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Volrad II. 1207-1226 und Heinrich II. 1203-1236.

Ihm folgte, da sich Heinrich II. noch als Geisel Adolfs III. in Dänemark befand, zunächst sein Sohn Volrad II. allein. Später scheinen die beiden Brüder die Grafschaft gemeinsam verwaltet zu haben, ohne daß irgendwie eine Teilung vorgenommen wurde. Nur finden wir den jüngeren Grafen häufiger im Gefolge Ottos des Kindes von Braunschweig-Lüneburg, des Sohnes und Nachfolgers Wilhelms, während Volrad sich mehr in Dannenberg aufgehalten zu haben scheint. Zum ersten Male erfahren wir bei diesem etwas Sicheres über verwandtschaftliche Beziehungen der Dannenberger Grafenfamilie. Er war nämlich vermählt mit Jutta von Wölpe, der dritten Tochter des Grafen Bernhard II. von Wölpe, aus einem Geschlechte, das etwa gleichzeitig mit dem der Dannenberger Grafen als Vasallendynastie Heinrichs des Löwen auftritt 95 ) und in der Hoya-Bremer Gegend belehnt war. Schon im Jahre 1209 wird in der bereits angeführten Gründungsurkunde


95) Vergl. Weiland, Das sächs. Herzogtum, S. 103.
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Bleckedes gleich hinter Heinrich von Dannenberg und seinem Sohne Volrad Graf Bernhard von Wölpe als Zeuge genannt, während dann erst die sowohl den Dannenberger Grafen wie der neuen Gründung räumlich näherstehenden Grafen von Lüchow aufgeführt werden. Doch viel wichtiger ist eine Urkunde vom 27. Dezember 1215, in der Bernhard von Wölpe das Kloster Mariensee [bei Neustadt a. Rbg.] stiftet, wobei auch seine Schwiegersöhne Graf Heinrich von Hoya, Graf Siegfried von Osterburg und Graf Volrad ihre Zustimmung geben. 96 ) Nach allgemeiner Ansicht 97 ) kann unter diesem Grafen Volrad nur Volrad II. von Dannenberg verstanden werden, eine Annahme, der wir durchaus zustimmen dürfen, zumal wir Volrad mehrfach in der Gesellschaft der hier genannten Grafen finden, und dann auch, weil wir sehen, daß bei der folgenden Generation in der Dannenberger Familie der bisher nicht gebräuchliche Name Bernhard auftritt. Endlich, und das dürfte das Entscheidende sein, entspricht das für Graf Volrad der Urkunde angehängte Siegel mit dem aufsteigenden rechtsgekehrten Löwen im Schilde vollständig dem uns aus etwas späterer Zeit zuverlässig bekannten Wappen der Dannenberger Grafen. 98 ) Diese Ansicht über die Verbindung der beiden Grafenhäuser als richtig hingenommen, ergibt sich aus der Reihenfolge, in der die Töchter Bernhards von Wölpe genannt werden, daß die Gemahlin Volrads Jutta hieß.

Abgesehen von diesen gelegentlichen Nachrichten in den Zeugenreihen finden wir Volrad fast nur in Verbindung mit dänischen Angelegenheiten genannt. Freilich spielten diese seit der Eroberung Holsteins und Ratzeburgs im Jahre 1202 in immer wachsendem Maße für das ganze nordöstliche Deutschland die entscheidende Rolle. Immer mächtiger dehnte sich unter seinem tatkräftigen und ehrgeizigen König Waldemar, den die Nachwelt als den Sieger bezeichnet hat, dies kleine Inselvolk aus. Schon gehörte ihm Rügen und Pommern, Holstein und Dithmarschen; die mecklenburgischen Slavenfürsten waren ihm tributpflichtig, und in Livland und Estland drang es erobernd und kolonisierend vor. Es war


96) Origg. Guelf. IV, 149 u. Calenbgr. U.-B., ed. W. v. Hodenberg, Abtlg. V, Nr. 7. Die Urkunde hat socerorum statt generorum.
97) Siehe außer den beiden eben angeführten Stellen noch Saß, M. Jbb. 43, 99 u. 139, u. v. Wersebe, Beschreibung der Gaue zwischen Elbe, Saale usw., wie sie im 10. und 11. Jahrhundert befunden sind, S. 251 Anm. 58.
98) Leider ist nach einer Mitteilung des Königlichen Archivs in Hannover infolge starker Zerbröckelung von der Umschrift nichts mehr zu lesen. Vergl. auch den Exkurs I.
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nur noch eine Frage der Zeit, daß die Ostsee ein dänisches Binnenmeer wurde. Von niemandem gehindert, durch die Wirren des Bürgerkrieges im Innern Deutschlands begünstigt, vom Welfen Otto IV. und Papst Innocenz unterstützt 99 ), hatte es Waldemar leicht. Sein Gebiet immer mehr zu erweitern, immer kühnere Pläne zu fassen. Doch ging er dabei klug und mit weiser Mäßigung zu Werke, indem er keineswegs versuchte, das eroberte Land zu danisieren, sondern die Verhältnisse, wo es anging, bestehen ließ und im übrigen sich mit der Lehnsherrschaft begnügte. So setzte er hier auch keineswegs einen Dänen zum Statthalter ein, sondern einen deutschen Grafen aus thüringischem Geschlecht, Albrecht von Orlamünde, mit dem ihn nahe verwandtschaftliche Beziehungen verbanden. Schritt für Schritt, doch folgerichtig und mit großer Stetigkeit, drang er vorwärts. Schon im Jahre 1208 hatte er aus Anlaß des Streits der beiden Schweriner Grafen Gunzel und Heinrich mit Johann Gans von Putlitz, den sie aus der Burg Grabow vertrieben hatten, einen Eroberungszug in die Grafschaft Schwerin unternommen und die Boizenburg zerstören lassen. 100 ) Dann hatten im Jahre 1214 die beiden Schweriner, die das Schicksal des Holsteiner und des Ratzeburger Grafen fürchten mochten, ihr Land von Waldemar zu Lehen genommen. Endlich hatte er im Jahre 1217 die einzige Tochter Gunzels I., die Schwester der beiden regierenden Grafen 101 ), mit seinem natürlichen Sohn, dem Grafen Nikolaus von Halland, vermählt. Als nun dieser ebenso wie seine Gattin und der Graf Gunzel bald darauf starb, hatte er die halbe Grafschaft Schwerin für seinen Enkel, den jüngeren Nikolaus von Halland, durch Albrecht von Orlamünde in Besitz nehmen lassen, während die andere Hälfte dem Grafen Heinrich, der sich damals gerade auf einem Zuge ins gelobte Land befand, verblieb. Am 28. Februar 1221 beurkundete Albrecht von Orlamünde in Ratkau, daß ihm von König Waldemar für die Zeit der Minderjährigkeit des Grafen Nikolaus von Halland die halbe Grafschaft Schwerin als Lehen übertragen sei und daß er sie, falls der junge Graf vorzeitig stürbe, an Waldemar zurückgeben wolle. Unter den Zeugen Albrechts finden wir auch die


99) Siehe Usinger S. 117/19.
100) Arn. VII, 11.
101) So ist die Aufstellung der Genealogie in M. U.-B. IV, Pers.-Reg. Die Braut müßte demnach bei der Vermählung ungefähr 40 Jahre alt gewesen sein. Sollte nicht vielmehr trotz M. U.-B. I, 275 an eine Tochter Gunzel II. zu denken sein, wie auch Winkelm., Friedr. II. Bd. I, 422 tut?
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beiden Grafen von Dannenberg, die sich für den Fall, daß der Orlamünder sein Versprechen nicht hält, zum Einlager in Ripen verpflichten. 102 )

Auch diese Tatsache, die doch offenbar ein freundschaftliches Verhältnis der Dannenberger Grafen zu dem dänischen Statthalter zur Voraussetzung hat, beweist, daß man die Herrschaft der Dänen im Lande keineswegs als drückend empfand. Man mochte mehr Sicherheit im Innern des Landes sowie größere Ruhe zur Kolonisationsarbeit in den slavischen Giebieten von ihr erwarten als von der Regierung des unbedeutenden und schwachen Askaniers. Längst waren auch die beiden Dannenberger Vasallen des Dänenkönigs geworden. Denn im Dezember 1214 hatte zu Metz der junge König Friedrich II. "seinem geliebten Waldemar, dem allerchristlichsten Könige der Dänen, um den Frieden seiner Herrschaft zu bewahren und die Feinde des Kaiserreiches zu bezwingen, mit Einwilligung der Fürsten des Römischen Reiches" alles Land jenseits der Elbe und Elde abgetreten. 103 ) Dazu gehörten auch die rechtselbischen Gebiete der Grafen von Dannenberg, die Länder Jabel und Weningen. Und man wird sich zu denken haben, daß die beiden Grafen diese nun als Lehen von Waldemar empfingen.

So war mit einem Federstrich, mochte sich auch der Kaiser mit seiner bedrängten Lage entschuldigen 104 ), leichten Herzens ein Gebiet des Deutschen Reiches aufgegeben, das mit so unendlichen Opfern und Mühen in jahrzehntelangen Kämpfen den Slaven abgerungen war. Weder den Kaiser, dessen Sinnen und Trachten auf Italien gerichtet war, noch den ohnmächtigen Träger des sächsischen Herzogtums kümmerte das Schicksal dieser Gebiete. Die kleinen Fürsten und Herren waren auf sich allein angewiesen. Und sie haben sich geholfen. so gut es eben ging, zunächst zwar mit einer Tat der Verzweiflung, die keineswegs dem Völkerrechte entsprach und auch bei den Zeitgenossen mehr Bewunderung als Billigung fand. 105 ) Doch haben sie dann später durch tapferen Kampf bewiesen, daß das Schicksal bei jener Tat keinen Unwürdigen begünstigt hatte. Schnell und unaufhaltsam, wie es ihn gehoben


102) M. U.-B. I, 275, zwei verschiedene Regesten einer verlorenen Urkunde.
103) MG LL IV, 2 Nr. 53.
104) Siehe seinen Brief vom August 1223 an Bischof Konrad v. Hildesheim, Huill.-Brèholles, Historia Diplom. II, 394.
105) Siehe S.W. S. 244 Recens. B und C: ,,Dat dede he [nämlich Graf Heinrich v. Schwerin] binnen truwen unde he sin man was unde he des avendes geten unde drunken hadde mit eme unde he sic to eme nenes oveles ne versach."
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hatte, riß es dagegen den stolzen Dänenkönig wieder in die Tiefe hinab. Jener Versuch, durch eine Familienverbindung mit dem Schweriner Grafenhause in dem ihm nominell gehörenden Gebiet festen Fuß zu fassen, sollte der letzte in dieser Richtung bleiben.

