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III.

Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege.

Von

Geh. Oberfinanzrath Balck. 1 )

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B ereits wiederholt habe ich in früheren Vorträgen die verderbliche Einwirkung des dreißigjährigen Krieges auf unsere Domanial=Bauern berührt. Heute beabsichtige ich weiter zu greifen und darzustellen, wie unser ganzes engeres Vaterland in jener Schreckenszeit gelitten hat. Aber die Anzahl der Kriegsjahre ist eine lange, die diesem Vortrage zugemessene Stunde bald ausgefüllt: ich muß mich deshalb darauf beschränken, den allgemeinen Wendungen des großen Krieges in Mecklenburg, den Durchzügen der verschiedenen Völker und Heere, den sich daran knüpfenden größeren Ereignissen, Belagerungen und Gefechten zu folgen, und am Schluß einige Schilderungen des damaligen, in ganz Mecklenburg herrschenden namenlosen Jammers zu geben. Von der Politik, namentlich den Verhandlungen unserer Herzöge mit dem deutschen Kaiser sowie mit deutschen und fremden Fürsten, will ich mich diesmal fern halten, denn dies würde heute zu weit führen, ist auch wenig erquicklich.

Das Material habe ich wesentlich direkt aus der Quelle, nämlich aus den überaus zahl= und inhaltsreichen Akten des hiesigen Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchivs, geschöpft. Wenn sich, hoffentlich in nicht zu ferner Zeit, Jemand fände, am besten, namentlich auch zur Darstellung der strategischen Seiten, ein hier im Ruhestande weilender höherer Militär, welcher seine Muße zur allseitigen Erforschung und Bearbeitung des dort in einem halben Hundert dicker Aktenbündel an=


1) Vortrag, gehalten im Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde am 27. Februar 1902.
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gesammelten, von Anfang bis zu Ende vollständigen Stoffes verwenden wollte, so würde er sich selbst viel Anregung, manche interessante Stunde bereiten, und für Mecklenburg eine Geschichte des dreißigjährigen Krieges schreiben können, wie sie ausführlicher wohl kein anderes deutsches Land besitzt. Ueberhaupt ist nach meiner jetzigen Ueberzeugung auch eine erschöpfende und zutreffende allgemeine Geschichte des dreißigjährigen Krieges in Deutschland nur Demjenigen möglich, welcher auch die mecklenburgischen Archiv=Akten kennt.

schon zwei Jahre nach Ausbruch des großen Krieges pochten seine Boten auch an Mecklenburgs Thore. Es war im Frühling 1620, als König Jakob von England seinem von den protestantischen Ständen Böhmens zum König erwählten und von den Katholiken hart bedrängten Schwiegersohn, dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, 3-4000 englische und schottische Söldner unter Lord Grey zu Hülfe sandte. Sie segelten bis Hamburg und wollten durch Mecklenburg und die Mark nach Böhmen marschiren. Sie kamen bis Boizenburg - nicht Dömitz, wie in unseren Geschichtsbüchern steht - und ließen von dortiger Grenze aus durch Kapitän Mosheim um Gestattung des Durchzuges bitten. Als neutraler deutscher Reichsfürst konnte aber Herzog Adolph Friedrich denselben den Feinden des deutschen Kaisers nicht freigeben, und jene nahmen dann ihren Marsch durchs Hannoversche. Auf alle Fälle, und wenn nöthig auch zur thätlichen Abwehr, waren die Boizenburg benachbarten Städte, Bauern und Lehnsleute aufgeboten, aber zu ihrem Glücke kam es nicht zum Kampfe, in welchem sie zweifelsohne den krieggewohnten fremden Söldnern unterlegen wären, zumal - nach des Herzogs Aufzeichnung in seinem Tagebuch - viele jüngere Edelleute nach damaliger Sitte in auswärtigen Kriegsdiensten waren. Frommer Glaubenseifer trieb sie nicht dazu, nur Begier nach Ehre und Gewinn, sie standen auf katholischer wie auf protestantischer Seite; kämpften doch selbst schon im Jahrhundert der Reformation Mecklenburger unter dem grausamen bigotten Alba gegen das protestantische Heldenvölkchen der Niederlande. Uebrigens war das in unruhigen Zeiten zusammenzurufende mecklenburgische Landesaufgebot auch für die eigene Heimath nicht ganz ohne Gefahr. Als 1621 eine Musterung des Landesaufgebots bei Parchim zur Zufriedenheit der Befehlshaber verlief, sollen ihre Leute als Belohnung die Plünderung dieser Stadt ausdrücklich verlangt haben, und dies mag wahr sein oder nicht - die Thatsache wird durch die städtische Chronik beglaubigt, daß

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damals das Aufgebot mit Gewalt in Parchim eindrang und dort die gröbsten Ausschreitungen verübte.

Auch noch in den nächstfolgenden Jahren verstanden die mecklenburgischen Herzöge durch strenge Neutralität den Frieden in ihren Landen zu wahren. Hülfs= und Unterstützungsgesuche des in der Schlacht am weißen Berge vor Prag vom kaiserlichen General Bucquoi geschlagenen böhmischen Königs Friedrich - des entlaufenen Königs, wie Herzog Adolph Friedrich ihn in seinem Tagebuche bezeichnet -, sowie des vom kaiserlichen General Tilly bei Wimpfen besiegten Markgrafen Georg von Baden, ebenso des vor Tilly bei Höchst unterlegenen Herzogs Christian von Braunschweig, auch des tapferen Grafen Ernst von Mansfeld fanden kein Gehör. - Aber näher und näher aus Sachsen, Böhmen und Bayern rückten die kaiserlichen Heere unter Niederwerfung ihrer Gegner gegen den Norden Deutschlands und erweckten in den niedersächsischen Ständen die Besorgniß vor Wiederherstellung des Katholizismus und des kaiserlichen Absolutismus. Braunschweig, Pommern, Brandenburg, Mecklenburg, die freien Städte, Holstein - letzteres in der Person des Königs Christian von Dänemark - traten trotz der kaiserlichen Abmahnungen und beruhigenden Versicherungen 1625 zu einem sogen. Defensionsbunde zusammen. Kreisoberster war der König von Dänemark, welcher gleichzeitig in seiner letzteren Eigenschaft Bündnisse mit Frankreich, England, Holland gegen den deutschen Kaiser erstrebte, und dadurch auch dem Defensionsbunde ein feindliches Gepräge gab. Mecklenburgische Truppen stießen mit zur dänisch=holsteinschen Armee; nur die Stadt Rostock, welche Sonderpolitik trieb und es mit dem Kaiser nicht verderben wollte, verweigerte hartnäckig die Entsendung ihres herkömmlichen Kontingents - 400 Mann und zwei leichte Geschütze (Falconetlein) - ins dänische Lager. Auch wurde dem Könige von Dänemark gestattet, ein Regiment Fußvolk in Mecklenburg anzuwerben, welches auf dem platten Lande manche Exzesse beging, bis es endlich über Wismar zur See weiterbefördert wurde.

