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Bernhard I 1161-1195.

Wir haben bereits oben - S. 28 - gesehen, daß schon bei Lebzeiten des Grafen Heinrich sein Sohn Bernhard neben ihm als "comes" auftritt, teils mit seinem Vater zusammen, teils allein. Das erste Mal begegnen wir ihm, da wir die Ratzeburger Dotationsurkunde, die ihn schon im Jahre 1158 als Zeugen aufführt, ausschalten müssen, 103 ) im Jahre 1161 in Braunschweig im Gefolge Heinrichs des Löwen. 104 ) Mit ihm finden wir Bernhard in fast noch engerer Verbindung als seinen Vater. Ihn und Gunzel von Schwerin bezeichnet Helmold als die "boni satellites optimi ducis". 105 ) Wo er konnte, vertrat er die Interessen seines Herzogs. Das zeigt gleich sein erstes Auftreten, über das wir etwas Genaueres wissen. Im Jahre 1162 belagerte nämlich König Waldemar I. von Dänemark mit Hülfe der Rugianer Wolgast, das, unter eigenen Führern stehend, 106 ) seine Küsten durch Seeräuberei beunruhigt hatte. Ihm kam Bernhard von Ratzeburg, der eine Verwandte des Königs zur Gattin hatte, mit zwei Schiffen zu Hülfe. Als er nun bei einer Versammlung die Rugianer fragte, warum sie sich nicht um die Gunst des Herzogs von Sachsen bemühten, antworteten sie verächtlich, sie hätten vor dem sächsischen Namen keinerlei Respekt. 107 ) Bernhard aber versetzte stolz, was der Herzog vermöge, würden sie binnen


103) Siehe S. 17 u. Anm. 38.
104) Vergl. S. 28 u. Anm. 82 u. 84.
105) Helm. Kap. 101 S. 200.
106) Daß sind jedoch nicht Niklots Söhne Pribislav u. Wertislav, wie L. Giesebrecht, Wendische Geschichten III, 129 meint.
107) "Se nullo in momento Saxonici nominis respectum ponere."
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kurzem erfahren. 108 ) Und tatsächlich huldigten bereits im folgenden Jahre, als der Herzog zur Stiftung des Doms in Lübeck weilte, ihm die Rugianer. 109 )

Was uns außer der Erzählung Saxos von der Anhänglichkeit Bernhards an seinen Herzog an diesem Bericht in erster Linie wichtig erscheint, ist, daß Saxo die Gemahlin Bernhards eine "neptis" des Dänenkönigs nennt. Daß wir hier "neptis" nicht wörtlich als Nichte aufzufassen haben, 110 ) bemerkt schon v. Robbe a. a. O. S. 156 Anm. 14, indem er auf den mittelalterlichen Gebrauch hinweist, "nepos" und "neptis" ganz allgemein zur Bezeichnung eines verwandtschaftlichen Verhältnisses anzuwenden. 111 ) Diese Gattin Bernhards I. hieß, wie uns Arnold in seiner Slavenchronik berichtet, Margareta und war die Tochter des Pommernfürsten Ratibor I. von Schlawe, des "Seekönigs". 112 ) Die Gemahlin Ratibors, Pribislava, war die Tochter des Herzogs Boleslav Crivosti von Polen, dessen zweite Tochter, Richenza, in zweiter Ehe mit dem russischen Fürsten Wladimir von Halicz (Galizien) vermählt war. Aus dieser Ehe ging Sophia, die Gemahlin Waldemars I., hervor. Mithin wäre Margareta von Ratzeburg eine Base der Gemahlin Waldemars. 113 )

Wenn hier Bernhard sich dem dänischen König mit zwei Schiffen anschließt, so läßt das auf eine nicht unbedeutende Macht der Ratzeburger Grafen selbst zur See schließen. Und letztere, so mögen wir annehmen, unterstand wohl schon bei Lebzeiten seines


108) Saxo SS XXIX, 111. Vergl. Dahlmann, Gesch. von Dänemark, S. 288 u. L. Giesebr. a. a. O. III, 131/2. Giesebr. K. Z. V, 355/6. Diese Geschichte in Verbindung mit dem von Saxo anschließend erzählten Wort des Rugianers Masco zeigt recht deutlich die schwankende Stellung der ranischen Slaven, die, von zwei Seiten bedrängt, bald zum Dänenkönig, bald zum SachsenHerzog hinneigten und so einen ständigen ZankapfeI zwischen den beiden mächtigsten Herrschern des Nordens bildeten.
109) Giesebr., Wend. Gesch. III, 135.
110) Wie irrigerweise Suhm VII, 110 und L. Giesebr. a. a. O. S. 137 Anm. 4 tun.
111) v. Kobbe weist dabei sehr richtig auf den Ausdruck "nistel" hin. Dabei mag daran erinnert werden, daß ja in manchen Gegenden z. B. "Vetter" auch zur Bezeichnung eines weitläufigen verwandtschaftlichen Grades gebraucht wird.
112) Arn. V, 7 in dem schon erwähnten Abriß zur Geschichte des Ratzeburger Grafenhauses. Diese Stelle ist Holder-Egger bei seiner Ausg. des Saxo entgangen, s. dort S. 111 Anm. 4.
113) Siehe Pommersches Urk.-Buch I, Regist. S. 564, 565, 570; vergl. unten die Ratzeburger Stammtafel u. v. Kobbe S. 154/56.
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Vaters dem Befehl Bernhards. Nachdem nun Heinrich gestorden war, übernahm Bernhard auch die Grenzwacht gegen die Slaven, indem er sich, wie uns Helmold erzählt, den Grafen Adolf II. von Holstein zum Vorbild nahm, den bedeutendsten Vorkämpfer des Deutschtums in diesen Gegenden, der leider zu früh gestorben war. 114 ) Zwar, von einer Teilnahme Bernhards an dem großen Zuge von 1164 erfahren wir nichts. Doch hatte er bald anderweit Gelegenheit, seine Tüchtigkeit zu beweisen. Auf jenem Zuge war Werrislav vom Herzog bei Malchow aufgeknüpft worden, und es war von den Söhnen Niklots nur noch Pribislav übrig. Dieser blieb auch nach dem Kriege, durch den er der väterlichen Erbschaft verlustig gegangen war, bei den beiden Pommernherzögen, in deren Verbindung er jenen Aufstand unternommen hatte. 115 ) Alle drei bauten dann Demmin, das der Herzog völlig hatte zerstören lassen, wieder auf. Und von hier aus unternahm er nun häufig Beutezüge ins Obodriten- und Polabenland und führte Menschen und Vieh gefangen fort. Da war es neben Gunzel von Schwerin vor allem Graf Bernhard, der in häufigen Kämpfen die Streitmacht Pribislavs aufrieb, so daß diesem schließlich die Pommernherzöge mit Kündigung der Gastfreundschaft drohten, wenn er nicht endlich Ruhe halte, sondern fortführe, "die Augen der Männer des Herzogs zu beleidigen". 116 )