Ganz geruht hatte der Widerstand gegen die immer weiter vordringende Dänenherrschaft wohl nie. Sicher waren Männer wie Adolf von Holstein und sein Ratzeburger Namensvetter fleißig am Werke, den Haß gegen sie zu schüren. Ja, selbst dem nichts weniger als tatkräftigen Herzog Bernhard war gelegentlich das Bewußtsein seiner Pflicht gegenüber diesen Gebietsteilen gekommen. 106 ) Doch zu einem Vorgehen gegen den König vermochte er sich nicht aufzuraffen; seine Macht schien zu groß. Da änderte der verwegene Plan eines kleinen Grafen, sich der Person des Königs zu bemächtigen, plötzlich das Bild. Als im Jahre 1222 Graf Heinrich von Schwerin, mit dem Zunamen des Schwarzen, von seiner Kreuzfahrt nach dem gelobten Lande zurückkehrte, fand er seine halbe Grafschaft im Besitz der Dänen und sein Schloß zum Teil von ihnen besetzt; Güter seiner Schwiegermutter, einer Frau von Zlavien [Pommern?], waren von Waldemar eingezogen. 107 ) Heinrich sah sich von allen Seiten in einer unerträglichen Weise eingeengt. Da faßte er, da er allein einen offenen Kampf nicht wagen konnte, den Entschluß, durch eine rasche, kühne Tat sich der Person des Königs zu bemächtigen. Als sich dieser im Sommer 1223 nach seiner Gewohnheit zu Jagd und Fischfang mit seiner Familie und geringem Gefolge auf der kleinen und menschenleeren 108 ) Insel Lyö, im kleinen Belt westlich Fünen, aufhielt, nahm ihn und seinen ältesten Sohn in der Nacht vom 6. zum 7. Mai Graf Heinrich gefangen und brachte sie beide nach Deutschland. 109 ) Hier hielt er sie eine kurze Zeit in der ihm 1219 vom Markgrafen Albrecht verliehenen Burg Lenzen


106) Siehe die in mehr als einer Hinsicht interessante Anekdote von seiner Äußerung über den Löwen zu Braunschweig bei Arn. VII, 16.
107) Vergl. Using a. a. O. S. 292 ff. und Winkelm., Friedr. II. I, 422/23.
108) Siehe Using. S. 296.
109) Die Quellen sind zusammengestellt bei Using. S. 422; vergl. Winkelm., Friedr. II. I, 423 Anm. 3. Als Hauptquellen haben wir anzusehen: 1. einen Brief Honorius' III. an Engelbert v. Köln, MG Epp. saec. XIII., Bd. I, 166; 2. S.W. S 244 Hff. B u. C, und 3 Annall. Stadens. a. a. O. S. 357. - Als lehrreiches Beispiel, wie dergleichen Vorgänge noch bis in neueste Zeit ausgeschmückt werden, vergleiche man die Darstellung im Hannov. Magazin Jahrg. 1830 S. 457 ff., deren Verf. dabei streng historisch zu verfahren glaubt.
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in der Prignitz gefangen. Bald aber schaffte er sie, da Lenzen ihm offenbar dem Bereich Albrechts von Orlamünde noch zu nahe schien, über die Elbe, und zwar nach Dannenberg, in die Burg des ihm befreundeten Grafen Volrad 110 ), der in der nächsten Zeit in so naher Beziehung zu dem Schweriner Grafen genannt wird und in so hervorragender Weise an den folgenden Verhandlungen teilnimmt, daß man fast glauben möchte, daß er auch an dem Handstreich von Lyö, sei es als Teilnehmer, sei es als Förderer des Plans, beteiligt war.

Schon wenige Monate nach der Gefangennahme muß diese Überführung vorgenommen sein; denn am 4. November 1223 schreibt bereits Papst Honorius III. an Bischof Iso von Verden, daß es heiße, die beiden Dänenkönige befänden sich in seiner Diözese 111 ), worunter nur Dannenberg verstanden werden kann, da Lenzen zur Diözese Havelberg gehörte. Übrigens scheint aus dieser unbestimmten Ausdrucksweise hervorzugehen, daß man zunächst nicht wußte, wo der Schweriner Graf seine Beute in Sicherheit gebracht hatte. Dieser Umstand, der, bis man allgemein den Wert der gefangenen Dänenkönige erkannt hatte und der Graf auf Unterstützung der großen Fürsten rechnen konnte, von ziemlicher Bedeutung war, hatte neben der Tatsache, daß Dannenberg fast unzugänglich war 112 ) und auf Reichsgebiet lag, den Grafen von Schwerin wahrscheinlich zu seiner Wahl bestimmt. Sicher befanden sich die beiden Dänenkönige zur Zeit des Nordhäuser Vertrages vom 24. September 1223 schon zu Dannenberg. Das geht einerseits aus diesen Erwägungen, vor allem aber aus dem lebhaften Anteil, den Volrad von Dannenberg an den Verhandlungen nahm, hervor. Und hier haben sie etwa anderthalb Jahre in sicherer, doch ehrenvoller Haft verbracht. 113 )


110) Welcher Art diese Freundschaft war, ob beide nur die Nachbarschaft aneinander band, ob verwandtschaftliche oder persönliche Beziehungen zwischen ihnen bestanden, ist leider nicht zu ermitteln.
111) MG Epistulae saec. XIII. I, 168. Bei Potthast, Regg. Pontific. Nr. 7098 fälschlich Otto v. Verden.
112) Vergl. darüber das S. 76 Gesagte.
113) Wenn die Chronic. reg. Coloniens. S. 254 "per diennium" angibt. so trifft das für den alten König nicht zu. Denn nach S.W. S. 244 Nr. 366, der man schon allein der größeren Nähe wegen mehr Glauben schenken muß als der Kölner Ouelle, befand er sich am 11. Januar 1225 in Schwerin. Außerdem ist die Chronic. reg. Col. sowieso hier ungenau, indem sie im Jahre 1225 auch Albrecht von Orlamünde mach Dannenberg gebracht werden läßt, wovon gar keine Rede sein kann. Endlich gibt sie die Lösesumme ganz falsch auf 100 000 Mark an, eine Summe, die in keinem der Verträge genannt wird.
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Daß die Haft keineswegs so streng war, wie die Dannenberger Lokalsage will, ergibt sich einerseits aus einer Stelle des Nordhäuser Vertrages, wo ausdrücklich von der "honesta et commoda custodia" des Königs die Rede ist, andererseits aus dem Umstande, daß im Frühling des folgenden Jahres Bischof Albert von Livland und sein Bruder Hermann, erwählter Bischof von Estland, die gekommen waren, um für letzteren die Bestätigung Waldemars einzuholen, ungehindert Zutritt zu ihm erhielten. 114 ) Endlich dürfte schon eine einfache Überlegung lehren, daß man den mächtigen Dänenkönig, gegen den man keineswegs eine persönliche Feindschaft hegte 115 ), nicht wie jeden beliebigen Wegelagerer und Strauchdieb behandelte. Man hat ihm und seinem Sohne also sicher nicht das heute in Dannenberg dafür gezeigte enge Gelaß zum Gefängnis angewiesen, und der Name des "Waldemarturmes" ist eine Kombination späterer Zeit. Auch der, freilich dehnbare, Ausdruck der Stader Annalen "gravi custodia coartatur" scheint nach der obigen Urkundenstelle ein freier Zusatz des Verfassers zu sein. 116 )

Vom Reiche wie auch von Kaiser Friedrich II. war schnell die Bedeutung der Gefangenschaft des gefährlichen Dänenkönigs erkannt. Unbekümmert um die Abtretungsurkunde, die er ihm im Jahre 1214 über diese Gebiete ausgestellt hatte, unbekümmert um die dabei feierlich betonten Friedensrücksichten und Liebe zu König Waldemar, hielt er jetzt die Zeit für günstig, die damals notgedrungen aufgegebenen Gebietsteile wiederzuerlangen. Schon im August 1223 schrieb er von Neapel aus an Bischof Konrad von Hildesheim, er möge doch den Bischof Otto von Würzburg in seinem Bestreben unterstützen, die beiden Dänenkönige in die