Im April 1626 unterlag der letzte protestantische Kämpfer, Graf Mansfeld, der Uebermacht Wallensteins an der Dessauer Brücke, die kaiserlichen Heere drangen unaufhaltsam weiter, und ein Zusammenstoß mit dem Defensionsbunde war nun unvermeidlich. Er erfolgte Ausgangs August bei Lutter am Barenberge; der Dänenkönig wurde von Tilly besiegt. Ein Theil seiner Armee unter Schlammersdorf zog sich über die Elbe nach Mecklenburg, besetzte ohne Weiteres die Festung Dömitz, Boizen=

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burg, Grabow, Lübz, Wittenburg, auch das Stiftsamt mit Stadt Bützow, dessen Administrator gerade damals ein Sohn des Königs war, und schonte Land und Leute umsoweniger, als die mecklenburgischen Herzöge schon wenige Tage nach der Schlacht sich vom Defensionsbunde losgesagt hatten und deshalb nicht länger als befreundet angesehen wurden, obgleich dieselben noch später den dänischen König bei der Belagerung von Bleckede mit Proviant und Munition unterstützten. Besonders das platte Land wurde arg mitgenommen; die erbitterten Bauern kämpften zwischen Lübtheen und Dömitz mit den plündernden Dänen und säuberten in größeren Rotten die Landstraßen von schwächeren Streitparteien, wobei auf beiden Seiten Gefangene sofort aufgeknüpft wurden.

Im Frühling 1627 zog Tilly sich näher an die Elbe und machte Anstalten zum Uebersetzen und zum Angriff auf die Dänen. Vorstellungen der mecklenburgischen Herzöge zum Einhalten begegnete er mit der Forderung, daß sie dann selbst die Dänen aus ihren Landen herauswerfen möchten, wozu sie doch zu schwach waren, wie denn auch ihre dringenden Anträge beim König von Dänemark um Entfernung seiner Truppen unbeachtet blieben. - Im August begann nun Tilly den Uebergang über die Elbe, aber sein Rivale Wallenstein, welcher bereits sein Auge auf Meklenburg gerichtet hatte und deshalb eine vorherige Besetzung des Landes durch Tilly ungern sah, kam ihm noch zuvor. Nachdem er seinen General Graf Schlick in Eilmärschen voraufgesandt hatte, welcher am 27. August vor Dömitz erschien, folgte er selbst schon am nächsten Tage und hielt unter Pauken= und Trompetenschall mit glänzendem Gefolge seinen feierlichen Einzug in die Stadt, bankettirte auch auf offener Straße in unmittelbarer Nähe der Festung. Diese selbst war von 400 Mann mit 4 schweren und 11 leichten Geschützen unter dem Kapitän Oberberg, einem Mecklenburger, besetzt, welcher schon vorher auf eigne Hand wegen der Uebergabe verhandelt hatte, die jedoch auf sein Befragen von der zum äußersten Widerstande entschlossenen Besatzung abgelehnt wurde. Ein wackerer Konstabler Namens Warkentien, später in gleicher Stellung auch zu Rostock, bat sogar wiederhol um Erlaubniß, seine beiden mit kleinen Kugeln vollgeladenen Geschütze auf die nahe Wallensteinsche Gruppe abbrennen zu dürfen, er wolle dafür einstehen, daß auch keiner sich wieder erheben solle, und ließ erst auf Oberbergs Drohungen davon ab. selbst die Dömitzer Bürger hatten vorher schon um Aufnahme von Weib und Kind in die Festung gebeten, welche sie dann bis

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auf den letzten Blutstropfen vertheidigen helfen wollten, aber vergebens. Am dritten Tage früh rückten die Kaiserlichen - 64 Fähnlein oder Kompagnien, die Fahnentücher alle schwarz und gelb gestreift, im gelben Felde der schwarze Doppeladler - zum Sturm an, da übergab Oberberg die Festung. - Er wurde demnächst vor ein Kriegsgericht gestellt, aber nicht verurtheilt, weil längerer Widerstand doch aussichtslos gewesen wäre.

Wallenstein selbst ging ohne Aufenthalt weiter ins Holsteinsche, um den Dänenkönig im eignen Lande anzugreifen, beauftragte aber seinen Oberst Arnim mit der Okkupation Mecklenburgs. Dieser besetzte alle mecklenburgischen Landstädte, jede mit 1-2 Kompagnien, auch die Festung Plau, und eroberte nach mehrwöchentlicher Belagerung die von den Dänen hartnäckig vertheidigte Stadt Bützow; die städtischen Einwohner mußten überall ihre Waffen abliefern.

Im Oktober 1627 schifften sich die Dänen in Wismar ein. Diese Stadt wollte zuerst den Kaiserlichen Widerstand leisten, doch bewog sie der Herzog Adolph Friedrich am Ende des Oktober zur gutwilligen Uebergabe und Einnahme einer freilich bald bedeutend verstärkten Besatzung von 1000 Mann unter Oberst Hebron, welcher aber wegen Ausschreitungen bald entfernt und durch Oberst Gramb ersetzt wurde; im Dezember räumten die Dänen auch Poel und die Mecklenburger den Walfisch. Auch das gut kaiserlich gesonnene Rostock sollte kaiserliche Besatzung einnehmen, kaufte sich aber für diesmal noch mit 140000 Thlr. los.

Im Januar und Februar 1628 verfügte darauf der Kaiser die Entsetzung der mecklenburgischen Herzöge wegen angeblichen Hochverraths, auch die zunächst pfand=, dann kaufweise Ueberlassung ihrer Lande an Wallenstein, von welchem namentlich auch die hiesige Wiederherstellung der katholischen Religion erwartet wurde; die Unterthanen wurden von ihren Eiden und Pflichten gegen ihr altangestammtes Herrscherhaus entbunden, die Stände mußten im März zu Güstrow ihrem neuen Landesherrn in der Person seines Vertreters, des Oberst St. Julien, huldigen. Gleichzeitig wurde auch das bis dahin verschonte Schloß zu Schwerin durch die kaiserlichen Hauptleute Hoffmann und Heyden besetzt; Herzog Adolph Friedrich entließ seine Truppen und behielt bei sich nur 18 Mann unter einem Wachtmeister. Auf Wallensteins Drängen mußten darauf im Mai beide Herzöge ihre Heimath verlassen. Sie verweilten eine Zeitlang zu Torgau, Reinharz, endlich seit Sommer 1629 dauernd zu Lübeck auf einem bischöflich bremischen Stiftshofe, im

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Hause des Patriziers Andreas Hundt und zu Hamsfelde bei Lübeck; baare Unterstützungen kamen vom dänischen Könige und von dem verwandten holsteinischen Herzoge und Bischof von Bremen, bedeutende Naturallieferungen von Getreuen aus allen mecklenburgischen Landestheilen. Die Kinder des Herzogs Adolph Friedrich wurden nach Stockholm an den Hof seines Vetters, des Königs Gustav Adolph, gebracht. Wallenstein selbst hielt im Juli seinen Einzug in seine erwählte Residenz Güstrow, hat aber nur gerade ein Jahr in seinem neuen Herzogthum verweilt und es im Juli 1629 zu weiteren Kriegszügen wieder verlassen. - Eine seiner ersten Sorgen war die Besetzung Rostocks, wozu die Stadt sich aber erst im Oktober verstand, als die kaiserliche Armee unter Wallensteins persönlicher Führung schon zum Sturm angetreten war; vereinbarungsmäßig sollte die kaiserliche Garnison nur 1000 Mann betragen, doch wurde sie bald vervierfacht; den Oberbefehl in der Stadt führte zuerst Graf Hatzfeldt und nach dessen Ermordung durch den überspannten Licentiaten Vahrmeyer der Freiherr von Virmond neben dem Grafen Barthold Wallenstein, einem Vetter des neuen mecklenburgischen Herrschers. Uebrigens war auch schon seit Februar Rostocks Lebensader zur See unterbunden durch Anlage von Schanzen seitens des Obersten Arnim zu Warnemünde zum Schutze gegen die Dänen, welche nun den dortigen Hafen mit ihren Schiffen blokirten, auch Rostocker Fahrzeuge kaperten.

