

1. Das Werk wird zuvörderst ein großes kosten, wie man vormeint, über 150 000 Rthlr. - Diese Summe ist im Vergleich zu der obigen Berechnung doch wohl sehr hoch gegriffen, selbst dann, wenn recht schwierige Arbeiten an der Wakenitz zwischen Ratzeburger See und Trave nötig gewesen wären, wovon aber in dem amtlichen Gutachten nicht die Rede ist. Zu bemerken ist, daß die Gesamtkosten des Dömitzer Kanals auf höchstens 90 000 M   25 ) berechnet wurden.

2. Die jährlichen Zinsen betragen zu 5 % = 7500 Rthlr. Die jährlichen Unterhaltungskosten werden auf 2500 Rthlr. veranschlagt. - Auch dieser Ausgabeposten ist sehr reichlich bemessen. Man bedenke nur, daß man es in damaliger Zeit mit den Repa=


22) Salinaria 83, L.
23) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
24) Lauenburgica Vol. XII, Lb.
25) Stuhr a. a. O. S. 42. Meckl. Jahrb. 64, 232.
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raturen nicht so ängstlich hatte, daß die Besoldungen nicht sehr hoch waren, und daß die Unterhaltungskosten der Schalfahrt, bei der es sich allerdings nur um einen regulierten Flußlauf handelte, auf rund 1000 M jährlich angegeben wurden.

3. Wie solches Geld aufzubringen, ist noch ungewiß.

4. Die Vorväter haben die Stecknitz benutzt. Im ganzen ist sie ihnen nützlich gewesen, warum nun, wo der Handel darnieder liegt, eine Änderung machend - Die neue Fahrt sollte die Stecknitzfahrt durchaus nicht etwa ablösen, davon ist in den Berichten keine Rede; beide Fahrten sollten nebeneinander bestehen, die alte zum Zwecke des Salztransportes, die neue aus den oben angegebenen Gründen.

5. Es fragt sich, ob es praktikabel, 7 teure Schleusen einzureißen und dafür das hohe Land 20 oder 30 Fuß tief durchzugraben. - Es handelt sich bei diesem Einwand nicht um die Fortführung der Fahrt aus dem Ratzeburger See durch die Wakenitz nach Lübeck, sondern um einen neu anzulegenden Graben aus dem Ratzeburger See nach der Stecknitz, so daß die Schalfahrt schließlich in der Stecknitzfahrt geendet hätte.

6. Der Bau dauert drei Jahre, das wird ein großer Schaden sein für die Zufuhr des Salzes. - Mit dieser Entgegnung hat der Schreiber die Fahrt nach dem unter Punkt 5 erwähnten Plan im Auge.

7. Ob die Ratzeburger Fahrt mehr gebraucht werden wird, ist fraglich, weil der Handel nach der Ostsee jetzt schlecht ist. - Dagegen ist zu sagen, daß die Lübecker dort in erster Linie nicht Handel treiben wollten, sondern sie wollten sich mit Holz versehen und ihr Getreide in den Mühlen am See mahlen lassen.

8. Den Fremden ist keine Durchfahrt gestattet, und Lübeck selbst handelt nicht mit ausländischen Waren. Also würde die Fahrt auf den eigenen Handel beschränkt bleiben.

9. Die Stecknitz wird kaum noch benutzt. - Punkt 6 und 9 widersprechen einander.

10. Der ausländische Handel geht von Nowgorod nach Hamburg, Holland und England durch den Sund und nicht über Lübeck an die Nordsee und ins Innere des Landes.

11. Die Elbe hinauf ist wenig Handel zu treiben, weil die Elbzölle hin und wieder sehr hoch sind.

12. Die Fahrt auf der Elbe ist den Lübecker Leuten unbekannt. Die Lauenburger und Magdeburger werden sie als Neu=

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ankommende auf der Elbe disputieren und bei ihren Fürsten und Herren ausbringen. Ohnedies ist um die Elbe von Magdeburg herum wenig anderes zu holen als Mühlensteine, die zu laden den kleinen Lübecker Schiffen nur unbequem ist. Mit Roggen und Gerste ist es von Magdeburg an versucht worden, aber mit wenig Nutzen. Es lohnt sich nicht, da das Getreide auch noch oft umgeladen werden muß wegen zu geringen Wassers. - Ein Beweis, wie durch die vielen Privilegien, Zoll= und Umladegerechtigkeiten der Handel erschwert wurde, so daß gerade das Getreide, heute neben Zucker der Hauptausfuhrartikel Magdeburgs, zum Versand zu teuer wurde.

13. Bei guten Zeiten hat man das Getreide aus dem Strich von Magdeburg nicht nötig, weil man es von der Ostsee wohlfeiler haben könnte. Die Hamburger holen es sich durch den Sund, und Lübeck erhandelt es sich dann lieber von den Hamburgern. - Man versprach sich eben mehr von einem Handel die Elbe abwärts als hinauf.

Punkt 16 macht auf folgendes aufmerksam: Wenn die Holländer eine neue Fahrt anrichten, dann sind sie darauf bedacht, daß dieserzeit von 4 oder 5 Jahren die Kosten wiederum einkommen. Aber hier können die Waren nicht mit einer neuen Lizent belegt werden, und wenn gleich 1/2 % sollte darauf gelegt werden, würden 2 Mill. Rthlr. Waren dazu gehören, wenn die Interessen nur abgetragen werden sollten. Zu diesem Werk, an dem 3 Jahre gearbeitet werden soll, gehört ein großes Kapital, welches, da es nicht vorhanden und auch nicht zu erborgen ist, von den Bürgern erpreßt werden müßte. Zudem könnte man die Stecknitzfahrt während dieser drei Jahre nicht gebrauchen, was für manchen Bürger einen schmerzlichen Ausfall an Verdienst bedeuten würde.

17. Die Stecknitzschiffe fahren ledig hinauf. Denn sie sind besonders für den Salztransport eingerichtet, und Lübecker Waren müßten auf die Elbe gebracht werden, wozu die Stecknitzprähme zu leicht sind. - Wiederum konnten größere Schiffe von mehreren Fuß Tiefe auf der Stecknitz kaum passieren, da der Graben sehr flach war.

Aus diesen Zweifeln spricht kleinliche Geldsorge, Mangel an Wagemut und an Initiative. Da der Lübecker Rat mit seinem Schiffahrtsplan in seiner nächsten Umgebung so wenig Gegenliebe fand, so wandte er sich später an Magdeburg. Denn dorthin sollte die Ratzeburger Schalfahrt führen, war doch seit 1574 die

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Elbe für die Schiffahrt freigegeben. Magdeburg ging 1604 26 ) auf die Vorschläge der Lübecker ein und übernahm sogar 1605 die Vermittlung bei dem Herzoge von Sachsen. Herzog Franz knüpfte seine Zusage an die der Mecklenburger und diese wieder an die Erfüllung ihrer Zollforderungen. Die Lübecker legten 1609 noch einen zweiten Schiffahrtsplan vor. Auch dieser Graben mußte in der Hauptsache durch Moore gehen, die aber viel tiefer waren als die zwischen Schal= und Mechower See. Denn man hätte - nach den Angaben - zwischen 8 und 13 Ellen = 4,80 m und 7,80 m tief graben müssen. Das "Graue" und das "Rumpell"=Moor werden als besonders tief erwähnt. Die Verbindung sollte vom Schalsee aus durch den Pfuhl=, Piper= und Salemersee nach dem äußersten Südende des Ratzeburger Sees erfolgen. Wenn sich die Beteiligten auch noch nicht für einen der beiden Pläne entschieden hatten, so waren sie sich doch darin einig, daß diese Schiffahrt überhaupt zustande kommen sollte. Die Vorarbeiten hätten also beginnen können, als Magdeburg plötzlich zurücktrat, weil Lübeck einige Zuschüsse an Geld forderte, die Magdeburg nicht zahlen wollte, und damit fiel das ganze Projekt ins Wasser. Wäre dieser Kanal gebaut worden, so hätte man in der Praxis beinahe das erreicht, was man 200 Jahre früher gerade verhindern wollte. Statt einer Verteilung des Lüneburger Ostseehandels auf Lübeck und Wismar wäre eine starke Konzentration aus Lübeck eingetreten durch die nunmehr verdoppelte und außerordentlich erleichterte Verbindung, wenn auch die Lüneburger den Lübeckern gegebenenfalls die Schale und damit die Elbe sperren konnten. Es kam weder zu diesem Graben noch zu der Fortsetzung der Schalfahrt nach Wismar. Für den Bau eines Schiffahrtsweges nach Wismar vom Schalsee aus waren die Herzöge nicht zu gewinnen, sie interessierten sich mehr für ihren eigenen Kanal nach Dömitz, und beide, sie sowohl als der Rat von Wismar, scheuten die doppelten Kosten. Der Rat von Lüneburg aber wollte die Durchgrabung nicht auf eigene Rechnung unternehmen, weil es sich hier auf dieser Strecke um den Bau eines Kanals handelte, was natürlich viel teurer war als die einfache Säuberung der Schale und die Anlage von Schleusen. Es fehlte eben in der damaligen Zeit an Großzügigkeit in der Finanzpolitik. Es wurde von der geplanten großen Anlage nur die Schalfahrt fertiggestellt, und die Herzöge privi=


26) Generalia: Zollfreiheiten Lübecks in Mecklenburg. Vol. I Fasc. 1, Lb.
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legierten sie immer von neuem, so Adolph Friedrich 27 ) 1612 und Hans Albrecht 1614. sie hat bestanden bis Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts.

über die Schalfahrt orientieren wir uns am besten durch die: "Vnderrichtunghe van der schale" im liber memorialis 28 ) von 1409-1614: "De Schale lopt tho Blücher / eyne myle weghes bauenn Boytzenborch / Jn eyn water / heyt de Zuder / dar lycht eyne Mole erstlych vpp der Schale.

Eyne myle weghes bauen Blucher / lycht eyn dorp ghenomet Zernstorp / dat hordt eynem ghenant Jürgen mies dar lopt de Schale achter dem dorpe henvp na Bennyn / dat dorp hort deme Bysschoppe van Ratzeborch.

Eyne myle vertan lycht eyn dorp / dat hett Pamperyn / hort tho deme Closter Zerntyn / lopt de Schale ock hender her.

Eyne halue mile noch furder / lycht eyn dorp ghenant Koltzyn / demesuluen Closter tohorych / lycht ock eyne Mole / deme ghemelten Closter ghehorende.

Eyne halue myle lycht noch eyne Mole / ghenant de schale mole / lycht vor deme Schaleße / hort ock tho Zerntyn / to handes gheydt de Schallße an."

Der liber gibt nun einen Hinweis, wie man etwa mit Schwerin in Verbindung treten könnte, womit ja dann die Wasserstraße nach Wismar erreicht wäre. "Den schalße entlanck eyne halue myle weghes / gheydt eyn meer Jn eynen ordt her oth na deme Bussower see / by eynem ferndeyll weghes Jn den Bussower see / gehort deme Capittell tho Ratzeborch / vth dem Bussouwer zee gheydt eyn fleyt na deme nygenkercker zee / dar lycht eyne mole vpp / dat is woll vyff ferndeyl weghes van Zerntyn / fur der is dar neyn fleydt noch see vpp dre myle na Sweryn / de dar wyll offte kan batlych szynn / wente dar is berch vpp vnnd nedder ....."

Soweit die alten Nachrichten. Von der Mündung der Schale in die Sude ging die Fahrt auf diesem Flusse weiter. Die Sude teilt sich bald in mehrere Arme, die sich dann wieder vereinigen. Der breiteste und schiffbarste ist der vielumstrittene Bandekower See mit dem Orte gleichen Namens. Nach der alten Karte 29 ) führt er auch noch den Namen Schwarzes Wasser, die neueren Karten jedoch - und darin stimmen die alten Urkunden mit


27) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
28) L.
29) Sch.
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ihnen überein - bezeichnen das Mündungsgebiet der Sude zwischen Bandekower See und Elbe als Schwarzes Wasser. Der Mündung gegenüber liegt Brackede und nördlich davon, an der Elbe Boizenburg.

Das ist in Kürze der Lauf des Flusses, für den sich die Lüneburger zur Anrichtung einer Schiffahrt 1553 privilegieren ließen. Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre machten sie endlich von dieser Erlaubnis Gebrauch. Nachdem die Schale gereinigt und aufgeräumt worden war, begannen nun die eigentlichen Kanalarbeiten. Sie konnten sich auf eine Begradigung des Flusses hie und da beschränken. Um die Schiffahrt auf der ganzen Flußstrecke möglich zu machen und sonst auch zu erleichtern, wurden 15 Schleusen angelegt, und zwar Kisten=, Stau= und Freischleusen. Die Kistenschleusen, wie wir sie hier, bei der Stecknitzfahrt oder auch dem Dömitzer Kanal kennen lernen, sind mit die ältesten, bekannten Kammerschleusen in Deutschland. Sie haben Kesselform, und ihre Wände bestehen aus Busch= und Pfahlwerk, das über dem Wasserspiegel mit Steinen beschwert ist. An den beiden am weitesten voneinander entfernten Stellen des Kessels befinden sich die hölzernen Schleusentore. Diese Kistenschleusen bieten Raum zur Aufnahme von zehn Schiffen. Mit einer Flut konnten auf der Schale fünf Schiffe heraustreiben, und acht Fluten konnten an einem Tage gesammelt werden. Um jedoch den Mühlen das Wasser nicht zu entziehen, sollte nur alle zwei Tage geschleust werden. Während die Kistenschleusen Schiffahrtsschleusen waren, steigern die Stauschleusen den Wasserstand bis zu einer gewissen Höhe, damit das Wasser die erforderliche Kraft zum Treiben von Mühlen habe. Weit einfacher sind die Freischleusen. Sie sind derartig konstruiert, daß bei einem bestimmten Tiefen= oder Höhenstande des Wassers die Tore sich von selbst schließen oder öffnen. Im Laufe der Schale sind nur vier Staustufen, nämlich bei der Schalmühle, bei Kölzin, hinter Kogel und bei Blücher. Beginnt man nun die Fahrt auf dem ungefähr zwei Meilen langen Schalsee, so kommt man im Süden an den Schalfluß und fährt unter der Zarrentiner Brücke durch bis an die Schalmühle. Hier befinden sich die oberste Kistenschleuse und die Stauschleuse ob dem Hofe, welche die Schalmühle treibt. Bei Öffnung der Kistenschleuse werden die Schiffe von der hinausdrängenden Flutwelle vorwärts getrieben nach der zweiten Stauschleuse zu, nach Kölzin. sie hat eine ganz besondere Bedeutung, weil hier sämtliche Schiffe anlegen mußten, und erst, nachdem sie abgefertigt waren, durften sie die Fahrt

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fortsetzen. Dazu kam, daß bei dem etwas saumseligen Betrieb der Zöllner sich die Schiffe häufig in größerer Menge ansammelten. Es mußte darum für die nötige Stauung gesorgt werden. Sie wurde auf dem Hofe zu Kölzin durch eine Kisten= und eine Freischleuse bewirkt. Auf der nun folgenden Strecke ist der Flußlauf ganz besonders vielfach gewunden, so daß er durch mehrere Schleusen geregelt werden muß. Wir haben hinter dem Hofe Kölzin die sogenannte Kortlandes Schleuse, die nächstfolgende ist die Berckenschleuse, bei Kogel gelegen; und die dritte dazugehörige Schleuse ist die auf dem langen Rade, auch Kruschenschleuse geheißen. Die Namen der Schleusen sind entweder nach dem Ort, dem Schleusenmeister, dem Mühlenbesitzer oder dem Zöllner gewählt. Es beginnt die dritte Staustufe mit der Gabrielsschleuse, es folgen die Hoge und die Danielsschleuse. Die Fahrt geht nun auf dem natürlichen Flußlaufe weiter, an Wittkow, Bennin, Bengerstorf und Zahrensdorf vorbei nach Hühnerbusch, wo die Boizenburger eine Schleuse unterhalten, bis nach Blücher. Hier ist wieder eine größere Anlage, ähnlich wie bei der Schalmühle und zu Kölzin. Auf dem Blücherzollhofe befindet sich eine große Kisten= und eine Freischleuse und weiter herab die Stauschleuse für die Mühle. Hiernächst ist noch eine Schleuse bei dem Dorfe Gülze, die Gülzerschleuse genannt. Unterhalb Blücher, wenn man niederfährt zur linken Hand, "kommt die Sude in die Schale," wie es in der alten Handschrift 30 ) heißt.

Da der Bandekower See und das Schwarze Wasser in den Privilegien der Boizenburger und der Lüneburger eine so große Rolle spielen, und da sie so oft die Veranlassung zum Streit waren, so seien die dort in Betracht kommenden Schleusen hier noch kurz erwähnt. Auf der Sude bei Bandekow sind die beiden Bandekower Schleusen. Von da kommt man auf den Bandekower See und von dannen auf das Schwarze Wasser. Zum Schlusse sei noch Wappau genannt, von wo das Holz nach Lüneburg abgeholt wird.

Die Schleusen waren damals noch primitiv. Durch das Loslassen der Stauwelle wurden die Ufer bei dem Mangel an Buhnen und Bollwerken häufig überschwemmt und den armen Leuten Schaden zugefügt an Wiesen und Weiden. Das ist der Grund, weshalb die Bauern und Anlieger meist gegen den Schleusenbau waren. Zur Zeit der Ernte mußte daher jedesmal


30) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt bei 4, L.
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besonders darum gebeten werden, daß die Schleusen stark gestaut würden, damit die Landleute mit ihren Wagen durch die Furt fahren könnten, falls sich an dem betreffenden Orte keine Brücken befanden. Als die Lüneburger 1567 31 ) eine dritte Schleuse auf der Sude bei Bandekow erbauen wollten, mußten sie erst lange Verhandlungen pflegen, bis sie endlich die Erlaubnis erhielten. Denn Johann Albrecht wollte nicht, daß seinen Landleuten daraus Schwierigkeiten bei ihren Feldarbeiten erwüchsen, und ihre Bitte wurde ihnen auch nur unter der Bedingung gewährt, daß sie zwischen den Schleusen "den Strom aufräumen und reinigen" ließen, damit er in seinem natürlichen Bette Platz habe, und damit das Land vor Überschwemmungen bewahrt bleibe.

Der Bandekower See litt besonders stark an Untiefen. Über die Ursache der Flußversandung war man sich damals noch nicht recht klar. So werden in einem Bericht von 1581 32 ) zwei sich widerstreitende Ansichten über die Versandung im Bandekower See mitgeteilt. Die einen geben den Schleusen schuld, daß sie den Sand aufhäuften, die andern finden, daß gerade die Schleusen den Sand vom Bandekower See fort nach der Elbe zu treiben.

Einen großen Reiz der mecklenburgischen Flüsse bilden die zahlreichen Mühlen, die als Öl=, als Walk=, als Getreidemühlen die Ufer schmücken. Auch an der Schale finden wir einige. Die bekanntesten sind die Blüchermühle, die Walkmühle bei Kölzin, die Schildmühle am Mühlengraben östlich der Schale und die Schalmühle selbst am Ausfluß aus dem See. Obgleich in den Verträgen ausdrücklich betont war, daß nur das Recht zu Wasserbauten und zum Schiffen abgetreten werde, nicht aber mecklenburgischer Grund und Boden, so suchten die Lüneburger selbstverständlich sehr bald Anlegestellen zu erwerben. Denn das Schiffen ging damals langsam vor sich, besonders, da nur alle zwei Tage geschleust werden sollte und es in der Praxis unregelmäßig, ganz nach dem Belieben der Zöllner und Schleusenmeister geschah, und außerdem wollte man auch unterwegs Handel treiben.

Die erste Veranlassung zum Ankauf gab ihnen der Zoll, den sie zu Kölzin erheben mußten. Deswegen brauchten sie ein Zollhaus, wozu die Walkmühle vortrefflich paßte, besonders auch, weil dort bereits eine Schleuse war. Die Herzöge, die in fortwährender Verlegenheit um bares Geld waren, ergriffen gern


31) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L.
32) Salinaria 305, L.
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jede Gelegenheit, um sich solches zu verschaffen. Infolgedessen wurde 1561 33 ) abgemacht: "Die Walckmühle belangend, haben die von Lüneburg sich mit uns verglichen und uns dafür 200 Gld. in Münze vergnuget, dagegen wir ihnen berührte Walckmühle mit ihrem Gebäu und Aalkisten zugestellet, auch den Müller ohne ihr Zutun befriediget, also daß sie die Mühlen zu einer Schleusen und das Haus zu einer Wohnung und Zollhaus ohne jedermanns Verhinderung geruhiglichen gebrauchen sollen und mögen."

Viel wichtiger noch als die Walkmühle war die Erwerbung der Schalmühle 1592 von Herzog Johann. Einmal war es ihre den Fluß beherrschende Lage an seinem Austritt aus dem See und zum andern die reichen dazugehörigen Ländereien, die ihren Besitz an sich so wertvoll machten. Der Herzog verkaufte sie auf 16 Jahre 34 ) "zusamt der dabei gelegenen Oelmühlen, allermaßen aber die in ihrem Umkreis, Ackern, Grenzen und Gegenden auf der Schale belegenen, mit aller Gerechtigkeit pertinentiae zugehörigen Fischereien und Aalfang, zusamt aus dem See fließendem Bache von oben an bis hintenwärts auf die Pamperinische Schleuse, also daß darin, wie denn auch dafür sonst niemand, denn allein gemelter Rat zu fischen oder einige Aalkörbe zu legen, befugt sein, Macht und Gewalt haben, sondern ihnen ganz und gar frei und unstreitig die vorgeschriebenen Jahre unbekümmert und unbeschweret sein und gelassen werden soll, ebenso wie ihren Vorfahren und Bernhard Winterfeld, um 6000 volle und Wohlgeltende Rthlr." Herzog Johann bekam die Summe sofort ausgezahlt, und er wandte sie, wie man liest, im Amte Strelitz an. Außerdem machte er sich aus, daß während der 16 Jahre das Korn, so er auf seinem Hause zu Zarrentin habe, unentgeltlich in der Schalmühle gemahlen werde. Dafür durften sie auch die Mühle auf seine Kosten reparieren lassen. 1594 war die Pacht mit den Winterfelds abgelaufen, von da ab bis 1610 ging die Mühle vorläufig in die Hände des Rats zu Lüneburg über. Nach Erlöschen der Vereinbarung können die Lüneburger dem Herzog die Mühle wieder verkaufen, aber sie sind dazu nur dann verpflichtet, wenn er die Baukosten tatsächlich bezahlt hat. Sollte die Mühle durch irgend ein Unglück ihnen nicht eingeräumt werden können, so sollen sie den Elbzoll zu Dömitz erhalten, so lange, bis sie ihr Kapital und die Zinsen heraushaben. Denn sie haben die 6000 Rthlr. schon 1592 bar vorausbezahlt.


33) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
34) Gerechtsame der Stadt L. m sp. Schalfahrt 1, L.
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Die Schalmühle befand sich in schlechtem Zustand. Der Neubau, der notwendig unternommen werden mußte, dauerte von 1594-1596, für eine Mühlenanlage eine ziemlich lange Zeit. Aber der Winter, die Ernte im Sommer, Ostern und Pfingsten sind keine Arbeitszeit für Bauhandwerker.

Wir sind über den Bau ganz genau unterrichtet durch: "die Rechnungen von Erbauung der Schalmölen" 35 ), die von einem Remmert von Ridtberch ausgegeben sind, durch Beschreibungen und zahlreiche Zeichnungen sowohl des Gebäudes als auch der Mühlenkonstruktion. Zunächst handelt es sich um den Bau des Mühlenhauses, der Ende Mai 1594 in Angriff genommen wird. Da bittet der Rat um 300 Faden Bauholz vom Boissower Holze. Es wird geliefert als Holz zu Dielen, als Bauholz, als Armholz und für Schutzbretter, alles in allem für 84 M 3 ß 9 Währung . Dazu werden auch gleich Schmiedewaren besorgt, als da sind: alle Arten von Nägeln, Haken, Wellbändern, Zapfen, Haspeln, Krampen an die Kisten, Kettenseile und eiserne Barren, für einen Betrag von 65 M 14 ß 8 Währung . Im Hochsommer 1595 und im Frühjahr 1596 werden dann die Decken, Türen und Latten angefertigt, mit den Schneidelöhnen stellen sich diese Zimmerarbeiten auf 101 M 0 ß 3 Währung . Die Mühle wird nun aufgebaut und das Mühlenwerk hergestellt. Im Jahre 1594 werden vom Juni ab, wenn auch nicht hintereinander weg, so doch im ganzen 16 Wochen gearbeitet, und zwar von den betreffenden Meistern. Die Zahl ihrer Knechte ist verschieden, es sind deren bis zu sieben verzeichnet. Die Arbeiter sind uns genau bekannt, sogar mit Namen. Da ist zunächst Hans Gastenkamp, der Schleusenmeister, Meister Hinrich Schulte und Berndt Schirewater, der Zimmermacher, und Christoffer Ringemoidt, der Maurermeister. Sie sind alle Lüneburger Handwerksmeister, die mit ihren Knechten und "Plegern", wie die Handlanger heißen, jedesmal zur Arbeit an der Mühle herüber gewandert kommen. Der Arbeitslohn für den Meister beträgt 8 ß täglich, die Löhne für die Knechte schwanken zwischen 5 und 7 ß täglich. Nur ganz selten wurden 3 ß gegeben, im Durchschnitt ist als der niedrigste Tagelohn 5 ß anzusehen. Interessant ist dabei, daß Ringemoidt seine Frau 14 Tage lang als Pleger beschäftigt und daß ihr die Arbeit mit nur 4 ß täglich bezahlt wird! Für das Rammen holen sich die Arbeiter einige Schifferknechte, die wie heute, so auch damals schon für ihre Aushülfedienste mit Freibier und


35) Salinaria 73, L.
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Trinkgeld gelohnt werden. Mit ihrer Hülfe wird das Grundwerk gelegt, und dazu werden für die Teile im Wasser vier Tonnen Teer verbraucht. Hans Gastenkamp arbeitet an der Walke, der Ölmühle und der so wichtigen Aalkiste. Im Hochsommer 1596 kommen noch einmal sämtliche Handwerker nach der Mühle, um die letzte Hand an die Fertigstellung des Baues zu legen. Die alte Stube wird gedeckt und "gewipt", es wird ein Kachelofen gesetzt, und der Glaser hängt die 20 Fenster mit eisernen Haken ein. Es wird ein Mühlstein herbeigeschafft, was aus dem dafür verzeichneten Trinkgelde zu ersehen ist, und es wird eine Scheune für Zarrentin angelegt. Damit wäre der ganze Bau fertiggestellt, alles auf Kosten des Herzogs. Das Material und die Arbeitslöhne machen 1594 = 452 M 1 ß 11 Währung aus und 1595/96 = 441 M 8 ß 1 Währung . Die letzten Löhne und Lieferungen stellten sich auf 288 M 11 ß 9 Währung = ist Summa:

1182 M 5 ß 9 Währung . Davon gehen 100 Tlr. = 206 M 4 ß (2 Währung ) ab, die vom Bürgermeister dazugezahlt Werden = 976 M 1 ß 9 Währung . Also hatte der Herzog für den Neubau ungefähr 1000 M zu zahlen.

Zu dieser außerordentlich vorteilhaften Erwerbung brachten es die Lüneburger aber erst 1594. Zu Beginn der Schalfahrt suchten sie sich den notwendigen Besitz zu verschaffen, nämlich Plätze, auf denen sie das gekaufte Holz, ehe es zum Verschiffen kam, aufstapeln konnten. Darum baten sie 1564 36 ), Holzhuden und Niederlagen machen zu dürfen mit kleiner Wohnung für die Schleusenwärter, und Johann Albrecht befahl seinen Beamten, ihnen die Plätze auszusuchen. Wie sich damals alles verzögerte, so auch dies. Deshalb wurden sie noch einmal dringender vorstellig, die Plätze bald zu bestimmen, weil die Schleusentore vor Eis geschützt und hochgezogen werden müssen.

Wie sehr man darauf aus war, die Hudenplätze zu Ansiedlungen zu benutzen, geht aus der immer wiederkehrenden Bitte der Hudenleute, sich etwas Vieh halten zu dürfen, hervor. Diese Bitte wird immer wieder abgeschlagen, und das Verbot ebenso oft heimlich übertreten. Als daher 1564 37 ) die Herzöge Wilhelm und Heinrich von Braunschweig in ihrem Amte Bleckede am Schwarzen Wasser in der Teldau einen Holzplatz verkaufen, machen sie sich ausdrücklich aus, daß der Platz nur für das Holz da ist, und daß niemand darauf gesetzt wird, der Vieh, Gänse,


36) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4. L.
37) Salinaria 301, L.
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Enten oder Hühner hält. Sie verkauften ihn für viertehalbhundert Taler mit einem jährlichen Erbzins von 30 M lübisch, zahlbar zwischen Michaelis (29. September) und Martini (11. November). Im Jahre 1574 38 ) verschaffte sich der Lüneburger Rat noch einen Holzplatz an der Wappau, und so war er auf der ganzen Strecke vom Schalsee bis zur Mündung in die Elbe mit Niederlagen versehen.

Selbstverständlich wollten die Boizenburger den Lüneburgern nicht nachstehen. Auch sie bewarben sich um Stapelplätze. Ihre Eingaben waren von Erfolg gekrönt, z. B. 1587 39 ), wenn es heißt: Die Boizenburger sollen zu Aufsetzung ihres von oben gebrachten Holzes eine Hude auf der Heide unter der Schalmühle haben und behalten. Um den Lüneburgern auch auf der unteren Sude nicht nachzustehen und um sich vor Diebereien zu sichern, bat das Schiffamt 1599 40 ) um Anweisung einer Stelle am Bandekower See zur Erbauung eines Katens. Herzog Ulrich gab die Erlaubnis für den Fall daß sie den Schuppen auf eigne Kosten erbauten. Diese Holzhuden mußten gewöhnlich nach Anweisung angelegt werden. Eine solche gibt die Bestimmung von 1567 41 ) für die Hude bei der Blücherschiffschleuse. "Sie muß mit notwendigen Dämmen und Zäunen umgeben sein. Der Zaun soll auch mit Rat des Amtmannes allhier soweit vom Wasser weggesetzt werden, daß ein geraumer Mühlenweg, zum wenigsten zu zweien Wagen des Orts bleiben möge."

Überhaupt waren sowohl die Herzöge als auch die Bewohner der Ortschaften an der Schale und Sude eifrig darauf bedacht, daß durch die Schiffahrt und die Schleusenanlagen nicht etwa die Verbindung zwischen Ost und West unterbrochen werde. Im Laufe der Jahre entstanden eine Menge Brücken, so bei Zarrentin, bei Kogel, bei Bennin, bei Bengerstorf, bei Zahrensdorf, bei Blücher, bei Gülze und über die Sude bei Bandekow. Diese sind die größeren Brücken, durch welche die direkten Landstraßen vom Osten des Herzogtums her nach der Elbe und dem Süden zu weiter geführt werden. Außerdem werden immer wieder Brücken an jeder Dorfstelle gefordert, ganz besonders dringend für die Sude. Als Grund geben 1567 42 ) Herzog Ulrich und die Leute


38) Salinaria 301, L.
39) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 1, L.
40) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
41) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
42) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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von Gülze und Bandekow an, daß die Furt durch die dritte zu erbauende Schleuse zu tief werden würde, und es darum vonnöten sei, daß man jeder Dorfstelle, Bandekow und Gülze, eine Brücke des Orts über das Wasser, die Sude=Schale genannt, erbaue. Sonst müsse zur Zeit der Ernte die Schleuse so gestaut werden, daß die Überfuhr nicht gehindert erde.

Dieser eine Fall spricht für die andern. Durch die Schleusenanlagen waren die Landleute der Furten nicht mehr sicher, und um sich Umwege zu ersparen, verlangten sie Brücken. Hin und wieder waren auch die bestehenden Brücken den Verhältnissen nicht entsprechend, was besonders bei der Gülzer Brücke zutreffend war. 43 ) Der wandernde Mann und die Fuhrleute beschwerten sich darüber, daß, wenn sie sich mit Getreide und Korn nach Lüneburg begeben wollten, sie dann Hindernisse hätten an der Gülzer Brücke vor der Teldau. Besonders, wenn großes Wasser wäre, sei die Brücke schon mehrmals abgeworfen worden, so daß sie den Heerweg gehen mußten, was ihnen große Unkosten verursacht hätte. Was die großen Wasser anlangt, so war gerade diese Gegend, Gülze, Bandekow und weiter nach Süden zu in die Teldau hinein eine von Unwettern häufig heimgesuchte. Die Elbe brach des öfteren aus ihren Ufern und einmal so verheerend, daß Herzog Ulrich 44 ) an die Anlage eines Abzugskanals nach dem Schwarzen Wasser zu dachte und Vermessungsbeamte in die Teldau schickte.

Über die Art der Brücken sind wir wenig orientiert. Wahrscheinlich sind vielfach Ketten= oder Zugbrücken in Anwendung gekommen. Wir entnehmen das aus einer Bemerkung in Salinaria 301, 45 ) in welcher der Rat von Lüneburg sich einverstanden erklärt, den Mecklenburgern auf ihr vielfaches Bitten die Ketten= oder Zugbrücke zu Gülze zu gewähren. Sie sowohl als auch die unaufziehbaren Brücken sind von Holz, niedrig und kaum gebogen, kaum gewölbt. Die fürstlichen Herrschaften ihrerseits setzten es durch, daß Fähren gehalten wurden, eine solche war zum Beispiel im Schwarzen Wasser bei Wappau für die Herzogin von Mecklenburg. 46 ) In der Nachricht darüber heißt es, es solle ein Prahm verfertiget werden, damit man einen Wagen mit zwei oder drei Pferden überholen könne.


43) Salinaria 307, L.
44) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
45) L.
46) Salinaria 308, L.
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Sollte hingegen der Verkehr auf dem Flusse gesperrt werden, sei es, daß man Diebereien verhindern, sei es, daß man die Schiffsfahrt untersagen wollte, so legte man einen Baum quer über den Fluß, wie dies zu Wappau geschah Wegen der Holzdiebe oder zu Bennin auf Befehl Herzog Christophs.

Der Rat zu Lüneburg mußte die Brücken erbauen und erhalten auf seine Kosten für und für. Sehr bald stellte sich jedoch für die Lüneburger heraus, daß es außerordentlich unbequem war, fortwährend Arbeiter zu den Reparaturen an die Schale zu schicken. Sie übertrugen deshalb ihre Verpflichtung auf das Amt zu Boizenburg, indem sie sich durch bestimmte jährliche Geldzahlungen ablösten. Die Gelegenheit dazu fand sich bei den Besprechungen wegen der Unterhaltung der drei Brücken zu Blücher, Zahrensdorf und Bennin und wegen Erbauung der neuen Brücke in Gülze und Bandekow. 47 )

"Weil die Lüneburger schuldig sind, sie zu unterhalten, und weil sie des Orts kein Holz und keine Dienste haben, haben sie versprochen zu einer jeden jährlich 10 Gulden den Amtmännern zu Boizenburg auf Martini zu erlegen und zu bezahlen. Da es aber noch nicht nötig, zwei Brücken in Gülzow und Bandekow vermöge des 1567 aufgestellten Vertrages anzurichten und doch daselbst den armen Leuten, wenn die Schleusen eröffnet und aufgezogen, beschwerlich fürfallet, ihr Vieh und Kähne durch die gewöhnlichen Fohrde zu bringen, also ist von den Lüneburgern eingewilliget, daß sie die Brücke, soweit der rechte Strom und Schiffen gehen, zwischen obgemelte Dörfer Gülzow und Bandekow, da es ihnen am gelegensten sein wird, auf ihre Unkosten wollen erbauen."

Herzog Ulrich stand ihnen wie immer mit Hülfeleistungen bei. Er schenkte ihnen zu dem Behufe zehn Stück Hölzer und gab den Befehl, die Bauern sollten an beiden obberührten Dörfern an den Ufern des Ortes, da die Brücken gelegt werden, bis an den Strom zu bollwerken schuldig sein und sich dann zugleich derselbigen Brücken ihrer Gelegenheit und Notdurft nach bei Winters= und Sommerszeit neben den gewöhnlichen Furten gebrauchen. Sollte eine Brücke zu Bandekow sich doch noch als nötig erweisen, so müssen die Lüneburger die zehn Gulden jährlich einzahlen.

Auf der Schale verkehrten nur kleine Lastschiffe, Prahme, Ewer und "Steckelschiffe". Von den Prahmen erfahren wir aus


47) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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einer Nachricht des Jahres 1669: 48 ) "Es dienet zu berichten, daß der Rat vor vielen Jahren einige Schiffe, Prahmen genannt, gleich den Boizenburgern zu Anbringung des Holzes auf der Schale in der Fahrt gehabt, welche aber, nachdem die Flößung aufgekommen, nicht mehr gebraucht worden, und daher meistens verdorben und liegen im Grunde im Wasser." Der betriebsame Berichterstatter gibt weiter ihre Wiederverwendung an: "Es seind aber von etlichen der unterste Boden noch gut und könnte ein oder anderes noch wohl wieder in stand gebracht und, wann über kurz oder lang Sülfmeister einige Partien Holz Jenseits der Schalsee erhandelten, solches damit angebracht werden, damit ihre Gerechtigkeit, den Schalsee zu befahren, von den Boizenburgern nicht disputieret werden könnte."

Die Prahme waren flache, schmale Kähne zum Befördern schwerer Lasten. Sie hatten eine Größe von ungefähr 19 m Länge, 3,24 m Breite, 0,86 m Bordhöhe und 0,41 bis 0,43 m Tiefgang. Sie konnten etwa 12,5 Tonnen laden. Es hing gänzlich von dem Willen des Landesherrn ab, mit welcher Art von Kähnen man fahren durfte. So erlaubte Herzog Heinrich 49 ) den Boizenburgern nicht mit eigenen Booten, sondern nur mit Boizenburger Prahmen über das Schwarze Wasser zu fahren.

Neben den Prahmen waren auf der Schale auch die Ewer gestattet. Diese waren zweimastige Segelboote, die besonders an der Küste, aber auch, wie hier, auf den Binnengewässern ihre Verwendung fanden.

Eine dritte Art, die "Steckelschiffe", lernen wir nur aus der Zolltaxe 50 ) kennen, nach der sie auf und tal 5 ß kosteten, während die Lübecker und Boizenburger Prahme 10 ß zahlen mußten. Sie wurden mit langen Stangen - wie es heute noch im Spreewald allgemein üblich ist - fortbewegt.

So klein diese Fahrzeuge an sich schon waren, so waren sie doch immer noch viel zu groß, als daß sie ohne Schleusenstauung die Fahrt hätten machen können. Trotz der zahlreichen Wasserbauten gab es doch noch etliche seichte Stellen, die nur umgangen werden konnten. Es blieb nichts anderes übrig, als die Waren umzuladen. Dies wurde z. B. bei Bandekow nötig. "Weil die Bandekower Schleuse vermöge 1581 aufgerichteten Vertrages 51 )


48) Salinaria 74 b, L.
49) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
50) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
51) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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ohne äußerste Not nicht kann noch mag gestauet werden und also das Wasser des Orts so klein und gering ist, daß sie mit vollen, geladenen Schiffen nicht durchfahren können, so pflegen sie allda die Schiffe zu leichten und das Holz zum Teil auszuladen und auf dem Ufer der Schale [= Sude, Unterlauf] aufzusetzen und hernach zu holen." Diese Leichtungs= und Umladestellen wuchsen sich sehr bald zu Stapelplätzen aus, da das Holz oft längere Zeit lagern mußte, Weil es nicht sofort abgeholt wurde oder abgeholt werden konnte. So natürlich auch dieser Vorgang erscheint, so wenig war er doch nach dem Sinne der Mecklenburger und ihrer Herzöge. Sie wollten die Stapelplätze nur bei den Zollstellen gestatten, weil sie dann unter ihrer amtlichen Aufsicht standen, was zur Vermeidung der so häufigen Unterschleife sehr erwünscht war.

Die Kähne waren persönliches Eigentum und wurden als solches besonders vom Gesetz geschützt. Es durfte niemand des andern Schiffe ohne des Schiffherrn Wissen und Willen antasten und gebrauchen bei willkürlicher Strafe, jedoch so eine solche Wassersnot sich beweislich zutrüge, daß jemand sich der Hinwegtreibung seines Holzes zu befürchten hätte, so sollte ihm unbenommen sein, des andern Schiffe zu gebrauchen. Wenn etwa in solcher Not und Gebrauch des andern Schiff beschädigt würde, sollte er den Schaden bessern, würde aber hinwider gehandelt und der Amtmann des Orts dessen berichtet, so sollte er Strafe zahlen.

War die Art der Schiffe genau vorgeschrieben, so mußte sich auch jeder, der schiffen wollte, erst privilegieren lassen. Wie es in der Bestimmung heißt: "Auf der Schale und dem Schalsee sollen keine Schiffe, denn die darauf privilegiert sein, als nämlich von Bürgern zu Lüneburg und Boizenburger Schiffamtsbrüdern gehalten und geführt werden bei Verlust der Schiffe und des Holzes, aber auch niemand denn ein Lüneburger oder Boizenburger Bürger den Holzkauf auf der Schale treiben soll."

Im folgenden Jahrhundert erzählt uns einer der Zöllner zu Kölzin, daß der Kaufleute Schiffe über zehn Jahre auf dem Schalsee nicht gebräuchlich, weil die Schiffahrt auf dem Schalsee später abnahm und zeitweise sogar ganz aufhörte. Damals mußten sich die Kaufleute zum Wiederbeginn der Schiffahrt neue Kähne bauen lassen. Nur zwei der alten, auf dem Grunde des Sees gefundenen Schiffe konnten neu vorgerichtet werden. Sie wurden denn auch sofort angekauft.

Mit den oben erwähnten Schiffen fuhr man nun seit Fertigstellung der Schalfahrt die Strecke Schalsee-Zarrentin bis

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zur Elbe nach Boizenburg. Denn zu einer Schiffahrt war die Schale hergerichtet worden, das wird bei jeder Gelegenheit ausdrücklich betont. Zu diesem Zwecke hatte man sich die Privilegien verschafft und nicht zur Flößung, die schon immer im Gange gewesen war. Da die Lüneburger nicht dabei bleiben, sondern durchaus eine Schiffahrt einrichten wollten, so mußten sie sich wohl für den Handel und vor allem für den Salzvertrieb große Vorteile versprechen. Sie wollten für ihre Salzausfuhr neue Wege öffnen. Nun stand der Lüneburger Salzhandel gerade in der Mitte des 16. Jahrhunderts unter einem ganz besonders ungünstigen Zeichen.

Um diese Zeit nämlich kam in Deutschland überall die Einfuhr des Seesalzes von der Küste des Atlantischen Ozeans auf. Das fremde Salz wurde bei uns an den verschiedensten Orten versotten und erhielt den Namen Bai= oder Boysalz nach der westfranzösischen Bai Bourgneuf, von der aus es schon seit dem Ende des 14. Jahrhunderts nach Danzig gebracht wurde. Als aber von 1546 ab das Baisalz durch holländische Schiffe nach Stettin und anderen deutschen Hafenplätzen geführt wurde, gaben diese den Zwischenhandel mit dem einheimischen Salze nach dem Norden zumeist auf, was für Lüneburg einen argen Ausfall bedeutete.

Wenn auch in Mecklenburg zunächst der Handel mit dem fremden Salze verboten ward, in der Stadt Wismar fand das Baisalz schließlich doch Eingang, und damit war die Hoffnung der Lüneburger, daß ihr Salz auf dieser Schiffahrt, will sagen der Schalfahrt, einen guten "schlet" haben sollte, zunichte gemacht. Sie klagen, das Salz habe keinen Abgang mehr, es sei auch noch kein Salz geführt worden, als was gerade zur Lieferung der Schiffahrt, d. h. für den Inlandshandel, gebraucht wurde.

Einen gewissen Einblick in die Salzlieferungen nach Mecklenburg gewinnen wir durch die Rechnungen des Herzogs Ulrich 52 ). Er bestellt bei dem Rat der Stadt, was er für seine Hofhaltung und seine Ämter gebraucht. Es sind daher große Posten, die er sich kommen läßt. Gewöhnlich 30 Last, manchmal auch nur 15 Last. Rechnet man die Last zu 33 hl, so wären 30 Last = 990 hl; oder die Last zu 3000 kg gerechnet, dann stellte sich der Posten auf 90 000 kg oder 180 000 Pfund. Die Belege sind leider zu lückenhaft, als daß man mit Bestimmtheit


52) Salinaria 119, L.
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sagen könnte, in welchem Zeitraum er seine Bestellung wiederholt. Es scheint, alle zwei Jahre. Als guter Hauswirt sieht er zu, daß er seine Ware billig erhält, er läßt handeln und den Preis für sich drücken. Fast bei jedem Auftrag macht er sich vorher aus, daß er das Salz gegen "gebührliche" und "billige" Zahlung geliefert bekomme. Da er sich weitläufige Verhandlungen nicht verdrießen läßt, gelingt es ihm auch meist, obgleich der Rat zu Lüneburg ebenso das seine versucht, wie aus der Beschwerde des Bartold Hardecke, des Küchenmeisters zu Witten= bürg, hervorgeht, der 1573 Klage führt, daß die Tonne Salz 6 ß teurer fei als zuvor und energisch Abstellung für den Herzog verlangt oder eine diesbezügliche schriftliche Mitteilung, damit er seinem gnädigen pursten und Herrn eine beweisliche Meldung machen könne.

Herzog Ulrich will nicht nur billig, sondern auch gut einkaufen. Er macht daher seine Bestellungen im Winter, zwischen Januar und März, zu der Zeit, wenn das neue Salz eben gesotten aus der Sülze kommt. Selbstverständlich verlangt er, daß ihm von diesem frischen Salze geschickt werde, während die Lüneburger natürlich lieber ihre alten Vorräte erst ausverkauften, was sie ihm 1575 ganz offen mitteilen: Sie werden ihm von dem neuen Salze schicken, "obgleich wir zu dieser Zeit des Jahres nicht gern schon das neue Salz abgeben."

Als weitere Vergünstigung erbittet sich Ulrich jedesmal von neuem, daß seine Boizenburger Amtleute persönlich aus der Sülze in der Stadt das Salz einkaufen dürfen und daß dieses dann möglichst billig nach Mecklenburg verfrachtet werde; sei es, daß der Rat den Boizenburgern gestattete, das Salz selbst aus der Stadt hinauszuführen, sei es, daß die Lüneburger Fahrgelegenheiten bewilligen mußten, und wenn es auch nur die z. B. 1575 unentgeltlich gewährte Erlaubnis war, das Salz aus der Elbe die Lüneburger Strecke von Lauenburg bis gen Boizenburg verschiffen zu dürfen.

Dadurch, daß die Amtleute häufig den Einkauf selbst besorgten, geschah es, daß die Mecklenburger zwar ihren Salzbedarf billig und gut decken konnten, daß aber der Rat außer dem baren Geldgewinn einen besonderen Vorteil von diesem Kaufe nicht mehr hatte. Die Lüneburger forderten darum 1576 von Herzog Ulrich, in künftiger Zeit möge er dafür sorgen, daß das Salz hinfürder zu Wagen und gegen Zufuhr Korns und anderer Ware ihrem althergebrachten und wohlhergebrachten Gebrauche nach abgeholt und zu weiterer Neuerung dadurch bei

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ihren Bürgern keine Ursache gegeben werden möge. Von diesem alten Brauche spricht schon Herzog Heinrich von Mecklenburg=Schwerin in einer Urkunde vom April 1526, in der es heißt, daß die Mecklenburger Roggen und anderes ihrer Hantierung nach Lüneburg führen und dafür Salz wegnehmen. Die Lüneburger wünschten eben Handel mit Aus= und Einfuhr und machten deswegen den Herzögen bei der Abgabe des Salzes hin und wieder Schwierigkeiten. Trotzdem hielten diese für ihr Land an dem einheimischen Salze fest. Herzog Ulrich erklärte sogar dem Rate von Lüneburg 1576 53 ), er suspendiere von diesem bis auf nächstes Pfingsten das Verbot der Schiffahrt auf der Schale, weil er für seine Hofhaltung und seine Ämter vom Salz auf der Sülze in der Stadt kaufen wollte. Er suchte nun um die Erlaubnis nach, es auch "gutwillig" und "ohne Limitation" herausführen zu dürfen.

Tatsächlich also deckten die Mecklenburger ihren Salzbedarf weiter von Lüneburg her, doch konnte dieses Ergebnis der Schalfahrt weder den Rat noch die Sülfmeister zufriedenstellen. Sie hatten auf den Wismarer Zwischenhandel gerechnet oder noch besser auf den eignen Seehandel über Wismar, den ihnen das notwendige Nahrungsmittel, das Salz, verschaffen sollte. Aber die Küste und ihre Städte: Danzig, Stettin, Hamburg, Lübeck, Wismar wurde ihnen durch das Baisalz allmählich verschlossen, und so blieben sie auf den Binnenhandel beschränkt, der aber als reiner Ausfuhrhandel nicht genug Gewinn brachte.

Freilich hatten sie sowohl als auch die Herzöge gehofft, daß die Schalfahrt zum Handel noch mit anderen Waren Veranlassung geben würde, wie man dies aus der Zollrolle Johann Albrechts von 1564 54 ) ersieht. Es ist eine lange Liste von Waren, die der Herzog aufsetzte. Aus ihr entnehmen wir, daß er durch die Schalfahrt einen regen Ein= und Ausfuhrverkehr mit allerlei Erzeugnissen erwartete. Er glaubte, die Lüneburger würden Fettwaren, Fleisch, gesalzene Heringe, Gewürze, Metallwaren, Mühlsteine und Leinwand zum Verkaufe bringen und den Mecklenburgern dafür ihr Leder, ihre Wolfs= und Fuchsbälge, ihre Gerste, ihren Hafer, ihren Roggen und ihren Weizen abnehmen. Beide Teile sahen sich darin schwer getäuscht. Die Macht der ganz veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse war stärker als sie.


53) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
54) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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Aus mancherlei Gründen kam dieser Handel nicht recht in Fluß. Einmal hatte der europäische Handel überhaupt sich verschoben. Statt nach dem Norden und Osten ging der Zug jetzt nach dem Westen. Die Ostsee hatte bereits ihre große Bedeutung als Handelsmeer eingebüßt. Handel und Verkehr hatten neue Wege gefunden, und die alte Blüte ließ sich nicht wieder zurückzaubern.

Aber auch der inländische Handel stand unter einem Drucke. Die Eifersucht der Boizenburger wollte den Lüneburgern nur den Einkauf, soweit er zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse diente, gestatten, untersagte ihnen jedoch den Innenhandel auf das energischste. Sie hielten darauf, daß die Lüneburger keine Heringe, Butter, Käse und dergleichen ins Land und kein Korn, keine Gerste oder anderes aus dem Lande zu Markte führten. Bürgermeister und Ratmannen der Stadt Lüneburg verwahrten sich 1564 55 ) gegen solches Vorgehen. Sie seien verklagt worden, im Amte Wittenburg zu Kölzin einen Stapel für Salz und andere Waren zu haben den Boizenburgern zum Schaden. Und kurz und bündig lautete ihre Antwort, es sei ihnen nicht in den Sinn gestiegen, ihnen zu schaden; weswegen aber sei sonst die Wasserfahrt gemacht, als um Handel zu treiben? Trotzdem blieb es im großen und ganzen dabei, daß die Lüneburger ihre Salzschiffe auf der Rückfahrt mit Waren, die zum Gebrauche im Haushalt der betreffenden Schiffsherren oder Schiffer dienen sollten, befrachteten. Nur ein Handel konnte mit Eifer betrieben werden, und zwar der mit Holz.

Wenn sich auch die Handelsverbindungen, die man von der Schalfahrt erhofft hatte, nicht bilden wollten, so entwickelte sich dafür der Holzhandel, der schon vorher im Gange gewesen war, zu erneuter Blüte. An den Ufern der Schale und ganz besonders um den Schalsee herum befanden sich ausgedehnte Forsten. Da waren der Tessiner Wald, der bei Techin, bei Testorf, der Bernstorfer Forst, die Holzungen der Herren von Lützow bei Dutzow, dann im Nordwesten des Sees die sächsischen Waldungen, wie der mehrfach erwähnte "schöne" Wald.

Der Wald war ebenso wie der Fluß fürstliches Regal. Deshalb mußte jeder Untertan, der Holzhandel treiben wollte, sich dafür privilegieren lassen, um wieviel mehr die Lüneburger. Die nachgesuchte Erlaubnis wurde ihnen bewilligt, aber nur für den Handel mit Brennholz. Obgleich diese Beschränkung mit


55) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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klaren Worten ausdrücklich festgesetzt worden war, ließen sie sich doch fortwährend hinreißen, auch besseres Holz zum Verkauf zu entfernen. Daher wurden ihnen ihre Privilegien im Laufe der Jahre mehr als Mahnung gegen Übergriffe immer wieder erneuert. So im Jahre 1575, wenn es heißt 56 ): "Ein jeder Lüneburger Bürger oder Einwohner, der mit Holzkauf handelt, bei Strafe von 300 Thlr. auch Verlust des Holzes und dessen Wertes soll sich alles Eichen= und Buchenholzes, so auf den Stämmen steht, als auch dessen, so frisch und gesund von denen vom Adel, Bürgern oder Bauern heimlich oder öffentlich niedergehauen wird, enthalten und ohne des Herzogs Bewilligung nicht kaufen; aber alt Lagerholz, droege, stehende Stämme und was der Wind an Eichen und Buchen niederschlägt, sowohl als frisch stehende Birken durch gemelte Schalenfahrt gegen Entrichtung gebührlicher Zölle zubringen und auszuschiffen frei und offen stehen." Die Herzöge wollten durch diese Bestimmung weniger ihren Nutzwald als ihr Wild und ihre Jagd schützen. Der Hochwald, die Eichen und Buchen mit ihren nahrhaften Früchten, sollte für die Tiere des Waldes vor der Verwüstung durch die Holzhauer behütet werden. Hagebuchen aber, Eschen, Ellern, Birken und anderes Holz, so keine Mast trägt, sollte ihnen ohne der Fürsten Verhinderung zu kaufen freistehen.

Ein anderes sehr wichtiges Recht, das sie auch erhielten, bald auf kurze Zeit, bald nur für bestimmte Orte, ein Recht, das ihnen immer wieder bestritten wurde und das sie sich stets wieder von neuem erkämpften, war das des Verkaufs oder, wie es damals hieß, des Fürkaufs. Sie erhielten es beispielsweise 1585 57 ) von Franz von Lauenburg für den Techiner Forst. Von den Mecklenburger Herzögen hatten sie sich schon früher die Erlaubnis erwirkt, vor den Toren von Boizenburg Holz zu kaufen, Weil es längst alter Brauch gewesen sei. Es lag ihnen natürlich sehr viel an dieser Gerechtsame. Denn sie durften bei den Förstern und Holzsetzern im Walde ja eigentlich nur Bestellungen machen, da sie dort vom Stamme kaufen mußten, und das gehauene Holz am Platze ihnen verboten war. Das Recht des Fürkaufs wurde ihnen bestritten, weil sie auf diese Weise die Preise machten und den Boizenburgern den Handel aus der Hand nahmen; hatten sie doch schon, wie bereits oben erwähnt wurde, den Holzhandel nach Hamburg dadurch an sich gezogen.


56) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
57) Salinaria 300, L.
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Der Preis wurde nach Faden berechnet und war verschieden hoch. 1565 konnte man am Schalsee den Faden Holz am Platz noch für 8 ß erwerben. Gewiß ein niedriger Preis, selbst wenn man den Waldreichtum der Gegend in Betracht zieht. Denn die Lüneburger hatten Mangel an Holz. Die allgemeine Preissteigerung machte sich jedoch auch bei diesem Handelszweige bemerklich. 1588 58 ), also ungefähr 20 Jahre später, kosteten 1000 Faden Buchenholz 1000 M lübisch, und 1591 verkaufte Jochim Newhauß, Ratsverwandter zu Wittenburg, dem Rate zu Lüneburg 1200 Faden für 2400 Rthlr., also den Faden für 2 Rthlr. Aber das war eitel gutes und, wie es heißt, "klüftiges Buchenholz", das auf dem Stamm gegen bar Geld verkauft wurde. Wenn auch damals die Preise durchaus nicht fest waren, und sich bei den verschiedenen Münzsorten immer Differenzen ergaben, so zeigen doch diese drei Beispiele an, daß innerhalb von 26 Jahren ein Steigen des Preises von 8 ß = 1/2 M bis zu 2 Rthlr. = 4 M in der Tat möglich war. Oft wurde dann mit dem Hauen arg gezögert, so daß der Lüneburger Rat das Holz in manchem Fall selbst schlagen ließ und sich für das Haugeld in Holz bezahlt machte, damit er ohne Schaden davonkam.

Die kleinen Lieferungen betrugen mindestens 20-100 Faden, im Durchschnitt wurden 300-1000 Faden abgenommen, und die ganz großen Bestellungen beliefen sich auf 1500-3000 Faden. Dieses Holz wurde dann aus den Forsten an den Schalsee oder die Schale gebracht und von hier aus nach Lüneburg oder Hamburg verschifft. Da die Zahl der Kähne und später auch die Menge des zu flößenden Holzes eine beschränkte war, so mußte es am Ufer aufgestapelt und vor Dieben bewacht und vor Angebern beschützt werden. Letztere klagten gerne, es sei mehr Holz, als erlaubt oder bezahlt wäre, aus dem Walde geholt worden, was ja auch tatsächlich nur zu oft geschah. Darum wurden besondere Beamte angestellt, die den Holzkauf und Verkauf zu leiten und zu regeln hatten. Diese besonders dazu bestallten waren die sogenannten Holzsetzer 59 ). Häufig versahen allerdings die Förster und Forstbediensteten dieses Amt neben ihrem eignen. Aus dem Eid des Holzsetzers zu Kölzin entnehmen wir die Art seiner Tätigkeit 60 ). Er hatte das Holz unterschiedlich nach seiner Art zu setzen. Er hatte das Eichen und ander


58) Salinaria 300, L.
59) Holzsetzer schichtet = setzt das Holz nach Maß und in bestimmter Menge am Platze auf.
60) Salinaria 75 a, L.
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weich, auch gar zu olmich Holz zu großen Knubben und zu kleinen Knüppeln von dem Buchenfadenholz abzutun, auch desselben Buchenholz nichts in Faden setzen zu lassen, es habe denn seine rechte Länge von beiden Teilen, Lüneburg und Boizenburg, richtig erkannt, nämlich 2 Schuh. Was kürzer gehauen war, hatte er auszuschätzen und absonderlich auszusetzen. In der Höhe war das Stadische Maß zu messen.

Das Maß des Holzes gab zu manchem Streit Veranlassung. Es wurde allgemein das Kampmaß gefordert. Dieses sollte 2 Schuh = 0,58-0,60 m Länge haben. Als größere Einheit galt das Stader Fadenmaß zu 6 Schuh.

Leider können wir uns keinen genauen Überblick über die von den Lüneburgern entnommene Menge Holzes verschaffen. Die Zollrollen sind entweder überhaupt nicht oder nur sehr unvollständig vorhanden. Dazu kommt, daß nicht alles Holz, das die Lüneburger fortführten, in ihre Stadt ging. Denn so manches Hundert Faden wurde unterwegs verhandelt. Da das Mecklenburger Holz von den Sülfmeistern zum Heizen der Sülzen gekauft wurde, so hoffte man, in den Sootmeister= und Kämmereirechnungen Aufzeichnungen zu finden. Aber dort ist nur ganz selten angegeben, woher das gekaufte Holz stammt, und nur wenige Nummern geben das Schalgebiet an. Die "Sotmesterie Regnung" 61 ) gibt für die Jahre 1583-1585 Lieferungen von Boizenburg an Bau= und eichenem Dielenholze an, die einem Hans Augustin bezahlt werden, alles in allem rund 1300 M. Die Kämmereirechnungen 62 ) verzeichnen für 1585 6 Faden Birkenholz für 13 M 13 ß 0 Währung und ferner 104 Faden Birkenholz für 211 M 8 ß 0 Währung zum Bau des Rathauses, beide Posten vom Schalsee. Es folgen dann für die Jahre 1592 bis 1594 die Vermerke "etliche Faden Schalfahrtholz genommen", aber alle diese Belege geben uns keinen Aufschluß darüber, wieviel Holz in einem bestimmten Zeitraum überhaupt nach Lüneburg und wieviel davon als Brennholz in die Sülze geschickt wurde unter Benutzung der Schale.

Ehe die Schale eine Handelsstraße wurde, war sie schon in ausgiebiger Weise zur Flößerei benutzt worden. Nach Errichtung der Wasserbauten sollten nun die Güter per Schiff in das Land und das Holz ebenso aus dem Lande befördert werden. Aber bald stellte sich heraus, daß die Schiffahrt mit Holz selbst auf


61) De Annis 1582-85, L.
62) Kr. 1585, 1592, 1593, 1594, L.
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den flachen Prahmen und "Steckelschiffen" herzlich unbequem war. Man suchte deshalb um die Erlaubnis, das Holz wieder wie früher flößen zu dürfen, nach und erhielt sie auch. Da aber die Schale zur Schiffahrt und gleichzeitigen Flößung zu schmal war, wie es in dem Vergleich von 1587 63 ) heißt: "Zum vierten seint die Flößung und Schiffahrt nicht compatibilia, die miteinander zugleich könnten gebraucht werden, sondern das eine verhindert das andere, aber eine Schiffahrt kann neben der andern woll geschehen", so wurde der Verkehr auf dem Flusse genau nach der Zeit geregelt. Vom Jahre 1567 64 ) haben wir bereits eine Bestimmung, daß denen von Boizenburg zwischen Ostern und Pfingsten vier Wochen und drei Wochen vom S. Michaelistage zu flößen nachgelassen sei, was dann in dem gleichen Zeitraume auch den Lüneburgern gestattet wurde.

