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III.

Schwesterglocken aus dem Mittelalter

im

Großherzogtum Mecklenburg=Schwerin und dem
Königreich Dänemark

von

F. Uldall , Architekt, Randers (Dänemark).


S eit einer Reihe von Jahren beschäftige ich mich mit dem Studium dänischer Kirchenglocken, namentlich solcher, die aus dem Mittelalter herrühren. Beim Lesen des ausgezeichneten Werkes von Professor Dr. Fr. Schlie: "Die Kunst= und Geschichts=Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg=Schwerin" entdeckte ich, daß eine nicht geringe Anzahl von unseren Glocken in Dänemark Schwesterglocken von denen sind, die sich im Großherzogtum befinden. so wie auch in den Herzogtümern Schleswig und Holstein und in Lübeck Glocken vorkommen, mit denen dies der Fall ist. Auch Schonen gibt Veranlassung zum Vergleich. Um über dieses Verhältnis Klarheit zu gewinnen, unternahm ich in den Jahren 1901-1902 mehrere Reisen nach Mecklenburg=Schwerin, um durch genaue Untersuchungen an Ort und Stelle wenigstens einen Teil der betreffenden Glocken kennen zu lernen und von deren Inschriften, Reliefs und Gießerzeichen Abdrücke zu nehmen. Da ich mir gedacht habe, daß es für die Allgemeinheit vielleicht von Interesse sein könnte, eine Abhandlung über die genannten Verhältnisse zu besitzen, erlaube ich mir, hierdurch nachstehende Auskunft über dergleichen mecklenburg=schwerinsche

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und dänische Schwesterglocken zu geben, und ich denke, daß diese die Beweise für die Richtigkeit meiner Auffassung enthalten wird. Ich bemerke, daß alle Maße in Metern angegeben sind und daß die Krone bei der Höhe mitgerechnet ist. * )

A.

1. Der erste Name, der mich besonders interessiert hat, ist "Bertelt van der Rit". (Siehe Schlie, Bd. III, S. 88 unten.) Dieser Mann hat 1468 die kleinste - jetzt gesprungene und nicht mehr gebrauchte - Glocke in Vellahn gegossen, deren ganze Höhe 0,56, Durchmesser unten 0,47 ist, und deren Inschrift bei Schlie gegeben ist. Indem ich hierauf verweise, bin ich nur so frei, zu erwähnen, daß nicht "da ghot", sondern "do ghot" dasteht, daß das kleine (0,045 hohe) Relief von der Madonna mit dem Christkinde gewiß ein Abdruck eines Pilgerzeichens ist, das die Ösen, womit es an der Kleidung befestigt gewesen ist, verloren hat, und daß die Glocke einen Abdruck von mehreren kleinen Münzen, darunter Brakteaten, zeigt. Von größerer Bedeutung scheint mir doch das Gießerzeichen. (Schlie III, 88). Bei Vergleichung zeigt es sich nämlich, daß dies Zeichen schon 1390 benutzt ist an 2 der zweitgrößten Glocke, der "Sonntags "= oder "Marienglocke" im Dom zu Lübeck, dem heiligen Nikolaus geweiht.

Gießerzeichen

Bertelt van der Rit muß also mutmaßlich ein jüngeres Glied eines älteren Gießergeschlechts sein. Von einem solchen älteren Gießer, der sich t bezeichnet, sind jedenfalls außer der Lübecker Glocke noch zwei andere bewahrt, nämlich im Dom zu Schleswig, die weiter unten beschrieben werden. Die Höhe der "Marienglocke" im Dom zu Lübeck ist 1,42 (außer den ursprünglichen Henkeln, die leider ganz beseitigt und durch gußeiserne Röhren mit großen Engelsköpfen ersetzt sind), ihr größter Durchmesfer 1,57. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,090 und ist von 2 Rundstäben begrenzt. Eigentümlich an der Inschrift dieser Glocke ist, daß sie teils in sehr großen Minuskeln mit Initialen, welche letztere mit Ornamenten verziert sind, und teils in weit kleineren Majuskeln ausgeführt ist. Diese letzteren hat der Gießer benutzt, wo am Schluß der Inschrift der Platz knapp geworden ist. Er hat dann die Methode angewendet, das große Schriftband in zwei kleinere zu teilen, jedes mit feiner Zeile. Der An=


*) Die von dem Verfasser in sog. Glockenpapier hergestellten Abdrücke der besprochenen und einiger nicht zur Besprechung gelangter Glocken werden im Großh. Geh. und Hauptarchiv aufbewahrt. (Grotefend.)
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fang der Inschrift wird durch ein großes gleicharmiges Kreuz mit spiralförmig aufgerollten Enden angedeutet. Sie lautet:

Inschrift

Das Gießerzeichen steht über dem Buchstaben des Gießers t , aber außerhalb des eigentlichen Schriftbandes in einem ca. 0,030 breiten Bande, das oben durch einen Rundstab abgeschlossen ist.

Gießerzeichen

Die Glocke zeichnet sich in hohem Grade durch die vier sehr großen Bilder aus, die auf dem Glockenkörper angebracht und in den "Mantel" so eingezeichnet sind, daß sie zu zweien zusammen stehen. Auf der einen Seite sieht man Johannes den Täufer mit dem Lamm Gottes mit dem Kreuz. Er ist angetan mit dem Kleid von Kamelhaaren, das ihm bis an die nackten Füße reicht, über diesem trägt er einen kürzeren, faltenreichen Mantel. Der Täufer hat bloßen Kopf mit kräftigem Haarwuchs und starkem Bart. Neben ihm sieht man die Madonna, das nackte Christkind (ohne Glorie) auf dem linken Arm tragend. Sie hat eine prachtvolle Krone mit gotischen Blättern und Edelsteinen auf dem Haupt, ein Schmuck hält das Kleid über der Brust zusammen, und in der rechten Hand hält sie das Lilienzepter. Die beiden Figuren haben eine Höhe von etwa 0,75. An der entgegengesetzten Seite der Glocke stehen zwei sehr charakteristische Bischöfe neben einander. Nur der zur Linken - mutmaßlich der Schutzheilige der Kirche St. Nikolaus - trägt den Bischofsstab in der rechten Hand und hebt die linke segnend gegen den anderen, der einen Fisch (?) vor sich trägt. Diese Bilder haben eine Höhe von etwa 0,82. Den Schlagring ziert ein 0,041 breiter Fries von hübschen Blattornamenten, die noch an den romanischen Stil erinnern. Der Fries ist von zwei Rundstäben eingeschlossen.

Die beiden Glocken im St. Petersdom zu Schleswig sind schwer zugänglich, weshalb es notwendig war, ein Gerüst zu bauen, um sie untersuchen zu können. Ihre Oberfläche ist plan. Die Henkel stehen weit auf diese hinaus und sind mit doppelter Tauwindung versehen. Zwischen je zwei Henkeln befindet sich eine grobe, scharfe Rippe. Das Schriftband am Halse begrenzen doppelte Rundstäbe, und über dem Schlagring befinden sich drei

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solche, der mittlere ist der größte. Die Unterfläche steigt nach innen etwas aufwärts, bildet aber noch eine Ecke mit der bogenförmigen Innenfläche. Die Lettern sind im Profil bogenförmig.

3. Schleswiger Dom, die zweitgrößte Glocke, "Marienglocke", hat eine Höhe von im ganzen 1,52, während der größte Durchmesser 1,37 ist. Die Breite des oberen Schriftbandes ist 0,068, und es enthält untenstehende Inschrift; das untere, welches leer und ebenfalls unten von einem doppelten Rundstab begrenzt ist, hat eine Breite von 0,033.

Inschrift

4. Die größte der Schlagglocken, die "Stundenglocke", 1,15 zu 1,00. Das obere Schriftband, worin die Inschrift angebracht ist, hat eine Breite von 0,057, das untere, leere nur 0,017. Dieses Band ist unten wie an der letztgenannten Glocke geschlossen. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Sie füllt nicht das ganze Schriftband aus, den rückständigen Teil nimmt ein an den romanischen Stil erinnerndes Blätterornament ein. Dies geht vom Buchstaben t aus. Die Glocke ist also 1397, im Jahr nach der "Marienglocke", gegossen. Auffällig ist es, daß der Gießer an der Glocke in Lübeck von 1390 für den größten Teil der Inschrift Minuskeln verwendet, während er an den beiden jüngeren Glocken von 1396 und 1397 im Schleswiger Dom ausschließlich die älteren Schriftzeichen, die Majuskeln, anbringt. An keiner der beiden letzterwähnten habe ich das Gießerzeichen gefunden.

