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Karte
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III.

Der Elbe-Ostsee-Kanal zwischen Dömitz und Wismar.

Von
Archivar Dr. Friedrich Stuhr .

Mit zwei Karten.
~~~~~~~~~~

D er Wohlstand der Hansestadt Wismar während des 14. Jahrhunderts beruhte zum großen Theil auf dem Zwischenhandel mit dem Lüneburger Salz. Dieser viel begehrte Handelsartikel kam bei Boizenburg über die Elbe nach Meklenburg hinein, wurde über Gadebusch und Mühleneichsen zu Wagen nach Wismar geschafft und dort von den anderen Ostseestädten gegen die eigenen


Die Quellen für die nachfolgende Darstellung bietet hauptsächlich das Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin, wo bei den "acta navigationis in fluminibus" die Akten der Schweriner und der Güstrower Regierung mit den Handakten des Tilemann Stella vereinigt sind; außerdem hat das Rathsarchiv zu Wismar wichtiges Material geliefert. In Magdeburg sind alle in Betracht kommenben Akten bei der Eroberung der Stadt durch Tilly 1631 zu Grunbe gegangen, in Hamburg haben nur geringe Reste den Stadtbrand im Mai 1842 überdauert, im Lüneburger Stadtarchiv sind bis auf eine Relation bisher keine Kanalakten gefunden.

Eingehende ältere Abhandlungen:

Binder, Von der Aufräumung der in Mecklenburg befindlichen Flüsse und von deren Vereinigung mit einander sowohl als auch vermittelst des Ausflusses der Elbe und der Warnau mit der Nord= und Ostsee, in dem Patriotischen Menschenfreund, I, 1780, S. 344-367.

Becker, Geschichte der Schiffbarmachung der Flüsse und Ströme in Mecklenburg, in Monatsschrift von und für Mecklenburg, 1791, Spalte 561-573, 613-628, 671-690.

Norrmann, Ueber Wismars Handelslage und deren Benutzung in älteren Zeiten, Rostock 1804, S. 57-72.

v. Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg, III, Berlin 1835, 8. 14-15, 96-104, 127-129.

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Erzeugnisse eingetauscht. so bestand zu jener Zeit in Wismar eine Niederlage von Waaren und Gütern aller Art, von deren Bedeutung noch im 16. Jahrhundert viele damals verwaisten Lagerhäuser Zeugniß ablegten.

Eine Aenderung in diesem Zustand trat ein, als die rührige Nachbarstadt Lübeck auf Grund eines 1390 mit Herzog Erich von Sachsen abgeschlossenen Vertrages in den Jahren 1391 bis 1398 die unweit Lauenburg in die Elbe mündende Delvenau schiffbar machte und diesen Fluß durch einen Kanal mit dem Möllner See und mit seinem Abfluß nach Lübeck hin der Stecknitz, verband. Die 1398 eröffnete Stecknitzfahrt 1 ) zog in Kurzem den Lüneburger Salzhandel ganz an sich, weil der Salztransport zu Schiffe naturgemäß weit wohlfeiler war, als der zu Wagen über Land. Und als erst Wismar mit dem Verlust des Zwischenhandels in Salz ein wesentlicher Tauschartikel fehlte, folgte bald ein großer Theil des Wismarschen Importverkehrs nach und ging gleichfalls auf Lübeck über.

Wismar und die Herzöge von Meklenburg waren zu Ende des 14. Jahrhunderts nicht in der Lage, ihrerseits eine Wasserverbindung zwischen Ostsee und Elbe herzustellen und auf diese Weise die Ausführung des Lübecker Planes zu vereiteln. Herzog Albrecht III., König von Schweden, schmachtete seit 1389 in schwedischer Gefangenschaft, in die er im Kampfe mit der Königin Margarethe um seine Königskrone gerathen war. Wismar stand, ebenso wie Rostock, in dieser Zeit treu zu seinem Landesherrn und brachte für dessen Befreiung und für den Ersatz Stockholms schwere Opfer an Geld und Blut. Als Herzog Albrecht 1395 nach fast 7jähriger Gefangenschaft in die Heimath zurückkehrte, waren seine Mittel so völlig erschöpft, daß er und seine Verbündeten mit Waffengewalt gegen Lübeck wenig durchzusetzen vermochten. Herzog Albrecht nahm daher am 22. Oktober 1402 unter Vermittelung des Bischofs Detlev von Ratzeburg einen Vergleich 2 ) an, wonach die Stadt ihm eine Entschädigung für Nachtheile aus dem neuen Kanal im Betrage von 6 lüb. Pfennigen für jede Last Salz zusicherte, Albrecht dagegen den Kanal und Leute, Güter und Schiffe darauf zu schützen versprach.

Für Lüneburg war übrigens die Stecknitzfahrt nicht so unbedingt vortheilhaft, wie man zu Anfang glauben mochte.


1) Ueber die Stecknitzfahrt vergl. Woltman, Beyträge zur Schiffbarmachung der Flüsse, Hamburg 1826, S. 170-194.
2) Original im Geh. und Haupt=Archiv, Verträge mit Auswärtigen (Lübeck).
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Nicht nur hielt die Stadt Lübeck mächtig ihre Hand auf dem neuen Wasserweg und sperrte ihn, sobald sie mit Lüneburg in Zwistigkeiten gerieth, sondern sie versuchte auch alsbald vermittelst dieser neuen Verbindung mit der Elbe ihrem Handel durch die Elbschifffahrt neue Absatzgebiete in Oberdeutschland zu verschaffen, auf die Lüneburg aus einer alten Stapelgerechtigkeit ausschließlichen Anspruch zu haben vermeinte. Aus diesem Grunde suchte Lüneburg schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts die alten Beziehungen zu Wismar wieder anzuknüpfen und fand bei den meklenburgischen Herzögen bereitwilliges Entgegenkommen.

Im Jahre 1412 schlossen die Herzöge Johann IV. und Albrecht V. und die Herzogin Agnes von Meklenburg, die für letzteren die Vormundschaft führte, in Gegenwart zweier Wismarscher Rathsherren mit der Stadt Lüneburg einen Vertrag 1 ) über die Handelsstraßen von Boizenburg nach Wismar ab. Sie nahmen Gut und Gesinde der Lüneburger in ihren Frieden und ihre Hut, regelten den Zoll auf den Zollstätten Boizenburg, Gadebusch und Mühleneichsen und, was das Wichtigste ist, sie räumten den Lüneburgern das Recht ein, an geeigneter Stelle Wasserstraßen von der Elbe durch das meklenburgische Land nach Wismar anzurichten. Es bestand also schon damals in Lüneburg der Plan, dem Salzhandel einen neuen Ausweg nach der Ostsee zu bahnen und dadurch die Stecknitzfahrt entbehrlich zu machen. Noch bestimmter kommt dieser Plan in einer Urkunde vom 11. September 1430 2 ) zum Ausdruck, durch die Herzogin Katharine von Meklenburg für sich und in Vormundschaft ihrer Söhne, der Herzöge Heinrich und Johann, die Verleihung von 1412 bestätigte und erweiterte. Sie gestattete darin den Lüneburgern, die Schaale, einen Nebenfluß der oberhalb Boizenburg in die Elbe mündenden Sude oder des schwarzen Wassers, wie der Unterlauf der Sude im Volksmunde genannt wird, aufzuräumen und durch Schleusen fahrbar zu machen, also daß man zu Schiff aus der Elbe in den Schaalsee und, bei etwaiger Fortsetzung der Wasserstraße nach Wismar, auch dorthin gelangen könne. Daneben gewährte die Herzogin den Lüneburgern ausgedehnte Vorrechte auf der neuen Fahrt. Trotz aller dieser Begünstigungen meklenburgischerseits vergingen jedoch


1) Abschrift im Geh. und Haupt=Archiv zu Schwerin, acta navigationis, und im Rathsarchiv zu Wismar.
2) Die entsprechende Lüneburger Urkunde vom 4. Juli 1430 im Original im Geh. und Haupt=Archiv zu Schwerin, Verträge mit Auswärtigen.
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noch über 100 Jahre, bis die Schaalfahrt 1 ) ins Werk gesetzt wurde. Hauptsächlich war daran die Eifersucht der Boizenburger schuld, die, gestützt auf herzogliche Privilegien, auf eine ausschließliche Benutzung des schwarzen Wassers Anspruch erhoben und dem Bau der Wasserstraße andauernd Hindernisse in den Weg legten. Geldmangel und innere Unruhen in der Stadt Lüneburg, auch die Streitigkeiten, in die Lüneburg bei Einführung der Reformation verwickelt wurde, mochten außerdem lähmend auf die Unternehmungen der Stadt wirken.