Die Schiffer sind noch heute ein unzuverlässiges Völkchen. Auf dem Wasser fühlen sie sich nicht nur sicher, sondern auch dem Gesetze überlegen. Auch damals waren sie auf ihren Vorteil bedacht. Sie dehnten daher die Flößungszeit nach Möglichkeit aus, auch wurde bei weitem mehr Holz gefällt, als eigentlich erlaubt war. Daher die zahlreichen gegenseitigen Klagen, daß die Schiffleute zu Boizenburg oder die zu Lüneburg sich der Flößung nicht begeben wollen. Herzog Ulrich schob die zutage tretenden Unzuträglichkeiten und den entstandenen Schaden auf die Schiffahrt und kassierte diese 1576 65 ) wegen des großen Schadens an Holz durch die Schiffleute. Da aber nachgewiesen wurde, daß der Wald mehr durch die Flößung als durch die Schiffahrt verwüstet werde, daß der Schaden an den Wasserwerken und die Ungerechtigkeiten in den Zöllen durch die Flößung verursacht seien, wurde das Schiffahrtsverbot wieder aufgehoben. Statt dessen wurde die Flößung untersagt, jedoch 1583 66 ) wieder angefangen. Sie ist seitdem noch öfters verboten, aber stets wieder gestattet worden. Um nun den dabei vorkommenden Unregelmäßigkeiten zu begegnen, wurden 1587 67 ) genaue Bestimmungen für den Flößungsverkehr getroffen.

Es lautet da unter Punkt 2: "Soviel aber die Flößung des Holzes von oben herab auf Kölzin zu betreffen tut, soll hinfüro jedes Teil die Lüneburger sowohl als die Boizenburger


63) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
64) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
65) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
66) Salinaria 309, L.
67) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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nicht mehr als 2000 Faden Holz flößen, zu welcher Durchflößung die Lüneburger den Boizenburgern die Schleusen öffnen und solches Holz sowohl als ihre Schiffe frei und ohne Entgelt, inmaßen bis dahero geschehen, durchpassieren lassen werden."

Für solches Entgegenkommen mußten sich die Boizenburger dem Rat erkenntlich erzeigen, und darum fährt Punkt 3 fort:

"Dagegen aber sollen die Boizenburger ihrer eignen Bewilligung nach den dritten Teil an ihnen zukommenden 2000 Faden des von oben herabgeflößten Holzes, oder da sie auch dessen weniger als 2000 Faden das Jahr über flößen würden, auf vorgehendes Anbieten den Lüneburgern zu Kauf geben, dergestalt, daß sie mehrerwähnten Lüneburgern solchen dritten Teil an dem Bandekower See liefern und dagegen ihnen die Zahlung geschoben soll in dem Wert und Preis, wie zu solcher Zeit das Holz zu Hamburg gilt, doch daß davon abgezogen werde soviel, als auf der Fracht vom Bandekower See an bis gen Hamburg aufgehen möchte, da sich aber ein Rat zu Lüneburg innerhalb 14 Tagen nach geschehenem solchen Anbieten nicht erklären würde, daß sie dergestalt das Holz bezahlen wollten, soll es denen von Boizenburg freistehen, ihres Gefallens dasselbe hernacher ferner zu verkaufen, wohin sie wollen."

Über die Flößungszeit wird bestimmt: "Wie dann auch sonsten das Flößen der 2000 Faden Holz vom Schalsee herab von beiden Teilen zu keiner andern Zeit im Jahr geschehen soll als von dem 1. Juli an bis auf den Tag Bartholomäi (24. Aug.), innerhalb welcher Zeit einer und der ander Teil sich danach zu achten, daß er seine 2000 Faden den vorigen Vergleichungen nach schichtweise herabbringen, damit sonst und zu andern Zeiten des Jahres die Schiffahrt durch das Flößen nicht verhindert werde."

Wenn nun die übrige Zeit des Jahres das Flößen verboten war, so konnte sich gegebenenfalls ein empfindlicher Holzmangel einstellen, wie man dies gerade vorher im Schalgebiet erlebt hatte. Es wurde deshalb weiter gestattet: "6. Denen von Boizenburg aber soll gleichwoll in vorfallendem Feuerschaden unbenommen sein, zu Wiedererbauung der verbrannten Gebäue auch Bauholz herabzuflößen, dessen sie sich sonsten, weil die Schleusen durch dasselbe Flößen verderbt werden, enthalten sollen. Wurde aber durch solches Flößen des Bauholzes in vorgedachtem Fall den Schleusen einiger Schaden zugefüget, soll derselbe von den Boizenburgern wieder erstattet werden."

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Da im großen und ganzen das Schiffamt durch die Lüneburger Schalfahrt doch in seiner Freiheit beschränkt worden war, so werden ihm die in den 1563 und 1567 aufgerichteten Verträgen mit dem ehrsamen und weisen Rat der Stadt Lüneburg ausdrücklich betonten Vorrechte ein für allemal bewilligt. Es handelt sich hier um die Sude. Es soll danach denen von Boizenburg der Vorkauf und das Flößen auf der Suden von oben herab bis in den Bandekower See allein freistehen, und es soll sich keiner aus Lüneburg desselbigen Vorkaufs und Flößens unternehmen noch gebrauchen, die von Lüneburg sollen und wollen auch ihre allda bereithabenden Verkäufer abfordern und abschaffen; würden derselbigen einige hernach darüber betroffen oder derselbigen Holz oder andere Waren angetroffen, so sollen sie in gebührliche Strafe genommen werden, da sie zu des gnädigen Fürsten und Herrn und seiner armen Leute Schaden sind.

Doch es scheint, als ob sich diese Gesetze tatsächlich nicht innehalten ließen. Denn immer wieder suchen beide Teile, der Lüneburger Rat sowohl als auch das Boizenburger Schiffamt, um Verlängerung der Flößungszeit nach, sei es wegen des üblichen Grundes, daß sie das Holz in der festgesetzten Frist nicht an Ort und Stelle bekommen könnten, sei es wegen außerordentlicher Vorkommnisse, wie es 1583 das Auftreten der Pest war, derentwegen man die Arbeit gerade im Sommer hatte aussetzen müssen.

Wie schon gesagt, durften die Boizenburger ihre 2000 Faden frei und unentgeltlich die Schale herabflößen. Man gestand ihnen damit eine Vergünstigung zu. Denn die Lüneburger öffneten sonst ihre Schleusen nur nach Erlegung der Zollgebühren. Der Zoll war königliches Regal, das an sich zu bringen, die Landesfürsten verstanden hatten. Auch die Mecklenburger Herzöge waren Herren ihrer Zölle und belehnten nun ihrerseits mit ihnen Adel und Städte. Da die Schalfahrt nicht nur zum allgemeinen Besten eingerichtet worden war, sondern da beide Teile, Rat und Herzöge, ihren eigenen Vorteil suchten, und der Rat zum mindesten die laufenden Unkosten heraushaben wollte, so wurde ein Schalzoll eingerichtet. Bereits 1430 68 ) ist vermöge fürstlich mecklenburgischer Privilegien einem ehrenfesten Rat der Stadt Lüneburg vergönnt worden, an der untersten Schleuse des Schalstroms ein Zollhaus zu bauen und nebst dem Fürsten einen Zöllner dreinzusetzen, der beiden Teilen Eid und Treue leiste


68) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 5, L.
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und auch von beiden Teilen gelohnt werden soll. Diese Bestimmung wird mit anderen 1561 69 ) von Johann Albrecht erneuert:

"Für das ander, daß auf unserm Grund und Boden ein Zollhaus gebauet werde, allda der Zoll, so uns und unseren Erben und Nachkommen allein zustehen soll, entrichtet wird. Und so künftig Kaufmannsware den Wasserweg geführet würde, auf dieselbe soll uns einen gleichmäßigen billigen Zoll zu setzen, hinwieder unbenommen sein und uns, unsern Erben und Nachkommen derselbe Zollen auch allein zukommen und gegeben werden. . . [Zum 4.] soll ein anderer Zoll zu Erbauung der Schleusen in unserem Gebiete im Dorfe Kölzin angelegt werden, derwegen und wie hoch derselbe sein soll, wollen wir uns mit einem ehrbaren Rat ..... nach erbauten Schleusen vergleichen, und was dar also verglichen, davon soll jährlich uns die Hälfte und die andere Hälfte der Stadt Lüneburg in dem Zollhause eingesammelt werden." Selbstverständlich mußte in der Praxis die doppelte Einziehung des Zolls zu Schwierigkeiten führen, wenn die Art des Betriebes vorher nicht ganz genau festgesetzt und geregelt wurde. Darum kommen nach Fertigstellung der Wasserbauten 1564 70 ) die immer dringender werdenden Fragen des Rates, wie es mit dem Zöllner und mit Ansetzung des Schleusenzolls gehalten werden solle. Nach längeren Verhandlungen erklärt Johann Albrecht, daß die Lüneburger Zollstätte zu Kölzin sein soll, dafür bestätigt er den vom Rate vorgeschlagenen Zöllner und steht von seinem Kandidaten ab.

Es wird auch um die Besoldung verhandelt und das Gehalt festgesetzt. Der Rat stellt den Beamten auf 100 M jährlich, so daß auf den Anteil des Herzogs die Hälfte, also 50 M, fallen und bedauert, daß er ihn nicht hätte auf geringeres bringen können. Aber was die Lüneburger ihm sonst zu verwalten geben, damit soll der Herzog nicht beschweret werden. Johann Albrecht geht auf die Bedingung ein. Aber schon 20 71 ) Jahre später, während der Zeit der Teurung, bat der Zöllner Jürgen Hornemann um Erhöhung seiner Besoldung von 50 M lüb. herzoglichen Teils. Und 1586 forderte der Zöllner Peter Dankwart außer seiner Besoldung noch 50 M zur Erhaltung eines Jungen oder eines Pferdes.

Bei Antritt seines Amtes mußte der Zöllner einen langen Eid ablegen, des Inhalts, daß er allen seinen Verpflichtungen


69) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
70) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
71) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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treu nachkommen wollte. Der Eid wurde den Herzögen und dem Rat gleicherweise geleistet. Diese Eide sind in großer Anzahl vorhanden, und daher können wir die lange Reihe der Zöllner fast ohne Unterbrechung feststellen. Manch einer hat es durch seine Streitigkeiten zur Lokalberühmtheit gebracht, wie Johann zur Mylen, nur einer ist durch seine Genialität auch über die Grenzen Mecklenburgs hinaus bekannt geworden, der Inspektor der Zölle Helmar Gerkens 72 ), beide lebten jedoch im 17. Jahrhundert.

Über die Zolleinnahme wird 1567 73 ) festgesetzt: Es soll zur Einnahme solches Zolls auf hochgedachten Fürsten eignem Grund und Boden ein Zollhaus gebaut werden, allda der Zoll, so ihrer fürstlichen Gnaden und derselben Erben und Nachkommen allein zustehet, entrichtet wird, das gemeine Zollhaus aber, allda die von Lüneburg den halben Zoll zu Unterhaltung der Schleusen für und für einnehmen sollen, soll bei der Blüchermühlen, da es die von Lüneburg itzo erbauen lassen, bleiben, und der Zöllner daselbst hochgedachtem Fürsten und denen von Lüneburg zugleich mit Pflicht und Eiden bewandt gemacht werden.

Das Hauptzollamt wurde demnach für die Schale zu Kölzin eingerichtet, wo der Zöllner sich beiden Teilen verpflichten mußte. Dasselbe geschah zu Blücher, während in Vietow nur ein mecklenburgischer Landzoll war.

Die Zölle lernen wir als eigentliche Zölle und als Gebühren kennen. Die eigentlichen Zölle waren rein fiskalische Abgaben, denen keinerlei Gegenleistung von Seiten des Staates oder der betreffenden Obrigkeit entsprach, während die Gebühren für die Benutzung oder Inanspruchnahme staatlicher Einrichtungen gegeben wurden. Der Transitzoll wurde beim Betreten eines bestimmten Bezirks an einer bestimmten Stelle erhoben gegen die Erlaubnis, in den betreffenden Distrikt kommen oder ihn passieren zu dürfen. Er mußte von Fahrzeugen, Pferden, Vieh und Waren bezahlt werden und wurde auf Landstraßen als Land= und auf Wasserstraßen als Wasserzoll eingefordert. Neben dem Transitzoll bestand der Marktzoll, der die Freiheit des Kaufes und Tausches auf den Märkten verlieh. Für die geleisteten Gebühren hingegen wurden Wege, Dämme, Brücken, Schleusen,


72) Preuß, Helmar Gerkens. Ein Beitrag zur deutschen Zollgeschichte, in Festgabe für Hermann Grauert, Freiburg i. Br. 1910.
73) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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Kanäle unterhalten, Verkaufsstände auf den Marktplätzen vermietet und Schutz und Geleit durch bewaffnete Macht auf einer bestimmten Strecke gewährt.

Wie überhaupt, so haben wir auch bei der Schalfahrt zwischen Land= und Wasserzoll zu unterscheiden. Der Landzoll konnte hier natürlich nur für Mecklenburg in Betracht kommen. Er wurde in Vietow erhoben. Der Herzog hielt hier seinen eigenen Zöllner, der den strengen Befehl hatte, keine Schiffe mit Holz oder Waren durchpassieren zu lassen, sie hätten denn den Zollzettel oder das Zollzeichen von Kölzin 74 ). Schwieriger lagen die Verhältnisse auf der Schale schon bei dem Wasserzoll. Er wurde für das passieren bestimmter, abgegrenzter Flußstrecken entrichtet, hier in Kölzin und in Blücher, und konnte als solcher auch nur der mecklenburgischen Herrschaft gezahlt werden. Ebenso kam die ausdrücklich unter dem Namen Geleitsgeld von der Sude und Schale 75 ) bezeichnete Gebühr allein den Herzögen zu. Sie konnte mit einer jährlich abzuliefernden, genau festgesetzten Summe abgemacht werden. Diese Abgabe war der alte Schutzzoll, den die Herzöge sich seit alter Zeit zahlen ließen und den sie auch beibehielten, als sie das Geleit nicht mehr gewährten, weil es längst außer Brauch gekommen war. Wir sehen hieraus, daß die Begriffe von Gebühren und einfachen Zöllen damals durchaus nicht klar geschieden waren, sondern die Hauptsache war, alte Einnahmequellen nicht fallen zu lassen und zu bewirken, daß neue Gerechtsame so teuer als möglich in barem Gelde abgekauft wurden, gleichgültig, ob die Abmachung dem Sinne entsprach oder nicht. Ein weiteres Beispiel hierfür bietet die Einrichtung des Schleusenzolls auf der Schale. Denn er sollte zur Erhaltung der Schleusen gegeben werden, war demnach unter die Gebühren zu rechnen und mußte also auf die Gefäße erhoben werden. Und wir lesen da auch der Gesandten von Lüneburg untertäniges Bitten und Erklärung 76 ), daß der Schleusenzoll nicht von den Gütern, sondern von den Schiffen genommen werden soll. Auch der Holzzoll möchte nicht auf Fadenholz oder anderes Maß geführt werden 77 ), sondern auf Schiffe möchte er gesetzt sein. Ein jedes Steckelschiff auf und tal soll 5 ß und ein Lüneburger oder Boizenburger Schiff soll 10 ß zahlen. Doch Herzog Johann Albrecht geht auf diese Bitte nicht


74) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
75) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
76) Acta specialia civitatum Boizenburg, Schiffamt, Sch.
77) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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ein. Er fordert den Schleusenzoll nach Waren und Faden und nicht nach Schiffen, aber er überläßt es dem Rat, die betreffenden Waren und die Höhe des für sie zu entrichtenden Zolls anzugeben. Er wünscht den Zoll auf die Waren und zwar nach ihrer Menge, nach Last, Tonnen, Drömbt, Wispel, Packen, Rollen, Faden usw. Danach wäre dieser Zoll nicht als Schleusenzoll, sondern als Transitzoll zu betrachten, für welche Annahme einige Bemerkungen aus dem Memorial des Zöllners zu Kölzin von 1588 sprechen 78 ), obgleich sie aus etwas späterer Zeit stammen. Er notiert: "zum ersten zu gedenken, daß die Kaufleute mit ihren Schiffen das Böttiger Staffholz aus dem "schönen" Walde bis gen Zarrentin schiffen und fortan bis gen Göttin, so im Lande zu Sachsen liegt, eine Meile Weges von der Boeke [Büchen] mit Wagen führen lassen, und gehet also das Holz fortan die Stecknitz hinunter. Davon entgehet meinem gnädigen Fürsten und Herrn der Zoll. Zum andern fahren die Kaufleute das Eichenstaffholz über den See und fortan nach Lübeck. Davon entgehet meinem gnädigen Fürsten und Herrn auch der Zoll." Der Zöllner beklagt sich, daß für die Waren, die auf anderen, als den vorgeschriebenen Wegen ausgeführt werden, kein Zoll bezahlt wird. Er empfindet die angegebenen Tatsachen allerdings als Zollumgehung, aber als eine, die zu bestrafen er kein Recht hat, was eine Folge der bestehenden Unklarheit war. Man hätte sich wohl dahin einigen können, daß der Herzog den Zoll und der Lüneburger Rat die Schleusengebühr einforderte, statt halbpart zu machen, aus Angst, daß einer mehr Vorteile haben könnte als der andere.

Die Art der Zolleinnahme wurde durch mehrere Verträge festgesetzt. Johann Albrecht bekam die eine Hälfte des Zolls, die andere der Rat von Lüneburg, freilich mit den beiden schon anfangs erwähnten Ausnahmen, die Güter der Lüneburger und das Holz der Mecklenburger betreffend. Mit Herzog Ulrich sollte Johann Albrecht sich selbst auseinandersetzen. Seine Forderungen wurden im Laufe der Verhandlungen zurückgewiesen. Der Abschied zwischen dem Herzog und dem Rat lautet 79 ): "So befinden auch seine fürstlichen Gnaden, daß die Güter und Waren, so dem Rat, Oberen und Älteren und andern Bürgern zu Lüneburg zuständig, den Wasserweg des Schalenflusses ganz zollfrei sein sollen, allein das Holz, obbemelten zuständig, ausge=


78) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
79) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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nommen, hiervon dann allein seiner fürstlichen Gnaden der gebührliche Zoll folgen muß, und vorsiehet seine fürstliche Gnaden sich auch gänzlich zu denen von Lüneburg, dieweil ihnen diese Schiffahrt und Wasserwege zum allerzuträglichsten und förderlichsten ihren besten Nutzen und Frommen zu schaffen, die von Lüneburg werden solche Punkte zu Erhaltung gleichen, und weil es auch andergestalt seiner fürstlichen Gnaden ungelegen, gänzlichen abschaffen und von ihren Gütern, so verschiffet werden, in seiner fürstlichen Gnaden Zollhaus seiner fürstlichen Gnaden allein zuständig, den Zoll ganz, an dem Ort aber, da seine fürstliche Gnaden den halben Zoll hat, die Hälfte ungehindert folgen lassen, dieweil allbereit die von Lüneburg etzlich nicht wenig Holz geschiffet und verflößet, darum seiner fürstlichen Gnaden Zoll gebühret seiner fürstlichen Gnaden Anteil nach." Wie verabredet, erhielt der Herzog den ganzen Zoll von Vietow und den halben von Kölzin und Blücher. Der Landzoll und das Schleusengeld sollten wohl von einem Zöllner eingenommen werden, jedoch mußte er sich verpflichten, das Schleusengeld in einen besonderen Stock zu legen.

Hatte man sich darüber geeinigt, so stellte man nun die Höhe des zu fordernden Zolls fest. Zunächst handelt es sich da um das Haupteinfuhrmittel, das Salz und das =ausfuhrmittel, das Holz 80 ). "Was aber den Schleusenzoll zu Kölzin anlangend ist, wie hoch derselbe auf Salz und Holz zu setzen, begehren seine fürstliche Gnaden der Gesandten Bedenken und Vorschläge." Von dem Salz aus seiner fürstlichen Gnaden Landzoll zu Vietow soll von jeder Tonne 8 Währung gegeben werden. Doch die Gesandten bitten, das Salz anlangend sei es unmöglich, daß auf die Tonne könnten 8 Währung Zoll bewilligt werden. Weil das Salz so schlecht gehe, möchte er es in Ruhe stellen. 8 Währung Zoll für das Salz sei auch darum schon zuviel, weil Herzog Ulrich ebensoviel verlangen könnte, so würde jede Last Salz auf diesem Zoll aus 2 M lüb. kommen, und das vertrüge diese Ware nicht. Johann Albrecht wundert sich über ihre Weigerung, den Salzzoll in dieser Höhe zu bezahlen. Er kommt ihnen zwar entgegen, findet aber, daß es nicht zuviel sei, wenn sie von jeder Tonne 6 Währung auf beiden Zöllen, Kölzin und Vietow, entrichteten. 1565 bitten die Lüneburger noch einmal wegen der 6 Währung auf das Salz. Sie berufen sich auf ihre alten Privilegien, widrigenfalls würde der Salzhandel gänzlich hinfällig werden. Schließlich gibt Johann Albrecht nach.


80) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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Er wird von jeder Tonne Salz auf seinem Landzoll zu Vietow 2 Währung Zoll nehmen.

Die Bestimmungen über den Holzzoll waren schneller vereinbart, vielleicht, weil hier der Spielraum ein größerer war und die Möglichkeit zu mancherlei Abwandlungen ließ, wie sich unten bei den Streitigkeiten, die später ausbrachen, zeigen wird. Wegen des Holzzolls wird demnach 1561 festgesetzt 81 ): Von jedem Stader Faden Holz sind 8 Währung zu zahlen, von einem Stück Holz oder Rammen 20 Schuh oder darunter lang = 6 Währung , von einem Stück Holz oder Rammen über 20 Schuh lang = 1 ß, von einer Stiege Bretter = 1 ß, von einem Hundert Tannenholz = 2 ß. Dieser Holzzollvertrag wird 1567 82 ) dahin bestätigt, daß man bestimmt: Die Zölle an den Schleusen betreffend sollen hinfort an die von Lüneburg von 100 Staff Holz = 2 ß lübisch, von jedem Fuder Fadenholz oder Bäume 20 Schuh lang = 1 ß lüb., von einer Stiege Bretter = 1 ß lüb. usw. gezahlt werden. In den achtziger Jahren ändern sich alle Preise. Darum erklärt Herzog Ulrich 83 ): Das Brennholz 3 Schuh lang die Schale herab soll nicht höher verzollt werden als das kurze Holz. 3 Faden Schalseer Holz muß für 4 Faden hinfüro zu Kölzin und Blücher verzollt werden. Diese Erhöhung des Holzzolls auf das Schalseer Fadenholz wird 1587 vom Herzog vorgeschlagen, und 1588 kommt die Antwort des Rates, daß er bei dem alten Vergleiche bleiben Wolle. Doch das Gutachten des Zöllners zu Kölzin warnt den Herzog und hebt noch einmal unter Punkt 3 hervor: "Zum 3. ist der Zoll zu Kölzin und Blücher derhalben so hoch angesetzt, daß die Länge an dem Fadenholz jederzeit nach der Campmaß, wie dieselbe hierbei vorerwähnet, ausweiset, soll gegeben werden. Und ist auch aus vorerwähntem Extract, so aus Herzog Johann Albrechts Kanzlei gegeben worden, zu ersehen, daß auf einen jeden Stader Faden, welcher 3 Fuß Länge hält, der Zoll von 8 Währung angesetzet." Und Bernt Winterfeld legt klar, daß der Zoll zu Kölzin und Blücher so, wie er tatsächlich gehandhabt werde, großen Schaden und Nachteil bringe bis zum 3. Währung , fast bis zum 3. Gld. Denn das alte Campmaß, wonach das Holz auf der Schale gebraucht worden, habe nicht mehr als 2 gute Schuh an sich gehabt. Nun werde das Maß einen Schuh länger gehauen. Überhaupt richteten sich die Schiffer und Floßknechte nicht nach den Zollvorschriften. So sollte z. B. nach dem Ver=


81) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
82) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
83) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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gleich von 1570 83a ) alles Holz aus der Sude und Schale an den ordentlichen Zollhäusern auf der Schale und Elbe angegeben, beschrieben und verzollet werden. Wie oft wurde das absichtlich unterlassen trotz der Androhung: wo einer darwider handelt, so soll er des Holzes neben gebührlichen Strafen verlustig sein. Da man aber den Zoll nicht immer umgehen oder von der Taxe abhandeln konnte, so versuchte man auf die vorgeschriebenen Maße mehr Schuh zu rechnen und auf diese Weise eine niedrigere Zollabgabe zu erzielen. Deshalb wurden auch die Zöllner auf der Wappau und bei Blücher darauf vereidet, kein anderes Maß als das Stader Maß für das Ausmessen des Holzes gelten zu lassen.

Jedenfalls machte der Zoll sowohl in Lüneburg als auch in Mecklenburg ziemlich viel zu schaffen. Dazu kam, daß Herzog Johann Albrecht außer auf das Salz noch auf andere Waren einen Zoll zu nehmen wünschte. Nach dem 1561 aufgerichteten Vertrage waren die Lüneburger jedoch nicht verpflichtet, auf seine Absichten einzugehen. Sie erinnern ihn deshalb an ihre damals festgesetzten Freiheiten 84 ): "Dieweil die alten Privilegien vermögen, daß die Güter und Waren, die den Räten und Bürgern zu Lüneburg zuständig, auf der Schale, ausgeschlossen das Salz, zollfrei sein sollen, so hat doch ein ehrbarer Rat ihrer fürstlichen Gnaden aus sunderlichem, untertänigem Willen nachgegeben, daß ihrer fürstlichen Gnaden von allerlei Holz der bewilligte Zoll gereicht und gegeben werden soll, dagegen aber haben Eure fürstliche Gnaden den Rat und Bürgern in anderen Kaufmannswaren der Zollfreiheiten vermöge der alten Privilegien genießen zu lassen, gnädiglich versprochen und zugesagt, wie Euer fürstliche Gnaden gegebene Obligation, unter diesen hierbei erwähnten Clausuln gezeichnet, klärlich mit sich bringt." Sie bitten den Fürsten dringend, die anderen Waren nicht mit Zoll zu belegen, und ganz besonders wollen sie wegen der Butter mit ihm verhandeln. Sie berufen sich dabei auf die älteren Privilegien und auch auf seine 1561 aufgerichteten neuen Obligationen, nach denen die Butter Freiheit genießen sollte, und bitten, er möchte sie nun dabei belassen. Trotzdem schickt er ihnen im August 1564 eine lange Taxe und Zollsetzung auf die Güter, so auf der Schale geführt werden, zu. Ob das ausführliche, alphabetisch geordnete Warenregister dem tatsächlichen Handels=


83a) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
84) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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verkehr entsprach, ist zweifelhaft. Das Register ist nur auf die Schale übertragen nach Johann Albrechts eigenhändiger Überschrift 85 ): "Weil man zu Wittenburg in der Eil sich nicht genugsam entsinnen können, was für Güter künftiglich die Schalen auf= und niedergeführt werden möchten, da wir aufs förderlichst andere Rollen vor uns nehmen, daraus der Waren Namen ziehen und einen Zoll darauf setzen wollten und alsdann euch dieselben zuschicken." Die Taxe gibt uns jedoch einige Aufschlüsse über die Höhe der beabsichtigten Zölle. Er setzt danach für 1 Tonne Heringe = 6 Währung , 1 Tonne Aal oder Dorsch je = 8 Währung , für 1 Tonne Butter, Fett, Fleisch oder Talg = 2 ß, für 1 Tonne Öl oder schwarze Seife = 1 ß, für 1 Drömpt Gerste Roggen oder Weizen = 1 ß, für 1 Last Mehl 6 ß, für 1 Tonne Honig = 2 ß, für 100 Pfund Zwetschen = 2 ß, für 1 Wolfsbalg = 2 ß und für 1 Centner Metall = 2-3 ß. Diese Liste ist zum Schluß mit dem Vermerk versehen: "Vorbehaltlich da künftig unter unserm Landzoll zu Vietow ein hoher und großer Zoll gesetzet und geleget wurde als hierin begriffen, daß uns unsere beiden Zölle gleichesfalls zu verhöhen freistehen und unbenommen sein soll." Die Lüneburger vergleichen den Tarif mit dem Elbzollregister und finden in vielen Örtern eine "discrepation", wahrscheinlich zu ihren Ungunsten. Leider ist die Elbzollrolle jetzt zum Vergleich nicht mehr zur Hand. Jedenfalls beschlossen sie, sich dem Herzog nicht so ohne weiteres zu fügen. Da treten 1565 die mecklenburgischen Städte gegen die Zollfreiheit der fremden Warengüter auf 86 ). Boizenburg, Wittenburg und Zarrentin klagen, daß Lüneburg alles an sich brächte, und wollen sich auf dem nächsten Landtage ernstlich darüber beschweren. Auch bei den Herzögen selbst laufen Berichte ein über die verschiedensten Übelstände, die sich durch den Handel mit fremden Waren und die unsichere Handhabung der Zölle ergeben hatten. So wurden die Wasserzölle vielfach vermieden, indem man die Landstraße benutzte, wie Johann Wesserke an Herzog Heinrich schreibt 87 ): "Wo das viele Wagenfahren außerhalb ihrer fürstlichen Gnaden Lande vor Blücher und Gülzow mit allerlei Korn wider ihrer fürstlichen Gnaden Dekret und Verbot auch sonst mit Hering, Honig, Salz und anderer Kaufmannsware hin und wieder, davon ihre fürstliche Gnaden keinen Zoll bekommt und wodurch ihre Flur und Heerstraße ganz wüste


85) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
86) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
87) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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wird." Schließlich war die Verwirrung so groß, daß bei allen Teilen der Wunsch nach einer gemeinsamen Beratung über den Zoll auf die fremden Waren laut wurde. Die Gesandten mußten mehrmals hin und her gehen, bis sie schließlich das endgültige Ergebnis ihrer diesbezüglichen Zusammenkünfte aufzeichnen konnten. So bestimmt denn Punkt 4 der Verhandlungen von 1567 folgendes 88 ): "Weil auch der von Boitzenburg auf der Suden geflößet Holz durch die mittelste und letzte oder dritte Schleuse, die itzo bei Bandekow gebauet werden soll, durchgeflößet werden muß, soll ihnen solch Flößen durch dieselbe mittelste und dritte Schleuse und ferner bis auf das Schwarze Wasser ohne Schleusengeld und Zoll fürbehalten, und die von Lüneburg obgemelte dritte und letzte Schleuse mit dieser condition auf diesmal zu erbauen und künftiglich zu unterhalten aus Gnaden und günstigem Willen hiermit erlaubt sein." War das für die Boizenburger sehr günstig, so wurde weiterhin mit dem Herzog vereinbart, daß künftighin die Kaufmannsware den Wasserweg der Lüneburger geführt werde. "Auf dieselbe soll hochgedachtem Fürsten oder ihrer fürstlichen Gnaden Erben und Nachkommen einen billigen gleichmäßigen Zoll zu setzen, hiermit unbenommen sein und ihrer fürstlichen Gnaden und derselben Erben und Nachkommen derselbige Zoll auch allein zukommen und gegeben werden."

Die Herzöge hatten also ihre Wünsche durchgesetzt, sich als die Herren der Zölle behauptet, nun werden sie großmütig und gewähren wieder Freiheiten, zunächst ihren eigenen Landeskindern, dann auch den Lüneburgern. Nach Punkt 12 sollen die Boizenburger, "wann sie auf der Schalen schiffen wollen, mit dem halben Schleusenzoll für und für verschont bleiben, angemerkt, daß sie solcher Schiffahrt halben sunderlich von ihrer fürstlichen Gnaden den alten gewöhnlichen Zoll von der Schale und das Geleitgeld von der Sude nach wie vor jährlich für und für geben und entrichten sollen und wollen." Die Lüneburger betreffend will Johann Albrecht 89 ) den halben Schleusenzoll zu Kölzin auf Kaufmannswaren, so den Bürgern zu Lüneburg zuständig, hiermit gnädiglich fallen lassen, doch vorbehaltlich den Zoll, so seiner fürstlichen Gnaden daselbst von Salz und Holz von männiglich, auch den Lüneburgern, soll entrichtet werden. Den ganzen Landzoll aber zu Vietow will seine fürstliche Gnaden


88) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
89) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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von allen Gütern von den Lüneburgern und den andern zuständigen haben.

Dafür, daß die Herzöge den fremden Kaufleuten in Mecklenburg Handelsvorteile gewährten, wünschten sie ihren Untertanen in den anderen Staaten auch Gerechtsame zu verschaffen. So mancher Brief ist aus diesem Grunde aus ihrer Kanzlei hervorgegangen, Für uns kommt besonders das Befreiungsgesuch Herzog Ulrichs für seine Bürger an den Rat zu Lübeck in Betracht 90 ). Er fordert, daß die Boizenburger, wenn sie von Lübeck Waren wegführen, nicht mit Zoll beschweret werden, wie geschehen, besonders da die Lübecker in Boizenburg keinen Zoll zu bezahlen brauchen.

Man sieht, an Gesetzen für den Zoll und seine Einrichtung fehlt es nicht. Darum ist es doppelt merkwürdig, daß wir aus jener Zeit so wenige Zollrollen haben. Aus den weiteren Erlassen der Herzöge wird klar, daß der außerordentlich mangelhafte Ordnungssinn der Zöllner daran schuld ist. An Aufsicht und Befehlen von beiden Teilen, von seiten der Herzöge sowohl als von seiten des Rates hat es nicht gefehlt. Schon 1564 91 ) bat der Bürgermeister Hans Witzendorf von Lüneburg um Abräumung des Holzes an der Schale und um Vergleichung des Zolls an der Schale. Von 1570 ab bemüht sich Herzog Ulrich, Ordnung in die Rollenführung zu bringen. Er befiehlt 92 ): Es sollen auch die Rechnungen geschehen vom Zoll und Register, und auch das Übermaß soll mitgerechnet und bezahlt werden. Bestimmter wird der Herzog 1582 93 ), da gibt er das Rechnungsjahr an. Der Zöllner hat auf Trinitatis sein Amtsregister zu schließen und den Schalzoll jährlich zu berechnen. Und auf die gute, klare, zugelegte Rechnung begehren seine fürstliche Gnaden auch gebührliche Bezahlung. Diese neue Einrichtung wird auch dem Rat zu Lüneburg mitgeteilt. Es weht überhaupt im Jahre 1581/82 ein schärferer Wind. Denn die Befehle werden nicht nur gegeben, sondern auch ausgeführt. Derselbe Zöllner, der damals sein Amt so gut verwaltete, hält überhaupt auf Ordnung. Er läßt z. B. den Rat wissen, daß ihre fürstliche Gnaden derselben Erbieten nach das Holz, so auf dem Ufer der Schale in seiner fürstlichen Gnaden Land, Stadt und der Schiffahrt hinderlich ist, räumen


90) Lauenburgica Vol. XII, Lb.
91) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
92) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
93) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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lassen wollen. 1586 94 ) wird das Kassenjahr wieder geändert. Der Zöllner wird von nun an jährlich ad Trium Regum (Jan. 6) Rechnung ablegen.

Genaue Zollrollen sind aus der ersten Zeit der Schalfahrt nur wenige vorhanden, nur die von 1581 und 1582 und von 1602-1605 ein Extract. Besonders die zuerst genannte Rolle 95 ) von 1581/2 gibt ganz interessante Einblicke. Es handelt sich um den Blücherschen Schal= und Schleusenzoll, der von 1581 von Trinitatis bis auf Nativitatis Christi von dem Zöllner Christoffer Hüttich daselbst aufgezeichnet und von dem ehrenfesten Hauptmann Kleinow für richtig befunden worden ist. Im Jahre 1581 ist vom 25. Mai bis 14. Dezember geschleust worden, und zwar sind an 20 Tagen 161 Schiffe durchgegangen, also im Durchschnitt am Tage 8 Schiffe, für 1582 geht die Rolle nur bis ins Frühjahr. Es wird vom 9. März bis 22. Mai an 15 Tagen geschifft und geflößt. Es gehen 113 Schiffe durch, also am Tage im Durchschnitt 7-8 Schiffe. Das macht auf ein Schleusenjahr von Trinitatis 1581 bis Trinitatis 1582 = 274 Schiffe an 35 Tagen. In der ersten Hälfte dieses Jahres werden nach Berechnung des Zöllners von Blücher = 2917 1/2 Faden Sülfmeisterholz verschifft für 243 M 2 ß 0 Währung . Dazu kommen 7600 Söstich [Schock] Tonnenholz für 19 M 2 ß 0 Währung Zoll. Demnach beträgt der gesamte Schal= und Schleusenzoll = 262 M 4 ß 0 Währung . Davon gehen ab für Papier = 5 M , bleiben = 257 M 4 ß 0 Währung . Der Rat erhält davon 1/4 = 64 M 5 ß 0 Währung . Herzog Ulrichs Anteil sind 3/4 = 192 M 15 ß 0 Währung , denn der Herzog bekommt den einen Zoll ganz und von dem andern die Hälfte, also von dem Gesamtbeträge 3/4.

Der Boizenburger Schleusenzoll brachte für 151 Faden à 4 Währung = 3 M 2 ß 4 Währung . Davon erhält jeder Teil die Hälfte = 1 M 9 ß 2 Währung . Also macht die Gesamteinnahme für Herzog Ulrich = 194 M 8 ß 2 Währung , für den Rat = 65 M 14 ß 2 Währung .

1582 sind es 2138 Faden Holz, die für 178 M 2 ß 8 Währung geschleust werden, ferner 1900 Söstich Tonnenholz zu 4 M 12 ß 0 Währung , 61 Stück Bauholz zu 7 M 10 ß 0 Währung , gibt zusammen = 190 M 8 ß 8 Währung . Herzog Ulrich erhält davon 3/4 = 142 M 14 ß 6 Währung .

Der Boizenburger Schal= und Schleusenzoll für 614 Faden à 4 Währung =13 M 1 ß 8 Währung . Davon erhalten Herzog und Rat


94) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
95) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 5, L.
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zu gleichen Teilen, also jeder 6 M 8 ß 4 Währung . Folglich bekommt Herzog Ulrich = 149 M 6 ß 4 Währung . Folglich erhält Herzog Ulrich in dem Schleusenjahr 1581/2 von dem Blücherzoll alles in allem = 343 M 15 ß 0 Währung und der Rat ebenso = 120 M 0 ß 8 Währung .

Die Rolle von 1602-1605 96 ) gibt uns "einen Extract und Verzeichnus des Schale Zollen zu Coltzin und Vitkow, wie hoch jeder Summa des Rest per se sich belaufen und erstrecken tut."

"1. Summa eine Rechnung von Anno 1602 wurde geschlossen auf Exaudi (5. Juni) Anno 1603 tut die ganze Zoll das Jahr austragen und restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn 290 fl 6 ß 6 Währung .

2. Summa eine Rechnung von Anno 1603 wurde geschlossen auf Exaudi Anno 1604 tut die ganze Zoll und restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn = 273 fl 21 ß 9 M .

3. Summa eine Rechnung von Anno 1604 wurde geschlossen auf Exaudi Anno 1605 tut die ganze Zoll auf dies Jahr und restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn = 370 fl 15 ß 3 M . Summa Summarum die Einnahme tut = 934 fl 19 ß 6 Währung . Hierauf folget, was meinem gnädigen Fürsten und Herrn in diesen nachfolgenden Jahren auf Einnahme und empfangene Summen ich wiederum entrichtet und abgetragen, ist dieses wie folgt:

Summa das Jahr von Anno 1602 bis Anno 1603 wegen des Amtes Wittenburg Ausfuhr vor 300 Faden Bassower Holz jeglicher Faden 11 ß tut 137 fl 12 ß 0 M . - Eine Quittung auf 100 Währung , welche der Herr Rentmeister vermöge seiner mir gegebenen Quittung empfangen, tut 66 fl 16 ß 0 Währung . - Des Dieners zu Kölzin jährliche Besoldung tut 33 fl 8 ß.

Summa Anno 1603 bis Anno 1604 wegen des Amtes Wittenburg Ausfuhr der 300 Faden Bassower Holz tut 137 fl 12 ß. - Item laut einer Quittung, so von meinem gnädigen Fürsten und Herrn einem ehrbaren Rate zu Lüneburg auf Antoni 1604 betaget 100 Währung tun 66 fl 16 ß. - Item des Dieners zu Kölzin jährliche Besoldung tut 33 fl 8 ß.

Summa Anno 1604 bis Anno 1605 wegen des Amtes Wittenburg Ausfuhr der 300 Faden Bassower Holz tut 137 fl 12 ß. - Item des Dieners zu Kölzin jährliche Besoldung tut 33 fl 8 ß.

Summa die Ausgabe tut 645 fl 20 ß 0 Währung .


96) Elde=Müritz=Schaal=Sude=Stechnitz=Zoll, Sch.
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Eines gegen das andere abzuziehen restet meinem gnädigen Fürsten und Herrn von diesen dreien Zollrechnungen 288 fl 23 ß 6 Währung . Hierzu Zoll des ehrenfesten ehrbaren Hieronymus Witzendorf, Verwalter der Schalfahrt, wegen der gemeinen Sülfmeister Erlegen, so ich auf mein vielfältiges Erfordern und Begehren nicht habe erlangen können = 252 fl 15 ß 4 Währung .

Noch stehen meinem gnädigen Fürsten und Herrn von meiner neulichst übergebenen Rechnung auch noch nach = 45 fl 2 ß 3 Währung , wie solches des Herrn Rentmeister Quittung, hierbei verwahret, tut ausweisen."

Gibt uns die erste Rolle den Boizenburger Schleusen= und den Blücherschen Schleusen= und Holzzoll an, so verzeichnet die zweite Rolle neben dem Kölzinschen Schleusen= und Holzzoll noch den Vietower Landzoll. Der herzogliche Reingewinn beträgt für das Jahr 1581/2 rund 343 M 15 ß, für die Jahre 1602-1605 = 496 fl 12 ß 7 Währung oder in M umgerechnet = 745 M 2 ß 101/2 Währung . Die abgezogenen Spesen sind bei beiden Zollstätten nicht sehr bedeutend. In Blücher werden nur 5 M für Papier, dessen Verbrauch sich auf 14 Jahre verteilt, berechnet, während die Ausgaben in Kölzin sich allerdings erheblich höher stellen;

hier werden die Besoldung des Zolldieners mit 50 M und ein Rechnungsposten, der nicht näher spezialisiert ist, mit 67 M 15 ß 4 Währung als Unkosten angegeben.

Man könnte nun allenfalls von dem Reingewinn den Durchschnitt ziehen und sagen, bei der ersten Rolle beträgt er für 1 Jahr rund 173 M , vorausgesetzt, daß man die beiden Schleusenperioden betonen will, für das volle Jahr ist die Summe schon oben erwähnt. Bei der zweiten Rolle beläuft er sich, in M ausgedrückt, auf 248 M 6 ß 3 Währung . Im Grunde aber ist solche Berechnung ein Unding. Denn beide Rollen liegen zeitlich 20 Jahre auseinander, und beide bieten zu wenig Stoff, da sie zusammen nur einen Zeitraum von 4 Jahren umfassen. In dieser kurzen Spanne Zeit schwanken die Einnahmen ganz bedeutend. Die beiden Schleusenperioden differieren Herbst 1581 und Frühjahr 1582 um rund 40 M, 1603 und 1604 zeigen einen Unterschied von rund 25 M , 1603 und 1605 von ungefähr 120 M . Beide Rollen haben nur insofern einen Wert, als sie zeigen, mit was für Summen hier bei den Zollstätten überhaupt zu rechnen war, und ob der Hauptzoll zu Vietow und Kölzin mehr Gewinn abwarf als der zu Blücher, was man in relativem Sinne behaupten kann, da von diesen beiden Zollstätten die wichtigsten Ausgaben gedeckt wurden.

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Wie wir über die Einnahmen von der Schalfahrt in dieser Zeit nur sehr ungenügende Nachrichten besitzen, so auch über die Ausgaben. Was der Bau gekostet hat, erfahren wir nur gelegentlich der Streitigkeiten zwischen dem Rat einesteils und den Herzögen und dem Schiffamt andernteils, bei denen dann hie und da hervorgehoben wird, daß die Lüneburger auf der Schale Rechte zu behaupten und zu fordern hätten, weil ihre Väter sich das Werk etliche 1000 Tlr. hätten kosten lassen 97 ).

Wie teuer die Unterhaltung der Schalfahrt war, ist bei der wenig genauen Rechnungsführung nicht bestimmt zu sagen. Wir besitzen nur einen 98 ): "Unvorgreiflichen Überschlag, was die Schalfahrt im Fürstentum Mecklenburg nach gegenwärtigem Zustand auf ein Jahr zu unterhalten kostet". Er ist von unbekannter Hand, auch ohne Datumsangabe, jedenfalls aber aus den 90er Jahren oder dem Anfang des 17. Jahrhunderts. Als laufende Ausgaben werden bezeichnet:

"Die Besoldung:

dem Schreiber zu Kölzin Jochim Monkh zum salarie 133 M 5 ß 4 Währung
dem Zöllner zu Blücher 39 " 5 " 4 "
dem Zöllner zur Wappau 22 " 10 " 8 "
3en Schleusenmeistern 60 " 0 " 0 "
den Holzsägern zu Kölzin 2 " 0 " 0 "
dem Müller zu Blücher 6 " 10 8 "
2 Tonnen Salz den Schleusenmeistern 8 " 0 " 0 "
1 Tonne Salz dem Zöllner zu Blücher 4 " 0 " 0 "
Unterhaltung der Fahrt an Kisten, Schleusen, Umläufen und anderen Gebäuden, dieselben können auf 1 Jahr abgerechnet werden mit 600 " 0 " 0 "
Reisekosten, Botenlohn und gemeine Ausgaben tun auf 1 Jahr ad minimum 100 " 0 " 0 "

Summa aller Schalfahrtkosten auf 1 Jahr 976 M 0 ß 0 Währung

Also betrugen die jährlichen Unkosten rund 1000 M , die jedoch zum größeren Teil die Stadt Lüneburg zu tragen hatte. Nach dem ungefähren Überschlag des Einkommens an der Hand der beiden erwähnten Zollrollen kann man dann wohl be=


97) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
98) Salinaria 69, L.
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haupten, daß auf der Schalfahrt Einnahmen und Ausgaben sich so ziemlich die Wage hielten, ja, daß in guten Jahren ein kleiner Überschuß an Zoll erzielt werden konnte.

Die Unkosten wurden mit den Zollerträgen verrechnet und mit den 1400 M Zinsen der fürstlichen Häuser zu Schwerin und Güstrow, die sie dem Rat zu Lüneburg für ein entliehenes Kapital von 28 000 M jährlich zu zahlen schuldig waren. Dazu kommt, daß die mecklenburgischen und lüneburgischen Zöllner gegenseitig im Auszahlen saumselig waren, oder daß manch einer seinen Betrag schuldig blieb, wie wir das aus der Zollrolle von 1605 ersehen. Was Wunder, wenn wir heute eine Rechnung hier, die andere dort aufgezeichnet finden, aber ein einheitliches, zusammenhängendes Ausgaberegister vermissen, und der größte Teil überhaupt nie fixiert wurde, für die Ämter wurde die Buchführung wohl durchgesetzt, aber bei den Kanälen war die Kontrolle für die damalige Zeit zu schwierig.

Sie war hier schon darum schwierig, weil an der Schalfahrt mehrere Herren beteiligt waren, die zwar alle drei, die Herzöge sowohl als die Boizenburger und die Lüneburger eifrig darauf bedacht waren, von ihren Machtbefugnissen und Privilegien nichts aufzugeben, die es aber verabsäumt hatten, ihre Interessen gegenseitig in Einklang zu bringen. So zeigten sich bei der Ausübung der Gerechtsame fortwährend neue Unklarheiten, welche die verschiedensten Deutungen zuließen. Jede Partei suchte sie zu ihren Gunsten auszulegen, was natürlich den Unwillen der anderen hervorrief.

Zunächst hatte man in den Zollrollen nur die allgemeinen Bezeichnungen für Münzen, Maße und Gewichte gebraucht, ohne daran zu denken, daß jeder Staat die Menge der betreffenden Größe selbst bestimmte. So wurde fast allgemein nach M , ß und Währung gerechnet, seltener nach fl. Schon die Mark hatte in den einzelnen Staaten einen verschiedenen Silbergehalt, aber sie wurde wenigstens zu 16 ß angenommen, während beim Gulden auch die Teilung eine verschiedene war. Sein Wert schwankte zwischen 1,70 M und 2,40 M . Etwas ganz Besonderes aber gestatteten sich die Mecklenburger, indem sie den fl = 24 ß, also 1 1/2 M , ansetzten, wie die Zollrolle von 1602-1605 zeigte, Ähnlich stand es mit den Maßen. Es war üblich, den Wispel Getreide zu 24 Scheffel anzunehmen, die Boizenburger verzollten jedoch den Wispel nach Rostocker Maß, das nur 18 Scheffel enthielt.

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Bei dem Holzmessen kam das Campmaß in Anwendung, das nach späterer Vorschrift 3 Schuh lang sein sollte, aber gern auf 2 Schuh herabgedrückt oder auf mehrere Schuh verlängert wurde.

Bei solchen Verschiedenheiten war es nicht zu verwundern, daß jeder an seinen eigenen Vorteil dachte, und daß die Schiffer ihren Maßen etwas zusetzten, während die Zöllner sie zu verringern trachteten. Ebenso selbstverständlich aber war es, daß der Benachteiligte sich beklagte. Die Streitigkeiten sind schier endlos. Die Zöllner beklagen sich bei dem Herzog, daß ihm so und soviel an Zoll entgehe, dadurch, daß die Lüneburger die Faden höher machten, und daß die Holzhauer und Verkäufer die Maße um ihres Nutzens willen änderten, obgleich doch das Campmaß das rechte Maß sei. Gegen diesen Unfug wurde 1587 99 ) eingeschritten, indem man bestimmte: Das Campmaß hat und behält, wie bisher gebräuchlich gewesen, drei Schuh Länge ein jedes Stück, ferner soll zu Kölzin ein eisernes Maß von 3 Schuh aufgehangen werden, nach dem solche Holzhauungen in Zukunft zu richten sind.

Kamen die Boizenburger mit ihrem Holz nach Hamburg, so mußten sie es ertragen, daß die Brauer ihnen ihr Fadenholz obendrein mit "spitzigen Worten" 3, 4 ja 5 Holz über das angeschlagene Maß setzten, wodurch sie einen großen Schaden erlitten. Trotzdem unterwarfen auch sie sich nicht gern festen Vorschriften, gab es doch Leute, die 1598 versuchten, wieder eine Änderung bezüglich des Campmaßes einzuführen durch die Behauptung, das Normalmaß zu Kölzin hätte nur 2 Schuh, die aber in der Relation von 1598 100 ) zurückgewiesen wurde. Winterfeld erklärt darin, er habe in den verflossenen 11 Jahren nur ein Campmaß zu 3 Schuh gesehen und das Maß zu Kölzin zu 2 Schuh sei ihm neu, aber vielleicht sei es für eine bestimmte Person gemacht, nach der man sich freilich nicht richten könne. Von nun an bleibt es bei den gesetzlichen 3 Schuh.

Schwieriger war es, den gegenseitigen Schikanen der Schiffer und Zöllner zu begegnen. Hielten die Lüneburger die Verträge nicht und holten sich viel Eichen= und Buchenholz aus Mecklenburg, so rächten sich die Zöllner dafür, indem sie alles vorübergeführte Holz, auch das gehauene Faden=Staffholz, gleich als sei es Mastholz, aufhielten. Die einen suchten, soviel es immer möglich war, dem Zoll zu entziehen, die ändern strebten danach, alles


99) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
100) Gerechtsame der Stadt L. in sp. Schalfahrt 4, L.
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mit Zoll zu belegen. Tatsächlich führten die Lüneburger viel verbotenes Holz die Schale herab. Die Folge davon war, daß die Zöllner dieses Holz willkürlich verzollten, woraus sich Unregelmäßigkeiten ergaben, über die sich die Lüneburger schließlich doch beschwerten, wie über die falschen Zolleinschätzungen des Jürgen Hornemann. Überhaupt bekamen die Zöllner durch die Unterschleife der Lüneburger das Gefühl, diese in der Hand zu haben und verlangten daraufhin allerlei Abgaben, die sie nur für ihre eigene Tasche erwarben. So nahm 1594 der Zöllner bei der Blüchermühle den Vorüberschiffenden und =flößenden ganz unrechtmäßigerweise einen Rosenobel ab. Schließlich, bei genauer Betrachtung, waren beide Teile einander wohl wert.

Durch die Schalfahrt hatten die Lüneburger auch einige Marktgerechtsame an sich gebracht, die ihnen baldigst von den Mecklenburgern wieder genommen werden sollten. Rat, Bürgermeister und die ganze Gemeinde Boizenburg wandten sich an Herzog Ulrich mit der Bitte um Abhilfe 101 ). Die Lüneburger hätten aus den herzoglichen Ämtern Waren zum Verkauf erworben, "welche Ware denn also, als Roggen, Gerste, Hafer und anderes Korn mitsamt dem jungen Vieh, Lämmer, Gänse, Hühner, Eier, welche jeher uns allhier auf das Markt ist zu Kaufe gebracht worden, uns zum merklichen Schaden und Fürfang uns von ihnen könnte entkaufet und aus den Händen gebracht werden. Auch das Schiderholz, welches allhier auf das Markt zu Kaufe gebracht wird, dabei man backet, braut, uns könnte von ihnen verrücket werden, auch das Korn, so aus Euer fürstlichen Gnaden Städten als zu Bützow, Güstrow, Brandenburg und anderen mehr uns bis anhero zu Kaufe ist zugeführt worden, so es von denen von Lüneburg entkaufet würde, würde es uns nicht allein zum großen Nachteil gereichen, besunderen Euer fürstliche Gnaden müßte auch die Mauten und Tzise, welche wir untertäniglich Euer fürstliche Gnaden zu geben verpflichtet sein, auch derselbigen entraten und missen .... wir doch an keinen andern Orteren Korn wissen zu bekommen, denn allein aus diesen Orten, darinnen uns die von Lüneburg zum Fürfang mitsamt ihren Fürkäufern gegen und wider Euer fürstliche Gnaden Polizei=Landes=Ordnung zu sein gedenken, wie auch zum Teil von ihnen ins Werk gestellet ist, und wenn wir armen Leute den geringen Acker, so wir noch haben, nicht enhetten, müssen wir Kornes halber große Not leiden, wie vorudt genoch geschehen, denn schier nicht ein


101) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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Schiff Roggen dieses Jahr aus demselbigen Orte allhier zu Markte gekommen ist."

Eine sehr wichtige präge war auch die, von wem man berechtigt sei, Holz zu kaufen, ob von den Bauern und Bürgern oder vom Adel, welch letzterer natürlich als der Herr der großen Waldungen das beste Holz hatte. Darum wurde es als Vorzug angesehen, von ihm kaufen zu dürfen. Die Boizenburger geben nach und bewilligen, daß die von Lüneburg zwischen Blücher, Bennin, Camin kein Fuder Holz, das von Bauern verkauft wird, kaufen lassen. Dafür soll beiden Teilen zwischen den genannten Orten und fürder hinauf von denen vom Adel zu kaufen freistehen. Wiederum sollen die vom Adel das den Lüneburgern oder Boizenburgern verkaufte Holz, an welche Orte es diesen in besagter Gegend geliebet, an das Wasser führen, von wo aus jeder Teil sein Holz ohne Verhinderung des ändern an seinen Ort, nach Boizenburg oder Lüneburg bringen mag. "Ohne Verhinderung des ändern" mußte besonders hinzugefügt werden. Denn die Boizenburger suchten auf jede Weise zu verhindern, daß die Lüneburger ihr Holz elbabwärts zum Verkauf brachten. Ihre Eifersucht sollte durch das Bekenntnis der Lüneburger beschwichtigt werden 102 ): "So sollen auch die von Boitzenburg nicht gedenken, daß die von Lüneburg ihnen an ihrem Handel, so sie mit Holzkauf nach Hamburg bishero gehabt und noch gebrauchen, verhindern wollen, denn allein dasselbige Holz, welches sie durch oder aus dem Fürstentum zu Mecklenburg oder anderswo bringen lassen, nach Lüneburg schiffen oder schiffen wollen." Trotzdem hatten sich die Lüneburger immer wieder zu beklagen, daß ihnen der Holzkauf erschwert würde, was besonders in den achtziger Jahren unangenehme Folgen für sie hatte 103 ). "Es ist itziger Zeit die Steckenfahrt, dahero wir sonsten auch eine ziemliche Notdurft Holzes zu empfangen pflegen, bei dieser großen Teurung und Hungersnot dermaßen mit Korn fürbelegt, daß wir dieses Jahr nicht einen Stock Holz darauf han gen Lüneburg bringen können." Sie knüpfen an diesen Bericht die Befürchtung, daß bei dem Holzmangel ihre Sülze bald kalt liegen werde. Einen gelinden Druck vermochten sie auf die Boizenburger durch Schließung der Schleusen auszuüben, weswegen dann das Schiffamt seinerseits Klage führte. Die Sache wurde dahin entschieden, daß die Lüneburger die


102) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
103) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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Schleuse öffnen und das Holz baldmöglichst hindurchlassen mußten, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die Boizenburger ihnen den 3. Teil des Holzes zum Kaufe anboten und zukommen ließen. Auf diese Weise half man dem Holzmangel und der Teurung in Lüneburg ab.

Eine neue Quelle des Streites war der Holzpreis. Man schuf für die Festsetzung des Holzpreises eine Autorität durch die sogenannte Gallikonferenz 104 ), die alljährlich am Montag nach Galli (Galli = 16. Okt.) zusammentreten sollte. Sie wurde von beiden Städten durch je zwei Ratsverwandte beschickt, die sich über einen einhelligen, gleichmäßigen Preis für das Holz bei der Schale und bei Blücher, es sei lang oder kurz, verglichen. Dieser bekanntgegebene Preis war das ganze Jahr über innezuhalten und wenn der eine den andern darüber im Kaufe übersetzte, so sollte er des Holzes verlustig sein. Für die Praxis hatte diese Konferenz kaum eine Bedeutung, weder hatte sie einen Einfluß auf die Preise, noch beseitigte sie das gegenseitige Übervorteilen. Sie war nur eine Instanz mehr, an die man sich gegebenenfalls wenden konnte. Auch wurden von der Preisfrage in der Hauptsache die einzelnen Händler betroffen, während der Rat und das Schiffswerk in ihrer Gesamtheit beide ihre Vorrechte hatten und sie in Kraft zu setzen verstanden.

Anders war es bei dem Streit um Schiffahrt und Flößung. Hier standen die Behörden als solche einander gegenüber. Der Lüneburger Rat trat für die Schiffahrt ein, Boizenburg machte das Flößungsrecht geltend und wollte sich, wenn es gerade Vorteil brachte, auch der Schiffahrt bedienen. Keiner mochte sich dem andern fügen. Die Lüneburger beriefen sich darauf daß sie auf ihre Unkosten nicht nur die Schleusen erbaut, sondern sie auch stets repariert hatten, obgleich die Schleusen durch die Flößung stark litten, die doch hauptsächlich von den Boizenburger Schiffamtsgenossen betrieben würde. Außerdem wünschten die Boizenburger eine so große Menge Holzes zu flößen, daß es unmöglich wäre, es in 2 Monaten herabzubringen. Darüber lägen ihre Schiffe still, und wenn sie nach der Flößung ihre Schiffahrt beginnen wollten und das Wasser zu dem Behuf stauen müßten, so kämen sie eben in die Zeit der Mähung des Grases und Korns, was den Landleuten wieder nicht recht wäre, und so machten sie sich denen auch verhaßt. Sie seien aber auf die Schiffahrt angewiesen, weil sie das Brennholz für die Sülze


104) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
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brauchten. Sie appellierten im weiteren Verlaufe der Verhandlungen an das Gerechtigkeitsgefühl und den Gemeinsinn der Boizenburger, die doch sicherlich nicht die deutschen Gaue von der Weichsel bis zur Weser des Lüneburger Salzes berauben wollten, aber die Salzfuhren nach Osten und Westen würden bald aufhören, wenn die Sülze nicht in kürzerer Frist Holz zugeführt bekäme. Auch wäre die Schiffahrt laut ausgerichteter Verträge der Lüneburger gutes Recht, und es sei den Boizenburgern unbenommen, ihr Holz auch per Schiff herabzuholen, für sie nur ein Vorteil, da sie es aus der Elbe ja doch auf die Schiffe setzen müßten, um es nach Hamburg zu bringen. Die Flößung hingegen sei ein unbefugter und schon oft verbotener "actus", zudem störe sie die Schiffahrt, um derentwillen die Schleusen doch gebaut worden wären. Sollten die Boizenburger jedoch des Handels wegen eine Verschiffung des einmal gehauenen Holzes durchaus verweigern, so seien die Lüneburger zu allem Überflusse erbötig, ihnen ihr Holz mit barem Geld sofort zu bezahlen und abzunehmen, und sie fügen zum Schluß an ihre Eingabe die Bitte 105 ): "So bitten wir darauf in aller Untertänigkeit, es wolle mehrfach gedachter unser gnädiger Fürst und Herr, Herr Ulrich Herzog zu Mecklenburg usw. um 4 oder 5 Boitzenburger Schiffamtsbrüder willen, die anders nichts als ihren Privatvorteil diesfalls suchen und unter dem Namen des Schiffamts das Spiel fast allein in ihren Händen haben und ihres Gefallens karten, uns an unserer wohlhergebrachten Schiffahrt, darauf wir soviele 1000 Taler Unkosten gewendet, nicht hindern, noch den gemeinen Nutzen durch solche Hinderung verlegen lassen, sondern die Boitzenburger Schiffamtsbrüder dahin weisen, daß sie ihr Holz zu Schiffe heraber bringen oder aber von uns bar Geld dafür nehmen." - Herzog Ulrich kam beiden Teilen entgegen, indem er die Flößungs= und Kauffrage in der schon mehrfach erwähnten Weise regelte.

Zu den Streitigkeiten der Lüneburger und Boizenburger untereinander kamen die mit den Anwohnern, denen jeder durch die Schiffahrt oder Flößung verursachte Schaden an Wiesen, Weiden, Fischerei und Aalfang zu ersetzen war. Besonders der Adel, der am Schalsee Besitzungen hatte, beklagte sich, daß seine Aalkörbe und Fischkästen zerstört würden und verlangte deshalb Kassierung der Schiffahrt und Einreißen der Schleusen. Zeitweilig versuchte sogar der Hauptmann von Plessen 106 ), den


105) Acta specialia civitatum: Boizenburg, Schiffamt, Sch.
106) Salinaria 74, L.
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Schalsee am Ausfluß der Schale durch Wehre für die Schiffahrt zu sperren. Doch ist dies nur eine heitere Episode im Kampf der Lüneburger und Boizenburger um die Schalfahrt.