Bernhard hielt dann auch treu zum Herzog, als jetzt unter Führung Wichmanns von Magdeburg und Albrechts des Bären der langverhaltene Unwille über des Herzogs herrisches Auftreten und seine wachsende Macht, "die Verschwörung aller gegen einen" zum Ausbruch kam, die im Süden mit der Belagerung von Haldensleben, einer der festesten Burgen des Herzogs, im Norden mit dem Einfall Christians von Oldenburg, der bisher eifrig auf seiten des Herzogs gegen die Slaven gekämpft hatte, in das Bremerland begann. Zwar haben wir dafür kein Zeugnis weiter als eine Urkunde, die vom Jahre 1167 datiert, deren Inhalt jedoch spätestens im Sommer 1166 festgesetzt ist. 117 ) Hier treffen wir unter den


114) Helm. Kap. 101 S. 200: "Huius [sc. Adolfi II] emulacione instigati ..... Guncelinus et Bernhardus, quorum unus Zverin alter Racesburg preerat, fecerunt et ipsi opus bonum."
115) Siehe S. 30.
116) Helm. Kap. 102 S. 101. Vergl. Giesebr. K. Z. V. 111.
117) M. U.-B. I, 88 Akt. u. Datum fallen nicht zusammen; vergl. von Breska, Forschgg. z. deutsch. Gesch. XXII, 588. Wigger, M. Jbb. 28, 160 setzt die Urk. gleichwohl an für Frühling 1167.
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Heinrich treu gebliebenen Herren 118 ) auch Bernhard von Ratzeburg. Ausdrücklich bezeugt ist uns eine Parteinahme für den ,Herzog nur von Gunzel von Schwerin und erst zum Jahre 1168 beim Streit um die Besetzung des Bremer Erzbischofssitzes. 119 ) Doch ist als sicher anzunehmen, daß bei all den Kämpfen dieser Jahre die Grafen im Nordosten des Gebietes Heinrichs seine zu- verlässigsten Anhänger waren. Alle, nicht nur der Ratzeburger, auch der Schweriner, Dannenberger und Lüchower Graf verdankte dem .Herzog ihre Stellung. Dazu hatte er, als der Kampf auszubrechen drohte, Pribislav wieder zu Gnaden angenommen und ihm alles Land außer der Grafschaft Schwerin zurückgegeben und in Holstein zum Vormund des jungen Adolfs III. den ihm er-gebenen Heinrich von Schwarzburg eingesetzt. 120 ) So war die Stellung Bernhards von vornherein gegeben.

Genannt finden wir ihn erst wieder im Jahre 1169, wo er am 7. November zu Artlenburg Zeuge ist, daß Herzog Heinrich die drei wendischen Bistümer mit je 300 Hufen ausstattet. 121 ) Wir haben oben - S. 23 f. - gesehen, daß dies in Ratzeburg schon im Jahre 1154 geschehen war und daß. wahrscheinlich auch im Jahre 1158 Heinrich der Löwe hierüber eine Urkunde, die jedoch verloren ist, ausgestellt hatte. Doch erst nach und nach waren die Dinge hier im Slavenland geordnet. Nun, war im Jahre 1166 der Oldenburger Bischofssitz nach Lübeck 122 ) und um 1166 der Mecklenburger nach Schwerin verlegt. 123 ) Und es wurden nun die Bestimmungen für alle drei Bistümer gleichmäßig gegeben. 124 ) Es werden unter anderem hierbei für die 300 Hufen


118) Auch einige aus dem Süden und Westen sind dabei, wie Graf Konrad von Regenstein und Eilbert von Wölpe.
119) Annall. Stadens. ad 1168, SS XVI, 346.
120) Helm. Kap. 103 S. 203 f.
121) M. U.-B. I, 90. In diese Verbindung gehören auch. M. U.-B. I, 96 u. 113. Vergl. dazu Hasse I, 124 Anm.
122) Helm. Kap. 90 S. 175.
123) Siehe die S. 34 u. Anm. 117 erwähnte Urk. M. U.-B. I, 88, in der u. a. die Abgrenzung zwischen Ratzeburg und Schwerin vorgenommen wird. Es ist ein sehr richtiger Gedanke Haucks, K. G. IV, 623 u. Anm. 2, die Verlegung des Bischofssitzes mit der Begründung der Grafschaft Schwerin in Verbindung zu bringen. Noch Wigger setzte sie, verführt durch die gefälschte Dotationsurkunde, auf 1158 an, a. a. O. G. 105.
124) M. U.-B. I, 96 mit dem Jahre 1170 ist lediglich, wie bereits Hasse I, 124 Anm. bemerkt, eine andere Ausfertigung der Urk. M. U.-B. I, 90, und zwar für Lübeck, während die Schweriner fehlt. Hierher gehört auch die Nachricht Helmolds Kap. 88 S. 174: "Et dedit eis (  ...  )
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die wogiwotnitza, der Herzogszins der Slaven, erlassen und der Umfang der biscoponitza, des Bischofszinses, auf drei Kuriz und einen Schilling vom Haken festgesetzt. 125 ) Von den Gerichtsbußen für Kapitalverbrechen fallen zwei Drittel dem Bischof, ein Drittel dem Vogt zu, was hier für uns von besonderem Interesse ist, da die Ratzeburger Grafen ja Vögte des Stiftes waren. 126 ) Wenn so die drei Bistümer endgültig eingerichtet werden konnten, so war das wesentlich mit Bernhard von Ratzeburg zu danken. Von Helmold und Arnold wird einstimmig sein hervorragendes Verdienst um die Vollendung des "Gotteswerkes im Polabenlande" hervorgehoben. "Er führte glänzender aus, was sein Vater begonnen. 127 ) Und ganz in dessen Weise ging er vor, indem er die Slaven, die sich dem Christentum nicht unterwarfen, ohne Bedenken aus dem Lande trieb und dieses an deutsche Kolonisten aufteilte. 128 ) Auch trug seine Verbindung mit einer pommerschen Fürstentochter sehr zum Frieden des Landes bei, wie uns Arnold berichtet.

Ebenso wurde er durch seine Verwandtschaft mit dem dänischen Königshause veranlaßt, mit diesem in Frieden zu leben, wozu