114) SS rer. Livonicar. I, 280/82; vergl. Winkelm., Friedr. II. I, 424 Anm. u. 443.
115) Was darüber die Lokalsage, die freilich auch in Werke wie Ranke W.G. VIII, 382, und Sybel, Hist. Zeitschr. XII, 15 übergegangen ist, berichtet, beruht auf einer frei erfundenen Erzählung im Compendium des Thomas Geysmer, ein Werk, das über 100 Jahre nach diesen Ereignissen entstanden ist; siehe Using., Dän. Annall. S. 89/93 u. D. Schäfer, Dän. Annall. u. Chronikk. S. 81/83. Vergl. auch Using., Deutsch-Dän. Gesch. S. 294.
116) Es tut mir für meine Dannenberger Landsleute leid, damit auch die Löcher in der Mauer jenes Turmgemaches, die davon herrühren sollen, daß sich der König darin die ihm zu Krallen wachsenden Fingernägel abgeschliffen haben soll, als eine "Fälschung" bezeichnen zu müssen. Freilich hat schon die Holsteiner Reimchronik - abgefaßt um 1400 - mit der Ausschmückung begonnen, indem sie die Könige in schwere Ketten geschlossen werden läßt, MG Deutsche Chronikk. Bd. II, 621.
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Gewalt des Reiches zu bringen. 117 ) Danach scheint Otto von Würzburg, der damals neben dem "Gubernator" Engelbert von Köln als Stellvertreter des jungen Heinrich VII. auf die Reichsregierung den bedeutendsten Einfluß ausübte, schon früh im Namen des für den jungen König eingesetzten Rates Verhandlungen wegen der Übernahme der Dänenkönige in Reichsgewahrsam angeknüpft zu haben, wobei er von Engelbert von Köln, dem an all diesen Bemühungen zur Befreiung der nordöstlichen Gebiete Deutschlands von der Dänenherrschaft ein entscheidender Anteil zugewiesen werden muß, aufs tatkräftigste unterstützt wurde. Zum vorläufigen Abschluß führten diese Unterhandlungen dann in dem Vertrage, den am 24. September der Kaiser und dessen Sohn, oder vielmehr in deren Namen der aus geistlichen und weltlichen Herren gebildete königliche Rat mit dem Grafen Heinrich von Schwerin und dessen Freunden zu Nordhausen, wohin man einen Hoftag berufen hatte, schloß. 118 )

Hier nahm auch Volrad von Dannenberg einen hervorragenden Anteil an den Verhandlungen. Er erscheint immer gleich hinter Heinrich von Schwerin, und wir mögen uns denken, daß er ihm bei Aufstellung seiner Forderungen, die bis ins einzelste gehen, geholfen hat. Sicher gehört er mit zu denjenigen Freunden des Grafen, für welche sich dieser außer den 50 000 Mark zu eigener Verwendung noch 2000 Mark zur Verteilung ausbedingt. Er gehört dann neben Erzbischof Engelbert von Köln, den Grafen von Harzburg und Regenstein, Bernhard von Horstmar und dem Truchseß Gunzel der Kommission an, die die Höhe der Sicherheit dafür feststellen soll, daß Waldemar, bevor er aus der Reichshaft frei wird, dem Grafen Heinrich und seinen Freunden Urfehde schwört und auf alles Land diesseits der Eider verzichtet. Auch soll er neben dem Kölner Ersbischof und dem Schweriner Grafen mitbestimmen, ob und wann gegebenenfalls ein Austausch des jüngeren Waldemar gegen seinen Vater stattfinden soll. Denn während jener sogleich in das Gewahrsam des Reiches übergehen und nach Harzburg gebracht werden sollte, sollte der alte König einstweilen noch in der Haft des Schweriner Grafen verbleiben. Für den Fall, daß später ein Krieg gegen die Dänenkönige nötig sein würde, soll auch Volrad von Dannenberg neben einigen


117) Huill-Bréholles II, 1 S. 393 f. Vergl. Böym.-Ficker, Regg. I, 1507 u. Winkelm. S. 425 Anm. 1 über die Einreihung dieses Schreibens.
118) MG LL IV, 2 Nr. 98 u. M. U.-B. I, 290. Eine genaue Analyse des ganzen Vertrages gibt Using. a. a. O. S. 303/10; vergl. auch Winkelm., Friedr. II. I, 426/27.
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anderen Herren versuchen, größere Fürsten, vor allen die welfischen und brandenburgischen, für einen allgemeinen Bund zu gewinnen. Nicht genannt wird der Dannenberger Graf unter denjenigen, denen vom Reiche ihre früheren Besitzungen und Rechte, die ihnen die Dänen genommen haben, zurückgegeben werden sollen, wie z. B. Adolf von Dassel und Adolf von Schauenburg, ein Beweis, daß die Dänen, wie bereits erwähnt, über das Dannenberger Gebiet, das in der Abtretungsurkunde von 1214 mit einbegriffen war, lediglich die Oberlehnsherrschaft beansprucht, im übrigen aber die Grafen hier ungestört gelassen hatten. Doch wird man anzunehmen haben, daß auch Volrad mit diesem Gebiet, den Ländern Jabel und Weningen, jetzt vorläufig vom Reiche belehnt wurde, wie denn in diesem Vertrag von irgendwelchen Rechten des sächsischen Herzogs nicht die Rede ist. Erst etwa 35 Jahre Später erblicken wir den Herzog Albrecht von Sachsen, auf den man jetzt, wahrscheinlich seines jugendlichen Alters wegen, keinerlei Rücksicht nahm, im Besitz gewisser Hoheitsrechte über Jabel. Endlich bestimmt Heinrich von Schwerin vor allen Volrad von Dannenberg zum Vollstrecker dieses Vertrages, falls er selber vor Erfüllung seiner Pflichten gegen das Reich stirbt. Und andererseits verpflichtet sich Volrad neben den übrigen Bürgen des Schweriner Grafen zum Einlager in Goslar, falls von ihrer Partei die Bedingungen nicht pünktlich erfüllt werden.

Man konnte auf seiten der Grafen, deren Interessen hier in so umsichtiger Weise von dem Schweriner Grafen vertreten wurden, mit dem Erreichten zufrieden sein. Hielten die Dänen diesen Vertrag, so war Deutschland von ihrem Joche frei bis zur Eider; wenn nicht. so war doch jetzt Hoffnung vorhanden, daß in einem Kampfe mit ihnen die kleinen Herren nicht mehr alleinstehen, sondern an den größeren Fürsten, ja am Reiche selbst eine Stütze haben würden. Doch auch letzteres glaubte seinen Vorteil bei dem Nordhäuser Vertrag gefunden zu haben. Niemand war über den Stand der Dinge erfreuter als Engelbert von Köln. In Hildesheim, wohin er sich von Nordhausen aus begeben hatte. Stellte er eine Urkunde aus, in der er "seinen geliebten Freunden, dem Grafen Heinrich von Schwerin und Volrad von Dannenberg, für die vielen Dienste, die sie ihm in Sachsen geleistet", ein Lehen von 15 Fuder Wein gab, die ihnen alljährlich zu Martini geliefert werden sollten. 119 )


119) M. U.-B. I, 291. Die Urkunde ist ohne Monatsdatum, doch kann gar kein Zweifel sein, daß sie in diesen Zusammenhang gehört; vergl. die Anm. ebenda sowie Using. und Winkelm. a. a. D.
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Die Ironie des Schicksals wollte es, daß fast zur selben Zeit in Rom Papst Honorius III. ein Schreiben an Heinrich von Schwerin und seine Helfershelfer erließ dessen Inhalt von jener Urkunde Engelberts wesentlich verschieden war. Nicht umsonst hatten die letzten drei Könige der Dänen eine ausgesprochen papstfreundliche Politik getrieben. Noch im Jahre 1217 hatte Honorius ebenso wie ein Jahr früher sein Vorgänger Innocenz dem König Waldemar jene Metzer Abtretungsurkunde Kaiser Friedrichs II. bestätigt. 120 ) Dazu hatte sich Waldemar II. beim Papst durch das Versprechen eines Kreuzzuges ein geneigtes Ohr zu verschaffen gewußt, sei es, daß er dieses Gelübde schon vor seiner Gefangennahme getan, sei es, daß erst diese selbst ihn dazu bewogen hatte. 121 ) Jedenfalls wäre kein Versprechen mehr geeignet gewesen, diesen Papst, dessen Denken und Streben in dem Zustandekommen eines allgemeinen Kreuzzuges aufging 122 ), für sich zu gewinnen. Dazu mußte er schon um seines Ansehens willen, das er in der ganzen Christenheit als Schützer des Rechts genoß, bei einer so unerhörten Tat eingreifen. Als sich nun die dänischen Geistlichen und Fürsten mit einer Beschwerde über die Freveltat des Schweriner Grafen an ihn wandten 123 ), da hat er sich mit größtem Nachdruck sowohl bei dem Kaiser wie bei den übrigen Beteiligten für Waldemar eingesetzt, wie wir denn nicht weniger als zwölf Briefe von ihm besitzen, die er in dieser Angelegenheit bis zu der Eidentbindung Waldemars im Jahre 1226 geschrieben hat.

Zunächst wandte er sich an den Frevler selbst. Am 31. Oktober 1223 schrieb er aus Rom an Heinrich von Schwerin einen Brief 124 ), in dem er ihn vor allem darauf hinwies, daß seine Tat um so schwerer wiege, weil er dadurch seinem Lehnsherrn die Treue gebrochen und so, da die Menschen geneigter wären, Schlechtes als Gutes nachzuahmen, ein sehr böses Beispiel gegeben habe. Falls er nun nicht binnen Monatsfrist den Dänenkönig samt seinem Sohne "völlig und ohne irgendwelche Schwierigkeit" - das hieß also ohne Lösegeld - freigäbe, so habe er, der Papst, den Erzbischof von Köln beauftragt, ihn und alle seine