Erst in den Jahren 1550-1560 wurde die Schaale regulirt, Schleusen darauf angelegt und derart eine Schifffahrt aus der Elbe bis in den Schaalsee ermöglicht. Recht in Aufnahme ist die Schaalfahrt aber auch nach Vollendung des Werkes nicht gekommen. Nach wie vor blieb das Abflößen des Holzes das Meklenburgs Waldungen in großen Mengen lieferten und das die Lüneburger Saline zum Betriebe ihrer Salzpfannen nicht entbehren konnte, auf der Schaale die Hauptsache. 2 ) Noch viel weniger wurden Schaalsee und Ostsee bei Wismar durch einen Kanal, wie 1430 in Aussicht genommen war, verbunden. Der breite Landrücken, der sich quer durch Mektenburg hinzieht und erst in Schleswig=Holstein verläuft, mußte zwischen Schaalsee und Wismar durchstochen werden, wobei kein Wasserlauf die Arbeiten erleichterte. Dazu machten der Herzog von Lauenburg, das Stift Ratzeburg und andere Interessenten alsbald gegen die Benutzung des Schaalsees mannigfache Einwendungen, zu deren Hinwegräumung nur geringe Aussicht vorhanden war. Vor allen Dingen wurde aber bald nach Vollendung der Schaalfahrt von den Herzögen von Meklenburg und der Stadt Wismar eine andere Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee zur Umgehung der Stecknitzfahrt thätig in Angriff genommen, die der Schaalfahrt in jeder Weise den Rang abzulaufen schien. Sie beruhte auf viel breiterer pekuniärer Grundlage, wurde von der Natur außerordentlich begünstigt und bot den Lüneburgern mindestens dieselben, wenn nicht noch größere Vortheile. Das war die Wasserfahrt Dömitz-Wismar.

In ziemlich gerader Linie zwischen beiden Städten erstreckte sich auf mehr als 2 1/2 Meilen in die Länge von Norden nach


1) Kraut, Geschichte der Schaalffahrt, in Annalen der Braunschweig=Lüneburgischen Churlande, Hannover 1787, I, 1. Stück, S. 60-81 und 2. Stück, S. 12-35.
2) Manecke, Beschreibungen der Städte, Aemter und adelichen Gerichte im Fürstenthum Lüneburg, I. Band, Celle 1858, S. 57.
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Süden der wasserreiche, in allen seinen Theilen schiffbare Schweriner See. Nach Süden hin war derselbe bereits mit der Elbe durch natürliche Wasserläufe verbunden. Die Stör floß aus dem südlichsten Zipfel des Sees, der Bucht bei der Fähre, ab und vereinigte sich 1/4 Meile oberhalb Neustadt bei Hohewisch mit der Elde, die ihrerseits über Neustadt, Grabow und Gorlosen weiterfloß und, nachdem sie unterhalb Gorlosen eine kurze Strecke auf brandenburger Gebiet übergetreten war, nahe Dömitz in die Elbe mündete. Vertiefte und räumte man diese Flüsse und versah man sie mit den nöthigen Schleusen, so war eine Schifffahrt vom Nordende des Schweriner Sees bei Viecheln bis in die Elbe möglich. Nach Norden hin bestand eine natürliche Wasserverbindung des Schweriner Sees mit der Ostsee zwar noch nicht, aber auch hier hatte die Natur der Schifffahrt in mancher Hinsicht vorgearbeitet. Aus dem ganz nahe dem Schweriner See gelegenen Loostener See floß nach Norden ein Bach 1 ) ab, trieb mehrere Mühlen und ergoß sich in den Wismarschen Mühlenteich. Sümpfe, Moore und kleine Teiche waren auf der Strecke mehrfach vorhanden. Schwierigkeiten bot die Durchstechung einiger Anhöhen zwischen Loostener und Schweriner See und bei Moidentin und Meklenburg und die Ueberwindung des bedeutenden Höhenunterschiedes zwischen den Wasserspiegeln des Schweriner Sees und der Ostsee. Aber auch diese Schwierigkeiten waren hinwegzuräumen, wenn man die Kosten nicht scheute.

Die Vortheile, die sich aus der Fahrt nach ihrer Fertigstellung für den Handel Meklenburgs ergeben mußten, lagen auf der Hand. Der Durchgangshandel von der Elbe her würde das Lüneburger Salz wieder, wie früher, auf Wismar anstatt auf Lübeck leiten, und von Wismar her würden die Waaren der Ostseegebiete auf dem neuen Weg ins Innere Deutschlands gehen. Auch auf eine erhebliche Ausfuhr aus dem Lande, besonders an Holz und Wild, konnte man rechnen. Zu beiden Ufern der Elde zogen sich weite Waldungen, die Lewitz, der Zuckhut, der Horn, der Jastram u. A., hin, die nach einem Bericht aus der Mitte des 16. Jahrhunderts an Eichen, Buchen, Ellern und anderem Nutzholz die Fülle hatten. An Wild gab es darin nach demselben Bericht Hirsche, wilde Schweine, Rehe, Hasen, Füchse, Birk=, Reb= und Haselhühner, Tauben, Enten, Schnepfen, Krammetsvögel, selbst Biber und Wölfe.


1) Vergl. Crull, Die Bisthums= und Kirchspielsgrenzen bei und in Wismar, im Jahrb. 41, S. 115-116.
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Die ersten Versuche, eine Schifffahrt auf der Elde zu Stande zu bringen, gingen von den Herzögen Magnus II. (1477-1503) und Balthasar (1480-1507) von Meklenburg aus. Sie bemühten sich, soweit die für jene Zeit recht lückenhaften Quellen erkennen lassen, mehrfach, die Benutzung der brandenburgischen Eldestrecke frei zu bekommen. Bereits mit dem Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg (1470-1486) pflogen sie, nachweislich zuerst 1480, deswegen Verhandlungen und behaupteten später auch, auf einer Zusammenkunft zu Wilsnack, die Gewährung ihres Wunsches von ihm erlangt zu haben. Wie dem nun auch sei, sein Sohn und Nachfolger, Kurfürst Johann Cicero (1486-1499) nahm von vorne herein eine ablehnende Stellung den meklenburgischen Plänen gegenüber ein. Er ließ durch die zu Eldenburg angesessenen Quitzows den Fluß sperren und ließ, als meklenburgische Unterthanen, von ihren Vögten unterstützt, trotzdem von der Schifffahrt nicht abstanden, 1488 durch Jürgen Bischwang am meklenburgischen Hof energisch aus Abstellung der Uebergriffe dringen. Alle Berufungen meklenburgischerseits auf ihr vermeintliches, ihnen von Alters her zustehendes Recht und auf die Bewilligungen des Kurfürsten Albrecht fruchteten Nichts. Auch die Absendung mehrerer Räthe mit Schiffen die Elde hinunter im Jahre 1490 1 ) scheiterte an dem Widerstand des jüngeren Dietrich von Quitzow. Da werden denn die Herzöge Magnus und Balthasar ihren Plan für aussichtslos gehalten und aufgegeben haben. Wenigstens ist uns von weiteren Unternehmungen der Herzöge keine Kunde geworden. An die Aufräumung und Kanalisirung der Elde sind sie nicht gegangen. Diese Arbeiten hatten auch nicht eher Zweck, als bis man Gewißheit hatte, daß sie später Nutzen bringen würden. Und schließlich hatten die Herzöge von Meklenburg mit der Unterwerfung und Demüthigung der aufsässigen Stadt Rostock lange Jahre hindurch vollauf zu thun, daß sie für eine eingehendere Beschäftigung mit der Schifffahrtsangelegenheit wenig Zeit übrig haben mochten. Dies blieb ihren Nachfolgern überlassen.

Aus dem Jahre 1512 hören wir, daß die Herzöge Heinrich V. (1503-1552) und Albrecht VII. (1503-1547) wieder mit


1) Das Original des im Geh. und Haupt=Archiv aufbewahrten Quitzowschen Briefes hat deutlich die Jahreszahl LXXX. Diese muß jedoch verschrieben sein, da der Kurfürst Johann darin erwähnt wird, der erst von 1486 an regierte. Wahrscheinlich ist ein X aus Versehen fortgelassen und muß demgemäß 1490 gelesen werden, was auch am Besten zu dem Inhalt des Briefes passen würde.