B.

Mehrere Glocken in Mecklenburg=Schwerin haben das Gießerzeichen: Professor Schlie zeigt dies Zeichen an Glocken in folgenden Kirchen: Brenz, Dütschow (zwei Stück), Steffenshagen, St. Georg in Parchim (zwei Stück), Zieslübbe und Greven. * ) Sieben von diesen Glocken fehlt die Inschrift. Nur an einer einzigen Glocke der obengenannten Gruppe, nämlich

Gießerzeichen

*) Siehe III. Bd., S. 299, 306 u. 528, und IV. Bd., S. 441, 472 u. 558.
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der in Steffenshagen von 1379, nennt der Gießer seinen Namen

Inschrift

Ihre Inschrift ist nach genanntem Verfasser in Majuskeln, weshalb wohl anzunehmen ist, daß sie zu den ältesten Glocken des Gießers gehört. Mehrere von diesen habe ich das Glück gehabt untersuchen zu können, zuerst:

5. Brenz, die größte Glocke, 0,97 zu 0,92. Die Oberfläche steigt etwas aufwärts. Die Henkel sind achteckig, und zwischen je zwei derselben befindet sich eine scharfe Rippe. Die Haube ist karnisförmig, und über dem Schlagring befindet sich eine einfache kleine Leiste. Das Schriftband am Halse, das eine Breite von 0,064 hat, ist von zwei gewundenen Rundstäben begrenzt, die von wirklichen Schnüren gebildet sind, welche man um das Modell eingelegt hat. Im Schriftbande stehen der Reihe nach folgende Darstellungen, alle im Relief:

a) die Jungfrau Maria, die der St. Katharina den Ring überreicht. Beide Figuren halten einen Ring in der Hand. Zwischen diesen ist merkwürdig genug das Relief eines Hundes (?) in schnellem Lauf und mit weit aufgesperrtem Rachen eingeschoben.

b) Ein sogenannter "Vierpaß", in dessen Mitte der Kopf eines Mannes.

c) Ein Medaillon, 0,055 im Durchmesser. In diesem sieht man eine sitzende Figur, die eine Kugel in der rechten und einen Blumenstengel (Zepter) in der linken Hand zu halten scheint. Die Figur ist bekleidet.

Darauf folgen die Symbole der vier Evangelisten, ebenfalls in Medaillons, die einen Durchmesser von etwa 0,042 haben, in folgender Ordnung:

d) St. Lucas,
e) St. Marcus,
f) St. Matthäus und
g) St. Johannes.

In jedem Medaillon steht der betreffende Name.

h) Ein Medaillon, 0,051 im Durchmesser. In diesem sieht man die heiligen drei Könige, in einer Reihe sitzend. Über dem Kopfe des mittleren befinden sich ein Halbmond und ein Stern. Unter letzterem Medaillon ist das Gießerzeichen in den Mantel mit ziemlich feinen Linien eingeritzt. Die bogenförmige Grundlinie, auf der das Kreuz steht, ist doppelt, wodurch sie sich ein wenig einem Halbmond nähert.

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Ein Vergleich zwischen meiner Beschreibung der Reliefs und den Mitteilungen des Prof. Schlie über die Glocke wird dartun, daß sein Gewährsmann in diesem Fall nicht die rechte Auffassung von der Bedeutung der verschiedenen Figuren gehabt hat.

Nach dieser Glocke folgt am natürlichsten

6. Dütschow, die große Glocke, die in hohem Grade an die vorhergehende erinnert, sodaß man bei dem ersten Anblick sieht, daß sie Geschwister sind. Ihre ganze Höhe beträgt ungefähr 0,95 und ihr größter Durchmesser 0,86. Die Oberfläche steigt bogenförmig ziemlich stark aufwärts. Die etwas schmächtigen achteckigen Henkel stehen weit in die Oberfläche hinein. So wie an der Brenner Glocke befindet sich hier eine scharfe Rippe zwischen je zwei Henkeln, aber die Dütschower Glocke zeigt die große Seltenheit, daß sich an derselben außerdem eine ähnliche, aber nur kurze Rippe befindet, die von jeder der kurzen Seiten des Mittelbogens ausgeht und an den Henkel stößt, der demselben gerade gegenübersteht. Auf diese Weise bekommt die Glocke im ganzen 8 Rippen auf ihrer Oberfläche. Die Haube ist hier etwas einfacher geformt als in Brenz, dagegen entspricht die Leiste über dem Schlagring derjenigen an der letztgenannten Glocke. Das Schriftband am Halse, dessen Breite 0,069 beträgt, ist auch hier von zwei Schnüren begrenzt. Es enthält folgende Reliefs:

a) Die Jungfrau Maria, die der heil. Katharina den Ring überreicht. Die Darstellung entspricht ganz der soeben beschriebenen, nur stehen die Figuren hier dicht neben einander, ohne den trennenden Hund (?).

b) Ein Medaillon mit dem Symbol des Evangelisten Johannes.
c) Ein Medaillon mit den heiligen drei Königen.
d) Ein Medaillon mit dem Symbol des Evangelisten Lucas.
e) Ein Medaillon, 0,025 im Durchmesser, mit Christus am Kreuz und Maria und Johannes daneben. Der Gekreuzigte ragt über das Medaillon empor, dessen Original ist daher vielleicht als Pilgerzeichen getragen worden.

f) Ein Medaillon mit dem Symbol des St. Marcus.
g) Ein Vierpaß, in dessen Mitte der Kopf eines Mannes, und
h) das Symbol St. Matthäi in Medaillon.

Die Anzahl der Rundbilder, die Professor Schlie angibt, stimmt nicht ganz mit der tatsächlichen, die Jungfrau Maria trägt kein Christkind, und es ist mir nicht möglich gewesen, an dieser Glocke ein Gießerzeichen zu entdecken.

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7. Dütschow, die kleine Glocke, 0,75 zu 0,64. Die Oberfläche geht in ebener Steigung etwas aufwärts. Die Henkel, an der äußeren Seite mit einer doppelten Tauwindung geziert, sind an der inneren eckig. Vom Mittelbogen gehen 6 kurze scharfe Rippen aus. Die Haube ist karniesförmig. Das 0,026 breite, leere Schriftband am Halse ist wie an der letztgenannten Glocke des Gießers von einem paar Schnüre eingeschlossen. Auch hier bildet eine einfache kleine Leiste den Übergang vom Glockenkörper zum Schlagring. Das Gießerzeichen, in den Mantel eingeritzt, steht auf der Mitte des Glockenkörpers gegen Süden.