(  ...  ) dux privilegia de possessionibus et de reditibus et de iusticiis", womit er des Zusammenhangs wegen schon einige Jahre vorgreist. Es ist überhaupt mißlich, bei Helm. aus dem Zusammenhang immer auf die Zeit schließen zu wollen, da er die Dinge für seine Zwecke, und also nicht immer chronologisch anordnet; vergl. Schmeidler a. a. O. S. 174 Anm: 3.
125) Vergl. Helm. ebenda, der ganz analoge Bestimmungen anführt; nur hat er statt des solidus unus duodecim nummi, was ja aber gleichbedeutend ist. - Dagegen kommen in der sogen. Dotationsurk. noch hinzu "toppus lini unus, pullus unus", Wovon der toppus lini bei Helm. Kap. 14 in den XL restes lini als alter Slavenzins bezeugt, der "pullus" jedoch neu ist, aber später im Ratzeburger Zehntreg. S. 376 abermals erwähnt wird. - Kuriz ist der slavische Ausdruck für Scheffel, Helm. ebenda.
126) Die bei dieser Gelegenheit für den Bischof ausgesonderten Vorwerke, die von Markding, Heeresfolge und Burgwerk befreit waren, unterstanden ebenso wie die curiae episcopales ganz allein dem Bischof, während an den 300 Hufen auch die Domherren einen Anteil besaßen; vergl. M. U.-B. I, 101.
127) Helm. S. 179 u. 200. Arn. V, 7: "strennue se geredat et Slavorum impetus non sine magna difficultate sepius suatinedat. Ipse tamen eiectis Sclavis de die in diem in terra proficiedat".
128) Arn. ebenda. - Wigger a. a. O. S. 123 weist mit Recht darauf hin, daß Helm.'s Ausdruck S. 174: "Et precepit dux Slavis, qui remanserant in terra Wagirorum, Polaborum, Obotritorum, Kicinorum....." für 1160 verfrüht ist. Doch bezieht ihn dann Wigger selbst auf 1167, während er doch wohl am besten in diese Verbindung paßt.
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noch kam, daß. er einen Teil Schleswigs vom Dänenkönig zu Lehen trug. So wird er denn häufig eine vermittelnde Rolle zwischen seinen beiden Lehnsherren gespielt haben. Das war besonders notwendig in den Kämpfen beider um den Besitz von Rügen, die auch nach dem Vertrage von 1166 129 ) fortdauerten. Als nun im Jahre 1168 Waldemar sich Rügens bemächtigte, ohne mit dem Herzog jenem Vertrage gemäß die Beute zu teilen, da hetzte Heinrich die wendischen Herren in Wagrien und dem Obodritenland wie die Fürsten von Pommern gegen ihn, die mehrere Jahre hindurch in häufigen Raubzügen seine Küsten in dauernder Angst und Unruhe halten mußten. Und sicherlich hatte es seine Billigung, wenn auch die deutschen Grafen und Herren sich an solchen Beutezügen beteiligten. Im Jahre 1171 130 ) beschlossen diese, die die Zeit zu solchem Unternehmen für besonders günstig halten mochten, einen Kriegszug gegen die Dänen, 131 ) als dessen Hauptführer Gunzel von Schwerin erscheint. Auf seinen Rat beschließt man, den Stoß gegen Schleswig zu richten. Doch weigert sich Bernhard von Ratzeburg entschieben, dorthin, wo er vom Dänenkönig belehnt war, einen Kriegszug zu unternehmen. An seiner und Heinrichs von Schwarzburg, des Statthalters von Holstein, Weigerung scheitert dann das ganze Unternehmen, und man beschließt, den Krieg bis zur Rückkehr des Herzogs aus Bayern zu verschieben. Doch ist dann sicher auch diese Angelegenheit bei der Zusammenkunft beider Fürsten an der Eider,


129) Siehe Helm. S. 201; vergl. dort die Anm. 5 u. Giesebr. 512 ff.
130) v. Kobbe I S. 157 Anm. 16 setzt diese Erzählung Saxos - MG SS XXIX, 141 f. - unrichtig ins Jahr 1170 u. Holder-Egger versieht in seiner Ausgabe das richtige 1171 mit einem Fragezeichen und verweist - ebenda Anm. 5 - auf das Jahr 1174. Es kann sich jedoch nur um 1171 handeln, wie aus dem ganzen Zusammenhang hervorgeht. Saxo beginnt seine Erzählung mit: "Interea Henrico duce apud Davaros agente". Nun war Heinrich im Jahre 1170 überhaupt nicht in Bayern, wohl aber 1171 vom Jan. bis März, vergl. Philipps., H. d. L. II, 167 u. Prutz, Regesten Heinrichs d. L. in seinem H. d. L. S. 461. Ferner: Saxo S. 140 f. sowohl wie Helm. Kap. 109 S. 216 berichten als jener Zusammenkunft an der Eider im Jahre 1171 - s. unten - unmittelbar voraufgehend den Einfall der Dänen nach Wagrien. - An der Verwirrung ist Saxo selbst schuld,, indem er diese Zusammenkunft von 1171 an zwei verschiebenen Stellen erwähnt, S. 140 u. ausführlicher S. 143; vergl. Schmeidler a. a. O. S. 217 Anm. 5.
131) Unter den "universi Saxonum satrapae" sind selbstverständlich nur die Herren im nordöstlichen Deutschland zu verstehen. Saxo, der überhaupt gern übertreibt, tut das hier besonders offenkundig, so, wenn er Schleswig von 60 000 Mann verteidigt werden läßt.
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am 24. Juni 1171, beigelegt. 132 ) Diese friedliche Lösung war, wie gesagt, zum großen Teil Graf Bernhard von Ratzeburg zu danken.

Daß es sich bei diesem Lehnsverhältnis zum Dänenkönig nur um einen Teil von Schleswig handeln kann, 133 ) bemerkt bereits v. Kobbe a. a. O. I S. 157 Anm. 16 mit Recht. Er nimmt die Gegend an der nordfriesischen Grenze, in der Nähe des Lügumklosters, an und wird damit wohl das Richtige treffen. 134 ) Wir besitzen nämlich auch ein urkundliches Zeugnis für dies Lehnsverhältnis, das sogar noch bis in späte Zeit wirksam gewesen ist, wie das ja bei Besitzrechten im Mittelalter meist der Fall war. Ende des 13. Jahrhunderts erläßt nämlich "Johannes Tomessen miles, capitaneus castri Roetzburgh", zu sein und seiner Gattin Seelenheil dem Lügumkloster eine bestimmte Summe Geld, für die ihm das Kloster gewisse Dörfer in der Nähe des Klosters verpfändet hatte. 135 ) Suhm a. a. O. IX, 53 versteht unter diesem Roetzburgh richtig Ratzeburg. Falsch ist es dagegen, wenn er die Urkunde, der die Jahreszahl fehlt, ins Jahr 1204 setzt. Dem widerspricht schon der Wortlaut der Urkunde und vor allem der Ausdruck "capitaneus", der so früh in der Bedeutung von ."Befehlshaber" sich nicht findet. 136 ) Der Wahrheit nahe kommen die Verfasser des Index zu Langebek, Scriptores, die die Urkunde ins 14. Jahrhundert setzen wollen. 137 ) Dieser "Johannes Tomessen miles" ist nämlich niemand anders als der auch sonst bekannte Ratzeburger Vogt Johann von Erumessen, der Ende des 13. Jahrhunderts in Urkunden des Herzogs Johann von Sachsen-Lauenburg mehrfach genannt wird. 138 )

In den nächsten Jahren sehen wir dann Bernhard dauernd in Verbindung mit Heinrich dem Löwen. Zum 9. September 1171 wird er als Zeuge genannt in der vermutlich zu Schwerin