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Brandenburg, wo seit 1499 Johann Ciceros Sohn, der Kurfürst Joachim I., regierte, wegen der Eröffnung des Eldenpasses bei Eldenburg unterhandelten. Die Herzöge knüpften also da wieder an, wo ihr Vater vergeblich sich bemüht hatte und woran er schließlich erlahmt war. Kurfürst Joachim holte den Rath seiner Getreuen ein, die zum Theil schon unter seinem Vater gedient hatten, und ließ sich schnell überzeugen, daß sowohl sein Großvater als sein Vater auf ähnliche Gesuche der meklenburgischen Herzöge stets Abschlag ertheilt hätten. Er benutzte dies gern als Vorwand, um auch seinerseits die Genehmigung zur Eldeschifffahrt zu versagen, in Wirklichkeit bewog ihn wohl lediglich nachbarliche Eifersucht zu diesem Schritte.

Uebrigens hatten sich die Herzöge zu gleicher Zeit, da sie mit Kurfürst Joachim unterhandelten, auch mit der Hansestadt Hamburg in Verbindung gesetzt und Geldbeiträge zur Vertiefung der Elde erbeten. Aber Hamburg hatte augenscheinlich kein Vertrauen zum Fortgang des Werkes, solange Brandenburg in seiner ablehnenden Haltung verharrte. Der Rath erklärte am 24. April 1513, er könne der Herzöge Begehren nicht erfüllen, bevor man nicht die Fortschritte beim Bau der Wasserstraße vor Augen habe. so ist es nicht zu verwundern, daß das Unternehmen wieder volltändig ins Stocken gerieth.

Lange Zeit hören wir dann Nichts mehhr von der neuen Schifffahrt. Erst aus dem Jahre 1531 berichtet eine wendische Chronik: 1 ) "Ys ok van der stat Wyßmare vnde dorch hertigen Albrecht van Mekellenborch beginnet worden eyn nye graue van der Wyßmer in de Swerinesken ßee vnde van daer in de Eldena vnde ßo vort in de Elue to schepende na Hamborch." Es ist auffallend, daß Herzog Albrecht damals den Bau eines Wasserweges unternahm, an dessen Rentabilität nicht zu denken war, wenn man nicht zu Schiffe auf der Elde über brandenburgisches Gebiet hinweg in die Elbe gelangen konnte. Albrecht hatte jedoch 1524 Anna, die Tochter des Kurfürsten Joachim I., als Gattin heimgeführt. Er mochte hoffen, bei solchen nahen Beziehungen zum brandenburger Hof die Freigabe des Passes bei Eldenburg unschwer zu erlangen, sobald man die Fahrt auf meklenburgischem Gebiet vollendet sähe.


1) "Eyn kort Vttoch der Wendeschen Cronicon" bei Lappenberg, Hamburgische Chroniken in niedersächsischer Sprache, Hamburg 1861, S. 288. Aehnlich eine Hamburger Chronik von 799-1559 bei Lappenberg, S. 428.
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Gleichzeitig mit dem Bau des Kanals entfaltete Herzog Albrecht eine rege Thätigkeit auf diplomatischem Gebiet. Er suchte die benachbarten Fürsten und Stände von dem Nutzen der neuen Schifffahrt zu überzeugen und sie zur Hergabe von Geldmitteln zu bestimmen. 1531 verhandelte Wismar in seinem Namen mit Magdeburg. Es fuhr ein Wismarsches Schiff mit etlichen Last Heringen "auf ungewöhnlicher und vorher ungehörter Fahrt" von dem Nordende des Schweriner Sees durch die Stör und Elde nach Magdeburg und überbrachte das Gesuch um Vorstreckung von Geldmitteln. Aber Magdeburg lehnte jede Hülfe ab, weil es auf die Ausbesserung der Festungswerke und wichtiger Stadtgebäude zur Zeit viele tausend Gulden verwenden müsse. Nicht besser erging es Herzog Albrecht, als er 1531 durch Vermittelung der Königin Marie von Ungarn den Kaiser Karl V. für die Schifffahrt, deren Baukosten er auf höchstens 14000 Goldgulden schätzte, zu interessiren versuchte. Auch hier erhielt er Abschlag. Am 2. Februar 1532 ging der meklenburgische Amtshauptmann Jochim v. Karlewitz in besonderer Botschaft nach Hamburg und suchte wenigstens 6000 fl. zu erlangen, damit bei künftigem guten Wetter eifrig am Graben gearbeitet werden könne. Aber auch seine Bitte hatte keinen Erfolg. Der Rath vertröstete Herzog Albrecht auf die Zukunft. Wenn der Graben fertiggestellt sei und sich zuträglich für den Hamburger Handel erweise, wolle man weiter verhandeln. Und von diesem Standpunkt ließ sich der Rath sogar nicht durch die verlockendsten Zusagen an Freiheiten und Privilegien auf dem neuen Graben und durch das Versprechen, die vorgestreckte Summe sammt den auflaufenden Zinsen aus den Schifffahrtszöllen demnächst zurückzuzahlen, abbringen. Danzig umschrieb seine Ablehnung 1534 damit, daß es warten wolle, bis Hamburg sich endgültig erklärt habe. Selbst Wismar zeigte wenig Lust, erhebliche Geldbeiträge vor der übrigen Landschaft voraus zu leisten.

Zu allen diesen Mißerfolgen kam noch hinzu, daß die Verhandlungen mit Brandenburg keineswegs günstig abliefen, wie Herzog Albrecht erwartet haben mochte. Als 1533 sich das Gerücht verbreitete, der Herzog wolle persönlich die Elbe hinunterfahren und den Unterlauf des Flusses auf brandenburgischem Gebiet besichtigen, warnte ihn Kurfürst Joachim ernstlich davor. Er habe seinem Hauptmann in der Priegnitz und den Quitzows zu Eldenburg befohlen, die meklenburgischen Schiffe nöthigenfalls mit Gewalt zurückzuhalten. Durch solche Drohung ließ sich Herzog Albrecht nun freilich nicht einschüchtern. Er und seine

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Gemahlin, Kurfürst Joachims Tochter, zogen im Mai desselben Jahres mit zwei beladenen Schiffen die Elde hinunter und ließen die Tiefe und Breite des Flusses bei Eldenburg ausmessen, ohne daß der brandenburgische Hauptmann etwas dagegen ausrichten konnte. Einen dauernden Erfolg hatte Albrecht jedoch nicht. Kurfürst Joachim beklagte sich bitter über die Gewaltthat und forderte die Auslieferung der Schiffe, die den Frieden gebrochen hatten; er traf auch Vorkehrungen, daß sich ein solcher Vorgang nicht wiederholen konnte.

1535 starb Kurfürst Joachim I., und es folgte ihm sein Sohn Joachim II. (1535-1571). Wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt versuchte Herzog Albrecht nochmals den Weg gütlicher Unterhandlung. Die brandenburgische Landschaft, der Joachim die Sache vorlegte, berief sich jedoch 1543 auf ihre Privilegien, in denen ihnen verbrieft war, daß keine Schifffahrt auf der Elde betrieben werden sollte. So schlug denn auch Joachim II. das Gesuch ab mit der Begründung, daß er dies Gelöbniß nicht brechen könne. 1544 stellte Magdeburg nochmals bei Joachim vor, welche Vortheile er aus den Schiffszöllen auf der Unterelde ziehen werde, wenn es den Herzögen von Meklenburg gelänge, den ganzen Ostseehandel, besonders von Reval, Riga und Danzig, auf Wismar und durch die neue Schifffahrt in die Elbe zu leiten. Aber auch dies fruchtete nichts.

Ein weiteres Hinderniß für eine künftige gedeihliche Entwickelung des Verkehrs auf der neuen Wasserstraße drohten die hohen Zölle, mit denen Herzog Ernst von Lüneburg die elbabwärts oder elbaufwärts fahrenden Schiffe bei seinen Zollstätten Bleckede, Hitzacker und Schnakenburg belegte, und der Ausschluß des Baisalzhandels von der Elbschifffahrt, also auch von der Fahrt auf dem meklenburgischen Graben, abzugeben. Um dies Vorgehen lüneburgischerseits zu verstehen, müssen wir etwas in die Vergangenheit zurückblicken.