Wie sehr sich Wallenstein auch als Landesherr bewährte, wie er vor Allem die höheren Behörden neu organisirte, die bereits vom Herzog Adolph Friedrich geplante Trennung der Justiz von der Administration durchführte, Handel, Schifffahrt, Fabriken, Bauten u. s. w. begünstigte, überall hin seine fürsorglichen Blicke lenkte, ist in unseren Jahrbüchern schon wiederholt und sehr eingehend dargelegt. Selbstverständlich war er auch bestrebt, sein neues Land möglichst von den schweren Kriegslasten zu befreien. Plünderungen und sonstige Ausschreitungen seiner Truppen wurden auch Strenge untersagt und aufs Härteste bestraft; aber der baare und naturale Unterhalt der letzteren, die Festungsbauten zu Rostock, Wismar, Dömitz, Plau und Boizenburg, wozu die angrenzenden Aemter und benachbarten Städte Mannschaft, Anspannung und Fuhrwerk stellen mußten - die Verproviantirung der Festungen aus dem ganzen Lande - brachten drückende Opfer mit sich und ließen die Unterthanen nicht zur Ruhe und Erholung gelangen.

Indessen waren die mecklenburgischen Herzöge in der Ver=

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bannung nicht müßig, sondern auf den Wiedergewinn ihrer Länder bedacht. Sie setzten sich vor Allem mit ihrem Vetter, dem Schwedenkönig Gustav Adolph, in Verbindung, welcher aber zunächst noch durch seinen Krieg mit Polen in Anspruch genommen war, jedoch nach dem 1629 erfolgten Friedensschluß seine Blicke auf Deutschland richtete und dem deutschen Kaiser den Krieg erklärte. Er landete mit seinem kriegserprobten Heere im Juli 1630 in Pommern, nahm den Kaiserlichen Wolgast und Stargard ab, wandte sich Ende September nach Mecklenburg und eroberte nach wiederholten vergeblichen Stürmen auf das Marlower Thor durch nächtliches Uebersteigen der Mauern das vom kaiserlichen Kommandanten Metzeroth vertheidigte Ribnitz, dessen Besatzung theils niedergemacht, theils gefangen wurde, theils nach Rostock hin entfloh. Weil die mecklenburgischen Herzöge, welche noch nicht hinlänglich gerüstet waren, von der Lübecker Seite her den erwarteten Vorstoß nicht machten, kehrte Gustav Adolph zunächst nach Pommern zurück, gewann aber wieder im Februar 1631 durch Kapitulation des kaiserlichen Obersten Marsou Neubrandenburg, welches er durch seinen General Dodo von In= und Kniephausen und 2000 Mann besetzen und stark befestigen ließ. Bereits Mitte März erschien aber Tilly vor der Stadt, belagerte und erstürmte sie unter großen Verlusten und richtete unter den Schweden, von denen nur 60 mit ihrem Kommandanten lebend gefangen wurden, wie unter den Einwohnern ein schreckliches Blutbad an; vor gänzlicher Zerstörung rettete die Stadt wohl nur die Rücksicht auf Wallenstein, den neuen Landesherrn. Die Schweden aber waren so erbittert, daß sie eine Zeitlang bei Begegnungen mit den Kaiserlichen die Besiegten und um Pardon Bittenden mit dem Zuruf "Neubrandenburgsch Quartier" ohne Weiteres niedermachten.

Im Juni 1631 nahmen einzelne schwedische Streifkorps meklenburgische Plätze, so Oberst Pauly Güstrow, Rittmeister Moltke Malchin. Nachdem darauf Gustav Adolph die mecklenburgischen Herzöge förmlich als Landesherrn wieder eingesetzt und proklamirt hatte, brachen diese nach Vollendung ihrer Rüstungen mittelst schwedischer Gelder und Mannschaften, Ende Juli mit etwa 2000 Mann von Lübeck auf. Den Oberbefehl führten die Obersten Kalkum, gen. von Lohausen, aus dänischen Diensten übernommen, auch in der Literaturgeschichte wohl bekannt, und dü Menil; Hauptleute waren die Mecklenburger Raben, Holstein, Bülow, Zülow, Ilenfeld, sowie die Holsteiner Buchwald, Alefeld, Wisch. Am dritten Tage vor Schwerin an=

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gelangt, begann sofort der Sturm auf die von nur etwa zweihundert Kaiserlichen unter den Hauptleuten Milatz und Kelly verteidigte Stadt; unter nicht beträchtlichen beiderseitigen Verlusten brachen die Mecklenburger am schwächsten Punkte der Befestigung, nämlich durch das Spielthor - wo auch im nächsten Jahrhundert zu Herzog Karl Leopolds Zeiten die Hannoveraner eindrangen -, in die Stadt. Die Kaiserlichen zogen sich ins Schloß; die Mecklenburger führten von der alten Kanzlei aus quer über die Reitbahn auf dem alten Garten bis zur Brücke Laufgräben, von wo aus sie das Schloß unter Feuer nahmen, welches aber kräftig erwidert wurde und auch mehrere Einwohner in ihren Häusern tödtete; als aber am zehnten Tage sechs Fähnlein Finnländer mit fünf Feldstücken auf den Ostorfer Bergen schanzten und das Schloß beschossen, gleichzeitig auch alle Prähme und Kähne der Umgegend herangeschafft wurden und von allen Seiten gleichzeitig gestürmt werden sollte, ergab sich die kaiserliche Besatzung gegen freien Abzug. - Herzog Adolph Friedrichs erste Sorge nach Wiedergewinn seines Stammschlosses war dessen gehörige Befestigung und Armirung. Er erbat zu solchem Zwecke leihweise Ueberlassung einiger Kanonen vom Erzbischof von Bremen, welcher aber antwortete, daß er durch seinen Kammerdiener (!) seine Geschütze habe untersuchen lassen, von diesem aber nur wenige brauchbar befunden seien, deren er selbst bedürfe. Endlich scheint von schwedischen Schiffen vor Wismar ausgeholfen zu sein.

Schnell setzten nun Mecklenburger und Schweden vereint, letztere unter General Tott, welcher sich aber Manches gegen die Herzöge herausnahm, die Einnahme der festen Plätze fort. - Schon Ende Juni hatte sich die Burg Plau, nachdem deren kaiserlicher Kommandant zu seiner Vertheidigung die Stadt angezündet und halb niedergebrannt hatte, dem schwedischen Oberst Monroe, einem Schotten, übergeben. - Dann gings Ende Juli vor Wismar, welches aber nebst dem Walfisch von dem kaiserlichen Kommandanten Freiherrn von Gramp trotz enger Blokade hartnäckig gehalten wurde; in der Belagerungsarmee werden auch als schwedische Obersten Mitglieder der mecklenburgischen Familien Moltke, Flotow, Stralendorf, Plüskow, Dewitz, Gadow genannt. Erst im Januar 1632, als Proviant mangelte, und auf Hülfe von Außen keine Aussicht war, erfolgte die Uebergabe gegen Abzug mit allen kriegerischen Ehren, d. h. "mit 2 schweren Karthaunen und einem Feldgeschütz und 20 Schuß, fliegenden Fähnlein. und Kornets (Standarten), Ober= und Untergewehr,