120) M. U.-B. I, 224 u. 232, Urkunden vom 14. Mai 1216 und 31. Jan. 1217.
121) Vergl. Winkelm S. 429.
122) Vergl. seine unausgesetzten Verhandlungen über diesen Punkt mit Friedrich II.
123) Daß geht aus dem Briefe Honorius' an Heinr. v. Schwerin hervor.
124) M. U -B I, 292.
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Helfershelfer mit dem Bann zu belegen und über die ganze Diözese, in der die beiden Könige gefangen gehalten würden, das Interdikt zu verhängen und ebenso über jeden Ort, wo der Graf sich aufhalten würde. Außerdem würde er des Grafen Lehnsleute von ihrem Treueid lösen und jeden bannen, der ihm ferner noch anhinge. Sollte er aber solche Strafen verachten und auch ferner noch die Könige gefangen halten, so würde er andere Strafen gegen ihn ausdenken und vor allem "die kaiserliche Rechte wider ihn zu erregen wissen", daß ihn dieser in die Acht erkläre. Ähnlich schrieb er am folgenden Tage an Engelbert von Köln 125 ), den er vor allem darauf hinwies, daß er, der Papst, schon um seines Ansehens wie auch seines Gewissens willen bei einer so schweren Rechts- und Treuverletzung - nur in diesem Lichte vermochte er nach dem einseitigen Berichte der Dänen die Tat zu sehen - eingreifen müsse. Ferner aber stände das Dänenreich in einem besonderen Zinsverhältnis 126 ) zum römischen Stuhl, und Waldemar wie seine Vorgänger hätten sich ihm stets als treue und ergebene Freunde erwiesen. Endlich, und dieser Grund würde allein schon sein Vorgehen erfordern, der Dänenkönig trüge, wenn auch nur heimlich, das Zeichen der Kreuzfahrer und habe fest versprochen, daß entweder er oder sein Sohn, oder doch allermindest fünfzig Ritter in seinem Auftrag dem heiligen Lande zu Hilfe kommen sollten. Der Papst, der über die Stellung Engelberts in dieser Sache offenbar nur sehr mangelhaft unterrichtet war und ihn für einen Freund der Dänenkönige gehalten zu haben scheint, lobt ihn dann für seine Bemühungen zur Befreiung der Dänenkönige und ermahnt ihn, darin fortzufahren und in diesem Sinne auf den Schweriner Grafen einzuwirken und ihn, falls er auf Mahnungen nicht höre, in den Bann zu tun. Ebenso schrieb er an die Bischöfe Berthold von Lübeck und Jso von Verden, indem er ihnen auftrug, den Grafen und seine Genossen zu bannen, falls er nicht binnen Monatsfrist seinen Gefangenen freiließe. Auch an den Kaiser wandte er sich 127 ), indem er ihm darlegte, daß er als oberster Schirmherr allen weltlichen Rechtes unmöglich eine solche Verletzung des Treueides dulden könne, sondern dem treulosen Grafen "die Zeichen seiner Entrüstung zeigen müsse". Er wolle ihm zwar nicht das Beispiel Davids, der, als ihm einer der Seinen meldete, er habe seinen Verfolger Gaul niedergemacht,


125) MG Epistulae saec. XIII. I, 238.
126) Vergl. darüber Using. a. a. O. S. 20.
127) Diese drei Schreiben MG Epistulae saec. XIII. I, S. 238.
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diesen Boten hinrichten ließ, weil er sich am Gesalbten des Herrn vergriffen habe, geradezu zur Nachahmung empfehlen, jedoch sei er als Kaiser dem König durch gleiches Interesse verbunden. Denn eine Auflösung aller rechtlichen Ordnung müsse eintreten, wenn man sich die Tat des Schweriner Grafen zum Muster nehme.

Führten nun auch diese Bemühungen des Papstes schließlich eine bedeutende Abänderung des Nordhäuser Vertrages herbei, so ist doch von einer augenblicklichen Wirkung nichts zu bemerken. Ob von den Bischöfen der Bannstrahl wirklich geschleudert ist, vermag man nicht zu erkennen und wird im einzelnen davon abgehangen haben, wie sehr sie in die weltliche Politik hineingezogen und an einer längeren Gefangenschaft der Dänenkönige interessiert waren. Eilig wird es weder der Lübecker Bischof, dessen Stadt sicherlich schon jetzt mehr Sympathien für die deutschen Fürsten als für Waldemar hegte, noch Jso von Verben damit gehabt haben, der als Bruder Bernhards von Wölpe den Dannenberger Grafen verwandt war. 128 ) Jedenfalls das eine steht fest, daß sich die Zunächstbeteiligten, der Schweriner und die Dannenberger Grafen, durch die Drohungen des Papstes nicht im geringsten schrecken ließen. Die Dänenkönige blieden nach wie vor in Dannenberg unter der Obhut Volrads. 129 )

Freilich, zur Befreiung des Landes jenseits der Elbe geschah von den Fürsten nichts, während andererseits auch die Dänen sich darauf beschränkten, Albrecht von Orlamünde zum Verweser des gesamten Reiches zu ernennen, von kriegerischen Maßnahmen zur Wiedererlangung ihrer Könige aber absahen. Denn einerseits befanden sich diese gleichsam als Geiseln in den Händen der Deutschen, andererseits fehlte den Dänen mit der Person Waldemars der Führer und die treidende Kraft aller ihrer Unternehmungen. Unterdessen scheinen dann zwischen Kaiser und Papst, die beide hierin eine Gelegenheit erblicken mochten, ihre getrübten Beziehungen zu einander zu verbessern, neue Verhandlungen gepflogen zu sein, in deren Verlauf der Papst von seiner ursprünglichen Forderung, die Dänenkönige ohne Lösegeld freizugeben, zurückkam, während Friedrich bereit war, einiges von dem, was die Reichsregierung in Nordhausen von Waldemar verlangt hatte, aufzugeben, und zwar im Grunde nicht wenig, wie wir noch sehen werden.


128) Auch Using. S. 316 meint, daß die Kirchenstrafen nicht verhängt seien, während Winkelm. S. 430 der entgegengesetzten Ansicht ist. Doch nimmt nicht einmal der Papst in seinem Schreiben an Heinrich von Schwerin vom Jahre 1226 hierauf Bezug.
129) Vergl. Winkelm. S. 433 Anm. 4.
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So zogen sich die Dinge hin bis zum Frühling des folgenden Jahres. Im März 1224 wurde der Deutsch-Ordensmeister Hermann von Salza von Friedrich aus Itatien abgesandt, einerseits, um Maßnahmen wegen des beabsichtigten Kreuzzuges zu treffen, andererseits, um diese dänische Angelegenheit zu regeln. 130 ) Am 20. Mai ist Hermann von Salza auf dem Hoftag in Frankfurt, und hier werden wahrscheinlich auf seinen Wunsch die übrigen von Reichswegen an den neuen Verhandlungen teilnehmenden Herren, wie Bernhard von .Horstmar, der Graf Hermann von Harzburg-Woldenberg u. a., bestimmt sein. 131 ) Unter Führung Hermanns, der jetzt auf Grund kaiserlichen Auftrages an Stelle Engelberts von Köln die Verhandlungen leitete, begab sich diese Reichskommission nach Dannenberg, um hier in Gegenwart Waldemars mit der Partei des Schweriner Grafen sowie mit der dänischen, die unter Führung Albrechts von Orlamünde und einiger dänischer Großen erschien, zu verhandeln. 132 )

In der darüber ausgestellten Urkunde ist der Einfluß der päpstlichen Bemühungen sofort zu erkennen. Nicht mehr stehen wie in dem Nordhäuser Vertrag Verpflichtungen des Reiches gegen den Schweriner Grafen oder des Dänenkönigs gegen das Reich an der Spitze, sondern der ganze erste Absatz enthält nur Be-stimmungen über die Ausführung des versprochenen Kreuzzuges. Dann folgen die Bedingungen, die das Reich für sich stellt: Der König selbst soll zwar auf Transalbingien verzichten und die ihm darüber ausgestellten Urkunden ausliefern; doch soll damit Albrecht von Orlamünde - also sein Neffe und derzeitiger Ver-weser des dänischen Reiches! - vom Reiche belehnt werden. Und ausdrücklich verspricht dieses, ihn in seinem Besitz zu schützen. Von einer Wiedereinsetzung oder auch nur Entschädigung des Holsteiner oder Ratzeburger Grafen ist diesmal keine Rede. Die Vasallen Waldemars sollen ihr Lehen jetzt von Albrecht von Orlamünde bezw. vom Reiche empfangen. Zu letzteren gehörten sicher


130) Dieser letztere Auftrag ergibt sich aus den Worten der Chron. Reg. Colon. S. 253 "ipsum Herimannum predictum pro Sancte Terre principali tuicione ac imperiinegociis in Almanniam premittens" in Verbindung mit Hermanns S. 254 geschilderter Tätigkeit. Vergl. Winkelm. S. 431/32.
131) Vergl. Using. S. 319/20; Winkelm. S. 433.
132) Die Urkunde vom 4. Juli 1224 MG LL IV, 2 Nr. 101 - M. U.-B I, 305 ist zwar ohne Ortsangabe; doch kann nach allgemeiner Annahme nur Dannenberg in Frage kommen, siehe M. U.-B. die Anm., Usiug. S. 319, Winkelm. S. 433 u. Anm. 4. Ebenso Lorck, Daß Jtinerar Hermanns v. Salza, Kiel. Dissert. 1880 S. 40.
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auch die Dannenberger Grafen. Waldemar selbst soll Herr von Rügen und allen slavischen Gebieten bleiben, die er früber innegehabt hat, nur soll er sie ebenso wie das dänische Reich vom Kaiser zu Lehen nehmen. Von dem, was man dem Grafen Heinrich von Schwerin zu Nordhausen versprochen hatte, wurde zwar das meiste beibehalten; doch war durch diesen Vertrag, der ihn einer so zuverlässigen Hülfe wie des Holsteiner und Ratzeburger Grafen beraubte und ihm Albrecht von Orlamünde, dessen Ansprüche im früheren Vertrage überhaupt nicht berücksichtigt waren, zum unmittelbaren Nachbarn gab, auch seine Lage eine viel bedenklichere geworden. Mit Waldemar persönlich verfuhr man sehr milde. Schon am 8. September, an dem zu Bardowiek der König und die Fürsten des Reiches ihre Einwilligung zu diesem Vertrage erteilen sollten, sollte er frei werden, selbst wenn die erste Rate der an den Schweriner Grafen zu zahlenden Lösesumme von 40 000 Mark noch nicht voll bezahlt sei.