Die Stadt Lüneburg nahm von Alters her ein weitgehendes Stapelrecht für sich in Anspruch. Danach mußten alle für Oberdeutschland bestimmten Waaren von Hamburg und Lübeck und anderen elbabwärts gelegenen Städten und Staaten aus auf dem Wasser= oder Landwege nach Lüneburg geschafft und dort abgelegt werden, von wo sie dann von den Lüneburgern auf derAchse weiter nach Braunschweig, Meißen, Thüringen, Franken, Hessen gefahren wurden. Umgekehrt mußten auch die aus den oberdeutschen Ländern kommenden Waaren sich der lüneburgischen Niederlage unterziehen.

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Die Herzöge von Lüneburg schützten dies Recht Lüneburgs, hielten zuwiderhandelnde Schiffer auf ihren Elbzollstätten an und wiesen sie an die Stadt, als die alte gewöhnliche Niederlage, oder erhoben selbst hohe Zölle von den vorüberfahrenden Schiffen. Dagegen vertraten hauptsächlich Hamburg und Magdeburg die Ansicht, die Schifffahrt auf der Elbe müsse als auf einem flumen publicum einen Jedem freistehen und sei auch von jeher frei gewesen, obgleich diese Städte selbst ein Stapelrecht besaßen und durch Zwangsmittel aufrecht erhielten.

1544 hegte Herzog Albrecht den abenteuerlichen Plan, die Elde unter Benutzung verschiedener kleiner meklenburgischer Wasserläufe mit der Elbe bei Boizenburg zu verbinden und also die lüneburgischen Zollstätten zu vermeiden. Es handelte sich darum, die Sude und ihren Nebenfluß, die Rögnitz, schiffbar zu machen und letztere durch einen Kanal mit der Elde bei Eldena zu verbinden. Man wollte dann auf dem weiten Umweg, die Elde aufwärts, durch die südlichen Seeen Meklenburgs, die Havel abwärts, bei Havelberg wieder in die Elbe gelangen. 1 ) Einzelheiten dieses Planes sind aus den Acten nicht zu erkennen. Um Michaelis 1544 fanden jedoch Unterhandlungen zwischen meklenburgischen und Hamburger Abgesandten bei Grevenhof in der Nähe Hamburgs statt, wobei wieder 6000 ft. als erstes Darlehn von Hamburg verlangt wurden. Im Ganzen wünschte Herzog Albrecht 16000 fl. nach und nach zu erhalten. Es war vorauszusehen, wie es auch geschah, daß dies weitausschauende Unternehmen, bei dem man größtentheils auf fremde Hülfe angewiesen war, ins Wasser fallen würde.

1545 unternahmen Brandenburg, Meklenburg und die Städte Hamburg und Magdeburg gemeinsame Schritte, um die lästigen Fesseln abzuschütteln, die Herzog Ernst von Lüneburg ihrer Schifffahrt auferlegte. Als ein wider ihn ausgebrachtes kaiserliches Mandat wirkungslos blieb, kamen Gesandte dieser Reichsstände in Stendal zusammen und verabschiedeten daselbst am 27. Juni des Jahres, daß man Gewalt gegen Gewalt setzen und die Schiffe an den Lüneburger Zoltstätten von Bewaffneten vorübergeleiten lassen, im Uebrigen aber dem Herzog den gewöhnlichen Zoll nicht vorenthalten wollte. Aber dem Beschluß folgte die Ausführung nicht und alles blieb beim Alten.


1) Vgl. dafür u. A. den Brief Herzog Abrechts an Hamburg von 1545 im Hamburger Staatsarchiv Cl. I, Lit.S d , N. 14, Vol. , Fasc. 1 a.
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Trotz dieser zahlreichen Widerwärtigkeiten hat Herzog Albrecht an dem Wassergraben von Wismar nach Dömitz fortarbeiten lassen. Uns sind zwar keine Register, Berechnungen oder Pläne aus seiner Zeit erhalten. Doch wissen wir aus den Aufzeichnungen Tilemann Stellas, der bei dem Kanalbau unter der Regierung der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich eine bedeutende Rolle spielte, daß Herzog Albrecht drei Anhöhen nördlich des Schweriner Sees hat durchstechen, die Elde oberhalb Eldenas reguliren und Aufräumungsarbeiten im Fluß vornehmen lassen. Diese unter so ungünstigen Umständen erzielten Erfolge machen Albrechts Unternehmungsgeist und Thatkraft alle Ehre. Hätten ihm günstigere Verhältnisse zur Seite gestanden, hätte er sich auch mit seinem Bruder, Herzog Heinrich, über ein gemeinsames Handeln einigen können, was nach Tilemann Stellas Darstellung nicht zu erreichen stand, wohl aus dem Grunde, weil Herzog Heinrich in späteren Jahren vor Allem die Schiffbarmachung der Nebel 1 ) am Herzen lag, so wäre das Unternehmen damals unzweifelhaft vollendet worden. Jedenfalls haben den Herzog Albrecht nicht etwa, wie Simon Pauli 2 ) 1555 in seiner oratio de oppido Sverino unter Anspielung auf das bekannte, den Knidiern bei der Durchgrabung der ihr Gebiet mit dem Festland verbindenden Landzunge ertheilte Orakel 3 ) naiv meint, die schließliche Einsicht zurückgehalten, daß Menschenwerk die Natur nicht verbessern dürfe.

Unter der Regierung der Söhne Herzogs Albrecht, der Herzöge Johann Albrecht I. und Ulrich, die 1555 die väterlichen Lande theilten und zu Schwerin und Güstrow selbstständig regierten, beginnt und vollendet die Wismar-Dömitzer Fahrt ihre Glanzzeit. Beide Fürsten gehören entschieden zu den hervorragendsten Persönlichkeiten, die den meklenburgischen Herzogshut getragen haben. Ihre Charaktere waren grundverschieden. Johann Albrecht thatkräftig und, wenn er etwas für richtig erkannt hatte, rücksichtslos durchgreifend, wie er dies besonders bei der Unterdrückung der katholischen Kirche im Lande bewiesen hat. Ulrich mehr überlegend und Rücksicht auf seine finanziellen Mittel nehmend, was man von Johann Albrecht nicht behaupten


1) Franck, Alt= und Neues Mecklenburg, IX. Buch, Güstrow und Leipzig 1755, S. 215.
2) Simon Pauli, oratio de oppido Sverino, Rostochii 1555; auch abgedruckt in Davidis Chytraei orationes, Hanoviae 1614, S. 554 ff. Uebersetzt von Bernhard Hederich, Schwerinische Chronica, 1598. Vergl. zu der Rede: Otto Krabbe, David Chyträus, Rostock 1870, S. 90 n.
3) Herodot, historiarum lib. I, 174.
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kann. Und doch ergänzten sich ihre Charaktere, wenn sie dasselbe Ziel vor Augen hatten, so beim Kanalbau, auf das Glücklichste. Herzog Johann Albrecht hat vielfach seinen Bruder mit fortgerissen, wenn er in seinem Entschluß zu vorsichtig war und nicht zur Entscheidung kommen konnte. Herzog Ulrich hat mäßigend auf Johann Albrecht eingewirkt, wenn er, allzu schnell und stürmisch, den gegebenen Verhältnissen zu wenig Rechnung trug. So kam häufig der richtige Mittelweg zu Stande.

Das Verdienst, die Schifffahrtsangelegenheit von Neuem in Fluß gebracht zu haben, kann Wismar für sich in Anspruch nehmen. Am 2. Juni 1562 fand eine Besichtigung des Terrains zwischen Schweriner See und Ostsee durch städtische Abgesandte statt. Bis Loosten fanden diese schon einen Graben aus Herzog Albrechts Zeit vor, woran freilich noch manches zu thun war. Von Meklenburg an schien es ihnen nicht empfehlenswerth, beim Kanalbau den Bach zu benutzen, der über fünf Mühlen, die Meklenburger Mühle, die Walkmühle, die Rothethor=Mühle an der Stadt Landwehr, die Neue (Steffin=) Mühle und die Karower (Grönings=) Mühle, in weitem Umweg dahinfloß, sondern gerade auf den Rothen Hut, wie ein stehen gebliebenes Stück Wall an einem alten abgelassenen Teich genannt wurde, und auf die Klüßer Mühle zu durchzustechen. Danach trat Wismar mit Magdeburg in Unterhandlung und schlug vor, gemeinsam auf Mittel und Wege zu sinnen, wie man die Schifffahrt in Gang bringen könnte. Man möchte vor allen Dingen eine kaiserliche Konfirmation für die Schifffahrt erwirken, die jede Störung derselben verbiete. Aber Magdeburg hielt es für angebrachter, wie es ja auch entschieden war, zunächst sich mit den Herzögen von Meklenburg, ohne deren Rath und Wissen in der Sache doch Nichts vorgenommen werden könnte, in Verbindung zu setzen. 1 )

1564 überreichte deshalb Wismar den Herzögen eine wohlausgearbeitete Denkschrift, in der es seine und Magdeburgs Wünsche wegen der ihnen zu gewährenden Privilegien und Gerechtigkeiten auf dem neuen Graben darlegte. Wismar verlangte u. A. für sich, als eine landsässige Stadt, auf dem neuen Graben Freiheit von den Zöllen, die die fremden Städte zu erlegen hätten. Die Herzöge, ihre Amtleute und der Adel sollten nicht das Recht haben, Korn, Bau= und Brennholz oder andere


1) Vergl. für die Verhandlungen von 1562-64 besonders Wismarsches Rathsarchiv Tit. X, N. 1, Vol. 1 und Vol. 5 b.