132) Helm. Kap. 110 S. 217; vergl. Anm. 130.
133) Saxo fagt zwar: "provinciam, quam per regem deneficii iure possideat".
134) Unrichtig ist es natürlich, wenn er S. 158 hiermit jene beiden von Arn. erwähnten friesischen Gefangenen Heinrichs v. Badewide in Verbindung bringt, da offenbar erst Graf Bernhard dies Lehen innehat. Wir haben oben gesehen, auf welche Weise Graf Heinrich jene Gefangenen gemacht hatte.
135) Langebek, Scriptores rer. Danicar. VIII, 81.
136) Vergl. Schröder, R. G. 4 S. 610.
137) A. a. O. Bd. IX S. 370 "sec. XIV (?)".
138) M. U.-B. 1550, 1682, 2026 u. a. Das Tomessen in der Urk. des .Lügumklosters ist offenbar ein Schreib- oder LesefehIer.
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ausgestellten Bewidmungsurkunde des Herzogs für das Bistum Schwerin. 139 ) Hierbei erhält u. a. der Ratzeburger Graf Einfluß auf die Festsetzung der Präbenden der Schweriner Domherren. 140 ) Und einige Tage später ist er Zeuge, daß der Herzog die curiae episcopales des Ratzeburger Bischofs von Heerfolge, Markding und Burgwerk befreit. 141 ) Am 9. Januar 1172 ist er, ebenfalls im Gefolge des Herzogs, Zeuge bei der Stiftung des Klosters Lüne durch Bischof Hugo von Verben, wahrscheinlich auf einem Landtag, den der Herzog zu Verben abhielt, bevor er seine Reise nach dem gelobten Lande antrat. 142 ) Von dort wird er den Herzog nach Braunschweig begleitet haben, um mit ihm und einer großen Zahl sächsischer Herren, unter diesen vor allem Bernhards Freund Gunzel, die Pilgerfahrt anzutreten. So treffen wir ihn dann in Jerusalem als Zeugen, daß der Herzog der dortigen Auferstehungskirche drei ewige Lampen stiftet. 143 ) Näheres über diese Reise Bernhards erfahren wir leider nicht. Im Dezember wird er mit dem Herzog wieder nach Deutschland zurückgekehrt sein. Wir finden ihn dann erst wieder genannt zum Jahre 1175 bei Gelegenheit der Dotierung der Kapelle St. Johannes auf dem Lande zu Lübeck durch den Herzog. 144 )

Wieder hören wir dann jahrelang nichts von Bernhard. Es macht sich hier das Fehlen aller von den Ratzeburger Grafen ausgestellten Urkunden recht fühlbar. 145 ) Als wir seinen Namen wiederfinden, ist ein Umschwung aller Verhältnisse eingetreten. Barbarossa, von Heinrich dem Löwen im Stich gelassen, hat die schwere Niederlage von Legnano erlitten. Und nun wird der


139) M. U.-B. I, 100 A. Für die Echtheit vergl. F. Salis, Arch. f. Urk.-Forschg. 1908.
140) Ebenda S. 98. Ich vermag mit dieser Bestimmung schlechterdings nichts anzufangen. Man sollte aus ihr den Schluß ziehen, daß das Gebiet des Ratzeburger Grafen in die Schweriner Diözese hineinragte. Allein, mit welchem Teile? Ist sie lediglich eine Auszeichnung?
141) M. U.-B. I, 101, Urk. vom 19. Sept. 1171; vergl. S. 36 Anm. 126.
142) M. U.-B. I, 102. Siehe Philipps. a. a. O. II, 172.
143) M. U.-B. I, 103. Es ist eine idyllische, aber nichtsdestoweniger unrichtige Vermutung v. Kobbes a. a. O. S. 172, Graf Bernhard habe an diesem Zuge seiner kleinen Kinder wegen nicht teilnehmen können.
144) M. U.-B. I 119 = Haffe I, 133. Zwar wird Bernh. auch in der vom Jahre 1174 datierten Urk. M. U.-B. I, 113 genannt; doch gehört diese, falls überhaupt echt, ins Jahr 1169.
145) Vergl. darüber M. U.-B. I, Vorrede S. X. Daß die Ratzeburger Grafen überhaupt keine Urkunden ausgestellt hätten, ist natürlich sehr unwahrscheinlich; diese scheinen alle zugrunde gegangen zu sein.
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Herzog nicht mehr wie bisher von ihm gehalten, sondern der Kaiser läßt den Anklagen der zahlreichen Feinde des Löwen freien Lauf. Dieser jedoch kümmert sich um die Ladungen des Kaisers nicht. Weder zum Reichstag in Worms noch zu den seinetwegen anberaumten Gerichtstagen erscheint er, sondern fährt fort in seinen Kämpfen gegen seine Gegner. Und wieder sind es hauptsächlich die Grafen im östlichen Teil seines Gebietes, auf die er sich hierbei stützt. Im Juli des Jahres 1179 bringen sie, vor allem der junge Adolf III. von Holstein, der kürzlich die Grafschaft seiner Väter übernommen hatte, unser Graf Bernhard, Graf Bernhard von Wölpe, Gunzel von Schwerin und die Brüder Ludolf und Wilbrand von Hallermünde ein Heer auf, 146 ) um gegen die dem Herzog feindlich gesinnten westfälischen Grafen Simon von Teklenburg, Hermann von Ravensderg, Heinrich von Arnsberg und Widukind von Schwalenberg, die Teile der Länder des Herzogs besetzt hatten, zu ziehen. Mitten in das Gebiet dieser Herren dringen sie vor, und am 1. August kommt es zur Schlacht auf dem Halerfeld bei Osnabrück, wo eine große Anzahl Westfalen niedergemacht, noch mehr jedoch, darunter Graf Simon von Teklenburg, gefangen genommen werden. 147 )

Doch wegen der Gefangenen und des von ihnen zu erwartenden Lösegeldes geriet jetzt der Herzog in Streit mit einem Teil seiner Getreuen, vor allem mit Adolf von Holstein. Der Herzog, dessen trotzigen Sinn selbst die von allen Seiten hereinbrechenden Gefahren nicht zu irgendwelcher Nachgiebigkeit bewegen konnten, verlangte, weder gerecht noch klug handelnd, daß ihm sämtliche Gefangenen ausgeliefert würden. Dagegen machte Adolf mit Recht geltend, daß er, da er aus eigenen Mitteln ein Heer aufgebracht hätte, auch wohl das Lösegeld für seine Gefangenen beanspruchen dürfe, da es ihm sonst nicht möglich sei, ein zweites Mal den Herzog in dieser Weise zu unterstützen. Adolf behielt nun die Gefangenen; doch hatte er durch seinen Widerspruch den stolzen Herzog schwer gereizt. 148 ) Als dann nach dem siegreichen Zuge in das Thüringer


146) Die "Saxones, qui Holtsati dicuntur" bei Arn. II, 13 stehen offenbar für die östlichen Sachsen insgesamt.
147) Arn. II, 13. Annall. Stad. MG SS XVI, 349 falsch zu 1180. Ihnen folgt v. Kobbe I S. 177 ff. Annall. Patherbrunnenses, rekonstr. von Scheffer-Boichorst, S. 175 ad 1179, vergl. Anm. 2. - Das "Halrefeld" der Staber Annalen ist natürlich nicht mit Halle in Westfalen in Verbindung zu bringen, wie Giesebr. K. Z. VI Anmerkungen zu Bd. V S. 566 meint, da das mit Arn.'s Bericht nicht wohl zu vereinigen wäre, sondern mit Halen nordwestl. Osnabrück.
148) Arn. ebenda.
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Gebiet im Mai des folgenden Jahres Gunzel von Schwerin, sei es aus Ergebenheit gegen den Herzog, sei es aus Rivalität gegen den Holsteiner, die Treue Adolfs beim Herzog verdächtigte und dabei vor allem auf jene Weigerung hinwies und nun der Herzog zum Beweis der Treue Adolfs seine Forderung wiederholte, verließ dieser voller Bitterkeit über so schnöde Behandlung mit seinem Anhang Braunschweig. Und nun besetzte der Herzog, dem solche Gelegenheit, das Gebiet eines untreuen Vasallen seinem Allod hinzufügen zu können, garnicht unerwünscht sein mochte, und der sich offenbar nach seinem Thüringer Siege wieder als Herrn der Lage fühlte, des Grafen Land. Er selbst eroberte Plön und setzte dort den ihm ergebenen Overboden Marcrad ein. Die stärkste Feste des Landes, Segeberg, ließ er durch Graf Bernhard von Ratzeburg belagern. Diese wurde, während Adolf das Land verlassen und sich auf die Schauenburg begeben hatte, von Mathilde, des Grafen tatkräftiger Mutter, verteidigt. Doch da der Schloßbrunnen versiegte, wurde endlich auch Segeberg zur Übergabe gezwungen und hier Lupold von Bayern als Schloßvogt eingesetzt. Das war im September 1180 geschehen. 149 )