Diesen Vertrag zu halten, verbürgt sich von seiten Heinrichs von Schwerin u. a. auch Graf Heinrich von Dannenberg mit zwei Söhnen, wahrscheinlich den späteren Grafen Bernhard I. und Adolf I. Warum nur er hier und nicht auch sein Bruder genannt wird, ist nicht ersichtlich. Möglich, daß Volrad, der seinerseits wieder bei dem nächsten Vertrag über die Freilassung der Dänenkönige vom 17. November 1225 - siehe unten - allein erscheint, gerade von Dannenberg abwesend war. Soviel scheint aus diesem Tatbestand horvorzugehen, daß beide Brüder in voller Eintracht und offenbar auch völlig unterschiedslos die Verwaltung der Grafschaft führten. Das scheint auch noch ein anderer Umstand, der gleich hier zu erörtern ist, zu beweisen. An der Urkunde hängt nämlich an fünfter Stelle das Siegel des Grafen Heinrich, von dem diesmal glücklicherweise auch die Umschrift erhalten ist. Dieses Siegelbild mit dem aufsteigenden rechts-gekehrten Löwen entspricht nun völlig dem auf S. 94 besprochenen des Grafen Volrad II. Nicht etwa ist, wie das in der folgenden Generation geschah, eine Trennung nach Form und Anordnung des Siegelbildes vorgenommen. 133 ) Später jedoch scheint eine Trübung dieses Verhältnisses eingetreten zu sein, da wir Heinrich noch vor der Schlacht bei Bornhöved im Gefolge des dänenfreundlichen Otto des Kindes erblicken, während Volrad bis zuletzt einer der eifrigsten Feinde der Dänen gewesen zu sein scheint. Möglich aber auch, daß Heinrich seinen Übertritt erst nach dem


133) Vergl. den Erkurs I.
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Tode seines Bruders, der wahrscheinlich um 1226/27 erfolgte, vollzog. Der Rührigere in diesen Kämpfen gegen die Dänen ist, soweit das an der Hand der spärlichen Nachrichten entschieden werden kann, Volrad, während wir annehmen mögen, daß Heinrich seit seinem Aufenthalt in Dänemark als Geisel Adolfs von Holstein den Dänen eine gewisse Zuneigung bewahrt hatte. So erklärt es sich vielleicht auch, daß er bei all diesen Verhandlungen nur in dieser einen dem Dänenkönig verhältnismäßig günstigen Urkunde erscheint. 134 )

Noch fehlte jedoch diesem Vertrage, der einstweilen nur zwischen Waldemar und dem Grafen von Schwerin durch Vermittlung der von Hermann von Salza geführten Reichskommission abgeschlossen war, die Zustimmung des Königs und der Fürsten. Nach einer Bestimmung der Urkunde sollte zu ihrem Vollzuge ein Hoftag auf den 8. September nach Bardowiek einberufen werden, und inzwischen wollten die hier anwesenden "Reichsboten" 135 ) sich bemühen, die Fürsten des Reiches für den Vertrag zu gewinnen. Auf dem Hoftag, der dann vom 20. bis 25. Juli zu Nürnberg stattfand 136 ), wird Hermann von Salza über das am 4. Juli Erreichte Bericht erstattet und wahrscheinlich auch die Billigung der Reichsfürsten, denen die Wendung zugunsten des Dänenkönigs wohl nicht allzuviele Skrupel bereitete 137 ), gefunden haben.

Hier wird man auch den Termin des Bardowiker Hoftages auf den 29. September verschoben haben. 138 ) An diesem Tage fanden sich hier außer den nächstbeteiligten Grafen und Herren ein der zwölfjährige König Heinrich, Engelbert von Köln und die übrigen Fürsten des königlichen Rats sowie zahlreiche geistliche Herren. Auch der ältere Waldemar, der gemäß dem Dannenberger Vertrag jetzt gleich in Freiheit gesetzt werden sollte, war


134) Daß dürfte vielleicht die einfachste Lösung der Frage nach dem Verhalten der Dannenberger Grafen sein, das bereits Using. a. a. O. S. 373 als "auffallend" bezeichnet.
135) Als die in Dannendierg anwesenden "nunctii imperii" nennt die Urkunde Bernhard von Horstmar, Graf Hermann von Woldenberg, den Truchseß des kaiserlichen Hofes Gunzel, den Truchseß Von Waldburg und den Truchseß des Erzbischofs von Köln.
136) Böhm.-Fick. V, 1 Nr. 3926/31.
137) Bei den Verhandlungen in Bardow. ist überhaupt kein süddeutscher Fürst anwesend, worauf schon Winkelm. S. 439 hinweist.
138) S.W. S. 244 Nr. 365 "Sente Micheles missen".
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von Dannenberg hierher gebracht 139 ), während der jüngere wohl noch in Dannenberg blieb. 140 ) Auf der andern Seite der Elbe lagerte Albrecht von Orlamünde, der ebenso wie die deutschen Herren mit einem großßen Heere erschienen war. Danach scheint es fast, als ob man von vornherein sich gegenseitig nicht recht traute, wobei immerhin die Deutschen als Grund ihrer kriegerischen Begleitung die Bewachung des Dänenkönigs geltend machen konnten, während die Rüstung Albrechts mit Recht Argwohn erwecken mußte. So ist es kein Wunder, daß die Verhandlungen nicht fortschritten, obwohl die Deutschen, offenbar den Dänen zuliebe zwecks Erleichterung des Verkehrs, zwischen dem 6. und 9. Oktober ihr Lager von Bardowiek nach Bleckede verlegten. 141 ) Möglich, daß schon hier durch Otto von Lüneburg, den einzigen Freund der Dänen unter den deutschen Fürsten, mit dem man in Lüneburg verhandelte 142 ), ein friedlicher Ausgang verhindert wurde. Kurz, die Verhandlungen zerschlugen sich hier in Bleckede vollständig, und Albrecht von Orlamünde zog samt dem ungeheuren Lösegelde, das er mitgebracht hatte, ab. Die Schuld scheint dabei durchaus auf seiten der dänischen Partei gelegen zu haben, wenigstens spricht die Sächsische Weltchronik, in deren Darstellung von Parteilichteit nichts zu bemerken ist, davon, daß die Dänen ihre Versprechungen nicht gehalten hätten. 143 )


139) So muß man die Nachricht der S.W., die in dieser ganzen Sache vorzüglich unterrichtet ist, auffassen, wenn sie sagt: "na des koninges vangnisse to Bardewic". Keinesfalls ist an einen längeren Aufenthalt Waldemars in Bardow zu denken. So auch Winkelm. S. 439 und Using. S. 330/31.
140) Das dürfte die richtige Annahme sein; denn der Nordhäufer Vertrag, wonach er nach Harzburg gebracht werden sollte, war ja nicht vollzogen.
141) S.W. "dannen voren se to Blekede". Über daß Datum Using. S. 330 Anm. 4 und genauer Winkelm. 439 Anm. 4.
142) Das ist die Vermutung Winkelmanns S. 438 Amn. 9, die außerordentlich einleuchtend ist. Über Ottos Stellung vergl. Using S. 335.
143) S.W. 244 Nr. 366 "de koning unde de Denen braken ere lovede". - Diese ganze Darstellung der Verhandlungen beruht wesentlich auf der S.W., deren Bericht durch urkundliche Zeugnisse unterstützt wird. Daneben wäre noch zu nennen die Kölner Königs-Chronik S. 254, die infolge des großen Interesses, das der dabei anwesende Engelbert von Köln an diesen Dingen nahm, verhältnismäßig ausführlich, freilich nicht immer ganz zuverlässig ist. Kurz berichten darüber die Annall. Stadens. a. a. O. S. 358, während die dänischen Annalen - Lundens. u. Ryens. - überhaupt nichts davon wissen.
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Daß an diesen Verhandlungen auch der Graf von Schwerin und Volrad von Dannenberg eifrigen Anteil nahmen, ist bei der großen Bedeutung, die sie für ihre Gebiete unmittelbar hatten, selbstverständlich. Doch ist uns durch eine Urkunde, die König Heinrich am 9. Oktober für Kloster Pöhlde im Lager bei Bleckede aus-stellte 144 ), ihre Anwesenheit auch ausdrücklich bezeugt. Vermutlich war von ihnen der Dänenkönig hierher gebracht. Als nun nach dem Abzuge Albrechts von Orlamünde auch die deutschen Herren aufbrachen, scheint jener nicht mehr nach Dannenberg zurückgekehrt, sondern von Heinrich von Schwerin nach Schwerin mitgenommen zu sein, wo wir ihn zur Zeit der Schlacht bei Mölln, Mitte Januar 1225, finden.

So mußte man, nachdem alle Verhandlungen gescheitert waren, die Lösung der schwierigen Frage mit dem Schwerte suchen. Das erkannten auch die norddeutschen Fürsten, denen man fortan diese Angelegenheit wieder allein überließ, sofort. Noch im Dezember desselben Jahres rückte Erzbischof Gerhardt II. von Bremen, der bereits im Frühjahr dem erbittersten Feind des Dänenkönigs, dessen Vetter Waldemar, Bischof von Schleswig, für einen Einfall in Nordalbingien Streiter zur Verfügung gestellt hatte, und dem, wenn er auch in erster Linie für sein Erzbistum Erfolge suchte, doch bei dieser Befreiung deutschen Landes vom Dänenjoche ein Hauptanteil zugesprochen werden muß, über die Elbe und belagerte Itzehoe. Und diesmal waren ihm die Verhältnisse günstig. Allgemein scheint man der Herrschaft der Dänen müde gewesen zu sein. Der Adel Holsteins hatte Adolf IV., den Sohn des 1202 von Waldemar vertriebenen Grafen Adolf, selber ins Land zurückgerufen. Dieser kam nun zusammen mit dem Bremer Erzbischof, dessen Nichte er zur Gemahlin hatte, freudig begrüßt auch von dem Landvolk, das sich der Burgen des dänischen Statthalters bemächtigte. 145 ) Von Osten dagegen rückten Heinrich von Schwerin und sogar der Slavenfürst Heinrich von Werte, ein Sohn Borvins, der sich bisher dem Kampfe ferngehalten, in Holstein ein, nachdem sie - so müssen wir annehmen - ihr eigenes Gebiet von Dänen gesäubert hatten. Bei Mölln im südöstlichen Holstein kam es Mitte Januar 1225 146 ) zu einer erbitterten, blutigen Schlacht zwischen jenen vier verbündeten Herren und Atbrecht von Orla.-