Den genannten Glocken in dieser Gruppe kann ich noch ein paar beifügen, von diesen ist die älteste:

8. Schloß Plön in Holstein, die große Schlagglocke, 1,10 zu 1,05. Die Hauptform der Henkel ist im Durchschnitt ein Achteck, aber eine doppelte Tauwindung ziert die vordere Seite, wie an der kleinen Glocke in Dütschow. Zwischen je zwei Henkeln befindet sich eine ziemlich kurze scharfe Rippe. Der Übergang vom Glockenkörper zum Schlagring ist gebildet wie vorher erwähnt. Die Glocke ist grob gegossen, und die Minuskeln der Inschrift stehen ziemlich unregelmäßig. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,050. Hier befinden sich keine Schnüre, dagegen ist das Band von 2 paar flachen Randleisten eingefaßt. Den Anfang der Infchrift gibt ein großes, einfaches, gleicharmiges Kreuz an. Sie lautet:

Inschrift

An dem oberen Teil des Glockenkörpers stehen 4 Medaillons mit den Symbolen der Evangelisten. Sie sind bedeutend kleiner als in Brenz und Dütschow und haben einen Durchmesser von nur etwa 0,038. Außerdem sind sie weit undeutlicher als jene, und eins davon scheint im Guß ganz mißlungen zu sein. Das Gießerzeichen steht am Glockenkörper gegen Südwesten; es ist hier etwas größer (0,195 hoch und 0,118 breit) als an obengenannten Glocken. * ) Es hat gewiß ein Interesse, zu sehen, daß derselbe Mann, der sich 1379 an der Glocke in Steffenshagen Gießerzeichen nennt, sich nur 5 Jahre

Gießerzeichen

*) Dasselbe Gießerzeichen beobachtete Haupt nach Bau= und Kunstdenkm. der Prov. Schleswig=Holstein Bd. II, S. 533, auch in Eichede (in Holstein) an einer Glocke ohne Schrift. (Grotefend.)
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später "frater Johannes" schreibt. Es scheint uns zu zeigen, daß der Gießer inzwischen ins Kloster gegangen ist. - Noch einmal begegnet uns der "frater Johannes" - doch nicht unter seinem Namen, sondern nur am Zeichen kenntlich - an einer Glocke, die sich durch ihre ganze Ausführung weit über die soeben beschriebenen hervorhebt, und dies ist:

9. Lübeck, St. Katharinenkirche, wo sie im Dachreiter hängt und jetzt die einzige ist. Ihre ganze Höhe ist 0,87 und der größte Durchmesser 0,72. Die Henkel, von denen einer abgebrochen ist, stehen weit in die Oberfläche hinein, und diese hebt sich ziemlich stark in einer Steigung schräg aufwärts. Sie sind achteckig, und vom Mittelbogen sind 6 scharfe Rippen ausgegangen, von denen zwei weggestemmt sind, um den zwei Muttern, welche die in neuerer Zeit angebrachte Öse des Klöppels halten, Platz zu geben. Die Haube ist karniesförmig. Die gewöhnliche kleine Leiste trifft man auch hier über dem Schlagring. Die Glocke bekommt ein sehr zierliches Aussehen durch ihr 0,081 breites Schriftband am Halse. Dasselbe wird von einem paar Rundstäben begrenzt und enthält die Inschrift mit ihren sehr großen Minuskeln und einzelnen Initialen. Die Buchstaben sind durch Ausschneiden aus flachen Wachstafeln und Ankleben an das Modell hergestellt. Auf dieselbe Weise ist wahrscheinlich auch das Weinblatt, das uns den Anfang der Inschrift zeigt, ausgeführt. Die Inschrift lautet:

Inschrift
Gießerzeichen

Die Glocke stammt also aus dem Jahre 1399. In dem Schriftband selbst befinden sich 3 Reliefs, die als Interpunktionszeichen benutzt sind. Ich möchte mich namentlich über das erste derselben näher aussprechen, da eine ganz ähnliche Darstellung mehrmals an Glocken aus dem späteren Mittelalter hier in Dänemark vorkommt, und weil ich bei keinem Verfasser bisher die richtige Erklärung dafür gefunden habe. - Prof. Schlie erwähnt die Glocke in Teutenwinkel von 1402 * ), die 1889 umgegossen wurde, und von der das Großherzogliche Museum einen Gipsabguß besitzt. Leider konnte ich diesen nicht sehen, als ich die Freude hatte, unter der Leitung des Direktors, des Herrn Prof. Schlie, dessen Tod ich lebhaft bedauere, im Jahre 1901 das Museum zu besuchen; aber ein Vergleich zwischen meinem


*) I. Bd., S. 344.
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Abdruck der Inschrift von St. Katharina in Lübeck und dem Riß mit Beschreibung der Teutenwinkeler Glocke in Schlies Werk sagt mir, daß letztgenannte Glocke auch ein Werk des "frater Johannes" sein muß, dessen Zeichen sie auch zeigt. Schlie sagt: "und zuletzt drei zu einem Dreieck verbundene Abdrücke von Münzen, von denen die beiden oberen eine kreuzartige Bekrönung tragen." Ich habe die Überzeugung, daß hier nicht mit Recht von Münzen die Rede sein kann, sondern daß das Original, wonach der Abdruck geniacht ist, eine ganz andere Bestimmung gehabt hat. Ich kehre darauf zu der Glocke in der St. Katharinen=Kirche in Lübeck zurück.

Man sieht hier bei dem Relief, das nach "Anno" folgt, daß es nur scheinbar einige Ähnlichkeit mit Münzen hat. Schon die Kreuze, mit denen die beiden oberen Kreise gekrönt sind, würden den betreffenden Gegenstand zu einem Zahlmittel ganz unbrauchbar gemacht haben. Das Ganze hat von vornherein und in dem Augenblick, als es dazu benutzt wurde, ein Relief an der Glocke zu bilden, eine Einheit, ausgemacht, und wurde, an den Kleidern festgenäht, als Pilgerzeichen getragen. Man bemerke die drei kleinen feinen Dreiecke in den Ecken, wo die Kreise zusammenstoßen. * ) Diese Dreiecke wurden zweifelsohne zum Festnähen benutzt. In jedem der drei Kreise sieht man ein kleines Relief. Ich bin der Meinung, daß diese Darstellungen, die, wie klein sie auch sein mögen (Durchm. 0,017), sehr wohl zu erkennen sind, nur zur Leidensgeschichte des Heilandes gehören können, indem die untere den Erlöser an den Marterpfahl gebunden, die obere links den Gekreuzigten und die obere rechts den Auferstandenen mit der Siegesfahne darstellt. Auf diese Weise gesehen, scheint es mir, daß die Kreuze, welche oben die beiden oberen der sogenannten Münzen abschließen, ihre volle Berechtigung erhalten. ** )

Nach dem Worte "domini" folgt ein Medaillon, 0,025 im Durchmesser, den Kopf Christi mit der Kreuzglorie zeigend, und nach der Jahreszahl dasselbe Medaillon mit den heiligen drei Königen, das wir von den Glocken in Brenz und Dütschow kennen. Nach letztgenanntem Medaillon folgt das Gießerzeichen,


*) In der Abbildung bei Schlie aus Teutenwinrel etwas zu rundlich gezeichnet.
**) An drei Glocken in Dänemark und einer im Herzogtum Schleswig, alle aus dem späteren Mittelalter, kenne ich ganz ähnliche Zeichen mit den beiden Kreuzen auf den beiden oberen Kreisen und mit Ösen zum Befestigen in den Ecken. Diese Zeichen sind jedoch ein wenig kleiner, als das oben beschriebene aus Lübeck.
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das also hier gegen die Gewohnheit des Gießers im Schriftband selbst angebracht ist, wo es in den Mantel eingeritzt ist. Daran schließt sich unmittelbar wieder der Anfang der Umschrift, dessen blattförmiges Kreuzzeichen dem der Glocke von Teutenwinkel völlig gleich ist.

An dem oberen Teil des Glockenkörpers stehen Medaillons mit den Sinnbildern der 4 Evangelisten, die zum Teil denen auf der letztgenannten Glocke verwendeten entsprechen und dieselbe Größe haben wie diese. Endlich befinden sich hier zwei Bilder im Umriß:

a) Die Schutzheilige der Kirche, St. Katharina, die eine Höhe von 0,246 hat. Sie ist mit einer großen gotischen Krone auf dem Kopfe, um welche eine Glorie, einem Rad in der rechten und dem Schwert in der linken Hand, dargestellt; letzteres mit der Spitze gegen die Erde gekehrt. Die Tracht ist sehr faltenreich.

b) Ein Mönch mit Kutte und Geißelstrick. Die ganze Höhe der Figur beträgt 0,232. Er trägt Tonsur, Glorie um den Kopf, einen (anscheinend geflügelten) Kreuzstab in der rechten und ein geschlossenes Buch in der linken Hand. Die Figur stellt entschieden den heil. Franziskus vor, denn das Katharinenkloster gehörte dem Franziskanerorden an.

10. Allesö auf Fünen. Die Glocke dieser Kirche, 1453 gegossen und somit etwas jünger als die vorhergehenden, scheint mit diefen in einer gewissen Verbindung zu stehen, indem das Gießerzeichen sehr an das auf diesen benutzte erinnert.