Inzwischen jedoch war über den Löwen auf dem Tage zu Würzburg die Reichsacht verhängt. Zu Gelnhausen hatte man seine Herzogtümer bereits neu vergeben, 150 ) und von Tag zu Tag verringerte sich die Zahl seiner Anhänger, nachdem ihnen auf dem Hoftag zu Werla Entziehung von Lehen und Eigen angedroht war, wenn sie nicht spätestens bis Martini die Partei des Löwen verlassen hätten. 151 ) Kein Wunder, daß er, der nur durch eiserne Strenge seine Vasallen an sich gefesselt und wenig Liebe gesät hatte, jetzt überall Verrat witterte. So erhob er auch gegen Graf Bernhard, der bei ihm in Lüneburg weilte, Weihnachten 1180 die schwersten Beschuldigungen. Er wisse von seinen Getreuen zuverlässig, daß der Graf sich mit Feinden des Herzogs verschworen habe, ihn und seine Gemahlin nach Ratzeburg einzuladen und dort zu ermorden. Begründet war dieser Verdacht wohl nur auf Einflüsterungen von Feinden Bernhards und auf des Herzogs eigenem mißtrauischen Charakter. Nach allem, was wir von Bernhard wissen, ist ihm ein solcher Plan nicht wohl zuzutrauen. 152 ) Da


149) Arn. II, 16. Vergl. Giesebr. K. Z. V, 929 f.
150) Siehe die Urk. darüber vom 3. Apr. 1180 MG LL sect. IV Bd. I, Nr. 279.
151) Annall. Pegav. MG SS XVI, 263/4.
152) Vergl. Philipps. II, 248 f.; Prutz S. 336 Anm. 1; v. Kobbe S. 181 ff.
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er sich nun gegen solche Verdächtigungen nicht genügend verantworten konnte, nahm ihn der Herzog samt seinem ältesten Sohn Volrad gefangen, zog mit einem Heere vor Ratzeburg und belagerte es. Und mit Hülfe der Lübecker, die ihm, offenbar aus Dankbarkeit für seine Wohltaten - denn ihre Macht und Blüte verdankten sie bekanntlich allein dem Herzog -, Schiffe, Waffen und Belagerungsmaschinen sandten, 153 ) wurde die Stadt bald bezwungen. Bernhard begab sich mit seiner Familie nach seiner Burg Gadebusch. Doch auch hier ließ ihm der argwöhnische Herzog keine Ruhe. "Weil er mit Feinden des Herzogs Freundschaft halte", 154 ) zog dieser zum zweitenmal mit Heeresmacht ins Land und zerstörte Gadebusch, wobei er nicht verschmähte, die vorgefundene reiche Beute mit sich zu nehmen. Er stürzte sich blind ins Verderben. In einem Augenblick, wo ihn die Feinde von allen Seiten bedrängten, wo der Kaiser sich rüstete, in eigener Person gegen ihn die Reichsacht zu vollstrecken, wo die erbetene Hülfe auswärtiger Fürsten versagt wurde, da trieb er langjährige erprobte Freunde, anstatt sie um so fester an sich zu ketten, durch Mißtrauen und Hartnäckigkeit zur Partei seiner Gegner. Wo es galt, alle Kraft gegen die alten Feinde zu sammeln, da verbrachte er die Zeit damit, sich neue zu schaffen, an den eignen Vasallen kleinliche Rache zu üben und in ihrem Lande Beute zu machen. Daß der Herzog auch in Ratzeburg einen Schloßvogt wie in Plön und Segeberg eingesetzt habe, hören wir nicht. Er ließ diese drei Burgen neu befestigen, um hier dem Angriff des Kaisers zu trotzen. 155 )

Im Juni rückte dieser nun mit einem starken Heere mitten durch die Lüneburger Heide auf die Elbe zu, vermutlich, um bei Artlenburg den Strom zu überschreiten und den Herzog, der sich in Lübeck befand, aus diesem seinem letzten Zufluchtsort zu vertreiden. In Bardowiek ließ er einen Teil seines Heeres unter dem neuen Herzog Bernhard und dessen Bruder, dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg, zurück, um das dem Herzog treue Lüneburg, wo auch die Herzogin Mathilde sich befand, in Schach zu halten. Hier blieb wahrscheinlich auch Bernhard von Ratze-


153) Vergl. Arn. II, 21. - Daß Ratzeburg ernstlich als Rivalin Lübecks in Frage kam, wie Prutz H. d. L. S. 336 meint, ist wegen der viel ungünstigeren Lage mehr als zweifelhaft.
154) Wer diese Feinde des Herzogs sind, sagt uns Arn. nicht; Prutz a. a. O. S. 336 vermutet Parteigänger des Kaisers.
155) Arn. II, 19. Vergl. Giesebr. K.Z. V, 931.
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burg, 156 ) der sich nach seiner Vertreibung aus Gadebusch zu Herzog Bernhard begeben hatte. Inzwischen wurde ihm durch seine Anhänger auf ganz unerwartete Weise seine Hauptstadt wiedergewonnen. Der Herzog nämlich begab sich, nachdem er Lübeck in Verteidigungszustand gesetzt hatte, nach Ratzeburg, um von hier aus die Elbe zu erreichen. 157 ) Als ihm nun am Morgen des 30. Juni die Besatzung der Burg das Geleit zur Elbe gab, ersahen die Freunde Bernhards die Gelegenheit, drangen in die Burg ein, warfen die wenigen zurückgebliebenen Leute des Herzogs hinaus und schlossen die Tore. Knirschend vor Zorn kehrte der Herzog auf die Nachricht hiervon um. Doch während er zu den Befehlshabern in Segeberg und Plön schickte, um die abtrünnige Festung wieHerzugewinnen, wurde ihm die Nachricht gebracht, der Kaiser rücke heran. Unverrichteter Sache setzte er nun seinen Weg nach Artlenburg fort, steckte, an allem verzweifelnd, diese wichtige Elbburg in Brand, damit sie dem Kaiser nicht in die Hände falle, und begab sich auf einem Kahne stromabwärts nach Stade. 158 )

Doch mit seinem Widerstand war es vorbei. Auch Lübeck ergab sich Friedrich, und der stolze Welfe war auf die Gnade seines kaiserlichen Vetters angewiesen. Auf einem Reichstag sollte seine Angelegenheit geregelt werden. Das geschah zu Erfurt im November 1181, wo man im wesentlichen die Würzburger Beschlüsse vom vorhergehenden Jahre wiederholte. Auch Graf Bernhard von Ratzeburg treffen wir hier im Gefolge des neuen Herzogs als Zeugen, daß Kaiser Friedrich Stadt und Burg Stade Erzbischof Siegfried von Bremen, einem Bruder des Herzogs Bernhard, verleiht. 159 ) Anknüpfend an diese Verleihung berichtet uns Arnold - II, 22 -, daß auch die aus ihren Ländern von Heinrich dem Löwen vertriebenen Grafen Bernhard und Adolf