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Waaren auf dem Graben anders als nach Wismar zu verfahren; denn dies verstoße gegen die städtischen Privilegien, schädige den Kaufmann und vertrage sich auch nicht mit dem Ansehen und der Reputation eines Fürsten, eines Beamten oder Adligen. Außerdem verlangte Wismar, daß die Herzöge den Kaufmann gegen Gewaltthat und Ueberfall sicherten, ihm zum Ersatz des auf herzoglichem Gebiet erlittenen Schadens behülflich wären und zum Einlagern der Güter in Dömitz und Viecheln Depothäuser errichteten. In Viecheln dürften die Waaren aber nur ab= und aufgeladen, nicht auch zu Kauf angeboten werden, denn die Stapelgerechtigkeit stehe Wismar allein zu. Wismar wollte zehn Schiffe von je zehn Last Tragfähigkeit in Viecheln halten, das Gleiche möchten die Herzöge in Dömitz thun. Die Schleusen zwischen Wismar und Meklenburg wünschte der Rath zu erbauen und davon auch die Zölle zu erheben. Bis die Schleusen zwischen Wismar und Viecheln erbaut wären, wollte die Stadt einen Damm für Fuhrwerke zwischen beiden Orten gegen Erhebung eines Dammgeldes von 3 ßl. für die Last Waaren unterhalten. Die nach Wismar hineingehenden Waaren sollten von dem Dammgeld jedoch frei sein und nur den gewöhnlichen See=, Strand= und Landzöllen unterliegen. Schließlich erklärte sich die Stadt damit einverstanden, daß die Herzöge bei den Schleusen am Graben von den aufwärts, nach der Elbe zu, fahrenden Schiffen einen mäßigen Zoll im Betrage von 2 ßl. für die Last oder den Packen Güter erhöben. Wegen der Kanal abwärts fahrenden Schiffe könnten die Herzöge einen Zoll mit Magdeburg vereinbaren.

Interessant sind die der Wismarschen Denkschrift eingefügten Zollberechnungen, weil man aus ihnen die Waarengattungen kennen lernt, die nach Ansicht des Raths hauptsächlich auf der neuen Wasserstraße befördert würden. Es werden aufgezählt:

Fische, wie Störe, Aale, Heringe, Dorsche, Kabeljau, Rotschar (Stockfisch); Metalle, wie Eisen, Stahl, Kupfer, Blei; Laken und Wolle aus Mecheln, Amsterdam, Rotterdam, Deventer, Maastricht; außerdem Korn, Häute, Wachs, Talg, Honig, Theer, Zucker, Rosinen, Mühlsteine und andere behauene Steine, Hölzer für Schiffsmaste und Brennholz, Salpeter, Schwefel und Pulver.

Wie vorauszusehen war, gingen die Herzöge auf solche übermäßigen Forderungen Wismars, die ihnen ein= für allemal die Hände gebunden hätten, nicht ein. Sie verabredeten vielmehr Ende 1564, Wismar und Magdeburg keinen Antheil am Bau des Kanals, wofür sie Privilegien und Freiheiten fortgeben

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müßten, zu gewähren, sondern ihn allein mit Hülfe der anwohnenden Amtsunterthanen ausbringen zu lassen.

Bereits im folgenden Jahre, 1565, übertrugen sie dem aus Siegen in Westfalen stammenden Mathematiker Tilemann Stella, der 1552 in die Dienste des Herzogs Johann Albrecht getreten war, und dessen unermüdlicher Arbeit alle späteren Erfolge beim Bau des Grabens zu verdanken sind, die Besichtigung des Terrains zwischen Viecheln und Wismar. Nach Stellas Memorial hätte sich der Graben von Viecheln durch den Lütten und Loostener See zu den Dörfern Moidentin und Meklenburg zu erstrecken. Vom Meklenburgischen Burgwall an könnte man entweder dem alten Wasserlauf und den fünf Mühlen daran folgen, oder den Graben über den Rothen Hut und die Klüßer Mühle weiterziehen; doch verdiene der letzte Weg den Vorzug, weil er licht, geräumig und gerade sei. Von der Klüßer Mühle sollte der Graben weiter nach dem Wismarschen Mühlenteich geführt werden. Auf der beschriebenen Strecke brauchte man zwischen Schweriner und Loostener See nur Herzog Albrechts Graben - drei Berge von 50, 70 und 170 Schritt Länge waren schon durchstochen - aufzuräumen, zwischen Loostener See und Moidentin wäre theilweise dichtes Holz zu entfernen, bei Moidentin und Meklenburg wären Anhöhen zu durchgraben, jenseits Meklenburg fände sich wohlgeräumter Grund vor. Zur Erläuterung seines Berichts wird Stella eine mit Tinte ausgeführte Stizze angefertigt haben, die noch heute im Archiv aufbewahrt wird.

Zur Ausführung kam der Stellasche Plan jedoch vor der Hand noch nicht. Während der nächsten Jahre nahm die Herstellung einer schiffbaren Wasserstraße zwischen der Schweriner Fähre und Dömitz die Herzöge ganz in Anspruch.

Im Herbst 1566 hatte Herzog Johann Albrecht auf seinem Gebiete vier Schleusen an der Stör und Elde fertig. Herzog Ulrich zögerte dagegen noch mit dem Bau seiner beiden Schleusen Zu Grabow und Eldena. Er wollte zuvor seines Bruders Zustimmung haben, daß die künftig einkommenden Zölle nicht nach der Zahl der von jedem erbauten Schleusen zwischen ihnen getheilt würden, sondern jedem zur Hälfte zu Gute kämen. Nach einigem Sträuben gab Johann Albrecht nach. Am 13. Mai 1567 wurde zu Doberan ein freundbrüderlicher Vertrag 1 ) zwischen beiden Herzögen zu ihrer gegenseitigen Sicherheit geschlossen,


1) Original auf Papier in zweifacher Ausfertigung im Geh. und Haupt=Archiv, pacta domus.
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wonach ein jeder in seinen Aemtern auf seine Kosten die Schleusen bauen und die Ströme räumen lassen sollte. Die Kosten sollten nach den Registern ausgeglichen, auch die Einkünfte auf beide gleich vertheilt werden. Die Bestimmungen dieses Vertrages sind für die Zukunft grundleglich geblieben.

Demnächst trat auch Herzog Ulrich mit zwei Schleusenmeistern wegen der Schleusen zu Grabow und Eldena in Unterhandlung. Es wurde mit ihnen im Frühjahr 1567 verabredet, daß jede Schleuse 65 Ellen 1 ) (= 37,4 m) lang, 12 Ellen (= 6,9 m) breit und 4 Ellen (= 2,3 m) hoch erbaut und dem Schleusenmeister dafür 200 Rthlr., 1 Centner Speck, 4 Scheffel Roggen, 4 Tonnen Bier und ein frischer grüner Käse gegeben werde. In 8 Wochen, so meinte man, könne ein Schleusenmeister mit 7 Knechten, 15 Tagelöhnern zum Rammen und 6 Teichgräbern eine Schleuse erbauen.