Die streitenden Parteien zum Frieden zu bringen, wandte man die verschiedenartigsten Mittel an. Man glaubte, daß außer der Aufrichtung von Verträgen, die stets Monate für sich in Anspruch nahm, die sofortige Schließung einer oder der anderen Schleuse oder sogar der ganzen Fahrt, die zeitweilige Suspendierung der Flößerei, das Anhalten und Arrestieren der Schiffe und Flöße, kurz mit einem Worte die Lahmlegung von Handel und Verkehr auf der Schale dazu sehr zweckfördernd sei. Der am meisten Benachteiligte bot dann gewöhnlich die Hand zum Frieden.

Oft machten der Lüneburger Rat und das Boizenburger Schiffwerk ihre Zwistigkeiten unter sich aus, zumal, wenn es sich um Dinge handelte, die sie in der Gesamtheit betrafen; kamen aber Vergehungen einzelner Untertanen in Frage, so hatten die Amtleute der mecklenburgischen Herzöge das Verhör anzustellen und die Strafe zu verhängen. Meist bestanden sie auf einem Schadenersatz, dessen Höhe von der Gallikonferenz bestimmt werden sollte, die überhaupt alle Taxationsgeschäfte zu besorgen hatte. Wenn der Streit jedoch um die Gerechtsame ging und jeder bei seiner Willensmeinung beharrte, dann wandten sich beide Parteien an die Herzöge mit der Bitte um Entscheidung. Es wurden Gesandtschaften geschickt, Bittgesuche überreicht, gemeinsame Verhörstage angesetzt wie 1574 107 ), die so und so oft verschoben wurden, bis dann endlich ein Vergleich zustande kam, deren wir eine Anzahl besitzen, so aus den Jahren 1561, 1563, 1567, 1570, 1581, 1587, in denen die wichtigeren Schiffahrtshandlungen festgesetzt wurden. Im Grunde waren es immer wieder dieselben prägen, um die man sich stritt, und manches Mal wurden die Herzöge der Zwistigkeiten müde und suchten die Entscheidungen von sich abzuwälzen, wie Herzog Ulrich, der 1591 den Lüneburgern auf ihre Klage über das Flößen auf der Sude einen Prozeß am Hofgericht anheimstellte.

Aus den vorhandenen Protokollen könnte man fast den Eindruck gewinnen, als habe man sich über die Schalfahrt nur vom grünen Tisch aus juristisch beraten, und als sei die praktische Verwaltung und Kontrolle so ziemlich außer acht gelassen worden. Und doch sollte alljährlich eine Kommission die Strecke Wappau


107) Acta navigationis in fluminibus: Schale, Sch.
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-Blücher-Zarrentin abfahren, die Wasserbauten und Gebäude besichtigen und über den derzeitigen Stand der Fahrt, über etwaige Änderungen und Reparaturen ihr Gutachten abgeben. Leider sind nicht so sehr viele dieser Berichte vorhanden. Das wenige erreichbare Material zeigt uns jedoch zur Genüge, daß der Kommission mecklenburgischerseits mit der größten Abneigung begegnet wurde. Die Anlieger der Schale wurden nicht müde nachzuweisen, wie ihre Waldungen durch den Holzhandel und den Schleusenbau verwüstet seien, wie die Salz= und Holzschiffer die Zölle zu umgehen suchten, kurz, wie die Fahrt dem Lande Mecklenburg nur zum Schaden gereiche und den Lüneburgern allein von Nutzen sei. Darum stellte die Kommission Anfang der 70er Jahre fest 108 ): 1. daß die Lüneburger meist sächsisches und nicht mecklenburgisches Holz vom Schalsee herab brächten; 2. daß die Schleusen zum großen Teil aus sächsischem Holze erbaut wären; 3. daß beide Herzöge von jedem Faden = 8 Währung Schalzoll und 4 Währung Schleusenzoll - macht für jeden Herzog = 1 ß - bekämen (was allerdings vertragsmäßig bestimmt war, die Frage war nur, ob es tatsächlich immer geschah); 4. daß auf den Schiffen der Lüneburger meist mecklenburgisches Volk gebraucht würde, ebenso zu Holzhauern und Holzsetzern. Dadurch verdiente ein großer Teil mecklenburgischer Untertanen alljährlich viel Geld.

Wenn dieser Bericht auch den Tatsachen entsprach, so beruhigte sich doch die mecklenburgische Bauernschaft nicht dabei, sondern wurde immer wieder bei dem Rat und bei der Kommission vorstellig, bis sie schließlich 1580 eine Bittschrift um Abstellung der Fahrt an den Lüneburger Senat richtete. Es erfolgte eine Generaluntersuchung, nach der die Lüneburger sich denn folgendermaßen äußerten 109 ): "5. Januar 1581. Bericht der mecklenburgischen Fahrt und der Boitzenburger und Bauerschaft übergebenen Supplication halben. Erstlich, daß dem Land zu Mecklenburg der Fahrt und gebauten Schleusen halben kein Schade, besonders vielmehr Nutz und Frommen widerfahren werde in dem Befund, daß die vom Adel und ändern ein stattliches Geld ihres Holzes halben, da sie folgends den Grund zu Acker und Wiesen gebrauchen können, aus Lüneburg bekommen und daß die Inwohner an der Schale und darumhero der Arbeit an und bei den Schleusen, auch die Holzhauens halben und so sich auf den Schiffen gebrauchen lassen, ihre tägliche Nahrung


108) Salinaria 309, L.
109) Salinaria 305, L.
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und Vordienst können haben, also, daß zu Blücher und mehr Orten Leute befunden, so vormals das liebe Brot nicht haben oder vordienen können, itziger Zeit in ziemlichem Vorrat und guter Nahrung und Vordienst sitzen. Zum ändern, daß von wegen der Bandekower Schleuse und vorherigem Stauen derselben das Sandt sich in den Bandekower See geleget und Sandens dem Strome allerhand brächte, wird sich viel anders befinden, in Betrachtung, daß die Elbe etzliche Jahre so groß gewesen, daß an vielen Orten durchgebrochen und aufgelaufen und do große Dratheit und Kleinheit der Wasser, dergleichen bei Menschengedenken schwerlich befunden, vergangenes 80. Jahr ausgeweiset, was für Sand hin und wieder auf und an der Elbe und in ändern Strömen sich geleget, und die Kleinheit des Seehes nicht der Schleusen halben, besonderer Kleinheit halben der Elbe und anderen infließenden Strömen verursacht und herkommt und viel eher und mehr vermutlich, wann die Elbe im Wasser und die Bandekower Schleuse gestauet, das Sandt sich niederwärtslegen und nach der Hand in die Elbe kommen und treiben sollte. 3. Daß die Bauerschaft große Nahrung ihrer Fischereien halben gehabt, die ihnen durch die Schleusen und die Schiffahrt verderbt sein sollten, wird sich contrarium befinden, denn es haben die Leute, so an und bei den Schleusen gewohnet, nach Bauung der Schleusen ungleich mehr und besser Fischfang gehabt, denn zuvor, so mögen auch nit viele befunden werden, die ihrer Fischereien halben große Nahrung haben und treiben und dieselben nach Lübeck, Hamburg und Lüneburg oder ändern benachbarten Städten bringen und verkaufen, auch der Fischfang sich nach dem Wind, Wasser und Strömen und nicht nach den Schleusen oder Schiffahrt regulieret. 4. Daß aus vorgewandtem und anderem in den supplicationen angezogenen, verminderten Ursachen die Bandekower Schleuse abgetan oder umgerissen werden sollte, wird sich befinden, daß ihr, der Boitzenburger Fürwenden nicht erheblich, noch ihnen die Schleuse schädlich, besonders da dieselbe nicht sollte gebraucht werden und den Boitzenburgern ihres Flößens halber und daß sie in Holzkauf die Leute ihres Gefallens bedrängen möchten, eingeräumet wird, dem Städtlein und Inwohnern desselben, auch umbliegenden Dörfern zu nicht geringem Schaden und Nachteil samt den Ingesessenen im Lande würde gereichen und wider aufgerichtete Verträge zu dieser guten Stadt Nachteil vorgenommen wurde, damit die Schiffahrt in esse erhalten und der Boitzenburger und Bauerschaft ungereimte Fürgeben abgeschafft werden können." So

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lautete die Ansicht der Lüneburger, die sie über den Vorteil der Mecklenburger von der Schalfahrt hatten.

Wie langwierig war die Einrichtung dieser Fahrt vor sich gegangen, weit schwieriger aber schien ihre Erhaltung und Verwaltung zu sein! Was Wunder, wenn man sich von seiten der Lüneburger Schalfahrtbeamten überlegten 110 ), welcher Gestalt eine richtige Ordnung bei der Schalfahrt wieder einzurichten sei, wenn man sich vorher ganz genau die punkte aufschrieb, die man bei der Besichtigung zur Sprache bringen wollte und wenn man sich bei den fortwährenden Angriffen auch bedachte, ob die Schleusen ferner zu erhalten seien oder nicht.

Am ausführlichsten sind die Berichte der Besichtigungen von 1580 111 ) und 1586 112 ). Nach dem Gutachten von 1580 sind die Wasserbauten bis auf ein paar Bretter in gutem Stand. Nur bei der Blücherschleuse ist allerlei auszubessern und ein neuer Damm mit neuen Hecken anzulegen. Ganz anders zeigt sich die Fahrt bei der Besichtigung Von 1586. Kaum eine Schleuse, kaum eine Mühle war unbeschädigt, überall Verfall und Unordnung. Nachdem erst kurz vorher 1581 und 1582 eine sorgsamere Verwaltung eingesetzt hatte, waren sogleich die alten Mißstände in verstärktem Maße wieder eingerissen, als 1583 zur Zeit der Pest die Gegend verödete und die Fahrt unbenutzt und unbeaufsichtigt dalag. Dann war gleich nach dem Aufhören der Epidemie die Flößung mit allerlei Zugeständnissen und Freiheiten wieder eingeführt worden, damit die verschiedenen Handwerke die Arbeitsversäumnis möglichst schnell einholten. So kam es, daß 1586 bei der Besichtigung im Mai an den Schleusen, fast möchte man sagen, nichts niet= noch nagelfest war, und daß man das Holz an den Schleusen zerstoßen und vermodert fand. Es machte sich die Bestellung von Hunderten von Pfählen, Brettern, fielen und von Tragseilen und Bändern an die Schleusen nötig. Alles Material wurde ohne die Baukosten auf rund 730 M veranschlagt. Daß die Fahrt auch sonst nicht recht im Schwange war, zeigen die zum Schluß von der Kommission notierten Beobachtungen: "Noch ist befunden worden, daß von den 22 Schiffen, so gemeinen Sülfmeistern zustehen, nitt mehr als 6 Schiffe in der Fahrt sein, so gebraucht werden und wird itzo eins wieder gebessert, von den andern 15 Schiffen sein fast etzliche garnicht zu bessern, etzliche aber noch wohl wieder


110) Salinaria 300, L.
111) Salinaria 305, L.
112) Salinaria 74b, L.
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zu bauen, wo der Augenschein geben wird, wenn man sie aus dem Wasser bringt, denn sie alle hin und wieder im Wasser liegen. Der Brücken Gelegenheit ist befunden worden, daß die Kogelsche und die Brücke ans dem Hofe zu Kölzin zu bauen vonnöten sein wird. An den Schleusenhäusern ist befunden worden, daß das Haus auf der Wappau, ganz besonders aber das zu Blücher so baufällig ist, daß es mit Flicken mit gleichen Unkosten verbunden ist, als wenn ein neues Haus gebaut wird." Endlich wird noch so mancher Kachel= und Backofen genannt, der neu= oder wenigstens umgesetzt werden muß.

Freilich nahmen diese Reparaturen längere Zeit in Anspruch. Aber durch die auftauchenden Lübecker Pläne der Ratzeburger Fahrt wegen, durch die zahlreichen Konferenzen zwischen den Herzögen, dem Rat von Lüneburg und dem Schiffwerk zu Boizenburg, die zu der umfangreichen Schiffahrtshandlung vom Hochsommer 1587 führten, kam neues Leben, neue Betriebsamkeit in den Handel und Verkehr auf der Schale, und als dann noch die Schalmühle angekauft und wieder aufgebaut worden war, da befand sich, wie man wohl mit Recht behaupten kann, die Schalfahrt in gutem Zustand und aus der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit.

Das Werk war von der Stadt Lüneburg angeregt und eingerichtet worden. Was hatten die Lüneburger nun tatsächlich dadurch erreicht? Wir hören, daß sie ihr Salz auf bequemere und billigere Weise in das Innere von Mecklenburg führen konnten, als das auf der Landstraße der Fall gewesen war. Ihre Rückfracht war zollfrei, so weit sie als reines Privatgut der Lüneburger Bürger angesehen werden konnte, denn Abgaben wurden nur vom Handelsgut erhoben. Sie waren in den Stand gesetzt, ihre Sülze mit dem so nötigen Brennholz zu versorgen, indem ihnen Holzkauf und Holzhandel gestattet war. Bei sämtlichen Wasserbauten, insofern diese die Schiffahrt betrafen, beschäftigten sie ihre eignen und nicht mecklenburgische Handwerker. Den Brückenbau freilich, von dem in der Hauptsache die Anwohner einen Nutzen zogen, hatten sie durch Geld abgelöst. Der Rat der Stadt hatte sich wertvollen Grundbesitz angekauft, man denke nur an die Mühlen und an das Boissower Holz, in dem ihnen die Mecklenburger sogar verpflichtet waren, gewisse unentgeltliche Dienste zu leisten.

Diesen Vorteilen steht nun das gegenüber, was nicht erreicht worden war. Zunächst hatten sie sich durch diese Fahrt den Weg zum Meer nicht eröffnet, wie sie doch beabsichtigt hatten. Ihren

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bei den Mühlen angesessenen Beamten war alle Fischerei und aller Privathandel untersagt, also jeder Sondervorteil, den diese von ihrem Aufenthalt an der Schale haben konnten. Wegen der zahlreichen Zoll= und Handelsschwierigkeiten vermieden die Lüneburger selbst öfters die Fahrt. Zudem verursachte sie dem Rat recht erhebliche Unkosten. Die Zolleinnahme deckte durchaus nicht alle die aufzuwendenden Unterhaltungskosten der Bauten oder in sehr günstigen Jahren doch nur gerade, und an eine Verzinsung des Kapitals für die erste Anlage war gar nicht zu denken. Dazu kam, daß durch die Länge der Zeit - 150 bis 200 Jahre -, in der das Projekt geschwebt hatte, die Handels= und Verkehrsverhältnisse sich derartig verschoben hatten, daß die Fahrt gar nicht das gewähren konnte, was die Lüneburger sich von ihr versprachen. Und die Ansicht, daß ein kanalisierter Fluß als reine Verkehrsstraße für jedermann an und für sich in wirtschaftlicher und sanitärer Beziehung von Bedeutung ist, kannte man damals noch nicht. Wägt man also die genannten Vorteile und Nachteile miteinander ab, so kann man sehr im Zweifel sein, ob sie einander auch nur die Wage hielten, und nicht etwa die Nachteile schwerer wogen. Es drängt sich die Frage auf, war die Fahrt so, wie sie schließlich ins Leben trat, überhaupt noch zweckentsprechend?

Fast jeder Besichtigungsbericht endet oder beginnt mit der Mahnung, sich doch ernstlich zu überlegen, ob man die Fahrt der vielen Unkosten und des vielen Ärgers wegen nicht lieber eingehen lassen wolle. Und doch stimmen die Lüneburger immer wieder für die Erhaltung, und das nicht aus Starrköpfigkeit, um das einmal mit großen Opfern erworbene Vorrecht hartnäckig zu behaupten, selbst dann, wenn es keinen Nutzen brachte. Warum also dann? In den zahlreichen Berichten, Protokollen und Nachrichten wird kein Grund weiter angegeben, als daß man das schon hineingesteckte Geld nicht einfach verloren geben konnte. Das ist natürlich kein stichhaltiger Grund, um immer weiter nutzlos Geld auszugeben. Einmal jedoch äußert sich die Kommission genauer über diesen so wichtigen Punkt. Danach hielten 113 ) die Deputierten es nicht für "diensamb" die Schalfahrt eingehen zu lassen, weil sie ein heilsames Mittel sei, das Holz als ein unentbehrliches, zu Fortsetzung und Beförderung des commercii salis gehöriges requisitum aus einem benachbarten holzreichen Fürstentum beizubringen, den Preis des Holzes in Gleichgewicht zu halten und den Boitzenburgischen


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und andern Kaufleuten die schädliche Vorkäuferei und das monopolium niederzulegen, in der Erwägung, wenn die Sülfmeister in Lüneburg mit beiden nicht mehr übereinkommen könnten und ihnen das Holz über die Gebühr wohl gesteigert würde, daß sie alsdann selbst, vermöge ihrer habenden Freiheit zur Flößung schreiten und sich versorgen könnten." Hier ist es klar ausgesprochen, daß die Schalfahrt aus handelspolitischen Gründen unterhalten wurde. Denn es handelt sich viel weniger um die Beförderung des Holzes, das man sich auch durch die Stecknitzfahrt verschaffen konnte, als um den Einfluß auf den Holzpreis. Die Schalfahrt war nur Mittel zum Zweck. Der Gewinn, den die Lüneburger aus ihrer dadurch erlangten Stellung auf dem mecklenburgischen Holzmarkte zogen, war größer als die Unkosten der Fahrt. Das überschauten die Väter der Stadt. Während die Zolleinnahme von der Fahrt in den Säckel des Rates floß, nahmen an dem Profit der niedrigeren Holzpreise oder des größeren Umsatzes sämtliche holzkaufenden Bürger teil. Insofern hatte die Schalfahrt für Lüneburg allerdings volkswirtschaftliche Bedeutung, wenn auch nur für das verhältnismäßig kleine Volk einer einzigen Stadt.

In Mecklenburg war in dieser Beziehung ebenfalls ein neuer Frühling angebrochen. Die Herzöge, vor allen Dingen Herzog Ulrich, kümmerten sich selbst um alle Zweige der Verwaltung bis ins einzelne. Das zeigt auch die Art und Weise, wie sie die Schalfahrt für ihr Land nutzbar machten. So nahmen sie laut Verträgen an dem Schalzoll teil, der doch nur zur Deckung der Unkosten erhoben werden sollte. Nachweislich aber hatten die Lüneburger die ganze Fahrt auf ihre Unkosten angelegt, und das wenige Holz, das die Herzöge umsonst beigesteuert hatten, wurde ausdrücklich immer als Geschenk bezeichnet; also war der Schleusenzoll auf der Schale eine rein fiskalische Einnahme, um so mehr als die Erlaubnis zur Anlage von den Lüneburgern mehrfach durch größere Summen bezahlt worden war. Ebenso war es mit dem Schutzzoll auf der Schale und Sude, der in Bausch und Bogen alljährlich abgetragen wurde und für den keine Gegenleistung mehr stattfand. Eine andere sehr günstige Folge der Schalfahrt war die stärkere Benutzung der Straße nach Wittenburg, wodurch sich auch die Einnahmen vom Landzoll, den beide Herzöge erhoben, vermehrten. Das Zollamt zu Vietow war zugleich die Kontrollstätte für den Schal= und Schleusenzoll, eine obere Behörde. Durch die Fahrt kam das mecklenburgische Holz in großer Menge in den

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Handel. Bei dem Fällen der Bäume, bei dem Verschiffen und Flößen wurden zahlreiche Mecklenburger beschäftigt und fanden ihr gutes Brot und ihr Auskommen. Außerdem besaß Mecklenburg nun in der Schale einen auf fremde Kosten kanalisierten Fluß, der mit Brücken überspannt war. Um Übergriffen der Lüneburger vorzubeugen, wurden die Boizenburger noch speziell mit dem Recht privilegiert, an der Sude allein Kauf und Vorkauf treiben zu dürfen. Soweit wäre der Nutzen der Fahrt für die Mecklenburger entschieden größer gewesen als für die Lüneburger, wenn nicht mit dem Recht der Schiffahrt und des Handels auf der Schale noch eine zweite Macht belehnt gewesen wäre, das Boizenburger Schiffsamt, so daß sich in der täglichen Praxis nicht Landesherr und Rat von Lüneburg gegenüberstanden, sondern zwei Städte, die eifersüchtig aufeinander waren, und über denen beiden sich der Landesherr als Inhaber des Flußregals erhob. Die wirtschaftlichen Konflikte der beiden Städte wurden, wie damals alle derartigen Kämpfe, in der Form von Rechtsstreitigkeiten geführt, und die Herzöge hatten die Entscheidung zu treffen. In dem Bestreben, möglichst gerecht zu sein, setzte Johann Albrecht die wirtschaftlichen Interessen Boizenburgs hinten an und gestattete Lüneburgern und Boizenburgern zu gleicher Anzahl in der Gallikonferenz den Holzpreis zu bestimmen. Damit ließ er eine fremde Macht über seinen Holzhandel gebieten, durch die Festlegung des Preises lähmte er die Freiheit des Ein= und Verkaufs und machte größere Gewinne unmöglich. Wohlverstanden, hauptsächlich in der Theorie, denn in der Praxis kümmerte man sich herzlich wenig um die Beschlüsse der Gallikonferenz, man machte seine Preise unter der Hand, und führte das zu Reibereien zwischen beiden Städten, wie oft geschah, so kam gerade dadurch wieder eine gewisse Beweglichkeit in den Betrieb. Daß aber die Herzöge hier ein derartig geringes Verständnis für den Handel zeigen konnten, erklärt sich aus dem Umstand, daß man damals eben erst mit der planmäßigen Aufforstung begann. In der Forstordnung Johann Albrechts ist ziemlich wenig über diesen Punkt gesagt, und doch war es ein Fortschritt, daß der Paragraph über die Neupflanzungen in den Holzordnungen der deutschen Territorien damals überhaupt erschien. Die Mecklenburger wußten die Lüneburger als ständige Holzabnehmer gar nicht zu schätzen, im Gegenteil, sie befürchteten Verwüstung und Verödung der Waldungen und eintretenden Holzmangel, eben weil sie nur spärlich für Nachwuchs sorgten und nur das Fällen und Ver=

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kaufen vor Augen hatten. Da die Herzöge keinen so großen Wert auf den Holzhandel an der Schale legten, so konnten sie auch die zeitweise gänzliche und teilweise Sperrung des Flusses als Strafe für Unfügsame verhängen. Der Fluß war Regal und stand ihnen ja jederzeit offen, aber den Privilegierten legten sie damit jede Betätigung auf der Schale lahm. Ebenso erschwerte Johann Albrecht den Verkehr durch die Zolleinziehung auf Waren statt auf Gefäße, wodurch die Schiffahrt hätte einfacher und schneller von statten gehen können. Man sieht, die Handels= und Verkehrsinteressen waren den Landesfürsten noch nicht die Hauptsache, sondern in erster Linie galt die Frage, ob ihrer fürstlichen Gnaden durch diese oder jene Einrichtung auch nichts an Einkünften entzogen würde. Es fragt sich nur, ob dasselbe fiskalische Streben zu gleicher Zeit volkswirtschaftlich sein kann, oder wie weit es von solchen Rücksichten begleitet wird. Wir sahen, daß die Herzöge auf die Bitten der Schalfahrer manchen Wasserzoll nachließen, um den Verkehr ins Land zu ziehen und nach dem Grundsatz der damaligen Zeit, bar Geld muß im Lande bleiben, wurde den Lüneburgern auf die Klage der Boizenburger hin der Handel mit anderen Waren als Salz im Inneren Mecklenburgs einfach untersagt.

Zwar hatte man damals keine rechte Idee von der Allgemeinheit der Wasserstraßen - man denke nur an die langwierigen Verhandlungen wegen der Freigebung der Elbe -, aber Herzog Johann Albrecht belehnte mit der Schale zwei Mächte, eine einheimische und eine fremde und verlieh damit Gerechtsame in seinem Lande an auswärtige Kaufleute. Man kann also nicht sagen, daß die Schalfahrt eine Einrichtung zum allgemeinen Besten war, immerhin aber eine solche für die ganze Landschaft, und wer sie sonst noch benutzen wollte, mußte mit Boizenburger oder Lüneburger Schiffern einen Vertrag abschließen und ihnen seine Güter übergeben. Die Boizenburger als die mächtigsten Anwohner gelten hier als die Repräsentanten des mecklenburgischen Volkes.

Man hat wohl hin und her gestritten, ob die Schalfahrt eine wirtschaftsgeschichtliche, ja, ob sie überhaupt eine Bedeutung habe. Jedenfalls ist sie einer von den verschiedenen Versuchen, Ost= und Nordsee mittelst des Stromgebietes der Elbe miteinander zu verbinden; ein Versuch, der zu neuen Plänen anregte, mögen sie nun Projekte geblieben oder zur Ausführung gekommen sein. Und wenn die Art der Verwaltung in fiskalischem Sinne geschah, so darf nicht übersehen werden, daß die deutschen

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Fürsten im 16. Jahrhundert das volkswirtschaftliche Erbe der Städte eben erst angetreten hatten. Indem sie das Territorium als ihr persönliches Eigentum, gleichsam als eine große Gutswirtschaft auffaßten, für die sie auf das Beste zu sorgen hatten, stellten sie das eigene Glück und das ihrer Untertanen in einen engen Zusammenhang. Nicht wie Friedrich der Große hielten sie sich für die ersten Diener ihres Staates, sondern, sich selbst unbewußt, waren sie Verkörperungen des l'état c'est moi im besten Sinne des Wortes. Aus dieser Gesinnung heraus muß man auch die Stellungnahme der Herzöge zur Schalfahrt beurteilen. Obgleich die Herzöge sich der Vollendung der Schalfahrt widersetzten, obgleich sie auf halbem Wege stehen blieben, so hat die Fahrt doch eine praktische Bedeutung. Denn durch ihr freilich unbeabsichtigtes Endziel, den Schalsee, führte sie die Schiffer mitten hinein in den Waldreichtum Mecklenburgs und Sachsens, und damit ist auch gleich ein anderes gesagt, sie war nicht nur fahrbar, sondern sie wurde auch befahren. Und das erhebt die Schalfahrt meines Erachtens über den Dömitzer Kanal, der zwar auf viel "breiterer, pekuniärer" Grundlage begonnen wurde und den Vorzug hatte, daß Wismar sich tatsächlich an seinem Bau beteiligte, der auch zeitweise und teilweise fahrbar wurde, der aber nie, zu keiner Zeit, rege benutzt worden ist. Daß seine Bedeutung heute im Gegensatz zur Schalfahrt so nachdrücklich betont wird, beruht wohl darauf, daß wir uns über seine Anlage durch das außerordentlich reiche Aktenmaterial eine viel eingehendere Kenntnis verschaffen können und hat seinen Grund zum andern darin, daß durch das Aufblühen Berlins für uns heute ein Kanal von Wismar nach Dömitz natürlich eine viel größere Bedeutung haben würde als ein solcher von Wismar über Kölzin - Blücher-Wappau nach Boizenburg. Aber in der Geschichte kann der Wert vergangener Werke doch nur mit dem Maße der Vergangenheit gemessen werden. Ideell stand der Dömitzer Kanal selbstverständlich für Mecklenburg viel höher, weil er ein ureigenes Werk der Mecklenburger war, während die Schalfahrt ihnen sozusagen von Fremden eingerichtet worden war; aber vom praktischen Standpunkt aus geurteilt, nimmt die Schalfahrt unstreitig den ersten Platz ein.

Sie ist ein Werk deutscher Tüchtigkeit und deutschen Fleißes, ein Werk deutscher Kleinkunst, aber kein großartiges Kulturdenkmal, wie etwa die Wasserleitungen und Brücken der Römer, deren gigantische Überreste jetzt unsere Bewunderung erregen. Was an der Schale war, das ist gewesen, vorbei und vergangen.

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Die Weiden am Bache, die Wiesen und Büsche, die Eichen und Buchen am See, sie erzählen uns nichts von vergangenen Tagen der Geschäftigkeit und Rührigkeit. Sollen wir bedauern, daß hier nur ein Traum von Macht und Reichtum geträumt wurde? Der große Strom des Lebens geht vorbei, hier ist Ruhe und Frieden. Ein leises Regen in Busch und Wald, ein emsiges Weben im Röhricht am See - ein Stückchen ursprünglicher reiner Natur, das zeigt uns der Schalsee heute.

 

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II.

Die geschichtliche Entwicklung
der ländlichen Verhältnisse
im Fürstentum Ratzeburg.

Von

Friedrich Bertheau in Göttingen,

früher Domhof=Ratzeburg.

 

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Einleitung.


B ekanntlich sind die ländlichen Verhältnisse des Fürstentums Ratzeburg ganz verschieden von denen des östlichen Hauptteiles des Großherzogtums Mecklenburg=Strelitz. Hier, im Hauptteile des Landes, haben wir in erster Linie Güter, die wieder in Kabinettsgüter und Domänen, in ritterschaftliche und Privat=Landgüter zerfallen. In den gegen diese Güter an Zahl sehr zurücktretenden Dörfern finden sich verhältnismäßig wenige Erbpächter und Bauern, dagegen viele kleine Besitzer, sogenannte Büdner. Im scharfen Gegensatze hierzu hat das Fürstentum Ratzeburg, als geschlossenes Gebiet genommen, das heißt abgesehen von zwei Enklaven, überwiegend Dörfer mit Hufenbesitzern und nur ein adliges Gut. Torisdorf, dessen Entstehung aus einem Bauerndorfe erst in das sechzehnte Jahrhundert fällt. Der Bauernstand dieser Dörfer bietet bis in die heutige Zeit hinein, wo leider auch hier die Landflucht beginnt, ein erfreuliches Bild der Seßhaftigkeit auf der väterlichen Scholle, und das Selbst= und Freiheitsgefühl dieses gesunden, kräftigen Bauernstandes kam noch bis in die Neuzeit hinein in dem Brauche zum Ausdruck, daß sich der Hufner des Fürstentums mit dem Degen an der Seite trauen ließ. Es ist das große Verdienst des Präpositus Krüger in Stargard, der früher Pastor in Schönberg war, daß er in seinem kleinen Buche "Dreißig Dörfer des Fürstentums Ratzeburg, Geschichte der Bauerschaft nach amtlichen Quellen bearbeitet" mit dem größten Fleiße aus den Akten die Besitzer der einzelnen von Alters her mit Nummern bezeichneten Bauernstellen in diesen Dörfern vom sechzehnten Jahrhundert an zusammengestellt hat und uns so eine Art von Familienchronik des Bauernstandes bietet. Es berührt doch gerade in der heutigen Zeit besonders wohltuend, wenn man sieht, wie z. B. in dem Dorfe Groß=Bünstorf vom Jahre 1529 an die Familie Wigger nachzuweisen ist, ja, wie im Dorfe Rodenberg noch heute eine Stelle im Besitze der Familie jenes Gottschalk Renzow ist, der

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sie im Jahre 1379 vom Bischofe kaufte. Vom siebzehnten Jahrhundert an ist nach Krügers Geschlechtsregistern eine ganze Anzahl von Familien im Besitze derselben Stelle gewesen. So ist sein kleines Buch ein schönes Denkmal, das er dem seßhaften Bauernstande in den bischöflichen Dörfern gesetzt hat, denn im wesentlichen schließt er nur diese, nicht die Dörfer des Domkapitels, in den Kreis seiner Betrachtung ein. Die folgende Untersuchung soll diese ganz eigenartige Entwicklung der bäuerlichen Verhältnisse des Fürstentums aus der Geschichte begründen und auf Grund der noch vorhandenen Urkunden besonders die Frage beantworten: Wie kommt es, daß in diesem kleinen Gebiete der adlige Grundbesitz im Laufe des Mittelalters vollständig verschwunden ist und sich schon damals ein Bauernstand mit mancherlei Vorrechten und Freiheiten herangebildet und vor allem behauptet hat? Eine kurze Darstellung der bäuerlichen Verhältnisse des Fürstentums Ratzeburg gibt Masch in seinem Aufsatze: "Der Bauer im Fürstentum Ratzeburg" (Jahrbücher für Mecklenburgische Geschichte Bd. II S. 185 ff.). Auch in seinem Hauptwerke: "Geschichte des Bistums Ratzeburg", das schon im Jahre 1835 erschienen ist, finden sich einige Nachrichten über den Bauernstand.

Zu bemerken ist noch, daß der folgenden Darstellung außer dem Mecklenburgischen Urkundenbuche noch Akten des Großherzoglichen Archivs in Schwerin und der Landvogtei Schönberg zugrunde liegen, die mir mit der größten Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt wurden. Vor allem wertvoll ist das Inventar der Dörfer des Domkapitels vom Jahre 1652, das eine vollständige Herausgabe wohl verlohnte. Ich benutze gern diese Gelegenheit, auch den Herren im Fürstentum Ratzeburg meinen Dank Zum Ausdruck zu bringen, die mir gütigst über ländliche Verhältnisse Auskunft gaben, namentlich Herrn Pastor Eulenberg in Schlagsdorf und Herrn Oberamtmann Hesse auf der Römnitz.

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Kapitel I.

Die Teilung des Bistums Ratzeburg in Güter des Domkapitels und der bischöflichen Tafel. Die Grundbedingungen zur Bildung eines selbständigen Territoriums für beide.

Das heutige Fürstentum Ratzeburg ist bekanntlich das Gebiet des alten Bistums Ratzeburg. Zu diesem gehören noch einige Enklaven 2 ) im Kreise Herzogtum Lauenburg, nämlich das alte Klotesfelde, das heutige adlige Gut Horst, ferner die Bauerndörfer Mannhagen, Walksfelde und Panten. Diese kommen aber für die folgende Untersuchung ebensowenig in Betracht wie das heutige adlige Gut Dodow in der Nähe von Wittenburg, das im Mittelalter eine Zeitlang bischöfliche Residenz war, denn infolge ihrer getrennten Lage haben sie sich auch gesondert entwickelt. - Das heutige Fürstentum ohne diese Enklaven ist nicht als ein geschlossenes Gebiet bei der Gründung des Bistums dem ersten Bischofe Evermodus verliehen, sondern die Bildung dieses geschlossenen Territoriums war ein längerer geschichtlicher Vorgang, und dieser muß hier dargestellt werden, weil er das Verdrängen des adligen Grundbesitzes und die Entstehung eines im wesentlichen bäuerlichen Besitzes unter Hohheit des Bischofs oder des Domkapitels in sich schließt.

Der erste Landbesitz wurde dem neugegründeten Bistume von Heinrich dem Löwen verliehen. Im Jahre 1158 machte


2) Diese Enklaven sind Reste des im dreizehnten Jahrhundert noch sehr zerstreut liegenden Besitzes des Stiftes. Klotesfelde war, wie Römnitz und Ziethen, ein altes Klostergut, und dazu gehörte das Dorf Oldenburg, dessen Lage noch heute an dem gleichnamigen Walle zu erkennen ist. Im Jahre 1294 bekam das Domkapitel die Hoheitsrechte darüber von den Herzögen Johann und Albrecht von Sachsen. Das heutige Gut Horst ist von den Wackerbarts zu Kogel und Sterlei, die 1573 das Dorf Oldenburg und die wüste Feldmark Klotesfelde erwarben, begründet worden. Der statt Klotesfelde aufgebaute Hof hieß zuerst Neurad, später Horst. - Panten, Mannhagen und Walksfelde gehörten zu den bischöflichen Dörfern. Sie wurden wiederholt verpfändet oder verkauft, dann aber immer wieder eingelöst.
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dieser zwei zeitlich etwas auseinanderliegende Schenkungen. Die erste umfaßte die vier Dörfer Römnitz (Rodemuzle), Ziethen, Farchau und Kolaze, das spätere Klotesfelde und heutige Horst, im ganzen fünfzig Hufen im Lande Ratzeburg, die zweite 250 Hufen, nämlich das Land Boitin, d. h. den Norden des heutigen Fürstentums und zehn in den einzelnen Teilen der Diözese zerstreut liegende Bischofshöfe. Das Land Boitin war mithin das erste geschlossene Gebiet des Bischofs, und deshalb werden die späteren Erwerbungen südlich davon, im Lande Ratzeburg, und östlich, in Mecklenburg, in den Urkunden ausdrücklich dem Lande Boitin zugelegt. Mit dem Bistum zugleich wurde das Domkapitel eingerichtet, welches hier einen ganz eigentümlichen Charakter an sich trug. Im benachbarten Erzbistum Bremen=Hamburg und gewiß auch in den Bistümern Schleswig und Ripen wurden im zwölften Jahrhundert aus dem gemeinsamen, nach der Benediktinerregel lebenden Konvente die Kapitel ausgeschieden, und damit zugleich wurden in der üblichen weltlichen Form Pfründen den Domkapitularen zugewiesen. So verweltlichten diese Domherren schon früh, wie z. B. in Bremen und Hamburg bereits im elften Jahrhundert unter dem berühmten Erzbischof Adalbert 3 ). In Ratzeburg dagegen nahm das Kapitel die strenge Prämonstratenserregel an, die derjenigen Augustins eng verwandt war. Die Kapitulare lebten zusammen im Kapitelshause ganz wie Mönche strengster Observanz, aber, was anderswo gleich geschah, die Erwerbung von Pfründen und die Verweltlichung des Lebens, mußte auch hier allmählich im Laufe der Zeit eintreten. Was ihre Einkünfte anbetrifft, so war in der Dotationsurkunde ausgemacht, daß die Einnahmen des Stiftes Zur Hälfte dem Propste und dem Kapitel, zur anderen Hälfte dem Bischof zukommen sollten, aber der Verwalter aller Einkünfte blieb zunächst noch der letztere, und er gewährte den Brüdern das zum Lebensunterhalte Notwendige. Eine reinliche Scheidung fand erst im Jahre 1194 unter Bischof Jsfried statt, und zwar infolge seiner Streitigkeiten mit dem herrschsüchtigen und habgierigen Propste Otto 4 ). Nach der uns erhaltenen Tei=


3) S. Kirchengeschichte Schleswig=Holsteins von Hans von Schubert I, S. 244 und Hellwig, Das Benediktinerkloster und die ersten 25 Jahre des Bistums und Prämonstratenser=Domkapitels in Ratzeburg im neuen Archiv für Lauenb. Gesch. 7, 2 S. 13 ff.
4) Nach Winter, Geschichte der Prämonstratenser im nordöstlichen Deutschland S. 175 hatte dieser Propst Otto darauf gerechnet, Bischof zu werden, und reizte später die Klosterbrüder gegen den Bischof Jsfried auf, der aus dem Kloster Jerichow bei Magdeburg zum Bischof berufen war.
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lungsurkunde bekam das Domkapitel ganz Römnitz mit Zins und Zehnten, ganz Ziethen mit Zubehör in der Parochie Schlagsdorf, denn das Dorf bekam erst am Ende des sechzehnten Jahrhunderts eine eigene Kirche, Mechow mit dem halben Zehnten und ebenso Schlagbrügge. In dem Lande Boitin wurden folgende Dörfer aus dem bischöflichen Besitze ausgeschieden und dem Domkapitel gegeben: Lenschow, Palingen, Wahrsow, Lüdersdorf, Lauen, Teschow, Malzow, Petersberg, Niendorf und Bistenowe (das heutige Ollndorf), alle mit Zubehör. Bischöfliche Dörfer blieben: Schönberg, Schwanebek, Zarnewenz, Boitin=Sülsdorf (zu unterscheiden von Schlag=Sülsdorf im Süden des Fürstentums), Bardowiek, Selmsdorf, Herrnburg, Kleinfeld und wahrscheinlich Klein=Siems, Bechelsdorf, Boitin=Resdorf (zum Unterschiede von Schlag=Resdorf im Süden so genannt). Diesen Besitz zu erweitern, war das stete Streben des Kapitels und des Bischofs, und beide erreichten das auf Kosten des Adels, der seinen Grundbesitz. verkaufte, und der schwachen Herzöge von Sachsen=Lauenburg, die ihre Hoheitsrechte über die Besitzungen des Adels für Geld abtraten. Zum Teil haben auch die benachbarten mecklenburgischen Fürsten solche Rechte veräußert. - Von großer Bedeutung war es ferner, daß die Reichsstandschaft von dem Kaiser erworben wurde. Im März des Jahres 1236 erschien der damalige Bischof Petrus persönlich am Hoflager Friedrichs II. in Hagenau im Elsaß und erhielt die Investitur der zeitlichen Güter, die einst Heinrich der Löwe über die neuen Bistümer im Norden ausgeübt hatte. Der Kaiser nahm den Bischof und seine Nachfolger, das Kapitel, die Besitzungen, Zehnten und alle Güter und Rechte der Kirche in seinen und des Reiches besonderen Schutz, ebenso auch die Besitzungen; welche das Stift künftighin unter rechtmäßigem Titel erlangen würde.

Mit zunehmendem Besitze aber verweltlichte das Domstift immer mehr. Die anfänglich großen Überschüsse der Einnahmen wurden allerdings im dreizehnten Jahrhundert noch auf den Bau des Domes und der Domgebäude, sowie anderer Kirchen verwandt, aber diese Bauten und die Verwaltung der mannigfachen Einkünfte brachten es mit sich, daß eine andere Organisation des Stiftes eintrat. An Stelle der zwölf einfachen Priester, die unter dem Propste gestanden hatten, trat jetzt eine Reihe von höheren geistlichen Beamten, deren Name zum Teil schon auf weltliche Ämter hinweist. Dem Propste, der allmählich eine dem Bischofe gleiche Stellung bekommt und sich öfter mit

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ihm im Streite befindet, treten der Prior und der Kustos zur Seite, und unter diesen standen der thesaurarius oder camerarius als Schatzmeister und der structuarius oder Bauverwalter. Weniger angesehen waren der Kantor und die officiales. Im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts bestand der Konvent aus sechzehn Priestern, vier Diakonen und vier Subdiakonen und dem Propst als Fünfundzwanzigsten. Dazu kamen aber noch mehrere Laienbrüder, sog. conversi, die zu allerlei Diensten verwandt wurden. Zur Verrichtung der gottesdienstlichen Funktionen wurden immer mehr Vikare eingesetzt, und im Laufe der Zeit hörte auch das Zusammenleben im Kloster auf, wo nur noch die gemeinschaftlichen Mahlzeiten stattfanden. Die Domherren selbst wohnten in ihren Kurien auf dem Domhofe 5 ).

So löste sich das Prämonstratenserstift allmählich auf. Die Domherren bildeten unter dem Propste eine Art von geistlicher Aristokratie, und das so umgestaltete Domkapitel nutzte ebenso wie der Bischof die traurigen Geldverhältnisse des landsässigen Adels, wie sie auch in anderen Gegenden Deutschlands im vierzehnten Jahrhundert hervortraten, zu dem Zwecke aus, um den Grundbesitz dieses Adels anzukaufen.

Daß ein solcher Adel im Fürstentum Ratzeburg ebenso ansässig war wie im benachbarten Lauenburg und Mecklenburg, dafür ist das Zehntenregister des Bistums Ratzeburg vom Jahre 1230 das erste Zeugnis. In diesem wichtigen Dokumente sollten die Zehntenrechte der Kirche für alle Zeiten festgestellt werden, und zwar war genau aufgezeichnet, in welchen Dörfern das Stift und in welchen die bischöfliche Tafel zur Erhebung des Zehnten berechtigt war. Nach dem Vertrage, der zwischen Heinrich dem Löwen und Heinrich von Bodwide, dem ersten Grafen von Ratzeburg, im Jahre 1154 abgeschlossen war, behielt der Landesherr den halben Zehnten, und in andern Dörfern wieder behalten diese Hälfte die Allodbesitzer, die da ansässig waren, und so ist das Register, das alle Inhaber der Zehnten aufzählt, für uns vor allem auch eine wertvolle Urkunde dafür, welche adligen Grundbesitzer damals in den Dörfern Besitz hatten. Es ist zu bedauern, daß in der Regel nur die Vornamen angegeben sind, und es ist auch nicht möglich, aus dem Namen des Dorfes mit voller Sicherheit den späteren Familiennamen des dort an=


5) S. Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg (von jetzt an einfach als "Masch" angeführt) S. 209 und Hellwig a. a. O. S. 16.
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sässigen Geschlechtes zu ergänzen, weil der Besitz des Adels damals noch Streubesitz war, d. h. sich auf verschiedene, zum Teil weit auseinander liegende Dörfer erstreckte. Außerdem ist zu bemerken, daß für Boitin keine adligen Besitzer angegeben sind, weil hier der Bischof bezw. das Domstift im Genuß des ganzen Zehnten war. Damit ist aber natürlich nicht ausgeschlossen, daß auch hier ein adliger Grundbesitz bestand.

Im Süden des Fürstentums ist nach seinem Besitze in Molzahn benannt Johann, zugleich Zehntenbesitzer in Schlagsresdorf (Ratisdorf) und auch wohl in Schlagsdorf. In Schlagresdorf hat neben diesem Johann noch ein Herr Bernhard von Wigenthorp den Zehnten von vier Hufen, der zwischen 1224 und 1255 wiederholt am Güstrower Hofe in hervorragender Stellung nachzuweisen ist 6 ). In dem Dorfe Karlow und in dem ausdrücklich davon geschiedenen slavischen Karlow finden wir einen Gottschalk, ohne Zweifel einen Ahnherrn der späteren Herren von Karlow. Derselbe hatte auch Besitz in Demern und Schattingsdorf. Ein anderer Gottschalk ist bischöflicher Vasall auf Dechow und Röggelin. In Rieps haben wir als Zehntenbesitzer einen Wezel und einen Segest; wahrscheinlich ist dieses derselbe Segest von Itzehoe, Bürger in Lübeck, der in einer Ratzeburger Urkunde vom 7. Mai 1238 vorkommt. In Stove und Rünz ist ein Lüthard Zehntenbesitzer, wahrscheinlich ein Ahnherr des Geschlechtes von Stove.

Bestimmt sind in späteren Urkunden noch folgende Adlige nachzuweisen. Aus einem später untergegangenen Dorfe Lassan im Fürstentum, das bei Karlow in der Vogtei Stove lag und nicht mit dem Dorfe Lassan am Schalsee verwechselt werden darf, stammen die gleichnamigen Adligen, die Besitz hatten in Schlagsdorf. Im Norden des Landes, in Petersburg, finden wir im vierzehnten Jahrhundert die Familie von Zecher. - Dazu kommen noch einzelne Geschlechter, deren Hauptbesitz im heutigen Herzogtum Lauenburg lag, die aber daneben in einzelnen Dörfern des jetzigen Fürstentums Ratzeburg begütert waren. So finden wir im vierzehnten Jahrhundert die Ritzeraus, deren Stammgut Ritzerau nicht weit von Mölln, bei Nusse, lag, auch in Mechow, Schlagsdorf, Lankau und Molzahn, die Scharfenbergs in Wendorf und Rieps, die Grönaus in Stove und den benachbarten Dörfern. Einem sehr weit, nämlich in


6) S. Hellwig, Das Zehntenregister des Bistums Ratzeburg, Jahrbuch 69, S. 303.
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Holstein, Lauenburg und Mecklenburg, verbreiteten Geschlecht gehören die Herren von Plön an, die in Schlag=Sülstorf begütert waren. Aus diesen Ausführungen sehen wir schon, daß der Grund= und Zehntenbesitz dieser Adligen weit zerstreut lag. Es konnte sogar vorkommen, daß in einem Dorfe mehrere Adlige Besitz hatten, wie z. B. in Schlagsdorf die Lassans, die Ritzeraus und die Herren de palude (von dem Broke).

Ehe wir aber betrachten, wie dieser Adel von dem Domkapitel und von dem Bischofe ausgekauft wurde und so aus dem Lande verschwand, müssen wir einen anderen wichtigen Vorgang ins Auge fassen, der mit jenem Kaufe verbunden sein mußte, nämlich den Erwerb der weltlichen Hoheitsrechte über die gekauften Güter. Diese Rechte des Landesherrn, die auch Regalien genannt werden, waren folgende: Zunächst besaß der Fürst die höhere Gerichtsbarkeit, das indicium colli et manus, während er die niedere schon früh den einzelnen Grundherren überlassen hatte. Ursprünglich lud er durch seinen Vogt alle freien Männer zum Landesthing, hatte das Recht, Strafgelder aufzulegen wegen Nichterscheinens und zog auch die Bußgelder ein. Als oberster Gerichtsherr erhob er auch von jedem bewohnten Hause, und zwar ohne Unterschied, ob es groß oder klein war, ein Rauchhuhn, denn eigner Rauch (egen rok) ist nach einem alten Satze eigne Haushaltung.

Regalien sind ferner die Beden, deren Einteilung in große und kleine Beden wir unten kennen lernen werden, wenn wir die eigentümlichen Verhältnisse des Fürstentums betrachten. Eine andere Einteilung, wie wir sie in einer Urkunde des Jahres 1323 finden, ist die in Schweinen oder in anderem Vieh, in Getreide oder in Geld bestehende Bede. Für die an erster Stelle genannte findet sich auch die Benennung Schweinebede. Nun ist die Frage, ob dieses dieselbe Abgabe ist wie das Schneidelschwein, die Swineskult, die Swinepenge und die inscisio oder inscisiones porcorum. Ich möchte mich der Ansicht zuneigen, daß auch diese Abgabe wie die Schweinebede eine Gegenleistung der Untertanen ist für die Benutzung der Forsten zur Schweinemast, die ohne Zweifel in den vielen Eichenwäldern des nördlichen Deutschlands eine sehr ausgedehnte war. Der Wald als solcher, sowie der Jagd und die Mast in demselben waren Eigentum des Landesherrn 7 ), wie auch die Gewässer des Landes mit der Fischerei, die ganz besonders gepflegt wurde.


7) Zunächst lassen sich alle im Text aufgeführten Namen mit der Benennung "Schweinebede" vereinen. Schneidelschwein bedeutet Schlacht= (  ...  )
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Zu den Regalien müssen auch die Dienste gerechnet werden, Zu denen die Untertanen der Landesherrschaft gegenüber verpflichtet waren. Besonders hervorzuheben sind das Burgwerk, das Brückenwerk und die Landwehr. Das erstere verpflichtete die Bauern, die Burgen des Landesherrn, in diesem Falle das Schloß in Ratzeburg in Stand zu halten. Sie mußten Planken schneiden und Planken ziehen, wofür sich das spätlateinische Wort plancare findet, und Zäune verfertigen. Das Brückenwerk bestand darin, daß die Bauern die Brücken des Landes erhalten und erforderlichenfalls neue bauen mußten. Hier kommt vor allem die lange Brücke in Betracht, die Ratzeburg mit dem östlichen Ufer des Festlandes verband, und wir werden sehen, wie einem jeden Bauern der benachbarten Dörfer ein ganz bestimmter Teil der Brücke zum Ausbessern zugewiesen war. Die Landwehr schließlich war das Aufgebot aller freien Männer zum Kriege. Die Masse diente zu Fuß, doch gab es auch schon bestimmte Hufen, an welche die Verpflichtung zum Reiterdienste geknüpft war. Dafür brauchten von ihnen keine anderen Abgaben bezahlt zu werden. Die Arbeiten und Dienste waren ursprünglich ungemessen und erstreckten sich auch erforderlichenfalls über jene drei genannten hinaus. So konnten die Fürsten Fuhrdienste verlangen und zu Wege= und Wasserbauten die Bauern nach Be=


(  ...  ) Schwein, denn snîden kommt im Mittelniederdeutschen öfter in der Bedeutung "schlachten" vor, und das eingeschobene "l" ist ebenso dialektisch wie in Bindeltag, Mäheltag u. a. Ausdrücken. Inscisio ist nach du Cange soviel wie tallia und wird schon im elften Jahrhundert von ländlichen Abgaben gebraucht. Die Worte swineskult und swinepenge bedürfen nicht der Erklärung. - Auch sachlich gehören alle diese Abgaben zu vor swinebede, d. i. der Abgabe für Benutzung des Waldes zur Mast, wie sie im Tert erklärt ist. In einer Urkunde aus dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts reservieren sich Propst und Domkapitel das dominium über Waldungen und Holz und die inscisio porcorum, cum fuerit opportuna. In einer anderen Urkunde ist ein förmlicher Vertrag abgeschlossen über die einzelnen Teile der Wälder, des Holzes und der Abgaben von Schweinen. - Die Schweinebede oder das Schneidelschwein scheint in natura entrichtet zu sein, und zwar mußte jeder Hufner oder Kätner nach einer Aufzeichnung des Jahres 1700 das dritte Schwein an die Herrschaft geben. Da aber diese Steuer sozusagen an dem Lande haftete wie die Beden überhaupt, so wurde von wüsten Hufen, die von andern Bauleuten bebaut wurden, eine Abgabe für Schneidelschweine verlangt (s. Register des Jahres 1525 bei Schwanbeck). Da diese in Geld bestand, würde der Ausdruck swinepenge dafür passen. Im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts wurden die Schneidelschweine sämtlich für Geld abgelöst. - Wenn sich in den Heberegistern aus späterer Zeit eine eigne Rubrik für verkaufte Mast findet, so steht das nicht im Widerspruch mit der obigen Erklärung des Schneidelschweines, denn diese Summe konnte für anderes Vieh bezahlt werden, das (  ...  )
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lieben aufbieten. Noch im Jahre 1390 versprach Herzog Erich IV. von Lauenburg den Lübeckern, daß er mit seinen und seiner Mannen Bauern bei dem Ausgraben der Delvenau helfen wolle, und diese Bauern mußten sich selbst beköstigen.

Diese Regalien machten erst die Landeshoheit aus, und so mußte das Streben des Bischofs und des Domkapitels darauf gerichtet sein, von dem bisherigen Landesherrn sich diese Rechte Zu erkaufen. Beide gehen dabei ganz getrennte Wege, und deshalb müssen wir die beiden Territorialbildungen gesondert betrachten.

 

Kapitel II.

Die Territorialbildung des Domkapitels.

Das Domkapitel mußte sich im dreizehnten Jahrhundert zunächst für die Gebiete, welche es in der Teilung von 1194 erworben hatte, die Hoheitsrechte verschaffen, und zwar für die Besitzungen in Boitin, also im Norden des heutigen Fürsten=


(  ...  ) auch in die Wälder getrieben wurde, wie für Pferde und Kühe. - Wenn endlich oft diese Schneidelschweine mit den Snidelämmern (die Findelämmer des Registers von 1525 sind doch wohl ein Schreibfehler dafür, denn sie geben keinen Sinn), Gänsen, Flachs, also mit dem kleinen Zehnten zusammengestellt werden, so müssen sie doch ihrem Ursprünge nach von ihnen scharf geschieden werden, weil sie nicht eine Abgabe an die Kirche, sondern eine landesherrliche Steuer waren. Das zeigen uns auch urkundliche Zeugnisse. Nach dem Register des Jahres 1525 hat in Sülstorf Hans Kassow eine Hufe; dafür zahlt er dem Pastor Pacht und Zehnten. Dem Bischof aber gibt er einen Gulden für Wochendienst und die inscisiones porcorum. In Falkenhagen besitzt das Kloster Reinfeld zwei Hufen. Der Bischof von Ratzeburg hat darüber einen Gulden Schutzgeld und das höchste Gericht. Unter den Abgaben an das Kloster wird nicht das Schneidelschwein angeführt. In Lüdersdorf hatte im Jahre 1652 der Rittmeister v. Mynsicht vier wüste Hufen gemietet, welche dem zeitigen Pastor in Herrnburg gehörten. Daher entrichtet er diesem Dienstgeld, Zehnten und Schneidelamm. Das Schneidelschwein aber und die Pacht bekommen die Herren Kapitulare. - Schließlich ist noch zu bemerken, daß Dorfbewohner teilweise freie Mast für eine bestimmte Anzahl von Schweinen hatten, dann fällt das Schneidelschwein natürlich weg. In dem Inventar des Jahres 1652 heißt es: Unterholz ist bei Lankow so viel, daß bei voller Mast 80 Schweine fett gemacht werden können. Es haben aber die Lankower Bauern, deren jetzt drei sind, die Gerechtigkeit, daß ein jeder zehn Schweine Mast frei im Jahre hat. Bei der Aufrechnung der Einnahmen findet sich die Bemerkung: Hölzungen: Mast für 1030 Schweine, doch an etlichen Orten sind die Untertanen befugt, ihre Schweine hineinzutreiben.
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tums, von dem Bischofe, und für die im Lande Ratzeburg, also im Süden gelegenen, von dem Herzoge von Sachsen=Lauenburg. Im Jahre 1282 bestimmte der Bischof Ulrich, das Domkapitel sollte in seinen Gütern die niedere Gerichtsbarkeit haben. Der bischöfliche Vogt sollte richten in Gegenwart des Propstes oder seines Abgeordneten, und die Sühnesumme sollte ganz dem Propste und der Kirche gehören. Die höhere Gerichtsbarkeit, über Hals und Hand, stand allerdings dem Bischofe zu, aber wenn die Sache ausgeglichen war, bekam das Kapitel die Hälfte der Sühne, und diese ging der des Bischofs vor. Ferner bekam das Kapitel den freien Holzhieb in seinen Waldungen und in den Gewässern so viel Recht zu fischen, wie in den Privilegien festgesetzt war. "Die Bede aber, welche der konsumierte oder konsekrierte Bischof über das ganze Land Boitin anordnen wird, soll ihm bleiben wegen der aufgewandten Kosten, die Regalien vom Kaiser oder Könige zu erlangen. Das Recht, solche Beden zu machen, bleibt beim Bischof."

Diese Bestimmungen wurden im Jahre 1288 von dem Bischof Konrad zugunsten des Kapitels noch etwas abgeändert. So soll der Vogt des Bischofs bei der Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit nicht zugegen sein, und die bischöflichen Leute, welche in den Gütern des Kapitels gefehlt hatten, wurden unter die Jurisdiktion der Offizialen des Kapitels gestellt. Wenn die Untertanen des Kapitels in des Bischofs Gütern etwas verbrochen hatten, so richtete der Vogt des Bischofs, aber die Hälfte der Sühne kam dem Kapitel zu. Auf die Gewässer und Waldungen in den Besitzungen des Kapitels verzichtet der Bischof für sich und seine Nachfolger.

Inbezug auf die im Lande Ratzeburg liegenden Güter des Domkapitels bestimmte der Herzog Albrecht von Sachsen schon im Jahre 1238, daß jenes in allen diesen Gütern die Macht haben sollte, in kleineren Sachen zu richten; in Fällen der höheren Gerichtsbarkeit sollten, wenn die Sache vertragen wäre, zwei Teile der Sühne dem Propste und ein Teil dem herzoglichen Vogte zufallen. Noch viel weiter gingen die Räte der unmündigen Herzöge von Sachsen=Lauenburg im Jahre 1294. Sie verkauften nicht nur eine Reihe von Gütern außerhalb des jetzigen Fürstentums, sondern sie traten auch fast alle Hoheitsrechte über die Güter des Kapitels gegen eine hohe Geldsumme ab. So wurde die höhere und die niedere Gerichtsbarkeit verkauft, und jene Güter wurden von allen Lasten befreit, von jeder

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Bede, von allen Forderungen, die bisher gemacht waren, an Schweinen, Geld und Korn, so daß den Herzögen nichts mehr Zustand. Die Verpflichtung zum Landthing, dem Landgerichte, Zu kommen, hörte auf, sobald das Kapitel nicht damit einverstanden war, und was das Burgwerk und Brückenwerk anbetrifft, so sollten die Bauern dazu nur durch den Propst und seine Beamten aufgeboten werden, wenn der Herzog diese davon benachrichtigte. Sie sollen auch nur zur Befestigung des Schlosses Ratzeburg und zur Wiederherstellung der Brücke daselbst verpflichtet sein, und ebenso sollen die Mannen der Kirche, die zum Ziehen von Gräben und zum Zusammenbringen von Dammerde verpflichtet sind, diesen Verpflichtungen nicht außerhalb des Territoriums nachzukommen brauchen. Die Säumigen sollen vom Propst bestraft werden. Dieses sind die ersten großen Freiheiten, die der schwachen Landesherrschaft abgekauft wurden;

von jetzt an geben die Herzöge ebenfalls gegen Geld die Genehmigung zu allen neuen Erwerbungen des Domstiftes und treten ein Hoheitsrecht nach dem anderen ab.

Jene Erwerbungen des Domkapitels sind nach den betreffenden Urkunden von Masch im Verlaufe seiner Darstellung der Geschichte des Bistums Ratzeburg einzeln aufgezählt. Kurz zusammengefaßt und nach den adligen Geschlechtern, die ihren Grundbesitz verkauften, geordnet, sind es folgende: die Herren von Ritzerau traten im Jahre 1306 sechs Hufen in Schlagsdorf ab und bekamen dafür Güter in Walksfelde, die ihren Stammbesitz in der Nähe von Mölln abrundeten. Im Jahre 1312 verkauften sie Lankow im heutigen Fürstentum für 220 Mark lübscher Pfennige, im Jahre 1350 ihren Besitz in Mechow für 2000 Mark, und im Jahre 1370 schenkte Hartwig von Ritzerau Groß= und Klein=Molzahn an das Domkapitel, nachdem schon 1304 vier Mark Einkünfte aus Molzahn von den Ritzeraus zu Memorien, d. h. zu Seelenmessen für Verstorbene, gewidmet waren. - In Schlagsdorf finden wir außer den Ritzeraus noch die Herren von dem Broke (de palude) und von Lassahn als Grundbesitzer. Siegfried von dem Broke verzichtete im Jahre 1302 zugunsten des Domstiftes auf 11 1/2 Hufen in Schlagsdorf und zwei in Schlagbrügge und erhielt dafür Güter des Domstiftes in den Vierlanden, und vier Gebrüder von Lassahn verkauften 6 1/2 Hufen in Schlagsdorf. Damit war, wie urkundlich besonders hervorgehoben wird, dieses ganze Dorf Eigentum des Domkapitels geworden. - Von den Bülows auf Röggelin erwarb das Domstift die Dörfer Schlagbrügge und Schlagresdorf, und

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dafür gab ihnen das Stift Goldensee und noch dazu 1500 Mark. Im Jahre 1395 wurden die Dörfer Rieps und Wendorf für 2000 Mark Detlef von Scharpenberg abgekauft.