156) "Cum aliis principibus orientalibus", sagt Arn. von den beiden Askaniern.
157) Es ist nicht recht ersichtlich, zu welchem Zweck. Suchte er Lüneburg zu erreichen? Den Übergang Barbarossas zu hindern?
158) Arn. II, 20. Für den Zug des Kaisers auch die sehr gut unterrichteten Annall. Pegav. ad 1181 MG SS XVI, 265. Vergl. Giesebr. V, 937/9.
159) Cod. Dipl. Anhalt. I, 606, Urk. vom 16. November 118 0 . Über das Datum vergl. die Anm. des Herausgebers. Die Urk. kann nur ins Jahr 118 1 gehören. Dafür spricht nicht nur das Kaiserjahr und die Verbindung, in der Arn. II, 22 diese Verleihung erwähnt, sondern vor allem auch der Umstand, daß unser Graf Bernhard im November 1180 noch treu zu Heinrich d. L. hielt. Trotzdem hat Hasse a. a. O. I, 141 ebenso wie Stumpf R. K. 4312 1180 beibehalten, während (  ...  )
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"ihre Burgen und Provinzen vom Kaiser wiedererhalten hätten". Auch das ist wohl hier in Erfurt, wo wir auch Graf Adolf treffen, geschehen. Diese Nachricht ist jedoch nicht etwa so aufzufassen, daß diese beiden Grafschaften, wie z. B. die drei wendischen Bistümer 160 ) und die Stadt Lübeck, jetzt reichsunmittelbar wurden, 161 ) da wir später von der Huldigung des Grafen Bernhard an den Herzog hören, sondern es bedeutet lediglich eine Wiederherstellung der alten Verhältnisse in diesen Gegenden.

Bald darauf, wahrscheinlich im Frühling des nächsten Jahres, 162 ) kam dann Herzog Bernhard mit seinem Bruder, dem Markgrafen von Brandenburg, nach Artlenburg, um sich hier von den Grafen des östlichen Sachsens den Lehnseid schwören zu lassen. Der Aufforderung dazu kamen auch alle nach bis auf Adolf III. von Holstein. Mit ihm geriet Herzog Bernhard bald in offenen Streit, als er ihm das Ratkauer Land sowie die Stadt Oldeslo, die sich Adolf nach der Absetzung des Welfen angeeignet hatte, zu entreißen suchte. Und bald merkte man allgemein, daß nicht mehr eine so,wenn auch rücksichtslose, doch gewaltige Hand das Schicksal dieser Länder regiere wie bisher. "In jenen Tagen war kein König in Israel, es tat ein jeder, was ihm beliebte", so beginnt mit den Worten der Bibel Arnold von Lübeck sein drittes Buch. Und so war es in der Tat. Auf den stolzen Welfen, der hier ein eigenes Reich zu begründen im Begriffe stand, der die Slaven mit Kraft und Umsicht diesem Reiche unterwarf und dänische Übergriffe nachdrücklich zurückwies, dessen Machtwort allein hier Gültigkeit hatte, 163 ) folgte der zwar


(  ...  ) Böhmer, Regg. Imp. 2641 die Urk. richtig ins Jahr 1181 setzt. - Als Zeuge wird Graf Bernhard auch genannt in der nach unserer Urk. angefertigten Zeugenreihe der gefälschten Urkunde für Magdeburg vom 15. November in Cod. Dipl. Anhalt. V, S. 300 Nr. 605 a - St. R. K. 4311.
160) Siehe Weiland, Das Sächs. Herzogt., S. 162 u. 184.
161) Das hebt auch Loreck, Zeitschr. d. Harzvereins 1893 S. 246 Anm. 2, sehr richtig hervor. In welchem Zusammenhange das jedoch mit der Drohung des Kaisers auf dem Tag zu Werla stehen soll, sehe ich nicht ein, da ja doch Adolf vorher abgefallen war und Bernhard, der noch im Dezember zur Partei des Herzogs hielt, sie unbeachtet gelassen hatte
162) Im Dezember 1181 sind beide Herren noch in Erfurt, Cod. Dipl. Anhalt. I, 609.
163) Vergl. Helm.`s Wort über die Stellung der Slaven zu Heinrich d. L. Kap. 109 S. 217: "Solus eis dux est formidini ..... et misit frenum in maxillas eorum et quo voluerit declinat eos. Loquitur pacem, et optemperant; mandat bellum, et dicunt: "Assumus". Das galt auch, wenngleich in anderer Weise, von den kleinen Territorialherren dieser Gegenden.
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persönlich tapfere, jedoch für eine solche Stellung, in der es galt, nach allen Richtungen hin trotzigen und eigenwilligen Elementen kraftvoll zu begegnen, viel zu schwache und wenig umsichtige Askanier, der wenig von der Art und vom Glück seines Vaters geerbt hatte, den dazu noch der Kaiser, der keine Sonder-macht in seinem Reiche wieder wünschte, nur lässig unterstützte, wenn er bei ihm Klage führte. 164 )

Freilich, es stand ihm auch nur ein kleiner Teil dessen, was Heinrich der Löwe an tatsächlicher Macht besessen, zu Gebote, da ja der größere Teil des Herzogtums an Philipp von Köln gekommen war. Aber umsomehr hätte er Ursache gehabt, zunächst vorsichtig zu versuchen, in seinem Lande Fuß zu fassen, indem er vor allem zu den Grafen sich gut stellte. Statt dessen ging er in allen Dingen schroff und völlig übereilt zu Werke. Kaum war er ins Land gekommen, so forderte er von seinen Untertanen neue, ganz unerhörte und unerträgliche Steuern. 165 ) Von den Bischöfen verlangte er die Investitur, die sie selbst Heinrich dem Löwen nur nach langem Widerstreben zugestanden hatten. 166 ) Endlich versuchte er, den Grafen Bernhard von Ratzeburg und Gunzel von Schwerin einen Teil ihrer Lehen zu entziehen. Da verbanden sich diese mit Adolf von Holstein. Alle drei zogen vor des Herzogs jüngst aus den Trümmern Artlenburgs erbaute Feste Lauenburg, 167 ) belagerten sie regelrecht unter Anwendung ihrer von Heinrich dem Löwen erlernten Kriegskunst und nahmen sie nach wenigen Tagen ein. Nicht genug damit, suchten sie sich der Macht des Herzogs der nicht imstande war, 168 ) dem offenbaren Aufruhr zu steuern, sondern sich klageführend an den