144) Böhm-Fick. 3941 - M. U.-B. I, 307 mit 10. Okt. Vergl. Winkelm. S. 439 Anm. 4.
145) S.W. Nr. 366; Annall. Stadens. S. 359 ad 1225.
146) Über das Datum siehe Winkelm. S. 441 Anm. 5.
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münde, der nur von seinem Vetter 147 ), dem Welfen Otto von Lüneburg, unterstützt wurde. Hier wurden die Dänen völlig besiegt, und während Otto von Lüneburg über die Elbe entkam, geriet Albrecht von Orlamünde samt mehreren Edlen in die Gefangenschaft Heinrichs von Schwerin und wurde von diesem zu seinem Oheim, dem König Waldemar, nach Schwerin gebracht. 148 )

Als jetzt noch Lübeck und Hamburg auf die deutsche Seite traten, stand der ihrer sämtlichen Führer beraubten dänischen Partei ein mächtiger Bund durch gleiche Interessen verbundener Städte und Herren gegenüber. Schlag auf Schlag brach das Unglück über den stolzen Waldemar herein. "Es rächte damals," schreibt der sächsische Chronist, "unser Herrgott am Könige alles, was er am Grafen Adolf getan hatte." Dies stetige Unglück scheit den König ebenso wie die dänischen Großen zur Nachgiebigkeit gestimmt zu haben. So beginnen denn von ihrer Seite, wahrscheinlich schon im Sommer 1225 149 ), neue Verhandlungen, die jetzt, nachdem das Reich sich an den Kämpfen gar nicht beteiligt hatte, natürlich nur zwischen den Dänen und Heinrich von Schwerin und seinen Freunden geführt wurden und endlich am 17. November in einem Vertrage ihren Abschluß fanden, der, wie es scheint, zu Schwerin geschlossen wurde, 150 ) Hier treffen wir auch Volrad von Dannenberg wieder als den zunächst unter den Freunden Heinrichs von Schwerin Genannten, woraus in Verbindung mit einer anderen Nachricht, daß er auch an den Kämpfen gegen Waldemar im Jahre 1226 teilnahm, hervorgeht, daß auch er bis zuletzt an seinem Teil eifrig zur Befreiung des rechtselbischen Gebietes von der Dänenherrschaft beigetragen und nicht etwa die Partei zugunsten der Welfen gewechselt hat.

Was nun die Bestimmungen des Schweriner Vertrages im einzelnen betrifft, so gingen diese, da ja die hier verhandelnden Herren eine Rücksicht auf den Papst nicht zu nehmen brauchten wie seinerzeit der Deutschordensmeister, so ziemlich wieder auf die Nordhäuser Abmachungen zurück. Auch diesmal wurde von den norddeutschen Herren das Reichsinteresse weit besser wahr-


147) Die Mütter der beiden waren Schwestern Waldemars II.
148) S.W. ebenda. Die Chron. reg. Col. S. 254 gibt, wie schon erwähnt, fälschlich als Ort seiner Gefangenschaft Dannenberg an. Die Annall. Stadens. berichten zwar von der Gefangenschaft, nennen jedoch den Ort nicht.
149) Siehe Winkelm. 480/81 u. Anm. 1.
150) M. U.-B. I, 317; Annall. Stadens.; Annall. Lundens. Vergl. dazu Using. S. 343/53 und Winkelm. 480/81.
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genommen als durch den Bevollmächtigten des Kaisers im Dannenberger Vertrag. Der Dänenkönig mußte schlechtweg alles Land zwischen Eider und Elbe, dazu ganz Slavien außer Rügen, wieder an das Reich herausgeben. Davon, daß er es als Reichslehen wiedererhalten sollte, ist hier ebensowenig die Rede wie von irgend-welchen Ansprüchen seines Neffen Albrecht von Orlamünde. Dagegen soll Adolf IV. von Holstein wieder in seine Grafschaft eingesetzt werden, für den man sich ausdrücklich auch die Übergabe Rendsburgs, einer der ältesten und meistumstrittenen Eroberungen der Dänen, ausbedingt. Ferner ließ sich Heinrich von Schwerin für sich und seine Freunde und Verwandten Urfehde von den Dänen schwören und auf zehn Jahre Geiseln stellen, darunter des Königs eigene Söhne. So verfuhr man mit Waldemar ganz nach dem Muster, das er selbst im Jahre 1203 gegeben hatte. Auf Grund dieses Vertrages wurde er dann endlich am 21. Dezember 1225 151 ) aus seiner langen Gefangenschaft befreit, während sein ältester Sohn und Albrecht von Orlamünde einstweilen noch in Schwerin verblieben.

Doch als dann den Abmachungen gemäß zu Ostern 1226 der jüngere Waldemar freigeworden war und der "Sieger" damit den Thronerben wiedererlangt hatte, da glaubte er die Zeit gekommen, altes, was er während seiner Gefangenschaft eingebüßt hatte, zurückzuerobern. Von einer ferneren Erfüllung des Vertrages war bei ihm nicht mehr die Rede, sondern er wandte sich an den Papst mit der Bitte, ihn seines Eides, den er dem Schweriner Grafen gegeben, zu entbinden, da er ihn nur gezwungen geleistet habe. Gleichzeitig erinnerte er auch wieder an seine Eigenschaft als Kreuzfahrer. 152 ) Doch scheint der Papst nur ungern diesen äußersten Schritt getan zu haben. Er wandte sich zunächst an Heinrich von Schwerin und an den Kaiser mit der Aufforderung, der Graf solle freiwillig auf den erzwungenen Vertrag verzichten, widrigenfalls er dem Kirchenbann verfalle. Doch haben offenbar diese Schreiden samt den Drohungen auf den Schweriner Grafen jetzt so wenig wie früher irgendwelchen Eindruck gemacht. So sprach denn Honorius III. am 26. Juni 1226 Waldemar von seinem Eide los mit der sophistischen Begründung, daß "der Eid nicht ein Band der Ungerechtigkeit, sondern eine Stärkung der Gerechtigkeit sein solle". 153 ) Nun war der Sieger wieder frei!


151) Siehe Using. S. 354 Anm. 2.
152) Dieses Schreiben kennen wir nur aus den Briefen des Papstes.
153) Die Briefe des Papstes MG Epistulae saec. XIII. I, Nr. 301, 302, 304.
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Und unbekümmert um das Schicksal seiner noch in den Händen des Schweriner Grafen befindlichen Söhne und seines Neffen begann er noch im selben Jahre seinen Eroberungszug in deutsches Gebiet von neuem. Während von Süden her ihm sein Neffe Otto von Lüneburg zu Hülfe zog, überschritt er selbstdie Eider, suchte sich von neuem Dithmarschens zu bemächtigen, was ihm auch im Anfang des folgenden Jahres gelang, und vor allem das wichtige Rendsburg wieder in seine Gewalt zu bringen. 154 )

Längst hatten die Fürsten erkannt, was ihnen drohte, und daß vom Reiche auch jetzt kein Beistand zu erhoffen sei. So schlossen sie sich denn selbst zu einem Bündnis zusammen. Auch riefen sie den Herzog Albrecht, den Sohn Bernhards I. von Sachsen, der bisher wohl kaum etwas von seinem Herzogtum gesehen hatte und auch jetzt beim Kaiser in Italien weilte, ins Land zurück, vermutlich mit der Erklärung, daß sie bereit seien, ihm die Lehmshuldigung zu leisten. Sie übergaben ihm, wie die Stader Annalen berichten, Ratzeburg und Lübeck. Damit erhalten wir den Ursprung des Herzogtums, das später als Sachsen-Lauenburg bezeichnet wurde. Denn während es nicht mehr festzustellen ist, welche Anrechte an Lübeck der Herzog Albrecht erhielt 155 ), liegt die Frage betreffs Ratzeburg sehr einfach: da irgendwelche Rechte des inzwischen verstorbenen Grafen Adols von Dassel oder seines Hauses bei dem Schweriner Vertrage mit Waldemar nicht mehr erwähnt werden, so erhielt jetzt Herzog Albrecht dessen Grafschaft, d. h., da inzwischen Gadebusch an Borvin von Mecklenburg, Wittenburg an Heinrich von Schwerin gekommen war, das eigentliche Ratzeburger Kernland mit der Hauptstadt Ratzeburg. 156 )

Vielleicht hatte, so dürfen wir vermuten, an dieser Berufung des Herzogs Albrecht Graf Volrad von Dannenberg einen nicht unwesentlichen Anteil. Denn sicher stand er dem Hause Albrechts von all den in Frage kommenden Herren besonders nahe; sehen wir ihn doch bereits im Jahre 1225 zweimal in enger Verbindung mit diesem, indem er in Urkunden sowohl der Markgräfin Mathilde, der Witwe des im Jahre 1220 verstorbenen Markgrafen Albrecht II. von Brandenburg, wie des Grafen Heinrich von Anhalt, Herzog Albrechts Bruder, als Beirat und Zeuge bei


154) S.W. S 246 Nr. 370; Annall. Stadens. S. 359. Zu vergl. ist Using.
155) Vergl. darüber Using. S 368/69 u. Winkelm. S 504 Anm. 3.
156) Vergl. Kap. I Schluß.
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Güterveräußerungen fungiert. 157 ) Doch bevor noch der neue Herzog kam, zogen die verbündeten Herren dem Dänenkönig entgegen bis Rendsburg. In einer Urkunde Adolfs IV., die dieser hier am 29. September "in generali omnium Holtsatorum expeditione" für Kloster Preez ausstellt, finden wir neben dem Holsteiner Grafen, Heinrich von Schwerin, Ludolf von Hallermünde, dem Schwager der Gräfin Adelheid von Ratzeburg, auch Volrad von Dannenberg. 158 ) Doch noch einmal war dem "Sieger" das Kriegsglück hold. Noch am selben Tage wohl, oder doch gleich darauf kam es bei Rendsburg zur Schlacht, in der die Deutschen, obwohl sie dem Gegner zahlreiche Verluste beibrachten, infolge des ungünstigen Geländes schließlich unterlagen. 159 ) Und wieder stand jetzt mit dem Besitze Rendsburgs Waldemar ganz Holstein offen.