Gießerzeichen

Es hat nämlich nebenstehende Form. Die Glocke, deren ganze Höhe 0,96 und deren Durchmesser 0,87 beträgt, ist schön gegossen und die Oberfläche plan. Die Henkel sind achteckig und ihre drei Vorderseiten gehöhlt. Zwischen je zwei Henkeln befindet sich ein Kreuz, das in drei Kugeln endigt (zum Teil mit spitzen Punkten). Die Kreuze reichen bis nahe an den Umkreis der Oberfläche. Über dem Schlagring befinden sich drei feine Rundstäbe. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,047 und ist von 2 Paar solcher Stäbe begrenzt. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die Inschrift muß vermutlich gedeutet werden:

help got vnde maria 1453,

indem "m" sowohl "maria" als "millesimo" gelesen werden muß. Die Buchstaben füllen nicht das ganze Schriftband, sondern

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hinter dem m ist ein Raum von etwa 0,18 leer und nach der Jahreszahl wird ein Teil des sonst leeren Platzes von zwei verschiedenen Ornamenten eingenommen, von denen das eine eine Art Blume, das andere ein Zweig ist. An der Westseite des Glockenkörpers steht das oben gezeigte Gießerzeichen, das aus freier Hand in eine Wachstafel geschnitten und auf dem Modell angebracht ist, vor dem Zeichen ein " A ", das als Anfangsbuchstabe des Namens des Gießers angenommen werden muß.

C.

Professor Schlie nennt eine Anzahl Glocken, die das Gießerzeichen zeigen.

Gießereichen

Diese sind in Diedrichshagen(1451), Mühlen=Eichsen (1455), Sülstorf (1452), Vellahn und Jürgenstorf (beide ohne Jahr) * )

Von diesen habe ich die Glocken in Diedrichshagen, Mühlen=Eichsen und Vellahn untersucht und einen Abdruck der Inschrift angefertigt. Auf keiner der Glocken gibt der geschickte Gießer seinen Namen an. Er hat, wie wir später sehen werden, eine ähnliche Anzahl Glocken in Dänemark gegossen.

11. Diedrichshagen, die größte Glocke, 1,28 zu 1,18. Die Oberfläche steigt in schräger Richtung schwach aufwärts gegen den Mittelbogen. Die ovale Öffnung desselben ist unten durch eine gerade Linie abgeschlossen. Die Henkel zeigen vorne vier ein wenig gehöhlte Seiten; hinten sind sie abgerundet. Zwischen je zwei Henkeln ist eine scharfe Rippe, die in einem Kreuz mit drei Kugeln endigt. Die Haube bildet einen flachen Boden. Über dem Schlagring drei Leisten dicht neben einander, sie haben ein etwas zugespitztes Profil. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,069 und ist von zwei Paar flachen Randleisten umgeben. Der Anfang der Inschrift wird durch ein Initial angegeben, und die einzelnen Wörter sind ziemlich weit ausein=


*) Siehe II. Bd. S. 414, 504 und 676, III. Bd., S. 88, und V. Bd., S. 167. (Nach den Bau= und Kunstdenkm. im Regierungsbezirk Stettin, S. 209 und 257, sind in Krien und Wietstock Glocken mit dem gleichen Gießerzeichen ohne Jahr. Die dort S. 40 und 76 erwähnten Glocken scheinen von dem auch bei Schlie, Bd. V, S. 144 und S. 310 auftretenden jüngeren Meister mit dem herzustammen.
Gießerzeichen
Aus Bützow nennt Schlie IV, 64 eine Glocke von 1486 mit dem obigen reichen, nur daß die gekreuzten Linien etwas gekrümmt sind. (Grotefend.)
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ander gestellt, weshalb keine Punkte, Kreuze, noch andere besondere Trennungszeichen verwendet sind. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Ich lese also die Inschrift in etwas anderer Reihenfolge, als Prof. Schlie, indem ich Gewicht auf das genannte Initial " A ", sowie auf den Umstand lege, daß das "o" vor "rex" mit Minuskeln steht und das Gießerzeichen, wenn es in das Schriftband aufgenommen ist, gewöhnlich zuletzt kommt.

12. Mühlen=Eichsen, die größte Glocke, 1,42 zu 1,31. Die oben beschriebenen Kennzeichen von der Diedrichshagener Glocke sehen wir auch an dieser, doch ist zu bemerken, daß die Haube von drei Rundstäben geziert ist, die wagerecht neben einander liegen und die bogenförmige Fläche in zwei ungefähr gleich große Teile teilen. Das Schriftband hat eine Breite von 0,084 und ist hier begrenzt wie an der Diedrichshagener Glocke. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Aus dem Abdruck ist deutlich zu sehen, daß die Glocke 1445 und nicht, wie bei Schlie angegeben, 1442 gegossen ist. Als Trennungszeichen sind an drei Stellen in der Inschrift ein Paar Punkte gebraucht, deren unterer in einen Schwanz ausgeht. Das Gießerzeichen ist hier in den Glockenkörper eingeritzt.

13. Vellahn, die "mittlere Glocke" oder "Abendglocke", 0,83 zu 0,74. Die Oberfläche ist plan. Auf derselben sind sechs Kreuze, welche vom Mittelbogen ausgehen und in Kugeln endigen. Die Glocke hat jetzt nur vier Henkel, die auswendig eckig und inwendig abgerundet sind. Die drei vorderen Seiten sind gehöhlt. Die Öffnung im Mittelbogen ist wie ein Eirund ohne Abkürzung unten gebildet. Die Haube ist wie an der Diedrichshagener Glocke. Über dem Schlagring 3 Rundstäbe mit kleinen Zwischenräumen. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,044 und ist begrenzt wie an den beiden letztgenannten Glocken. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die Inschrift enthält also den Anfang des Engelgrußes; eine Jahreszahl ist aber nicht zu finden. Die einzelnen Wörter

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werden durch gleicharmige, an den Enden der Arme verzierte Kreuze getrennt. Das Gießerzeichen steht am Glockenkörper gegen Nordosten und ist mit feinen Linien in den Mantel geritzt.

Es ist notwendig, des folgenden wegen, eben hier ein Gießerzeichen zu erwähnen, das Prof. Schlie in seinem Werk an einein Paar Glocken nennt, nämlich Prestin (1478) und Lanken (1477) * ) und das dies Aussehen hat:

Gießerzeichen

Auch an diesen Glocken ist der Name des Gießers nicht angegeben. Von denselben habe ich Gelegenheit gehabt, zu untersuchen in

14. Lanken, die zweitgrößte Glocke, 1,00 zu 0,97. Ihre Oberfläche ist plan. Die Vorderseite der Henkel ist mit einer doppelten Tauwindung geziert, die unten in einer Maske endigt. Die Öffnung des Mittelbogens hat die Form eines sehr spitzen Eirunds. Dessen kurze Seiten sind mit einem Paar dreieckiger, wagerecht liegender Vorsprünge versehen. Zwischen je zwei Henkeln geht vom Mittelbogen ein Kreuz aus, das in Kugeln endigt, die eine sehr scharfe Spitze haben. Auf den breiten Seiten setzen die Rippen sich als eine Verstärkung bis zu zu der Öffnung hinauf fort. Die Haube bildet einen flachen Bogen. Über dem Schlagring sieht man drei rechtwinkelige Leisten dicht über einander liegen. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,052 und ist von einein Paar Rundstäben eingeschlossen. Die Inschrift lautet:

Inschrift

In dem Worte "ihesvs", das verkürzt ist, wo es das erste Mal vorkommt, hat der Gießer ein sehr schlechtes h gemacht, das aber nur wenig sich von dem h in "help" unterscheidet, und darum als h unverkennbar ist. Prof. Schlie hatte "chs" gelesen, allein, wie der Abdruck ausweist, steht nicht so da. Dagegen steht nach "ihs" ein von Schlie übersehenes "n", das verkürzte "nazarenus", das bekanntlich auch gewiß nie eben in dieser Verbindung ausgelassen ist. Die letzten Wörter werden von einander durch ein kleines, wagerecht liegendes ° getrennt. An zwei Stellen in der Inschrift sind Reliefs eingeschoben, deren Originale Pilgerzeichen gewesen sind. Das erste Relief, das nach "rex" folgt, hat eine Höhe von 0,048 und eine Breite von 0,020. Der Rahmen endigt oben giebelförmig und mit einem Kreuz in der Mitte, wie auch ein solches an jeder der Seiten zu sehen ist.