164) Zur Charakteristik Bernhards I. vergl. Arn. III, 1 u. 4 und Lorecks Aufsatz a. a. O., insbesondere S. 247.
165) Man muß doch wohl bei dieser Auslegung von "novae inductiones" und "novitates" bei Arn. III, 1 u. 4 bleiben, wie sie Lappenberg u. Pertz in ihrer Ausgabe S. 70 Anm. 1 geben. Anders Simson in Giesebr. K. Z. VI S. 594 Anmerkungen zu S. 37/40. - Loreck a. a. O. S. 249 u. 251 meint, daß damit hauptsächlich die Zehntfrage bezeichnet werden solle.
166) Bekanntlich hatte Bischof Isfried von Ratzeburg infolge seiner Weigerung viel vom Herzog zu leiden, Arn. II, 7.
167) Arn. III, 1. Lauenburg hat schwerlich etwas mit dem slavischen Lava [- Elbe] zu tun, wie Loreck S. 251 Anm. 2 meint. Man denke an die Lauenburg im Harz, an Lauenrode u. a. mit Lauen- zusammengesetzte Ortsnamen.
168) Simson a. a. O. S. 594 möchte ,,non v o lens" statt "v a lens" bei Arn. III, 4 lesen. Allein, nach der ganzen Charakteristik, die Arn. von Bernhard gibt, scheint mir das verächtliche "non valens" viel passender. Würde Arn. nicht sonst auch nolens gesagt haben?
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Kaiser wandte, vollends zu entziehen. Sie verjagten die Freunde des Herzogs aus dem Lande. Und zwar wandten sie sich zunächst gegen Nikolaus oder Niklot, den Sohn des 1164 vor Malchow erhängten Wertislav, der mit seinem Vetter Borvin oder Heinrich, dem Sohne Pribislavs und Schwiegersohn Heinrichs des Löwen, um die Herrschaft im Obodritenlande kämpfte und dabei, wie es scheint, von Herzog Bernhard unterstützt wurde. Mit Heeresmacht zogen sie gegen Ilow, drangen bei Nacht und Nebel auf einem geheimen Wege in die Burg, vertrieben die Mutter Niklots, nahmen die Besatzung gefangen und brannten die Feste nieder. Darauf kehrten sie, nachdem sie das Land in der üblichen Weise verwüstet hatten, mit reicher Beute heim. 169 ) Auf die BeschwErbe des Herzogs wurde dann im Dezember des Jahres 1182 auf dem Hoftag zu Merseburg der Streit zwischen ihm und den drei Grafen vom Kaiser dahin entschieben, daß Adolf von Holstein 700 und Bernhard und Gunzel je 300 Mark Pfennige zahlen und alle drei zusammen die zerstörte Lauenburg wieder aufbauen sollten. Das strittige Gebiet jedoch, das Ratkauer Land und die Stadt Oldeslo, behielt der Holsteiner. 170 )

Merkte man schon in diesen Kämpfen unbotmäßiger Vasallen gegen den Herzog das Fehlen der festen Hand des Löwen, dann wurde das noch offenbarer an der immer weiter um sich greifenden Eroberungslust der Dänen, die folgerichtig ihre Hoffnungen an den Sturz des Welfen geknüpft hatten und nun ihre Zeit für gekommen hielten. Kaum hatte Heinrich den Löwen sein Schicksal ereilt, als sie schon ihre Hand nach ganz Slavien ausstreckten. Schon fügten sich ihrem Befehle Bogislav von Pommern und Jarimar von Rügen, und erst durch Knuds, Waldemars I. Sohn, Eingreifen wurde der Streit im Obodritenlande zwischen Nilolaus und Borvin entschieben. 171 ) Ihrer Eroberungslust konnten sie um so ungehinderter folgen, als der Kaiser durch seine zweijährige Abwesenheit von Deutschland verhindert war, sie in die gebotenen


169) Arn. III, 4; vergl. Giesebr. VI, 44 f. Ganz schief sind diese Vorgänge dargestellt bei O. v. Heinemann, Gesch. v. Braunschw. u. Hannover I, 268/9, einem in Einzelheiten überhaupt recht wenig zuverlässigen Buche, v. H. gibt z- B. als Grund der Feindschaft zwischen dem Herzog und den Grafen von Ratzeburg und Schwerin die Erbauung der Lauenburg an.
170) Arn. III, 7. Hinsichtlich Zeit und Ort vergl. Loreck a. a. O. S. 253 Anm. 3 und ebenso Simson in Giesebr. K. Z. VI, 598. Daß diese Entscheidung nicht allzusehr zu Gunsten des Herzogs war, bemerkt Lor. ebenda mit Recht.
171) Arn. III, 4/5.
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Schränken zurückzuweisen und der Herzog sowohl aus persönlicher Unfähigkeit wie aus dem Fehlen der nötigen Machtunterlage nicht imstande dazu war. Es kam hinzu, daß der seines Gebietes verlustig gegangene Welfe, dem das Reichswohl nie sehr am Herzen gelegen, diese Ambitionen seines dänischen Schwiegersohnes mit seinem Rat förderte. 172 ) So darf es uns nicht wundernehmen, daß der Dänenkönig, gereizt durch die beschämende Rücksendung seiner Schwester und seiner Mutter im Jahre 1187, nun offen die Feindseligkeiten gegen den Kaiser und das Reich begann und Anspruch erhob aus Wagrien, Holstein, Stormarn und das Polabenland, also auf ganz Nordalbingien. 173 ) Das bedeutete zwar einst-weilen nur ein Programm; denn noch verhinderte die Anwesenheit des Kaisers in Deutschland die Verwirklichung so ausschweifender Pläne. Doch mußten diese zu gelegener Zeit, wie sie dann die Bürgerkriege zwischen Otto IV. und Philipp von Schwaben boten, wieder aufleben. Einstweilen hatten die Einfälle der Slaven, die Knud gegen diese Gebiete aufhetzte, nur die Folge, daß sich die Grafen um so enger an den Kaiser anschlossen. Nicht an den Herzog; denn der versagte angesichts solcher Aufgaben vollständig. Nicht einmal in seinem eigenen Lande war er fähig, Ruhe und Sicherheit aufrecht zu erhalten, 174 ) geschweige denn, daß er dem konsequenten und energischen Vorgehen der Dänen einen Riegel vorzuschieben vermocht hätte.

Dennoch hielten die so von außen bedrängten Herren keineswegs im Innern Frieden. Sowohl Adolf von Holstein wie Bernhard von Ratzeburg lagen im Streit mit Lübeck wegen der Ausdehnung der Grenzen und anderer Besitzrechte. Daher berief der Kaiser die streitenden Parteien zu seinem Hoftag, den er im September 1188 zu Leisnig - zwischen Dresden und Leipzig - abhielt. Hier schlichtete er den Grenzstreit der Lübecker mit Graf