Etwas schwieriger gestaltete sich der Erwerb von Schlag= Sülstorf, Thandorf und Groß=Mist. Im Jahre 1334 kaufte Herzog Erich von Sachsen=Lauenburg von der einzigen Tochter des verstorbenen Ritters Otto von Plön, ihrem Gemahl Ludolf von Hasenkop und dem Knappen Otto von Plön, dem Vormunde der Erben des Ritters, die Dörfer Sülstorf und Thandorf im Kirchspiel Schlagsdorf für 1300 Mark lübscher Pfennige. Diese beiden Dörfer mit allem Zubehör verkaufte darauf der Herzog dem Kapitel für 2100 Mark mit Zustimmung seiner Gemahlin Elisabeth, welche diese Dörfer zu ihrer Ausstattung erhalten hatte, und seines Vetters Albrecht, der zugleich Bürge ward. Schwierigkeiten machten noch die Ansprüche eines Gläubigers, jenes oben genannten Otto von Plön, doch wurden diese im Jahre 1339 beseitigt. - Über den Hof in Sülstorf (Schlag=Sülstorf) entstand dadurch Streit, daß drei Gebrüder Plön 1341 darauf Ansprüche machten; doch der erwählte Schiedsrichter, Berthold von Ritzerau, entschied dahin, daß die in Anspruch genommenen Besitzteile nur 36 Mark wert wären, und daß die Herren von Plön nur ein Drittel davon verlangen könnten. Diese zwölf Mark bezahlte dann das Kapitel gleich aus. - Das Dorf Groß=Mist hatten die Erben des lübeckischen Bürgers Gottfried von Cremon für 375 Mark verkauft. Es wurde dann nebst Sülstorf und Thandorf vom Lande Ratzeburg getrennt und zu Boitin gelegt. Duvennest endlich wurde im Jahre 1320 von dem Bischof Marquard eingetauscht, der dafür Einkünfte aus Retelsdorf und Törpt, sowie zwei Hufen in Panthen bei Mölln bekam, die das Kapitel vorher gehabt hatte.

Mit diesem Verkaufe des Grundbesitzes durch die Adligen war eine Veräußerung der herzoglichen Hoheitsrechte verbunden. Indessen traten die Landesherren diese nicht gleich im vollen Umfange ab. So hatten sie im Jahre 1302 bei den 11 1/2 Hufen, die in Schlagsdorf von dem Herrn von dem Broke veräußert wurden, sich die Verpflichtung der Bewohner zu Brückenwerk, Burgwerk und Landwehr vorbehalten. Im Jahre 1307 dagegen, als ganz Schlagsdorf verkauft war, da behielten sich die Herzöge nur die Landwehr vor, vom Brückenwerk dagegen, sozusagen um das Prinzip zu retten, nur die Verpflichtung einer Hufe dazu. Dafür sollten die Bauern von Lankow diese Dienste leisten. Im Dorfe Groß=Mist hatte sich der Herzog von den Bauern dieselbe

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Verpflichtung anfangs vorbehalten, aber im Jahre 1336 kaufte das Domkapitel das Brückenwerk für dieses Dorf, sowie auch für Sülstorf und Thandorf jenem ab mit Hebungen aus Ratzeburg und anderen Diensten. Interessant ist dabei, daß die Erhaltung der langen Brücke bei Ratzeburg unter verschiedene Dörfer verteilt war. Die Worte der Urkunde, die uns auch über das Verhältnis des Propstes und des Kapitels zur weltlichen Gewalt aufklären, lauten folgendermaßen: "Wenn die offenbare Notwendigkeit drängt, dann soll an jenem Teile der Brücke, der Zum Kirchspiel Schlagsdorf gekommen ist, unser Bauherr (structuarius) einen Pfeiler einschlagen, und außerdem, wenn das Land Ratzeburg gemeinsam zum Burgwerk aufgeboten wird, dann soll der Bauherr unserer Kirche zu diesem Burgwerk selbst alles tun, was durch sechs Hufen vom Lande Ratzeburg zu leisten ist. Stellt sich aber heraus, daß er darin nachlässig ist, dann wird unser ganzes Kapitel für die sechs Hufen den verlangten Dienst leisten." Dieses Burg= und Brückenwerk für das Schloß Ratzeburg wird noch im Jahre 1394 den Bauern von Rieps und Wendorf eingeschärft, aber weder der Herzog, noch dessen Vogt sollen dazu aufbieten, sondern, wie es in der Urkunde des Herzogs heißt, "wenn wir oder unsere Erben oder unsere Vögte das dem Propste mitteilen, dann soll er oder sein Vogt die Bauern dazu aufbieten, und der Propst soll dann mit Strafen gegen solche einschreiten, die träge oder widersetzlich sind". Und auch bei dem Burgwerk wird, wie wir oben schon bei dem Brückenwerk sahen, scharf darauf gehalten, daß die Stiftsbauern nur einen bestimmten Teil der Befestigung übernehmen. Im Jahre 1397 besichtigten der Prior Georg Marschalk und der Offizial Johann Crempe seitens des Kapitels, und der Vogt Gottschalk von Züle, sowie der Untervogt Heinrich Kock seitens des Herzogs den Teil des Schlosses Ratzeburg, an welchem die Bauern des Stiftes den Wall aufzuführen hatten. Er wurde mit der Rute von sechzehn Fuß ausgemessen, und es waren einundzwanzig und nicht mehr Ruten. Gewiß war diese Beschränkung der bisher dem Herzoge geleisteten Dienste eine große Erleichterung ihrer Lasten für die Bauern des Stiftes, und die geistliche Herrschaft ihrerseits wird sie nicht zu vielen Diensten herangezogen haben, denn befestigte Plätze haben wir nach der Zerstörung der Raubburgen nicht mehr im Gebiete des Domstiftes außer Mechow, bei dem in einer Urkunde ein propugnaculum genannt wird, das vor allem wohl gegen die von Osten her das Land bedrohenden Raubritter aus Mecklenburg

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errichtet war. 8 ) Einmal werden an der Ostgrenze Befestigungen erwähnt, die als Landwehr gegen diese Ritter den Bauern selbst sehr zu statten kamen. Im Jahre 1362 wurden die Dörfer Schlag=Restorf und Schlagbrügge an das Domkapitel vertauscht, wie wir schon oben sahen. Der Herzog von Lauenburg trat bei der Gelegenheit seine Hoheitsrechte in ausgedehntem Maße ab, ja auch die Verpflichtung der Bauern zum Besuche des Landthings sollte aufhören; sie sollen gegen ihren Willen nicht dazu gezwungen werden. Ebenso sollen sie von der Landwehr befreit sein. Dann aber wird fortgefahren: "Das Kapitel darf durch seine Arbeiter den kleinen Bach, die Witebeke, durch Ausgraben vertiefen und durch andere Gräben schützen und den Weg und die Straße, die jetzt jenseits der Witebeke geht, zerstören und einen anderen Weg, wenn sie so beschließen, nach ihrem Gutdünken einrichten." Auf jeden Fall ist hierunter ein Landwehrgraben zu verstehen, wie er um dieselbe Zeit von Ratzeburg nach Mölln gegen die Raubritter aufgeführt wurde.

Eine große Erleichterung war es auch für die Bauern des Domstiftes, daß die landesherrlichen Beden als regelmäßige, drückende Abgaben wegfielen. Denn die sog. ordentliche Bede wurde, wie wir oben bei den Regalien sahen, ursprünglich durch den Fürsten des Landes von allen Hufen erhoben, und zwar unterschied man die große Bede, die Martini bezahlt wurde, von der kleinen, die Walpurgis, also am 1. Mai fällig war. Sie nahm in Mecklenburg fast den Charakter eines feststehenden und bevorzugten Kanons an. 9 ) Die lauenburgischen Herzöge aber haben schon früh ihren Vasallen gegenüber, wie auf andere Hoheitsrechte, so auch auf die Erhebung der regelmäßigen Bede verzichtet, und zwar gegen eine bare Geldsumme, die sie zur Tilgung ihrer Schulden dringend nötig hatten. 10 ) Und so ver=


8) Bei der Verleihung der Hoheitsrechte über Mechow durch den Herzog Erich heißt es: villam dictam Mechowe cum curia ac propugnaculo.
9) S. in diesen Jahrbüchern 51. Band den Aufsatz von Ahlers: "Das bäuerliche Hufenwesen in Mecklenburg zur Zeit des Mittelalters" S. 51, und vor allem die ausführliche Abhandlung von Dr. Ad. Brennecke: "Die ordentlichen direkten Staatssteuern Mecklenburgs im Mittelalter" im 65. Band dieser Jahrbücher.
10) Am 15. Dezember 1288 befreite der Herzog Albrecht von Sachsen seine Vasallen im Lande Ratzeburg für die Bezahlung seiner Schuld im Betrage von 4000 Mark Hamb. Pf. auf seine und seiner Neffen Lebenszeit von aller Schatzung und Bede. S. Paul Hasse, Schlesw.=Holst. Urk. und Reg. Ähnlich lautet die Erklärung der Herzöge Albrecht und Erich von Sachsen vom Jahre 1303.
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kauften sie auch im vierzehnten Jahrhundert mit den Hoheitsrechten über die adligen Güter, die in die Hände des Domkapitels und der bischöflichen Tafel übergingen, zugleich diese Abgabe. Die Bauern von Groß=Mist, um nur einige Beispiele anzuführen, sind nach einer ausdrücklichen Zusicherung des Herzogs frei von der großen und kleinen Bede und ebenso nach einem besonderen herzoglichen Privileg die Hufner in Lankow. Auch die Herzöge von Mecklenburg verkauften diese Beden mit, wenn sie auf das Hoheitsrecht über ihre Güter verzichteten, wie Z. B. bei der Übertragung des Dorfes Lypse (Lübsee). 11 ) Ist aber hiermit auch die fürstliche Bede aufgehoben, so hörte doch nicht die Verpflichtung der Hintersassen des Domkapitels und der bischöflichen Tafel auf, an diese eine Bede zu zahlen. Im Jahre 1282 schon bestimmte Bischof Ulrich bei der schon oben erwähnten Verleihung von Hoheitsrechten an das Domkapitel ausdrücklich: Die Bede aber, welche der konfirmierte oder konsekrierte Bischof über das ganze Land Boitin anordnen wird, soll ihm bleiben wegen der aufgewandten Kosten, die Regalien vom Kaiser oder König zu erhalten; das Recht aber, solche Beden zu machen, bleibt beim Bischofe. Im Jahre 1288 wurde von dem Nachfolger Ulrichs, von dem Bischofe Konrad, dem Kapitel die Bede von Schweinen in den Kapitelsdörfern ganz überlassen und bestimmt, daß, wenn der Bischof eine Bede von seinen Leuten erhöbe, dem Kapitel es zustehen sollte, eine von den seinigen Zu erheben. 12 )

So wurde die Bede nicht ausgehoben, aber allem Anscheine nach ist sie wenigstens in den Kapitelsdörfern später eine nicht regelmäßig erhobene Abgabe gewesen, sondern wurde bei der Wahl und Weihe eines Bischofs als besondere Steuer aufgelegt, wie es schon früh neben der ordentlichen Bede eine außerordentliche gegeben hatte. Dafür ist Zeugnis die Urkunde vom 22. November 1398. Bischof Detlef von Ratzeburg verkaufte damals dem Domkapitel wiederkäuflich seinen Anteil an dem höchsten Gericht in den Kapitelsgütern im Lande Boitin für 1300 Mark und erhielt in Zahlung das Dorf Schmachthagen und 300 Mark bar. Auch bei diesem Verkaufe von Hoheitsrechten wird die Ein=


11) Die ganze Landeshoheit wird 1376 verkauft cum precariis trium mansorum, quas in eadem villa Lypsa habuimus.
12) item quando exactionem vel peticionem in homines fecerimus vel nostri successores episcopi fecerint, similiter ipsam ab hominibus nostris tollatis et vestris usibus applicetis.
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schränkung gemacht: Unsere Leute im Lande zu Boitin, die das Zu Rechte pflichtig sind, sollen dem Bischofe ihren Willkommen geben, wie das von altersher Recht gewesen ist. Und daß unter diesem Willkommen, den die Kapitelsdörfer zahlen mußten, die Abgabe zu verstehen ist, die bei der Wahl eines neuen Bischofes erhoben wurde, zeigen uns bestimmte Nachrichten aus dem sechzehnten Jahrhundert. Im Jahre 1511 mußte der neu gewählte Bischof Heinrich versprechen, daß er mit der Bede von den Kapitelsdörfern zufrieden sein und keine ungewöhnliche Beden fordern wolle, 13 ) und von seinem Nachfolger, dem Bischofe Georg, wird eigens berichtet, daß die Bede, welche des Kapitels Untertanen als Beitrag zu den Kosten der Konfirmation und der Regalien zahlen mußten, auch ihm gezahlt wäre. Und so ist auch von einer regelmäßig zu zahlenden Bede in dem Inventar von 1652 nicht die Rede, während sonst alle Abgaben darin aufgezählt werden. In den bischöflichen Dörfern dagegen wird nach dem Verzeichnisse von 1525 die Bede von 24 Schilling in den Erbzins jeder Stelle miteingerechet. 14 ) Bedenken wir, daß im vierzehnten Jahrhundert in Mecklenburg als große Bede im Herbste zwei Mark und als kleine im Frühjahr eine Mark erhoben wurde, und daß daneben noch eine Bede in Korn auferlegt war, 15 ) so müssen wir jene vierundzwanzig Schilling als einen ziemlich geringen Steuersatz annehmen.

Endlich war auch die Pflicht, zu den Gerichtsversammlungen Zu erscheinen, viel bequemer zu erfüllen, weil im Lande selbst von dem Propste oder dessen Beamten Gericht gehalten wurde. Im Gebiete des Kapitels finden wir zwei Landesthinge, nämlich im Süden in Schlagsdorf und im Norden in Petersberg. Von dem ersteren, das unter der alten Linde, die jetzt noch erhalten ist, abgehalten wurde, erfahren wir in einer Urkunde des Jahres


13) S. Masch S. 413.
14) Damit zeigen die Verhältnisse in dem Amte Schwerin eine Ähnlichkeit, insofern auch. da die ordentliche Bede im 16. Jahrhundert in die "Pacht" überging, wenigstens im Domanium. S. Ihde, Amt Schwerin. Geschichte seiner Steuern, Abgaben und Verwaltung bis 1655. Jahrbuch 77, Beiheft S. 31.
15) S. Brennecke a. a. O. S. 82, 83. Zuweilen betrug die Bede nach demselben nur 24 Schilling im Herbste und 12 Schilling im Frühjahre. Doch ist das für das vierzehnte Jahrhundert der Satz; für das sechzehnte müssen wir mit dem geringeren Metallwerte des Geldes rechnen, und die 24 Schillinge sind daher keine hohe Abgabe.
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1466. 16 ) Da beschwert sich das Ratzeburger Domkapitel darüber, der Zöllner am Brandenbaum bei Lübeck habe sich ungebührlich gegen einen seiner Hintersassen benommen. "Wenn ihm dieser Mann geschadet hat, dann soll er kommen vor unseren Landthing zu Schlagsdorf, und wir wollen ihm gerne behülflich sein, daß ihm Recht möge widerfahren." Die Hoheitsrechte des Domkapitels erstreckten sich schließlich auch auf die Nutzung der Waldungen und die Fischerei; selbst die auf den Feldern stehenden Bäume waren Eigentum der Landesherrschaft.

Kapitel III.

Die Entstehung der Meierhöfe im Gebiete des Domstiftes.

So bildete sich im Süden um Schlagsdorf und im Norden um Lockwisch herum ein in zwei Teile zerfallendes kleines Territorium, in welchem zunächst der Propst mit dem Domkapitel zusammen die landesherrlichen Rechte fast selbständig ohne Mitwirken der weltlichen Gewalt ausübte, wie sich im Norden um Schönberg herum das in sich abgeschlossene Gebiet des Bischofs bildete. Doch während man das Domkapitel mit einer geistlichen Aristokratie vergleichen kann, ist das bischöfliche Regiment mehr einer Monarchie ähnlich, und mit diesem Unterschiede hängt eine Änderung in der Verfassung der ersteren zusammen, die wir hier nicht übergehen dürfen, weil sie auf die Gestaltung der ländlichen Verhältnisse einen großen Einfluß gehabt hat. Es bereitete sich nämlich allmählich die Zuweisung einiger Höfe als Pfründen an die höheren Beamten vor, und das hängt wieder Zusammen mit der großen Schwierigkeit, die in finanzieller Beziehung die gemeinsame Verpflegung und Kleidung der Kapitulare dem Propste bereiteten. Die Vereinigung der Naturalwirtschaft mit einer rationellen Geldwirtschaft scheint ihn in große Verlegenheit gebracht zu haben, denn die Schulden nahmen eine bedenkliche Höhe an. Schon unter dem Bischof Marquard (1309-1335) soll wegen dieser Schuldenlast des Kapitels in Aussicht genommen sein, einzelnen Domherren bestimmte Einkünfte zuzuweisen. So sollten zwei Lockwisch, zwei Schlagsdorf und andere die Einnahmen einzelner Kirchen und Kapellen außerhalb des jetzigen Fürstentums er=


16) S. Urkundenbuch der Stadt Lübeck.
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halten, aber nichts aus den Einkünften des "monasterium" als solchen, um diese zu erleichtern und die Schulden abzustoßen. 17 ) Da man aber fürchtete, hierdurch möchte die Zucht vernichtet werden, wenn ein jeder nur für sich zu sorgen brauchte, wurde davon abgesehen. Wir sind auch genau darüber unterrichtet, wie weit es mit der Verschuldung des Domstifts gekommen war. Eine Urkunde vom 5. Dezember 1336 zeigt uns, wie empfangene Memoriengelder vom Domkapitel zur Einlösung seines Dorfes Ollndorf verwandt, und zu den Memorien Hebungen aus der Mühle von Lockwisch, aus Wahlstorf und dem eben erst erworbenen Dorfe Thandorf bestimmt wurden. Aus dem Jahre 1341 ist uns ein Verzeichnis dieser Schulden erhalten, aus dem hervorgeht, daß selbst die täglichen Lebensbedürfnisse geringster Art nicht bezahlt waren. Von den Forderungen des Notars, die Ziemlich bedeutend waren, gehen die einzelnen Posten hinunter bis auf kleinere Summen, die bei dem Schneider, dem Ochsenknecht u. a. zu bezahlen waren. Selbst frisches Fleisch, trockene Fische, Heringe und sogar Suppenkraut waren nicht bezahlt, und schließlich hatte Detlef Wackerbart auf Kogel bei Mölln für das vorige Jahr noch sieben Mark für Brot und Bier zu fordern. In der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts kamen neue Leiden über das unglückliche Stift, welche die Geldnot auf das äußerste steigerten, nämlich einmal der schwarze Tod, jene furchtbare Pest, welche natürlich in den enggebauten, unsauberen Städten am schlimmsten hauste, aber auch viele von den Bauern dahinraffte. Wir haben dafür urkundliche Zeugnisse, welche den traurigen Zustand des Landes in beweglichen Worten schildern. 18 ) Dazu kamen noch Raub= und Plünderungszuge des benachbarten Adels, die so großen Schaden anrichteten, daß sich der Bischof Wipert im Jahre 1357 genötigt sah, gegen diese Räuber mit besonderen kirchlichen Strafen vorzugehen. Im Jahre 1367 erklärte der Propst Heinrich Wittorp, der bald nachher Bischof wurde, er könne nicht mehr anständigen Lebensunterhalt und Kleidung gewähren, und er weise deshalb die Einkünfte der Lüneburger Saline, die seinem in der Nähe dieser Stadt begüterten Geschlechte gehörten, dem Domkapitel zu. Dieses sollte durch seinen


17) S. Kranz' Metropolis S. 241.
18) So wurden durch eine Urkunde vom 13. Januar 1363, die in Bremen ausgestellt ist, die Einkünfte verschiedener Pfarren von dem Erzbischofe an das Tafelgut des Domkapitels in Ratzeburg überwiesen, denn der Bischof von Lübeck hat schmerzlich auseinandergesetzt die Verwüstung der Tafelgüter, die pestilentias et caritatem colonorum.
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Einnehmer (collector) die jährlichen Einkünfte in Empfang nehmen. So bereitete sich der entscheidende Schritt zur Reform des Domkapitels vor, der für die Entwicklung der ländlichen Verhältnisse von Bedeutung war. Wie im Jahre 1194 eine Trennung der Einkünfte der bischöflichen Tafel und des Kapitels erfolgt war, so wurden jetzt die Einnahmen des Propstes und des übrigen Kapitels scharf gesondert. An die Spitze des letzteren tritt nunmehr der Prior, der anderswo Dekan genannt wird, im Ratzeburger Stifte aber diesen Namen erst im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts bekam. Diese Aussonderung der pröpstlichen Güter ist keine vereinzelte Erscheinung. Auch in anderen Bistümern findet eine Teilung des bisher gemeinsamen Besitzes statt, indem man dem Propste einen Teil der Einkünfte überließ, ihm aber den für den Unterhalt des Domkapitels bestimmten Teil entzog. 19 ) Infolgedessen lockerte sich die Verbindung des Propstes mit dem Kapitel. Der Anlaß für diese Scheidung ist gewiß in den meisten Fällen in den Schulden des Domkapitels zu suchen, und das ist für Ratzeburg bestimmt bezeugt. Um diese Schuldenlast zu beseitigen, wurde im Jahre 1372 folgende Einrichtung getroffen. Der Propst, welcher nach bestem Vermögen die Mitglieder des Kapitels und die Kirche, sowie die Untertanen und die Rechte schützen sollte, bekam ein Drittel, der Prior und das Kapitel zwei Drittel sämtlicher Einkünfte, mit Ausnahme der aus der Saline, die dem Kapitel ganz bleiben sollten. 20 ) Außerdem hatten der Propst und das Kapitel das Recht, sich einen der Stiftshöfe zu wählen. Der erstere nahm Lockwisch mit der Mühle, von der er jedoch jährlich sechs Mark abgeben mußte, das Kapitel Mechow. Der Propst darf keine Schulden machen, außer in der größten Not, und dann höchstens zwanzig Mark. Hierdurch wurde der Wohnsitz des Propstes ziemlich weit von den Kurien der Domherrn in Ratzeburg getrennt, doch wurde das bald abgeändert, wie wir gleich sehe werden. werden. Zunächst aber nahm er die Verwaltung des Gutes Lockwisch selbst in die Hand; bei Mechow dagegen wurde in dem Teilungsverträge der Fall angenommen, daß der Hof an einen extraneus (Auswärtigen) für eine bestimmte Summe verpachtet werden könnte. In diesem Falle aber müßten "alle Pflugdienste, die unmittelbar bei dem Hofe lägen", in Geld umgesetzt werden,


19) S. Hauck, Kirchengeschichte Bd. V, I S. 201.
20) Hierunter sind ohne Zweifel die oben erwähnten Einkünfte aus der Lüneburger Saline zu verstehen, die Heinrich von Wittorp dem Domkapitel überlassen hatte.
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und von diesem baren Gelde sollte der Propst ein Drittel, der Prior und das Kapitel zwei Drittel erhalten. Endlich wird noch in betreff der Fischerei in dem Mechower See bestimmt, daß nur ein Fischer da sein sollte; setzte aber der Propst einen für sich dahin, dann konnte das Kapitel zwei andere anstellen. Die weiteren Bestimmungen der Urkunde, die das Eintreiben der Einkünfte und die Sicherheitsmaßregeln gegen eine neue Verschuldung anbetreffen, sind hier nicht von Bedeutung, wo es sich um die Entwicklung der ländlichen Verhältnisse handelt. Im Jahre 1443 wurde dieses Statut in einigen Punkten verändert. Hier kommt besonders die Bestimmung in Betracht, daß der Propst dem Prior und dem Kapitel den Hof Lockwisch zurückgab und dafür statt des gemeinschaftlichen Tisches den Hof Mechow mit allem, was dazu gehörte, erhielt. Würde aber das Stift von seiner Schuldenlast befreit, dann sollte auch der Propst den gemeinschaftlichen Tisch im Refektorium haben. Dieses geschah aber nicht, und so behielt er Mechow im dauernden Besitze.

Das oben Angeführte genügt, um zwei wichtige Punkte klarzustellen: einmal das Vorhandensein von mehreren Stiftshöfen, denn es wird einer von ihnen gewählt, und zweitens die Ablösung von Diensten für Geld. In bezug auf den ersteren Punkt ist hervorzuheben, daß sich schon früh das Bestreben findet, die Zahl der Stiftshöfe, namentlich in der Nähe von Ratzeburg, Zu vermehren. Aus diesem Streben geht jenes bekannte Bauernlegen in dem Dorfe Rodemuzle, der heutigen Römnitz, hervor. Im Jahre 1285 zum Michaelistermin mußten die in der betreffenden Urkunde namentlich angeführten Bauern ihr Dorf verlassen, und die Römnitz ist von nun an ein dem gesamten Domkapitel gehörendes Meiergut. 21 ) Indessen würden wir uns sehr täuschen, wenn wir hierin das Zeichen einer dem Bauernstande feindlichen Politik des Domstiftes sehen wollten. Hier handelt es sich nicht um ein deutsches Kolonialdorf mit persönlich freien Bauern, die ihre Hufe als Erbe besitzen gegen einen jährlich zu zahlenden Zins, sondern um, wahrscheinlich wendische, Zeitpächter des Kapitels, mit denen jedes Jahr am Johannistage der Pachtkontrakt erneuert wurde. Im Gegensatze zu den regelmäßig getrennten Hufendörfern war hier der Besitz sehr ungleich verteilt. In einem verhältnismäßig großen Gehöfte wohnte der villicus, d. h. Schulze, und in einem weniger statt=


21) Daher heißt es in der Urkunde vom 22. Januar 1392: Dieses ist geschehen in dem hove to Rodemisse des prouest unde des capitels to Ratzeborgh.
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lichen der Klostermeier. Daneben haben wir verschiedene kleinere Höfe. Im Jahre 1284 wurde den Bauern ganz ordnungsmäßig gekündigt, und Michaelis 1285 mußten sie ihre Pachtungen verlassen. Für ihre Häuser und die Arbeiten an ihren Gärten erhielten sie eine Entschädigung. Zu Taxatoren waren vom Domkapitel drei und ebensoviele von den Bauern gewählt. 22 ) Nachdem sie von beiden Parteien genehmigt waren, gingen sie an ihre Arbeit, und der Magistrat von Ratzeburg wurde beauftragt, die Entschädigungsgelder auszuzahlen. Die einzelnen erhoben dann diese, nachdem sie ihr Einverständnis zu Protokoll gegeben hatten. Dieses Entgegenkommen des Domstiftes ist um so mehr anzuerkennen, als es sich nicht um freie Bauern handelte, sondern um Hörige des Klosters, die wahrscheinlich unter jenem villicus und dem Klostermeier, also unter zwei Klosterbeamten standen. Mit anderen Dörfern wurde damals viel härter verfahren, wenn sie von Fürsten an Städte verkauft waren. Diese bekamen dann das Recht, sie zu zerstören oder auf irgend eine andere Weise über sie nach der Wahl der Konsuln und dem Vorteil der Bürger zu verfügen. 23 )

Neuerdings ist angenommen worden, 24 ) daß schon früher die Umwandlung eines Bauerndorfes in einen Fronhof auch in einem anderen Klosterbesitze, nämlich in Ziethen, stattgefunden hat, aber ein solcher Klosterhof Ziethen ist nicht mehr nachzuweisen, sondern nur ein altes Dorf Ziethen. Dagegen kommt urkundlich Neuhof (nova curia) 25 ), das wohl von Schlagsdorf abgetrennt wurde, schon im vierzehnten Jahrhundert vor, ebenso wird in Schlagsdorf in derselben Zeit eine curia mit einem


22) Vom Domkapitel waren gewählt: der Vogt Berthold, der Meier Friedrich und Thimmo de Utecht; von den Bauern: Konrad von Buchholz (dieses Dorf liegt am westlichen Ufer des Ratzeburger Sees, der Römnitz gegenüber), Jacobus dictus Nuda Hasta, Bernhard von Pogeez. S. über dieses Legen des Dorfes Römnitz den kleinen Aufsatz von Hellwig im neuen Archiv für Lauenburg. Gesch. VII, 1, S. 106-115.
23) So bekamen die Bürger von Rostock am 11. Dezember 1275 das Recht, zwei Dörfer, die ihnen von dem Fürsten Waldemar von Rostock verkauft waren, zu legen, und Nikolaus von Werle gab 1293 der Stadt Güstrow das Eigentum über das Dorf Tebbezin mit der Erlaubnis, dieses zu zerstören, "und wenn es gefällt, es wieder für sich aufzubauen oder auf irgend eine andere Weise nach Gutdünken darüber zu verfügen". Von einer Entschädigung der Bauern ist in beiden Fällen nicht die Rede.
24) S. Hellwig am oben angeführten Orte S. 108.
25) Karl IV. bestätigte im Jahre 1375 dem Domkapitel unter seinen übrigen Gütern auch Campow cum nova curia.
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bestimmten Besitzer genannt 26 ), ferner Lockwisch und Mechow, die wir schon oben kennen gelernt haben. Eine weitere Ausbildung der Hofwirtschaft führte die sog. Transmutation des Jahres 1504 herbei, d. h. die Verwandlung des Domstiftes in ein weltliches Chorherrnstift mit Aufgeben der Prämonstratenserregel. Hierdurch wurde den einzelnen Domherrn, die zum großen Teil schon lange dem benachbarten Adel angehörten, die Möglichkeit gegeben, weltlichen Besitz zu bekommen. Insbesondere wurde damals auch die zweite Würde nach der Propstei, die des Dekans oder früheren Priors, mit eigenen Gütern dauernd ausgestattet, nachdem schon vorher Molzahn und Lankow dem damaligen Prior zugewiesen waren. Durch die Reformation wurde das bisherige Domstift ganz verweltlicht, und durch den Westfälischen Frieden im Jahre 1648 kam das bisherige Bistum Ratzeburg, also das eigentliche Bistum und das Domkapitel, an Mecklenburg. Zwischen der Regierung des letzteren und dem Domkapitel brach ein heftiger Streit aus, während dessen die erstere gegen den Willen der Domherren im Jahre 1652 ein genaues Inventar aller Einnahmen aus den Höfen und Dörfern aufnahm, die das Domkapitel damals besaß. Dieses Verzeichnis befindet sich im Großherzogl. Geh. u. Hauptarchiv in Schwerin und liegt den folgenden Ausführungen zugrunde. Schließlich wurde jener Streit durch einen Vergleich beigelegt.

Aus jenem Inventar sehen wir, daß folgende Höfe im Besitz des Domkapitels waren, Propsteihöfe waren Mechow und Wietingsbeke, Dekaneihof war Groß=Molzahn, gemeinsame Güter der Kapitularen neben den Mühlen "am Mechower Strom" 27 ) Schlagsdorf, Nienhof (Neuhof), Römnitz, Lockwisch, Wahrsow, Lenzkow und Lauen. Jedem Hofe waren bestimmte Dörfer mit ihren Diensten zugewiesen, nur nicht den Höfen Neuhof und Römnitz, denn der erstere war später von Schlagsdorf abgetrennt, also neueren Datums, und der Hof Römnitz war erst gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts aus einem Bauerndorfe entstanden.


26) Am 3. Februar 1373 bezeugt das Domkapitel zu Ratzeburg, daß die Testamentsvollstrecker des Witte Tymmeke zu einer Memorie desselben eine Rente vom Hofe des Johannes, genannt Puls, in Schlagsdorf gekauft haben.
27) Es sind die Mühlen im heutigen Kupfermühlental, nämlich die Olie=, Hammer=, Papier=, Beuteler= und Messingsmühle. Der Mechower Strom ist der Abfluß des Mechower Sees nach dem Ratzeburger See. - Beutelwerke scheiden in den alten Mühlenbetrieben durch Sieben die Kleie ab. In Lübeck gab es ein eigenes Beutleramt, das diese Mühle im Kupfermühlental gepachtet hatte.
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Kapitel IV.

Die bäuerlichem Verhältnisse in den Kapitelsdörfern.

Nun würde es aber ein großer Irrtum sein, wenn man annehmen wollte, durch diese mit den eigentümlichen Verhältnissen eines Domstiftes eng zusammenhängende Entwicklung eines Großgrundbesitzes hätte sich in diesem Teile des Fürstentums eine ähnliche Gutsherrschaft herangebildet wie im benachbarten Mecklenburg. Die Domherren und auch der Prior 28) werden bis zum Jahre 1504 gar nicht oder nur vorübergehend auf ihren Höfen gelebt und auch nicht selbst sie verwaltet haben, sondern es kam ihnen lediglich darauf an, die Geld= und Naturalieneinnahmen dieser Güter, die zum großen Teile der Gesamtheit der Domherren gehörten, in möglichst reichem Maße zu genießen, und diese Einnahmen flössen ihnen am sichersten zu von einem gut gestellten Bauernstande. Wir haben hier im Domstifte eine ähnliche Entwicklung wie in allen Dörfern, die zu Domkapiteln gehörten. So ist neuerdings die Lage der Bauern in den Vierlanden, die am Ende des Mittelalters unter dem Hamburger Domkapitel standen, eingehend untersucht worden und in treffender Weise als Ergebnis hervorgehoben: das Land der Bauern war oder wurde wenigstens unmerklich ein nur mit Reallasten beschwertes Eigentum. 29 )

Jenes eingehende Inventar vom Jahre 1652 zeigt uns die Verhältnisse der Bauern des Domstiftes nach dem Dreißigjährigen Kriege, und wir werden unten sehen, daß trotz der schrecklichen Verheerungen dieses Krieges hier im wesentlichen der Besitz der einzelnen Stellen noch bestand und steuerkräftig war. Wie sich diese kernhafte Kraft schon im Verlaufe des vierzehnten Jahrhunderts entwickelt hat, soll im Folgenden nachgewiesen werden, soweit das an der Hand der nicht allzu reichlich vorhandenen Urkunden möglich ist. Im Jahre 1320 wird

28) Mit dieser Tatsache steht es auch nicht im Widerspruche, wenn sich wahrscheinlich im Jahre 1423 der Prior Schack Blücher in Ratzeburg darüber beschwert, daß mehrere Ritter "sein Dorf Molzahn" nachts geplündert haben. Diese Raubritter waren damals in lübscher Gefangenschaft, und daher wendet sich der Prior an den Rat von Lübeck. S. Urkb. der Stadt Lübeck VI.


29) S. Hans Kellinghusen, Das Amt Bergedorf, in der Zeitschrift für Hamburgische Geschichte, XIII, S. 198.
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von dem damaligen Bischofe das Dorf Duvennest ganz dem Domkapitel überlassen, und jener erhält dafür Retelsdorf, Panten und Törpt zu seiner Tafel, die früher Kapiteldörfer gewesen waren. Dann heißt es in der Urkunde weiter: Ebenso haben wir ihnen pro hereditate et proprietate, welche sie an zwei Hufen in Panten zu haben behaupteten, in ähnlicher Weise einen "freien Mann" in ihrem Dorfe Restorf überlassen, der uns bisher gedient hat, damit er ihnen demnächst diene und alles tue, was er uns zu tun von Rechts wegen gehalten wurde. - Im Jahre 1361 verkaufte das Domkapitel seinen bei Sülstorf gelegenen Hof mit einer pecia Ackers, einer sog. Koppel, für 60 Mark lübscher Pfennige, die bar bezahlt wurden, an die Bauern in Sülstorf. Von diesen werden ausdrücklich genannt: Detlef von Sülstorf und Johann Scriver (Schreiber). Diese sollen die Hufen nach dem "Bauernrechte" beständig besitzen. Doch sollen für den derartigen Hof und die Äcker uns und unseren Nachfolgern die Bauern selbst und ihre Erben und Nachfolger jährlich fünf Mark lübsche Denare an jedem Michaelisfeste von ihrem Erbe geben und dem Bischofe von Ratzeburg von drei Vierteljahren den Zehnten, wie er ihm offenbar zukommt.

Nehmen wir dazu, um uns ein Bild von der Lage des Bauernstandes in den Kapitelsdörfern zu machen, eine frühere Urkunde vom Jahre 1356, die das Dorf Groß=Mist anbetrifft. Da die Domherren nach der damals noch geltenden Prämonstratenserregel keinen Grundbesitz und keine Einnahmen aus Grundbesitz erwerben konnten, so wurde an Stelle des Priors Johann von Brügge an seinen Bruder, den lübschen Bürger Siegfried von der Brügge, eine Rente von einer Mark für fünfzehn Mark verkauft, und zwar aus dem Erbe "unseres Hintersassen" (subditi nostri) Nikolaus Röbel in Groß=Mist. Diese sollen er selbst und seine Erben jedes Jahr in der Zeit, wo andere Einkünfte oder Zinsen gegeben zu werden pflegen, für einen Acker bezahlen, der von uns ganz besonders zu seinem Erbe hinzu angekauft ist. Nach dem Tode des Ratzeburgischen Priors Johann von Brügge soll daraus eine Memorie gestiftet werden. - Eine ähnliche Memorienstiftung haben wir im Jahre 1362 in Sülstorf. Das Domkapitel verkauft an den Vikar Heinrich Mund zu dessen künftiger Memorie für fünfzig Mark zwei Mark Rente in Sülstorf. Diese sollen "in unserem Dorfe Sülstorf" von den Bebauern der Äcker, die bei unserem einstigen Hofe daselbst lagen, bezahlt werden, und zwar sollen die zwei Mark unverkürzt eingezogen werden, ehe jemand etwas von dem Zinse

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der genannten Äcker einnimmt, und so oft es notwendig ist, sollen sie aus den Besitzungen, die were genannt werden, des genannten Bauern eingezogen werden.

Aus der ersten Urkunde sehen wir, wie ein ausdrücklich als frei bezeichneter Mann zugleich ein subditus oder Hintersasse des Stiftes ist. Da muß hervorgehoben werden, daß in den Ansiedelungsdörfern des Nordens und Ostens sich ein persönlich freier Bauernstand niedergelassen hat. Diese persönliche Freiheit war ursprünglich auf die deutschen Ansiedler beschränkt. Neben ihnen haben sich größere Reste der Slaven noch in späterer Zeit erhalten, denn die früheren Bewohner sind keineswegs, wie man früher annahm, ausgerottet worden. Die wendischen Bewohner des Dorfes Römnitz wurden in aller Form Rechtens gelegt, aber wir werden gewiß annehmen dürfen, daß die Kätner, die wir gerade im Süden des Fürstentums vielfach finden. 30 ) aus ihrem Besitz verdrängte Wenden gewesen sind. Nach der Überlieferung 31 ) war ja selbst im vorigen Jahrhundert der Unterschied zwischen den Nachkommen der Wenden, den sog. Bunten, und denen der deutschen Ansiedler, den sog. Braunen, noch nicht verwischt, und danach gab es in Mechow nur Bunte. - Ferner haben wir in der ersten Urkunde den lateinischen Ausdruck für das dauernde Eigentumsrecht des Grundherrn, nämlich hereditas et proprietas. Hereditas haben auch die Bauern, denn sie haben das Land in erblichem Besitze, und in der Regel folgt nach dem Anerbenrechte der älteste Sohn als Erbe. So findet sich in Urkunden oft der Ausdruck "Erben", daneben aber auch "Nachfolger" (successores), und ähnlich ist es wohl zu verstehen, wenn 1306 für Schlagsdorf bestimmt wird, daß auch die, welche die genannten Hufen successive bebauen, zum Landthing kommen sollen.

Aus der zweiten Urkunde sehen wir, wie der Hof zu Sülstorf zu Bauernrecht gelegt wird, d. h. wie Bayern, die schon anderes Land besitzen, zu gleichen Teilen Stücke des Hoflandes bekommen gegen eine bestimmte Geldsumme, die von ihnen bar bezahlt wird. Wir erinnern uns, daß gerade um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts das Stift in großer Geldnot war; aber für die damalige Lage der Bauern ist es ein günstiges Zeichen, daß


30) Schon im Jahre 1306 werden mansi cum cotariis in Schlagstorf urkundlich genannt.
31) S. Masch S. 740, Anm.
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sie die sechzig Mark bar bezahlen konnten, ohne ihren Besitz zu belasten. Die dritte und vierte Urkunde zeigen uns, wie Memorien, d. h. Seelenmessen für einen Verstorbenen, von Renten, die Bauern dauernd bezahlen müssen, bestritten werden. Das Domkapitel bekommt eine bestimmte Summe, und dafür wird ein jährlicher Zins, sozusagen ein Kanon, jenen auferlegt, aber in beiden Fällen lastet dieser nicht auf der alten Hufe, sondern auf einem Stück Land, das erst von dem Domkapitel ihrem Erbe hinzugefügt ist. Für den Notfall wird eine Pfändung vorgesehen, aber diese kann nicht von ihrer Hufe als solcher, die allein den Grundbesitz umfaßt, sondern nur von ihrer were geschehen. Dieses Wort bedeutet ursprünglich auch Besitz, dann aber besonders Haus und Hof und Hofstätte, die auch deutsch Worth und lateinisch area genannt wird. Bei Pfändungen kommt natürlich allein diese in Betracht, denn die Hufe gehört nicht dem Inhaber als Eigentum. Als Inbegriff der gesamten Hufenstelle mit Haus, Hof und Inventar finden sich die beiden Worte Hufe und Were. So verkauft um das Jahr 1380 Segeband Thun an das Kloster Ribnitz im nordöstlichen Mecklenburg Hebungen aus dem Dorfe Wilmshagen in den Hufen und Weren, die jetzt diese Bauern bauen und besitzen, und nimmt Bezug auf solche Hufner, die später dasselbe tun.

Aus allem diesem ergibt sich, daß die Bauern nicht Eigentümer ihrer Hufen sind, sondern diese als Erbpächter bebauen, und das nennt man damals "nach Bauernrecht besitzen". Wir finden diesen Ausdruck in der zweiten Urkunde über die Verleihung des Hoflandes von Sülstorf. Aber auch sonst kommt er mehrfach in Urkunden vor. Am deutlichsten ist er bestimmt in einer Urkunde vom 2. April 1326, nach welcher der Rat von Schwerin dem Kloster Reinfeld in Holstein einen Platz in der Neustadt und einen in der alten Stadt, wo die Klostermühle liegt, überläßt, "ewiglich zu behalten nach Bauernrecht, also, daß sie für alle Schott und alle Pflicht, welcher Bruder in der Mühle zu Schwerin ist, zum St. Michaelistage jedes Jahres zwölf Schillinge geben sollen den Ratmannen zu Schwerin". - Im Jahre 1400 wird von dem Kloster Marienehe sein Hof in diesem Dorfe nach Bauernrecht verpachtet "to eynem ewigen kope na burrechte unde to pacht Clawes Brandes unde sinen erven." In demselben Jahre wird in einer Urkunde, die in Wismar ausgestellt ist, davon gesprochen, daß Höfe nach Bauerrecht oder Zinsrecht gelegt werden. Wohl im Gegensatze dazu findet sich urkundlich ein Verkauf nach "Mannrecht"; danach

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wird der vierte Teil eines wüsten Dorfes mit allen Freiheiten und Rechten veräußert. 32 )

War aber auch so der Bauer in den Kapitelsdörfern persönlich frei und im erblichen Besitze seines Landes, so hatte er doch Leistungen zu verrichten und Lasten zu tragen, und zwar dem Landesherrn, dem Grundbesitzer und der Geistlichkeit gegenüber. Da indessen der Grundbesitz von den früheren weltlichen Inhabern auf das dieses auch die meisten landesherrlichen Hoheitsrechte erworben hatte, da ferner der Zehnte auch an das Domkapitel, wenigstens zum großen Teil, bezahlt werden mußte, so waren die Verhältnisse sehr vereinfacht, und schon das trug zur Erleichterung der Lasten bei. Andererseits trat bei den Diensten dadurch eine Verschiedenheit ein, daß diese verschiedenen Höfen zu leisten waren, denn die sämtlichen Dörfer des Domkapitels waren an die verschiedenen Meierhöfe verteilt. 33 ) Zu dem Propsteihofe Mechow=Wietingsbeke, der von allen Höfen den größten Umfang hatte, gehörten die Dörfer Ziethen, Mechow, Schlagbrügge, Schlagsdorf (wenigstens zum Teil), Schlag=Sülstorf, Thandorf, Schlagrestorf und in älterer Zeit auch Kampow; zu dem Dekaneihofe Groß=Molzahn Lütten=Molzahn und Lankow. Was die gemeinsamen Güter der Kapitulare betrifft, so gehörten zum Hofe Schlagstorf mit Nienhof (Neuhof) ein Teil von Schlagstorf, Rieps, Wentorff und Reddingstorf, zu Lockwisch die Dörfer Palingen, Lockwisch, Rugensdorf, Petersberg, Bechelsdorf, Niendorf und Wahlstorf, zu dem Hofe Wahrsow Ollndorf, Boitin= Restorf, Wahrsow, Lüdersdorf, zu Lenzkow Groß= und Klein= Mist und Duvennest und endlich zu Drögen=Lauwen Teschow und Lauwen. Sehr verschieden von einander waren die persönlichen Dienste, welche gefordert wurden. In Mechow leisteten die Bauleute der dazu gehörigen Dörfer fünf Tage im Jahre Vorspann, und zwei Tage in der Erntezeit arbeiteten sie mit der Sense, die Kätner hatten auch sieben Tage Dienst zu leisten, aber nur mit der Hand. In Lockwisch taten die sog. Untertanen zwei Tage im Jahre Spanndienste und einen Tag Handdienste, und


32) Im Register des Mecklenburgischen Urkundenbuchs Bd. IV findet sich folgende alte Erklärung des Begriffs "manrecht": iudicium maius et minus more militum terrae nostrae (der Grafschaft Schwerin), quod communiter vocatur manrecht.
33) Ich folge hier und bei der Angabe der einzelnen Dienste jenem Inventar des Jahres 1652, das bei den in jeder Hinsicht konservativen Verhältnissen des Domstifts gewiß im wesentlichen auch für die älteren Zeiten Gültigkeit hat.
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dabei bekamen sie noch Erntebier. Ebenso werden in Lenzkow und Drögen=Lauwen nur an drei Tagen im Jahre Dienste verlangt. Dagegen werden in Lankow die Stellen aufgeführt, die bei dem Meierhofe Molzahn, der schon früh dem Prior oder späteren Dekan gehörte, schuldig sind, wöchentlich drei Tage mit Vorspann und einen Tag mit der Hand zu dienen, allerdings kommen sie erst des Morgens um zehn Uhr auf den Hofdienst, ein Übelstand, über den auch an anderen Orten geklagt wird. Der Teil der Schlagsdorfer, der dem Hofe im Dorfe dienstpflichtig ist, hat wie die Bauern in Rieps wöchentlich zwei Tage mit Vorspann und einen Tag mit der Hand zu dienen. Ein anderer Teil der Schlagsdorfer mußte auf dem Propsteihofe Mechow, wie wir oben sahen, Hofdienste leisten, doch hörte diese Verpflichtung schon am Ende des siebzehnten Jahrhunderts auf. Auffallend sind diese drückenden Dienste nicht bei Neuhof, das zur Zeit, wo das Inventar abgefaßt wurde, dem Domorganisten gehörte. Hier haben wir zwei Kätner, die eigens zum Hofdienste eingesetzt waren. Sie dienen wöchentlich zwei Tage mit der Hand und in der Erntezeit jeden Tag, kommen aber erst um zehn Uhr und auch später auf den Hof.

Im ganzen sind die Dienste der Bauern sehr beschränkt, und das ist um so mehr zu beachten, als in anderen Ländern Deutschlands schon im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert die Bauern zu den drückendsten Frondiensten herangezogen wurden. Im Domstifte Ratzeburg ist auch eigens eingeschärft, daß die Bauleute keinem anderen Herrn zu Diensten abgetreten werden sollen. So übernimmt im Jahre 1372 der Propst die Verpflichtung, keine Hintersassen, Bauern und Mannen des Stiftes einem anderen, wer es auch sei, zum Dienen abzutreten oder zu verleihen. Als dann 1504 die Transmutation eintrat da wurde es demselben zur Pflicht gemacht, Mechow selbst zu bebauen. Die Untertanen dürfe er zu den pflichtigen Diensten heranziehen, diese Dienste aber nicht häufen und keine ungewöhnlichen fordern. Noch um das Jahr 1700 wird in Pachtkontrakten der Meiereihöfe den Pächtern eigens eingeschärft, die Bauern wegen mutwillig unterlassener Dienste nicht mit Geld zu bestrafen oder mit Pfandgeld zu beschweren und nur dann sie mit Gefängnis, aber ohne Schaden ihrer Gesundheit, zu bestrafen, wenn sie mit Vorsatz sich nachlässig in ihren Diensten erzeigen oder ungehorsam sein werden.

Da aber den Domherren wegen der zeitweise sehr schlechten Geldverhältnisse des Stiftes besonders bare Einkünfte erwünscht

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waren, so ist schon früher das Dienstgeld an Stelle der persönlich geleisteten Dienste eingeführt worden. Wir sahen schon oben, daß 1372 bei der Reform des Domkapitels in Aussicht genommen war, den damals dem Prior und den Domherren zugewiesenen Hof Mechow an einen "extraneus" gegen eine bestimmte Summe zu verpachten. Dann aber sollten die Pflug= dienste, die "unmittelbar bei dem Hofe lagen", in Geld verwandelt werden. Dieses Dienstgeld ist gewiß schon früh auch anderswo eingeführt werden, eben weil es dem dringenden Bedürfnis der Domherren entsprach, und hat eine ganz bestimmte Höhe angenommen, nämlich für den Hufner sechzehn, für den Kätner fünf Taler. Während aber bei den Hufnern kein Unterschied ist, ob sie eine, anderthalb oder sogar zwei Hufen bebauen. 34 ) ist bei den Kätnern das Dienstgeld verschieden bemessen. Bei Schlagbrügge sind drei besonders große Katenstellen genannt, die eine mit drei Viertel Hufen, die zweite mit einer halben und die dritte sogar mit einer ganzen Hufe, was sich sonst nirgends findet. Infolgedessen geben sie auch acht Taler Dienstgeld, während die drei kleineren Kätner den gewöhnlichen Satz zahlen. In Mechow gibt der Kossäte Heinrich Mohr, der eine halbe Hufe hat, jährlich dreizehn Taler dreizehn Schillinge Dienstgeld, und der Pächter Daniel Rühr, der die wüste Kate Berend Grimms gepachtet hat, gibt zehn Taler. In diesen beiden Fällen müssen wir annehmen, daß beide sehr viele Hofdienste abzulösen hatten. Die siebentägigen Dienste einmal im Jahre mit der Hand waren nicht abgelöst. - Auch in bezug auf dieses Dienstgeld wird in besonderen Notfällen eine milde Praxis ausgeübt, lediglich um die betreffende Bauernstelle als solche zu erhalten. Bekanntlich waren im Dreißigjährigen Kriege viele Häuser niedergebrannt, deren Neubau dann von dem Domkapitel erleichtert wurde. So brauchen in Ziethen zwei Kossaten zwei Jahre kein Dienstgeld zu entrichten, wegen ihres Baues,


34) Nur bei Lüdersdorf wird einer von den Halbhufnern, die sonst mit zu den Kätnern gehören, besonders als Hufner bezeichnet und gibt nur acht Taler Dienstgeld. - Zum Vergleiche ziehe ich die Verhältnisse im Herzogtum Braunschweig heran, wie sie von Gustav Oehr in den Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens Bd. XII geschildert sind. Danach zahlte der Stadt Braunschweig der Ackermann jährlich 26 Gulden, der Halbspänner 13 Gulden, der Köter 6 Gulden 10 Gr., der Häusling in der Regel 3 Gulden 5 Gr. Es wird hervorgehoben, daß für den Bauern dieses feste Dienstgeld eine große Erleichterung war (Oehr S. 72). Ein Münzgulden, der hier in Betracht kommt, hatte 20 Groschen, ein Taler 32 Groschen.
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und Hufe 9 und 10, die in Mechow wüst lagen und von Herrn Bünsow 35 ) in Ratzeburg in stand gebracht und neu bebaut wurden, waren dafür etliche Jahre frei von Abgaben. Ganz frei von Herrendiensten waren die Bauern in Groß=Mist. Die Groß=Mister Untertanen, heißt es, wegen der siebentägigen Dienste, so alle anderen Untertanen allhie sonst verrichten, geben in zwei Terminen ohne das Quartaldienstgeld 24 Mark.

Mit diesem Dienstgelde sind wir schon auf die Reallasten des ländlichen Besitzes gekommen, auf die wir jetzt näher eingehen müssen. Eine sehr wertvolle Zusammenstellung dieser Lasten findet sich in dem Vertrage des Jahres 1372, durch den Prior und Domherren bekanntlich Mechow mit allen Einkünften bekamen. Diese waren: pactus, fructus, census, pensiones, decima, porcorum inscisiones, precaria, excessus, emende, villicationes, piscationes servitia oder, wie Masch übersetzt, Pächte, Früchte, Steuern, Zinsen, Zehnten, Schneidelschweine, Beden, Bußen, Strafgelder, Wirtschaftsbesetzung, Fischereien, Dienste. Hiervon sind die zuletzt genannten Dienste schon oben behandelt. Die Fischerei gehört zu den Hoheitsrechten, die excessus und emende waren Strafgelder und Bußen, die kraft der höheren und niederen Gerichtsbarkeit von dem Domkapitel auferlegt wurden. Die villicatio 36 ) oder Wirtschaftsbesetzung war meines Erachtens das Recht, die einzelnen Hufen, meist wohl nur bei dem Aussterben der Familie des alten Inhabers oder genauer der Anerben dieses, neu zu besetzen, wofür ein Kaufbrief ausgestellt wurde. Es kam auch vor, namentlich in späterer Zeit, daß solche Hufenstellen gelegt und mit dem naheliegenden Meierhofe vereinigt wurden. - Die Beden, die von dem Landesherrn erhoben, aber an das Domkapitel abgetreten waren, wurden, wie wir oben gesehen haben, als sog. Willkomm bei der Neuwahl eines Bischofs in den Kapitelsdörfern erhoben,


35) Ernst Bünsow war 1641 Domherr und wurde später als solcher auch Bauherr (structuarius) an Stelle Nikolaus von Gülen. Er starb nach der Säkularisation 1667. 1648 wird Ernestus Bunsovius aedilis genannt.
36) "Im dreizehnten Jahrhundert war die übliche Hauptform der Verwaltung großer Grundherrschaften die villicatio. In einer solchen war immer eine Anzahl dienender Hufner vereinigt, als deren Mittelpunkt ein Haupthof (Fronhof, Meierhof) bestimmt war. Dieser Fronhof wurde regelmäßig von einem Meier bewirtschaftet, dem zugleich die Verwaltung der ganzen villicatio übertragen war." S. Inama=Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, III, 1, S. 246. Ohne Zweifel war Mechow=Wietingsbek ein solcher großer Meierhof.
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scheinen also nicht eine regelmäßige jährliche Abgabe gewesen zu sein.

Für diese stehenden Abgaben finden wir in der oben angeführten Urkunde die Ausdrücke pactus, fructus, census, pensiones. Fructus ist wohl ein allgemeiner Ausdruck für Vorteil, Gewinn. Pactus und census sind kaum voneinander zu scheiden; sie werden beide für Zins gebraucht, findet sich doch urkundlich: pactus et census, qui vulgo tins dicitur. Hierin ist nur eine sog. Rekognition an den Grundherrn zu sehen, die sozusagen äußerlich seine proprietas, sein Eigentumsrecht zur Anerkennung bringen soll. Sie ist wohl von der pensio, d. h. der Pachtsumme, zu unterscheiden. Die Hufe, die nach dem Bebauer den Namen hat und diesen Namen auch nach dem Tode desselben behält, d. h. wenn der männliche Anerbe, sein Sohn, noch unmündig ist, bildet den Besitz des freien Bauern, für den eine Anerkennungsgebühr bezahlt wird, die gewiß gleich bei der Ansiedlung dieser deutschen Bauern an den Grundherrn entrichtet werden mußte. Sie ist weit niedriger als die Pachtsumme, die den ganzen Wert der Nutznießung darstellt. Eine solche sollte, wie wir gesehen haben, der extraneus bezahlen, der Mechow vom Prior und dem Kapitel pachtet.

In dem Inventar des Jahres 1652 wird der Zins nach der Aussaat berechnet, und er ist verschieden, je nach der Ergiebigkeit des Landes. Er schwankt zwischen einer Mark, 37 ) 7 Schillingen, 6 Pfennigen und 4 Mark, 3 Schillingen, 2 Pfennigen für die Hufe. Auch der Zins der Kätner ist sehr verschieden. In Ziethen bezahlen die acht Kätner jeder nur vier Schillinge. Ungleich höher sind die Pachtsummen, die dann bezahlt werden, wenn eine wüst liegende Hufen= oder Katenstelle von einem Auswärtigen "geheuert" wird. Dieser muß dann den Zins noch außerdem bezahlen. So gibt eine von Stephan Grimm in Ziethen geheuerte Katenstelle vier Mark Pacht oder Heuer und vier Schillinge Zins. 38 ) Während in Schlagbrügge ein Besitzer von


37) Hier haben wir noch die alte Rechnung nach Mark. Die lübsche Mark war eine Gewichtsmünze, die aus einer bestimmten Zahl ausgeprägter lübscher Pfennige bestand. Geprägt wurden 1617 in der Schönberger Münzstätte Reichstaler, Goldgulden und namentlich Doppelschillinge. S. diese Jahrbücher 1913 S. 308.
38) Namentlich in Schlagstorf sind viele Hufen verheuert. Stelle 8 hat Hans Arenß und gibt für 1 1/2 Hufen 1 M 12 ß Pacht. Dann heißt es weiter: 8. Noch hat Hans Arenß Dietloff Dietrichsen wüste Stadt auf sechs Jahre geheuret, wobei 7/4 Hufen Lands belegen, kann gesehet werden (  ...  )
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anderthalb Hufen nur eine Mark Zins bezahlt, muß ein Klaus Kübbe, der daselbst die wüste Stätte bebaute, die von einem Oldenburg den Namen hat, 24 Taler Pacht bezahlen, und außerdem muß er noch den Zins mit einer Mark acht Schillingen entrichten. In Wendorf hat die zweite Stelle von zwei Hufen, die Hans Arens wüste Stätte heißt, ein Rittmeister Kappenberg für jährlich 32 Taler geheuert und gibt außerdem 2 Mark 19 Schillinge 6 Pfennige Pacht. Bei Niendorf heißt es: Hans Richers wüste stat hat Jochim Oldenburg geheuert und gibt jährlich 14 Thaler, statt pacht eine Mark 16 Schillinge und ein Rauchhuhn. Ein solches muß eine jede Rauchstelle bezahlen, und davon zu unterscheiden sind die Hühner, die an Stelle der Geldpacht geliefert werden. So wird bei den Kätnern in Ziethen gesagt: Kossaten: Pacht vier Schilling und ein Rauchhuhn, mehrfach auch 12 Pachthühner.

Der Zehnte, der darauf genannt wird, zerfällt in den großen oder Kornzehnten und den kleinen. Der erstere wird in den Kapiteldörfern im siebzehnten Jahrhundert noch in natura gezahlt, ist also noch nicht wie in den bischöflichen Dörfern, die wir später betrachten werden, für eine bestimmte Geldsumme abgelöst. Im Inventar heißt es am Schlusse des Verzeichnisses der Hufen und des Viehs eines jeden Dorfes: So müssen sie auch von allem Korn im Felde den Zehnten geben. Der kleine Zehnte wird von den Haustieren erhoben, und zwar zunächst nur, wie aus den Urkunden hervorgeht, von den Lämmern und Kälbern 39 ) namentlich von den ersteren. Die Schneidelschweine,


(  ...  ) 1 1/2 drömt Rochen, 2 drömt Gerste, 3 Pfd. Erbsen, ein drömt Haber. Stelle 9 hat der Pastor. 10. Joachim Meier hat Hinrich Stammers wüste Statt geheuret, wobei eine Hufe Landes belegen und gibt Heuer jährlich 14 Thaler, Pacht eine Mark und ein Rauchhuhn. 11. Stopher Oldemann und Consortes haben Ludlof Oldeborgen wüste statt geheuret und geben jährlich 16 Thaler Heuer, dabei eine Hufe Landes Pacht eine Mark. 12. Ludlof Grube hat Dietloff Bachers wüste statt geheuret, dabei sind belegen 2 Hufen Landes jährlich 16 Thaler Heuer, noch Pacht 2 Mark und ein Rauchhuhn. 13. Otto Plägel hat Jürgen Plägels wüste Statt angenommen und hat dieselbe vier Jahre frei. Dafür will er das Haus wieder aufbauen und ... annehmen. Hieneben 1 1/2 Hufen Landes 1 M 12 ß Pacht. Ein Rauchhuhn.
39) S. Meckl. U.=B. Nr. 6834: decima minuta dicta smalteghede de agnis et vitulis und Nr. 6363 allein decima agnorum. Daß in früherer Zeit die Schneidelschweine mit zur Bede gehörten, zeigen die Worte der Urkunde des Bischofs Konrad von Ratzeburg: conferimus et donamus, ut petitiones in porcis ab hominibus vestris in terra Boytin integre percipere valeatis.
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die an unserer Stelle besonders genannt werden, gehörten, wie ich oben ausgeführt habe, ursprünglich mit zu den im folgenden genannten Beden, sind aber in dem Inventar von 1652 mit unter den kleinen Zehnten gerechnet. So heißt es bei Schlagsdorf: Bauleute und Kätner geben den Zehnten von ihrem ausgesäten Korn und von einer jeglichen Hufe zwei Top 40 ) Flachs. Jeglicher gibt ein Schneidelschwein von drei Schweinen, hat er aber nur zwei Schweine, so gibt er nichts. Mit den Lämmern wird es wie mit den Schweinen gehalten, jedoch wenn er nicht mehr als zwei Lämmer hat, gibt er dafür zwölf Schilling. In Schlagrestorf bezahlen die Bauern in einem solchen Falle nur zehn Schillinge. Abweichungen von dieser gewöhnlichen Art des Zehnten finden sich in Petersberg und Rieps. Im ersteren Dorfe gibt der Schulze nur die vierzehnte Stiege vom Getreide, die anderen die zwölfte Stiege, Schneidelschwein und Schneidelamm, zwei Top von der Hufe, von allem diesem der Schulze frei. Und in Rieps heißt es: Zehnte: eine Stelle von allem Korn im Felde, zwei Stellen von einem Viertel, zwei von einem Achtel, die anderen gar keinen Zehnten. Die Stellen 8 bis 12 liegen zwar wüst; weshalb aber von Stelle 6 und 7, die doch bebaut sind, kein Zehnte bezahlt wird, und weshalb eine Stelle besonders belastet ist, läßt sich wohl kaum noch ergründen.