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brennenden Lunten, gefülltem Bandolier, die Kugel im Munde, unter Rühren aller Kriegsinstrumente." Gramp brach aber die Kapitulation, weil er einen Offizier der ihn und seine Truppen durch Mecklenburg bis zur Grenze geleitenden Bedeckungsmannschaft, welcher jene zum Uebertritt zu werben versuchte, ohne Weiteres niederschießen ließ; er wurde noch innerhalb Mecklenburgs von einer ihm nachgesandten größeren Truppenmacht eingeholt, kaufte sich von der verwirkten Todesstrafe durch 14000 Thaler los, und seine Soldaten wurden als kriegsgefangen "unterstellt", d. h. der schwedisch=mecklenburgischen Armee eingereihet. Dies war damals bei Gefangenen überall üblich; heimliche Deserteurs wurden ohne Weiteres aufgeknüpft und die Reihen der Gefangenen immer sehr genau danach abgesucht, aber Kriegsgefangenen, Offizieren wie Gemeinen, war der Uebertritt unter die feindliche Armee gestattet. Der schwedische General Banèr klagt gelegentlich darüber, daß seine Regimenter meistens aus. "Untergestellten" beständen. - Kommandant zu Wismar wurde gegen den Wunsch der mecklenburgischen Herzöge der Schwede Ryning, welchem demnächst noch während des Krieges seine Landsleute Liljesparre und Ulfsparre folgten; so wurde Wismar thatsächlich schon damals und noch vor dem Westfälischen Frieden für Mecklenburg verloren, das Ein= und Ausgangsthor für die schwedischen Streitmächte, der Anziehungspunkt für Schwedens Feinde, und dadurch Mecklenburgs Geißel.

Nachdem schon im September 1631 die Warnemünder Schanzen von den Mecklenburgern erobert, aber auch von Schweden besetzt waren, kapitulirte nach mehrwöchentlicher Belagerung im Oktober auch Virmond zu Rostock mit kriegerischen Ehren. Eine zweimalige Freudensalve von allen Regimentern rings um die Stadt mit 49 Geschützen und Kleingewehr feierte den Sieg. Kommandant wurde hier der mecklenburgische Befehlshaber Lohausen, der auch die Stadt während des ganzen Krieges zu behaupten verstand, sodaß sie nie in Feindes Hände fiel und der sichere Zufluchtsort vieler Tausende aus den übrigen Landestheilen wurde. - Im Dezember 1631 erhielt auch der kaiserliche Oberst Straube zu Dömitz mit 500 Mann freien Abzug; die Festung wurde von Mecklenburgern besetzt. - Leider war die Wegnahme dieser festen Plätze nicht ohne den völligen Ruin der meilenweiten Umgebung derselben ermöglicht, denn die Belagerer hausten dabei wie in Feindesland. Als im Lager vor Wismar bei Trommel= und Trompetenschall verkündet wurde, daß alle Marodeurs sofort aufgehängt werden sollten, rotteten sich die

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Soldaten zusammen und riefen: "Man gebe uns, was uns gebührt, dann wollen wir schon des Fürsten Gebote befolgen."

Ende Januar 1632 waren die letzten Kaiserlichen aus dem Lande, auch die Schweden rückten demnächst ab bis auf die Garnisonen zu Wismar und Warnemünde. Am 29. Februar 1632 schlossen die mecklenburgischen Herzöge zu Frankfurt a. Main ein festes Bündniß mit Gustav Adolph, versprachen monatlich 10000 Thaler Subsidien und wiesen sogen. Lauf= und Musterplätze innerhalb Landes für schwedische Truppenwerbungen an, wodurch nur zu oft Gelegenheit zu wüsten Exzessen der Angeworbenen gegeben wurde. Immer deutlicher trat auch allmählich zu Tage, daß wohl nicht bloßer frommer Glaubenseifer den großen Schwedenkönig nach Deutschland geführt hatte, sondern auch die Absicht zur Erweiterung der schwedischen Macht. Darum auch die im Bündnißvertrage ausdrücklich vorbehaltene schwedische Besetzung von Wismar und Warnemünde, daraus auch nur die Arroganz der schwedischen Generäle erklärlich. Im Großherzoglichen Archiv liegt Abschrift eines schwedischen Geheimraths=Beschlusses von 1640, wonach die Vereinigung Dänemarks, Pommerns, Mecklenburgs mit Schweden zu einem großen nordischen Reiche erstrebt werden sollte - dies mochte auch schon dem Schwedenkönig vorgeschwebt haben. -

Waren nun auch die großen Heere abgezogen, so hatte Mecklenburg doch noch viel vom Kriegsvolk zu leiden. Zunächst von den von dem fernen Kriegsschauplatz kommenden schwedischen Regimentern, welche mehr oder weniger aufgerieben waren und nun in der Heimath wieder kompletirt werden sollten, dann auch von den frischen aus Schweden kommenden Regimentern, - welche sämmtlich ihren Weg über Wismar und durch Mecklenburg nahmen. So lange Gustav Adolph noch lebte, hielten sie leidliche Mannszucht, aber nach seinem Heldentode bei Lützen am 6. November 1632 hausten jene hier häufig wie in Feindesland. - Ganz vereinzelt erschien hier auch im März 1634 ein schwedisches Kavallerieregiment unter Oberst Bomsdorf, welches von Hildesheim nach der Mark bestimmt war, aber auf dem geraden Wege überall nur Wüsten gefunden hatte, deshalb nothgedrungen weit abweichend einzelne Oasen aufsuchte und so auch nach Mecklenburg verschlagen war; Raub und Verheerungen kennzeichneten seine Bahnen. - sehr beschwerlich waren auch die Hin= und Herreisen der schwedischen Offiziere, die Transporte der Ihrigen, auch zahlreicher Leichen Gestorbener und Gefallener durch das Land über Wismar; zur Bedeckung gingen stets Reitertrupps, zuweilen

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bis zu einigen Hundert mit, welche dann überall freie Beköstigung und Quartier verlangten und dabei an Kostbarkeiten mitnahmen, was sie fassen konnten. Die so häufige Detachirung von Kavallerie zu solchen privaten Zwecken war überall üblich, auch nur dadurch ermöglicht, daß jene damals regelmäßig bedeutend stärker war als das Fußvolk.

Auch abgesehen hiervon waren die inneren Zustände in Mecklenburg in jener Zeit nicht erquicklich. Die Herzöge waren zur Auflage hoher Steuern genöthigt und geriethen darüber mit ihren Ständen in Streit. Letztere waren ohnehin dadurch erbittert, daß die Herzöge nun sehr scharf gegen diejenigen aus ihrer Mitte, sowie überhaupt gegen alle Mecklenburger vorgingen, welche - vielfach nicht aus mangelndem Patriotismus, sondern gerade, um ihrem Vaterlande auch in schweren Zeiten zu dienen, da sie ihrem in der Ferne weilenden angestammten Landesherrn doch Nichts sein konnten - Beamte unter Wallenstein gewesen waren, dessen Streben aus naheliegenden Zweckmäßigkeitsgründen vorwiegend auf Anstellung von Landeskindern gerichtet war. Besonders die Familien Lühe, Moltke, Plessen wurden vom Unwillen der Fürsten betroffen und theilweise ihrer Güter für verlustig erklärt. Gustav Adolph nahm auch hier Bedacht, seine schwedischen Offiziere für die Dauer in Mecklenburg ansässig zu machen, indem er von den Herzögen die konfiszirten Besitzungen für jene begehrte, theilweis auch selbst ohne Weiteres willkürlich darüber verfügte. Viel Zank und Prozeß entstand nach dem Kriege über Zurückerlangung dieser Güter.