*) Siehe III. Bd., S. 352 und IV. Bd., S. 555.
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Das Bild zeigt eine einzelne Figur, vielleicht den gekreuzigten oder auferstandenen Jesus (?). Das zweite, das gleich nach "maria" kommt, hat eine Höhe von 0,046 und eine Breite unten von 0,028. Es zeigt eine einzelne, stehende Figur mit einer großen Krone über dem Haupt schwebend, in der rechten Hand hält sie gewiß eine Blume. Die Figur scheint die Jungfrau Maria vorstellen zu sollen. Ein ungewöhnliches Zeichen auf Glocken dient zur Trennung zwischen dem Datum und dem zweiten Teil der Inschrift. Es ist die bekannte zartige Abkürzung für etc., die aber hier lediglich als Trennungszeichen zu stehen scheint. Das Gießerzeichen steht an dem unteren Teil des Glockenkörpers gegen Nordosten und ist in den Mantel eingezeichnet.

15. Flöng (bei Roskilde auf Seeland), die kleine Glocke, 1,00 zu 0,87. Die Oberfläche ist plan. Die Öffnung des Mittelbogens hat unten eine Zunge, die durch deren ganze Breite geht. Die Henkel sind achteckig und die drei vorderen Seiten gehöhlt. Vom Mittelbogen gehen sechs Kreuze aus, deren Arme in Kugeln endigen. Die Haube ist bogenförmig. Über dem Schlagring befindet sich eine größere rechtwinkelige Leiste mit einer ganz kleinen an jeder Seite. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,052 und ist von einem Paar Rundstäben eingeschlossen, ganz wie in Lanken, welcher Glocke sie - besonders in Betreff des Charakters der Inschrift - sehr nahe kommt.

Die Inschrift lautet:

Inschrift

Der Zweig, der den Anfang bezeichnet, ist ganz derselbe wie an der Glocke in Allesö auf Fünen, und ein Vergleich zwischen den Buchstaben der beiden Glocken zeigt eine bedeutende Verwandtschaft. Im Gegensatz zu Lanken sind in Flöng die Buchstaben dicht zusammengepackt, weshalb die verschiedenen Wörter in einander fließen, doch kennt auch letzterer Ort das eigentümliche Trennungszeichen vor dem Worte "help". Es ist ersichtlich, daß das Wort "veni" in der Inschrift ausgelassen ist. "St. Claves" ist "St. Nikolaus", dem viele Kirchen hier zu Lande geweiht waren. Unter dem Zweige stehen zwei Gießerzeichen

an dem Glockenkörper, in den Mantel eingeritzt.

Gießerzeichen

Das erste Zeichen hat diese Glocke also mit denen in Diedrichshagen, Mühlen=Eichsen, Vellahn u. a. gemeinschaftlich, letzteres mit denen in Prestin und Lanken.

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Ich wage nicht zu entscheiden, ob ein und derselbe norddeutsche Gießer beide Zeichen gebraucht haben kann, oder ob jedes Zeichen für sich - was wohl das wahrscheinlichste ist - einen Gießer bedeutet, und also vielleicht zwei Gießer zusammen in Dänemark gereist sind, als die kleine Glocke in Flöng 1445 gegoren wurde. * )

16. Hjadstrup (bei Odense auf Fünen). Die Kirche war St. Michael geweiht. Die größte Glocke, 1,07 zu 0,96. Die Oberfläche ist plan. Die Öffnung des Mittelbogens hat auch hier unten eine Zunge. Die Vorderseite der Henkel ziert eine doppelte Tauwindung und endet unten in einer Maske wie in Lanken. Zwischen je zwei Henkeln befindet sich auf der Oberfläche ein Kreuz, dessen Arme mit Kugeln schließen, die jedoch spitze Punkte haben. Die Haube bildet einen flachen Bogen. Über dem Schlagring sind drei rechtwinkelige Leisten, die mittlere die größte. Das Schriftband hat eine Breite von 0,060 und ist von zwei Paar feinen Rundstäben begrenzt. Die Infchrift lautet:

Inschrift

In dem Worte "ave" hat der Gießer den letzten Buchstaben vergessen und verwendet kein Abkürzungszeichen. Statt veni steht eher beni da.

Am Glockenkörper steht gegen Südwesten ein 0,070 hohes, 0,030 breites, etwas undeutliches Relief, das vielleicht St. Anna mit der Jungfrau Maria und dem Christkind (Anna sulfdrudde) vorstellt. Beide Gießerzeichen stehen diesmal so:

Gießerzeichen

an dem Glockenkörper gegen Nordwesten und sind wie die übrigen an den zu derselben Gruppe gehörenden Glocken in den Mantel eingeritzt.

17. Das Gießerzeichen finden wir an der größten der fünf Glocken in "Unserer Frauenkirche" in Nyborg auf Fünen wieder.

Gießerzeichen

Sie ist früher fehlerhaft die "Marienglocke" genannt worden. Ihr rechter Name ist "Osanna". 1,26 zu 1,18. Die Oberfläche ist plan. Die Henkel zeigen vorn vier ein wenig gehöhlte Seiten, hinten sind sie abgerundet (vergl. Diedrichshagen). Zwischen je zwei Henkeln geht vom Mittel=


*) Man wird bemerken, daß diese Jahreszahl dieselbe ist, wie an der größten Glocke in Mühlen=Eichsen.
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bogen ein Kreuz aus, das in drei Kugeln endet. Die Kronenplatte schließt eine etwas schräg gestellte gerade Linie ab, und die Haube bildet einen flachen Bogen. Über dem Schlagring befinden sich fünf kleine Rundstäbe, wovon gegen Gewohnheit der mittlere der kleinste ist, nahe der Unterkante zwei flache Leisten. Die Unterfläche geht in einem ebenmäßigen Bogen in die Innenfläche über. Das Schriftband hat eine Breite von 0,068 und ist von zwei Paar flachen Randleisten begrenzt. Die Inschrift, die mit einem Initial anfängt, lautet:

Inschrift

Die Wörter sind von zwei Punkten getrennt, deren unterer geschwänzt ist (vergl. Mühlen=Eichsen). Die beiden gleicharmigen Kreuze nach "vocor" geben eine größere Unterbrechung an, und der Kreis in der Inschrift bezeichnet ein kleines Medaillon, das 0,026 im Durchmesser mißt und in schwachem Relief Christus am Kreuz mit Maria und Johannes daneben zeigt. Der Gießer hat die Glocke mit zwei 0,26 hohen Bildern in flachem Relief geschmückt, jedes auf einer Konsole mit schwach angedeuteten Palmenzweigen ruhend. Gegen Westen sieht man die Madonna, stehend, auf dem linken Arm das nackte Christkind tragend. Die Himmelskönigin hat eine Krone auf dem Haupt. Das Kind hält die Weltkugel in der linken Hand. Beide Figuren haben keine Glorie um den Kopf. In einein Bogen über den Figuren steht mit Minuskeln folgende Inschrift:

Inschrift

Man darf wohl annehmen, daß dieses Relief zu der fehlerhaften Benennung "Marienglocke" die Veranlassung gegeben hat. Neben dem Kopf der Madonna hat der Gießer sein 0,100 hohes und 0,122 breites Gießerzeichen eingeritzt. Er hat dadurch sich und sein Werk unter den Schutz der Mutter Gottes gestellt, und wir hören ihn gleichsam selbst den Ruf: "Hilf, Jungfrau Maria!" mit einstimmen. Unmittelbar unter der Konsole, auf der die Himmelskönigin steht, ist ein 0,058 hohes und 0,040 breites, St. Olaf vorstellendes Relief angebracht. Er sitzt, die Krone auf dem Haupt, den Reichsapfel in der linken und eine gewaltige Axt in der rechten Hand. Der aufgehängte Purpurmantel bildet den Hintergrund der Figur.