In der Regel war naturgemäß das Domkapitel Empfänger des Zehnten; nach der Reformation aber fiel er auch wohl dem Pfarrer des Dorfes zu. So heißt es bei Schlagsdorf: Die Bauleute und Kossäten geben den Zehnten von allem Korn im Felde, den der Pastor großenteils bekommt. In den deutschen Ansiedlungsdörfern war der Unternehmer für seine Hufen auch frei vom Zehnten, und ein Rest dieses Privilegiums ist die Befreiung vom kleinen Zehnten, die ich oben erwähnte. Und so zeigt sich in allen Verhältnissen dieser Dörfer ein Festhalten am Alten. Auch die Verteilung des Grundbesitzes wird im wesentlichen dieselbe geblieben sein wie im vierzehnten Jahrhundert, wo der adlige Besitz beseitigt wurde. Die Adligen hatten damals noch keine großen geschlossenen Höfe, sondern Streubesitz in verschiedenen Dörfern, und dieser ging in die Hände freier Erbpächter des Kapitels über. Ein größerer Hof wurde auch wohl, wie in Sülstorf, besonders an Bauern verteilt. Ein Verzeichnis der Hufner und Kätner ist uns aus dieser Zeit nicht erhalten. Nur einmal ist


40) Top heißt Büschel: "Ein Top Flachs machen während des Brechens des Flachses" ist ein Maß und bedeutet vierzig Hände voll Flachs nehmen.
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uns die Zahl der letzteren in einem Dorfe angegeben. Am 6. November 1375 verkaufte der Knappe Hartwig Zecher in Petersberg an das Domkapitel seinen Hof und sein Erbe, sowie zwei Katen. Diese letzteren finden sich neben zehn Hufenstellen in Petersberg noch im Jahre 1652.

Auch soviel läßt sich aus den vorhandenen Urkunden und amtlichen Verzeichnissen mit Sicherheit entnehmen, daß, je weiter wir nach dem Norden gehen, desto mehr die Zahl der Hufner überwiegt und die Katenstellen fast ganz verschwinden. Wir dürfen sogar annehmen, daß von dem Domkapitel alles getan wurde, um in Dörfern, wo Kleinbesitz war, größere Hufenstellen zu schaffen. In Thandorf werden in einer Urkunde des Jahres 1336 fünf Viertelhufner, acht Halbhufner, ein Dreiviertelhufner genannt, und selbst Jakob der Alte, der magister civium oder Schulze, hat nur eine halbe Hufe. Jm Jahre 1652 dagegen sind in demselben Dorfe elf Hufner und drei Kätner, und von den letzteren bebaut einer sogar eine halbe Hufe.

Am häufigsten finden wir solche Kätner in den alten Kapitelsdörfern, wie in Mechow, Ziethen und Schlagsdorf. Im letzteren werden schon 1307 cotarii erwähnt. Im Jahre 1652 haben wir in Ziethen neben zwölf Hufenstellen, die aber z. T. infolge der Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges nicht bebaut werden, acht Kätnerstellen und in Mechvw neben zehn Hufenstellen sechs Kätner. Schlagsdorf hat sogar dreizehn Hufner und ebenso viele Kätner. In Lankow dagegen sind sechs Hufner und nur zwei Kätner und in Schlag=Resdorf neben acht Hufnern nur ein Kätner. Die beiden Katenstellen bei dem erst später angelegten Neuhof sind natürlich eigens zur Ableistung von Handdiensten bei dem Hofe gegründet. Sonst aber werden wir annehmen dürfen, daß diese Kätner älteren Ursprungs sind.

In Rieps dagegen ist neben zwölf Bauleuten nur ein Kätner, in Thandorf ist das Verhältnis elf zu drei. Im Norden finden wir wie in den bischöflichen Dörfern, die wir weiter unten betrachten werden, fast ausschließlich alteingesessene deutsche Hufner als Erbpächter, während wir im Süden neben solchen Bauern Reste der wendischen Bevölkerung gewiß als alte Hintersassen des Prämonstratenserstiftes haben. Unter den Kapitelsdörfern des Nordens sind 1652 ganz ohne Kätner Rupensdorf, Bechelstorf, Niendorf, Wahlstorf, Oldendorf (Ollndorf) und Boitin=Resdorf; in den übrigen Dörfern sind sie ganz vereinzelt. Und bis in die Gegenwart hinein hat sich der Bauernstand im Norden als viel lebenskräftiger erwiesen als im Süden. Im letzteren hatte

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Ziethen im Jahre 1652 zwölf Hufen, von denen allerdings vier wüste lagen, jetzt hat es drei Hufner und fünf Halbhufner. Mechow hatte zehn Hufner, jetzt hat es nur noch zwei, von denen einer zwei, der andere eine halbe Hufe besitzt. Groß=Molzahn war 1652 ein Dorf mit sechs Hufenstellen, von denen drei wüste lagen. In Haus 4, heißt es im Inventar, hat der Dechant sein Korn gelegt, 5 ist abgebrochen und Hof Schlagsdorf damit gebaut. Über die Vergrößerung dieses Hofes im siebzehnten Jahrhundert erfahren wir aus dem Inventar folgendes: Stelle 6: Herr Sekretarius Heinrich Naumann hat zwei wüste Bauernhufen und vier Katen angenommen, dieselben bebaut, worüber ein absonderlicher Erbkaufskontrakt vorhanden, ist des Dienstgeldes bis 1663 befreit. Nach Verfließung solcher Jahre gibt er jährlich 53 M 8 Schillinge. Die Pächte aber muß er davon mittlerzeit jährlich entrichten und gibt dafür 22 Mark. Wir haben so das Legen von Bauernstellen zu Hofland, ebenso wie auch in Mechow die wüsten Hufen ohne Zweifel an den Hof gekommen sind. In Ziehten und Schlagsdorf kamen solche Stellen auch an Pfarrer. So heißt es bei Ziethen: Stelle 9 und 10 von den Herrn Kapitularen an den Pastor gegeben und bei Schlagsdorf: Hufe 9 hat der Pastor angenommen als wüste Statt wegen seiner restierenden Besoldung, gibt davon ein Huhn und zehn Schilling Pacht. Wüste Katenstellen sind wohl an Holzwärter gegeben. So ist in Mechow Kate 5, die wüste liegt, dem Holzvogt salarii causa zugelegt, der auf Kate 6 wohnt.

Dagegen sehen wir im Norden einen festen Bestand des bäuerlichen Besitzes von 1652 bis zur Gegenwart. In Wendorf, Boitin=Sülstorf, Raddingstorf, Klein=Mist, Groß=Mist, Wahlstorf und Oldendorf stimmt die Zahl der Hufner noch mit der heutigen überein. In anderen Dörfern finden sich nur kleine Unterschiede. So sind in Niendorf heute fünf Hufen statt der damaligen sechs, in Boitin=Restorf statt der früheren sechs Hufner zwei Vollhufner und vier Dreiviertelhufner, in Thandorf früher elf Hufner, jetzt neun Vollhufner und vier Halbhufner.

Was nun die Hufenstellen anbetrifft, so kommt in vielen Fällen nicht eine Hufe, sondern meistens ein größeres Maß, selten weniger in Betracht. In Schlagbrügge z. B. haben wir sieben Hufner, davon sind drei im Besitze von anderthalb Hufen, ebenso viele haben zwei Hufen, und ein Heinrich Mohr hat sogar dreidreiviertel Hufen, davon ist allerdings eine wüst und von ihm nur geheuert. Noch um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts war in diesem Dorfe der Hof eines Adligen, des

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Henneke Schwyn, der vermutlich einem holsteinischen Geschlecht angehörte, 41 ) und vielleicht hängt damit die größere Ausdehnung des Grundbesitzes der einzelnen zusammen, wenn wir auch nicht nachweisen können, wer gerade den Schwynschen Hof bekommen hat. Auch das Maß von fünf Viertel Hufen kommt häufiger vor; auf der anderen Seite gibt es auch Hufenstellen von dreiviertel, ja einer halben Hufe, wie in Groß=Mist. Die verhältnismäßig hohe Pacht, die sich nach der Aussaat richtete, zeigt aber, daß hier das Land besonders fruchtbar war.

So haben wir in diesen Kapitelsdörfern eine Entwicklung der bäuerlichen Verhältnisse, die ganz und gar Kolonialgegenden des Ostens abweicht. In der Mark Brandenburg sitzt schon in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in jedem Dorfe ein Gutsherr, während in der älteren Zeit fast überall mehrere Ritter mit oder ohne den Markgrafen in den Dörfern hebungsberechtigt waren. Hier in den Kapitelsdörfern dagegen ist der Adel ganz verdrängt, und ein durchaus kräftiger, lebensfähiger Bauernstand ist an seine Stelle getreten. Denn was für schwere Zeiten hat dieser Bauernstand durchmachen müssen! Schon aus der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts haben wir mannigfache schwere Klagen über die Folgen verheerender Kriege und der schrecklichen Seuche des schwarzen Todes. Wenn in einer damaligen Urkunde rührend darüber geklagt wird, daß durch Krieg, Raub und Brand die Güter des Domkapitels großen Mangel litten und auch wegen des Mangels an Bauern, so kann sich die letztere Klage nur auf das Hinsterben der Hufner beziehen, denn aus einem anderen Grunde konnte bei dem damals gut gestellten Bauernstande der Kapitelsdörfer kein Mangel an Ansiedlern eintreten. Im fünfzehnten Jahrhundert wurde das Land vielfach von Raubzügen des benachbarten Adels und auch der lauenburgischen Fürsten heimgesucht, von denen bisweilen auch die Geschichtschreiber berichten. 42 ) Ganz besonders das sechzehnte Jahrhundert brachte dann unerhörte Bedrückungen der lauenburgischen Herzöge über das Stift, denn diese suchten sich der früher veräußerten Hoheitsrechte wieder


41) S. Hasse, Schlesw.=Holst. Urk. und Reg., z. B. zum Jahre 1331 (Nr. 747), wo ein Johannes Swin de Clawesdorpe, und zum Jahre 1304 (Nr. 82), wo ein Johannes Swin de Thethahelsdorpe als Zeuge vorkommt.
42) S. z. B. die Fortsetzung des lübschen Chronisten Detmar zum Jahre 1470. Damals ließ der Herzog Johann von Lauenburg zwei Dörfer in der Vogtei Stove ausplündern und alles Vieh und Hausgerät wegnehmen. S. Masch S. 367.
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zu bemächtigen. Besonders waren es, wie Masch schreibt, die Kapitelsdörfer, welche ihre Habsucht und die Gewalttätigkeiten ihrer Diener empfinden mußten. Insbesondere nahm der Herzog das sog. Ablagerrecht für sich in Anspruch, d. h. das Recht der freien Herberge mit seinem Gefolge, wobei dann noch vieles mit auf den weiteren Weg genommen wurde. 43 ) - Aber auch zum Burgdienste wurden die Bauern mit Gewalt gepreßt. So ließ der Herzog in des Propstes Gehölz am 30. Juni 1526 einhundertdreiunddreißig Bäume schlagen, welche die Mechower Bauern an den See fahren mußten, und andere Landleute zwang er durch Wegnahme ihres Viehs, in Ratzeburg am Graben zu arbeiten. Ja, ein eigener Vogt wurde eingesetzt, welcher von des Kapitels Untertanen alle ihre Abgaben, Pächte, Zehnten, Rente, Dienste, Schneidelämmer, Schneidelschweine, Pachthühner, Rauchhühner, Flachs, Eier und Käse einzog, worauf natürlich gleichzeitig auch das Kapitel Ansprüche machte. 44 ) Die Waldungen waren dessen bisher von niemandem bestrittenes Eigentum gewesen, und nur einzelnen Dörfern war die Erlaubnis gegeben, eine bestimmte Anzahl Schweine zur Mast hineinzutreiben. Jetzt mußte diese Mast den Herzögen abgekauft werden, und die Bäume wurden massenhaft niedergehauen. Viele Tausende Eichen wurden gefällt und zu Brettern geschnitten. Ganze Häuser sollen damals in Ziethen und Kampow abgebrochen und nach Ratzeburg geschafft sein. Dazu kommen noch die Gewalttaten des herzoglichen Vogtes gegen die Untertanen. Außer den ungemessenen Diensten, die in unerhörtem Maße gefordert wurden, mußten sie noch persönliche Mißhandlungen erdulden, wurden mit dem Fausthammer blutig geschlagen und zum Teil gefangen nach Ratzeburg geführt. 45 )

Hervorzuheben ist hier auch die schreckliche Brandschatzung, mit der Graf Volrad von Mansfeld im Jahre 1553 das Stift heimsuchte. Dieser erklärte, er habe seinen Kriegszug unternommen zur Erhaltung der wahren christlichen Religion, der


43) Masch S. 475 Anm. zählt diese Ablager auf. So war der Herzog in Rieps mit 36 Pferden, in Resdorf mit 45 Pferden und 110 Hunden, in Ziethen mit 49 Pferden. In Schlagbrügge übte er dieses vermeintliche Recht sechsmal aus, einmal mit 38 Pferden.
44) Wenn der Herzog auch auf die Bede, die seine Vorgänger verkauft hatten, Ansprüche machte, so steht er darin nicht einzig da, sondern auch andere Landesherren haben solche Veräußerungen früherer Zeit nicht geachtet. S. den Aufsatz von Dr. F. Techen im 67. Jahrgange dieser Zeitschrift S. 41 Anm.
45) Die weiteren Ausführungen s. bei Masch S. 476 ff.
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Augsburgischen Konfession, auch der alten hergebrachten Freiheit des Vaterlandes. Der eigentliche Zweck zeigte sich aber, als er von den Domherren binnen vier Wochen 4000 Thaler verlangte, wofür das Stift und die Untertanen der Unterhaltung der Kriegsknechte überhoben und von Brandschatzung, Überfall und Beschwerung befreit sein sollten. Um diese Summe zusammenzubringen, verpfändete das Domkapitel die Dörfer Drögenlauen, Teschow, Palingen, Wahrsow und Lüdersdorf an den Bürgermeister von Lübeck, Nikolaus von Bardewik, auf 14 Jahre für 4000 Mark, Großen=Mist, Duvennest, Lenschow an den Dr. Strube auf 20 Jahre für 1500 Mark, ferner wurden Zehnten und Pachtsummen aus verschiedenen Dörfern verkauft und endlich eine außerordentliche Bede von einem Goldgulden für die Hufe auferlegt. 46 )

Aber auch jene fürstliche Willkür, der Raubbau, wie man das Verfahren des Herzogs teilweise nennen kann, sowie die furchtbare Brandschatzung des Grafen von Mansfeld überstanden die Kapitelsbauern, und selbst die jahrelangen Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, der in anderen Gegenden unseres Vaterlandes dem Bauernstande tödliche Wunden schlug, haben den Bauernstand des Fürstentums nicht zugrunde richten können. 47 ) Gewiß finden wir in dem Inventar des Jahres 1652, wie wir schon oben sahen, wüste Stellen und von den Soldaten zerstörte Häuser ausgezählt. Am schlimmsten stand es in Molzahn, wo eine Auflösung aller Verhältnisse eingetreten war. In jenem Inventar findet sich darüber folgende Aufzeichnung: Der Dechant berichtet, daß er den Hof wüste angefangen hat. Wegen der Pacht berichtet er, daß die Untertanen ihrer keiner Pacht gegeben hat. Er hat auch nicht erfahren können, daß sie solche zu geben schuldig wären; außer aus Lankau werden jährlich drei Drömt 48 ) Roggen gegeben. So wird weder in Groß= noch in Klein=Molzahn eine Pacht der einzelnen Bauern, soweit diese noch erhalten sind, aufgeführt. - In den anderen Dörfern hingegen sind die meisten Stellen im Besitze der alten Inhaber geblieben, und daß diese auch noch leidlich mit ihrem Inventar davon gekommen sind, zeigt schon der große Viehstand


46) S. Masch S. 498.
47) Wie schwer das Domkapitel an den Schulden, die der Krieg mit sich brachte, zu tragen hatte, zeigen die Ausführungen bei Masch S. 724. Die Schulden beliefen sich insgesamt auf 78 872 Mark.
48) Der mecklenburgische Drömt ist gleich 12 gestrichenen Scheffeln c. 5 hl.
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und namentlich der Reichtum an Pferden. In Niendorf hat ein Hufner zehn Pferde und zwei Ochsen, ein anderer sieben Pferde, drei Ochsen und ebenso viele Kühe. In Schlagsdorf hat ein Kätner, der nur vier Schillinge Pacht gibt, einen Viehstand von vier Pferden, vier Ochsen, drei Kühen, sieben Schweinen und acht Schafen und zahlt außerdem ein Rauchhuhn und zwölf Pachthühner. Diese große Zahl von Pferden, die zu der geringen Ausdehnung des Ackers in keinem Verhältnis steht, ist, wie auch Masch annimmt, aus den vielen Fuhrdiensten zu erklären, zu denen die Bauern verpflichtet waren.

Auffallen muß die gegen die heutigen Verhältnisse geringe Anzahl von Kühen. Vielleicht ist diese daraus zu erklären, daß, wie in dem bischöflichen Gebiete, Wiesen, soweit sie im Fürstentum vorhanden sind, zu den Höfen geschlagen waren und nur wenige ihre Kühe in die herrschaftlichen Waldungen treiben durften.

Das außerordentlich Wohltuende an der Politik des Domkapitels gegen seine Hintersassen ist die Achtung, ja das Wertschätzen der Persönlichkeit des Bauern. Die Stelle behält den Namen des bisherigen Inhabers, auch wenn sie zeitweise verheuert ist oder wüste liegt. Wir dürfen annehmen, daß manche Hufenstelle, die 1652 von anderen bebaut wurde, später wieder an ein Glied der alten Familie kam, ebenso wie in den bischöflichen Dörfern sog. Jahrenwohner eingesetzt wurden, wenn ein Angehöriger der alten Familie die Stelle noch nicht übernehmen konnte. Auf diese Weise ist es gekommen, daß viele Familien sich so lange Jahre in diesen Dörfern gehalten haben und daß in einzelnen Ortschaften sich noch Namen aus dem Mittelalter finden. Seitens des Domkapitels geschah alles, um diese Seßhaftigkeit zu fördern und ein Veräußern des ländlichen Besitzes zu hindern, finden wir doch schon früh den zehnten Zahlschilling, das sog. Uplatelgeld, das den Verkauf erschweren sollte. 49 )

Diese Schätzung der Persönlichkeit geht auch aus der Zusammensetzung der alten Landesgerichte, wie sie sich so lange erhalten haben, deutlich hervor. Nach einem Urteile aus dem siebzehnten Jahrhundert noch war ein solches Landgericht "ein pur lauteres Bauerngericht, darinnen die Untertanen unter sich selbsten das Urteil finden, nur daß es in Gegenwart eines ex capitulo dazu Abgeordneten gehegen wurde, welcher die Urteile


49) In dem Ratzeburger Protokoll über die von dem Sekretär Naumann geführte Amtsrechnung von Ostern 1667 bis dahin 1669 sind in diesen Jahren 95 M Auflassungsgeld eingenommen.
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ex aequitate (nach Billigkeit), da es nötig, redigierte". 50 ) Und endlich mußten noch im sechzehnten Jahrhundert die Bauern dem Bischof und Kapitel einen Huldigungseid schwören. 51 ) In diesem leisten sie zunächst dem hochwürdigen Bischofe Erbhuldigung; im Falle aber, daß er mit dem Tode abgeht, wollen sie sich an niemand anders als an das würdige Kapitel der Domkirche zu Ratzeburg mit allem Gehorsam halten, so lange bis sie von diesem an einen zukünftigen Bischof von Ratzeburg "geweißet und vorlaten werden". Sie wollen alles dasjenige tun und halten, was frommen und getreuen Untertanen gegen ihren Erbherrn "eignet und behoret".

Die Lage der Bauern in den Kapitelsdörfern hat sich aber auch unter der weltlichen Herrschaft der mecklenburgischen Fürsten nicht ungünstiger gestaltet. Nachdem diese auch die letzten Güter der Domkapitulare nach deren Aussterben gewonnen und das an die Ahlefelds verpfändete Dorf Lockwisch eingelöst hatten, taten sie alles, um den Bauernstand durch ein wohlwollendes Regiment zu erhalten, natürlich wie einst das Domkapitel dabei auch von der Absicht geleitet, sich aus dessen Abgaben eine wertvolle, nun nicht wieder an andere verpfändete Einnahmequelle zu sichern. Dieses zeigt uns einmal das Verzeichnis aller Hebungen und Abnutzungen aus dem Jahre 1695 und sodann ein Rechnungsbuch aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, das ich in Schönberg einsehen durfte. Das letztere ist auch ein deutlicher Beweis dafür, daß im Laufe der Zeit die persönlichen Dienste und Lasten immer mehr zu Reallasten gemacht wurden.

Schon das Verfahren bei der Ermittlung aller Hebungen in dem Jahre 1695 ist bezeichnend für das Verhältnis der Regierung zu den Untertanen. Zunächst wurden die Pächter oder Pensionarien der Klostermeiergüter zu Protokoll genommen über ihre Einnahmen und sodann deren Hintersassen. Bei den ersteren wird manche Klage laut. So beschwert sich der Pächter von Mechow darüber, daß seine Untertanen gar zu liederlich dienten. Auf die eine Meile nach Mölln zu fahren rechneten sie sich z. B. zwei Tage an Hofdienst an. Der Pächter von Wahrsow und Lenschow sagt ganz resigniert aus, die Dienste wären zwar schlecht, aber im Stifte nicht anders gebräuchlich. Bei den Untertanen dagegen wird keine Stimme der Unzufriedenheit laut. Wiederholt heißt es: Diese Leute sind mit ihrem Ver=


50) S. Masch S. 738 Anm. 16.
51) S. Masch S. 740 das Juramentum rusticorum Ep. et Cap. Raceb. aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts.
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walter wohl zufrieden; oder: es werden keine Beschwerden über den Verwalter laut; diese Leute haben sich nicht zu beschweren über Pensionarius; andere sind mit dem Verwalter "friedlich".

Wenn wir sodann die Dienste und Lasten der einzelnen Dörfer miteinandergleichen, so sehen wir, wie schon früher, die Bauern in den südlichen Kapitelsdörfern mehr belastet als in den nördlichen. In Mechow sind die Dienste noch drückender als im Jahre 1652. Zwar werden am Hofe 20 Pferde und 30 Ochsen zum Vorspann gehalten, und das Personal besteht aus einem Vogt, einem Meier, drei Knechten, vier Mägden und einem Kuhhirten, auch werden schon fünf Tagelöhner bei einem "Hörker" 52 ) genannt. Da aber anderseits der Betrieb auf Mechow und dem damit vereinigten Wietingsbeck sehr umfassend und ausgedehnt ist, so sind die Untertauen nicht nur zu einem Jahresdienst von sieben Tagen, wie früher, sondern auch zum Wochendienst verpflichtet. Diese Untertanen sind: zu Mechow drei Bauleute, drei Käter, ein Schnitter, so Dienstgeld gibt zwölf Thaler, in Thandorf neun Bauleute, vier Käter, in Schlag=Restorf sieben Bauleute, ein Käter. Eine Baustätte ist wüst, so vierzehn Taler jährlich gibt (natürlich als Ablösung für die persönlichen Dienste von dem oder denen bezahlt, die sie neben ihrem Lande bebauen). In Schlagbrügge sechs Bauleute, ein Halbhufner, vier große Käter, drei kleine Käter. In Ziethen sechs Bauleute, ein Halbhufner, vier große Käter, drei kleine Käter. Eine wüste Stätte gibt 16 Taler, und zwei wüste Stätten jede 12 Taler. Zu beachten ist, daß ein Teil von Schlagsdorf nicht mehr dienstpflichtig ist. Sodann ist bemerkenswert die Zunahme der Kleinkäter. Jene Bauleute dienen zwei Tage mit der Spannung und einen Tag wöchentlich selbander 53 ), in der Ernte zwei Personen alle Tage, die Käter drei Handtage. - In Groß=Molzahn dienen die Bauleute von Klein=Molzahn und Lankow zwei Spanntage und zwei Handtage wöchentlich, die Käter in der Pflugzeit drei Tage, in der Ernte fünf Tage. In Groß=Molzahn werden keine Bauleute mehr genannt, denn deren Hufen sind zum Hofe gelegt, sondern nur ein Käter und ein Einlieger, eine Bezeichnung, die jetzt zuerst aufkommt. Der erstere dient wöchentlich zwei Tage in Person, in der Saatzeit selbander, in der Ernte alle Tage, der Einlieger, Johann Petersen mit Namen, wöchentlich einen Tag mit der Hand, in der


52) Vielleicht einer, der die Hocken, d. h. die Getreidehaufen aufsetzt?
53) d. h. selber der zweite, mit einem anderen.
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Ernte drei Tage in allem. Auf der Römnitz sind die Bauern aus Kampow dienstpflichtig, und zwar die Hufner wöchentlich zwei Tage mit der Spannung und einen Tag mit der Hand, in der Ernte alle Tage selbander, die Käter wöchentlich drei Tage mit der Hand, in der Ernte alle Tage mit einer Person. - Schlagsdorf und Neuhof werden zusammen genannt, sind also damals an einen Pensionarius verpachtet gewesen. Im ersteren sind acht Hufner, die zwei Tage mit der Spannung und einen Tag mit der Hand wöchentlich dienen, in der Ernte täglich selbander. Die neun Käter dienen die eine Woche mit zwei Personen, die andere nur mit einer Person. Aus Rieps, Raddingsdorf und Wendorf tun die Untertanen sieben Tage Dienst im Jahr, als fünf mit der Spannung und zwei Tage in der Ernte. Also diese weiter abliegenden Dörfer sind von dem Wochendienst befreit, mithin viel weniger belastet. Natürlich mußten sie für die Ablösung dieser Dienste das übliche Dienstgeld bezahlen.

Damit haben wir den Übergang zu den günstigeren Verhältnissen des Nordens, denn die Dienste bei den zusammen verpachteten Höfen Wahrsow und Lenschow sind ähnlich. Nur die Bewohner von Duvennest leisten wöchentlich Dienste. In Duvennest, heißt es, dienen dem Pensionarius fünf Bauleute zwei Tage mit Spann und einen Tag mit der Hand, in der Ernte dienen sie vier Tage selbander, von den Kätnern der eine drei Tage mit Hand wöchentlich, der andere nur einen Tag wöchentlich. Dagegen sind die Bauleute zu Wahrsow, Lüdersdorf, Klein=Mist, Boitin=Restorf und Oldendorf (Ollndorf) nur sieben Tage im Jahre zu Diensten verpflichtet in allem, im übrigen geben sie ihr Dienstgeld nach Ratzeburg. Die beiden Kätner in Wahrsow dagegen dienen gleich denen in Duvennest, d. h. drei Tage wöchentlich, in der Ernte täglich eine Person. In Ollndorf und Boitin=Restorf sind keine Kätner. In Klein=Mist ist nur ein Kleinkätner, der aber kein Land hat. Trotzdem gibt er fünf Taler Dienstgeld. Eigentümlich sind die Verhältnisse in Lüdersdorf. Hier sind sechs Hufenstellen wie schon im Jahre 1652; aber die sechste gehört dem Priester. Die fünf übrigen sind sog. Halbdiener, trotzdem aber geben die drei ersten das volle Dienstgeld, nämlich 16 Taler, die vierte zahlt 8 und die fünfte 10 Taler Dienstgeld; während Klein=Mist nur 5 Taler 16 Schillinge Dienstgeld nach Ratzeburg gibt.

Zum kleinen Hofe Lauen gehören nach dem Inventar von 1652 die Dörfer Teschow (im äußersten Norden des Fürstentums und Lauen. Das erstere ist in diesem Verzeichnis von 1696 nicht

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genannt, das zweite hat zwei Hufner auch als Halbdiener, die aber nur fünf Taler Dienstgeld geben. Die halben Dienste bestehen darin, daß sie jede Woche einen Tag mit der Hand, in der Ernte die eine Woche drei Tage, die andere zwei Tage dienen. Der Kätner Asmus Konradt dient wöchentlich zwei Tage und in der Ernte vier Tage. Dieser zahlt kein Dienstgeld, während der Kätner Hans Drewet, der alle Wochen nur einen Tag und in der Ernte zwei Tage dient, also gerade die Hälfte der Zeit, 2 Taler 24 Schillinge Dienstgeld gibt.

Am selbständigsten ist der landwirtschaftliche Betrieb in Lockwisch, zu dem damals das oben genannte Lauen gehörte. Denn da die Untertanen der sieben Dörfer, die dazu gehörten, jährlich nur fünf Tage mit Spann und zwei Tage mit der Hand dienten, so wurde ein Vogt (in Lauen), ein Meier, ein Knecht, zwei Mägde, ein Kuhhirte und ein Schweinehirte gehalten, und in einem Nachtrage hebt der Pensionarius eigens hervor: Bei diesen Höfen sind keine ordinären Dienste gelegt, und deswegen muß der Ackerbau mit 6 Gespannen meinerseits bestellt werden, womit der gebaute Hafer verfüttert werden muß. Außerdem muß ich viel Personal halten. Und hier wird das Personal viel stärker angegeben als oben, nämlich drei Knechte und drei Mägde, die nebenbei jeder 25 Taler kosten, und außerdem noch drei Tagelöhner und vier Mägde; die ersteren bekommen 4 Taler Lohn und 3 Scheffel Roggen, die letzteren 2 Taler 16 Schillinge Lohn und 4 Scheffel Roggen. In der Ernte müssen diese sieben Personen gespeist werden, was für jeden 2 Taler kostet. Die Untertanen dagegen, wenn sie ihre Erntedienste verrichten, erhalten an Bargeld 13 Taler 29 Schillinge. Mit dieser genauen Berechnung seiner großen Ausgaben für eigenes Personal will der Pensionarius natürlich eine Ermäßigung der Pachtsumme erreichen.

Einzelheiten über die damaligen ländlichen Verhältnisse erfahren wir noch aus einigen Pachtkontrakten jener Zeit, und namentlich ist die Ermäßigung der Dienste zu beachten, die durch persönliche Verhältnisse der Untertanen veranlaßt wird. So heißt es in einem solchen Kontrakt des Jahres 1699: Die in Schlagbrügge, Mechow und Thandorf wohnenden großen Käter Hans Claß, Jochim Stammer, Jochim Claß, Hinrich Konow und Hans Burmester bleiben bei vorigem Dienst und sind jährlich jeder acht Tage mit der Spannung, nämlich vier Tage im Vorjahre und vier Tage im Herbst zu dienen schuldig. Weil die Untertanen des Dorfes Thandorf bekanntermaßen in fast

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schlechtem Stande sind, soll der Konduktor, d. h. Verwalter, von Mechow dahin gehalten sein, daß selbige wechselsweise mit den anderen Untertanen in Dienstgeld gesetzt und dadurch einigermaßen subleviert werden sollen.

Mit den milderen Dienstverhältnissen im Norden hängt es ohne Zweifel zusammen, daß die Zahl der wüsten Hufen in den Kapitelsdörfern da geringer ist. Bei Wahrsow, Lenschow, Lüdersdorf, Klein=Mist, Boitin=Resdorf und Ollndorf wird eigens hervorgehoben: Wüste Hufen in den Dörfern gar nicht. Dagegen finden sich nach einem amtlichen Verzeichnisse des Jahres 1700 je eine in Schlagsdorf, Molzahn, Ziethen, Lankow und zwei in Schlagbrügge. Dem stehen im Norden nur Lockwisch und Pahlingen mit je einer wüsten Hufe gegenüber.

Das schon oben erwähnte Rechnungsbuch aus dem Jahre 1750/51 enthält eine genaue Aufzählung der für Geld abgelösten Dienste und Naturalabgaben. Von letzteren sind die Lämmer, Hühner, der Flachs und die Schneidelschweine abgelöst, also im wesentlichen der kleine Zehnten, aber auch für den großen oder Kornzehnten scheint bares Geld bezahlt zu sein. Neben dem Pachtgeld, das auch genau aufgezählt wird, finden wir noch ein sog. Monatsgeld. Eine der größten Einnahmequellen ist das Dienstgeld, mit dem das Verzeichnis der Einkünfte beginnt. Mechow und Wietingsbeck fehlen, vielleicht, weil hier alle Dienste persönlich geleistet wurden. In Schlagsdorf lag die Sache so, daß der Pächter das jährliche Dienstgeld für die neun Hufen bezahlte, die zu Hofe dienten, und zwar jährlich 144 Taler mit der Pacht zusammen an die Herzogliche Rentei in Strelitz. Franz Thies und Johann Franz Zander, die nicht dienten, zahlten das Dienstgeld und zwar acht Taler bezw. fünf Taler jährlich. Die zehn Kätner dienten halb und gaben das halbe Dienstgeld. Als Dienstgeld für die halben Dienste, die ihm geleistet wurden, zahlte der Pächter 26 Taler 24 Schillinge jährlich. Das halbe Dienstgeld, das die Kätner selbst zahlten, betrug bei Ties Jenkel jährlich zwei Taler und bei Franz Schlichting 1 Taler 12 Schillinge, da sie Großkätner waren. Die übrigen acht Kleinkätner zahlten 30 Schillinge jährlich. Damit aber haben wir den alten Satz des Dienstgeldes für die Hufner mit sechzehn Talern, für die Kätner mit 8 Talern als Höchstsatz. In Duvennest wird etwas weniger von den Hufnern bezahlt, wahrscheinlich weil hier, wie wir oben sahen, mehr Hofdienst geleistet wurde. Wo solche Hofdienste beständig geleistet werden, fällt das Dienstgeld natürlich ganz weg. So werden die 5 Taler

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jährliches Dienstgeld des Hans Jochim Pieper in Wahrsow abgerechnet, weil er beständig zu Hofe dient. Aber es konnte auch vorkommen, daß ein Vierteljahr abwechselnd die Bauleute Hofdienste verrichteten, und dann fällt selbstverständlich für dieses Quartal das Dienstgeld fort. So dienten auf dem Hofe Wahrsow die Klein=Mister Bauleute bis Ostern, die Wahrsower selbst bis Johannis, die Duvennester bis Michaelis und die Boitin=Resdorfer bis Weihnachten. Die Kätner wechselten mit persönlichem Dienst und Dienstgeld alle halbe Jahre. So heißt es: Wegen der Kätnerdienste nach Wahrsow von Lüdersdorf Jührs und Lentschau auf ein halbes Jahr 5 Taler, die von der Einnahme an Dienstgeld abgezogen werden. Jeder von beiden hätte also jährlich 5 Taler Dienstgeld bezahlen müssen, aber da sie ein halbes Jahr persönlich dienten, wurde das Dienstgeld für beide zusammen auf 5 Taler herabgesetzt, also für jeden auf die Hälfte. Ebenso verhielt es sich mit den Kätnern Jürgen Hagen und Jochim Rumohr in Duvennest, die auch halbjährliche Dienste auf Wahrsow leisteten.

Sodann kommt das Monatsgeld in Betracht, das auch quartaliter berechnet ist. Die Höhe ist sehr verschieden, aber viel geringer als das Dienstgeld. In Schlagsdorf wechselt es zwischen 32 und 6 Schillingen, in andern Dörfern ist es höher, geht aber nicht über einen Taler vierteljährlich hinaus. In Groß=Mist geht es von einem Taler bis auf drei Schillinge hinunter, die ein Kätner, Jochim Rumohr, bezahlen muß. Der Ursprung dieses Monatsgeldes ist nicht ganz klar, aber vermutlich war es ein Rest der alten Bede, die, wie auch sonst in Mecklenburg, in eine regelmäßige Geldabgabe verwandelt wurde. Allerdings wurde sie meistens im Herbst als große und im Frühjahr als kleine Bede erhoben, aber es ist immerhin möglich, daß sie im achtzehnten Jahrhundert in eine ganz regelmäßige und gleichmäßige Abgabe umgesetzt war. 54 )

Daß dagegen die Schneidellämmer und die Flachslieferungen Reste des kleinen oder Schmalzehnten sind, steht fest. Für das Lamm bezahlt jeder ohne Unterschied, ob Hufner oder Kätner, 24 Schillinge. Da die Abgabe auf dem Lande ruht, so müssen die acht Kätner von Chim Meyers wüster Stätte in Schlagsdorf 24 Schillinge, also den Wert eines Lammes bezahlen. Vom Flachs ist ein Top zu 5 Schillingen abgelöst. Die


54) S. über die Bede als eine feste Reallast Brennecke im Jahrbuch 65, S. 51.
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Zahl der Tops für den einzelnen wechselt zwischen 2 und 6, selten ist ein Top als Abgabe. Im ganzen werden 150 Tops mit 16 Talern 22 Schillingen bezahlt.

Für die Rauch= und Pachthühner, die wir oben kennen gelernt haben, sind für das Stück vier Schillinge angerechnet. Da bei Kätnern mehrfach die Pacht ganz oder teilweise in Hühnern bezahlt wurde, müssen einige von diesen eine große Zahl ablösen, so ein Kätner in Schlagsdorf 25 Hühner, ein anderer 12, wieder ein anderer 9. Hat einer den Bruchteil einer wüsten Hufe in Anbau genommen, so muß er diesen Bruchteil vom Huhne bezahlen, wie in Rieps Stopher Burmeister von seiner Hufe ein und von Siems Burmeisters wüster Stätte ein Drittel Huhn, während ein anderer Bauer von den übrigen zwei Dritteln derselben Stätte zwei Drittel Huhn abgelöst hat. Im ganzen sind 473 Hühner abgelöst.

Wir kommen nun zu dem Pachtgelde. Sahen wir schon früher, wie dieses nicht annähernd dem Werte des betreffenden Grundstücks entsprach, so hat sich dies Mißverhältnis bei dem geringeren Werte des Geldes im achtzehnten Jahrhundert noch gesteigert. Das ganze Dorf Kampow z. B. zahlt an den Pächter von der Römnitz, dem ausnahmsweise die gesamten Einnahmen der Ortschaft zufallen, nur vier Mark acht Schilling Pacht, während für Schneidelschweine allein von den sechs Bauleuten und zwei Kätnern sieben Mark und sechzehn Schillinge bezahlt wurden. Die Gesamteinnahme an Pachtgeldern betrug rund tausend Taler, und rechnet man die Pacht der Kätner, Schmiede und Krugbesitzer ab, so kam auf jede von den 170 Hufen der Kapiteldörfer ungefähr eine Pachtsumme von fünf Talern. Das Dienstgeld brachte mindestens das Doppelte ein.

Zu beachten ist noch, daß sich trotz der schrecklichen Verwüstungen des siebzehnten Jahrhunderts, das auch in seiner zweiten Hälfte viele feindliche Durchzüge über das Fürstentum brachte, die Zahl der selbständigen Hufner verhältnismäßig wenig verändert hat. Es kommt wohl öfter vor, daß die Hälfte oder ein Drittel einer wüsten Hufenstelle von anderen Hufnern bebaut wird, aber damit ist noch nicht ausgemacht, daß die betreffende Hufe eingezogen war, sondern es ist die Möglichkeit da, daß nur unmündige Söhne da waren und bis zur Mündigkeit des ältesten die Nachbarn sich in den Anbau der Hufe teilten. Lebte die Witwe des Besitzers noch, dann verwaltete diese die Stelle. In Schlagsdorf hatten sich acht Kätner in eine wüste

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Hufe geteilt, und das wird ein dauernder Zustand gewesen sein. Dauernd waren auch Hufen zu benachbarten Meierhöfen gelegt. Aus dem Jahre 1750 haben wir dafür folgende Beispiele. In Thandorf war Jochim Meyers Stätte zu Neuhof gelegt, in Schlagrestorf die wüste Stätte Wehnmers und in Klein=Molzahn der Katen des Asmus Hundt zu Groß=Molzahn, zu Mechow die wüsten Stätten Hans Blancks und Konows im Dorfe Mechow, ferner Böttkers "Stück" in Ziethen und Bargers Gehöft in Schlagbrügge, zum Hofe Lauen die Stätte von Hans Fachen und die von Hinrich Dreesen im gleichnamigen Dorfe. Aber dieses Legen von Hufen braucht nicht mit Gewalt erfolgt zu sein, sondern konnte infolge von kriegerischen Verheerungen geschehen. Wir erinnern uns, daß in Groß=Molzahn, wo die freien Bauernhufen ganz verschwunden sind, nach dem Dreißigjährigen Kriege von sechs Stellen im Jahre 1652 noch drei wüste da lagen, und ebenso waren in Klein=Molzahn drei wüste Stellen. Naturgemäß konnte auch das Aussterben der Besitzer der Grund zum Legen sein. Neben Molzahn haben wir auch in Mechow und Ziethen eine beträchtliche Abnahme der Hufner. Im ersteren Dorfe sind 1652 noch sechs Hufenbesitzer, und vier Hufen liegen infolge des Krieges wüste, 1696 sind noch vier Bauleute da und heute noch zwei Hufner und ein Halbhufner, in Ziethen waren 1652 trotz der schrecklichen Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges, die dieses Dorf besonders betroffen zu haben scheinen, noch sieben Hufner, 1696 ebensoviele und heute nur noch drei Vollhufner. Je weiter nördlich, desto mehr hat sich die Zahl der Bauernhufen gehalten.

Von anderen Einnahmen, die das Rechnungsbuch aufzählt, sind noch zu nennen die Ablösungsgelder für Mastgerechtigkeit des Stiftes auf bäuerlichem Gebiete oder, wie es kurz heißt, für verkaufte Mast von ganzen Dörfern, ferner die Kornzehntengelder, die 201 Taler 37 Schillinge bringen. Die Salinengefälle aus Lüneburg, die einst der Bischof Heinrich von Wittorp dem Domkapitel geschenkt hatte, werden nicht mehr bezahlt (cessant). Die gesamten Einnahmen belaufen sich 1750/51 auf annähernd 5000 Taler. Darunter sind auch die Recognittonen und Grundgelder von Frey=Meistern, Krämern, Krügern und Brinckbauern. Die letzteren sind solche, die sich auf dem Brinck unmittelbar vor dem Dorfe angesiedelt haben. Das erste Jahr sind sie frei von Abgaben, wenigstens von der Kontribution, wie es in einem Verzeichnis der Kontributionseinkünfte von der Bäk heißt: Jakob Mosebach hat auf einem grünen Brinck

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angefangen zu bauen und ist also frei. Jene Handwerker, Krämer, Krüger und Brinckbauern zeigen uns, wie sich außer den alten Hufnern und Kätnern im achtzehnten Jahrhundert noch andere Stände im Stifte niederlassen. Im allgemeinen werden sie Einleger genannt, und solche finden sich namentlich in Schönberg; insbesondere sind es Tagelöhner und Handwerker. Unter diesen werden Weber, Schmiede und Schneider genannt. Die letzteren sind öfter auch zugleich Schulmeister. In dem kleinen Lankow sind ein Fischer und ein Schulmeister, dieser zugleich Schneider, "aber wenig zu arbeiten".

Die eben schon erwähnte Kontribution ist die letzte Abgabe, die wir hier besprechen müssen. Sie war eine recht drückende Steuer, die jedem einzelnen auferlegt war, und auch von Vieh, Getreide und Heu nach einem bestimmten Satze erhoben wurde. Sie sollte die großen Schulden, die im Dreißigjährigen Kriege gemacht waren, verzinsen und allmählich abtragen. Ein Verzeichnis aus dem Jahre 1707 zeigt uns die festen Sätze, zu denen die einzelnen veranlagt waren. So zahlte der Baumann Hans Ahrens in Schlagsdorf für sich und seine Frau 1 Taler 36 Schillinge, für eine Magd und einen Jungen 26 Schillinge, für einen Krug 1 Taler 30 Schillinge, für 4 Drömbt einen Scheffel Getreide 3 Taler 3 Schillinge, für ein Fuder Heu 8 Schillinge. In Thandorf zahlt der Kuhhirte für sich und die Frau 1 Taler 36 Schillinge, für zwei Stück Rindvieh 1 Taler, für vier Schafe 20 Schillinge. In Schlagbrügge zahlt ein Dröscher Hinrich Oldemann eine ähnliche Summe. Als Beispiel für die Kontributionsabgabe eines Gutes führe ich Groß=Molzahn an: Hans Christian Krullow 10 Taler 16 Schillinge, die Frau 5 Taler 7 Schillinge, drei Knechte 1 Taler 42 Schillinge, ein Junge 13 Schillinge, drei Mägde 39 Schillinge, drei Pferde 1 Taler 24 Schillinge. Die übrigen Pferde, acht an der Zahl, die 54 Stück Rindvieh und die 35 Schweine waren frei. Die Kontributionen von vier Schäfern in Mechow, Wietingsbeck, Wahrsow und Lenschow zeigen uns, daß diese einen ganz selbständigen landwirtschaftlichen Betrieb hatten, denn der Wietingsbecker hat einen Knecht, eine Magd, einen Jungen in der Wirtschaft und zwei Pferde, vier Stück Rindvieh, sowie vier Schweine. Kleiner ist der Betrieb in Lenschow und Wahrsow.

Suchen wir nun nach diesen Ausführungen die Gesamtabgaben eines Hufners in den Kapitelsdörfern zusammenzustellen. Mir fiel zufällig eine Aufzählung der Lasten eines Hofes

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aus dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts in die Hände. Der Bruder eines kinderlos verstorbenen Hufners in Schlag=Sülstorf wollte dessen Stelle antreten, doch die Regierung verlangte, er sollte einen Weinkauf von 350 Reichstalern zahlen. Die Lasten, die er durch diesen Kauf mit dem Hofe übernahm, werden folgendermaßen aufgezählt: Kriegsteuer 12 Taler, Dienstgeld 24 Taler, drei Spanntage Groß=Molzahn 4 Taler 24 Schillinge, 6 Handtage Ernte à 10 Schillinge = 1 Taler 12 Schillinge, Kapiteldienst 10 Taler, Herrn= und Predigerfuhren 6 Taler, im ganzen mit Prediger= und Küstergebühren 59 Taler 23 Schillinge. An der Zuverlässigkeit dieser Angaben ist nicht zu zweifeln, doch sind die Geldabgaben zusammengefaßt und abgerundet. Das Kriegsgeld oder die Kontribution setzt sich aus verschiedenen Posten zusammen und wird schwerlich genau 12 Taler ergeben haben. Das Dienstgeld beträgt nicht wie bei der einfachen Hufe 16 Taler, vielleicht weil der frühere Besitzer noch eine halbe Hufe dazu bewirtschaftet hatte. Die Rubrik Kapitelsteuer 10 Taler wird, da es sich um ein altes Dorf des Domkapitels handelt, in sich fassen das Monatsgeld mit höchstens 4 Talern, das Lämmergeld 24 Schillinge, Pachtgeld etwa 4 Taler, und der Rest kommt auf Schneidelschwein und Kornzehnten. Indessen ist dieser Posten etwas zu niedrig bemessen. In den Regulierungsurkunden, die im letzten Abschnitt dieser Arbeit behandelt werden müssen, weil sie die gesamten Dörfer betreffen, werden als Geldabgaben genannt: Der Zehnte, das Dienst=, Pacht=, Flachs= und Spinn=, Schneidelschwein=, Monats= und Fuhrgeld.

Vergleichen wir die Dienste der Kapiteldörfer nach den einzelnen Höfen, so zeigt sich da, daß sie am drückendsten waren in Mechow, wo die Verhältnisse sich seit dem Jahre 1652 sehr zu Ungunsten der Bauern geändert hatten. Die Bauern mußten zwei Tage in der Woche mit Spann und einen Tag mit der Hand, in der Erntezeit aber jeden Tag selbander dienen. Dazu kam, daß sie zum Teil einen weiten Weg zurückzulegen hatten. Wir sahen, wie 1696 der Pensionarius über Saumseligkeit klagte, und im Jahre 1704 erließ der Ober=Land=Hauptmann auf dem Domhofe in Ratzeburg eine strenge Verfügung, durch die er Nachlässigkeit und Ungehorsam bei zehn Talern Strafe verbot. Insbesondere wurde auch den Thandörfern und Resdorfern, wie schon 1694, streng untersagt, ihr Erntebier auf dem Bauhofe Mechow einzulegen; sie sollten es wie die andern dorfschaftlichen Untertanen mit nach Hause nehmen. - In Groß=Molzahn

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und auf der Römnitz lagen die Dienstverhältnisse ähnlich wie in Mechow. In Schlagsdorf dienten neun Hufner und 10 Kätner zu Hofe, zwei Hufner dienten nicht und gaben deshalb Dienstgeld, das für jene der Pächter mit der Pacht an die Herrschaft bezahlte. Neuhof gehörte damals mit zu Schlagsdorf. Die Wendorfer, Sülstorfer und Riepser dagegen zahlten Dienstgeld, brauchten also nur den siebentägigen Dienst zu leisten. Die Dörfer, welche zu Wahrsow und Lenschow gehörten, wechselten oder alternierten jedes Vierteljahr in der Dienstpflicht. Die Groß=Mister Bauern waren sogar gegen 12 Taler Abgaben auch von dem siebentägigen Dienste befreit. Am besten waren die vielen Hintersassen der Untertanen des Hofes Lockwisch gestellt, denn hier dienten die sieben Dörfer jährlich nur fünf Tage mit Spann und zwei Tage mit der Hand, bezahlten aber natürlich für die nicht geleisteten Wochendienste Dienstgeld. So lagen die Verhältnisse, als von der Wende des achtzehnten Jahrhunderts an die Regulierung eintrat, die aber auch die bischöflichen Dörfer betraf und deshalb am Schluß dieses Aufsatzes betrachtet werden muß.

Kapitel V.

Die Territorialbildung des bischöflichen Gebietes.

Wir kommen nun zu der Abrundung des bischöflichen Besitzes zu einem geschlossenen Territorium. Die betreffenden Dörfer und Höfe wurden auch hier Fürsten und Adligen abgekauft, und von den ersteren kommen neben den lauenburgischen Herzögen die benachbarten mecklenburgischen Fürsten in Betracht. Die Lauenburger hatten schon im Jahre 1261 55 ) alle ihre Hoheitsrechte über Boitin im engeren Sinne verkauft, und später verliehen sie und die mecklenburgischen Fürsten auch in dem erweiterten Lande Boitin den Bischöfen jene Rechte. Unter den Adligen kommen namentlich die Herren von Grönau und von Karlow in Betracht. Dieses letztere Geschlecht hat sich am längsten im Fürstentum behauptet. Von mecklenburgischen Familien hatten die Bülows, die wahrscheinlich bei Rehna ihren Stammsitz haben, auch in dem heutigen Fürstentum Ratzeburg Besitzungen.


55) Im Jahre 1261 verkaufte die Herzogin Helena von Sachsen alle Rechte über Boitin, und zehn Jahre darauf taten ihre Söhne Johann und Albrecht von Sachsen dasselbe, und zwar für 1000 M .
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Besonders von dem Bischofe Heinrich von Wittorp (1367 bis 1388) wurde ein sehr vorteilhafter Tausch vorgenommen, der das bischöfliche Gebiet vorzüglich abrundete. Im Jahre 1377 bekam Detlef von Grönau die bischöflichen Dörfer Farchau, Tangmer, 56 ) Pötrau und die Mühlen in Pötrau und Farchau. Dafür trat er an den Bischof ab: den Hof Stove mit der Feste und der Mühle, sodann die Dörfer Stove, Cronskamp, Neschow mit der Mordmühle, 57 ) die im Kirchspiele Karlow lag. In der betreffenden Urkunde wird ausdrücklich bestimmt, daß der Bischof diese Dörfer mit allen Zinsen, Zehnten, Beden, Schneidelschweinen und mit allem, was dazu gehörte, erhalten sollte, und der Herzog Erich, der sechshundert Mark für die Abtretung der Hoheitsrechte empfing, schenkte, was er etwa noch mehr hätte erhalten sollen, der Kirche zu seinem Seelenheil und gab dafür dem Bischöfe die volle Oberhoheit, jedes Recht und jede Bede. Die Dörfer sollten fortan zum Lande Boitin und zum Gebiete des Bischofs von Ratzeburg gehören.

Von den Karlows wurden anfangs nur einzelne Besitzungen veräußert. Im Jahre 1352 verkaufte Vicko von Karlow in Falkenhagen vier Hufen, den Dreesch und die Worth, und fünfzehn Jahre darauf gab Ludolf Karlow, genannt Wintfleger, seine Zustimmung dazu. Zu bemerken ist hier, daß andere zwei und eine halbe Hufen und ein Katen in demselben Dorfe Falkenhagen von dem Knappen Otto Beienflet an den Bischof verkauft wurden. Der Gesamtbesitz der Familie Karlow kam aber erst im Jahre 1397 an das Bistum. Für 4980 Mark, eine für die damaligen Zeiten außerordentlich hohe Summe, verkauften die Karlows damals die Dörfer Karlow, Klockstorf, Kuhlrade, Dependorf, die Fischerei im Dechower See, das Recht an der Bullenmühle, Schaddingsdorf und Rechte in Demern. Auch diese Dörfer legte Herzog Erich zum Lande Boitin und trennte sie vom Lande Ratzeburg, Für das Abtreten seiner Hoheitsrechte bekam er tausend Mark. Die Dörfer, die unter den eben genannten mecklenburgisch waren, nämlich Demern und Schaddingsdorf, traten die Herzöge von Mecklenburg ab und trennten sie vom Lande Gadebusch, indessen sie ließen sich dafür nichts bezahlen. Die Herren von Karlow haben die Dörfer nicht wieder


56) Nach der Topographie Schleswig=Holsteins und Lauenburgs von Schröder=Biernatzki lag Tangmer in der Gegend der heutigen Hölzung Tangenberg zwischen Ratzeburg und Mölln.
57) Die heutige Maurinemühle bei Neschow.
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erhaltene 58 ) wohl aber kauften sie später, wie wir weiter unten sehen werden, das Gut Röggelin an der Grenze des Fürstentums.

Unter den mecklenburgischen Adligen verkauften namentlich die Bülows große Besitzungen an den Bischof, so im Jahre 1373 Heinrich von Bülow Rüschenbeck, soweit es ihm gehörte, für 150 Mark und vor allem Dankwart von Bülow für 4300 Mark Rodenberg, Menzendorf, Blüssen, Grieben mit der Mühle, Anteil an Lübsee und alle seine Rechte, die ihm als Lehen oder Dienste in Rüschenbeck zustanden. 59 ) Er überließ alle diese Orte dem Bischofe ohne allen Vorbehalt mit Zehnten, Zinsen, Diensten usw. sowohl zum Besitz als zum Nießbrauch. Hier bestätigte Herzog Albrecht von Mecklenburg als Landesherr diesen Verkauf und legte die Dörfer zum Lande Boitin. Auch andere Herren von Bülow, die Rechte auf diese Besitzungen hatten, gaben ihre Zustimmung zum Verkaufe, und einer von diesen erklärte, daß auch Papenhusen, von dem bisher keine Erwähnung geschehen war, einbegriffen sei. Einem anderen Zweige der Bülows wurden im Jahre 1397 die Dörfer Zarnekowe und Poggheze (Pogez), sowie die Mordmühle durch den Bischof Detlof abgekauft. Dieser zahlte für das ganze Inventar und alle Rechte 1300 Mark. Zwei Jahre darauf verkaufte Henneke von Bülow der Ältere für 2000 Mark Röggelin, das von dem Herzog Erich von Sachsen ebenfalls dem Lande Boitin beigelegt wurde. In demselben Jahre 1399 verkauften die Ritzeraus dem Bischofe alle Anrechte, die sie an Wald, Wiesen, Weide, Bruch, Moor und Torf in den Grenzen zwischen Dechow und Kuhlrade hatten.

Damit war die Bildung des bischöflichen Territoriums um das Jahr 1400 äußerlich abgeschlossen; wir betrachten nun, wie sich das Verhältnis der neuen Landesherrn zu den Bauern gestaltete. Auch hier haben wir nur einzelne urkundliche Nachrichten aus der älteren Zeit, aber gerade diese sind sehr bezeichnend. Zunächst verkaufte im Jahre 1320 der Bischof Marquard den Bauern in Malzow ein Stück Land, wo das Holz abgehauen war, für 400 Mark und einen jährlichen Zins von 20 Mark.


58) Sie behielten noch das Patronat der Vikarie in Karlow. Im Jahre 1461 konsentiert Vicko Karlow zu Tüschenbeck (im nördlichen Lauenburg bei Grönau), daß die beiden kleinen Vikarien in Karlow, deren Patron er ist, von dem Bischof zu Ratzeburg mögen kombiniert werden.
59) Die Einkünfte, die andere Familien, wie die Klingenbergs in Lübeck und die Gebrüder Henneke und Heinrich von Stralendorff in Mecklenburg, aus einzelnen dieser Dörfer bezogen, wurden von ihnen auch an den Bischof verkauft. S. Masch S. 278.
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In der Urkunde heißt es wörtlich: Wegen der Anfeindungen, die wir von einigen unserer ritterlichen Nachbarn und anderen bei Gelegenheit des Holzfällens im genannten Walde erlitten, haben wir das Holz an einige Bürger in Lübeck für 350 Mark verkauft. Der Grund und Boden soll nach einigen Jahren an die Bauern des Dorfes Malzow kommen mit Vorbehalt des höchsten Gerichtes. Der Zins von 20 Mark jährlich darf nicht erhöht werden. Außer diesem Zins sollen sie keine Zehnten, exactiones und tallias, also keinerlei landesherrliche Abgaben oder etwas anderes zahlen, und daraus nicht gehalten sein, irgend einen Dienst oder Gehorsam zu leisten. Diese Urkunde hat nach Maschs Bericht die Gemeinde Malzow bis in die neueste Zeit aufbewahrt als ein ehrwürdiges Denkmal der Freiheiten, die sie von dem Bischofe erhalten hatte.

Ähnlich wie das Domkapitel den Hof bei Schlag=Sülstorf zu Bauernland legte, teilte auch der Bischof Hofland zu Bauernland, und zwar bei dem Hofe Rodenberg. Diesen, der früher eine Burg war, hatte der Ritter Dankward von Bülow von seinem Verwandten, dem Bischof Friedrich von Schwerin, geerbt. Bischof Heinrich von Ratzeburg teilte ihn vier Bauern zu, und zwar bekam ein jeder zwei Hufen. Die Namen dieser Bauern sind: Thideke Thanke, Henneke, sein Bruder, Gottschalk Renzowe, dessen Nachkommen im Dorfe noch heute ihren Besitz haben, und Ludeke Swinbudele. Jeder mußte fünfzig Mark lübsche Pfennige bezahlen, die binnen vier Jahren abzutragen oder alsdann mit zehn Prozent zu verzinsen waren, nach dem damals noch üblichen hohen Zinsfuße. Diese Hufen sollen sie ewiglich behalten und mit Ausnahme der ersten beiden Jahre jährlich um Michaelis sechs Mark vier Schillinge von jeder Hufe und ein Rauchhuhn von jedem Hause geben. Sonst sollen sie frei sein von jeder Pflicht, abgesehen davon, daß sie "uns und unseren Nachkommen des Jahres zwei oder drei Kornfuhren von Grevesmühlen nach Schönberg leisten". Auch sollen sie das Wasser zum Fischen brauchen, so oft sie was fangen können, ausgenommen die Wehre der Neunaugen. Diese behält sich der Bischof vor. 60 )

Hieraus geht schon hervor, welchen großen Wert der neue Landesherr auf einen kräftigen, in finanzieller Hinsicht leistungsfähigen Bauernstand legte, und vor allem in der heutigen Vogtei


60) In der Urkunde heißt es: besunden de were der neghenögen. Besunden heißt hier "ausgenommen". So lassen sich die nach Maschs Ansicht schwierigen Worte leicht erklären.
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Schönberg ist dieser zu einer Blüte gelangt wie nirgends sonst im Fürstentume. Nirgends überwiegen so die Vollhufner, und nirgends tritt die Zahl der Kätner so zurück, und deshalb hat Krüger gerade über diese Dörfer seine Familienchronik der bäuerlichen Besitzer oder Erbpächter geschrieben. Anders liegen die Verhältnisse in der Vogtei Stove, die mit zum bischöflichen Territorium gehörte. Hier haben wir in Demern, Stove und Groß=Rünz größere Höfe, in Röggelin ein Vorwerk, und selbst in den Dörfern, die Vollhufner aufzuweisen haben, daneben eine ganze Reihe von kleineren Besitzern. Und doch liegt keine größere Stadt in der Nähe, die das Aufkommen von sog. Büdnern in den Dörfern zu begünstigen pflegt. Dieser Unterschied zwischen den ländlichen Besitzverhältnissen in beiden Vogteien läßt sich durch die geschichtliche Entwicklung erklären.

Die Vogtei Schönberg, um mit dieser zu beginnen, ist der alte bischöfliche Teil des Landes Boitin, der 1194 durch die bekannte Teilung unter dem Bischof Isfried der bischöflichen Tafel zugewiesen wurde, während der andere dem Domkapitel zufiel. Dieses bischöfliche Boitin war der Kern des Territoriums, das der Bischof, wie wir oben gesehen haben, durch Kauf und Tausch auf Kosten der benachbarten Adligen und Fürsten im vierzehnten Jahrhundert erweiterte. Im alten Boitin selbst können wir keinen Adel nachweisen, denn das Zehntenregister versagt hier, weil der Zehnte ganz dem Bischof gehörte. In dem Lehnsverzeichnisse der Lehnsleute des Bistums Ratzeburg, das von dem Bischof Marquard angefangen und von seinem Nachfolger Volrad (1335-1350) vollendet wurde, finden wir vielleicht noch einen kleinen Rest altadligen Besitzes in Groß=Bünstorf. Hier besaßen Ludolf und der Sohn seines Bruders jeder noch eine halbe Hufe, die aber Marquard für hundert Mark kaufte und der bischöflichen Tafel zulegte.

Diese Territorialbildung des Bistums Ratzeburg wurde durch das Verlegen der Residenz des Bischofs nach Schönberg gefördert, nachdem er zuerst in Farchau bei Ratzeburg und dann in Dodow bei Wittenburg gewohnt hatte. Die Übersiedlung wird um das Jahr 1330 stattgefunden haben, denn in diesem Jahre wurden die Streitigkeiten mit Lübeck, die über die Befestigung des Schlosses in Schönberg entstanden waren, durch einen Vertrag beigelegt. 61 ) Fortan residierte der Bischof hier inmitten seines kleinen bäuerlichen Besitzes und suchte diesen zu


61) S. Urkundenbuch der Stadt Lübeck.
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vergrößern und abzurunden. Die zerstreut liegenden Dörfer in Lauenburg und in den Vierlanden wurden veräußert gegen solche, die in der Nähe von Schönberg lagen, und während er Einnahmen aus Zehnten, die in abgelegenen Dörfern erhoben wurden, verkaufte, suchte er die Erträge des ländlichen Besitzes in seiner Nähe zu vergrößern. Dieses war um so notwendiger, weil die großen Ausgaben für Landerwerb am Ende des vierzehnten Jahrhunderts, die wir oben kennen gelernt haben, außerordentliche Anforderungen an seine Geldmittel stellten. Der Rückschlag trat im Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts ein. Da mußte der Bischof Detlev einen großen Teil seines Besitzes verpfänden, teils an den Propst und das Kapitel, teils an benachbarte Adlige, wie die Bülows.