Doch war dies Alles Nichts gegen das nun Kommende. - Im September 1634 war der tapfere Herzog Bernhard von Weimar bei Nördlingen vom General Gallas aufs Haupt geschlagen und die Kaiserlichen drangen überall wieder vor. Sachsen und Brandenburg beeilten sich deshalb, mit dem Kaiser im Mai 1635 zu Prag Frieden zu schließen, dem auch die mecklenburgischen Herzöge nachträglich beitraten, ohne jedoch an dem Kampfe gegen Schweden sich aktiv zu betheiligen. Letzteres erblickte aber nun in Mecklenburg seinen Feind und der große schwedische Reichskanzler Oxenstjerna erließ Drohbriefe an die Herzöge, welchen er den "rothen Hahn auf den Dächern" ankündigte. Der schwedische General Banèr kam in Eilmärschen aus Schlesien, wo er siegreich gekämpft hatte. schwedische Leibregimenter unter den Obersten Oesterling und Wachtmeister besetzten im September Schwerin und brandschatzten; das Schloß war mit einer ausreichenden mecklenburgischen Besatzung unter

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Leutnant von Kamptz versehen, welcher vom Herzog Adolph Friedrich den Befehl hatte, es bis auf den letzten Blutstropfen zu halten, und scheint während des ganzen Krieges frei vom Feinde geblieben zu sein. Dömitz und Plau wurden von den Schweden ohne Schwertstreich genommen; die schwedische Garnison zu Wismar machte sich meilenweit durch Plünderungen und Gewaltthaten bemerkbar. Zu Bützow und Güstrow wurden mehrere Kompagnien mecklenburgischer Truppen ohne Weiteres unter schwedische Regimenter gesteckt.

Die Kaiserlichen waren noch fern, aber der Kurfürst Johann Georg von Sachsen bewährte sich als neuer treuer Bundesgenosse und überschritt mit einem stattlichen Heere Mecklenburgs Grenzen. Sein General Baudissin lagerte sich mit 7000 Mann Infanterie Ende November 1635 vor Dömitz, der schwedische Festungskommandant Jeßvitzky ließ zu besserer Vertheidigung die Stadt in Brand stecken. Banèr aber sandte seinen General Ruthven, einen Schotten, mit 4000 Reitern und 800 Musketieren, die sich auf die Sachsen warfen, während gleichzeitig Jeßvitzky aus der Festung einen Ausfall machte; die Hälfte wurde getödtet, der Rest gefangen und den Schweden eingereihet; Baudissin selbst konnte sich nur schwimmend über die Elbe retten. Merkwürdiger Weise schreibt Herzog Adolph Friedrich schon 4 Wochen früher, Ende Oktober, in seinem Tagebuche von einem schwedischen Siege bei Dömitz, der damals nicht stattgefunden hat und nur auf einem bloßen Gerücht beruhen konnte. - Andererseits errangen die Sachsen einige Vortheile, indem ihr Oberst Unger zu Grabow eine schwedische Kompagnie unter Vietinghof gefangen nahm und noch im November die Festung Plau von ihnen erstürmt wurde. - Gleichzeitig aber vernichtete Banèr zwischen Goldberg und Parchim drei sächsische Reiterregimenter, besiegte auch im September 1636 bei Wittstock den sächsischen Kurfürsten selbst vollständig; im Oktober eroberte der schwedische Oberst Mortaigne Plau zurück, wobei die Stadt zur Ruine ward.

Im März 1637 starb der letzte Herzog von Pommem, Bogislav XIV., der Kurfürst von Brandenburg hatte alte Erbrechte darauf, aber Schweden versuchte sich in Pommern zu behaupten. Banèr zog frische Truppen aus Schweden heran, und zwischen ihm, sowie auf der andern Seite den Kaiserlichen unter Gallas, den Brandenburgern unter Klitzing und Kracht und den Sachsen unter Dehne und Vitzthum wogte der Kampf hin und her ohne Unterbrechung, aber auch ohne entscheidende Schläge, bald in Pommem, bald in Mecklenburg, für beide Länder überall

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Tod und Verderben bringend. - Im Sommer 1637 machte die schwedische Garnison aus Wismar einen Ausfall nach Warin und vernichtete dort das Regiment des kaiserlichen Oberst Krikenberg, bei welcher Gelegenheit der große Brand entstanden sein wird, der um jene Zeit den ganzen Ort in Asche legte; dagegen wurde Plau wieder von den Kaiserlichen genommen. Im September lagerten sich die Brandenburger vor Dömitz, dessen Festung sich erst ergab, als zwei ihrer Bastionen in Grund und Boden geschossen waren und eine Bresche zum Sturm offenstand.

Im März 1638 eroberten die Sachsen die Warnemünder Schanzen, wobei ihr General Vitzthum fiel, konnten sie aber nur kurze Zeit behaupten. Im September rieb der schwedische Oberst Slang 3000 kaiserliche Reiter unter General Ruck bei dem "neuen Hofe" (Neuhof) Amts Grabow völlig auf; auch bei Malchin wurden 600 kaiserliche Reiter unter Münster geschlagen.

Im Juli 1639 gewannen die Schweden unter Ribbing die vielumworbene Festung Plau durch Kapitulation des kaiserlichen Oberst Warasiner zurück und behaupteten sie fortan; auch zur Wiedereroberung von Dömitz machte Banèr im Dezember einen Versuch, welcher aber wegen Hochwassers mißlang.

Im August 1640 erlagen 12 Kompagnien Schweden den Brandenburgern bei Röbel; nur wenige entkamen auf Kähnen über die Müritz nach Waren; das Gefecht zog sich auch in die Stadt, wo 85 gefallene Schweden beerdigt wurden.

Neue Kriegsfluthen überschwemmten Mecklenburg, als 1640 der Kampf auch zwischen Dänemark und Schweden ausbrach, die Schweden, nach Banèrs Tode unter Torstenson und Wrangel, wieder neue Streitkräfte über Wismar an sich zogen und den Krieg nach Holstein trugen. Auch dorthin folgte ihnen der unermüdliche Gallas, und bald in Holstein, dann wieder in Mecklenburg drängten sich die Heere. Entscheidende Schläge fanden auch jetzt nicht statt, nur zahlreiche Garnisonen in den mecklenburgischen Landstädten wurden ausgehoben. Wie es dabei zuging, davon hier ein Beispiel. Oberst Goldacker hatte von Gallas den Befehl erhalten, mit zwei deutschen und zwei kroatischen Regimentern Wittenburg und Boizenburg von den Schweden zu säubern. In der Nacht vom 2./3. Februar überrumpelte er Wittenburg. Der dortige Stadtvoigt Holstein berichtet darüber an den Herzog:

"- - keine Türken oder Heiden können es ärger machen, als allhier gehauset, insonderheit die Krabaten, und wenn der redliche Cavallier Obr. Goldacker es nicht gethan, hieselbst

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wol kein Mensch lebendig geblieben, der auch meinethalben mit dem Crabaten=Oberst Kugeln wechseln wollen - -, haben mir das Geringste nicht gelassen, Alles aus dem Hause hinweg, die Kirche ist nicht verschont, Kelche und Alles was in der Kirche gewesen, zerhauen und weggenommen, uns nicht eine Krume Brot oder Fleisch gelassen, meine Pferde sind dahin, Bürger und Rath nackend ausgezogen, verwundet, jämmerlich zugerichtet, ich habe 4 ganze Stunden die Todten bis in die finstere Nacht auf den Kirchhof auf Schlöpen nackend und bloß zusammenfahren lassen, unter den Schwangern und Säugern ein solch' Schreien und Jammern gewesen, daß es einen Stein in der Erden hätte erbarmen mögen, viele Bürger weg, man weiß nicht ob am Leben oder todt, Rathsherr Hennecke Krüger auf den Tod verwundet nackend im Stalle liegend befunden; Obr. Goldacker ist in meinem Hause gewesen, sein Quartier gehabt, aber mir Nichts gelassen, 2 Wagen voll geladen, wie sie keine Säcke gehabt, Betten aufgeschnitten und in die Bühren geschüttet, mein Haus ist über 15 mal ausgeplündert u. s. w."