Gleichzeitig mit der Verdingung der Schleusen besichtigte eine Kommission die Fahrt von der Fähre bis Dömitz. Sie setzte sich zusammen aus Tilemann Stella, dem Vertreter Johann Albrechts, aus Ulrichs Rentmeister Gabriel Brügmann und aus dem Bürgermeister Matthias Koch und zwei Bürgern Wismars. Diese fuhren am 23. Mai 1567 in einem Boote von 1 Elle (= 0,6 m) Tiefgang von Viecheln ab und langten am 27. Mai nach mühseliger Fahrt - sie hatten das Boot über viele flache Stellen hinüberziehen müssen - in Dömitz an. Auf der Rückkehr nach Wismar besichtigten die Kommissare auch die Strecke Viecheln-Wismar und gaben dann ihr Urtheil dahin ab, daß die Schifffahrt ohne erhebliche Kosten angerichtet werden könnte. Man müßte hauptsächlich darauf Bedacht nehmen, die flachen Stellen in der Stör zwischen Banzkow und Goldenstädt für einen Tiefgang der Schiffe bis zu 2 Ellen (= 1,2 m) zu vertiefen und zur Erleichterung des Treidelns der Schiffe das Buschwerk auf beiden Flußufern 10 Schuh (= 2,9 m) breit zu entfernen. Auf der Strecke südlich des Schweriner Sees hielt die Kommission 6 Haupt= und 2 Stauschleusen, und zwar Hauptschleusen zu Banzkow, Neustadt, Grabow, Eldena, Gorlosen und Eldenburg, Stauschleusen zu Plate und Banzkow, für erforderlich, von denen die Hauptschleusen zu Banzkow und Neustadt und die Stau= Schleuse zu Plate 2 ) bereits fertig waren. Auf der Strecke nördlich


1) 1 Elle = 2 Rostocker Fuß zu je 0,2876 m gerechnet. Der Rostocker Fuß scheint nach S. 210, Anm. 1 den Längenangaben für den Kanal im 16. Jahrhundert zu Grunde zu liegen.
2) Außer den 1567 fertigen drei Schleusen sind später die in Ansatz (  ...  )
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vom See brachte die Kommission sieben Hauptschleusen in Ansatz. Für die letzteren würde es jedoch ausreichen, wenn sie ein Schiff zur Zeit aufnehmen könnten.

Auffallend ist es, daß man im Anschlag von einer Schleuse bei Eldenburg trotz der früheren schlechten Erfahrungen mit Brandenburg nicht absah, vielmehr deswegen eine neue Sendung an den Kurfürsten anempfahl. In Brandenburg regierte noch Joachim II., der 1543 die Eldeschifffahrt auf seinem Gebiet dem Herzog Albrecht gewehrt hatte. Und er hatte seine Ansicht inzwischen nicht geändert. Als am 3. Februar 1568 die Herzöge Johann Albrecht und Ulrich um Freigabe der Schifffahrt nachsuchten und zugleich einen Abriß für eine Schleuse zu Eldenburg vorlegten, erfolgte aus denselben Gründen wie früher wieder eine abschlägige Antwort.

Die Folge war, daß der Bau der Schleuse zu Gorlosen sofort eingestellt wurde, und daß die Herzöge sich anderweitig zu helfen suchten. Am 6. April 1568 rieth der Wismarsche Rathsherr Heinrich Schabbelt in einem von ihm erforderten Gutachten, man möchte die Waaren vor der Hand von Gorlosen nach Dömitz über Land gegen ein mäßiges Fuhrgeld fortschaffen und zwar solange, bis der Kurfürst den Zollausfall merke und selbst um das nachsuche, was er jetzt abschlage. Tilemann Stella war dagegen für endgültiges Aufgeben der Unterelde und für Anlegung einer Wasserstraße zwischen Elde und Elbe auf meklenburgischem Gebiet. Die Herzöge entschieden sich zunächst für eine Besichtigung des Geländes zwischen Eldena, Gorlosen und Dömitz, und trugen sie einer Kommission, zu der Stella, Brügmann und Schabbelt gehörten, auf. Diese erkundete vom 29. April bis 1. Mai 1568, daß die direkte Verbindung zwischen Eldena und Dömitz, die durch viele Gräben und Brüche, durch das Witte Moor und ein sumpfiges Gehölz, Brandleben genannt, führte, vor sieben anderen möglichen Wegen den Vorzug verdiene. Zwar müßte man dort lange Strecken durch tiefen Treibsand graben, auch errege es einiges Bedenken, einen Fluß zum Schaden des Nachbars abzuleiten, doch käme dies gegen die bedeutenden Vortheile der Fahrt nicht in Betracht. Der Weg wäre der kürzeste, die ganze Wasserstraße läge auf meklenburgischem Boden und alle Zölle hätten die Herzöge zu erheben. Am 11. Mai überreichte Stella dem Herzog Ulrich zu Wismar


(  ...  ) gebrachte Hauptschleuse zu Grabow und Stauschleuse zu Banzkow, außerdem eine Stauschleuse bei der Fähre ausgeführt worden, sodaß man zwischen Grabow und Fähre insgesammt auf sechs Schleusen kommt.
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den Kommissionsbericht und erlangte dafür die Genehmigung der beiden Herzoge.

So konnten denn noch in demselben Monat Stella und Brügmann mit Hülfe des Wallmeisters Jost Spangenberg und zweier Schleusenmeister den Graben ausmessen. Sie bestimmten am 27. Mai die Länge auf 62 Morgen 1 ) 280 Schuh. Für die Breite hielten sie 2-3 Ruthen 2 ) (16 - 24 Ellen oder 9,2 - 13,8 m), für die Tiefe 2 - 3 Ellen (1,2 - 1,7 m) für ausreichend. Die Gesammtkosten berechneten Sie auf 6942 oder 5145 1/4 fl., je nachdem man für die laufende Ruthe 8 oder 6 ßl. bezahle.

Wie waren aber die Kosten aufzubringen? Herzog Johann Albrecht dachte zunächst den Amtsunterthanen eine mäßige Steuer aufzuerlegen. Er war überzeugt, daß die Landschaft später in eine Geldauflage willigen werde, wenn sie die Fortschritte des Unternehmens vor Augen habe. Herzog Ulrich schlug dagegen vor, von den Städten Hamburg, Magdeburg und Wismar 20 000 fl. zum Grabenbau zu leihen, die diese auf bestimmte Jahre und gegen genügende Sicherheit zinsenfrei herzugeben hätten. Und da Horzog Ulrich seinen Bruder davon zu überzeugen wußte, daß ihre Amtsunterthanen schon ohnehin schwere Lasten zu tragen hätten, von der Landschaft ebenso wie vom Adel aber nur gegen Zusicherung weitgehender Vorzugsrechte am Graben Geld zu erlangen wäre, so drang er mit seiner Ansicht durch. Am 5. August 1568 ging ein herzoglicher Gesandter nach Hamburg ab, der um eine zinsenfreie Beihülfe von 6000 Rthlr. auf vier Jahre nachsuchen sollte. Aehnliche Gesuche werden an Magdeburg und Wismar gegangen sein.

Während diese Verhandlungen noch schwebten, hatten die Arbeiten an dem neuen Graben zwischen Eldena und Dömitz, der später als "Neuer Graben" oder "Neue Elde" bezeichnet wurde, ihren Anfang genommen. Am 29. Juli 1568 hatten die Herzöge in Dargun mit dem Wallmeister Jost Spangenberg, nachdem von ihm ein Probegraben bei Eldena zur Zufriedenheit angelegt war, einen Vertrag über den Bau des ganzen Grabens abgeschlossen. Spangenberg verpflichtete sich darin, den Graben in der verabredeten Breite (durchweg 2 Ruthen, nur auf Sand= Strecken, wo die Seiten nachgeben, 3 -3 1/2 Ruthen) und Tiefe auf seine Kosten auszubringen und die Böschungen mit Weiden zu befestigen. Als Lohn sicherten ihm die Herzöge für 16 laufende


1) 1 Morgen = 300 Ruthen.
2) 1 Ruthe = 8 Ellen = 16 Fuß oder Schuh.
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Ruthen 1 ) ausgebrachtes Land 2 Gulden und die nöthigen Lebensmittel 2 ) für sich und seine Arbeiter zu. Auch versprachen sie, Handwerkszeug und Baumaterialien zu liefern. Mit 104 Arbeitern ging Spangenberg im August 1568 ans Werk und führte den Graben bis zum Dezember von Dömitz bis in den Brandleben, ein nahe der Stadt belegenes sumpfiges Gehölz, aus.