Kapitel VI.

Die bäuerlichen Verhältnisse in der Vogtei Schönberg.

Trotz dieser zeitweise recht schlechten Geldverhältnisse des Bischofs kann von einer schweren Bedrückung des Bauernstandes nicht die Rede sein, und damit kommen wir auf die Verhältnisse dieses Standes zunächst in der Vogtei Schönberg zu sprechen. Am deutlichsten gehen diese hervor aus dem Verzeichnis der bischöflichen Güter und Einkünfte, das von dem Bischofe Pardamus von Knesebeck (1431-1440) begonnen und unter dem Bischofe Georg im Jahre 1526 vollendet wurde. In einer Zeit, wo im südlichen und mittleren Deutschland der schreckliche Bauernkrieg eben erst mit Mord und Brand unterdrückt war und die unterlegenen Bauern für ihre Erhebung durch einen härteren Druck als zuvor büßen mußten, wird hier im Fürstentume eine scheinbare Erhöhung des Pachtzinses mit der "Verschlechterung des Geldes" gerechtfertigt und besonders hervorgehoben, daß der Bischof mit dem Pachtzins nach der neuen Ordnung noch eine Mark Schaden macht. Der Eingang des Registers 62 ) lautet nämlich: Der alte Zins waren dreizehn solidi und vier denarii, und zehn solidi machten einen florenus Lubicensis (Goldgulden), der jetzt drei Mark gilt. Aber im Laufe der Zeit ist das Geld verschlechtert. Vierundzwanzig solidi sind außerdem


62) Es ist abgedruckt in "D. Schröder, Das Evangelische Mecklenburg", doch leider nicht vollständig.
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pro precariis, d. h. als Bede hinzugefügt, und so gibt jetzt jede Hufe im Lande Boitin nur zwei Mark, fünf solidi und vier Denare ohne den Zehnten. Früher galt dieser drei Mark, jetzt "wegen der Geldverschlechterung" fünf Mark, und wenn er teurer verkauft werden kann. Und nun kommt die Rechtfertigung mit folgenden Worten: "Wenn man die oben genannten dreizehn solidi und vier Denare alten Geldes zusammenrechnet, so würden sie jetzt, drei Mark, vier solidi und vier Wittpfennige 63 ) ausmachen. Bei der Verpachtung des Landes Boitin erleidet die Diözese einen Schaden, indem sie nur zwei Mark, fünf solidi und vier Denare als Pacht nimmt. In der Hand des Bischofs liegt es, ob der Zehnte, verkauft oder eingesammelt wird."

Als Grundlage für die Pacht einer Hufe dienten also zwei Mark, fünf solidi und vier Denare, eine Summe, die keineswegs hoch genannt werden kann. Rechnen wir, wo ausdrücklich von einer Münzverschlechterung oder, wie wir sagen würden, von einem geringeren Metallwerte des Geldes die Rede ist, die damalige Mark lübsch, wie sie von 1506 an geprägt wurde und auch in Wismar galt, zu drei Mark 25 Pfennigen heutigen Metallwertes, so erhalten wir als Pachtsumme für eine Hufe ungefähr acht Mark unseres Geldes, denen dem Geldwerte nach etwa die sechsfache heutige Summe entspricht.

Dazu kommt der Zehnte, der abweichend von der in den Kapitelsdörfern üblichen Praxis schon früh mit einer Geldsumme abgelöst wurde und dessen Grundtaxe drei Mark waren. Zu beachten ist aber eine sog. Verbesserung des Zehnten, die bei einigen Gemeinden auch mit barem Gelde, und zwar mit zwei Mark bezahlt wird. Bei verschiedenen Dörfern findet sich indessen die Bestimmung: Für den Zehnten drei Mark, für die Verbesserung, wie sie sich mit dem Herrn, d. h. dem Bischöfe, einigen können. Wahrscheinlich handelt es sich darum, ob die sog. Verbesserung in Naturalien bezahlt werden soll. Wir finden auch Hufen, von denen der ganze Zehnte noch in Getreide bezahlt wird, wie z. B. in Herrenburg, wo Peter Tide als Zehnten fünf Scheffel Roggen gibt. Wo fünf Mark für den ganzen Zehnten gegeben werden oder nach unserem Gelde dem Metallwerte nach 15 Mark 25 Pfennige, da ist natürlich die Einnahme an Zehnten aus einem Dorfe größer als die aus der Pacht. In Selmstorf z. B. beträgt die Pachtsumme 48 Mark, 14 solidi und 8 Denare, der Zehnte aber bringt 92 Mark ein.


63) So genannt von dem Silberzusatze. Der sundische Wittpfennig hatte den Wert von drei gewöhnlichen Pfennigen.
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Naturalabgaben sind regelmäßig das Schneidelschwein, das Schneidellamm, Gänse, Flachs, das Rauchhuhn. Verschiedene Kätner bezahlen auch statt des Pachtgeldes Pachthühner. Wir sehen hier, wie der kleine Zehnte und alte Abgaben an den Gerichtsherrn miteinander vereinigt sind. Auch da macht sich zugunsten der Bauern geltend, daß die Abgaben nur an einen Herrn bezahlt werden, und daß die für die Gerichtsvogtei so gering sind. Anderswo werden gerade durch die letzteren die Untertanen sehr gedrückt, da der Vogt als Träger der landesherrlichen Gerichtsgewalt Herberge und Verpflegung für sich und sein ganzes Gesinde verlangte und eine Vogtbede, sowie eine Vogtgebühr beanspruchte. 64 ) Hier in dem bischöflichen Teile von Boitin war der Bischof Gerichtsherr, und an seinem Wohnsitze Schönberg oder in Stove wurde von seinem Beamten das Landgericht abgehalten, bei dem Bauern das Urteil fanden 65 ), wie das Domkapitel in Schlagsdorf und in Petersberg solche Landgerichte abhielt.

Auch die Dienste der Bauern können nicht drückend gewesen sein. Das brachten schon die Verhältnisse mit sich. Das Burgwerk für den Bischof wird wenigstens während des vierzehnten Jahrhunderts nur zur Befestigung des Hauses Schönberg geleistet sein, die noch dazu auf Drängen Lübecks sich in sehr bescheidenen Grenzen hielt. Das Haus Stove kam erst später in


64) S. Inama=Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte III, 1, 386, wo die Lasten des Bauernstandes eingeteilt werden in die grundherrlichen Abgaben, die im ganzen sehr einfach und gleichförmig waren, in den Zehnten und in die Abgaben für die Vogtei. Die letzteren sind ganz besonders willkürlich und mannigfacher Art.
65) Aus dem Jahre 1651 ist uns ein Bericht erhalten, "wie und welcher Gestalt im Stifte Ratzeburg nach alter Gewohnheit das Landgericht ist gehalten, und was für Solemnitäten etwa dabei beobachtet werden". Nach einer längeren Zwiesprache zwischen dem Vorsprecher und dem Dingestmann werden aus jedem Dorfe etwa eine oder zwei Personen, so man für die bescheidensten und vernünftigsten achtet, und sonderlich die Schulzen . . . . etwa 20 oder 24 Personen aus dem Haufen genommen und beseits gestellt, die auf bede (?) vorfallende Sachen, so denen in loco sich befindenden Herren Räten oder Beamten klagende an und vorbracht haben, das Recht finden und sprechen müssen. Solche Sachen müssen sie mit anhören, oder sie werden ihnen durch den Dingestmann angetragen, derselbe bringet auch hinwiederum ihre Meinung ein. Endlich wird das gehegte Recht wieder aufgegeben, und der Vorsprach ruft dann dreimal: Ihr Leute sollt zu Hause gehen, M. F. G. und Herrn Holtz laßet stehen, deroselben Wild laßet gehen und deroselben Wasser lasset ungefischett, auch sollet Ihr halten ewren rechten Mühlenweg, damit tut Jhr S. F. G. gleich und Recht. M. G. F. und Herr begehret Euren Schaden nicht, so hat M. F. G. und Herr Euch zu strafen Recht und Macht.
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den Besitz des Bischofs und wurde gleich darauf wieder verpfändet. Vielleicht werden die Bauern auch mit an der sogenannten Landwehr gearbeitet haben, die von dem Bischof Heinrich von Wittorp gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts aufgeführt sein soll. Wie Masch berichtet, vergrößerte er einen schon vorhandenen Graben, um die Bauern vor den beständigen Raubzügen der benachbarten Adligen zu schützen. Die Spuren sollen noch heute sichtbar sein, so zwischen Torisdorf und Sahmkow und von Lindow bis zur Marienmühle (auch Mordmühle genannt, heute Maurinenmühle).

Eigentliche Hofdienste können die Boitiner Bauern schon deshalb nur in sehr geringem Umfange geleistet haben, weil allem Anscheine nach bis zum sechzehnten Jahrhundert in dem alten bischöflichen Boitin außer dem Bauhofe des Bischofs in Schönberg kein Großgrundbesitz war. So handelt es sich wesentlich um Fuhrdienste, einmal um Beförderung des Bischofs und seines Gefolges nach dem Hause Stove, nach Lübeck und Ratzeburg, denn an diesen Orten hatte er seine Herbergen, das heißt bestimmte Absteigequartiere, von denen das in Ratzeburg noch heute erhalten ist. Ferner mußten die Bauleute das Getreide nach dem Markte schaffen, wie denn das zwei= oder dreimal im Jahre der Bischof von den Rodenberger Bauern verlangte. Sodann kommen das Fortschaffen von Ziegelsteinen aus der bischöflichen Brennerei in Schönberg und die Holzfuhren aus den großen Waldungen, die dem Bischofe gehörten, hier in Betracht. Auch die Angaben des Verzeichnisses aus dem Jahre 1526, obgleich sie etwas unbestimmt gehalten sind, bestätigen das geringe Maß der Dienste. Zunächst sehen wir gewiß Fuhrdienste angedeutet durch Bemerkungen wie bei Schönberg: Sie tuen Dienste nach (ad) Lübeck, Stove und Ratzeburg. Bei dem in der Nähe von Lübeck gelegenen Herrnburg ist bemerkt: Nach dem Belieben des Herrn leisten sie Fuhrdienste nach Lübeck.

Bei demselben Dorfe findet sich die ganz eigentümliche Bemerkung: Alle officiales bezahlen de officio 4 solidos und alle Kätner einen solidum, genannt Tagschilling. Bei keinem andern Dorfe werden diese Lasten angegeben, und sicher läßt sich nicht bestimmen, was darunter zu verstehen ist. Ich möchte aber annehmen, daß es sich um eine Ablösung der Dienste, vielleicht der Hofdienste handelt, die an die Herrschaft gezahlt wurde, wenn diese Dienste nicht geleistet wurden. 66 )


66) Die Andeutung eines solchen Hofdienstes haben wir im Inventar von 1652 bei dem Hofe Lentzkow. Da heißt es: Eine Kate dabei belegen (  ...  )
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Die wirklich geleisteten Dienste zerfallen in außerordentliche und ordentliche. Die ersteren sind namentlich die siebentägigen Spann= bezw. Handdienste zur Zeit der Aussaat und Ernte, die letzteren werden auch Wochendienste genannt und finden sich in Dörfern, die meistens dicht bei Schönberg liegen, wie in Kleinfeld, Groß= und Klein=Siemz, Sabow, Groß= und Klein=Bünstorf und Malzow, daneben aber auch in entfernteren, wie in Selmstorf, Zarnewenz, Sülstorf (Boitin=Sülstorf) und Schwanebeck. Außerordentliche Dienste werden fast nur von entfernter liegenden Dörfern geleistet, wie von Rüschenbeck, Rodenberg, Menzendorf, Lübseerhagen, Blüssen, Grieben und Falkenhagen. Frei vom Dienst ist eine Reiterhufe in Zarnewenz. "Da hat Arend Grote zwei Hufen, und er wird den Dienst eines Pferdes halten, für den er nicht dient, von einer Hufe nach dem Register des Bischofs Pardamus." Ferner sind auch befreit die Aussätzigen bei Darzow (Dassow) "der Frömmigkeit halber", doch den Zehnten, müssen sie zahlen. 67 ) Solche Freiheiten haben auch wohl die Prediger, die sog. plebani, schon vor der Reformation. So heißt es in dem Pachtverzeichnis von Selmstorf: Der Kirchherr von seinem Hofe bei der wedeme, d. h. dem Pfarrhause und einer Hufe, hat ihm mein gnädiger Herr die Zeit seines Lebens nachgegeben (d. h. der Bischof hat ihm die Pacht geschenkt). In Klein=Siemz geben zwei Hufen dem Pastor in Schönberg den Zins, den Zehnten und ein Lamm, aber dem Bischof einen Goldgulden, und endlich in Boitin=Sülstorf bezahlt der Hufner Hans Kassow dem Geistlichen Zins und Zehnten, gibt aber auch dem Bischof einen Goldgulden.

In einzelnen Dörfern fällt die Pacht Fremden zu. So hat das Kloster Reinfeld dicht bei Lübeck zwei Hufen im Dorfe Falkenhagen, aber dem Bischof steht darüber ein Goldgulden, Schutzrecht und die höchste Gerichtsbarkeit zu. In Blüssen hat der Pastor in Gadebusch eine Hufe, und zwei Hufen gehören als Burglehen den Bülows. In Grieben hat von den 22 Hufen die Äbtissin in Rehna fünf. Aber abgesehen von diesen kleinen Stücken fremden Besitzes ist das bischöfliche Boitin ein fest ge=


(  ...  ) . . . tut aber keinen Dienst, ohne daß er zu Zeiten Briefe verträgt. Für solche Dienstleistungen, die von Kätnern verrichtet wurden, erhielten diese später einen Schilling des Tages. S. Anhang II.
67) Leprosi apud Darsow 2 Verendel nescitur quo iure, de quibus causa pietatis nihil dant nisi solum decimam, quam solvunt sicut ceteri.
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schlossenes, einheitliches Territorium, einheitlich auch in bezug auf die Art des Grundbesitzes. Es ist der Kern des alten deutschen Koloniallandes im Fürstentum, ein echtes deutsches Bauernland. Damit kommen wir auf die Verteilung des ländlichen Besitzes. Die Vogtei Schönberg, also das alte bischöfliche Boitin, hatte allein 312 Hufen, während das ganze Fürstentum 708 zählte. Das Mindestmaß des bäuerlichen Besitzes beträgt drei Viertel Hufen, von denen 28 Schilling Pacht, das sind etwa sechs Mark, bezahlt werden. Solche Dreiviertelhufner finden wir in Schönberg fünf. Das sind aber ausnahmsweise kleine Stellen, und ganz einzig steht ein Viertelhufner in Herrenburg da. Vielleicht sind diese Ausnahmeverhältnisse daraus zu erklären, daß beide Orte öfter an andere verpfändet waren, so im Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts Herrnburg an die beiden Lübecker Bürgermeister Jordan Plescow und Kurd Breckewolde, denn solche Gutswirtschaft führte zur Zerstückelung des Hufenbesitzes. Bei weitem die meisten Dörfer aber haben Vollhufner, ja vielfach Doppelhufner und sogar 2 1/4 und 2 1/8 Hufner. In Schwanenbeck sind von sieben Hufenbesitzern zwei Doppelhufner. Kätner finden wir besonders wieder in Herrnburg und namentlich in Selmstorf. Im ersteren werden fünf aufgezählt, im letzteren sind zehn mit Namen aufgeführt, aber einige fehlen noch. Ihre Abgaben bestehen in Naturallieferungen oder auch in einer kleinen Geldsumme. In Selmstorf zahlen sie vier Schilling Pacht, teilweise aber auch sechs Pachthühner. Im ganzen sind diese Katenstellen viel seltener als in den Kapitelsdörfern, und mehrfach sind sie schon mit Hufenstellen vereinigt. So hat Jochim Krellenberg in Selmstorf 2 1/8 Hufen, daneben aber noch zwei Kätnerhufen, die zwölf Hühner Pacht geben. Paul Rotger hat zwei Hufen und dabei noch einen Katenhof, ebenso Heinrich Busch, der als Hauptbesitz zwei Hufen hat. In den meisten Dörfern sind nur Hufner. So war die Verteilung des Grundbesitzes im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts in der Vogtei Schönberg. Größere Güter, die im Besitze des Adels oder des Bischofs waren, sind nicht nachzuweisen. Nur in Selmstorf finden wir den Ansatz zu einem größeren Besitze des letzteren in der Schäferei, die drei Hufen und vier Katen umfaßte. Es heißt in dem Verzeichnis: "tho der Scheperie drei Houen und drei Katen, zwei in der Scheperie und eine daby. Noch eine Kate nach dem Schonenberge." Etwas anders gestaltete sich die Verteilung des Grundbesitzes im Laufe der Zeit durch die Entstehung der beiden Güter Torisdorf und eines besonderen Hofes in Schönberg neben dem

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bischöflichem Bauhofe daselbst. Die Art und Weise, wie diese entstanden sind, ist für die Verhältnisse des Fürstentums so bezeichnend, daß ich näher darauf eingehen muß.

Im Jahre 1552 gaben Bischof und Kapitel an Kaspar von Warnstedt, der längere Zeit Stiftshauptmann in Schönberg gewesen war, und an seine Erben zur Belohnung für seine treuen Dienste den Wochendienst im Dorfe Victorisdorpe, dem heutigen Torisdorf, so daß er ihn zu seinem Besten gebrauchen konnte. Den Einwohnern dagegen wurde das Dienstgeld erlassen, das sie früher in der Höhe von einer Mark an den Bischof bezahlt hatten. Außerordentliche Dienste hatten sie noch leisten müssen, nur nicht die regelmäßigen Wochendienste. Auch an Weide und Wald, die dem Bischof als Landesherrn gehörten, bekam Warnstedt Anteil, denn jedes Jahr erhielt er acht Fuder Brennholz und die Erlaubnis, sein Vieh mit dem des Bischofs auf dem Bauhofe in Schönberg zu weiden. 68 ) Zunächst war Torisdorf ein Lehngut, und aus dem Lehnsbriefe, der im Jahre 1614 für Karl Wehling ausgestellt wurde, geht hervor, daß auch das Untergericht und die Jagd an den Lehnsinhaber verliehen wurden, d. h. bei der letzteren nur "die Hasenjagd, soweit sich solches Gutes Bezirk erstrecket, doch daß er nebenst dem Schießen mehr nicht als zween Hunde und zween Winde halten möge, auch über die Grenze bei Vermeidung seiner eignen benannten willkürlichen Strafe der hundert Thaler nicht jage". Erst sehr allmählich ist ein geschlossenes Gut mit einem Herrenhause in Torisdorf entstanden. Noch 1651 wird von dem Wohnhause des Gutes gesagt, es wäre früher von einem Bauern bewohnt gewesen, und noch fünf Jahre später wird hervorgehoben, wie verfallen und schlecht das Haus, ein altes Bauernhaus, wäre. 69 ) Im Jahre 1657 wurde Torisdorf zu einem Allodialgute gemacht, und jetzt ist es das einzige ritterschaftliche Gut innerhalb der Grenzen des geschlossenen Fürstentums Ratzeburg. Naturgemäß waren die Dienste der vier Hufner und der drei Kätner, die im Jahre 1651 genannt werden, viel drückender als die der bischöflich gebliebenen Bauern, aber im achtzehnten Jahrhundert hießen sie noch Bauern und wurden insofern auch noch nach dem Bauernrechte behandelt, als bei Erledigung einer Stelle dem neuen Stelleninhaber ein besonderer Hausbrief ausgestellt wurde. Aber,


68) S. Masch S. 499 Anm. 7.
69) S. Krüger, Dreißig Dörfer S. 144.
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wie gesagt, die Lasten waren sehr drückend, und so ist der Bauernstand da ganz verschwunden. 70 )

Ganz anders ist ein Hof in Schönberg neben dem alten bischöflichen Bauhofe entstanden. Während der sog. Administration des Bischofs August aus dem lüneburgischen Hause, der von 1610 bis 1636 das Stift verwaltete, hatte den größten Einfluß der Stiftshauptmann Hermann Clamor von Mandelslo, der aus einem alten hannoverschen Adelsgeschlechte stammte. Gerade in den furchtbaren Drangsalen des Dreißigjährigen Krieges leitete er in Abwesenheit seines Herrn die Regierung und


70) Aus dem noch vorhandenen Kaufbrief vom Jahre 1757, den ich durch die Güte des Herrn Pastor Krüger erhielt, ist folgendes von Interesse: Der Hauswirt Hans Vollert war wegen vieler von seinem seligen Vater hinterlassenen Schulden, aber auch wegen eigner schlechter Wirtschaft so zurückgekommen, daß er seine Güter den Gläubigern abtreten und somit die Wirtschaft ganz aufgeben mußte. Daher hat ihm der Gutsherr Jobst Friedrich von Gundlach die Bauerstelle aufgekündigt, und dadurch ist diese erledigt worden. Da sich nun ein hiesiger Einlieger namens Peter Bahr gemeldet, daß er Lust habe, die erledigte Stelle wieder anzutreten und sich erboten, nicht nur als einem redlichen Bauern geziemet, sich gegen seine Obrigkeit aufzuführen und dem Gehöfte wohl vorzustehen, sondern auch die von dieser Stelle fallende Dienste, onera und praestanda gleich den übrigen Bauern zu leisten, so ist ihm nicht nur in seinem Ansuchen gewillfahret, sondern auch, da das Haus unter schlechtem Dach und die Zäune im Felde ziemlich destruiert, folgendes zu seinem Aufhelfen versprochen und auch bereits gegeben worden, als nemlich 600 Schösse Rohr und etwas altes Deckelstroh, nächstdem außer der Holzteilung, so dieses Jahr den Bauern zu Nutz= und Brennholz gegeben worden (wovon er sein Teil empfängt), noch zwei Eichen und eine Buche, auch zur Reparierung der zerfallenen Zäune das nötige Buschholz, daß er also hiermit nicht nur sein Haus und Zäune in guten Stand setzen, sondern auch alles nötige Nutzung= und Holzgerät sich daraus verfertigen kann. Ferner wird Peter Bahren nicht nur das Gehöft, Garten und Acker, Koppeln, Wiesen und Weiden, wie solches Hans Vollert bishero besessen, übergeben, sondern auch die völlig bestellte Sommer= und Wintersaat, an Weitzen, Rocken, Erbsen, Gerste und Hafer, alles nach Anweisung des hiernächst folgenden Inventarii, geliefert, daß er also als ein hiesiger Bauer und Hauswirt in völligen Stand gesetzt wird.
Dagegen hat Peter Bahr in Gegenwart zweier Zeugen, nämlich Peter Wiggert senior und Franz Burmeister, vermittelst eines Handschlages an Eidesstatt angelobet und versprochen, nicht nur sich als einen redlichen Bauern jeder Zeit wohl aufzuführen, dem Gehöfte, als einem tüchtigen und aufmerksamen Hauswirt gebühret, wohl vorzustehen, in seinem Hause auf Feuer und Licht geziemend Acht zu geben, seiner Obrigkeit und denen, so ihm an Obrigkeits=Stelle vorgesetzet werden möchten, allen Gehorsam und schuldigen Respekt zu erweisen, den Hofedienst, so von der Stelle fällt und ihm hinlänglich bekannt, allemal getreu und ohne Widerwillen zu leisten, auch übrige Praestanda gebührend abzutragen, auf Grenzen und Scheiden mit Acht zu haben, in Summa alles Widrige (  ...  )
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verwaltete die Einkünfte oft im Widerspruche mit dem Kapitel, 71 ) denn dieses machte ihm namentlich zum Vorwurfe, er verwende diese Einnahmen nicht uneigennützig. Insbesondere beschuldigte man ihn, daß er sich in Schönberg mehrere Bauernhufen erworben habe, und daß diese zu einem Gehöfte zusammengelegten Hufen gleich den adligen frei von allen Lasten gemacht wären, ohne daß er etwas dafür zahlte. Mandelslo soll auch die Absicht gehabt haben, die Schulzenstelle in Samkow sich anzueignen und mehrere Hufen in Bardowiek als Ochsenweide zu benutzen, doch wurden diese beiden willkürlichen Eingriffe in die Rechte und Besitzungen der Bauern beim Prozesse, der nach dem Tode des Bischofs August (1536) gegen ihn angestrengt wurde, nicht zur Sprache gebracht. Auffallend aber ist es, daß Bardowiek, welches 1526 noch sechs Hufen hatte, am Ende des siebzehnten Jahrhunderts nur noch drei zählte, die übrigen waren zu einem Hofe gelegt 72 ). Wie Bardowiek entstanden später auch Menzendorf 73 ) und Blüssen als bischöfliche Meiergüter, sozusagen als Vorwerke zu dem großen Bauhofe in Schönberg, wie


(  ...  ) nach allem Vermögen getreulich abzuwenden, hergegen seiner Obrigkeit Gutes, Nutzen und Besten nach allen Kräften befördern zu helfen, sondern auch, dafern etwa mit dem Gehöfte sollte eine Änderung getroffen werden, daß ihm oder seinen männlichen Erben aus dieser oder sonst andern Ursachen, als etwa wegen bezeigten Ungehorsam, schlechter Wirtschaft und dergleichen, das Gehöft wieder aufgekündigt und abgenommen würde, welches dann alle Mal Domino fundi vorbehalten bleibet, alsdann das Gehöft nebst allem Zubehör in gutem Stande sowohl Hofstelle als Ackerwerk, und zwar letzteres in gehöriger Düngung mit völlig bestellter Winter= und Sommersaat nach Maße, wie es dann hauswirtlich in denen Schlägen fallen würde, auch alles in gehöriger Bezäunung und Befriedigung ohne geringste Forderung von Meliorations= oder Übersaat=Kosten, seiner dermaligen Obrigkeit und Gutsherrn wiederumb abzuliefern und zu übergeben. Alles getreulich und ohne Gefehrde.
71) S. Masch S. 658 ff.
72) Darüber findet sich bei Horn, "Selmstorf", folgende Nachricht: 1612 2. Aug. ist das große Erbe zu Bardowiek, worauf weiland Henn. Heyberg gewohnt, vom damaligen Stiftshauptmann Clem. v. Mandelsloh für 200 Mark an Jak. Meyer, damals Käther auf Peter Meyers Kathen Stätte verkauft. Ob nun zwar nachher dieser Jak. Meyer durch listige Anwendung davon gebracht und solches Erbe der Genannte zur jetzigen Meyerei gelegt, so hat doch a. 1612 der Hauptmann v. Mandelsloh von solchem einen Kaufschilling abgerechnet, wegen des Zehnten 20 Schilling und wegen des Zahlschillings 12 Schilling 8 Pfennige NB. noch für die Auflassung dem Hauptmann 2 Thaler, dem Küchenmeister 1 Thaler, welches letztere indessen unbillig und gottlos.
73) Infolge der schrecklichen Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges befand sich nach Masch S. 647 im Jahre 1632 nur noch der Hof und ein Bauer in Menzendorf.
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ursprünglich Selmstorf die Schäferei zu diesem gewesen war. Noch in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurden zwei Hufen zur Meierei Rabensdorf gelegt, die bis dahin sehr klein gewesen sein muß.

Diesen neuen Verhältnissen, die durch die Entstehung mehrerer Höfe entstanden waren, mußte natürlich bei der Bestimmung der Dienste Rechnung getragen werden, und so findet sich aus dem Jahre 1655 ein Bescheid, der diese Frage zu lösen sucht. Er ist die Antwort auf eine Anfrage des Amtmannes Flügge, der Schönberg und Bluffen gepachtet hatte. Der Herzog Adolf Friedrich bestimmte folgendes: Die Amtsuntertanen bei der Vogtei Schönberg sollen dem Pensionario bei dem Ackerwerke jährlich acht Tage mit der Spannung und vier Tage mit der Hand dienen, und deshalb von dem Dienstgelde nichts abgehen, auch von dem Pensionario mit mehr Dienst nicht beschweret werden. Bei dem Hofe Blüssen und Menzendorf sind zu gewissen Diensten gelegt die vier Pflugdienste in Blüssen, drei ganze und zwei halbe in Menzendorf, und drei Pflugdienste in Lübseerhagen. Diese obgemeldeten Leute dienen wöchentlich drei Tage mit der Spannung. Die übrigen Untertanen zu diesen Vogteien gehörig bleiben bei ihrem Dienstgelde und dienen den anderen beim Bauhofe gleich, acht Tage im Jahre mit der Spannung und vier Tage mit der Hand und weiter nichts.

Im einzelnen liegen über das Dienstverhältnis der Bauern zu diesen Höfen amtliche Aufzeichnungen aus dem Jahre 1695 vor. Der größte Hof war der Bauhof Schönberg, wo die Aussaat allein 12 Drömbt Roggen betrug, während in Blüssen nur ein Drittel davon gesät wurde. Demgemäß haben wir da einen großen Viehstand, nämlich 80 Häupter Rindvieh und 60 Schweine. Die Schäferei war in Selmstorf. Das Personal bestand aus einem Vogt, einem Meier, drei Mahden, drei Knechten, einem Jungen, drei Hirten und einem Gänsehirten. Es durfte nicht klein sein, weil die Amtsuntertanen nur zwölf Tage jährlich dienten. Auf dem Hofe selbst befanden sich zwei Paar Pflüge und vier Eggen.

Ein anderes Bild gewährt der Hof Selmstorf, Hier überwiegen bei weitem die Schafe, von denen 800 gehalten werden. Schweine werden nur wenige gemästet. Die Hofdienste sind hier viel ausgedehnter, da zehn Bauleute wöchentlich jeder zwei Tage mit eigner Anspannung und einen Tag mit der Hand dienen müssen. Diese Bauleute sind ohne Zweifel Hufner aus dem etwas vom Hofe entfernt liegenden Selmstorf, und wir sehen

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aus dieser Zahl, daß mehrere Hufen zum Gutshof gelegt sein müssen, denn im Jahre 1526 fanden wir da 14 Hufen, und damals waren schon drei Hufen zur Schäferei gelegt.

Auch in Menzendorf überwiegt die Schäferei mit 350 Schafen. Die Zahl des Rindviehs ist gering. Trotzdem ist das Personal verhältnismäßig groß. Es besteht aus einem Vogt, einem Meier, einer Magd, zwei Knechten, zwei Jungen und einem Hirten. Diese müssen, wie es in dem amtlichen Berichte heißt, gehalten werden, wenn das Ackerwerk mit eigner Anspannung betrieben werden soll, und bisher haben die drei Menzendorfer Bauleute und die zu halbem Dienst Verpflichteten auch 68 Taler Dienstgeld bezahlt. Ähnlich sind die Verhältnisse in Bardowiek und Blüssen. Auch hier ist das Personal ziemlich groß, weil das Ackerwerk mit eigner Hand betrieben werden muß, und auch hier ist bisher von den Bauleuten der Dörfer Bardowiek und Blüssen Dienstgeld bezahlt, jetzt aber tun sie selbst Hofdienst, der bei allen drei Höfen weniger drückend war, weil sie unmittelbar bei diesen wohnten.

Der Unterschied in der Entwicklung der ländlichen Verhältnisse zwischen dem Gebiete des Domkapitels und der hier von der Vogtei Stove zu trennenden Vogtei Schönberg ergibt sich aus diesen Ausführungen leicht. Wählend wir in jenem schon früh eine Reihe von größeren Gütern haben, denen bestimmte Dörfer als dienstpflichtig zugewiesen sind, ist in der Vogtei Schönberg noch im sechzehnten Jahrhundert als großes Gut nur der bischöfliche Bauhof in Schönberg nachzuweisen, dem die gesamten Dörfer zu Diensten verpflichtet sind, und erst später bilden sich Schäfereien und Meierhöfe aus gelegten Hufen in anderen Orten. Dabei aber bleiben in keinem Teile des Fürstentums die Hufen so erhalten, wie hier. Um das Jahr 1700 gab es nur 12 wüste Hufen, davon je eine in acht Dörfern und je zwei in zwei Dörfern, nämlich in Schwanbeck und Falkenhagen, doch werden diese meistens von der ganzen Dorfschaft bebaut, die dann dafür Heuer an das Amt bezahlte.

Aus derselben Zeit stammt eine specificatio der vizefürstlichen Höfe im Amte Schönberg. Diese ist deshalb von Interesse, weil nicht nur die Aussaat der einzelnen Bauern angegeben wird, sondern auch diese selbst mit Familie und Gesinde. Bei weitem die meisten Dörfer haben ihre Hufenzahl behauptet, nur in denen mit bischöflichen Meierhöfen finden wir eine Zunahme der Kätner, wie in Selmstorf, wo schon sieben sind, und in

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Menzendorf, wo 1526 noch keine Katenstelle genannt wird, während 1700 schon drei vorhanden sind.

Gewiß haben diese Kätner vor allem den regelmäßigen Hofdienst verrichtet, denn den Hufnern fehlte es an Gesinde dazu. Bezeichnend für das Anerbenrecht, nach dem immer der älteste Sohn die Hufe übernimmt und die Brüder des Besitzers zurücktreten, ist die Erscheinung, daß diese Brüder als Knechte dienen, wie die Schwestern als Mägde. Das Personal oder, wie es heißt, das Volk ist außerordentlich gering; über einen Knecht und eine Magd kommt kein Hof hinaus, und das sind nur vereinzelte Fälle. Selbst bei Schulzen heißt es öfter: "hat kein Volk". Nun war aber, um regelmäßige Hofdienste zu verrichten, ein größeres Personal durchaus notwendig. So mußte z. B. in Schwansen im südlichen Schleswig ein Vollhufner meistens mit acht Pferden und vier bis fünf Leuten täglich zur Verfügung des Hofes stehen und konnte nur spät am Abend oder an Sonn= und Feiertagen seinen eigenen Betrieb bewirtschaften. Selbst da, wo eine mildere Praxis herrschte, mußten zwei Pferde und zwei Mann täglich gestellt werden 74 ). Im Fürstentum Ratzeburg und hier ganz besonders in der Vogtei Schönberg, dem alten Boitin, das schon lange in dem Besitze der Bischöfe war, mußte keinem mehr als diesen daran liegen, daß die bäuerlichen Hufen rationell bewirtschaftet wurden, denn sie bekamen daraus ihre Geldabgaben und Naturallieferungen. Mithin ist auch dieser Mangel an Personal ein Beweis für die schon wiederholt hervorgehobene Tatsache, daß die Dienste nicht drückend gewesen sind. Die Pächter mußten sich, wie wir oben sahen, in diese für sie ungünstigen Verhältnisse fügen. Nur einmal hören wir von dem harten Auftreten eines neuen Amtmanns in Schönberg. Im Jahre 1642 empfing dieser die Bauern von Siemz, die zu spät zur Arbeit kamen, mit der Karbatsche, brach aber dabei seinen Arm 75 ). Es ist wohl möglich, daß auch er sich später in diese eigenartigen, vom übrigen Mecklenburg ganz abweichenden Verhältnisse gefunden hat.

Wenn so im Gegensatze zu anderen Darstellungen 76 ) im vorhergehenden erwiesen ist, daß die Hofdienste in der Vogtei


74) S. den lehrreichen Aufsatz von Rawitscher, "Erb= und Zeitpächter auf den adligen Gütern der Ostküste Schleswig=Holsteins" in der Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig=Holsteinische Geschichte Bd. 42, 1912, S. 27.
75) S. Masch S. 696.
76) Diese geringe Last der Hofdienste in den Dörfern der Vogtei Schönberg muß hier besonders hervorgehoben werden, weil von mehreren (  ...  )
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Schönberg für die Bauleute im allgemeinen nicht drückend waren, so müssen wir eine Art von Diensten ausnehmen, die nicht wie in den Kapitelsdörfern fest normiert, sondern, wie es ausdrücklich heißt, ungemessen waren, nämlich die Fuhrdienste. Einmal


(  ...  ) Seiten behauptet ist, sie wären drückend gewesen. Masch spricht allerdings an einer Stelle seines Buches (S. 741) davon, daß die Abgaben und Dienste, welche die Bauern im Fürstentum zu leisten hatten, gering waren, aber in seinem Aufsatze in den Mecklenburgischen Jahrbüchern (II, S. 145) schildert er die "drückenden Naturaldienste" folgendermaßen: Gemeiniglich mußten sie acht Stunden arbeiten. Fast der ganze Ertrag der Menge des Zugviehs, der Knechte, Mägde und Dienstjungen wurde in diesen Diensten verzehrt, und ein wohlhabender Bauernstand konnte nie entstehen. Diese Worte können sich nicht auf die Vogtei Schönberg beziehen, treffen aber (was die drückenden Dienste betrifft) für Stove zu. - Krüger zählt (S. 149) die Hofdienste des Bauern Heinrich Bahr, der 1755 die Stelle eines abgemeierten Hufners in Torisdorf übernahm, auf und bemerkt dazu: Diese Hofdienste sind denen ganz ähnlich, die von den übrigen Bauern des Fürstentums auf den Großherzoglichen Domänen geleistet werden mußten. Bahrs aber mußte nach Ausweis des Kaufbriefes folgende Dienste übernehmen: Von Gregorii (Mitte März), bis die Heuernte angeht, tut er von seiner Stelle wöchentlich 3 Spann= und drei Handtage in Mannes=Dienste. Von der Heuernte an bis zum Schluß der Kornernte wechselt er in Mannes=Diensten ein Jahr ums andere mit dem Bauer Roxien, und da dieses Jahr ihn, Peter Bahren, der Mannesdienst trifft, so sendet er täglich 2 Mäher und einen Binder, künftig Jahr aber, da Roxien den Mannes=Dienst hat, sendet er, Bahr, täglich nur einen Mäher und 2 Binder, welche allemal zu Hofe kommen müssen, es mag damit geerntet oder andere Arbeit getrieben werden. Spanndienst geschieht in dieser Zeit nicht mehr, als zum Einfahren nötig, wozu er aber allemal mit einem Wagen kommen muß, so oft es ihm vom Hofe angesagt wird.
Wenn die Ernte geschehen, höret, nach Belieben des Gutsherrn, der alltägliche Hofe=Dienst wieder auf und fängt sich dann der ordinäre Dienst wieder an, da er wieder bis Martini von seiner Stelle 3 Spann= und 3 Handtage im Mannesdienste leistet. Von Martini bis wieder Gregorii leistet er keinen Spanndienst, sondern sendet nur täglich eine Mannes= Person zu Hofe. Außerdem tut er jährlich sieben und eine halbe Reisefuhr. Die halbe Reisefuhr spannt er mit Roxien zusammen, daß es eine ganze werde. Ferner jährlich 3 Briefreisen. Ferner muß er jährlich 9 Pfd. Hede für den Hof spinnen. Er ist schuldig einen Insten sich zu halten, welcher jährlich 26 Brauerstage zu Hofe prästieret; hat er aber keinen Insten, so muß er selber davor die Tage tun.
Bei so vielen Diensten hätte niemals der freie Bauernstand im Fürstentum bestehen können, denn das sind Leistungen, wie sie den Hintersassen der ritterschaftlichen Güter im übrigen Mecklenburg aufgebürdet waren, und so mußten auch die sieben Bauern in Torisdorf, die 1720 noch als "allesamt freie Leute und keine Leibeigene" auftreten, allmählich eingehen, wie denn Krüger selbst schreibt: "Jetzt erinnert an die früheren Bauern in Torisdorf nur noch das eine oder das andere Gebäude oder der Name eines Teiches. Wann der letzte Bauernhof dort eingegangen ist, ist mir unbekannt."
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lag schon in der Bestimmung, daß sie ungemessen sein sollten, eine große Härte, denn die Ungewißheit und Unregelmäßigkeit brachten eine große Störung des eigenen landwirtschaftlichen Betriebes mit sich, und dann waren im Laufe der Zeit diese Dienste sehr mannigfaltig und zahlreich geworden, anders als damals im vierzehnten Jahrhundert, wo von den Bauern in Rodenberg zwei oder drei Kornfuhren verlangt waren. Ich kann hier nur die Verordnung heranziehen, durch welche sie im Zusammenhange mit der Regulierung normiert wurden, weil naturgemäß früher keine Verfügung über ungemessene Dienste bestehen konnte. Danach wurden einmal Kapitelfuhren verlangt, und zwar beliefen sich diese allein schon nach einer durchschnittlichen Berechnung auf dreiunddreißig. Dazu kamen aber noch die Banschower Herren= und Deputatholzfuhren. Davon sind die ersteren Korn= oder Holzfuhren gewesen und haben den Namen davon, daß sie nach Banschow, südlich von Schwerin, am Anfang des Stör=Elde=Kanals, gingen. Die Herrenfuhren haben wir schon im sechzehnten Jahrhundert kennen gelernt, wo sie namentlich von den Bauern in Herrnburg und Schönberg verlangt wurden. Dazu gehören aber auch noch die Mühlendienste, d. h. die Anfuhr der Mühlenwellen und Mühlsteine nach Schönberg. Wir müssen nach dem Beispiele des benachbarten Lübeck annehmen, daß diese Mühlsteine nicht nur für den Gebrauch in der dem Bischöfe gehörenden Schönberger Mühle bestimmt. waren, sondern für die sämtlichen Mühlen in dem kleinen Lande, denen sie vom Bischof verkauft wurden, hatte doch auch der Lübecker Rat das Monopol für Mühlsteine. Dagegen vernehmen wir nichts davon, daß den Bauern noch Kriegslasten mit ihren Pferden auferlegt wurden. Schon in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts tritt in den Dörfern, die unter weltlichen Herren standen, der Dienst mit Wagen und einem Streitroß hervor, und es ist doch klar, daß durch solche kriegerischen Verpflichtungen die Landleute viel mehr belastet waren als durch friedliche Fuhrdienste 77 ).

Darüber schließlich, wie die Abgaben der Hufner in der Vogtei Schönberg sich in späterer Zeit gestalteten, haben mir


77) Im Meckl. Urkundenbuch finden sich folgende Zusammenstellungen von Bauerndiensten am Ende des 14. Jahrhunderts: orsedenst, burghdenst, perdedenst, daghdenst, ferner das servitium curruum et dextraticum; orssedenst, perdedenst edder burdenst, servitium dextrarii aut equorum. Nach Ihde S. 290 leisten das servitium dextrarii die ritterlichen Vasallen, das servirium equi nur die Schulzen.
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leider nur wenig Nachrichten zur Verfügung gestanden. Über den Kornzehnten ist ein Verzeichnis aus dem Jahre 1695 erhalten. Danach ist dieser in den meisten Dörfern mit sechs Talern für den Hufner abgelöst. In Schönberg dagegen bezahlen die neun Bauleute nur vier Taler und in Selmstorf die zehn Hufner jeder drei Taler und ein Halbhufner zwei Taler. Eine wesentliche Erhöhung gegen die Sätze des Jahres 1526 ist mithin nicht eingetreten, da in diesem schon drei Mark für den Zehnten und für die Verbesserung des Zehnten zwei Mark bezahlt wurden. Nur in Selmstorf wurde ein florenus gezahlt. Und wie der Kornzehnte mit einer regelmäßigen Geldzahlung abgelöst war, so scheint das auch mit den Naturalleistungen des kleinen Zehnten, also dem Schneidellamm, den Schneidelschweinen und dem Flachs geschehen zu sein. Die Verhältnisse haben sich hier ebenso entwickelt wie in den Kapitelsdörfern, und so wurde auch nach denselben Ansätzen das Monatsgeld eingezogen. Im Jahre 1754 betrug die gesamte Einnahme des Amtes Schönberg hieraus 652 Taler 43 1/2 Schillinge, während das etwas kleinere Amt Ratzeburg jährlich 512 Taler 28 Schillinge zahlte. Auch die Kontribution wird mit der in den Kapitelsdörfern übereingestimmt haben, und so werden die Bauleute in beiden Teilen des Landes ziemlich gleichgestellt gewesen sein. Bei der Regulierung werden, wie wir schon oben sahen, der Zehnte, das Spinn=, Schneidelschwein=, Monats= und Fuhrgeld erlassen, und diese Abgaben galten fürs ganze Land Ratzeburg. Von einer übermäßigen Belastung der Vogtei Schönberg kann mithin nach dem oben über das Amt Ratzeburg Ausgeführten, das im wesentlichen auch hier zutrifft, nicht die Rede sein.

Und wenn wir den heutigen Stand des ländlichen Besitzes in der Vogtei Schönberg betrachten, so hat sich in den bei weitem meisten Dörfern darin noch weniger verändert als in den Jahren 1526 bis 1700. In Orten wie Schönberg und Herrnburg konnten die Verhältnisse nicht dieselben bleiben. Das erstere hatte 1700 neben neun Bauleuten, die übrigens heute noch zu den ländlichen Hufenbesitzern gehören und mit ihnen zum Landtage des Fürstentums wählen, nur 51 Bürger; jetzt hat es annähernd 3000 Einwohner, naturgemäß auch eine Folge davon, daß es Sitz der Regierung geworden ist, die früher auf dem Domhofe in Ratzeburg war. Bei Herrnburg mußten die Nähe Lübecks und die Bahnverbindung mit dieser Stadt eine große Vermehrung der Büdner hervorbringen, deren Zahl im Jahre 1905 auf 69 gestiegen war. Auch in Selmstorf hat die Nähe der großen

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Stadt dazu geführt, daß sich fast hundert Büdner da angesiedelt haben. Aber die andern Dörfer haben sich auf derselben Zahl der Hufner gehalten, und in einzelnen gibt es heute noch keine Kätner und Büdner.

Kapitel VII.

Die bäuerlichen Verhältnisse in der Vogtei Stove.

Ganz abweichend davon haben sich die ländlichen Verhältnisse in der kleinsten Vogtei Stove entwickelt. Hier ist schon früh der adlige Besitz sehr verbreitet gewesen und hat sich auch länger als in den übrigen Teilen des Fürstentums gehalten. Wir erinnern uns, daß nach den oben erwähnten Angaben des Zehntenregisters in Deutsch= und in Slavisch=Karlow ein Gottschalk, gewiß ein Ahnherr der Herren von Karlow, Zehntenbesitz hatte, der auch in Schaddingsdorf begütert war. Ein Luthard, der nach demselben Register in Stove und Rünz begütert war, ist wohl ein Ahnherr des Geschlechtes von Stove, das noch im Jahre 1356 in Rünz saß, später aber nach Mustin und Kittlitz in Lauenburg auswanderte. 78 ) Jene Herren von Karlow dagegen haben sich bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts, ja teilweise noch länger im Fürstentum behauptet. Im Jahre 1291 sind ihre Burgen Karlow und Klockstorf nachzuweisen, denn als die große Raubritterfehde, die Hermann Ribe mit Reinbert von Karlow und anderen gegen die Städte und die Fürsten von Mecklenburg führte, in jenem Jahre durch den Frieden von Dutzow beendigt wurde, da mußten unter anderen Raubburgen auch jene geschleift werden.

Erst gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts verkauften die Karlows den größten Teil ihres Besitzes im Fürstentum an den Bischof, wie schon oben angegeben ist, und damals war dieser Besitz schon viel geschlossener und abgerundeter als der Streubesitz der Ritzeraus, der Herren von dem Broke und von Lassahn, die schon früher im Süden ihre Grundstücke an das Domkapitel verkauften oder vertauschten. Lagen doch die Dörfer Karlow, Klockstorf, Kuhlrade, Dependorf und Schaddingsdorf dicht nebeneinander. Auch das nahe liegende Dorf Neschow (Nesow) hatte den Karlows


78) Allerdings gibt es mehrere Orte mit Namen Stove in Mecklenburg, doch liegt es nahe, die Herren von Stove, die sich urkundlich um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Mustin und Kittlitz nachweisen lassen, aus dem nahe gelegenen Fürstentum herzuleiten.
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nicht lange vorher noch gehört. 79 )) In der Verkaufsurkunde werden eigens die Höfe Karlow und Klockstorf aufgeführt, und diese scheinen am Ende des vierzehnten Jahrhunderts Wohnsitze verschiedener Zweige der Familie gewesen zu sein. Der in Klockstorf wohnende Ludolf von Karlow stattete im Jahre 1373 eine neue Vikarie in der Kirche zu Karlow mit den Einkünften aus verschiedenen Grundstücken aus, und die uns darüber erhaltene Urkunde zeigt uns, wie der Besitz von Bauern, die dem Adel dienst= und zinspflichtig waren, damals schon geteilt war. In Kuhlrade, dessen Hälfte den Karlows gehört, werden die Einkünfte von fünf und einem Drittel Hufen zur Erhaltung der Vikarie bestimmt. Diese sind geteilt unter zwei Vollhufner, Hartwig und Jakob, sechs Halbhufner, Trenthorst, Maas, die Frau des Hinghest, Bantze, Detmar und Peilen und einen Drittelhufner, mit Namen Wulf. Der Zins von 26 solidi und 8 Denaren ist gerade doppelt so hoch, wie der, den der Bischof von seinen Erbpachthufen bekam. Die uxor Hinghstes wird bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes dieselbe Hufe bewirtschaftet haben, da die deutschen Bauern, die hier saßen, ohne Zweifel Erbpächter waren. Außerdem bekommt der Vikar noch die drei Mark Einkünfte von der Hufe, die auf der Grenzscheide zwischen Karlow und Kuhlrade liegt, von dem sog. Lentzerdeshofe, den jetzt Jakob und Tholemann bebauen. Und endlich kommt noch eine Hufe bei der Bullenmühle dazu, die der Vikar selbst bebauen darf. Auf jeden Fall muß der Besitz der Karlows sehr groß gewesen sein, wenn sie auf einmal über sieben Hufen zu einem milden Zwecke verschenken konnten, und sie besaßen daneben auch wichtige Hoheitsrechte, denn sie gaben dieser Vikarie die höhere und niedere Gerichtsbarkeit, die sie bisher besessen hatten, und so ist sie bis zu ihrer Erledigung im Jahre 1618 vollständig von dem bischöflichen Tafelgute getrennt geblieben. 80 )

Wenn aber auch die Karlows um das Jahr 1400 ihren Hauptbesitz im Fürstentum verloren, so haben sie sich doch in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts wieder an der südöstlichen Grenze ein Gut erworben, nämlich Röggelin, das


79) Am 15. April 1377 entsagen Arnold, Lüdecke und Vicko von Karlow, Knappen, ihrem Rechte des Wiederkaufes und anderen etwaigen Anrechten an der Mordmühle und an Neschow zugunsten des Bischofs Heinrich von Ratzeburg.
80) Sie wurde der Kirche und dem Pastor überwiesen, und zwar bekam ersterer die Geldpacht von den einzelnen Grundstücken im Betrage von 33 bis 34 Mark und der letztere die Kornhebungen, die sich etwa ebenso hoch beliefen. S. Masch S. 682.
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jetzt, als Vorwerk zu Stove gehört. Im Jahre 1451 verkauften die Herren von Plessen dieses Gut an den damaligen Bischof von Ratzeburg, Johann Preen, so frei, wie es der Bischof Detlef und die Karlows vor hatten und besessen haben. Daraus geht hervor, daß Röggelin allerdings 1399, wie schon oben erwähnt, von den Bülows an den Bischof Detlef von Ratzeburg verkauft wurde, daß es aber bald darauf die Karlows von diesem erwarben, und daß es von diesen an die Plessens kam.

Um das Jahr 1425 unternahm Bernd von Plessen, wohnhaft auf Arpshagen bei Klütz, einen Raubzug in das Fürstentum und zerstörte die Burg des Hans Karlow. Dieser stellte eine Schadenersatzforderung auf mit genauer Angabe seines Verlustes und reichte diese dem Rate von Lübeck ein. Ist auch der Name des Schlosses nicht genannt, so handelt es sich doch aller Wahrscheinlichkeit nach um Röggelin. 81 ) Wenn aber dieses der Fall ist, dann ist die Urkunde ein sehr interessantes und wichtiges Zeugnis dafür, daß selbst im Fürstentum Ratzeburg damals der landwirtschaftliche Eigenbetrieb der Adligen schon eine große Ausdehnung und Bedeutung gewonnen hatte. Hans von Karlow und seine Frau, die er hier eigens hervorhebt, hatten 25 Milchkühe, deren jede auf zwei Mark geschätzt wurde, und 22 Stück Jungvieh und Starken, ferner 146 Schafe, 2 Ochsen, jeder von 6 Mark an Wert, 92 Schweine und 32 Ziegen. Dazu kommen noch 18 Ackerpferde. Seinen Schaden an Winter= und Sommersaat schätzt er auf 400 Mark, weil der Acker unbestellt bleiben mußte. Seine Burg, sein Haus und alle Zimmer wurden verbrannt, und er selbst mit Frau und Töchtern mußte "von dem Seinen weichen". Um so schmerzlicher war das für ihn, weil nach den einzelnen Gegenständen der Ausstattung des Hauses dieses der Sitz einer wohlhabenden Familie gewesen war, die auch auf eine verfeinerte Lebensführung Wert legte. 82 )

Wenn nun auch in dem ausführlichen Inventar der Knechte 83 ) gedacht wird, so müssen wir doch annehmen, daß die


81) Neben der urkundlich feststehenden Tatsache, daß die Karlows in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts Röggelin besaßen, kommt noch in Betracht, daß nach der großen Anzahl der Netze und einer neuen Wade in ausgedehnter Weise Fischerei betrieben wurde, was auf den ziemlich großen Röggeliner See schließen läßt.
82) Das geht aus dem vielen Geschmeide, goldenen Spangen, Perlenketten u. a. hervor. Der Frau und den Töchtern wurden vier cogelen van eren hoveden gespleten, d. h. wohl Mäntel mit Kapuzen vom Kopfe gerissen. Auch seidene Decken und Kissen werden genannt.
83) Acht Paar Knechtelaken werden genannt.
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Hauptlast der ausgedehnten Hofdienste die benachbarten Bauern tragen mußten, und auf die Gestaltung der bäuerlichen Verhältnisse mußte der Bestand einer Gutsherrschaft bis in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hinein von Einfluß sein. Wenn auch das Schloß und die Burg nicht wiederhergestellt sind, so werden die Herrn von Plessen 84 ) doch den landwirtschaftlichen Betrieb aufrecht erhalten haben, bis sie das Gut, wie oben erwähnt, an den Bischof Johann von Ratzeburg verkauften. Die Karlows finden wir um das Jahr 1450 in Tüschenbeck bei Grönau und in Klein=Zecher am Schalsee.

Zwei andere adlige Geschlechter stammten aus dem Grenzgebiet, erwarben sich aber auch im Fürstentume große Besitzungen, nämlich die Herren von Grönau und von Bülow. Die ersteren tauschten, wie wir schon oben sahen, 1477 Streubesitz des Bischofs im Herzogtum Lauenburg gegen ihre ziemlich dicht zusammenliegenden Höfe und Dörfer Stove, Neschow, Kronskamp und Rünz ein. In der Tauschurkunde wird bei Stove zusammengestellt: Hof, Feste, Mühle und Dorf. Die Feste, die früher den Herren von Stove gehört hatte, ist vielleicht damals geschleift gewesen, denn Krantz erzählt in seiner Metropolis, Bischof Heinrich von Wittorf, der diese Besitzungen erwarb, habe das Haus Stove von Grund aus neu aufgeführt. Das Dorf Stove ist im Laufe der Zeit zum Hofe gelegt. In Neschow und Kronskamp haben wir noch Hufner, daneben aber überwiegend Büdner. Etwas anders verhält es sich mit Rünz. Im Zehntenregister wird nur Rosenitze genannt, später aber werden Wendisch=Rünz und Deutsch=Rünz unterschieden. Das letztere, später Groß=Rünz genannt, blieb ein deutsches Bauerndorf und kam in derselben Zeit wie Stove an den Bischof. Hier haben sich die Hufner in größerer Zahl gehalten als sonst in der Vogtei Stove und überwiegen bei weitem die Büdner. Klein=Rünz, das frühere Wendisch=Rünz, muß auch lange Zeit ein Dorf gewesen sein, denn in einem Verzeichnis des Jahres 1700 findet sich die Bemerkung: Klein=Rünz ist von vier Hufen Landes gelegt ohne Schäferei und Mistung, deshalb nicht halb besät.

Die Bülows endlich haben wahrscheinlich größere Höfe in Demern und bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts auch


84) Indessen möchte ich annehmen, daß 1430 noch Hans von Karlow im Besitze von Röggelin war, denn am 7. Oktober dieses Jahres schwört er dem Rate von Lübeck und dem Bürgermeister von Gadebusch Hermann Stoppesack Urfehde. Röggelin liegt in der Nähe der Straße von Lübeck nach Gadebusch.
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in Röggelin gehabt und daneben noch die Dörfer Samkow und Pogez. In Demern saßen sie mit den Karlows zusammen, die ihre Rechte und Einkünfte in dem Dorfe, wie wir oben sahen, im Jahre 1397 an den Bischof abtraten. In derselben Zeit verkaufte der Knappe Henneke von Bülow zu Röggelin fünf und eine halbe Hufe mit dem Walle in Demern an den Bischof, dem er zugleich das höchste und niedere Gericht abtrat. Auf diese Hofwirtschaft der beiden Geschlechter ist ohne Zweifel der Kleinbesitz der Bauern in Demern zurückzuführen. - Im Gegensatze zu den recht ärmlichen Verhältnissen der Bauern in dem letzteren Dorfe, wie sie auch bei den Kirchenvisitationen im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert hervorgehoben werden, steht der Wohlstand des Dorfes Pogez, das noch heute sieben Hufner hat, während in Demern nur ein Vollhufner ist. Ein Bauer, Detmar in Pogez, besaß und bebaute sogar im Jahre 1396 eine Hufe in Karlow und gab dafür als Pacht und zu anderer Pflicht vier Mark lübsche Pfennige und vier Schilling. Auf der anderen Seite aber geht die Abhängigkeit dieser Bauern vom Adel daraus hervor, daß in demselben Jahre Reimar von Karlow, wohnhaft zu Karlow, einen Bauern in Pogez, mit Namen Henneke Emeke, mitsamt einer halben Hufe in Karlow und einem sogenannten Überland an Otto Unrowe für eine Schuld von 25 Mark Lübsch verpfändete. Doch auch hier ist ein Pogezer Bauer im Besitz von Karlowschem Lande gewesen, für dessen Nutznießung er jedes Jahr einen Schilling und drittehalb Mark Lübsche Pfennige Pacht zahlte.

Gewiß hat der Bischof Detlef, der den bei weitem größten Teil der heutigen Vogtei Stove erwarb, dabei eine dauernde Erweiterung seines bischöflichen Gebietes im Auge gehabt, denn das zeigt uns auch der Ankauf der Gehölze, Wiesen, Weiden, Brüche und Torfmoore zwischen Dechow und Kuhlrade. Durch dieses zum Teil unwegsame Gelände, das die Herren von Ritzerau verkauften, wurde eine Grenzscheide nach Mecklenburg hin gebildet; aber durch die großen Geldsummen, die er für alle diese Besitzungen ausgegeben hatte, stürzte sich der Bischof in so große Schulden, daß schon im Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts die eben erst erworbene Vogtei verpfändet werden mußte. Das ist auf die Entwicklung der ländlichen Verhältnisse gewiß nicht ohne Einfluß geblieben, denn wenn das Land gleich dauernd in den Händen des Bischofs geblieben wäre, dann hätte er gewiß als Grundherr seine baren Einnahmen durch Förderung und Begünstigung der freien Zinsbauern zu heben versucht,

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wie das in der Vogtei Schönberg der Fall war. Das Domkapitel, dem die Vogtei Stove verpfändet wurde, hatte im fünfzehnten Jahrhundert schon mehr Interesse an der Mehrung des eigenen Gutsbesitzes, als an dem Steigern der gemeinsamen Einnahmen durch den Zins wohlhabender dauern. Stammte doch ein großer Teil der Domherren aus benachbarten vornehmen Geschlechtern, wie den Schacks, den Parkentins, den Blüchers und vor allem auch den Bülows. Gerade die letzteren suchten die Höfe der Vogtei Stove mit ihrem Grundbesitz im benachbarten Mecklenburg zu vereinigen. So bekamen sie schon im Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts das Haus Stove mit zwanzig Pflugdiensten auf dem Stover Felde, die mit zum Unterhalte des Schlosses Stove bestimmt waren, und im Jahre 1413 sind Detlev Negendank und Clas von Bülow sogar Inhaber der ganzen Vogtei Stove. Dann kam diese wieder in den Besitz des Kapitels, und im Jahre 1442 übernahm sie von neuem der damalige Bischof Johann, der wiederkäuflich einige Zehnten bei Grevesmühlen verkaufte und mit dem Gelde Stove einlöste. 85 ) Aber auch er konnte nicht dem Eindringen der Bülows steuern, die wiederholt als bischöfliche Lehnsträger im Besitze von Stove gewesen zu sein scheinen. Darauf gewiß bezieht sich die Bestimmung der Wahlkapitulation für den Bischof Heinrich im Jahre 1511, er solle Stove nicht ferner Lehnsleuten geben, sondern es für sich behalten oder Domherrn geben. Das letztere scheint das Domkapitel auch durchgesetzt zu haben, denn im Jahre 1611 war Amtmann in Stove ein Hartwig von Bülow aus dem Hause Pokrent, der zugleich Domherr war. Später wurde er Dechant und hatte seinen Wohnsitz in Schlagstorf, scheint aber auch in Demern eine Pfründe gehabt zu haben. Denn nach dem Berichte der Visitatoren des Jahres 1620 ließ er die Kirche daselbst ausbauen und ausschmücken, und nach dem Visitationsbefunde von 1641 hatte er die von den Soldaten ausgeschlagenen Fenster der Kirche sogleich wieder ersetzt und bei seinem Tode im Jahre 1639 derselben Kirche 300 Mark hinterlassen, wie er der Schlagsdorfer Kirche dieselbe Summe aussetzte. Natürlich fiel nach der Säkularisation des Jahres 1652 eine Pfründe nach dem Tode eines Domherrn an die weltliche Herrschaft, und so wurden Stove, zu dem Röggelin als Vorwerk gehört, der Hof Demern und Klein=Rünz herrschaftliche Meierhöfe. Die einzelnen Dörfer waren diesen Höfen zu Hofdiensten zugewiesen,


85) S. die Urkunde bei Schröder, Papistisches Mecklenburg.
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und zwar gehörten zum Amtsbauhofe Stove und zur Meierei Röggelin die Hauswirte auf Cronskamp, Neschow, Kuhlrade, Klockstorf und Karlow, zur Meierei Demern die Hauswirte aus Demern, Groß=Rünz und Schaddingsdorf und endlich zur Meierei Klein=Rünz die aus Pogez und aus Samkow.