Der Herzog selbst schreibt, daß die Frauen und Mädchen in die Kirche geflüchtet, die Kroaten ihnen nachgesetzt, und der Oberst selbst mehrere der letzteren auf den Leibern der Weiber mit seinem Degen erstochen habe. - Am nächsten Tage gings nach Boizenburg, wo die Schweden aber besser auf der Hut waren und den Angriff blutig zurückwiesen.

Im August 1643 lagerten die Schweden unter Ulfsparre vor Dömitz, beschossen die Festung aus 2 Batterien von 28 Geschützen, errangen sie aber erst im Oktober durch Kapitulation des Befehlshabers Morosini.

Im Sommer 1644 sprengte Gallas das feste Schloß zu Boizenburg mit seiner schwedischen Besatzung in die Luft.

Ueber die nächsten Jahre fehlen eingehendere Nachrichten. - Der Westfälische Friede zu Osnabrück vom 24. Oktober 1648 beendete den langen verderblichen Krieg, aber auch selbst seine Ausführung brachte dem gequälten Lande neue Lasten. So war dasselbe u. A. verpflichtet zum Transport von 83 Geschützen nebst Munition von Dömitz nach der den Schweden verbleibenden Festung Wismar, wozu 4-5000 Pferde gestellt werden mußten. Auch die in ihre Heimath abrückenden Truppen verursachten noch manche Beschwerden und Kosten.

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Der völlige Ruin Mecklenburgs durch den langjährigen Krieg ist in unseren Geschichtswerken oft genug beschrieben -, hier deshalb nur noch einiges bis dahin nicht Bekannte.

Der rauhe, an alle Kriegsschrecken gewöhnte schwedische General Banèr schreibt im September 1638 an seinen Reichskanzler Oxenstjern:

"in Meklenburg ist Nichts als Sand und Luft, Alles bis auf den Erdboden verheert" -

und weiter, nachdem auch die große Pest hinzugekommen, welche in den mittleren Landstädten Tausende und in den kleineren Hunderte dahinraffte:

"Dörfer und Felder sind mit crepirtem Vieh besäet, die Häuser voll todter Menschen, der Jammer ist nicht zu beschreiben."

Und die Landstände des Herzogthums Güstrow berichten schon im Dezember 1635, also noch vor den schlimmsten Kriegsjahren, an den Herzog:

"Ew. fürstl. Gnaden wollen sich in Gnaden erinnern laßen, wie das die Königliche schwedische Armee in diesem Lande nicht allein Logieret, sondern das auch selbige Soldateska, Gott sey es im höchsten Himmel geclagt, in demselben ohne alle unsere schuld und ursachen keiner Kirchen und Gotteshauses, oder deren Diener, auch der Schwangern und Seuglinge, ja der Todten Körper in Jhrem Ruhebette ganz nicht verschonet, sondern dieselben, wie auch fast alle Adeliche und andere dieses Landes Einwohnern, auch die Adelichen Wittiben, Frauen und Jungfrauen, auch die Kleinen Unmündigen Kinder ohne allen Unterschied geplündert, beraubet, geengstiget, jämmerlich geschlagen, nackend und bloß außgezogen, allen Vorrath an Viehe, Korn und was sonsten an mobilien und Fahrnißen vorhanden gewesen, von den Gütern und aus den Städten wegkgerißen, die Mühlen auff dem Lande enzwey geschlagen und zunichte gemachet, keiner lebendiger oder schriftlicher Salva Guardien, sie sein gleich von dem Herrn Feld=Marschalcken ertheilet, geachtet, sondern so elendig und erbärmlich in Kirchen, Städten, auff Adelichen Häusern und Dörffern im Lande, insonders mit nothzuchtigunge der Eheweiber, Mägden und unerwachsenen Kindern, auch Sengen und Brennen procediret und Haußgehalten, das solches alles nicht beschrieben oder für zuchtigen Ohren gemeldet werden kan, sondern mit Stillschweigen vorbey gegangen werden muß;

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dahero dan, Gott sey es geklaget, dieses entstanden, das der Gottesdienst so woll in Städten, alß auff dem Lande, in den ganz ruinirten Kirchen, biß dato nicht befurdert, sondern hindangesetzet, redliche Leute ohne Ursache, Königlicher Salva Guardien ungeachtet, auff ihren gutem erbarmlich erschoßen, deren Frauen und Kindern zu Wittiben und Weysen gemacht, die übrigen in dieser kalten beschwerlichen Winterszeit von Hauß und Hof nackend und bloß in das elend verjagt und dahero Hungers und Blöße halber mit den Jhrigen sterben und verderben; theils auch wegen großer verzweiffelunge, engsten und nöthen in Leibes und Seelen gefahr gerathen mußten.
Wie den solche und dergleichen unerhörte unmenschliche Insolentien und proceduren nicht mit Zungen außgeredet und beschrieben oder mit heißen Thränen genugsamb beklaget und beseuffzet werden können."

Zwar nicht plötzlich und unerwartet fielen die fremden Heere ins Land, sondern ihre Führer meldeten den Herzögen, welche mit dem Kaiser ihren Frieden gemacht, mit den Schweden jedenfalls nicht geradezu gebrochen hatten, auch mit dem schwedischen Herrscherhause nahe verwandt, und mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg befreundet waren, in aller Form ihre Ankunft tagelang vorher an, baten auch höflich um Quartier und Kost. Die Herzöge entsandten Kriegskommissäre, meistens aus der Ritterfchaft - worüber besonders die Städte sich beschwerten, weil angeblich die Lasten auf letztere gegenüber den Rittergütern ungleich vertheilt wurden - ins Feldlager der angemeldeten Truppen, und genaue Dislokationspläne wurden dann entworfen, auch die Gebührnisse in natura und baar genau festgestellt. Aber diese waren regelmäßig so übertrieben, daß ihre Leistung von vorn herein unmöglich war. So sollten haben ein Gemeiner täglich 2 Pfund Fleisch und 2 Pfund Brot nebst 1 Kanne Bier - ein Pferd täglich 1 Metze Hafer, 10 Pfund Heu, alle 10 Tage 4 Bund Stroh -, ein ganzes Regiment (von ungefährer Stärke eines jetzigen Bataillons) wöchentlich 46 Ochsen, 156 Schafe, 86 Tonnen Bier. Für einen Regimentsstab, nämlich Oberst, Oberstleutnant, Major, Quartiermeister, Wagenmeister, Prediger, Barbier, Profoß, Stockknecht, Scharfrichter - letztere damals vielbeschäftigt und zuweilen selbst schon einzelnen Kompagnien zugetheilt -, wurden alle 10 Tage beansprucht: 3 Rinder, 10 Schafe, 2 Schweine, 1 Scheffel Salz, viel Geflügel, und dazu täglich 1/4 Tonne Hering, 2 Speckseiten,