Gegen Osten sieht man in gleicher Größe wie die Jungfrau Maria den Evangelisten Johannes, die rechte Hand segnend

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emporgehoben, den Giftbecher in der linken. Um den Kopf ist eine schmale Glorie und darüber steht in einem Bogen:

Inschrift

Wie an der Westseite, befindet sich auch hier ein kleines Relief unter der Konsole an dem alleruntersten Teil des Glockenkörpers. Es hat eine Höhe von 0,053 und eine Breite von 0,038 und zeigt die Jungfrau Maria sitzend mit einer Krone von ungewöhnlicher Form auf dem Kopfe und das Christkindlein auf dem linken Arm tragend.

Die Glocke ist nach Pontoppidan: "Danske Atlas", Tom. VI, S. 767, 1604 von der Kirche auf dem Nyborger Schloß " gegen Ersatz in altem Kesselkupfer" gekommen. A. a. O. heißt es: "Die Marienglocke ist 1450 St. Maria und St. Johannes zu Ehren gegossen."

An die letztbeschriebene Glocke schließt sich sehr eng:

18. Rynkeby (bei Kerteminde auf Fünen), die kleinere Glocke, 1,10 zu 0,98. Die Glocke hat zwar kein Gießerzeichen, sie hat aber soviel Ähnlichkeit mit der Osanna=Glocke in Nyborg, namentlich in Betreff der Form, des Charakters und der Größe der Buchstaben, daß kein Zweifel daran sein kann, daß sie Schwesterglocken sind. In Rynkeby treffen wir auch die plane Oberfläche, aber die Henkel sind hier nach außen mit einer doppelten Tauwindung versehen, die unten in einer Maske endet (s. Lanken und Hjadstrup). Die Kronenplatte und Haube sind wie in Nyborg geformt, aber über dem Schlagring befinden sich hier nur drei feine Rundstäbe. Das Schriftband hat eine Breite von 0,065 und ist von zwei paar Rundstäben begrenzt. Auf demselben ist zu lesen:

Inschrift

An zwei Stellen befindet sich dasselbe Scheidezeichen zwischen den Wörtern wie an den Glocken in Mühlen=Eichsen und Nyborg. Zwischen dem Worte "d n mit Querstrich i" und der Jahreszahl sieht man ein 0,030 hohes undeutliches Relief, das ein Kruzifix zu sein scheint, aber nur ein Bruchstück. Vor dem Namen Jesu steht ein Relief, nämlich der Abdruck eines Pilgerzeichens, das eine Höhe von 0,047 hat, und dessen größte Breite 0,025 beträgt. An dem Rahmen, der länglich viereckig ist und in einem

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Giebel oben mit einem Kreuz endigt, so wie auch die Seiten ähnliche Kreuze haben, sieht man die vier Ösen, womit das Pilgerzeichen befestigt war. Die Darstellung innerhalb des Rahmens ist undeutlich, doch scheint sie eine einzelne Figur zu zeigen, vielleicht den gekreuzigten oder auferstandenen Christus (?). (Vergl. die Glocke in Lanken). Nach "naxarenvs" dessen x nur ein Irrtum des Gießers ist, folgen vier kleine Reliefs, die dicht über einander stehen und wenigstens zum Teil schwebende Engel vorstellen. Nach den ersten drei Buchstaben des Wortes "ivdeorvm" hat auch ein Relief stehen sollen; es ist indes im Guß ganz mißlungen. Der Zweig, der die Inschrift beginnt, ist ganz derselbe, wie in Allesö und Flöng.

Nachdem die Glocke mehr als 1 1/4 Jahrhundert im Turm gehangen hatte, scheint sie doch heruntergenommen und vielleicht sogar auf Befehl König Christians des Vierten fortgeschickt zu sein, um wie so viele andere Glocken zu Kriegszeiten in Kanonen umgegossen oder zu anderen weltlichen Zwecken gebraucht zu werden. Eine längere Inschrift in Lapidar ist dann 1601 in den Glockenkörper eingestemmt, und hier heißt es: "Die Frömmigkeit Erik Hardenbergs zu Matrop und seiner Gemahlin Anna Rönnov kauste mich (die Glocke) los zu kirchlichem Gebrauch gegen vollen Ersatz und königliche Genehmigung" usw. Ihre Wappen sind unter der Inschrift eingraviert.

D.

In Prof. Schlies Werk kommt das Gießerzeichen an wenigstens fünf Glocken vom Schluß des 15. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts vor.

Gießerzeichen

Diese sind in Sülze (1524), Brüel (1504), Below (1493?), Gorschendorf (1512) und Ritzerow (1510). * ) Außerdem hat ein ganz ähnliches Zeichen mit einem Strich darunter an einer jetzt umgegossenen ** ) Glocke (von 1429) zu Pinnow bei Penzlin früher Platz gehabt. Ich hatte keine Gelegenheit, diese zu untersuchen,


*) Siehe I. Bd., S. 396, III. Bd., S. 394, IV. Bd., S. 411 und V. Bd., S. 113 und S. 163. (Nach Bau= und Kunstdenkm. des Reg.=Bez. Stettin, Bd. I, S. 5, ist auch eine Glocke mit gleichem Zeichen von 1503 in Altenhagen (bei Gültz). Bei Schlie finden sich (Bd. I, S. 600, Bd. III, S. 223, Bd. IV, S. 116) drei Glocken, die dieses Zeichen in einen Tartschenschild stellen, nämlich zu Altkalen (1490), Möllenbeck (1513), Moisall (1506). Es ist kein Zweifel, daß sie von demselben Gießer stammen, wie die obengenannten. Grotefend.)
**) Siehe V. Bd., S. 264.
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dagegen sah ich mich imstande, einen Abdruck zu nehmen von einer Glocke mit ähnlichem Zeichen zu

19. Hasle (Bornholm), St. Michaels=Kirche. Es ist die größere Glocke, die dem Anschein nach eine Schwesterglocke der Mecklenburg=Schweriner sein muß. Ihre ganze Höhe beträgt 0,72 und ihr größter Durchmesser 0,58. Die Henkel schmücken doppelte Tauwindungen. Zwischen je zwei Henkeln ist eine Rippe. Über dem Schlagring sieht man drei rechtwinkelige Leisten dicht neben einander. Die Unterfläche geht ebenmäßig in die bogenförmige Innenfläche über. Das Inschriftsband am Halse hat eine Breite von 0,040 und ist an jeder Seite von einem paar feiner Rundstäbe begrenzt. Die Buchstaben stehen teilweise schief und sind schlecht gegossen, sodaß mehrere ausgelaufen sind. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Das Gießerzeichen hat nebenstehende Form, die Füße sind also etwas nach außen gebogen.

Gießerzeichen

Es ist möglich, daß die letzten Buchstaben der Inschrift, welche sehr undeutlich sind, den Namen des Gießers bezeichnen sollen. Die Jahreszahl ist etwas zweifelhaft, kann 1463, aber auch 1513 gelesen werden, da das l in der Jahreszahl einem etwas schief gelegten c sehr nahe kommt. Man sieht jedenfalls, daß die Inschrift, mit Ausnahme des Schlusses, fast wörtlich dieselbe ist, wie an den bei Schlie erwähnten fünf Glocken des Großherzogtums Mecklenburg=Schwerin.

E.

Das nächste Gießerzeichen, das mir bei der hier vorgenommenen Untersuchung wichtig scheint, hat folgendes Aussehen:

Gießerzeichen

In Schlies Werk zeigt es sich wiederholt. Ich nenne folgende Beispiele: St. Nicolai=Kirche in Rostock (1488), St. Jürgen=Kirche in Wismar (1489), Groß=Godems (1486), Lichtenhagen (1479), Granzin bei Lübz (1486), Malchin (1481) und Steffenshagen (1492). * ) Von den


*) Siehe I. Bd., S. 155, II. Bd., S. 100, III. Bd., S. 310, 528 und 704, IV. Bd., S. 550 und V. Bd., S. 102. (Die beiden Glocken in Karow, bei Schlie Bd. IV, S. 602, von 1499 und 1503, bleiben hier außer Betrachtung, sie stellen das Zeichen, wenn auch etwas gebogen in dem oberen Teil seiner aufrechten Balkens, in einen Tartschenschild. Die Umschrift stimmt genau mit denen des obigen Gießers. Grotefend.)
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betreffenden Glocken habe ich drei untersucht, die ich nach ihrem Alter beschreiben will.