Im Jahre 1653 wurde, wahrscheinlich infolge der großen Schuldenlast des Stiftes, die durch den Dreißigjährigen Krieg sich in erschreckendem Maße gesteigert hatte, das Amt Stove an Paul von Buchwald auf Schiershagen und dessen Erben verpfändet. Diese Besitzverhältnisse mußten eine Mehrbelastung des Bauernstandes herbeiführen, aber trotzdem hat sich auch in dieser Vogtei der Hufnerbestand im wesentlichen nicht vermindert. Im Jahre 1649, also gleich nach dem furchtbaren Kriege, haben wir noch 30 Hufner in dem kleinen Gebiete, und im Jahre 1700 sind nur sechs Hufenstellen im Amt Stove wüste, darunter vier Halbhufenstellen, eine Anderthalbhufenstelle und die zwei Hufen in Neschow, die wahrscheinlich an die Mord= oder Maurinenmühle gekommen waren. Diese dicht bei Neschow liegende Mühle war im siebzehnten Jahrhundert ein Hammerwerk, in dem Stangen= und Eisenwerk, sowie Kupfer geschmiedet wurden. Bisher hatte sie 80 Taler Pacht bezahlt; als aber 1659 jene zwei wüsten Hufen in Neschow dazu gelegt wurden, da mußte der Pächter, ein Lübecker Bürger 210 Taler zahlen. Doch es wird eigens hinzugesetzt: Wenn der Hof wird bebaut werden, so soll das Land von der Mordmühle wieder abgenommen werden, und in der Tat ist das später geschehen.

Wenn sich aber hier im Amte Stove trotz der oben dargestellten ungünstigen Verhältnisse der alte Bauernstand erhalten hat und seit dem siebzehnten Jahrhundert keine Verschlechterung seiner Lage eingetreten ist, so hat er das gewiß vor allem der mecklenburgischen Regierung zu danken, die sich bemühte, die Lasten der Hufner zu erleichtern. Schon aus dem Jahre 1649, also vor der Verpfändung an die Buchwalds, wurde von dem damaligen Amtmann folgender Vorschlag gemacht zur Erleichterung der Bauerndienste: Von den 30 Hufnern im Amte sollen jährlich 20 vom Dienste frei sein und hingegen wiederum sechzehn Taler an Dienstgeld entrichten. Die übrigen zehn sollen zur Bestellung des Ackerwerkes gebraucht werden, und zwar wöchentlich drei Tage mit der Spannung oder Hand und in der Ernte alle Tage, wenn man derselben benötigt ist. Dieser Vorschlag wurde von dem Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg angenommen, und durch eine Verordnung wurden die sog. alter=

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nierenden Dienste eingeführt, wie wir sie schon in der Vogtei Schönberg kennen gelernt haben. Wenn wir uns ein Bild davon machen wollen, wie sich nach dieser Verfügung die Hofdienste in der Vogtei Stove gestalteten, müssen wir eine spätere Verordnung aus dem Jahre 1789 ins Auge fassen, die auf jene Einrichtung des Jahres 1649 zurückgreift. Mancherlei Beschwerden, sowohl vonseiten der Pächter, als auch der Untertanen des Amtes, haben diese veranlaßt. Demgemäß wird zunächst beiden Teilen eingeschärft, sich nach den Kontrakten zu richten, und wie die Untertanen dringend zum Gehorsam und zur Folgsamkeit gemahnt werden, so wird den Pächtern vorgeschrieben, sich so gegen die Untertanen zu betragen, daß mit Recht keine Klage gegen sie geführt werden kann. Die ordentlichen Dienste werden nach der oben angeführte Verordnung aus zwei Tagen Spanndienst und einem Tage Handdienst in der Woche bestanden haben, doch findet hier das auch schon erwähnte Alternieren statt. "Inbezug auf diese alternierenden Dienste, wo nämlich ein Teil der zu Hofe dienenden Ortschaften nach der observanzmäßigen Wechselung vom ordinären Dienste frei ist, bleibt es bei der bisherigen Gewohnheit, als wie solche bisher gewesen und von den Pächtern gehalten worden. In Ansehung der Abwechselung der alternierenden Dorfschaften geschieht solche zu Stove und Klein= Rünz in termino Michaelis und zu Demern in termino Johannis, und verbleibt es bei dieser Observanz auch fernerhin." Die vom Jahresdienste nicht betroffenen Ortschaften zahlen, wie oben erwähnt ist, dafür ihr Dienstgeld.

Neben diesen regelmäßig alle Woche zu leistenden Hofdiensten, zu denen abwechselnd die Bauleute der einzelnen Dörfer herangezogen wurden, gab es aber noch, wie in den anderen Ämtern, ein Zusammendienen, das eine Woche dauerte. Darüber wird folgendes bestimmt: In Ansehung des sogenannten Zusammendienens bleibt es bei der bisherigen Observanz nach wie vor, daß nämlich diejenigen Hofdienste, welche vom Dienste abgehen, respektive in der Michaelis= oder Johanniswoche dienen, welche Bewandtnis es auch mit denen hat, die den Dienst antreten; mithin dienen nach der Gewohnheit alle Hofdienste eine Woche sämtlich.

Auch hier sind die Fuhrdienste, wenigstens was die kleinen Fuhren nach Lübeck, Mölln, Ratzeburg und gleich weiten Orten anbetrifft, ungemessen oder, wie es heißt, den Pächtern nicht bestimmt. Dagegen sind sie in bezug auf die weiten Fuhren mit

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sechs nach Cudevöhrde (Kuddewörde) 86 ), Schwerin und Wismar zufrieden, worunter auch die Fuhren begriffen sind, die nach gleich weiten Örtern geschehen, Für eine weite Fahrt nach Kuddewörde werden drei, für eine nach Schwerin und Wismar drittehalb Spanntage abgerechnet, für eine nach Lübeck und Mölln zwei, für eine nach Ratzeburg ein Spanntag. Für das Anfahren von Korn ist die weiteste Fahrt Bergedorf, worauf viertehalb Spanntage vergütet werden. Wer von da Korn holet, dem wird diese Fuhre von den sechs bestimmten weiten Fuhren abgerechnet.

Also auch hier, wie in der Vogtei Schönberg, sind die Fuhrdienste, abgesehen von den weiten Fuhren, ungemessen. Auch sonst ist manches der Observanz überlassen und nicht durch ein Reglement bestimmt. So heißt es ausdrücklich: Da alle Arten der Arbeiten in einem Dienst=Reglement nicht zu bestimmen sind, so bleibt es bei den nicht berührten bei der bisherigen Observanz. Solche nicht näher bestimmten Dienste sind die Nebendienste oder sogenannten gewöhnlichen Extra=Korn=Ernte=, Mähel= und Bindeltage; ferner die Herren= und Kapiteldienste bei den herrschaftlichen Bauten und Reparationen, Befriedigung der Landesgrenzen und Zuschläge, Aufräumung der Grenzgraben und der Mühlenbäche, Kapitelholzanfahren, Gefangenbewachung und Transportierung herrschaftlicher Bedienten. Diese letzteren Dienste wurden auch in der Vogtei Schönberg geleistet.

Es ist sehr interessant, zu betrachten, wie sich infolge der abweichenden Dienstverhältnisse der Untertanen auch die ländliche Bevölkerung ganz abweichend von der Vogtei Schönberg gestaltet hat. Das Dienstpersonal der größeren Höfe ist geringer an Zahl. So sind auf dem großen Hofe Stove nur zwei Knechte, zwei Jungen und drei Mägde, sowie ein Kuhhirt und eine Schweinehirtin, denn die meisten ländlichen Spann= und Handdienste wurden von den Untertanen geleistet, und wenn diese den Betrieb auf ihren eigenen Hufen aufrecht erhalten wollten, mußten sie ich Gesinde halten. So ließen sie vielfach durch dieses die Hofdienste besorgen. Auf den Kornreisen waren früher nur Knechte der Bauleute mitgefahren; 1789 wurde bestimmt, daß zur Verhütung der bei solchen Reisen vorkommenden Unordnungen hinfort auf jeder Kornreise ein Hauswirt selbst mitreisen sollte, und von diesem wurde gefordert, darauf zu achten, daß alles ordent=


86) Kuddewörde liegt im westlichen Lauenburg an dem Oberläufe der Bille. Wahrscheinlich wurde das Korn von da flußabwärts geflößt.
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lich hergehe. Die Hauswirte mußten diese Fahrten der Reihe nach herumgehen lassen. Zur Bestätigung des eben über das Gesinde Gesagten dient am besten ein Verzeichnis der Bevölkerung in der Vogtei Stove aus dem Jahre 1700, also aus derselben Zeit, wo wir bei den Bauleuten der Vogtei Schönberg, selbst bei Schulzen, fast kein Dienstpersonal oder Volk fanden. Das Amt Stove hatte damals vier Höfe, 37 besetzte Hufner, 18 Halbhufner, 15 Groß=Kätner, 24 Klein=Kätner, 21 Einlieger, 115 Frauen, 184 Söhne, 173 Töchter, 37 Knechte, 26 Mägde, 34 Jungen, 21 Dirnen. Wüst lagen drei Hufnerstellen und fünf Halbhufnerstellen. Zu der Zahl der Knechte und Mägde sind natürlich noch Söhne und Töchter hinzuzurechnen, die, wenn sie erwachsen waren, mit auf der väterlichen Hufe dienten. Schließlich fällt im Gegensatze zur Vogtei Schönberg die große Zahl von Kätnern in die Augen, die sich auch aus den eigentümlichen ländlichen Verhältnissen der Vogtei Stove erklären läßt.

So haben sich auf dem kleinen Raume von etwa sieben Quadratmeilen die ländlichen Verhältnisse im einzelnen voneinander etwas abweichend entwickelt. Die Geschichte des Domkapitels hat in den Vogteien Ratzeburg und Rupensdorf die Entstehung von Meierhöfen inmitten meistens wohlhabender Bauerndörfer gefördert. Das bischöfliche Tafelgut bestand, soweit die Vogtei Schönberg in Betracht kommt, zumeist aus alten Bauerndörfern, und erst allmählich entstanden da einzelne Höfe, die ursprünglich mit dem alten Bauhofe in Schönberg zusammengehangen zu haben scheinen. In der Vogtei Stove hat sich die alte Hufenwirtschaft am wenigsten rein bewahrt infolge des dort längere Zeit ansässigen Adels. Und doch hat die Entwicklung aller wieder das Gemeinsame, daß sich die alte römische Gemeindeverfassung fast durchgehend erhalten hat, und daß die Persönlichkeit und das erbliche Besitzrecht der Bauern von dem geistlichen Regiment geachtet und bewahrt wurden. Hier gilt das alte Wort: Unter dem Krummstabe ist gut wohnen. In den beiden selbständigen Territorien des Domkapitels und der bischöflichen Tafel, wie sie sich im vierzehnten Jahrhundert bildeten, waren Adelsbesitz und weltliche Hoheitsrechte der benachbarten Fürsten im wesentlichen beseitigt, und dadurch ist die spätere günstige Stellung des Bauernstandes bedingt. Das sollte in dieser kleinen Untersuchung urkundlich nachgewiesen werden, und ein Ausblick in die spätere Zeit sollte zeigen, wie fest dieser Bauernstand gewurzelt war, und wie wenig er in seinem Bestande durch die gewaltigen Kriegsstürme, die über das kleine Land dahinbrausten,

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erschüttert wurde. Diese eigenartige Entwicklung der ländlichen Verhältnisse des Fürstentums werden wir aber erst dann ganz würdigen können, wenn wir im Gegensatze dazu die Verhältnisse der benachbarten Gebiete betrachten, in denen sich der Adel behauptet hat.

So verschieden im einzelnen sich die bäuerlichen Verhältnisse im Kolonialgebiete des Nordens und Ostens, das hier in Betracht kommt, im Verlaufe der Zeit gestaltet haben, so läßt sich doch als einheitlicher Grundzug der anfänglichen Entwicklung folgendes hinstellen: Ein Adel, der meistens aus dem Inneren Deutschlands eingewandert ist, hat Streubesitz, d. h. Hufen mit besonderen Rechten und Freiheiten in verschiedenen Dörfern. Diese Vorrechte sind meistens daraus zu erklären, daß die Ansiedlung von ihm geleitet ist und er die Verantwortung getragen hat. Zunächst gilt das von einem Dorfe, aber Zehnten und Grundbesitz in anderen Dörfern kamen bald hinzu. Vielfach haben die Adligen von den Dörfern, in denen sie besonders begütert waren, ihren Namen angenommen.

Die unter ihrer Leitung angesiedelten Bauern waren persönlich frei, sie hatten ihre Hufe in Erbpacht und mußten einen Zins an den Grundherrn, sowie Zehnten an die Geistlichkeit und auch in einigen Fällen an jenen Grundherrn zahlen. Das lehnsrechtliche Verhältnis zum Landesherrn wurde von den Adligen immer mehr gelöst; sie bekamen die höhere und niedere Gerichtsbarkeit über die Bauern, und seit dem Ausgange des vierzehnten Jahrhunderts hörten die freien Bauerngerichte immer mehr auf. Am Ende des Mittelalters stiegen die Macht und die Bedeutung der Landstände, aber nur Adel, Geistlichkeit und Städte kommen als solche in Betracht. Zu diesen Veränderungen mehr politischer Art kam dann der große wirtschaftliche Umschwung im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert durch die neuen Entdeckungen und den sinkenden Wert der Edelmetalle, die einen Wechsel in der ganzen Lebensführung der höheren Stände herbeiführten. Der Adlige, der vorher Grundherr war und vorzugsweise das Waffenhandwerk gepflegt hatte, ließ sich auf einem Hofe fest nieder und wurde zum Gutsherrn. Durch eigene Produktion von Getreide suchte er dieses nach dem industriereichen Westen, der noch heute der Zufuhr von Getreide und Schlachtvieh aus dem Osten so dringend bedarf, auszuführen, aber als Massenproduzent von Korn mußte er eine größere, einheitliche Gutsherrschaft führen. Infolgedessen legte er die Bauern, d. h. er schlug ihre Hufen zu seinem Hofe und zwang diejenigen, die ihre

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Scholle nicht verlassen wollten, zu Frondiensten, und damit haben wir die Entstehung der ländlichen Leibeigenschaft. Neuerdings ist in einer sehr lehrreichen Abhandlung ausgeführt, 87 ) wie sich diese Abhängigkeit der Bauern in den einzelnen Landschaften Schleswig=Holsteins gestaltete, aber bei aller Verschiedenheit im einzelnen, die durch die Persönlichkeit des Gutsherrn vielfach bedingt wurde oder auch mit der Art der ursprünglichen Ansiedelung zusammenhängt, das eine steht fest: das neu gebildete Hofland vernichtete die alte bäuerliche Gemeindeverfassung. Gewiß ist die Größe der neu entstandenen Rittergüter verschieden gewesen, sie schwanken zwischen den großen Latifundien Ostpreußens und den wenigstens anfangs kleineren Gütern Mecklenburgs, 88 ) und auch die Zeit, in der diese Gutsherrschaft aufkam, ist nicht einheitlich zu bestimmen. In der Mark Brandenburg hatte bereits in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts jedes Dorf einen bestimmten Gutsherrn, der ungefähr sieben Hufen besaß, in Mecklenburg soll anfangs eine Grenze gesetzt sein mit vier Hufen, wenigstens noch im vierzehnten Jahrhundert. 89 ) Hand in Hand damit geht eine Verkleinerung des Hufengutes der Bauern bis zur Hälfte oder gar zum Viertel des alten Bestandes, und außer diesen kleineren Besitzern, die zu Frondiensten verpflichtet sind, finden sich noch zahlreiche Kätner oder Kossäten, die auf den Ländereien der Ritter von diesen erst eingesetzt sind.

In diesen weiten Gebieten des Nordens und Ostens, in denen der freie Bauernstand vernichtet wurde, bilden zum Teil wenigstens die alten geistlichen Gebiete sozusagen Oasen, wie die Propstei bei Kiel, die Vierlande bei Hamburg und ganz besonders das Fürstentum Ratzeburg. Gewiß hat sich hier nicht überall die Dorfverfassung mit lauter persönlich freien Vollhufnern erhalten, sondern die Verhältnisse des Domkapitels und der Vogtei Stove brachten es mit sich, daß alte größere Güter erhalten blieben oder sich neue bildeten, und bei solchen Gütern sind auch kleinere Hufenbesitzer und Kätner, mögen diese nun, wie wohl in Schlagsdorf und Mechow, altslavischen Ursprungs sein, oder mögen die Grundherren sie erst da eingesetzt haben. Aber einmal haben sich auch inmitten dieser Höfe größere Bauerndörfer erhalten, die in der Vogtei Schönberg ja in früherer Zeit


87) S. Rawitscher a. a. O.
88) S. Ihde S. 122: Zum Unterschied vom Bauernland umfaßt das Hofland durchschnittlich 4 bis 8 Hufen, ist also größer als jenes.
89) S. Inama=Sternegg, Wirtschaftsgeschichte III, 1, 84. S. dagegen Ihde, der 4 bis 8 Hufen annimmt.
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fast ausschließlich vorhanden waren, und dann sind die Inhaber dieser Höfe nie, auch in späterer Zeit nicht, Gutsherren gewesen. Selbst abgesehen von den Höfen, die den Kapitularen insgesamt gehörten und die hier ganz ausscheiden, waren auch der Bischof, der Propst und der Dechant keine Gutsherren, wenn man diesen Begriff dahin faßt: Gutsherrschaft tritt ein, wenn die eigene Wirtschaft des Grundherrn sich im Sinne eines kapitalistisch, d. h. ausschließlich oder großenteils für den Markt arbeitenden Großbetriebes entwickelt. Vielmehr ist auf den landwirtschaftlichen Betrieb des Bischofs und des Kapitels die Erklärung des Begriffes der Grundherrschaft anzuwenden. Dieser Grundherr treibt allerdings auch eigenen Ackerbau, und zwar vermittelst bäuerlicher Frondienste, aber dieser Ackerbau dient meistens nur dazu, das ausgedehnte Naturalbedürfnis des grundherrlichen Haushaltes zu befriedigen; nur der Überfluß geht auf den Markt. 90 ) Landwirtschaftlichen Betrieb hat der Bischof zunächst wohl nur in Schönberg, dann aber auch in Selmsdorf, Menzendorf, Blüssen und Bardowiek gehabt. Der Bauhof in Schönberg war schon früh mit einer Ziegelei und einer Brauerei verbunden. 91 ) In Selmsdorf, wo der Boden besonders .dazu geeignet war, hatte er eine größere Schäferei, und in den schönen Waldungen, die ihm allein gehörten, trieb er eine ausgedehnte Forstwirtschaft. Seine Haupteinnahmen aber waren die Abgaben der Bauern, die meistens in Geld gezahlt wurden. Die Naturalerzeugnisse, namentlich Holz, Korn und Wolle, kamen nur, soweit sie nicht für den ausgedehnten bischöflichen Hofhalt verwandt wurden, auf den Markt, namentlich in Lübeck.

Und finden wir hier alle Merkmale einer Grundherrschaft, so verhielt es sich ähnlich mit dem Domkapitel. Auch auf den Höfen des Propstes, des Dechanten und der Domherren war landwirtschaftlicher Betrieb. Wir wissen auch, daß der erstere bei Wietingsbeck eine größere Schäferei anlegte, zu der die Hufen der


90) Diese Ausführungen sind dem Artikel Wittichs über "Gutsherrschaft" im Handwörterbuche für .Staatswissenschaft entnommen.
91) Am 31. Dezember 1383 schenkt der Bischof Heinrich von Ratzeburg dem Domkapitel daselbst die Mordmühle bei Karlow und seine Mühlsteine und Ziegel in Schönberg, wofür er das Kapitel zur Feier von Memorien an gewissen Heiligentagen verpflichtet. - Die Vikarie in Karlow besaß neben mehreren Hufen in Kuhlrade auch in jenem Dorfe zwei Hufen mit aller Oberherrlichkeit. Der damalige Priester in Karlow unterwarf sie 1518 den Statuten des Bischofs Heinrich insofern, als auch dort kein fremdes Bier eingeführt, sondern dieses von den Brauereien des Bischofs genommen werden sollte. Diese waren in Schönberg und in Stove.
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im sechzehnten Jahrhundert begründeten Pfarre in Ziethen gelegt wurden. Aber Gutsherren im eigentlichen Sinne des Wortes waren sie alle nicht, sondern sie hatten ihre dauernde Wohnung wenigstens bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein in ihren Kurien auf dem Domhofe, und nur der Propst und der Dechant hielten sich wahrscheinlich zeitweise auf ihren Höfen auf. In erster Linie waren die Erträgnisse auch ihres Betriebes zu ihrem eigenen Unterhalte bestimmt, und nur die Erzeugnisse, die sie selbst nicht brauchten, wie namentlich das Korn, wurden in Mölln auf den Markt gebracht, wie denn noch neuerdings bei der Ablösung des jährlichen Zehntenkorns der südlichen Kapitelsdörfer die Möllner Marktpreise maßgebend waren.

Bischof und Kapitel haben beide die Hand= und Spanndienste, sowie die Fuhren für sich in Anspruch genommen, aber schon früh sind diese Dienste zum großen Teil für Geld abgelöst, und regelmäßige Wochendienste finden sich nur selten. Während für andere norddeutsche Länder schon im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert eine allmähliche Verschlechterung der bäuerlichen Verhältnisse durch Einziehen des Landes zum Nutzen der adligen Gutsherrn und durch Überhandnehmen drückender Frondienste festzustellen ist, bemerken wir im Fürstentum nichts Derartiges, vielmehr sehen wir, wie in allen Urkunden, die dafür in Betracht kommen, auf eine menschliche, milde Behandlung der Hintersassen gedrungen wird, wie die Bauern bis zur Säkularisation ihre eigenen Landgerichte behauptet haben, wie sie einen eigenen Huldigungseid leisten mußten, wie die alte Gemeindeverfassung sorgfältig gewahrt wurde und wie die Hufen nach den erblichen Inhabern benannt und ihrer Familie erhalten wurden, wenn der Anerbe noch minderjährig war.

Kapitel VIII.

Die wichtigsten Verordnungen der mecklenburgischen Regierung zur Erhaltung des Bauernstandes bis zur Regulierung.

In diesen Bemühungen, einen seßhaften, wohlhabenden Bauernstand zu erhalten, ist das weltliche Regiment der mecklenburgischen Herzöge der Herrschaft des Krummstabes würdig nachgefolgt. Mit aller Strenge hielt es zunächst darauf, daß der

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Hauswirt allein zu seinem Nutzen und Vorteil seinen Acker bebaute. Durch eine Verordnung vom 5. September 1718 wurde das schon oft publizierte Verbot, "mit keinem zur Hälfte zu säen", erneuert. "Solch unordentliches Wesen soll nicht länger nachgesehen werden, und wir wollen gnädigst, daß hinfüro das Halbsäen und Verheurung des Ackers gänzlich abgeschafft und auch derjenige, der noch einige Prätension an dem Eigentume zu haben vermeint, seiner Forderung verlustig werden soll. Als befehlen wir hiermit allen und jeden unserer Untertanen und zwar bei Vermeidung unserer unausbleiblichen Strafe und Verlust der Saat und davon kommenden Korns und Strohs ernstlich und wollen, daß mithin keiner, er sei, wer er wolle, sich unterstehen soll, sein Land weder an Ein= oder Ausheimische zu verheuren oder mit seinen Nachbarn, ohne Vorwissen und Konsens unserer zu Ratzeburg verordneten Regierung, auch Beamten und Pensionarien, zur Hälfte zu säen."

Trotzdem nahm im Fürstentum und zwar namentlich in den Kirch= und Grenzdörfern, auch auf der Mechower sog. Mühlenbäk, nicht weniger in und bei dem Städtlein Schönberg, das Acker=Heuren und =Verheuren, auch zum halben Säen, imgleichen einiger Orten das Kornsäen anstatt des sonst gewöhnlichen Gesindelohns überhand, und da dieses den Hauswirten überhaupt, vorzüglich aber den Schwachen und Unvermögenden zum Schaden und gänzlichem Verfall gereichte, so sah sich die Regierung im Jahre 1771 von neuem genötigt, solch unordentliches Wesen strenge zu verbieten und ernstlich einzuschärfen, den Knechten, Mägden und Dienstjungen den ordentlichen Gesindelohn zu geben.

Geht aus diesen Maßregeln das deutliche Bestreben hervor, die alten Bauernhöfe als ackerwirtschaftliche Einheiten ausschließlich den Hauswirten zu erhalten, so sehen wir dasselbe Streben auch in der Verordnung vom Jahre 1776 in bezug auf das Erbrecht. Dieses soll immer nur in absteigender Linie statthaben, aber es soll nicht unter allen Umständen an dem Erbrecht des ältesten Sohnes festgehalten werden, sondern der Vater soll billig die Freiheit haben, sich denjenigen von seinen Söhnen zum Nachfolger zu erwählen, dem er als einem tüchtigen Wirte den Hof am liebsten gönnte; nur soll der Vater eines solchen dann der Amtsobrigkeit davon Anzeige machen und nach näher untersuchten Umständen den Amtskonsens darüber erwerben. Hinterläßt ein Hauswirt unmündige Kinder, so sind diese die rechtmäßigen Erben der Stelle, und dadurch werden die Geschwister

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des Vaters vollständig ausgeschlossen. Der hinterlassenen Frau steht es frei, sich mit einem anderen Manne wieder zu verehelichen und das Gehöft, solange bis der Erbe solches selbst anzutreten imstande ist, zu bewirtschaften, auch die Kinder gehörig zu erziehen und zu unterhalten; so soll nach Beschaffenheit des Alters der Kinder dem Stiefvater nebst der Mutter der Hof auf gewisse Jahre kontraktweise überlassen, nach Endigung derselben aber ihnen ein Gewisses zu ihrem Unterhalte aus dem Hofe gereicht werden. Indessen sollen weder die Mutter, noch die aus der zweiten Ehe erzeugten Kinder jemals an das Gehöft einige Ansprüche zu machen befugt sein, da sie bloß als Fremde anzusehen sind und nicht zu der Familie des rechtmäßigen Besitzers gehören, außer wenn das Gehöft von der Mutter eigentlich herrühret, als in welchem Falle der Mutter billig gleiches Recht in Ansehung der Auswahl unter ihren Söhnen zur Bestimmung des künftigen Hauswirtes zu gönnen.

Sind nur Töchter bei dem Hofe vorhanden, so soll zwar gnädigst nachgegeben werden, daß wie bei den Söhnen auf die älteste Tochter gebührend Rücksicht genommen wird; jedoch soll es dem Vater frei bleiben, diejenige zu benennen, welche nach seinem Tode das Gehöft haben und sich mit einem tüchtigen Wirte darin verheiraten soll, nur daß solches auch allerdings mit obrigkeitlichem Konsens geschehe, da dann die aus dieser Ehe zu erzeugenden Kinder ebenso wie vorhin bei den Söhnen in dem Gehöfte succedieren. Auch der Fall wird vorgesehen, daß der Vater bezw. die Mutter unter den Kindern keinen zum Nachfolger in dem Gehöfte benennen, noch der Amtsobrigkeit anzeigen, als welches er bezw. sie in allen Fällen zu tun schuldig ist. Dann soll es die Pflicht der Amtsobrigkeit sein, insofern der älteste Sohn nicht die gehörige Fähigkeit hat, einen von den übrigen Söhnen, welcher der geschickteste dazu ist, zu bestimmen; hierbei soll aber so viel tunlich auf den zunächst ältesten Sohn gesehen werden.

Sind keine rechtmäßigen Söhne oder Töchter bei dem Gehöfte vorhanden, so fällt dasselbe in dem Stande, worin es ist, nebst den dazugehörigen unbeweglichen Gütern franc und frei an die Regierung zu ihrer weiteren Verfügung und Verleihung zurück. Die Allodial=Erbschaft aber, die alte Were, soll in diesem Falle unter die nächsten Verwandten rechtlich geteilt werden, und diese besteht in Vieh und Fahrnis, allem Hausrat, dem eingeworbenen Korn und auch der Saat im Felde, dagegen ist von jeher gebräuchlich und auch selbstverständlich, daß alles bei

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der Stätte vorhandene Stroh, Heu und Mist bei Strafe unangenehmer Verfügung unverkürzt und unentgeltlich dabei gelassen wird.

Im weiteren wird die Möglichkeit vorausgesetzt, daß die Regierung einen so als erledigtes Lehn angefallenen Hof mit den dazugehörigen Ländereien einer nahegelegenen Meierei einverleibt, aber dieses ist bei dem Bemühen der Landesherrschaft, den seßhaften wohlhabenden Bauernstand zu erhalten, sehr selten geschehen, wie wir bei dem Vergleiche der Zahl der Hufner nach dem Stande von 1700 mit dem heutigen Stande oben gesehen haben. In der Regel findet vielmehr ein sog. Weinkauf statt, d. h. die Landesregierung setzt einen neuen Hauswirt ein und "sieht dabei vorzüglich auf die nächsten Verwandten zurück, daß, wenn sie die erforderliche Geschicklichkeit und Vermögen haben, ihnen das Gehöft mit Zubehör vor einem Fremden überlassen wird, insofern sie eben das an Weinkauf erlegen wollen, was ein Fremder geboten".

Eine dritte Verordnung zeigt uns, wie die Regierung neben dem gesetzmäßigen Eintreiben der Abgaben auch den volkswirtschaftlichen Standpunkt im Auge behält, indem sie für eine weitere Ausdehnung des in Kultur genommenen Ackerlandes eintritt. Schon wiederholt war eingeschärft worden, die Untertanen sollten nicht zum Nachteile des sog. Zehntherren, d. h. damals der Meiereipächter und Prediger, ihren zehntpflichtigen Äckern den Dung entziehen und diesen auf ihre zehntfreien Ländereien bringen, mochten diese nun wirkliches oder vermeintliches Freiland sein. Am 10. Juni 1775 wird ihnen von neuem eingeschärft, ihren zehntfreien ordentlichen Braakschlag nach der Güte des Ackers gehörig zu bedüngen. Dann aber wird fortgefahren: "Es ist aber nicht die Meinung und würde die Industrie oder den Fleiß des Landmanns niederschlagen und ermüden, wenn die Zehnt=Gerechtigkeit dahin ausgedehnt werden wollte, daß alles und jedes auf zehntfreien Äckern und Ländereien nach geschehener Bemistung gesätes und gebautes Getreide ohne weitere Untersuchung gesticket 92 ) und dezimiert werden sollte, sondern es wird den zehntpflichtigen Hauswirten allerdings nach Recht und Billigkeit erlaubt, wenn die landesübliche Wirtschaftsart und der durch das Freiland oder sonst verbesserten Ackerbau (jedoch auf guten Glauben vermöge eigener Wirtschaft) verstärkte Vieh=


92) Sticken heißt durch Einstecken von Pfählen das Korn bezeichnen, das als Zehntkorn der Herrschaft gegeben werden mußte.
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stand und daher oder durch anderen billigen Fleiß und Mühe, Kunst und Kosten vermehrte Dünger es mit sich bringet und verstattet, solche Freiacker durch zuträgliche Bemistung in gehörige Gail und Gar zu setzen und solchermaßen bester landwirtschaftlicher Weise nach zu besäen oder sonst ihrem Hausstande gemäß zu nutzen."

So suchte die Regierung einerseits einer unrechtmäßigen Verringerung des Getreidezehnten zu steuern, anderseits aber stand sie der weiteren Ausdehnung des rationell bebauten Ackerlandes durchaus wohlwollend gegenüber. Auch hierin war sie eine würdige Nachfolgerin des geistlichen Regiments, das den Bauern in der Ausdehnung und Veränderung der Grenzen ihrer Feldmark möglichst viel Freiheit gelassen hatte. So läßt sich im Jahre 1307 das Domkapitel von dem lauenburgischen Herzog die Erlaubnis erteilen, die Grenzen des Dorfes Schlagsdorf nach seinem und seiner Kolonisten Bedarf zu verteilen, zu messen und zu verändern, und sie können sie auch unter sich in regelmäßig wechselnder Zeit (successivis temporibus) vertauschen, wie es in diesem Wechsel der Zeit ihrem eignen Willen zusagt. Zunächst wird hierunter der Wechsel der sog. Gewanne unter den Bauern verstanden sein, aber daneben ist gewiß auch eine Ausdehnung der ganzen Feldmark in Aussicht genommen, denn an den Grenzen dieser lag noch unbebautes Land, das als Weide benutzt wurde oder mit Gestrüpp bewachsen war und erst gerodet werden mußte, und endlich finden wir in den Urkunden auch Brüche erwähnt.

Der Ausdruck für solches Land, das nicht in das Maß der Hufen eingeschlossen war, ist Overland, wie denn in Poppenhusen 1318 zwei Hufen und ein Overland ebendaselbst zusammen genannt werden. Ebenso finden wir 1396 bei Karlow Overland. Eine andere Zusammenstellung ist es, wenn in Falkenhagen 1352 vier Hufen, eine Worth und Durland verkauft werden. Während hier Worth das lateinische area, also Hofstätte ist, bedeutet Durland ein Stück außerhalb der Hufen liegendes Ackerland, wie es auch öfter in der Form Doreland vorkommt. So wird bei einem Hufenbesitzer in Gr.=Mist 1652 bemerkt, daß er außer dem Hufenzins noch sieben Schilling wegen der Dorelandesstat bezahlen muß, und in Petersberg besitzt nach demselben Verzeichnis ein Bauer außer anderthalb Hufen, von denen er zwei Taler bezahlt, noch Dorland mit einer Abgabe von 20 Schillingen. Dieses Dorland ist neuerdings erklärt mit terra arida, d. h. nicht umgebrochenes Land, das gewöhnlich Kätnern und anderen außer=

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halb der Hufen angesetzten Leuten überlassen wurde. Auf keinen Fall dürfen wir es mit Dornland verwechseln, wie es in dem Verzeichnis von 1525 heißt, daß die Bewohner von Malzow Koppeln besaßen, die einst Wald waren, ehe das Holtland und Dorenlant ausgerodet wurde. Auf dieses Roden weist auch hin der Ausdruck "dat groue Rot", d. h. das große Rodeland. Dieses wird auch neben Dorland gestellt, wie im Jahre 1375 in Petersberg verkauft werden von dem Knappen Hartwig Zecher: sein Hof und sein Erbe, dat groue Rot und Dorland und zwei Katen. Rot kommt auch als rota vor, das sich in der Verbindung mit Hufen findet. So verkauft 1388 der Knappe von Beyenflet duo mansos et dimidium cum una rota in campis et in villa Falkenhagen. Ein Bruchland kommt in einer Urkunde des Jahres 1380 vor. Die Gebrüder von Scharfenberg verkaufen dem Bischof von Ratzeburg in dem genannten Jahre "use brok", das stößt an die Feldmark Kronskamp "undt twen stucken landes, da man alle Jahre in säen mag zwei Pfund Roggen, wie sie das getan haben." Die "Stücken Landes" sind gewiß in der Nähe des Bruchs gelegen und eben erst urbar gemacht. Die kleine Aussaat läßt auf einen geringen Wert und Umfang des Landes schließen. - Fast nur Land, das eben erst urbar gemacht ist, besitzt im Jahre 1525 der Krugwirt Peter Meyer "bei der Brücke" in Schwanenbeck, denn neben einer Viertelhufe hat er noch zwei Dornländer bebaut und bezahlt von dem einen 28 Schilling und von dem andern acht Scheffel Hafer, während er von der Viertelhufe nur 9 Schillinge und 4 Pfennige Pacht gibt. Aber nur von der letzteren zahlt er den Zehnten 93 ). Sind hier die beiden Dorländer nicht ausdrücklich als Freiland bezeichnet, so findet sich dieser Ausdruck in dem Inventar von 1652. In Schlagbrügge besitzt Peter Kedingk 1 1/2 Hufen und bezahlt dafür einen Taler acht Schillinge Pacht. Dann folgt die Bemerkung: Noch zwei Taler drei Schillinge vor Freiland.

Kapitel IX.

Die Regulierung der Bauernstellen vom Jahre 1801 an.

Und wenn wir nun zum Schluß auf die schon wiederholt erwähnte Regulierung der Bauern des Fürstentumes kommen, so ist von vorneherein zu bemerken, daß hier von dem epoche=


93) Peter Meyer by der Brügge 1 Verendel 9 ß 4 Währung et solvit decimam de quartali, d. h. von dieser Viertelhufe.
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machenden Werke einer Bauernbefreiung nicht die Rede sein kann. Die Regulierung im Fürstentum hat lange nicht die Bedeutung gehabt wie die, welche im Jahre 1816 in den östlichen Provinzen Preußens durchgeführt ist, wo es sich doch auch um Kolonialgebiet handelt. Erst acht Jahre nach der durch Steins Edikt vom 9. Oktober 1808 gegebenen Anregung kam sie zustande, vor allem wegen des hartnäckigen Widerstandes der adligen Gutsherren, die dringend eine Entschädigung für die Dienste der Bauern, die sie aufgeben sollten, verlangten. Bekanntlich erhielten sie 1816 vom erblichen Besitze der Bauern ein Drittel und vom nicht erblichen sogar die Hälfte. Hier im Fürstentum Ratzeburg war ein Widerstand des Adels nicht zu überwinden, und die mecklenburgische Regierung, unter deren unmittelbarer Herrschaft die Bauern standen, verlangte weder für sich noch für ihre Meierhöfe eine größere Entschädigung an Land für die noch nicht in Geld umgesetzten Dienste und für die sog. Schafabtrift, d. h. für das Recht der Herrschaft, die Schafe auf dem Stoppel= und Brachlande der Bauleute zu weiden. Die Bedeutung der Regulierung im Fürstentum besteht nur darin, daß für die Dienste und für die schon für die Naturalleistungen und Dienste eingeführten Gelder ein einheitlicher Grundzins durchgeführt wurde, der nach den Kornpreisen bemessen und zweimal im Jahre bezahlt werden mußte. Es war doch eine große Erleichterung, daß von nun an der Zehnte, das Dienst=, Pacht=, Flachs= und Spinn=, Schneidelschweine=, Monats= und Fuhrgeld unter diesen Namen wegfielen. Außer dem Grundzins mußten noch auf jeden Taler zwei Schillinge Zahl= und Prozentgeld entrichtet werden 94 ).

Sodann besteht die Regulierung darin, daß die Ackergemeinschaft mit der Forst und zwischen den einzelnen Bauleuten aufhörte und die Felder der einzelnen reguliert und in ordentliche Koppeln gelegt werden mußten. "Alle zwischen den Hauswirten selbst und zwischen der Forst bestehende Ackergemeinschaft soll bei dieser Regulierung aufgehoben werden, so daß nur allein dasjenige ausgenommen wird, was bei der Regulierung zur gemein=


94) Nach Horn, Geschichte des Kirchspiels Selmstorf S. 98, bestand die Regulierung in diesem Dorfe darin, daß die Voll= und Halbhufen daselbst für die erlassenen Dienste und Abgaben in zwei Terminen 475 Taler zahlten, zu Martini und zu Ostern, und auf jeden Taler 1 1/2 Schillinge Zahl= und Quittungsgebühr. Die Vollhufen zahlen nach zwei Jahren den gleichen Betrag von 50 Talern, die Halbhufen die Hälfte davon zu der obigen Summe.
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schaftlichen Nutzung und Gebrauch bestimmt wird. Zur Abfindung der Forst tritt die Dorfschaft eine bestimmte Fläche dem Kammer= und Forstkollegium zur völlig unbeschränkten Disposition ab, anderseits kann aber auch ein Teil des Holzes an die Bauern fallen. Dann soll das harte Holz, das auf dem der Dorfschaft verbleibenden Felde steht, für herrschaftliche Rechnung binnen einer bestimmten Frist weggenommen werden. Holz zu Bauten wird von der Regierung nicht mehr geliefert, die Bauern müssen sich vielmehr selbst Holzkoppeln anlegen. Zur Instandsetzung ihrer Gebäude soll ihnen jedoch das nötige Eichenholz, sowie auch das Nutz= und Radeholz, welches im nächsten Jahre fällig wird, zum letzten Male bewilligt sein."

In zweifacher Beziehung aber hielt die Regierung, wenigstens zunächst noch, am Alten fest, wo es anderwärts aufgehoben wurde. Einmal wurden in den Ortschaften des alten bischöflichen Gebietes, also der Vogtei Schönberg, die oben beschriebenen ungemessenen Fuhrdienste nicht abgelöst, und damit wurde einer Hauptbeschwerde der Bauern nicht abgeholfen. Wir haben darüber Verhandlungen, aus denen wir, nebenbei bemerkt, sehen, daß im Jahre 1823 schon 22 Ortschaften der Vogtei Schönberg reguliert waren. Weil aber noch vier Dörfer, nämlich Rodenberg, Rabensdorf, Retelsdorf und Menzendorf, fehlten, so waren in der ganzen Vogtei noch die ungemessenen sogenannten Kapiteldienste bestehen geblieben. In jenem Jahre endlich wurden diese aufgehoben, aber die 22 regulierten Ortschaften allein wurden von den Fuhren fast ganz befreit. In der Verfügung wird folgendes bestimmt: Von Ostern 1823 an sollen die ungemessenen Kapitelsdienste der regulierten 22 Ortschaften aufhören und die Hauswirte derselben in Gemäßheit ihrer Versicherungsurkunden jeder jährlich 12 Scheffel Roggen entrichten und bestimmt acht Spanntage leisten. Dagegen sollen die Hauswirte der vier nicht regulierten Ortschaften in ihren Verhältnissen so lange, bis sie gleichfalls reguliert sind, verbleiben; jedoch was den Kapitelsdienst anbetrifft, statt der ungemessenen Dienste außer den Banschower, Herren= und Deputatholzfuhren, ein jeder 33 Spanntage, welche sie nach einem fünfjährigen Durchschnitte bisher im Jahre wirklich geleistet, fernerhin zu leisten schuldig und verbunden sein. Im Jahre 1839 wurde Rodenberg reguliert und den dortigen Hauswirten wurden die Dienste, zu welchen die früher regulierten Hauswirte noch verpflichtet, erlassen. Infolgedessen wurde durch eine Verfügung vom 23. Januar 1840 dieselbe Begünstigung den anderen regulierten Ortschaften gewährt. Es

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wurde ihnen gestattet, die acht Spanntage, die sie noch jährlich zu leisten hatten, und die Deputatholzfuhren abzulösen, wenn sie sich dagegen verpflichten wollten, jährlich zwanzig Scheffel Roggen in eben der Art zu zahlen, wie der Grundzins von ihren Gehöften entrichtet wird. Von dieser Begünstigung kann jeder einzelne Hauswirt Gebrauch machen und sich nach Belieben, gegen obiges Erlegnis, von dem gedachten Naturaldienst für immer befreien, jedoch nur in den nächsten zwei Jahren. Indessen blieben trotz dieser Ablösungen immer noch herrschaftliche Dienste bestehen, wie denn im Jahre 1841 bestimmt wird, daß Unordnungen und Nachlässigkeiten bei Ableistung der Dienste, zu welchen Hauswirte in unserm Fürstentum Ratzeburg vermöge ihrer Urkunden oder vermöge Observanz dem Kammer und Forstkollegio verpflichtet sind, im administrativen Wege von dem Domänenamte in Schönberg untersucht und bestraft werden sollen. Es handelt sich hier lediglich um herrschaftliche Dienste, nicht aber um Hofdienste. Der Rest dieser herrschaftlichen Dienste, nämlich die Deputatholzfuhren, die Zahlung der Haugelder für das Deputatholz und die Kapitel= und Herrendienste, sind am Ende des Jahres 1913 abgelöst. Mit dem 1. Januar 1914 hören alle diese Leistungen auf, und an ihre Stelle tritt die Verpflichtung zur Zahlung einer jährlichen baren Abgabe, die bei den Deputatholzfuhren 9,05 Mark für jede Vollstelle, bei den Haugeldern 1,50 Mark beträgt. Bei den Kapitel= und Herrendiensten ist die Abgabe auf 4,60 Mark für jeden Spanntag, der von dem Verpflichteten gefordert werden kann, desgleichen für jeden Handtag auf 0,70 Mark festgesetzt. Diese Jahresabgaben können durch Zahlung eines dem 25fachen Betrage der Abgaben entsprechenden Kapitals für immer abgelöst werden.

Auch in einer anderen Hinsicht hielt zunächst die Regierung am alten Herkommen noch fest, nämlich in bezug auf die Vererbung der Hufenstellen. Nach der Regulierung sollten die den Hauswirten zugeschriebenen Ländereien nebst den zu der Stelle gehörenden Gebäuden zu ewigen Zeiten ihr unwiderrufliches Eigentum sein und bleiben, womit sie nach ihrem Willen und Wohlgefallen walten und schalten konnten. Es wird nur daran festgehalten, daß die Stelle unteilbar ist und allemal nur einen Besitzer hat. Auch hier behielt die Regierung zunächst noch das alte Anerbenrecht bei und führte nicht, wie das dem unwiderruflichen Eigentum entsprechend in anderen Ländern geschah, sofort das gemeine Erbrecht ein. Erst im Jahre 1824, also nachdem ein großer Teil der Ortschaften schon längere Zeit reguliert war,

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wurde es in einer längeren Verordnung zwar als selbstverständlich hingestellt, daß die Erbfolge in den regulierten Baustellen, da sie den Hauswirten als Eigentum zugesprochen wären, nach der allgemeinen römischen Erbfolgeordnung ohne Rücksicht auf die frühere Verordnung von 1776 statt hätte. Aber mit Rücksicht darauf, daß die erwähnten Stellen fortwährend unteilbare Baustellen sein und immer nur einen Besitzer haben sollten, wurden noch einige nähere Bestimmungen getroffen, um Rechtsstreitigkeiten zu verhüten. Trotz seines freien Verfügungsrechtes soll der betreffende Hauswirt doch immer zunächst den Deszendenten oder Aszendenten berücksichtigen und nur aus gesetzlichen Enterbungsgründen diesen die Erbschaft entziehen. Wenn ein Hauswirt verstirbt, ohne den Erben seiner nachgelassenen Baustelle letztwillig und rechtsgültig ernannt zu haben, so kommen dann die Bestimmungen der allgemeinen römischen Erbfolge=Ordnung zur Anwendung. Wenn mehrere gleichberechtigte Erben vorhanden sind, so soll, falls sie Deszendenten oder Aszendenten des Erblassers sind, die männlichen den weiblichen vorgehen und von mehreren männlichen Erben der Älteste und von mehreren weiblichen Erben die Älteste die Baustelle erhalten. Rücksichtlich der entfernteren Verwandten fällt, was soeben wegen des Geschlechts und Alters bestimmt worden, weg, und alle diese Anverwandten haben, entweder nach den Köpfen oder nach den Stämmen, denjenigen Anspruch auf die Baustelle, welcher ihnen nach der gedachten gemeinrechtlichen Erbfolge=Ordnung zusteht, aber diese entfernteren Verwandten sind verpflichtet, in den ersten sechs Wochen nach dem Todestage des Erblassers es unter sich auszumitteln, wer von ihnen die Baustelle erhalten soll. Unterlassen sie es binnen der gedachten Zeit, diese Ausmittlung gehörig zu beschaffen, so hat das Gericht die Erben, und, wenn sich darunter Minderjährige befinden, deren Vormünder, ohne Verzug zur Verlosung der Baustelle vorzuladen und mit dieser Verlosung ordnungsmäßig zu verfahren. Ein jeder Hauswirt darf das Eigentum seiner Stelle bei seinen Lebzeiten abtreten, und bei seinem Todesfall geht dasselbe ganz nach gemeinrechtlichen Grundsätzen auf seine Erben über. Der Ordnung wegen muß aber jeder neue Hauswirt in den nächsten zwei Monaten nach Erwerbung seiner Stelle sich bei dem Domänenamte in Schönberg legitimieren und darüber briefliche Bescheinigung von dieser Behörde nehmen.

Die eben angeführten Maßregeln und Verordnungen der mecklenburgischen Regierung werden genügen, um zu zeigen, daß diese eine würdige Nachfolgerin des bauernfreundlichen geist=

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lichen Stiftes Ratzeburg war. Immer wieder wird in den Verfügungen betont, daß in allen und jeden Fällen die Baustellen unteilbar bleiben und allemal nur einen Besitzer haben sollen. In anderen Ländern mußte die Regierung solche Erbpachtstellen erst neu schaffen, so in dem benachbarten Mecklenburg=Schwerin, und die dort herrschenden Verhältnisse müssen hier am Schluß umsomehr angeführt werden, weil sie uns die bauernfreundlichen und bauernfeindlichen Faktoren zeigen und so die oben ausführlich behandelten Tatsachen bestätigen. Bauernfreundlich waren die geistlichen Mächte, wie in Mecklenburg=Schwerin die drei Klöster Dobbertin, Malchow und Ribnitz. Hier haben wir auf den alten Klostergütern noch viele Erbpächter, wie zu Dobbertin 114 Erbpachtstellen gehören, Bauernfreundlich wurde in der Neuzeit auch die Regierung, die immer mehr einsah, daß ein gesunder Bauernstand die Grundlage des Staates sei, daß aber ein Gedeihen dieses Standes nur dann möglich wäre, wenn er seßhaft gemacht und dadurch Liebe zur Scholle und Interesse am Bebauen derselben geweckt würden. Seit 1867 sind im Großherzoglichen Domanium mehr als 3000 Bauernhufen in Erbpachtstellen und mehr als 1000 Ortschaften in selbständige Gemeinden umgewandelt. Nur ein Roggenkanon, der nach zwanzigjährigem Durchschnittspreise in Geld zahlbar war, wurde diesen neuen Erbpächtern auferlegt. Die größte Gegnerin der bäuerlichen Freiheit und Seßhaftigkeit war die Ritterschaft, die in beiden Mecklenburg, abgesehen vom Fürstentum Ratzeburg, sozusagen noch einen Staat im Staate bildet. Allein in den Jahren 1756 bis 1783 sind von ihr in Mecklenburg=Schwerin ungefähr 49 Dörfer niedergelegt. Im Jahre 1820 knüpfte die Regierung mit der Ritterschaft in Mecklenburg=Schwerin Unterhandlungen an wegen Aufhebung der Leibeigenschaft, aber diese mußten 1829 als erfolglos abgebrochen werden, und erst später im Jahre 1862 wurde eine notdürftige Regulierung durchgesetzt, aber ein eigentliches Erbrecht an ihren Hufen wurde den Bauern auf ritterschaftlichem Gebiete nicht zugestanden. Im Hauptteil von Mecklenburg=Strelitz wurde im Jahre 1824 eine Vereinbarung veröffentlicht, nach der wenigstens die am 1. Januar 1801 noch vorhandenen Bauern in Erbpächter zu verwandeln waren, deren unveräußerliches Erbpachtgut je nach Güte des Ackers 6000 bis 9000 Quadratruten Acker und Wiese enthalten muß. 95 )


95) Alle diese Angaben sind entnommen dem Aufsatze von Paasche, "Die rechtliche und wirtschaftliche Lage des Bauernstandes in Mecklenburg=Schwerin".
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Dagegen ist das Fürstentum Ratzeburg mit seinen siebzig Bauerngemeinden, die schon im Mittelalter bestanden, immer ein Bauernland gewesen, und es bedurfte sogar einer besonderen Verordnung, um dem Städtchen Schönberg ein städtisches Gewand zu geben und die alten Bauernhäuser zu beseitigen. 96 ) Und wenn Masch am Ende seines Buches über das Bistum Ratzeburg das treue Festhalten an der Sitte und Kleidung der Vorfahren und den kräftigen, biederen und ehrlichen Geist der Bauern des Fürstentums rühmt und die Begründung dafür auf die früheste Zeit zurückführt, so müssen wir ihm darin durchaus beistimmen. Keiner, der den vorliegenden Aufsatz gelesen hat, wird leugnen, daß sich nur in wenigen Teilen Deutschlands der Bauernstand in so fortdauernder Kraft und Blüte erhalten hat, trotz der vielen Kriegsstürme, die über sein an der großen Heerstraße von Lübeck nach dem Osten gelegenes Ländchen dahinbrausten. Masch schrieb jene Worte im Jahre 1835. Seitdem ist unser Vaterland nicht von den Verwüstungen durch feindliche Heere heimgesucht worden, aber ein viel schlimmerer Schädling nagt an der Wurzel des kräftigen Stammes der deutschen Bauernschaft, nämlich die Landflucht. Gerade unsere Zeit sucht nach Mitteln und Wegen, um dagegen das Heimatgefühl zu stärken. Möchte auch der vorliegende Aufsatz, dessen Hauptzweck es war, die Entwicklung des freien Bauernstandes im Fürstentum Ratzeburg zu verfolgen und damit einen Beitrag zur Geschichte des deutschen Bauernstandes zu liefern, daneben auch gerade in den alten Hufnern des Fürstentums den Vorsatz wecken und stärken, das von den Vätern Erworbene und so lange Behauptete mit allen Kräften zu erhalten und zu bewahren!



96) S. die Verordnung vom 2. Mai 1819; danach soll der Zehnte von allen Häusern ausgehoben werden, deren Besitzer in den nächsten sechs Jahren ihre Gebäude mit in Kalk gelegten Steindächern, Schornsteinen, gewöhnlichen Haustüren, anstatt der jetzt häufig vorhandenen Scheuntüren, und ausgemauerten Tafeln versehen, sowie an der Straße Befriedigungen mit Steinmauern, Planken und Staketten anlegen werden.
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Anhang.

I. Ratzeburger Protokoll über die vom Sekretär Neumann geführte Amtsrechnung von Ostern 1668-1669.

Ratzeburger Protokoll über die vom Sekretär Neumann geführte Amtsrechnung von Ostern 1668-1669.

II. Hofdienstregister des Amtes Schönberg vom 25. Mai 1660 bis 14. Februar 1661.

Hofdienstregister des Amtes Schönberg vom 25. Mai 1660 bis 14. Februar 1661.
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Hofdienstregister des Amtes Schönberg vom 25. Mai 1660 bis 14. Februar 1661.

III. Ergebnis der Personenstandsaufnahme vom Jahre 1700, 3. September, in einzelnen Dörfern.

Ergebnis der Personenstandsaufnahme vom Jahre 1700, 3. September, in einzelnen Dörfern.
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Ergebnis der Personenstandsaufnahme vom Jahre 1700, 3. September, in einzelnen Dörfern.

 

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III.

Mecklenburgische Infanterie=Uniform
unter Herzog Karl Leopold.

Von

Stadtarchivar L. Krause =Rostock.

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B eim Umzuge des Rostocker Ratsarchives vom Rathause in das neue Archivgebäude wurden Ende September 1907 hinter den Akten über die Unruhen unter Karl Leopold in einem der Schränke des Archivgewölbes zwei bunte Tuschezeichnungen aufgefunden, die in einen kleinen blauen Aktenbogen mit der Aufschrift "Darstellung der Arretirung des Raths u. d. Bürgerschaft Ao. 1715" zusammengerollt waren, jetzt aber zur besseren Erhaltung auf Leinwand aufgezogen sind. Auf der einen Zeichnung ist dargestellt, Wie 58 Mitglieder des Rates resp. der Bürgerschaft teils zu Wagen teils zu Fuß von herzoglicher Infanterie durch das Steintor aus der Stadt abgeführt werden. Die von einem berittenen und zwei Fußoffizieren kommandierte Eskorte besteht aus zwei Feldwebeln, Kapitain d'armes oder Sergeanten, zwei Korporalen oder Gefreiten nebst 161 Mann und gibt somit ein gutes Bild der damaligen Uniform der mecklenburgischen Infanterie, wenn bei den 161 Mannschaften auch nicht immer alle Einzelheiten, wie z. B. die Anzahl der Rockknöpfe, genau wiedergegeben sind.

Alle dargestellten Soldaten haben eine blonde resp. braune Lockenperücke oder doch lang auf die Schultern herabwallendes, in Locken gekräuseltes Haar. Vollbärte kommen nicht vor, sondern nur nach damaliger Mode sehr schmal rasierte Schnurrbärte. Die Kopfbedeckung besteht bei allen aus einem breitrandigen schwarzen Filzhut, dessen Krempe vorn aufgeschlagen ist. Alle tragen eine weiße Halsbinde und lange kragenlose Röcke, die bis etwa zum Knie herabreichen und in ihrem unteren Teile außen mit zwei Seitentaschen mit großer Überfallklappe versehen sind. Die Ärmelaufschläge sind nach schwedischer Mode gestaltet. Das Schuhzeug besteht, von dem Reiter abgesehen, aus niedrigen schwarzen Lederschuhen mit einer über die Fußbeuge herauf=

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reichenden Lasche, und die Beine stecken in langen Strümpfen, deren weite obere Enden oberhalb des Knies über die Hose geschlagen sind, so daß letztere unter den langen Röcken nur bei einem Korporal resp. Gefreiten sichtbar ist. Die Strümpfe werden unter dem Knie durch Strumpf= oder Kniebänder festgehalten. Die Säbel haben durchweg einfache gelbe Metallgriffe und schwarze Lederscheiden ohne metallenes Ortband. Im einzelnen ist zu den Uniformen noch folgendes zu bemerken.

Der berittene Offizier (Fig. 1) trägt einen dunkelblauen rotgefütterten langen Rock nebst roter Weste und Hose. Der Rock ist offen und wird, wie es scheint, nur durch den übergeschnallten gleichfarbigen Säbelgurt zusammengehalten. Die Ärmelaufschläge bestehen aus demselben blauen Tuch wie der ganze Rock, und die Seitentaschen sind unterhalb der Überfallklappe mit drei Knöpfen besetzt. Hohe schwarze Reiterstiefel mit steifer zylindrischer Röhre und gewaltiger Stulpe bekleiden die Füße. Die Satteldecke ist rot mit gelber Einfassung. Die vorne vor dem Sattel hängenden beiden großen Pistolentaschen bestehen aus schwarzem Leder, das oben gelb umsäumt ist.

Der bis unten hin knöpfbare Rock der beiden Fußoffiziere (Leutnants oder Leutnant und Fähnrich? Fig. 3 und 4) ist blaugrau mit gleichfarbigen Ärmelaufschlägen und drei Knöpfen unterhalb der beiden großen Seitentaschen. Die Strümpfe sind ebenfalls blaugrau wie der Rock. Von den Beinkleidern ist nichts zu sehen. Die Bewaffnung besteht aus Partisane und Degen, dazu trägt der eine, wohl der ältere, als damals übliches Rangabzeichen noch einen Handstock mit geschweifter gelber Metallkrücke. Der Degen hängt am übergeschnallten Gurt, der bei dem jüngeren gelb, bei dem älteren Leutnant aber mit dem Rock gleichfarbig ist. Die Partisanen haben einen braunen Holzschaft mit kurzem Metallschuh und noch eine richtige spießartige Spitze mit rautenförmigem Querschnitt, die bei dem ersten Offizier aus weißem, bei dem zweiten aus gelbem Metall, also wohl aus Eisen resp. Messing, besteht.

Von den Feldwebeln resp. Sergeanten trägt der eine (Fig. 2) dieselbe Uniform wie der jüngere Leutnant, nur führt er statt der Offiziers=Partisane die Hellebarde mit Beil und Spieß aus Messing und ist sein Rock nicht bis unten hin knöpfbar. Der andere (Fig. 5), der auf der Zeichnung den Schluß des ganzen Zuges bildet, hat einen schon stark abgenutzten dunkelblauen

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Rock mit gleichfarbigen Ärmelaufschlägen und je vier Knöpfen über und unter dem gelben übergeschnallten Säbelgurt. Die drei Knöpfe unter den Seitentaschen=Überfällen, die bei allen übrigen dargestellten Soldaten vorhanden sind, fehlen hier. Die Strümpfe sind braun und die Hellebarde hat ein eisernes Beil und eiserne Spitze.

Die beiden Korporale oder Gefreiten führen als Bewaffnung Gewehr und Säbel, welcher letztere wie bei den Feldwebeln und Mannschaften am übergeschnallten gelben Leibriemen hängt. Beide Korporale tragen den bis unten hin knöpfbaren Rock oben am Halse offen und etwas zurückgeschlagen, so daß das gelbe Futter nach außen gekehrt ist und man die Weste resp. das Hemd in dem Ausschnitt sieht. Im übrigen sind bei dem einen (Fig. 6) der Rock mit gleichfarbigen Ärmelaufschlägen und die Strümpfe grün, die Weste aber Weiß. Der andere (Fig. 7) hat dagegen einen hellgrauen Rock mit grünen Ärmelaufschlägen und blaugraue Strümpfe, die Weste und die enganliegende Hose sind gelb, das Hemd Weiß.

Die Mannschaft (Fig. 8) trägt dieselbe Uniform wie der letzte Unteroffizier oder Gefreite, d. h. hellgrauen Rock mit grünen Ärmelaufschlägen und blaugraue Strümpfe. Der von oben bis unten knöpfbare Rock ist nur über dem Leibgurt zugeknöpft und zwar, wie es scheint, mit sechs Knöpfen. Die Ärmelaufschläge sind auf den Außenseiten mit je zwei Knöpfen und Knopflöchern versehen. Von der linken Schulter herab hängt an der rechten Seite in der Höhe der Rocktasche an einem gelben Riemen eine große gelbe Ledertasche mit weit überfallender Klappe. Die Gewehre sind Steinschloßflinten und haben, wie bei Fig. 7 deutlich sichtbar, in der Außenseite des Kolbens ein kleines Fach mit Schiebedeckel zur Aufnahme von Feuerstein und Zunder. Eigenartig ist, daß der Zeichner auf sämtliche Gewehrmündungen eine kleine rote Flamme gemalt hat, als ob eine brennende Lunte oben im Lauf stecke. Er hat damit wohl nur andeuten wollen, daß die Eskorte die Verhafteten mit völlig schußbereitem Gewehr abgeführt habe, wie denn auch bei sämtlichen Mannschaften die Gewehrhähne gespannt sind. Die beiden Korporale oder Gefreiten haben das Gewehr im linken Arm, während die Mannschaft es auf der linken Schulter (Gewehr über) trägt.