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1/4 Tonne Dorsch, 1 Faß Neunaugen, 2 Scheffel Erbsen, 1 Scheffel Rüben, 24 Stübchen Essig, 1 Ohm Wein, 15 Tonnen Bier, 2 Pf. Pfeffer, 16 Loth Zimmt, 6 Pfund Rosinen, 3 Pfund Mandeln, 9 Pfund Kirschen, 3 Pfund Reis, 4 Pfund Kapern, 1 Zuckerhut, 2 Pfund Oliven, viele Fische - und wöchentlich baar für Oberst 180 Thlr., Oberstleutnant die Hälfte, Major 30 Thlr., Leutnant 8 Thlr., Gemeinen 1 1/2 Thlr. Gerechnet war hierbei auf die überaus zahlreiche Dienerschaft der Offiziere, wie denn z. B. ein Oberstwachtmeister (Major) 1 Leibschützen, 1 Koch, 7 Kutscher, 4 Reitknechte, 1 Stalljungen, 2 Aufwärter um sich hatte, welche Anzahl bei den obersten Befehlshabern ins Ungemessene stieg. Dazu kamen bei den Offizieren ihre Frauen, Kinder, selbst Schwiegereltern, Hofmeister, Erzieher, Gouvernanten, bei den Gemeinen wenigstens Frauen oder Dirnen. Dazu endlich viele Pferde für die zahlreichen Equipagen und Transportwagen. So befanden sich z. B. in Schwerin bei 2 Kompagnien Kaiserlicher von zusammen 250 Mann noch 113 Weiber, 56 Kinder, 38 Pferde. Das Feldlager war eben damals die Heimath der ganzen Familie.

An Genügung so weit gehender Forderungen war in dem ausgesogenen Lande auch nicht im Entferntesten zu denken - und die Folge war Verhängung militärischer Exekution "bei Androhung von Schwert und Feuer," welche nur zu oft zur Wirklichkeit wurde. Eine Plünderung der Städte und Dörfer folgte der andern, und was nicht mitgenommen, wurde zerstört.

Den Oberbefehlshabern selbst freilich war mit der völligen Aussaugung des Landes, auf welches sie doch auf einige Zeit angewiesen waren, gar nicht gedient, und sie suchten häufig nach Kräften dem Unheil zu steuern. So erließ der vielgeschmähete Banèr 1638 folgenden Tagesbefehl:

Der. Königl. Mayest. vnd Reiche Schweden, Wie auch dero Confoederirten, respective Raht, General vnd Feldt=Marschall, Johann Banèr, Herr zu Mühlhammer vnd Werder, Ritter etc. .

"Obwohl Hochgedachte Jhre Excell. vermeinet, es wurden durch dero eine Zeit her sehr vielfältige vnd oft repetirte poenalmandata, dero Vnterhabende Soldatesca, von ihren grausahmen excessen, Raub, Mord, Plünderung, Brand, Schändung der Frawen vnd Jungfrawen, ohne Vnterscheidt des Standes vnd Alters, devastirung der Kirchen vnd Gottes Häuser, vnd beleidigung der Prediger vnd Kirchen=

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diener, Verwüstung der Gaben Gottes, vnd anderen barbarischen crudeliteten abgeschrecket worden seyn, die Herren Obersten vnd nachgesetzte Officirer auch dermassen darüber gehalten, vnd solche disciplin angeordnet vnd confirmiret haben, daß zu ihrem selbst eigenen besten, Insonderheit zu abwendung des durch solche Teufflische proceduren angezündeten Zorn Gottes, viele Land vnd Leute conserviret, die armèè also besser alimentiret, vnd nicht Noth vnd Mangel leiden dürften, geftalt die Herrn Obersten solches Jhr. Excll. hochbetheurlich versprochen und angelobet, so hat doch bißhero die Erfahrung gelehrt, daß die Soldateska einen Weg wie den andern bey ihren Unchristlichen vnd Abscheulichen enormischen excessen verharret, vnd dieselbe von Tage zu Tage zu- vnd fast überhand genommen, und itzo mit vielen greulichen und noch nie erhörten Martern die plagen des armen Landtmans vergrössert und die Arten derselben vermehret, und durch Conniventz der Officirer in vollen Schwang gerathen und darauß eine solche Gewohnheit eingewurtzelt, welche Gottes Zorn dermassen gehäuffet das dessen effect die armèè biß dato nicht wenig gespüret. Als haben Jhr Excell. aus obligender Fürsorge zur conservation dero anvertrauten armèè, protection der damit innehabenden Lande, und beybehaltung der Einwohner, Insonderheit zu beschützung der angehenden Erndte vnd Lebensmittel, vor hochnöthig erachtet, dero mandata noch einmahl zu wiederholen." - - -

Auch der kaiserliche Feldherr Graf Gallas drohet seinem übelberüchtigten Oberst Graf Götzen und dem Oberst Lossi, Befehlshaber der wilden Crabaten (Kroaten), die "weder Galgen noch Rad scheueten," daß sie "bei ferneren Excessen so lange vor dem Feinde stehen sollen, bis Einer den Andern aufgefressen."

Dazu wurden einzelnen Ortschaften und Personen häufig Sauvegarden entweder in Form von Schutzbriefen oder auch lebendige, d. i. Wachen, bestellt, diese jedoch von den eigenen Truppen nur widerwillig, vom Feinde gar nicht beachtet. -

Am ärgsten hausten umherziehende einzelne Trupps von wenigen bis zu einigen hundert Mann, welche entweder zur Fouragirung ausgesandt waren oder heimlich sich abgetrennt hatten, und auf eigene Fauft raubten und brandschatzten. Die Städte, welche damals sämmtlich mit festen Thoren, Mauern und Wällen umgeben und deren Bürger in Wehr und Waffen

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wohl geübt waren, wußten sich ihrer freilich - wenigstens in den ersten Kriegsjahren und als sie noch nicht öde und verlassen waren -, wenn sie wachsam waren, zu erwehren. Zu Röbel schwur die ganze Bürgerschaft feierlich, ihre Stadt bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen, schlug auch mehrere Angriffe tapfer zurück; ebenso zu Malchin. Vor Crivitz plänkelten kaiserliche Reuter einen ganzen Tag und zündeten, als sie sich mit Verlust zurückziehen mußten, die Stadtscheunen an. In Gnoien, Wittenburg, Boizenburg, Gadebusch waren die Feinde bereits durch die Thore und über die Mauern eingedrungen, aber die durch Lärmtrommel und Sturmglocke herbeigerufenen Bürger warfen sich ihnen auf dem Markte und in den Straßen entgegen und trieben sie wieder heraus. - Die obersten Befehlshaber schritten auch hier häufig nach Kräften ein. Banèr befahl sofortiges Tödten aller sogen. Freireuter. Auch wurden aus den Feldlagern sogen. Rumormeister mit kleineren Truppenabtheilungen ausgesandt, welche alle Marodeurs sofort aufknüpften, aber auch selbst nicht selten mit blutigen Köpfen heimgeleuchtet wurden.