20. Groß=Godems, die größte Glocke, 0,70 zu 0,65. Die Oberfläche steigt etwas aufwärts gegen den Mittelbogen. Die Henkel sind auswendig eckig, inwendig abgerundet. Zwischen je zwei Henkeln geht eine scharfe Rippe aus. An jeder der breiten Seiten des Mittelbogens setzt die Rippe sich als eine Verstärkung fort nach der als Eirund geformten Öffnung, in deren unterem Teil sie eine Zunge bildet. Die Haube hat die Form eines flachen Bogens. Über dem Schlagring befindet sich eine rechtwinkelige Leiste mit einer ganz kleinen solchen an jeder Seite. Die Unterfläche geht in einem Bogen gerade in die Innenfläche über. Die Inschrift, deren Anfang von einem gleicharmigen Kreuz mit gespaltenen Armen und einem Initial "O" angegeben wird. steht in einer Zeile an dem Halse auf dem 0,050 breiten Schriftband, das jederseits von zwei feinen Rundstäben eingefaßt ist. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die Glocke ist also 1486 gegossen und nicht wie bei Schlie 1483. * ) Das Gießerzeichen steht gegen Norden auf dem unteren Teil des Glockenkörpers und ist in den Mantel eingeritzt.

21. Granzin bei Lübz, die größte Glocke, 1,01 zu 1,00. Die Einzelheiten an der Glocke selbst entsprechen in der Hauptsache denen an der letztgenannten Glocke, doch sind die Henkel hier auswendig von einer doppelten Tauwindung geziert, ein Paar rechtwinklige kleine Leisten befinden sich im Übergang von der Kronenplatte nach der Haube, und die Unterfläche bildet eine Ecke da, wo sie an die bogenförmige Innenfläche stößt. Übrigens ist die Glocke reicher ausgestattet als die vorhergehende, weit kleinere, indem das Schriftband unten an ein Ornament von gotischen Bogen und Blättern stößt. Die Breite des Schriftbandes beträgt 0,055, und es ist von zwei Paar flacher Rundstäbe eingeschlossen. Die Inschrift beginnt mit demselben Kreuz und kleinen Initial "O", wie die vorige und lautet:

Inschrift

*) Siehe III. Bd., S. 310.
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Bei Anbringung der Buchstaben ist eine "Lehre" benutzt worden, die sich linienartig unten abgezeichnet hat. Das Gießerzeichen befindet sich an der Südseite des Glockenkörpers eingeritzt.

22. Wismar, St. Jürgens=Kirche, die Viertelglocke, 0,79 zu 0,66. Die Oberfläche steigt etwas aufwärts gegen den Mittelbogen. Von diesem gehen kurze scharfe Rippen aus. Die Henkel sind auswendig eckig und inwendig abgerundet. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,061 und ist jederseits von zwei ziemlich feinen Rundstäben begrenzt. Die Inschrift lautet, mit dem gleichen Kreuz und kleinen Initial "O" beginnend:

Inschrift

Während die beiden vorhergehenden Glocken von 1486 waren, ist diese also 1489 gegossen. Das Gießerzeichen steht an der Südostseite des Glockenkörpers, ist aber hier etwas kleiner und schwächer kenntlich als gewöhnlich. Bei Schlie, Bd. II, S. 100 ist es nicht richtig wiedergegeben. Ebenso bei der Rostocker Glocke, Bd. I, S. 155, deren Inschrift auch mit o rex begonnen werden muß. Ebenso ist es der Fall bei der Glocke von Lichtenhagen, Schlie, Bd. III, S. 704.

In Dänemark haben wir zwei Glocken, die dasselbe Gießerzeichen aufweisen, wie die letztgenannten, während sich eine dritte im Herzogtum Schleswig befindet. Es sind dies folgende:

23. Vaalse (Falster). Die Kirche war St. Johannes dem Evangelisten geweiht. Die große Glocke, 1,09 zu 0,94. Die Oberfläche steigt etwas aufwärts. Die Vorderseite der Henkel ziert eine doppelte Tauwindung, die unten in einer Maske endet. Hinten sind die Henkel eckig. Zwischen je zwei Henkeln eine scharfe Rippe. An den breiten Seiten des Mittelbogens setzen die Rippen sich bis zu der wie ein Eirund gebildeten Öffnung hinauf fort, in deren unterem Teil sie eine Zunge bilden. Zwischen der Kronenplatte und der Haube liegen zwei kleine Rundstäbe. Über dem Schlagring sieht man drei Rundstäbe; der mittlere ist der größte. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,065 und ist von je zwei feinen Rundstäben begrenzt. Die Buchstaben sind auf einer "Lehre" angebracht. Die Inschrift lautet:

Inschrift
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Das Gießerzeichen, das hier recht undeutlich ist, steht etwas anders gerichtet, als an den vorhergehenden Glocken, und sieht so aus:

Gießerzeichen

Die Kreuze und das Initial = O sind völlig die gleichen, wie an den vorbeschriebenen mecklenburgischen Glocken.

24. Nyköbing (Falster), die kleinste Glocke, 1,00 zu 0,94. Die Henkel und die Rippen zwischen diesen sind wie an der soeben erwähnten großen Glocke in Vaalse. Über dem Schlagring befindet sich ein größeres eckiges Glied mit einem feinen, kleinen Rundstabe an jeder Seite. Die Breite des Schriftbandes ist 0,065. Ein Paar Rundstäbe schließen es oben und unten ein, und an den unteren derselben schließt sich ein 0,035 breiter, hübscher Fries von gotischen Bogen mit Blätterornamenten, ganz wie an vorgenannter Glocke in Granen bei Lübz. Die Inschrift, auf einer Lehre gerichtet und mit dem bekannten Kreuz und O beginnend, lautet:

Inschrift

Das Gießerzeichen ist gerichtet wie auf der Vaalser Glocke.

25. Atzbüll (Herzogtum Schleswig), die große Glocke, 0,87 zu 0,67. Wie die Glocke nicht wenig kleiner ist, als die vorhergehenden - mit Ausnahme derjenigen in Groß=Godems -, ist sie auch einfacher ausgestattet als diese, und die Ausführung etwas weniger sorgfältig. Die Henkel, die dem Umkreis sehr nahe stehen, sind achteckig, aber ohne besondere Verzierungen, und von den Ecken des Mittelbogens gehen nur ganz kurze, scharfe Rippen aus. Die Form der Glocke ist länglicher, als die der vorhergehenden, was aus den angegebenen Maßen hervorgeht. Die Breite des Schriftbandes ist 0,050. Es wird oben und unten von einem Paar Rundstäben begrenzt. Auf dem oberen Stabe des unteren Paares ruhen die Buchstaben, was einen weniger hübschen Eindruck macht, als wenn wie sonst bei diesem Gießer die Inschrift frei im Bande mit einer Lehre gerichtet ist. Die Inschrift beginnt mit Kreuz und O wie die vorigen und lautet:

Inschrift

Das Gießerzeichen ist eingeritzt in der Richtung wie bei den beiden vorigen.

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Merkwürdig scheint es mir, daß dieselbe Inschrift sich an allen den Glocken wiederholt, die das Zeichen des Gießers tragen, und man ist dadurch versucht, zu glauben, daß er persönlich den Inhalt bestimmt hat. Er hat sich in der Regel durch seine Arbeiten als ein besonders fähiger Gießer bewährt, und die letztbeschriebene Glocke in Atzbüll von 1503 gibt also den Beweis, daß er wenigstens eine halbe Stiege Jahre gelebt hat, nachdem er die jüngste der bis jetzt bekannten Glocken in seinem Heimatlande goß, nämlich die zu Steffenshagen von 1492. Wahrscheinlich ist es wohl, daß er seine Werkstatt in Rostock oder Wismar gehabt haben kann, woselbst ja in alten Tagen Glockengießereien sich befanden, und wo sein Zeichen noch vorkommt.

F.