In diesen Kämpfen scheint Volrad II. von Dannenberg seinen Tod gefunden zu haben; denn jene Urkunde für Kloster Preez ist das letzte Zeugnis, das wir von ihm besitzen, während von jetzt ab sein Bruder Heinrich mehrfach, und zwar auf seiten Ottos von Lüneburg, genannt wird. Im Gefolge desselben erblicken wir ihn zu Braunschweig im Januar 1227. 160 )

Inzwischen trieben die Dinge einer Entscheidung zu. Bei Bornhoeved stand am 22. Juli 1227 das vereinigte Heer aller uns schon aus den früheren Kämpfen bekannten Herren, des Erzbischofs Gerhard II. von Bremen, der Grafen Adolf von Holstein und Heinrich von Schwerin, Heinrichs von Werle, sowie auch der beiden Städte Hamburg und Lübeck dem vereinigten Heer Waldemars und Ottos von Lüneburg gegenüber. Daß Heinrich von Dannenberg im Heere des letzteren gegen die alten Freunde und Verbündeten gekämpft habe, wo er doch von einem Sieg der dänischen Waffen sicher keine Vorteile zu erwarten hatte, ist nicht wohl anzunehmen, zumal wir ihn einige Jahre später wieder in enger Verbindung mit Adolf IV. von Holstein sehen. So wird denn jene große, für das Schicksal der ganzen nördlichen Gebiete Deutschlands auf Jahrhunderte entscheidende Schlacht ohne Mitwirken des Dannenberger Grafen geschlagen sein. Was diesen


157) Riedel a. a. O. A. VI, 400 und Cod. Dipl. Anhalt. II, Nr. 81. Wenn in letzterer Urkunde, die ebenso auch bei Origg. Guelf. IV, S. 148 gedruckt ist, Conrad von Dannenberg sich findet. so ist daß lediglich ein Lesefehler - Cunradi statt Vulradi -; ein Konrad findet sich nirgends in der Dannenberger Familie. Vergl. M. Jbb. 43, S. 35/36.
158) Hasse a. a. O. I, 446.
159) S.W. S. 246 Nr. 370. Vergl. Using. S. 370/71 u. Winkelm. S. 504 Anm. 2.
160) Origg. Guelf. IV, S. 106.
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zu seinem Verhalten veranlaßte, ist nicht zu erkennen, doch scheint aus den wenigen Nachrichten, die wir über ihn aus der nächsten Zeit besitzen, hervorzugehen, daß er auch später mehr zur Partei des Welfen als zu der der Verbündeten neigte Damit steht freilich in auffallendem Widerspruch das nächste Zeugnis, das wir von ihm haben. Als zu Anfang des Jahres 1229 Otto von Lüne- burg, der bei Bornhoeved in die Gefangenschaft des Schweriner Grafen geraten war, aus seiner Haft befreit wurde und dem Grafen Gunzel, dem Sohne des inzwischen verstorbenen Heinrich, Urfehde schwur, da verpflichtete er sich, falls er die ihm auferlegten Bedingungen nicht bis Epiphanias erfüllt hätte, samt seinen Bürgen zum Einlager in Dannenberg 161 ) Das setzt doch, dem Wesen des Einlagers entsprechend, voraus, daß der Dannenberger Graf zur Partei Gunzels von Schwerin gehört. Aber noch im selben Jahre erscheint Heinrich von Dannenberg Ende Dezember als Bürge Ottos in dessen Urkunde über den Friedensschluß mit Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Bischof Friedrich von Halberstadt, wo er ausdrücklich als Vasall Ottos bezeichnet wird. 162 ) Und auch für den Anfang des nächsten Jahres ist uns ein Aufenthalt Heinrichs zu Braunschweig im Gefolge Ottos des Kindes bezeugt 163 ), so daß wir annehmen müssen, daß er sich hier damals wie vielleicht öfter längere Zeit hintereinander aufgehalten hat


161) M. U.-B. I, 361. Über die Datierung siehe die Anmerkung der Herausgeber. - Damals kam Hitzacker mit dem zugehörigen Gebiet, wie es 1180 von Barbarossa an Bernhard von Sachsen verliehen war, wieder an dessen Sohn, Herzog Albrecht. So ist m. E., die Nachricht der Chronica Ducum de Brundw., Weil., Deutsche Chronikk. II, S 58 Kap 17: Unde pro sua liberacione castra Hidsackere et Louenburch et theram cis Albiam dereliquit" ,zu verstehen. Weiland ebenda Anm. 6 und Winkelm. Friedrich II., II, 64 Anm 2 vermuten unrichtig hinter theram [ terram] einen Ortsnamen - Daß damals Lauenburg an Albrecht gekommen sei, ist ein Irrtum der Chron. Duc. de Brunsw. dieses hatte er bereits 1227 bei der Auslieferung Albrechts v. Orlamünde erhalten siehe S. W. S 247 Nr. 372, die dann folgerichtig bei der Befreiung Ottos nur von der Übergabe Hitzackers spricht, ebenda Nr. 374. Und völlig damit übereinstimmend Annall. Stadens. ad 1227 u 1228. Das hat auch v. Heinemann, Gesch. von Braunschweig und Hannover I, 309 übersehen.
162) U.-B d. Hochst Halbersdt I, 609. Die Urkunde ist nach Dezember 16. ausgestellt, siehe Origg Guelf IV S 117 n 118. - Über die vorhergegangenen Kämpfe Ottos mit den beiden geistlichen Herren siehe S.W. S 248 Nr 374. Vergl. Winkelm. II, 68/69.
163) U,-B. d Stadt Braunschw.II, S 31 Nr 79. Da hier außer dem Dannenberger Grafen noch andere der in der vorigen Urkunde genannten Zeugen vorkommen und beide zeitlch nicht weit aneinander liegen, wird auch jene vermutlich zu Braunschweig augestellt sein.
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Aus dieser Zeit erhalten wir auch einmal eine Nachricht über die Tätigkeit Heinrichs als Dannenberger Grafen, wenn wir hören, daß er das Dorf Bresegard im Lande Weningen an Bischof Gottschalk von Ratzeburg verkauft. 164 ) Es ist dies nicht nur die älteste Verkaufsurkunde, sondern überhaupt die älteste Urkunde über die Privattätigkeit der Dannenberger Grafen, von der wir Kenntnis haben.

In den folgenden Jahren finden wir Heinrich II. ganz entsprechend der eigentümlichen Lage seines Landes, das sich sowohl auf welfischem wie markgräflichem wie auch - und zwar hier bis auf geringe Ausnahmen nur mit dem rechtselbischen Teil - auf Gebiet des Herzogs von Sachsen ausdehnte, bald bei Otto von Braunschweig-Lüneburg, bald bei dem Markgrafen Johann I. und senem Bruder Otto, bald bei Herzog Albrecht. 165 ) Im Jahre 1234 ist er zu Halberstadt Zeuge Adolfs IV. von Holstein, der dort eine Urkunde über Schenkungen an Kloster Riddagshausen ausstellt. 166 ) Auch das werden wir als eine Stütze unserer Vermutung, daß verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Grafenhäusern bestanden, benutzen dürfen.

Das letzte urkundliche Zeugnis über Heinrich stammt aus dem Jahre 1236. Wieder finden wir ihn bei Otto von Lüneburg oder, wie er sich seit einem Jahre nannte, Herzog Otto von Braunschweig, und zwar als Zeugen in der Vertragsurkunde, durch die Otto und Erzbischof Gerhard II. von Bremen den uralten Streit der Welfen und des Bremer Erzstifts um die Grafschaft Stade beilegten. 167 ) Das mag etwa im Frühling gewesen sein. Bald darauf hat sich Graf Heinrich dann auf jene Heerfahrt nach Livland begeben, die ihm verhängnisvoll werden sollte.

Seit man Ende des 12. Jahrhunderts in den Ostseeprovinzen die Kolonisation und Christianisierung von deutscher wie dänischer