Die Aufbringung der Kosten für diese verhältnißmäßig kurze Strecke war den Herzögen recht schwer gefallen, die nachgesuchte Hülfe der Hansestädte Hamburg, Magdeburg und Wismar war ihnen nicht zu Theil geworden und stand auch für die Zukunft nicht zu erwarten. Wollten die Herzöge die Arbeiten im Sommer 1569 nicht ins Stocken gerathen lassen, so mußten sie nun wohl oder übel auf Johann Albrechts Plan, eine Steuer im Lande zu erheben, zurückkommen. Im April 1569 wurde ein herzoglicher Erlaß durch die Prediger von den Kanzeln und durch die Landreiter bekannt gegeben, wonach in den Städten jedes Giebelhaus 1/2 fl., jede Bude 6 ßl., und in den Amtsdörfern jede Hufe 1/2 fl., jeder Kossat 6 ßl. zu den Kosten des Grabens beisteuern sollten. Es fällt auf, daß dieser Erlaß sich auch auf die Städte erstreckte, obgleich eine Zustimmung der Landschaft zuvor nicht stattgefunden hatte. Die Landstädte des Fürstenthums Wenden und der Herrschaft Rostock thaten sich denn auch zusammen und protestirten alsbald unter Berufung auf die ihnen ertheilten Reversalen gegen diese Geldauflage. Leider sind keine Nachrichten über den Ausgang dieses Streites vorhanden, auch läßt sich nicht ermitteln, ob und welche Beträge aus der Steuer eingegangen sind. Die Ritterschaft ist jedenfalls überhaupt nicht zu der Steuer herangezogen worden.

Am 22. Mai 1569 prüfte der Rentmeister Gabriel Brügmann den Wasserstand auf der Strecke von Viecheln bis Eldena, indem er auf einem Schiffe mit ca. 12 Last oder 480 Ctr. Waaren hinabfuhr. Er gab demnächst sein Gutachten dahin ab, daß die Schiffe stets so belastet sein müßten, daß sie wenigstens 1 1/2 Ellen (= 0,9 m) Tiefgang hätten. Dadurch würde der im Grundkraut sich festsetzende Sand ständig losgerüttelt und also


1) Die laufende Ruthe (Schachtruthe) 8 Rostocker Ellen lang und breit und 1 gerade aufstehende Rostocker Elle tief.
2) 1 Tonne Bier, 2 Schfl. Roggen, 1 Seite Speck von durchweg 20 Markt=Pfd., je 4 Pfd. trockene Fische und Butter, je 1 Schock Heringe und Käse und je 1 Viert Erbsen, Grütze und Salz.
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die Fahrt offen gehalten, während flachere Schiffe über die Untiefen hinweggingen.

Mitte November 1569 war der Graben von der Dömitzer Seite bis ins Witte Moor fertig und auch von der Eldenaer Seite soweit gefördert, daß Spangenberg eine baldige Verbindung der beiden Stücke in Aussicht stellte. Am 11. Juli 1570 waren beide Stücke bis auf 200 Ruthen (= 920 m) an einander herangeführt. Geringere Fortschritte machte der Schleusenbau, da der eine Schleusenmeister sich als unfähig erwiesen hatte. Seine Bauten, besonders die Dömitzer Hauptschleuse, die bei hohem Wasserstande der Elbe einen ungemein starken Druck auszuhalten hatte, galten für fehlerhaft angelegt. Deshalb wurden diesem Schleusenmeister die Arbeiten abgenommen und am 8. Juli 1570 dem Schleusenmeister Kersten Voigt die Oberaufsicht über die ganzen Schleusenbauten übertragen. Unter seiner Leitung wurde noch in demselben Jahr die Dömitzer Schleuse völlig umgebaut und dabei das elbwärts gelegene Schleusenthor soweit gesenkt, daß die Schiffe auch bei niedrigstem Wasserstand der Elbe in die Schleuse hineinfahren konnten.

Im Frühjahr 1571 war man der Ansicht, daß im Sommer oder Herbst des Jahres das erste Schiff, wofür das des Rentmeisters Brügmann bestimmt war, durch die neue Elde hindurch fahren könne. Da trat ein Ereigniß ein, das alle bisherigen Erfolge wieder zu vernichten drohte.

In Brandenburg war auf den Kurfürst Joachim II., der der Eldeschifffahrt wohl passiven Widerstand entgegengesetzt, sich aber nie zu Gewaltthaten hatte hinreißen lassen, 1571 sein Sohn Johann Georg gefolgt. Dieser, kaum zur Regierung gekommen, berief zum 2. August 1571 etliche vom Adel aus der Altmark und Priegnitz nach Lenzen zu einem Einsatz ins Meklenburgische. Mit Knechten und Pferden, mit vielen Bauern und langen Karrenwagen, wie es im Berichte heißt zogen Sie von Lenzen nach Eldenburg, wo Werner von der Schulenburg den Befehl des Kursürften noch einmal vor ihnen verlas. Dann brachen sie ins Meklenburgische ein, zerstörten vier Schleusen zwischen dem Brandleben und Witten Moor und rissen den Graben eine Strecke weit ein. Die Gräber bedrohten sie mit Aufhängen, falls sie sich noch ferner bei der Grabenarbeit betreffen ließen. Weiter raubten die Brandenburger viele Wagen voll Korn aus der herzoglichen Besitzung Heidhof und zogen schließlich unter Trommeln und Pfeifen über die Grenze zurück. Am 16. August nahm eine herzogliche Kommission den Thatbestand auf. Es wäre in

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der Folge wohl zu ernsten Zwistigkeiten gekommen, wenn nicht Kurfürst August von Sachsen zwischen beiden Parteien vermittelt hätte. Meklenburg behauptete vor ihm in einer Denkschrift, die Elde sei stets für die Schifffahrt frei gewesen und bilde die Grenze zwischen beiden Ländern. Dies gehe schon daraus hervor, daß das Uebersetzen auf der Eldefähre bei Eldenburg nur mit Erlaubniß des meklenburgischen Wächters, der von hoher Warte auf dem Priemerberg, der meklenburgischen Landwehr, herab ins brandenburgische Land zu beobachten hatte, möglich gewesen sei. Dagegen nahm Brandenburg den Unterlauf der Elde und den Priemerberg für sich in Anspruch. Nach langen Verhandlungen an Ort und Stelle gab der Kurfürst von Sachsen Brandenburg rücksichtlich der Unterelde Recht und hob die von beiden Seiten begangenen Gewaltthaten - auch Meklenburg hatte sich solche zu Schulden kommen lassen - gegen einander auf. Der Streit um den Besitz des Priemerberges blieb zur Zeit unentschieden.

Der von den Märkischen angerichtete Schaden muß übrigens nicht erheblich gewesen sein, weil Schleusen und Graben bereits Anfang November 1571 mit einem Kostenaufwande von 212 fl. wiederhergestellt waren. Um mehr als das Doppelte größer war der Elbschaden an der Dömitzer Schleuse, den man in den letztvergangenen zwei Jahren hatte ausbessern müssen.

Die bedeutenden Fortschritte des Grabenbaues veranlaßten die Stadt Lüneburg zu Anfang des Jahres 1572, mit Wismar wegen der künftigen Benutzung der neuen Fahrt in Verbindung zu treten. Am 21. Januar begab sich der meklenburgische Kanzler Heinrich Husanus, der, des Hofdienstes müde, damals gerade mit der Stadt Lüneburg wegen Uebernahme des dortigen Syndikats unterhandelte 1 ) und aus diesem Grunde der Stadt sicher gern zu Diensten war, in geheimer Botschaft nach Wismar und sondirte, ob der neue Graben von den Lüneburgischen Salzschiffen vortheilhaft zu befahren sei und welche Lasten dieselben zu tragen hätten. Husanus erstattete dem Rath eine ausführliche Relation 2 ) und rieth ihm, entweder schriftlich oder beschickungsweise mit Wismar weiter zu unterhandeln.

Ende Februar des Jahres 1572 war die neue Elde im Wesentlichen fertig. Am 1. März trat zu Schwerin eine Kommission zusammen, die in mehrtägigen Sitzungen den Verdienst des


1) J. Merckel, Heinrich Husanus (1536 bis 1587), eine Lebensschilderung, Göttingen 1898, S. 194.
2) Blatt 166/7 des großen Donats im Stadtarchiv zu Lüneburg. (Nach Mittheilung des Stadtarchivars Dr. Reinecke.)