Das Gießerzeichen sieht man an vier Glocken im Großherzogtum, nämlich in Retgendors (1482), Pinnow bei Crivitz (1494), Herzberg (1522), und Schorßow (1504). * )

Gießerzeichen

Von diesen Glocken ist es mir gelungen, die drei ersten zu untersuchen.

26. Retgendorf, die größte Glocke, 1,33 zu 1,17. Die Oberfläche steigt ganz wenig aufwärts gegen den Mittelbogen. Die Henkel stehen sehr weit in die Oberfläche hinein, sind von doppelten Tauwindungen geziert, und zwischen je zweien ist eine scharfe Rippe. Die Haube bildet einen flachen Bogen. Über dem Schlagring drei etwas scharfkantige Leisten, die mittlere ist die größte. Die Unterfläche hebt sich schräg nach innen empor und bildet eine scharfe Ecke, wo sie mit der Innenfläche zusammenstößt. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,052 und ist von je zwei flachen Randleisten umgeben. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die 13 kleinen Reliefs, welche die Wörter trennen, scheinen alle weibliche Figuren zu sein, und man sieht, daß ein und dasselbe Bild sich mehrmals wiederholt, ohne daß sich als gewiß


*) Siehe II. Bd., S. 651; III. Bd., S. 336; IV. Bd., S. 413 und V. Bd., S. 66.
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entscheiden läßt, ob die Figuren bestimmte heilige Personen vorstellen sollen. Dazu sind sie zu klein und zu undeutlich im Guß. Das Formen der Inschrift ist recht dürftig ausgeführt, indem die Buchstaben von sehr verschiedener Größe und mehrere stark verschoben sind. Das Gießerzeichen steht im Schriftbande.

27. Pinnow bei Crivitz, die große Glocke, 1,20 zu 1,10. Die Einzelheiten sind wesentlich wie an der Retgendorfer Glocke, aber die Rippen an der Oberfläche fehlen und über dem Schlagring befinden sich drei Rundstäbe, der mittlere der größte. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von 0,060 und ist von zwei Paar flachen Randleisten begrenzt. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die Wörter werden teils durch sechs kleine Reliefs, teils durch eine Menge kleiner gleicharmiger Kreuze und ein einzelnes größeres getrennt. In Prof. Schlies Werk sind die Reliefs nicht näher beschrieben. Sie sind hier recht deutlich, und es ist daher tunlich, sie zu besprechen.

a) Madonna, 0,045 hoch und 0,025 breit. Sie trägt eine Krone auf dem Haupt und hält das Jesuskindlein auf dem rechten Arm. Die ganze Figur steht in einein mandelförmigen Strahlenkranz. Unter der Figur sieht man einen kleinen Zapfen, der anzudeuten scheint, daß das Original irgendwo befestigt gewesen war, vielleicht einen Teil eines kleinen Tragaltars ausgemacht hat.

b) Christus am Kreuz mit Maria und Johannes zur Seite. Die ganze Höhe des Reliefs beträgt 0,041 und die Breite 0,025. Hier scheint auch unten ein Zapfen zu sein wie der unter a beschriebene.

c) Madonna wie die unter a beschriebene, aber etwas weniger deutlich.

d) Christus am Kreuz ohne die Nebenfiguren. Die ganze Höhe 0,040, die Breite 0,033.

e) Eine knieende Figur, die mit der rechten Hand einen Gegenstand darreicht. Man muß hier an einen der heiligen drei Könige denken.

f) Christus am Kreuz mit den Nebenfiguren, ungefähr wie b, aber deutlicher.

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Ferner befindet sich an der oberen Hälfte des Glockenkörpers gegen Südwesten ein schönes, 0,077 hohes und 0,034 breites Relief

g) von einer Monstranz in gotischem Stil.

Das Gießerzeichen steht an der Nordseite des Glockenkörpers.

28. Herzberg, die kleine Glocke, 0,59 zu 0,51. Die Oberfläche steigt ganz schwach aufwärts nach dem Mittelbogen zu. Von dem Mittelbogen gehen sechs scharfe Rippen aus. Die Henkel sind auswendig eckig und haben zwei gehöhlte Seiten, inwendig. sind sie abgerundet. Die Haube ist bogenförmig. Über dem Schlagring befinden sich drei rechtwinkelige Leisten dicht an einander, die mittlere die größte. Die Unterfläche ist geformt wie an der Retgendorfer Glocke. Das Schriftband am Halse hat eine Breite von nur 0,025 und ist an jeder Seite von einem paar doppelter Rundstäbe begrenzt. An die unteren derselben schließt sich ein Fries von gotischen Bogen mit sehr eng aneinander stehenden Blätterornamenten an. Die ganze Breite des Bandes wächst dadurch auf 0,095. Die Inschrift, die schlecht geformt und gegossen ist, hat die einzelnen Wörter durch Münzabdrücke ohne kenntliche Stempel getrennt, unter diesen erkennt man mehrfach deutlicher nur einen Hohlpfennig, wie sie Oertzen, Die mecklenburgischen Münzen, I. Teil, zu S. 42 in zweiter Reihe abbildet. Die Inschrift der Glocke lautet:

Inschrift

Gegen Süden sieht man an dem oberen Teil des Glockenkörpers den Abdruck eines Hohlpfennigs und dicht darunter eine größere Münze (Doppelschilling ?), deren Gepräge unkenntlich ist.

Gießerzeichen

Ferner steht das oben gezeigte Gießerzeichen umgekehrt gerichtet an dem Glockenkörper, ist aber hier in einem Tartschenschilde angebracht, dessen Höhe 0,086 und dessen Breite 0,067 beträgt. * ) Um letzteres herum sieht man den Abdruck zweier Münzen ohne kenntliches Gepräge und zweier Hohlpfennige, wie oben. Es ist wohl anzunehmen, daß "bertelt schillinck" den Namen des Gießers bezeichnet, und daß wir somit auch wissen, wenn die verschieden gerichteten


*) Prof. Schlie nennt weder den Schild, noch die umgebenden Münzen. IV. Bd., S. 413.
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Zeichen denselben Meister anzeigen, wer der Gießer aller dieses Zeichen tragenden Glocken ist.

Dies treffen wir auch in der erstbeschriebenen Richtung in 29. Trelleborg (in Schonen) an der mittleren Glocke "Magdalena", 1,15 zu 1,02. Die ursprünglichen Henkel zieren Tauwindungen, aber vier derselben sind abgebrochen und durch eiserne Hängen ersetzt. Auch der Mittelbogen ist zerbrochen. Das 0,127 breite doppelzeilige Schriftband am Hälfe schließt oben mit einem Paar flacher Randleisten ab. sowie auch ein Paar solcher die beiden Zeilen von einander trennen. Unter dem Schriftbande sieht man einen feinen Rundstab. Die Glocke zeichnet sich durch eine lange Inschrift und durch die vielen kleinen Reliefs aus, die in ihr zur Trennung der Wörter benutzt sind. Der größte Teil der Buchstaben ist aus freier Hand in Wachstafeln ausgeschnitten und dem Modell angeklebt; nur einzelne scheinen in Formen gemacht zu sein. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Einzelne der Buchstaben (das g in Magdalena, das q in Marquardi) stehen auf dem Kopf, andere sind stark verschoben. Ein Vergleich zwischen den Reliefs der betreffenden Inschriften zeigt, daß dieselben Darstellungen, die wir an der Pinnower und zum Teil ähnlich an der Retgendorfer Glocke sahen, in Trelleborg wiederzufinden sind.

Hier sieht man nämlich:

a) Christus am Kreuz;
b) Maria Magdalena mit der Salbenbüchse;
c) Maria mit dem Jesuskindlein (nicht deutlich abgegossen);
d) einen der heil. drei Könige, knieend seine Gabe darreichend;
e) Christus am Kreuz mit Maria und Johannes;
f) Maria mit dem Jesuskindlein (der Zapfen unter der Figur ist besonders deutlich sichtbar);
g) eine gebeugt stehende Figur (ein anderer der hl. drei Könige?);
h) Maria Magdalena mit der Salbenbüchse und
i) Maria mit dem Jesuskindlein (wie f).

Das Gießerzeichen steht am Glockenkörper.

Vignette