172) Arn. III, 13 berichtet von einem solchen Verdacht Barbarossas gegen Heinr. d. L. Und dieser scheint nach der ganzen Persönlichkeit des Löwen recht wohl begründet. Es ist nur zu wahrscheinlich, daß er ebenso wie beim zweitenmal auch bei der ersten Verbannung und auch nach seiner Rückkehr im Jahre 1185 dauernd in enger Verbindung mit dem Dänenkönig blieb; jedenfalls glaubte man im Jahre 1189 Heinrichs Rückkehr mit auf den Einfluß Knuds schieben zu müssen, Chron. reg. Coloniens. 8( S. 143. Vergl. Usinger, Deutsch-Dänische Gesch. S. 58/59.
173) Arn. III, 21. Vergl. Using. 59/60. Giesebr. VI, 200.
174) Arn. IV, 7 erzählt von dem Hader zwischen ihm und Heinr. d. L. sowie überhaupt von Räubereien in Sachsen. Vergl. vor allem Loreck S. 255/59; auch Giesebr. VI, 190.
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Bernhard - nur dieser interessiert uns hier - dahin, daß zwischen beiden im Osten die Stepenitz mit der Radegast, im Süden der Ratzeburger See bis Ratzeburg und im Westen die Stecknitz und der Möllner See die Grenze bilden sollten. 175 ) Allem Anschein nach war diese Entscheidung sehr zum Vorteil der Lübecker. Denn ohne daß wir davon hören, daß dieso irgendwelche Anrechte hier erworben hätten, erscheinen sie jetzt in Gebieten, die einst den Ratzeburger Grafen gehört hatten - s. S. 19 u. Anm. 43 -. 176 ) Übrigens bleibt hier eine Unklarheit, wie weit man die Stecknitz als Grenze der Grafschaft zu rechnen hat. 177 ) Als im Jahre 1202 Waldemar der Sieger sich dieser Gebiete bemächtigt hatte, ließen sich die vorsichtigen Lübecker von ihm diese Rechte bestätigen. 178 )

Bei diesen unsicheren Zuständen und der völligen Schwäche des Herzogs ist es nicht verwunderlich, daß man sich allgemein nach der kräftigen Hand des verbannten Welfen sehnte. Als nun im Mai des Jahres 1189 der Kaiser seinen letzten Kreuzzug antrat, da hielt der Löwe, der diese Stimmung bei den Herren Norddeutschlands genau kannte und den ein gegebenes Wort nicht sonderlich kümmerte, die Gelegenheit für günstig, noch einmal sein Glück zu versuchen, um zumindest das Herzogtum Sachsen wiederzugewinnen. Von Erzbischof Hartwig II. von Bremen, der durch dieses Bündnis sein verlorenes Ansehen wiederherzustellen hoffte, mit offenen Armen aufgenommen und mit der Grafschaft Stade belehnt, bemächtigte sich Heinrich der Löwe mit Hülfe der Holsten und Stormarn zunächst der Grafschaft des mit dem Kaiser gezogenen Adolf III., seines alten Gegners. Sofort fielen ihm auch seine früheren Freunde, vor allem Graf Bernhard von Ratzeburg, der, wie es scheint, alle von ihm erlittene Unbill völlig vergessen hatte, Graf Bernhard von Wölpe und Helmold von Schwerin, Gunzels Sohn, zu. Mit deren kräftiger Unterstützung belagerte er zunächst Bardowiek, gegen das er aus den Tagen seiner Achtung tiefen Groll hegte. Am 28. Oktober, dem Tage Simonis und Judä,


175) Urk. vom 19. Sept. 1188, M. U.-B. I, 143 nach. Lüb. U.-B. I S. 9; vergl. Stumpf R. K. 4502.
176) Von dieser Abgrenzung blieben unberührt die Gebiete des Ratzeburger Bischofs, Boitin und das Land links der Stecknitz, M. U.-B. I, 154 S. 153.
177) Siehe die Karte!
178) M. U.-B. I, 173. Natürlich ist der Graf Bernhard, der hierbei erwähnt wird, Bernhard I., nicht, wie M. U.-B. IV, Pers.-Reg. S. 121 fälschlich angenommen, Bernhard II.
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wurde diese seit alters berühmte Stadt völlig zerstört. 179 ) Dann zog er vor Lübeck, wohin sich der Verweser Holsteins, Graf Adolf von Dassel, mit der Mutter und Gattin Adolfs von Holstein geflüchtet hatte. Doch ergaben sich die Lübecker aus Furcht, das Schicksal Bardowieks teilen zu müssen, ohne Schwertstreich, wobei sie nur freien Abzug für Adolf von Dassel und die holsteinischen Gräfinnen zur Bedingung machten. Hierher legte der Herzog eine welfische Besatzung unter Bernhard von Ratzeburg, Helmold von Schwerin und dem Truchseß Jordan von Blankenburg, die den Winter über in Lübeck blieb. 180 ) Mitte Dezember ergab sich auch Lauenburg, der Hauptstützpunkt Herzog Bernhards, und erhielt eine welfische Besatzung. 181 )

So war Heinrich der Löwe bereits wieder im Besitz ganz Nordalbingiens bis auf Segeberg, der festesten Burg des Grafen Abolf. Als er nun diese durch Walter von Baldensele 182 ) belagern ließ, fielen plötzlich die Holsten und Stormarn, die ihren Verrat am Grafen Abolf bereuten, von ihm ab und verhinderten so die Einnahme der Burg. Damit wandte sich das Blatt wieder. Adolf von Dassel kehrte zurück und brachte, als im Mai des folgenden Jahres die lübische Besatzung auszog, um die Holsteiner für ihren Abfall zu strafen, dieser nahe bei Lübeck eine empfindliche Niederlage bei. Mit knapper Not entrann der Ratzeburger Graf der Gefangenschaft, während Helmold von Schwerin und der Truchseß Jordan in sicheres Gewahrsam nach Segeberg gebracht wurden. 183 ) Wenn nun auch der Welfe, durch diese Unglücksfälle zur Nachgiebigkeit gestimmt, Frieden mit dem jungen Heinrich VI. schloß, 184 ) war er doch keineswegs gesonnen, die Bedingungen desselben zu erfüllen, sondern benutzte die Abwesenheit des Königs, um nach wie vor das Land des Holsteiner Grafen zu beunruhigen. 185 )


179) Annal. Stadens. MG SS XVI, 351; Sächs Weltchron., ed. Weil. S 234 - Es ist ja bekannt, daß der Handel Bardowieks infolge der Konkurrenz Lübecks bereits vorher zurückgegangen war.
180) Das geht aus dem Folgenden bei Arn V, 2 hervor.
181) Annal. Stederburg. MG SS XVI, 221.
182) Nach Lappenberg in seiner Arnold-Ausg. 8( S. 149 Anm. 1 Groß-Bollensen bei Bobenteich. Näheres über diese Edelherrenfamilie gibt C. L. Grotefend in Zeitschr. des hist. Ver. f. Niedersachsen 1852, S 209 ff.
183) Interessant ist hier Arnolds Erzählung, daß Jordan v. Blankenburg, der dem Range nach doch unter dem Schweriner Grafen steht, das doppelte Lösegeld geden muß, "quia pecuniosus erat".
184) Im Juli 1190 zu Fulda, Loreck S. 265; vergl. Toeche, Jahrbb. unt. Heinr. VI. S. 125.
185) Arn. V, 3 Schluß.
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Dieser war auf die Kunde von den Vorgängen in seinem Lande in Tyrus umgekehrt, hatte König Heinrich in Schwaben getroffen und von ihm das Versprechen seiner Unterstützung erhalten. Als er jedoch zu seiner Stammburg gelangte, mußte er die Unmöglichkeit erkennen, seine Grafschaft zu erreichen; denn an der Elbe hinderte ihm der Herzog selbst, von Slavien aus dessen Schwiegersohn Borvin den Zutritt. Er wandte sich daher an den Herzog Bernhard und dessen Neffen, den Markgrafen Otto II. von Brandenburg. Diese beiden geleiteten ihn mit Heeresmacht nach Artlenburg, wohin ihm die Anhänger aus seiner Grafschaft unter Führung Adolfs von Dassel entgegenkamen.