164) Zehnt-Reg. M. U.-B. I, S. 376. Daß es um diese Zeit geschehen sein muß, geht eben aus der Erwähnung Gottschalks hervor, der von 1228 bis 1235 Bischof war. Dementsprechend zählt die Ratzeburger Bestätigungurkunde Friedrichs II. vom Jahre 1236 - M. U.-B. I, 448 - als curiae episcopales in Weningen Malk und Bresegard auf. Über das Wesen derselben vergl. M. U.-B. III, 2118.
165) Bei Otto von Lüneburg ist er 1232 zu Braunschweig (Origg. Guelf. IV Praef. S. 62) und 1233 zu Lüneburg (M. U.-B. I, 416); bei den Markgrafen 1231 (Riedel A. XIII, 202) und 1233 (ebenda XXII, 365); bei Herzog Albrecht von Sachsen 1232 zu Lüneburg (Hasse I, 501 u. 502).
166) Hasse I, 515.
167) Sudendf. a. a. O. I, Nr. 19. Vergl. v. Heinem. I, 315.
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Seite begonnen hatte, waren hier nie mehr ruhige Verhältnisse eingetreten. Immer noch mußten durch förmliche Kreuzzüge die vorgeschobenen Posten der Kultur gestützt werden, da der Orden der Schwertbrüder, der hier in erster Linie den Kampf gegen das Heidentum führte, der weit überlegenen Zahl der Heiden allein nicht gewachsen war. So hatte Papst Gregor IX., dem das Schicksal dieser Gebiete sehr am Herzen lag, als er im März des Jahres 1236 den Legaten Wilhelm von Modena hierher sandte, ihm den Auftrag gegeben, auf alle Weise für den Schutz dieser Gebiete zu sorgen und vor allem die zu einer Fahrt ins heilige Land entschlossenen Ritter und Herren des nördlichen Deutschlands zu veranlassen, daß sie anstatt gegen die Türken nach Livland zögen, um hier ihre Glaubensbrüder zu schützen und das Christentum ausbreiten zu helfen. 168 ) Diese Aufforderung hatte den gewünschten Erfolg. Unter Führung des Grafen Heinrich von Dannenberg, dem die livländischen Verhältnisse seit seiner dänischen Gefangenschaft schon bekannt sein mochten, und des Edlen Dietrich von Haseldorf, offenbar eines Vasallen Adolfs von Holstein 169 ), trafen bereits im Sommer 1236 ansehnliche Scharen von Kreuzfahrern in Riga ein und veranlaßten Volkwin, den Ordensmeister der Schwertbrüder, zu einer Heerfahrt gegen die Littauer, zu denen das Christentum bisher noch kaum gedrungen war. Im Spät-sommer zog man los, sengte und verwüstete das Heidenland in der üblichen Weise, während sich die Littauer zurückzogen. Bereits befanden sich die Kreuzfahrer wieder auf dem Rückweg, da wurden sie bei Seule an der kurländischen Aa in der Nähe von Bauske in sumpfiger Gegend plötzlich von den Littauern umstellt und fast bis auf den letzten Mann vernichtet, am St. Moritztage, dem 22. September. Mit dem Ordensmeister und fünfzig seiner Ritter fielen auch Dietrich von Haseldorf und Heinrich II. von Dannenberg. 170 )


168) Bulle Gregors vom 19. Febr. 1236, Liv-, Esth- u. Curländ. U.-B. S. 183/85. Vergl. hierüber wie über das Folgende vor allem Ewald, Die Eroberung Preußens durch die Deutschen S. 219 ff.
169) Haseldorf liegt in Stormarn.
170) Die Hauptquelle ist die um 1295 - siehe die Edition in SS Rer. Livonicar. I, S. 506 - abgefaßt Livländische Reimchronik, Vers 1859-1955. Den Grafen von Dannenberg ebenso wie den Herrn von Haseldorf nennt außerdem noch das Chronicon Hermanni de Wartderge, SS Rer. Prussicar. II, 33, das in diesem Punkte offenbar unabhängig von der Reimchronik ist, da es z. B auch das Datum der Schlacht, das die Reimchronik vermissen läßt, angibt. Sonst berichten noch von der Schlacht die Annall. Stadens. a. a. O. S. 363 ad 1236, (  ...  )
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Diese Schlacht bei Seule hatte bekanntlich die Vereinigung des fast aufgeriebenen Ordens der Schwertbrüder mit dem der Deutschherren zur Folge, über die man bereits länger verhandelt hatte. Daß die Dannenberger Grafen mit einem dieser beiden Orden schon vorher in engerer Verbindung gestanden hätten, ist nicht bekannt, doch möchte man das fast schließen aus einer Urkunde von 1238. In diesem Jahre verliehen nämlich die Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg als Oberlehnsherren dem Kloster Dünaburg, das in naher Beziehung zu den Schwertbrüdern stand, 30 Hufen in Zachow und 50 Hufen in Siggelkow, die bis dahin die Grafen von Dannenberg und die Grafen von Schwerin von ihnen zu Lehen getragen hatten. 171 ) Das geschah, wie gewöhnlich in solchen Fällen, vermutlich auf Bitten der bisherigen Lehnsträger. Wir haben also hier ein weiteres Zeugnis für Beziehungen der Dannenberger Grafen zu Livland, sei es, daß diese schon länger bestanden, sei es, daß sie eben erst durch jenen unglücklichen Kreuzzug Heinrichs II geknüpft waren 172 )

Von den verwandtschaftlichen Beziehungen und Familienverhältnissen dieses Grafen erfahren wir mit Sicherheit so wenig wie bei seinen Vorfahren. Daß er vermutlich eine Tochter Adolfs III zur Gemahlin hatte, wurde schon gesagt. Was wir sonst noch über seine Familie zu berichten vermögen, beruht auf Schlüssen aus dem Atersverhältnis der in Frage kommenden Persönlichkeiten sowie aus der Art der Siegel, ein Kriterium, das von immer wachsender Bedeutung für die Ermittlung des Verwandtschaftsverhältnisses wird, da uns aus der Folgezeit eine


(  ...  ) die auch den Vornamen des Edlen von Haseldorf nennen. Fälschlich ins Jahr 1237 setzt sie die S. W. S. 252 Nr 382 ebenso wie die Annall. Dunemundens., MG SS XIX, 709. Daß der Dannenberger Graf gefallen sei, sagt ausdrücklich SS Rer. Prussicar. V, 75. Sein Vorname ist zwar nirgends genannt, doch kann nur Heinrich II in Frage kommen. Vergl. noch M. Jbb. 14, 61/63 - Lisch hält hier jedoch Heinrich II irtümlich für einen Bruder Bernhards I. und Adolfs I. - und M. Jbb. 43, 122/26.
171) M. U.-B. I, 488. Die Mecklenburgischen Besitzungen des Klosters Dünamünde kamen später an Kloster Reinfeld b. Lübeck. Daher liegen die betreffenden Urkunden und damit auch unsere ebenso wie der größte Teil der übrigen Reinfelder Urkunden nur in der Reinfelder Ausfertigung des 14 Jahrhunderts vor. Doch sind die Bestimmungen echt, M. U.-B. I, Vorrede S XXXIII-XXXV.
172) Letzteres meint Lisch, M. Jbb. 14, 63 u 75 - Noch im Jahre- 1243 und 1256 fordern Innocenz IV. bezw Alexander IV. die Diözesen Lübeck, Ratzeburg, Schwerin und Verden zu Kreuzzügen nach Livland auf, M. U.-B. X, 7168 u 7175.
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Ziemliche Anzahl der verschiedensten Siegelbilder erhalten ist. 173 ) Auf Grund dieser Schlüsse ergeben sich als Kinder Heinrichs II. drei Söhne, die Grafen Bernhard I. und Adolf I. und ein Kanonikus Heinrich, der jedoch ebenfalls den Grafentitel führt und als Heinrich IV. zu bezeichnen ist. 174 ) Da wir uns mit den ersteren beiden im Folgenden noch ausführlich zu beschäftigen haben, mag über ihn gleich hier alles gesagt werden, was wir von ihm wissen. Er wird zweimal, um 1245 [?] 175 ) und im Jahre 1255, zusammen mit seinen Brüdern Bernhard I. und Adolf I. urkundlich erwähnt und beide Male im Text als comes bezeichnet, während er das eine Mal, wo uns sein Siegel erhalten ist, als "Eccle. Canon." siegelt. 176 ) Wo er Domherr war, erfahren wir nicht. Saß, M. Jbb. 43, dessen Aufsatz für die genealogischen Dinge im wesentlichen das Richtige trifft, macht ihn in seiner Stammtafel S. 139 zum Domkellner in Verden, eine Vermutung, die wegen der späteren Beziehungen der Dannenberger Grafen zur Verdener Kirche - siehe unten - einige Wahrscheinlichkeit für sich hat. - Daneben werden auch die Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 29, im Jahre 1253 genannten und als "filiae comitis Heinrici de Dannenberg" bezeichneten Gerburge und Sophie, die dem Kloster Isenhagen ihr Eigen in Mehmke [b. Salzwedel] übertragen, als Töchter Heinrichs anzusehen sein. 177 ) Ob, wie Krüger, Zeitschr. des histor. Vereins für Niedersachsen 1874/75 S. 297 ff. und 318, annimmt, Gerburge identisch ist mit der um dieselbe Zeit erscheinenden Gräfin Gerburge von Lüchow 178 ), muß, da uns diese Schenkung in Mehmke leider nur im Exzerpt überliefert ist, dahingestellt bleiben. 179 )


173) Vergl. den Exkurs I.
174) Vergl. Saß S. 139 und Hellwig, M. Jbb. 69, 300. - M. U.-B., Pers.-Reg., läßt die Frage, wessen Söhne diese drei Brüder waren, offen. - Es wird richtig sein, mit Saß diesen Heinrich als den IV. zu bezeichnen, da der gleichnamige Sohn Volrads II. früher als er erwähnt wird.
175) Siehe Anm. 177.
176) Lüneburg. U.-B., Abteilung V, Archiv des Klosters Isenhagen, Nr. 11 u. Nr. 31.
177) Das ist zu schließen aus dem Altersverhältnis und aus Lüneburger U.-B., Abteilung V, Nr. 11. - Übrigens scheint mir bei der Datierung dieser Urkunden, Nr. 11 und Nr. 29, ein Fehler vorzuliegen; sie gehören sicher näher zusammen, und zwar so, daß Nr. 11 zeitlich herabzurücken wäre.
178) Lüneburgier U.-B., Abteilung V, Nr. 26.
179) Zwingend sind die von Krüger beigebrachten Gründe keineswegs. Daß die Schenkung beide Male dem Kloster Isenhagen gemacht (  ...  )
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Bevor wir uns jedoch der neuen Generation zuwenden, die durch die Söhne Heinrichs II vertreten wird, müssen wir kurz von dem Erlöschen der durch Volrad II begründeten Linie des Hauses Dannenberg berichten, die bereits mit Volrads Sohn Heinrich ausstirbt.


(  ...  ) wird, spricht nicht undeding dafür, da die Klöster meistens von verschiedenen Familien ausgestattet wurden; vergl Saß S 134/35. Andererseits spricht der Umstand, daß der Name Gerburge in dieser Gegend mehrfach vorkommt, wie Saß S. 135 bemerkt, eher dagegen.