Wie in den letzten Kriegsjahren Alles daniederlag, die Städte und Ortschaften theils verbrannt, theils zu Brennholz oder zu Feldlagern abgebrochen, die Bewohner theils durch Schwert und Martern, theils durch Pest und Hunger umgekommen, zum kleineren Theile nach dem festen Rostock, besonders auch nach Lübeck und Hamburg geflohen waren, ist in unseren Geschichtswerken oft und eingehend genug geschildert. Hier nur noch wenige andere Bilder aus jener Schreckenszeit. Die Städte mit festen Schlössern - Dömitz, Plau, Boizenburg - waren während der Belagerungen fast ganz in Asche gelegt, ebenso Warin, Laage, größten Theils Teterow, Röbel. In Waren drangen die Kroaten ein, marterten viele Bewohner auf jede nur erdenkliche Weise zu Tode, jagten andere in die Müritz und zündeten die Stadt an, wobei 72 Häuser und die Marienkirche verbrannten; der Rest wurde abgebrochen für Baracken eines kaiserlichen Feldlagers bei Eldenburg; die Leichen der Erschlagenen sollen von Hunden und Wölfen verzehrt und nach dem Kriege nur erst sieben Familien zurückgekehrt sein, welche das Saatkorn auf einer Schiebkarre von Wismar holten. In Malchin wurden nach Bericht des Bürgermeisters 200 menschliche Skelette von den Straßen aufgelesen, deren Fleisch von Hunden abgenagt war; auch von Schwerin wird Aehnliches berichtet. Als an einem vom Herzog wegen der traurigen Zeit angeordneten Buß= und Bettage die Gemeinde zu Ivenack in der

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Kirche versammelt war, drangen Kroaten in dieselbe, erschlugen den Prediger vor dem Altar und 40 Personen, verübten an Weibern und Kindern die schrecklichsten Dinge. Besonders die Prediger wurden verfolgt, manche, wie in Malchin, Waren, Grevesmühlen, Slate, zu Tode gemartert; massenweise flohen sie nach Rostock, verkamen auch dort in Hunger und Noth. Fliehende wurden mit Hunden gehetzt, zur Winterszeit in Brüche und Wälder gejagt, geblendet, durch Einschneiden der Fußsohlen gelähmt, voll Mistjauche und Wagenschmiere gefüllt und dann getreten. Ganz unnatürliche Dinge dienten zur Stillung des Hungers; zu Neubrandenburg wurden zwei Mädchen betroffen, welche den Leichnam eines andern bis auf die Knochen verzehrt hatten; zu Bülow bei Malchin tödtete und verzehrte eine Mutter ihren Säugling. Wie Schweden und Kaiserliche zu Doberan hausten, das schöne Gotteshaus demolirten, das Kupfer vom Dache rissen, die Thurmspitze abbrachen, die fürstlichen Gräber aufrissen, den Leichnam von des Herzogs Adolph Friedrich ersten Gemahlin zerstückten und den Hunden vorwarfen, den Prediger schwer verwundeten, in der Kirche den alten Küster auf grauenvolle Weise ums Leben brachten, ist bekannt; aber auch ein dortiger Müllerknecht wurde lebend in den Backofen geworfen und der Knochenrest in den Bach gestreuet. Auch im Amte Neustadt sind Bauern geröstet. - Die Menschen hatten sich in Bestien verkehrt!

Auf dem platten Lande war es nicht anders, Höfe und Dörfer rauchende Trümmer und weite Kirchhöfe. Gar mancher Edelmann mußte wohl bei Vertheidigung seines Hauses und der seinigen sein Leben lassen - so ein Hahn auf Hinrichshagen und Landrath Jürgen Flotow auf Burg Stuer. Ganze Adelsfamilien starben aus, manche wurden auf wenig Augen beschränkt und wuchsen erst allmählich wieder.

Wie es in den fürstlichen Domänen aussah, bezeugen die um jene Zeit aufgenommenen Amts=Inventare. Hier nur dasjenige des Amtes Lübz von 1640, als noch schlimme Jahre folgten. Da heißt es damals schon Dorf für Dorf und Gehöft für Gehöft:

N. N. todt mit allen Seinigen - todt mit der Frau, der Sohn in Lübeck - N. N. unter die Schweden gegangen, Frau und Kinder todt - N. N. und die Kinder todt, Frau beim schwedischen Leutnant - das Haus liegt nieder - sämmtliche Zimmer abgebrannt - bei diesem Dorfe sind 1 1/2 Scheffel Wintersaat gesäet - an Vieh kein

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Vorrath - bei diesem Dorfe ist Nichts gesäet, .kein Vieh, hier lebt kein Hauswirth, nur zwei Wittwen und eine Magd, - -
Dorf Retzow ganz wüste - ebenso Quaßlin - Wahlstorf - Karbow - Darß - Wilsen - diese Dörfer ausgestorben, nur Wenige weggelaufen.

Im Amte Dargun waren von 227 bäuerlichen Hauswirthen 1639 nur noch 31 vorhanden; 1640 heißt es: Alles wüst und verbrannt, kein Mensch noch Vieh; wegen der kaiserlichen Reuter zu Malchin, welche Alles unsicher machen, darf sich Niemand aufs Land wagen.

Im Amte Gnoien lebten 1639 von 82 Hauswirthen noch 6, 47 Gehöfte waren niedergebrannt, - 1644 Schlutow, Küsserow Amts Kalen, Damm, Schlakendorf ganz wüste.

Amt Neukalen von 49 Bauern 1639 noch 3, die Gesammtbevölkerung 1644 nur 8 Seelen, 1653 heißt es: lange wüst und menschenleer.

Amt Grabow zählte von 82 Bauern 1641 nur noch 12.

Im Amte Güstrow waren 1644 von 414 Bauern abgebrannt 283; noch 1701 waren 72 wüst.

Amt Goldberg mit 200 Bauern war 1638 ganz wüst und ausgebrannt.

Amt Plau heißt noch 1650 zu 3/4 wüst.

Amt Stavenhagen mit vorher 558 Bauern zählte 1638 an Jung und Alt 72 anwesende Personen, von 5000 Einwohnern waren nach dem Kriege 329 am Leben, 30 Dörfer waren ganz wüst.

Im Amt Warin waren 1639 von 93 Bauern wüst 77, 16 Bauern und 11 Wittwen am Leben; kein einziges Haupt Vieh, kein Brot, keine Saat.

Die Aemter Wredenhagen, Ivenack, Plau zählten vor dem Kriege 724 Bauern, 4300 Seelen, nachher 97 Bauern und 600 Seelen.

In den Aemtern Neustadt und Schwerin waren noch 1656 viele Ortschaften ganz und halb wüste, die Gebäude weg, die Ländereien in Rusch und Busch, die Gehöftsfamilien todt und verschollen.

Nur langsam ging die neue Kolonisation wieder vorwärts. Noch 1662 befahl der Herzog, in jedem Amte 10 Bauern auszusetzen, ihnen auf herrschaftliche Kosten die Gebäude zu errichten, die Felder zu besäen, und auch mehrere Freijahre zu geben. Nach etwa vorhandenen Kindern der früheren Bauernfamilien

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wurde überall Nachfrage gehalten, um sie, wenn nicht gütlich, so doch nach dem Recht der Leibeigenschaft mit Gewalt auf die Hufen zurückzubringen. Aus der Mark, aus Holstein, Pommern kamen zahlreiche Einwanderer, welche dort Alles verloren hatten und nun hier ihr Glück versuchen wollten. Dennoch ist die Anzahl der früheren Bauern bis auf diesen Tag bei Weitem nicht erreicht. - Nach möglichst genauer Schätzung waren vor dem großen Kriege im landesherrlichen Domanium jetzigen Mecklenburg=Schwerinschen Antheils rund 7700 Bauern, jetzt wohnen darin 5440 inzwischen vererbpachtete Bauern; der Abgang beträgt also etwa 2260, deren Ländereien nach dem Kriege aus Nothbehelf großentheils zu Hofacker gemacht sind. Rechnet man nun durchschnittlich etwa 10 frühere Bauern auf einen jetzigen Pachthof, so ergiebt dies seit dem Kriege eine Zunahme von mehr als 200 großen Höfen, welche Zahl auch der Wirklichkeit entspricht. Die Folgen des 30jährigen Krieges wirken also noch in die Jetztzeit hinein.

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