Welchem Truppenteil die dargestellten Soldaten angehören, hat sich bisher mit Sicherheit noch nicht feststellen lassen, zumal

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in Rostock damals mehrfach militärische Verhaftungen von Rats= und Bürgerschaftsmitgliedern vorkamen, und die Akten aus jener Zeit im Ratsarchive erst teilweise haben aufgearbeitet und geordnet werden können. Nach den Akten des Großberzogl. Geheimen und Hauptarchivs zu Schwerin über die mecklenburgische Landmiliz zu Anfang des 18. Jahrhunderts, die mir seitens der dortigen Archivverwaltung freundlichst zur Verfügung gestellt sind, wird es sich vermutlich aber um das von Kohlhans'sche Güstrower Bataillon dieser Miliz handeln. Von diesem Bataillon standen neben anderen Truppen in den Jahren 1711-1718 mehrfach Abteilungen längere Zeit in Rostock in Garnison, und grade von ihm werden in den Akten auch hellgraue Röcke mit grünen Aufschlägen erwähnt, wenn sich sonst auch manche Abstimmigkeiten in der Montierung zwischen den Akten und dem Bilde ergeben. Diese Verschiedenheit kann aber sehr wohl darauf beruhen, daß die gelieferten Monturen bei den damaligen unruhigen Kriegszeiten vielfach abhanden kamen oder auch sonst nicht die vorschriftsmäßige jahrelange Zeit aushielten und dann durch alle möglichen anderen auf Kammer grade noch vorhandenen alten Uniformstücke einstweilen ersetzt wurden. Einen ordnungsmäßigen Ersatz der verlorengegangenen oder zerrissenen Sachen suchte das Kriegskommissariat bei dem chronischen Geldmangel der Kriegskasse trotz aller Reklamationen der Kommandanten stets so lange, wie nur irgend möglich, zu vermeiden. Die in den erwähnten Milizakten vorkommenden, für unsere Jahre aber leider nur spärlichen Nachrichten über die damalige Uniformierung stelle ich im Folgenden zusammen.

Als beim Regierungsantritt Karl Leopolds das ganze Güstrower Bataillon Landmiliz nach Rostock zusammengezogen werden sollte, schreibt Oberstleutnant v. Lowtzow, der neue herzogliche Kommandant daselbst, dem Generalmajor v. Krassow am 5. August 1713:

wo Ew. Hochwohlgeb. gut finden, wenn das Batail: zusammen, daß Ihnen die GranadierMondour gegeben werden soll, so bitte unbeschwert mich solches zu melden, und [zu] bewerkstelligen, daß ich 2 wagen darzu bekomme in Bützow 1 ), so sie anhero führen.


1) In Bützow war das Zeughaus für das Güstrower und in Dömitz dasjenige für das Schweriner Milizbataillon.
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Mecklenburgische Infanterie-Uniform unter Herzog Karl Leopold.
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Daß diese Überführung auch wirklich stattgefunden, ergibt sich aus einem Antrag des Adjutanten Meyer vom 19. November d. J. aus Rostock, worin er den Generalmajor um einige Wagen aus dem Amte Bützow

zu abführung der hierliegenden Grenadiersmondour, ammunition, gewehr und fähnd:

bittet, da er vom Oberstleutnant v. Hammerstein, dem damaligen Kommandeur des Güstrower Bataillons, vernommen, daß "unsere Commandirten Leute" noch in derselben Woche von hier wieder abmarschieren sollten.

Hier wurde die Güstrower Landmiliz also, da ihre eigene Montur für die neue Vereidigung wohl nicht gut mehr zu zeigen war, vorübergehend in Grenadieruniform gesteckt. Wie übel es denn auch tatsächlich mit der ersteren aussah, zeigt deutlich das an Karl Leopold gerichtete "Unterthänigste Memorial des Obrist Lieutenant von Kolhans Betreffend Einige Angelegenheiten seiner Bataillon National Milice" de dato Bützow, den 26. September 1714. Darin heißt es u. a.:

  1. Ist daß SchießGewehr bey dem Batallion in sehr schlechten Stande, und sind keine Bajonets darzu, daß solchem nach die Leute nicht einmahl in gehöriger exercies damit können gebracht werden. Wie nun dieses Batallion bey der errichtung nur Alt abgenutzt Gewehr, daß Andere Bataillon 2 ), aber gantz Neu Gewehr Empfangen, und daßjenige Neue Gewehr, so zu diesem Bataillon destiniret gewesen, noch zu Schwerin im ZeugHauße sich Befindet, So habe Unterthänigst zu bitten, damit nun mehro gegen Abgabe des Alten, dem Bataillon das vorhandene Neue Gewehr Außgegeben werde. - - -
  1. Weiln schon 3 Monaht über die Zeit verfloßen, daß die Ober und UnterOfficirer des Bataillons Neue Mondirung hätten haben sollen, So muß Unterthänigste Ansuchung thun, dem Fürstl. Commißariat Gnädigsten Befehl zu Ertheilen, damit solches nicht Allein, wegen der Benötigten UnterOfficierer Mondirung (In dem Ihre MondirungsGelder bey der KriegesCaßa Einbebalten) jetzo gehörige Anstalt mache, sondern auch denen OberOfficirern von Ihrer zu guth habenden halben Gage, so viel herausgebe, damit sie gleichfals

2) Das Schweriner Bataillon unter dem Obersten v. Buggenhagen.
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andere Mondirung sich schaffen können, Imgleichen daß Alle beym Bataillon Befindl: Mängell und defecten in der Mondirung und sonsten der Gemeinen möge einmal untersuchet und Abgetan werden, zumahlen da die Gemeinen bey Verichtung Ihrer dienste und zusammenkunfften meistens in BauerHoßen erscheinen, daß insonderheit, dieses remediret.

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

General v. Krassow verfügt hierauf zu Rostock am 15. November 1714 durch Randbemerkungen:

Ad 1 mum Das neu Gewehr ist in Schwerin im Zeughause verhanden, außer, daß keine Bajonetten dabey sind, welche auch nicht beym Buggenhagischen Bataillon gegeben worden: Dependirt demnach von Ihr Hochfürstl. gnst. Befehl, ob das obbemelte neue Gewehr soll abgefolget, und das Alte dagegen wieder angenommen werden.

Ad 5 tum Dafern Ihr Hochfürstl. Durchl. dieses, wegen der UnterOfficirer, in gnaden applacitiren; So ist beim KriegesComißariat nicht allein vor dieses, sondern auch vor Buggenhagensch Bataillon, sovil weis Englisch tuch und dragoner=Röcke verhanden, davon die Montur vor die Unter Officier, deren Zeit zu montiren, bereits verfloßen, zu nehmen.

Wegen Auszahlung der Gage vor die Ober=Officirer; Stehet zu Ihr Hochfürstl. Durchl: gndsten. Befehl.

Weille die Gemeine die Hosen bekommen, und alle 6 jahr nur Mondiret werden, welche Zeit noch nicht verfloßen; So müssen die Leute bis dahin sich gedulden.

Nicht besser sah es beim Schweriner Bataillon aus, wie aus einer Eingabe des Obersten v. Buggenhagen vom 12. April 1715 hervorgeht. Dieser bittet darin, seine Leute wieder mit kleiner Montur versehen zu lassen, da

die kleine Mundirung vom Batallion, als Hüte, Halstücher, Schue und Handtschue durch die vielen Commando, so die Leute innerhalb 4 Jahren thuen müßen, gäntzlich verdorben.

Noch schlimmer scheint es mit der Uniform seiner Unteroffiziere gewesen zu sein, denn er fährt fort:

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So auch die Unter Prima plana [d. s. die Unteroffiziere] alle 3 Jahr folgents dem Reglement hätte sollen mundirt werden, dieselbe aber itzo ihre Mundirung schon ins 5te Jahr getragen, woher Sie dann sehr zerrißen und zerflicket, als wäre höchst nöhtig, daß dieselben mit neuer mundirung versehen.

Dies letztere sieht auch v. Krassow ein und meint, daß "dar zu solle die anstalt gemachet werden", jedoch sollte sich diese "Anstalt" nach seiner Verfügung auf das v. Kohlhans'sche Memorial augenscheinlich auch nur so weit erstrecken, als noch weißgraues Tuch und Dragonerröcke auf Kammer zur Verfügung standen. Hier müssen also für die Unteroffiziere, die reglementsmäßig alle drei Jahre eine neue Uniform zu fordern hatten, Dragonerröcke mit als Aushilfe dienen. Wegen der kleinen Montur der Leute aber geht v. Krassow's Ansicht dahin:

Die hüte müssen etwas repariret werden, wegen der übrigen perzelen aber müste der oberster die menage suchen, daß solche von denen leuten selbsten, so wie bey dem andern bataillon geschehe, angeschaffet werden.

Die Leute mochten also selbst sehen, wie sie sich aushalfen. Für sie wurde etatsmäßig nur alle sechs Jahre Montierung geliefert. Hielten die Hosen so lange nicht aus, so mußten die Leute eben fernerhin in ihren eigenen Bauernhosen zum Dienst kommen, bis die ordnungsmäßige Zeit herum war, wie denn beim Güstrower Bataillon ja augenscheinlich auch die kleine Montur an Handschuhen, Halstüchern und Schuhen damals schon von den Leuten selbst beschafft wurde, eine Einrichtung, die v. Krassow dem Schweriner Kommandeur als sehr nachahmenswert empfiehlt.

Ganz ließ sich diese für die Kriegskasse ja sehr vorteilhafte Ansicht nun aber doch wohl nicht durchführen, dazu war die Ausrüstung der ganzen Miliz in den verflossenen Kriegsjahren denn doch schon zu lückenhaft geworden. So fehlten nach einem seiner Eingabe von 1714 beigefügten Verzeichnis bei Buggenhagen's Bataillon im ganzen 82 Hüte, 97 Halßtücher, 55 Röcke, 89 Paar Hosen, 105 Paar Handschue, 101 Paar KnieRiemen, 94 Paar Schueschnallen, 48 Flinten, 49 FlintenRiemen, 75 Stahlkappen, 59 Degens, 68 DegenRiemen, 60 DegenGehenge, 39 PatronTaschen, 83 Pulverhörner, 80 ReumNadeln 3 ), 93


3) Räumnadel ist nach Campe (Wörterb, d. deutsch. Sprache) eine starke Nadel oder ein spitziger Draht, die Zündlöcher der Kanonen und an Schießgewehren damit zu räumen oder zu reinigen.
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Bürsten und 113 Krätzer. Ebenso war es beim Güstrower Bataillon. Hier reichte Hauptmann Scharffenberg in Rostock am 6. April 1715 eine Zusammenstellung ein über das, was 1711 bis 1713 die fremden Kriegsvölker an Montur mitgenommen und was sonst "von der Güstrowschen Batallion National Milice unter Commando des Herrn Obristlieutn. von Kollhans manquiret". Danach fehlten 32 Hüte, 37 Halstücher, 23 Leibröcke, 36 Hosen, 29 Handschuhe, 29 Knieriemen, 37 Gamaschen, 37 Schuhe, 40 Schuhschnallen, 25 Flinten mit Riemen, 25 Stahlkappen, 35 Degen, 35 Gehenke, 25 Patronentaschen, 31 Pulverhörner, 29 Räumnadeln mit Bürsten, 27 Kratzer und 9 Pistolen. Derartige Fehlbeträge einfach mit Stillschweigen zu übergehen, war auf die Dauer doch unmöglich, und so verfügte Karl Leopold denn auch am 26. April 1715 aus Rostock "an den Cammerdiener Francken in Schwerin":

 

Ehrsamer Lg., wir befehlen dir hiemit gndst. und wollen, daß, da die Unter=Officirer von denn beyden Bataillonen Land=Milice, nemlich bey der Buggenhageschen, 12 Unter= Offizirer, 12 Corporals und 8 Tambour, welche mit Weiß und Blaw, und die Güstrowische, so ebenfals in obbemelter Mannschafft besteht, und mit Weis und Grühn, als mit Einem Leib=Rock, Camisol und Hose, benebst dem Huet mit Einer kleinen Silbernen Galluhn, und schwartzen Halstüchern, wie Sie vordehm gehabt, fordersamst mondiret werden; die Tambours aber diesesmahl keine Schnüre auff die Röcke haben sollen: du derohalben solche mondur in vorschlag bringen, die specification davon ehestens einsenden, das vorhandene Englische Weiß=graw Tuch, und was sonsten noch in Vorraht, dazu nehmen, und mit verbrauchen, die übrigen Kosten aber berechnen sollest.

 

Und weilen bey der vorgewesenen Krieges=Zeit nach benandte Mondur vor die Gemeine weggekommen, als bey der Buggenhageschen Bataillon: 55 Leib=Röcke, weiß mit blaw, so wie vordehm die Mondur gewesen, 89 Hosen und 82 Hute; Imgleichen bey der Güstrawischen Bataillon: 23 Leib=Röcke, weis mit Grühn, 36 Hosen und 32 Hüte, So hast du auch hievon Eine Specification, sobald müglich, über zu senden und sowoll das vorhandene Weiß=graw Tuch auß der Manufaktur, als übrige vorhandene Wahren, dazu mit zu nehmen, und die übrigen kosten zu specificiren.

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Wann auch ferner, vor die Land=Milice erfordert wird, nemblich, vor die Buggenhagische Bataillon: 60 Degen= Gehencke, 39 Patron=Taschen mit denn Riemen und 97 schwartze kreppen Hals=Tücher; für die Güstrowische Bataillon: 35 Degen=Gehencke, 25 Patron=Taschen mit denn Riemen und 37 Halstücher, So solt du auch deßfals Einen Vorschlag einsenden, und das etwan vorhandene mit dazu nehmen.

Der Kammerdiener Franck zu Schwerin, der an anderen Stellen in den Akten auch als Kaufmann, Schneider und Hofschneider bezeichnet wird, war damals Karl Leopold's Armeelieferant für fast alle Montierungsstücke, wie er es auch schon unter Herzog Friedrich Wilhelm gewesen war. Die hier von Karl Leopold geforderte Spezifikation findet sich in den Akten leider nicht, wohl aber hat sich ein zwar undatierter, augenscheinlich aber aus den Jahren 1712 oder 1713 stammender "Überschlag, was die mondirung von der Land milice koste", erhalten. Daraus ergibt sich:

Eines Serganten und capitain des armes mondirung kostet:

Rock, Camisohl, Hosen und Huth
     nach dem Vorschlag des Hofschneider
          Francken 18 rthlr. 26 1/2 ß
das Degengehenck - " 40 "
der Degen 1 " 24 "
Ein paar Handschue - " 32 "
---------------------------
Sa. 21 rthlr. 26 1/2 ß
Für 20 Sergeanten und 10 Capt. d'armes
          also 646 rthlr 27 ß - Währung

 

Eines corporals mondirung kostet:

Rock, Camisohl, Hosen und Huth
     nach dem Vorschlag des Hofschneider
          Franckens 16 rthlr. 7 ß
Ein Degengehenck - " 40 "
Ein Degen 1 " 24 "
Ein paar Handschue - " 32 "
-------------------
Sa. 19 rthlr. 7 ß
          Für 30 Korporale also 574 " 18 " - "
---------------------------------
Transp.  1220 rthlr. 45 ß - Währung
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Transp.  1220 rthlr. 45 ß - Währung

 

Eines Tambours mondur kostet:

Rock mit schnüren, Huth und trommelriem 9 rthlr. 28 ß 11 Währung
Hosen - " 44 " - "
Knieriemen - " 4 " - "
Degengehenk - " 30 " - "
Degen 1 " 4 " - "
Handschue - " 5 " - "
Schue und schnallen 1 " 2 " - "
--------------------------------
Sa. 13 rthlr. 21 ß 11 Währung
Für 20 Tamboure also 268 " 6 " 4 "

 

Eines mousquetirers mondirung kostet:

Rock, Huth und Halstuch 5 rthlr. 22 ß 8 Währung
Hosen - " 44 " - "
Degengehenk - " 30 " - "
Degen 1 " 4 " - "
Patrontasche - " 42 " - "
Riemen daran - " 30 " - "
Flinte 2 " 32 " - "
Handschue - " 5 " - "
Knieriem - " 4 " - "
Schue - " 46 " - "
Schueschnallen - " 4 " - "
----------------------------------
Sa. 13 rthlr. 23 ß 8 Währung
Für 1200 Musketiere also 16 191 " 32 " - "

Noch sind bestellet

300 Pickenstangen à 10 ß 62 " 24 " - "
  60 Partisanstangen à 5 ß 6 " 12 " - "
--------------------------------------------
Das macht für die gesamte Montierung also 17 749 rthlr. 23 ß 4 Währung
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Zum Schluß ist dann noch bemerkt: "Außer diesen sind noch anzuschaffen Trommeln und Fahnen, Item die Spitzen zu den Picken und Partisanen".

Ungefähr wird für diese Preise auch 1715 noch die Montur zu beschaffen gewesen sein. Denn während 1712/13 für Rock, Hut und Halstuch eines Gemeinen zusammen 5 rthlr. 22 ß 8 Währung angesetzt sind, kostet nach einer Aufmachung vom 14. Februar 1717 ein Rock 4 rthlr. 47 ß 6 Währung , so daß noch 23 ß 2 Währung für Hut und Halstuch verbleiben. Dieser Rockpreis setzt sich wie folgt zusammen:

5 1/2 Ell Laken à 24 ß
7 ell Boye à 6 "
6 ell Lein à 4 "
1 1/2 Loth Kamel Haar à 3 "
Leder zu Knöpfen à 1 "
MacheLohn und Zwirn à 24 "
2 Dosien Knöpfe à 6 "
-----------------------------------------
Sa. 4 rthlr. 47 ß 6 Währung

Die Röcke für die 1200 Mann kosteten 1717 also 5987 rthlr. 24 ß.

Auch Hüte sollten 1715 für die Land= oder National=Miliz beschafft werden, denn am 22. Oktober d. J. erhielt der damals in Sternberg sich aufhaltende Obristl. Kohlhans aus Schwerin den Befehl:

Demnach für beyde bataillon national=milice hüte erfordert werden, als committiren wir dir hiemit gnädigst, bis tausend hüte in Rostock, Schwerin und Bützau und zwar so, wie unser obrister v. Schwerin 4 ) für sein bataillon in Rostock à hut mit schnür und zubehör für 20 ß machen läßet zu bestellen, und dahin zu sehen, daß solche nicht allein tüchtig, sondern auch langstens in Zeit von 6 Wochen gelieffert werden.

Die für das Güstrower Bataillon schon früher angekauften, bisher aber immer noch im Schweriner Zeughause verwahrten neuen Gewehre kamen nun auch endlich zur Ausgabe, indem der Hausvogt zu Schwerin angewiesen ward,

die Sechshundert neue flinten, so vor das Gustrauische bataillon angekauffet seyn,


4) Der spätere preuß. General=Feldmarschall Graf Kurt Christoph von Schwerin.
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an dieses abzuliefern. Da nun die Mannschaften in dem oben angeführten Montierungs=Überschlag von 1713 noch Mousquetirers genannt werden, so wurden jetzt vermutlich die bisherigen alten Musketen mit den auf unserem Bilde dargestellten neuen Steinschloßflinten vertauscht.

Die ordnungsmäßige Mannschaftsuniform des Güstrower Milizbataillons bestand nach allen diesen Nachrichten aus einem Leibrock von weißgrauem Tuch mit Leinen= resp. Boifutter, grünen Boiaufschlägen und 24 Knöpfen (12 vorn herunter, 6 an den beiden Seitentaschen, 4 an den Ärmelaufschlägen und 2 vermutlich hinten), aus einer Lederhose, deren Farbe nicht angegeben wird, einem Halstuch, das wohl ebenso wie beim Schweriner Bataillon von schwarzem Krepp war, einem Hut mit Schnur und Zubehör, ferner aus Knieriemen (statt deren 1711 Kniespangen vorkommen), Schnallenschuhen und Handschuhen. Die Strümpfe mußten die Leute sich selbst halten, da deren Lieferung vom Kriegskommissariat ausdrücklich abgelehnt wurde. An weiterer Ausrüstung und Waffen kamen dann noch hinzu: Patronentasche mit Riemen, deren gelbe Farbe 1714 beim Schweriner Bataillon erwähnt wird, während die Grenadiere "Rohte Juchten Granadiertaschen mit gelben Riemen" trugen, Pulverhorn, Degen mit Degengehenk, Flinte mit Riemen sowie Räumnadel, Bürste und Kratzer. Das stimmt also mit der Mannschaft auf unserem Bilde gut überein, denn daß auf letzterem die Halstücher weiß statt schwarz sind, kann weiter nicht auffallen, da wir ja oben gesehen haben, daß die Güstrower Leute sich ihre kleine Montur zeitweilig selbst hielten und dann trugen, was sie gerade hatten. Eine wirklich durchgreifende "NeuMundirung" der Miliz aber fand trotz aller angeführten herzoglichen Verfügungen von 1715 doch erst nach Ablauf resp. Überschreitung des etatmäßigen sechsjährigen Zeitraumes in den Jahren 1717-1719, also erst nach der Entstehung unseres Bildes statt.

Die in den Verzeichnissen noch erwähnten Stahlkappen und Gamaschen werden vermutlich mit den 1713 vorkommenden 300 Pikenstangen zusammen zur Ausrüstung der damals noch bei jeder Kompanie befindlichen Pikeniere gehören und kommen somit hier nicht weiter in Betracht.

Die Unteroffiziere scheinen, gerade wie auf unserem Bilde, sehr verschieden gekleidet gewesen zu sein. Weiß und grüne Leibröcke sowie zu ihrer Equipierung mit benutzte Dragonerröcke

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wurden schon oben erwähnt. Auch ergibt sich aus dem Überschlag von 1712/13, daß die Montur für einen Sergeanten und Kapitain d'armes um 2 rthlr. 19 1/2 ß teurer war als die für einen Korporal. Ebenso findet sich in der Spezifikation vom 14. Februar 1714 ein Preisunterschied für Röcke beider Unteroffizierarten. Denn hiernach sollte ein Rock für Feldwebel, Sergeant und Kapitain d'armes 6 rthlr. 17 ß 6 Währung und für Korporale nur 5 rthlr. 23 ß 6 Währung kosten. Diese Summe setzte sich für die erste Kategorie zusammen aus 5 1/4 Ellen Laken à 40 ß, 7 Ellen Boi à 6 ß, 6 Ellen Leinen à 4 ß, 1 1/2 Loth Kamelhaare à 3 ß, Leder zu Knöpfen 1 ß und Machelohn 24 ß. Für die Korporale ist sie genau ebenso, abgesehen von dem Laken oder Tuch, das hier nur 32 ß pro Elle kostet. Bei beiden Lakenarten handelt es sich, den noch vorhandenen Proben nach, um blaues Tuch.

Sonst finden sich in den Akten noch folgende Nachrichten über die Unteroffiziersuniform: Am 20. April 1715 beauftragt das Kriegskommissariat den Kammerdiener Franck, für "3 Unter Officirer von der Dobbranschen Land=Milice unterm Cap. v. Zülowen" mit nächster Post nachbenannte Waren zu schicken:

weis grau Engl. Tuch, zu Röcke und Hosen 18 3/4 Ellen. Item zu Aufschlägen und Cragens, wie auch zu 3 Camisöhler, blau=Tuch so viel dazu vonnöthen, fals hievon noch was in Vorrath ist, imgleichen soviel blau=boye vnd Knöpfe, als dazu nötig, dafern solche in vorraht bey ihm verhanden.

Franck sendet darauf die "anbefohlene 18 3/4 ell grau Engl. Norderlaacken", meint aber, daß das noch vorhandene "blaue Laacken zu denen Rockaufschlägen und Kragens wie auch Camisöhler wohl zu schlecht seyn dürffte", und bittet um Anweisung, das Erforderliche "von guten Schlesiger Laacken nebst andere Zubehöer lieffern" zu dürfen. Aus Rostock wird ihm geantwortet, er solle

das blaue tuch zu Camisöler, von gleicher bonität, als der anderer Unter=Officirer, nebst dem Unterfutter und übrigem Zubehör, an Couleur, wie die andere von der Güstrauischen bataillon Land=milice haben, gleichfalls mit dem fordersahmsten an den Cammer=diener Dechamp anhero

senden. Zum Schluß der Zahlungsanweisung heißt es am 17. Mai 1715 aber für die Zukunft:

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Ubrigens ist nicht nöhtig, daß hienegst zu denen auffschlägen das Lacken von besserer bonitet, als zu denen Camisölen gebrauchet wird, bey künftiger Mondirung genommen werde, wie denn auch die beyden Regts. Tambours bey denen beyden Bataillons der Schwerinschen und Güstrowischen national=Milice so wie die Corporals von diesen Bataillons gekleidet werden sollen.

Am 16. August desselben Jahres bekommt Franck dann in Schwerin noch Anweisung, für den Profoß des v. Kohlhans'schen Bataillons folgende Uniformstücke anzufertigen:

von dem alhir in vorrath vorhandenen schlechten blauen tuche
1 Rock mit blauer boy gefüttert und mit meßingen Knöpfen,
1 blau Camisol von solchem Tuch mit rohe Leinwand gefüttert und mit meßingen Knöpfen,
1 paar lederne Hosen    \
1 Huth                             > gleich denen mousquetirern
1 Halßtuch                    /      bey der Bataillon.

Nach einer Verfügung vom 24. Mai 1713 sollen "die Unterofficirer und corporals, so abgehen", von der ihnen gelieferten Montur wieder zurückgeben "ihre bavieres, Degen und Gehenge wie auch Kurtzgewehr und sourtous" [surtout, Überrock oder Mantel], während sie die übrige Uniform "als Leibrock und Camisohler" behalten durften. Die bavière oder barbière war das alte Kinnstück oder der Halskragen der Eisenrüstung, das sich als Rangabzeichen bei verschiedenen Armeen noch erhalten hatte. Unter Kurzgewehr verstand man bei den Unteroffizieren des deutschen Fußvolkes im 18. Jahrhundert nach Krünitz (Ökonom.= technol. Enzyklopädie, XXII. 1789) noch die Hellebarde, die ja auch von den Unteroffizieren auf unserem Bilde zum Teil geführt wird. Im Dömitzer Zeughause befanden sich laut Spezifikation von ult. Dezember 1714: "22 Stück Kurtzgewehr auf Stangen" und 11 ohne Stangen.

Hiernach setzte sich die amtlich gelieferte Unteroffiziermontur beim Güstrower Bataillon zusammen aus einem Leibrock, der entweder aus weißgrauem englischen Tuch mit grünen Aufschlägen, oder aus demselben Tuch mit blauen Aufschlägen und Kragen oder ganz aus blauem Tuch bestand, einem Kamisol, dessen Farbe bei den weiß und grünen Röcken nicht angegeben ist, bei den übrigen blau war, einer Hose, die beim Profoß aus Leder, sonst in der Regel aus dem weißgrauen englischen Rocktuch bestand, einem schwarzen Halstuch, einem Hut mit einer

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kleinen silbernen "Galluhn", worunter wir wohl eine kleine Silberborte oder Galon zu verstehen haben, sowie aus Handschuhen und Surtout oder Mantel. Schuhe oder Stiefel kommen bei den Lieferungen für die Unteroffiziere nicht vor, letztere mußten sich diese also entweder, ebenso wie die Strümpfe, selbst halten, oder erhielten, was wahrscheinlicher ist, dieselben Schuhe wie die Mannschaft. Die Schutz= und Trutzwaffen bestanden aus der Baviere, dem Degen nebst Degengehenk und dem Kurzgewehr oder der Hellebarde. Nicht erwähnt werden in den Akten also die grüne Montur des Korporals oder Gefreiten, den Figur 6 unserer Abbildung wiedergibt, und das gelbe Kamisol nebst gelber Hose von Figur 7. Der grüne Korporal gehörte aber vielleicht einem anderen Truppenteil an und war nur aushilfsweise dem Güstrower Bataillon resp. dem Verhaftungskommando zugeteilt.

Über die Offiziersuniform kommt in den Akten nur wenig vor, da die "Ober=Officirer" sich ihre Montur, wie aus dem oben angeführten v. Kohlhans'schen Memorial vom 26. September 1714 hervorgeht, selbst halten mußten. Nur die Partisanen, in einer Eingabe von 1711 auch als "die piquen vor die Oberofficirers" bezeichnet, scheinen ihnen geliefert zu sein, denn in dem Kostenanschlag für die Montierung der Landmiliz von 1713 werden ja "60 Partisan stangen à 5 ß" als bestellt und "die Spitzen zu den - - Partisanen" als "noch anzuschaffen" mit aufgeführt. Im übrigen haben wir aus v. Kohlhans' Memorial oben bereits gesehen, daß auch die Officiersmontur ebenso wie die der Unteroffiziere 1714 stark der Erneuerung bedurfte, und erfahren aus einem Mahnbriefe des Kammerdieners Franck von 1712 noch, daß dieser

für die sämbtliche Ober= und Unter=Officier bey der Landt=Militz, sowol der Schwerinschen als Güstrowschen Battallion die MuntirungsKleyder fourniren und machen müßen, welches sich denn auf eine ziemliche Summa beträgt.

Sonst ergibt sich aus den Akten nur noch, und zwar ebenfalls aus Mahnbriefen des Jahres 1712, daß die Offiziere des Güstrower Bataillons damals gemeinsam von Johann Stegmester aus Hamburg bezogen hatten:

12 Degens von guten Prinsmetal und verguldt im Feur, mit ein sein echten Grif, auch mit eine gute Sexische Klinge und allen Zubehör à 9 Reichthlr. Hamb. Courant pro Stück,

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12 Degengehenge von feinen guldenen treßen auf guten schmidigen Buffelleder auß einen Stück geschnitten, mit einer verguldten schnalle im feur und mit gelb lein gefuttert à 8 Rthlr. 24 ß,

ferner Hüte "mit guldt", "Chamrirte hanschen", die auch als "fein dicke gamsledern Hanschen mit breit guld" bezeichnet werden, also wohl mit breiten Goldborten besetzte Handschuhe, sowie "seiden Strumpf und silb. Agrement".

Das ist dasjenige, was aus den Akten für die auf unserem Bilde dargestellten Soldaten in Betracht kommen kann, und dürfen wir danach trotz der einzelnen Abweichungen wohl mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß wir es auf demselben mit Angehörigen des Güstrower Landmilizbataillons zu tun haben. Da im Vorhergehenden für dies Bataillon nun aber alles, was sich auf die Uniform der Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften um 1715 bezieht, zusammengestellt ist, so mögen der Vollständigkeit wegen zum Schluß auch noch kurz die Nachrichten über die Kontur der Tamboure und über die Fahnen dieser Miliz folgen.

Im Jahre 1713 werden ohne Angabe von Stoff und Farben als Tambourmontur erwähnt: Leibröcke mit Schnüren, Hosen, Knieriemen, Handschuhe, Hüte, Schuhe und Schuhschnallen, Surtous, Bavieren, Degen resp. Hirschfänger nebst Degengehenk, Trommeln und Trommelriemen. 1715 werden auch noch Kamisole aufgeführt, und zwar

von dem weißen Laken, davon die Land=Milice montieret, mit schlecht Boye unterfüllet.

Nach anderen Nachrichten aus diesem Jahre waren die Leibröcke beim Güstrower Bataillon aus eben diesem weißgrauen englischen Rocklaken mit Grün und beim Schweriner Bataillon ebenso mit Blau, jedoch sollte der Schnurbesatz diesmal fortfallen, und für die beiden Regiments= oder Bataillonstamboure wird im gleichen Jahre die Korporalsuniform ihres Bataillons für die Zukunft vorgeschrieben.

Die Trommeln für beide Bataillone sollte nach einem Vorschlage von 1711 der Hofschneider Franck in Hamburg bestellen und machen lassen, und zwar zehn weiß und grün und zehn weiß und blau geflammt. Diese Bestellung ist aber jedenfalls recht schlecht ausgefallen, denn v. Kohlhans berichtet in seinem Memorial vom 26. September 1714:

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Die Trummeln, so der Schneider Franck beym Bataillon geliefert, taugen gar nichts, und sind fast nicht zu gebrauchen, daß dahero wohl Andere und Neue Trommeln beym Bataillon Erfordert würden.

Ebenso schreibt v. Buggenhagen 1715, da die Trommeln

von Anfang her in miserablen Zustande gewesen undt itzo zu allen diensten fast Untaugbahr, als habe umb Acht neue Trommeln unterthänigst bitten wollen.

Beiden Kommandeuren wird erwidert, sie müßten sich vorderhand mit den vorhandenen noch behelfen und die schadhaften ausbessern lassen. Sei dies aber unmöglich, so solle v. Buggenhagen vorschlagen, wo neue am besten zu bekommen seien, und berichten, was sie kosten würden.

Bezüglich der Fahnen für die Landmiliz schlägt Generalmajor v. Krassow 1711 vor:

Weil doch zu den beyden Bataillonen 4 fahnen erfordert werden, alß konte mau alle 4 fahnen alhier in Schwerin zugleich bestellen und verfertigen laßen, und würden alßdan 2 weiße fahnen und 1 grüne und 1 blaue erfordert. In den weißen fahnen könte man das gantze fürstl. wapen mahlen, und Sr. durchl. Nahmen herum setzen, und an den Ecken und enden flammen laßen, alß wie solches sonst gebräuchlich gewesen, Und wird Sr. durchl. gnädigsten beliebung anheim gestellet, ob sie in der blauen und grünen Fahne entweder in einem Zuge dero Nahmen, oder einen Puffelskopff mit den Ring nebst Ihren Wahlspruch oder sonst eine martialische devise darin wollen machen und setzen laßen, wie dan auch sowohl die grüne alß blaue fahne an den Ecken und Enden geflammet werden konnen.

Die fürstliche Kammer beschließt daraufhin laut Randbemerkung: "Soll in Schwerin besorget werden." Ob und wie diese Besorgung ausgeführt, erhellt aus den von mir durchgesehenen Akten nicht. In dem schon mehrfach erwähnten Überschlag der Montierungskosten von 1712/13 werden unter den noch anzuschaffenden Sachen auch "Trommeln und Fahnen" mit aufgeführt, sei es nun, daß letztere 1711 überhaupt noch nicht oder doch noch nicht alle vier angeschafft, sei es, daß die etwa mit dem Namen, dem Namenszuge oder der Devise Friedrich Wilhelm's versehenen bisherigen Fahnen beim Regierungswechsel 1713 durch neue mit Karl Leopold's Emblemen zu ersetzen waren. Ob

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die in der Eingabe des Adjutanten Meyer vom 19. November 1713 vorkommenden Fähndchen die Milizfahnen sind, ist immerhin zweifelhaft, es können auch aushilfsweise, ebenso wie die Grenadieruniform, zur Vereidigung der Miliz nach Rostock gebrachte andere Feldzeichen sein.

Damit schließen die Nachrichten, soweit sie den hier behandelten Zeitabschnitt betreffen. Zu den Tafeln sei noch bemerkt, daß sie die dargestellten Personen genau in der Größe des Originalbildes wiedergeben.

 

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IV.

Eine Erbschaftssteuer
und eine Vermögenssteuer per aes et libram
in Mecklenburg
zur Zeit des dreißigjährigen Krieges.

Von

Ministerialdirektor z. D. Otto Raspe.

 

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D ie Erbschaftssteuer, die in neuerer Zeit im Deutschen Reich eine so bedeutende Rolle spielt, war in Deutschland während des Mittelalters noch unbekannt.

Erst im sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert lenkten verschiedene deutsche Juristen und Staatsgelehrte die Aufmerksamkeit auf die vicesima, welche Augustus als Abgabe von Erbschaften, Vermächtnissen und Schenkungen auf den Todesfall eingeführt hatte. Diese Steuer war um jene Zeit von mehreren italienischen Städten bereits wieder aufgenommen und fand im Jahre 1598 auch in den Niederlanden Eingang 1 ).

In Deutschland schrieb zuerst das markgräflich Baden=Durlachsche Landrecht, das im Jahre 1622 gedruckt war, aber erst im Jahre 1654 veröffentlicht wurde, eine Erbschaftssteuer vor: sie betrug 1/10 des Nachlasses und sollte nur in dem Falle entrichtet werden, wenn eine "unvertestierte" Erbschaft an Seitenverwandte des Erblassers über den siebenten Grad hinaus fiel. In Baden wurde sie das Lacherbengeld genannt 2 ).

Für die Lande Braunschweig=Lüneburg=Celle verordnete der Landtagsabschied vom 2. Juli 1624, daß, "wenn Jemandem von einem der Seitenfreunde oder in linea collaterali eine Erbschaft anfalle, der Erbe davon den funfzigsten Pfennig zur Vermehrung des Schatzes einbringen solle. Von den Untertanen wurde diese Steuer als beschwerlich empfunden und ihr Erfolg war zunächst sehr gering, da der Landtagsabschied nicht genügend befolgt wurde 3 ).

Ebenfalls im Jahre 1624 schlug der Senat in Hamburg der Bürgerschaft vor, daß Seitenverwandte, die in einem


1) Vgl. G. Schanz, Studien zur Theorie und Geschichte der Erbschaftssteuer im Finanz=Archiv 1900 S. 36 ff.
2) Schanz a. a. O. S. 54. F. W. von Ullmenstein, Einleitung in die Lehre des deutschen Staatsrechts von Steuern und Abgaben, 1794, S. 203.
3) Schanz a. a. O. S. 55-58.
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weiteren Grade als die Bruder= oder Schwesterkinder mit dem Erblasser verwandt seien, von den ihnen ohne oder durch Testament zufallenden Gütern künftig den zehnten Pfennig entrichten sollten. Die Bürgerschaft stimmte zu, verlangte aber die Ausdehnung dieser Erbschaftssteuer auf die im Hamburger Gebiete lebenden Fremden, und erst im Jahre 1647 kam es zur Verkündigung des Gesetzes 4 ).

Weitere Schritte waren zur Einführung der Erbschaftssteuer in Deutschland noch nicht geschehen, als die Herzöge Adolf Friedrich und Hans Albrecht, nach der Beendigung der Wallensteinschen Herrschaft, im Einvernehmen mit Vertretern der Landstände durch das Edikt Vom 1. August 1632 eine Vermögenssteuer ausschrieben, durch welche die dem Könige Gustav Adolf von Schweden zugesagten monatlichen Hülfsgelder aufgebracht werden sollten 5 ). Im Eingange des Ediktes sagten die Herzöge, daß sie einen Steuermodus erwählt hatten, der im Gegensatze zu den früheren modis collectandi jeder Iniquität und Ungleichheit fürkommen solle, so daß ein jeder seine Gebühr deducto aere alieno auf= und einbringen könne.

Nach diesem neuen, durch ein Edikt vom 8. November 1632 noch weiter ausgeführten und erläuterten Steuermodus sollten die Untertanen, auch die Ökonomien, Klöster und Stadtverwaltungen von ihren eidlich anzugebenden zinsbaren Barschaften deducto aere alieno den hundertsten Pfennig, d. i. Ein vom Hundert entrichten; ebenso sollte der Hundertste, gleich als von zinsbaren Geldern, entrichtet werden von dem valor der Landgüter, der Erbmühlen und anderer Grundstücke; der valor aber sollte durch untadelhafte Erbteilungs=, Kauf= und Pfandverträge oder fürstliche Abschiede aus den letzten zwanzig Jahren bescheinigt, oder, wo es an solchen Beweismitteln fehlte, in der Weise ermittelt werden, daß nach dem richtig veranschlagten und von zwei Gutsnachbaren durch Unterschrift bezeugten oder durch die Taxe erbetener Kommissarien oder durch unverdächtige Verpachtungsverträge erwiesenen jährlichen Verpachtungswerte der Kapitalwert angeschlagen und davon deducto aere alieno der Hundertste erlegt werden sollte. - Damit die Steuer desto gewisser und richtiger einkomme, wurde daneben


4) Schanz a. a. O. S. 58, 59.
5) David Franck, A. u. N. Mecklenburg, Buch XIII, Kap. XIII, S. 124, 125.
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vorgeschrieben, daß die Besitzer und Pächter von Landgütern an Stelle der Gutsgläubiger - mit Ausnahme der ausländischen, der Steuer nicht unterworfenen Gutsgläubiger - den von diesen Kreditoren zu entrichtenden Hundertsten zur Steuer=kasse erlegen und dagegen berechtigt sein sollten, den erlegten Hundertsten bei der Zahlung der Zinsen den Gutsgläubigern, bezw. bei der Zahlung der Pacht dem Verpächter in Abzug zu bringen.

In den Städten sollte unter der Aufsicht des Rats der rechte Verkaufswert der bewohnten Häuser, Erb= und Eigentumsgrundstücke von den Besitzern angegeben oder durch bestellte unparteiische Leute abgeschätzt werden. - Auch die Kaufleute in den Städten, die Wandschneider, Brauer, Mülzer, Weinschenker, Apotheker, Buchhändler, Kramer, Häcker, Fleischer, Bäcker, Freischuster, Fell= und Pferdekäufer und andere Handelsleute insgemein, so Waren ein= und verkaufen, sollten von den in ihrer Nahrung habenden Geldern, gleich wie oben gesetzet, den Hundertsten steuern.

Die größeren (im Edikt einzeln aufgeführten) Handwerker sollten durchweg ein Fixum von 1 Reichstaler und 12 Schillingen, die kleineren (ebenfalls einzeln aufgeführten) Handwerker ein Fixum von 1 Gulden und 8 Schillingen, die Arbeiter und Arbeiterinnen in Stadt und Land ein Fixum von 12 Schillingen zahlen. Die Handwerker auf dem Lande, auch Krüger und Pachtmüller und alle auf dem Lande zugelassene Handel und Wandel treibende Personen hatten vom Handwerk, Amt und Hantierung 1 Gulden, Glashütter 4 Reichstaler, Papiermüller 2 Reichstaler, Walkmüller 1/2 Reichstaler abzutragen.

Daneben sollten auf dem Lande die Untertanen und Bauern der Herzoge, des Adels und anderer, desgleichen Müller, Schäfer, Einlieger und dienende Personen und in den Städten die Bürger ohne Erb= und Eigentumsacker von ihrem Vieh einen gewissen Viehschatz geben (von 1 Pferd, 1 Ochsen, 1 Kuh 3 Schillinge von 1 Stier 2 Schillinge, von 1 Ziege 2 Schillinge, von 1 Schaf, 1 Schwein 1 Schilling, von 1 Stock Immen 2 Schillinge), ebenso die Pensionarien von ihrem über das Inventar habenden eigenem Vieh.

Am Schlusse wurde noch eine Erbschaftssteuer mit folgenden Worten hinzugefügt:

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"Wann sich extra lineam ascendentem und descendentem von dato dieses Erbfälle, Legata und donationes auf dem Lande und in den Städten begeben, also daß keine Eltern oder Kinder am Leben und eine Erbschaft, Legatum oder donation einem extraneo oder collaterali zum Vorteil per testamentum oder ab intestato zufallen, vermacht und übergeben wird, davon soll der zwanzigste Teil dem gemeinen Wesen zum Besten verfallen sein und vermittelst Eides innerhalb vier Wochen nach dem Todesfall den Einnehmern abgetragen werden."

Mecklenburg gehörte also zu denjenigen deutschen Ländern, in denen zuerst und schon sehr früh die Erbschaftssteuer Eingang fand; in den Thüringenschen und anderen deutschen Staaten wurde sie fast durchweg erst im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts, in England 1694. in Frankreich 1703 eingeführt 6 ). Wer mag in Mecklenburg die Anregung dazu gegeben haben? Die im Großherzoglichen Archiv in Schwerin aufbewahrten Kontributionsakten 7 ) geben über die Bearbeitung des Ediktes vom 1. August 1632 sehr geringen Aufschluß. In diesen Akten findet sich nur ein Brief des Herzogs Hans Albrecht vom 4. Juli 1632, in dem der Herzog seinem Bruder Adolf Friedrich den Empfang seines (bei den Akten nicht befindlichen) Briefes Vom 30. Juni wegen des neuen Kontributionsediktes, Ablegung der Rechnung usw. bestätigt und ihm erwidert, daß er eben auf heute etliche wenige aus seiner Ritter= und Landschaft vorgeladen habe, um deren untertäniges Bedenken

"über den von Uns beliebten novum modum contribuendi per aes et libram zu vernehmen,"

und alsbald seine freundbrüderliche Entschließung mitteilen werde. Die verheißene weitere Antwort des Herzogs Hans Albrecht liegt nicht in den Akten; in diesen folgt nur noch ein ins Reine geschriebener Text des am 1. August 1632 verkündigten Ediktes ohne Unterschriften. Bei dem lebhaften Eifer, mit dem der Herzog Adolf Friedrich einige Jahre später den Steuermodus vom 1. August 1632 gegen die Stände verteidigte und gegen die Annahme eines anderen Steuermodus protestierte 8 ), ist als wahrscheinlich anzunehmen, daß die Anregung zu dem neuen


6) Schanz a. a. O. S. 60, 61 und im Finanz=Archiv 1901 S. 53 ff.
7) Actan contributionis in ducatu Mecklenb. Vol. IV B 1632, 1633.
8) Spalding, Mecklenb. öffentl. Landesverhandlungen Bd. 2 S. 315 bis 318, Landtag von 1634 September 16 ff.
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Steuermodus von der Regierung des Herzogs Adolf Friedrich ausgegangen war, und daß dieser ihm versönlich nahestand. In den Tagebüchern des Herzogs Adolf Friedrich 9 ) ist indessen hierüber an keiner Stelle etwas gesagt.

Die in dem Briefe des Herzogs Hans Albrecht vom 4. Juli 1632 für den neuen Steuermodus gebrauchte Bezeichnung "per aes et libram" kommt in dem Edikte selbst nicht vor, der neue Steuermodus wurde aber im Lande bald allgemein, als der modus contribuendi per aes et libram (oder secundum aes et libram) oder als der Hundertste bezeichnet 10 ). Die Wendung per aes et libram ist aus dem römischen Rechte als Bezeichnung für eine bei gewissen Rechtsgeschäften (mancipatio, testamentum per aes et libram) vorkommende solenne Förmlichkeit bekannt. In diesem Sinne bietet der terminus per aes et libram keine entsprechende Beziehung zu dem im Edikte vom 1. August 1632 vorgeschriebenen Steuermodus. In einem späteren Steuerausschreiben, dem Edikte vom 16. Juli 1634, sprechen die Herzöge selbst aus, was sie mit der Bezeichnung per aes et libram sagen wollten: sie reden hier von dem "im Edikte vom 1. August 1632 beliebten billigen und christlichen modo contribuendi secundum aes et libram oder nach eines jeden Vermögen." Vergleicht man hiermit die im Edikte vorgeschriebenen hauptsächlichen Besitz= und Vermögenssteuern, so wird man annehmen können, daß die Gesetzgeber im Sinne des Ediktes mit dem Ausdrucke per aes et libram eine Besteuerung im rechten Verhältnisse zu dem nach Abzug der Schulden (deducto aere alieno) vorhandenem Besitze von Geld und Kapitalvermögen (aes) und von sonstigem nach Geldeswert abzuwägenden (libra) Vermögen bezeichnen wollten 11 ). In diesem Sinne


9) Zum großen Teil abgedruckt in den Jahrb. des Vereins f. Meckl. Geschichte, 12. Jahrg. S. 59 ff.
10) D. Franck a. a. O. Buch XlII Kap. XVl S. 148, 149; Kap. XVIII S. 165; Spalding a. a. O. Bd. 2 S. 281, 315-318, 321-324, 328.
11) In Brinckmeier, glossarium diplomat. 1690, in Du Cange glossar. mediae et infim. latinitatis 1765 und 1885 und in Dieffenbach, glossar. latino-germanicum mediae et infim. aetatis 1857 ist die Wendung per (secundum) aes et libram nicht erwähnt, über die Bedeutung des Wortes libra im mittelalterlichen Latein im Sinne einer Anzahl von Einheiten (libra denariorum, annorum testium), einer durch Abzählen oder Abwägen festgestellten Quantität Geldes (libra numerata, libra pensata), eines nach dem Werte des jährlichen Geldertrages auf eine bestimmte Zahl von libris des gangbaren Geldes gebrachten Maßes eines ager oder praedium (libra terrae) stehe Du Cange glossarium, Tom. V. 1885, verbo "libra".
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konnten die Herzoge allerdings im Eingange des Ediktes mit vollem Recht sagen, daß der neue Steuermodus im Gegensatze zu den früheren modis collectandi, die auf den Schuldenstand der Steuerpflichtigen und auf die verschiedene Bodenbeschaffenheit der Landgüter und Hufen keine Rücksicht genommen, also die Steuerkraft nicht gerecht bemessen hatten, jeder Ungleichheit vorbeugen solle. Der von ihnen vorgeschriebene modus contribuendi bedeutete einen großen, für die Kulturverhältnisse und die Besteuerungsgewohnheiten jener Zeit ungewöhnlichen Fortschritt. Mit dem neuen modus contribuendi stand aber der damalige modus der Steuerhebung nicht auf gleicher Höhe, der Ertrag der Steuer wurde durch viele bei der Einhebung auftretende Mißbräuche geschädigt und wurde überdies durch die Kriegsunruhen noch gemindert. Eine im Jahre 1634 zur Prüfung der Steuerrechnungen eingesetzte, aus fürstlichen und ständischen Deputierten gebildete Kommission bezeichnete in ihrem Berichte als hauptsächliche Ursachen des geringen Ertrages u. a. folgende Umstände: weil die Güter mehrenteils nicht nach dem rechten Werte, sondern weit geringer von den Besitzern taxiert worden; weil von vielen Gütern, die gar nicht angegeben worden, nicht gesteuert sei; weil vielen Steuerpflichtigen auf fürstlichen Befehl oder auf Verfügung der Deputierten die Steuer wegen erlittenen Ruins gelindert und erlassen sei; weil eine große Summe ausländischer Gutsschulden angegeben und vom Vermögen in Abzug gebracht und bei der Decortierung der Schulden viele Unrichtigkeit verspürt sei; weil man nicht habe erfahren können, ob von denjenigen, für welche ihre inländischen Schuldner den Hundertsten abzuliefern unterlassen hatten, und von denjenigen, welche außerhalb Landes zinsbare Kapitalforderungen ausstehen hätten, der Hundertste entrichtet sei; weil von wenigen der Untertanen des Adels der Viehschatz eingebracht sei; Weil viele Personen als die fürstlichen Räte, Offiziere und Bedienstete von der Steuer eximiert seien; weil viele, die innerhalb Landes und außerhalb Landes Güter hätten, ihre Schulden bloß auf den Wert der inländischen Güter in Abzug gebracht hatten; weil viele aus den Landstädten unter dem Vorwande der Offizien der Steuer sich entzogen hatten und weil daselbst auch der Güter halber kein richtiger, sondern ein viel zu niedriger Anschlag gemacht würde, wie denn auch unter den Handwerkern mit höherem oder geringerem Verdienst kein Unterschied gemacht werde; auch durch die Zulassung älterer Kauf=, Erb= und Pfandverträge und fürstlicher Abschiede von 1612 her zur Bescheinigung

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des Wertes der Landgüter werde der Zweck verfehlt, weil Münz= und Wertveränderungen eingetreten seien. Mit der Aufzählung dieser und noch anderer Mängel verband die Kommission Vorschläge zur Verbesserung des Abschätzungs= und Ermittelungsverfahrens. Über den Ertrag der Erbschaftssteuer enthielt der Kommissionsbericht keine Angaben 12 ).

Als in den Landtagsverhandlungen des Jahres 1634 über die Aufbringung der Kreissteuer und der sogenannten freiwilligen Kontribution beraten wurde, waren die Stände unter sich sehr verschiedener Meinung darüber, ob der modus contribuendi per aes et libram beizubehalten oder ob ein anderer modus zu erwählen sei, und auch die beiden Herzöge waren hierüber untereinander nicht einig. Der Herzog Adolf Friedrich erklärte trotz der bei der Handhabung hervorgetretenen Mängel, die beraten und abgestellt werden könnten - was noch gar nicht versucht sei, - halte er den modus contribuendi per aes et libram nach wie vor für einen christlichen und billigen, auf Vermögen und Schuldenstand Rücksicht nehmenden Steuermodus, und protestierte sehr lebhaft gegen den zur Aufbringung der Kreissteuer von einer Mehrheit der Stände vorgeschlagenen Steuermodus nach Pflugdiensten, der die Bauern bedrücke. Die Stände nahmen nun zwar von diesem Steuermodus Abstand, machten aber, da auch der Herzog Hans Albrecht von dem modus contribuendi per aes et libram sich abgewandt hatte, keinen Versuch, die Mängel dieses Steuermodus zu beseitigen, und schlugen, mit Rücksicht auf die zu hebende Uneinigkeit der beiden Fürsten, einen anderen Steuermodus vor: nach diesem modus sollte ohne Rücksicht auf den Schuldenstand die Kreissteuer von den Landgütern nach der Menge des ausgedroschenen Korns oder der erhobenen Korn= und Geldpächte, in den Städten bei den Bürgern nach der Größe der städtischen Erben bemessen, eine mäßige Steuer von zinsbaren Barschaften in Stadt und Land wahrgenommen, Von den Bauern, Schäfern, Müllern und städtischen Einwohnern ein ermäßigter Viehschatz, von den Bauhandwerkern, Einliegern, Glashüttern, Papier= und Walkmüllern eine fixierte Steuer erhoben werden; daneben noch in diesem Jahre die freiwillige Kontribution aufzubringen, erklärte die Ritterschaft für unmöglich. Die Herzöge nahmen diesen von den Ständen vorgeschlagenen anderen Steuermodus an, änderten


12) Spalding a. a. O. S. 321-323.
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und ergänzten ihn in einigen Punkten und gestalteten hiernach das Kreissteueredikt vom 18. Dezember 1634 13 ). Von der Erneuerung der Erbschaftssteuer war nicht mehr die Rede.

Im Jahre 1669 nahm die Stadt Rostock diese Steuer wieder auf, indem sie in § 15 der Zulagsordnung Vom 1. August 1669 eine städtische Kollateralerbsteuer einführte, die in der späteren landesherrlichen Patentverordnung vom 28. April 1809 anerkannt wurde und neben der durch diese Verordnung vorgeschriebenen Landeskollateralerbsteuer von Bestand blieb 14 ).

 

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13) D. Franck, A. u. N. Mecklenburg, Buch XIII, Kap. XVI, XVII, XVIII, XIX. Spalding a. a. O. S. 268-288, 305-334.
14) Ditmar, Ges.S. Bd. 1 S. 182, 190-200, Abschnitt V, Anmerk. 9.
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V.

Eine Hochzeitseinladung
aus dem Jahre 1679.

Mitgeteilt von

Geh. Archivrat Dr. Grotefend -Schwerin.

 

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           D ie Cleemannsche Sammlung von Familiennachrichten im Geheimen und Hauptarchive zu Schwerin enthält auch eine Hochzeitseinladung alter Zeit, ein Formular, auf Folio=Papier gedruckt, mit Ausparung von Raum zur Eintragung der für den jeweilig Eingeladenen erforderlichen Eintragungen.

Wir geben sie hier - der Seltenheit eines solchen Stückes wegen - wieder und wollen nur Einiges über die in Betracht kommenden Personen beifügen. Wir können das meiste aus dem gedruckten Einzelblatt Cleemanns über die Familie Brasch entnehmen.

Johann Brasch, Krämer zu Parchim, in der Mariengemeinde, also der Neustadt, wohnhaft, starb am 18. und wurde beerdigt am 23. Dezember 1657. Er war verheiratet mit Anna Gercke, die nach seinem Tode sich am 25. April 1659 mit dem Kaufmann Johann Koß wieder vermählte, als dessen Witwe sie 1709 starb, beerdigt wurde sie am 16. Juni 1709.

Sie hatte mit Johann Brasch 4 Kinder gehabt. Das zweite, unser Jacob, war geraume Zeit vor 1652 geboren, und starb 1711 als Kaufmann und Stadtsprecher. Seine Gattin Elisabeth Voß war die am 8. Dezember 1661 getaufte Tochter des Bäckers Heinrich Voß zu Parchim. Sie starb 1705 und wurde in der Georgenkirche beigesetzt, wo sie ein jetzt nicht mehr erhaltenes Epitaph bekam. Sie hatte mit ihrem Manne 1699 das Altarblatt des Hauptaltars zu St. Georgen neu bemalen lassen, wie man des weiteren bei Lisch im M. Jb. XXIII, S. 365 nachlesen kann.

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Die Hochzeitseinladung aber lautete:

DE                Selben kan / negst Darbietung geflissenen Gruses / hiemit nicht bergen / was gestalt / zweifels frey durch sonderbahre Schickung des allwaltenden Gottes / und gepflogenem Raht beyderseits Angehörigen / Ich meinen ältesten Sohn Jacob Braschen / Kaufgesellen / mit der Viel Ehr und Tugendreichen Jungfer Elisabeth Voßen biß auff des Priesters Hand / ehelich verlobet und zugesaget / solch Christlich Ehewerck aber / vermittelst Göttlicher Hülffe / zu vollenziehen /den 10 negstkommenden Monats Septembr. berahmet und angesetzet.

Gelanget demnach

              mein Dienst- und Ehrenfleissiges suchen geruhen Mir die Ehre und Freundschafft zu erweisen, und bey Zeiten sich in das verordnete Logiment einzufinden / am bestimten Tage umb 10 Uhren vormittages der Christlichen copulation in St. Marien Kirchen allhie auff der Neustadt mit einem andächtigen Gebete beyzuwohnen / und nach Verrichtung dessen / mit denen Tractamenten / so jetziger Zeit und Orts gelegenheit nach mögen auffgetragen werden / großgünstig verlieb und Willen zu nehmen.

          Solche verhoffentliche Gunst und Freundschafft bin nebenst den Meinigen / in vorfallenden begebenheiten / eusersten vermügen nach / zuerwiedern so willig als schuldig / der ausser deme / negst empfehlung göttlicher Gnaden-Hut / verbleibe

     Parchim / den 20. Augusti
               Anno 1679.

Ehrendienstw.   
Anna Gercken /   
Sehl Johann Kossen nach-
gelassene Witwe.   

 

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VI.

Der Geburtstag Herzog Johann
Albrechts von Mecklenburg.

Von

Dr. F. Techen =Wismar.

 

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D er achtzehnte Band des Diplomatarium Norwegicum macht es jetzt möglich, auch über den Tag und die Stunde der Geburt Herzog Johann Albrechts wirklich authentische Aufklärung zu geben. Die Anzeige von der Geburt, die der glückliche Vater König Christian von Dänemark zusandte, bestätigt das Datum Slaggerts, dem schon Wigger den Vorzug vor den Güstrower Daten gegeben hatte, legt aber die Geburtsstunde in einer von den beiden andern Quellen abweichenden Zeit fest. Der Herzog ist am 23. Dezember 1525 nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr geboren. Die Taufe sollte, wie es scheint, am 18. Februar 1526 vollzogen werden, da der König eingeladen ward, sich zu dem Zwecke am 17. Februar in Schwerin einzufinden.

Anzeige und Einladung haben folgenden Wortlaut:

Herzog Albrecht von Mecklenburg zeigt König Christian die Geburt seines [ältesten] Sohnes an. - [Schwerin 1525 um Weihnachten].

     Wir geben auch auss frolichem gemut ewr koniglichen wird vnd derselbigen gemahell guter dinstliche vnd fruntliche meynung zu erkennen, das die hochgeborn furstin, vnser freuntlich lieb gemahell, durch gotlich verleihung am sonabent vor dem heilgen Cristag nach mittag zwischen dreien vnd vier horen irer frawlichen burden allenthalben gnediglich nidergekommen ist vnd vns ein jungen herrn zur wellt bracht hatt. Datum vt supra.

Einlage zu einem verlorenen Brief [Herzog Albrechts an Christian II., 1525 um Weihnachten], Or., Pap., von der Hand des Hgl. Sekretärs, Reichsarchiv Christiania, Münchensche Sammlung. Gedruckt: Diplomatarium Norwegicum XVlll S. 347 Nr. 350.

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Herzog Albrecht von Mecklenburg ladet König Christian lI. ein, sich zum 17. Februar 1526 in Schwerin zur Taufe seines [ältesten] Sohnes einzufinden. - [15]26 Jan. 4.

     Dem durchleuchtigsten fursten, herren Christiern, zu Denmargken, Sweden, Norwegen, der Gotten vnd Wenden konigk, zu Sleseweigk, Holstein, Stormarn vnd der Ditmarschen hertzogen, graffen zu Oldenburgk vnd Delmenhorst, vnserm lieben herren oheimen vnd swager etc.

     Durchleuchtigster konig. Vnser gutwillig vnd freuntlich dinst sein ewr koniglichen wird allzeit zuuor. lieber her oheim vnd swager, als wir ängstlich ewr koniglichen wird guter dinstlicher vnd freundlicher meynung angetzeigt, wie der almechtig, got lob, vns mit einem jungen herrn vnd erben begabt hab etc., dweill wir dan nach christlicher ordnung willens, denselbigen heiden zur tauffung der heiligen sacrament als ein christen bringen zu lassen, so ist an ewr koniglichen wird vnser gar dienstlich vnd freuntlich bitt, sie wollen sonabents nach Apolonie virginis schirsten zu Swerin gegem abent einkommen vnd solichen heiden zn christlichem glauben beneben andern vnseren hern vnd freunden, die wir auch dartzu freuntlich gebetten, helfen zu bestettigen vnd sich hirin freundlich vnd vnabslegig ertzeigen, als wir vns des zu ewr koniglichen wird vntzweifflich versehen. Das seint wir hinwider vmb dieselbig ewr koniglichen wird gar besonders dinstlichs vnd freuntlichs vleis zu uerdienen gantz willig. Datum Swerin, Donrstags nach circumcisionis domini anno etc. XXVl°.

Von gots gnaden Albrecht, hertzog zu Megkelnburgkh, furst zu Wenden, graff zu Swerin, Rossztock vnd Stargarden der lande herr etc.

Manu propria subscripsit.

Reichsarchiv Christiania, Münchensche Sammlung Nr. 1869, Or., mit briefschließendem Siegel. Mit 2 Einlagen. Die letzte Zeile eigenhändig. Gedruckt: Diplomatarium Norwegicum XVIII S. 348-350 Nr. 352.

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Am 21. Februar (mittwochs nach inuocauit) war noch keine Antwort eingegangen und der Hofdiener, der die Anzeige machen sollte, noch nicht zurückgekehrt. Damals schrieb der Herzog an den König von Schwerin aus: (Nach Anrede)

     Wir geben ewr koniglichen wird guther dinstlicher vnd freuntlicher meynung zu erkennen, das wir jungstlich hieuor ewr koniglichen wird vnd derselbigen gemahell bey vnserm hofdiener vnd lieben getrwen Gotfridden Grien, wie das der almechtig, got lob, vns mit einem jungen herrn vnd erben versehen, verkhundigt vnd ewr koniglich wird sampt irer gemahell zur kintauffung gebetten vnd berurten vnserm hoffdiener beuolben, derselbigen ewr koniglichen wird etlicher sachen halben vnser gemut vnd meynung in geheim antzuzeigen usw.

Ebd. Nr. 1870, Or., gedruckt a. a. O. S. 351 Nr. 355.

 

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