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Jost Spangenberg für seine Arbeiten an der neuen Elde von Anfang 1568 bis zum 28. Februar 1572 feststellte. Man fand, daß ihm nach dem Verding der Arbeiten 7264 fl. baares Geld und bedeutende Naturallieferungen, wie 3632 Tonnen Bier, 605 Drömbt 4 Scheffel Roggen, 72 640 Pfd. Speck, je 14 528 Pfd. Rotschar und Butter, je 3632 Schock Heringe und Käse, je 75 Drömbt 8 Schfl. Erbsen und Grütze und 151 Tonnen 2 Schfl. Salz zukämen. Ferner hätte er für außerordentliche Arbeiten noch einige kleinere Beträge zu fordern. Alles zu Geld gerechnet kam eine Summe von 35 005 fl. 8 ßl. heraus.

Als erstes Schiff fuhr am 9. August 1572 das des Heine Mutze in die neue Elde bei Eldena ein und legte am 11. August glücklich bei der alten Brücke in Dömitz an. Damit war die Fahrt von Eldena bis Dömitz eröffnet. Zu einem regen Schiffsverkehr konnte es vor der Hand jedoch noch nicht kommen, weil sich noch manche Reparaturen und Umbauten als nöthig erwiesen, und die Verwaltung und Aufsicht über den Kanal geregelt werden mußten.

Die Hauptereignisse der nächsten Zeit sind kurz folgende:

Im Juni 1573 fuhr Herzog Johann Albrecht mit zwei Schiffen von Schwerin aus nach Dömitz herunter. Er urtheilte, daß die Schleusen zwischen Eldena und Dömitz Kästen von 106 Fuß (= 30,5 m) Länge und 45 Fuß (= 13 m) Breite erhalten müßten, weil man bei ihrem jetzigen Zustand nur langsam hindurchkommen könnte.

Im April 1574 wurde Jost Spangenberg von beiden Herzögen zum Verwalter der gemeinschaftlichen neuen Fahrt eingesetzt Er sollte auf seine Kosten zwei tüchtige Knechte, einen Gräber= und einen Zimmergesellen, annehmen und mit ihnen einmal im Jahr die Fahrt besichtigen und kleinere Mängel ausbessern. Wenn größere Arbeiten nöthig würden, sollten ihm die erforderlichen Leute gestellt werden, doch hätten er und seine Knechte dann ohne Vergütung mitzuarbeiten. Ein Haus sollte auf der Kalißer Heide nahe dem neuen Graben für ihn erbaut werden. Als Jahresbesoldung sagte ihm jeder Herzog 75 fl., 1 Drömbt Roggen und 5 fl. zu einem Hofkleid zu.

Am 23. und 24. Juni 1574 weilte Tilemann Stella auf Einladung des bekannten Lüneburgischen Stadtsyndikus Heinrich Husanus 1 ) in Lüneburg und überreichte dem dortigen Rath eine summarische Relation von dem neuen Graben, die einen


1) Siehe S. 212.
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Ueberblick über die verschiedenen Bauperioden und eine Schilderung von dem Graben und seiner Umgebung giebt. Stella ist auch später noch in enger Verbindung mit Lüneburg geblieben. Im Jahre 1576 hat er für die Stadt zu ihrem Gebrauch eine Karte 1 ) von der neuen Schifffahrt angefertigt, die noch heute im dortigen Stadtarchiv aufbewahrt wird.

Im Sommer und Herbst 1574 wurde der Graben zwischen Dömitz und dem Witten Moor vom eingetriebenen Sande gesäubert, die Schleusen ausgebessert und eine Deichordnung für die Dömitzer Elbdeiche erlassen. Damit hatten die Arbeiten ihr Ende erreicht. Am 15. März 1575 konnten die Herzöge den Städten Magdeburg und Hamburg mittheilen, daß künftigen Sommer ungehindert auf= und niedergefahren werden könnte.

Die nächste Aufgabe der Herzöge bestand darin, alles das hinwegzuräumen, was einem lebhaften Schiffsverkehr auf der neuen Wasserstraße noch hemmend im Wege stand. Dazu gehörten vor allen Dingen die hohen herzoglich lüneburgischen Elbzölle und das Stapelrecht der Stadt Lüneburg. Wir haben oben 2 ) gesehen, daß der 1545 von Gesandten Brandenburgs, Meklenburgs, Hamburgs und Magdeburgs bezogene Stendaler Tag beim Herzog von Lüneburg Nichts hatte durchzusetzen vermocht. Ebensowenig hatte es genutzt, daß 1549 von Kommissaren des römischen Königs und Gesandten der interessirten Mächte auf einer Tagfahrt zu Jüterbogk nochmals festgestellt war, die Schifffahrt auf der Elbe wäre für Jedermann frei. Erst in den Jahren 1566 und 1568 hatten die Herzöge Heinrich und Wilhelm von Braunschweig=Lüneburg auf ferneres Anhalten Hamburgs und Magdeburgs bei einer Reihe von Waarenarten, wie Kupfer, Blei, Asche, englische Tücher etc. ., die Niederlage zu Lüneburg aufgegeben. Da Sie die Niederlage aber nach wie vor bei allen Eßwaaren, besonders auch bei dem Baisalz forderten, so konnte von einer völlig freien Schifffahrt auf der Elbe noch immer nicht die Rede sein.

1570 verfochten beide Parteien ihre Sache angelegentlich auf dem Reichstag zu Speier. Die Gesandten des Herzogs Wilhelm von Lüneburg wiesen vor Allem darauf hin, daß mit


1) Das Original dieser Karte hat das Stadtarchiv zu Lüneburg dem Verfasser dieses Aufsatzes für eine Verviefältigung zur Verfügung gestellt. Der in der Anlage in verkleinertem Maßstabe wiedergegebene Ausschnitt ist auf photographischem Wege von der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei hieselbst angefertigt und entspricht der Vorlage genau.
2) Siehe S. 202.
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Freigabe der Elbschifffahrt der lüneburgische Salzhandel, der vielen Geistlichen einen Theil ihrer Einkünfte gewähre, vernichtet werde. Hamburg und Magdeburg, auf deren Seite auch die Herzöge von Meklenburg standen, machten gegen die lüneburgischen Forderungen Gründe der Billigkeit und des allgemeinen Nutzens geltend. In Speier einigte man sich jedoch nicht. Ebensowenig kam man zum Schluß auf einer im Mai 1571 abgehaltenen Tagfahrt zu Magdeburg, weil etliche Gesandte keine ausreichende Vollmacht besaßen, etliche die erforderlichen Zollregister nicht zur Stelle geschafft hatten. Der Magdeburgische Abschied am 12. Mai 1571 mußte dem Kaiser die Ansetzung eines neuen Tages anheimgeben, und die Schifffahrtssperre blieb von Bestand.

So lag die Sache noch 1574, als die Herzöge von Meklenburg die neue Elde auf meklenburgischem Gebiet fertiggestellt hatten. In der ersten Hälfte dieses Jahres theilte der Rath von Magdeburg dem Herzog Johann Albrecht auf seine Bitte vollständige Kopieen der bisher in der Sache erwachsenen Akten und Schriften mit, die noch heute im Schweriner Archiv erhalten sind. Herzog Johann Albrecht hatte schon damals vor, eine Gesandtschaft an Herzog Wilhelm von Lüneburg zu schicken. Da aber bereits gütliche Verhandlungen zwischen den Streitenden Parteien am kaiserlichen Hofe zu Wien in naher Aussicht standen, begnügte sich Herzog Johann Albrecht damit, ein Fürschreiben für Magdeburg und Hamburg an den Kaiser ergehen zu lassen. In Wien willigte 1574 der Herzog von Lüneburg darein, die zwischen Magdeburg und Hamburg gehandelten Waaren von der Lüneburger Niederlage zu befreien, jedoch unter der Bedingung, daß dafür die Zölle zu Bleckede und Schnakenburg ebenso hoch wie der zu Hitzacker gesetzt würden und das Baisalz fernerhin von der Elbschifffahrt ausgeschlossen bliebe. Magdeburg erklärte sich einverstanden, doch Hamburg protestirte heftig. Bei weiteren Verhandlungen, die im Januar 1575 zu Zelle gepflogen wurden, hielt jedoch der Herzog von Lüneburg seine Forderungen aufrecht, und zwar auch bei Waaren, die aus dem meklenburgischen Graben kommend oder dahin gehend die lüneburgischen Zollstätten passirten.

Da entschlossen sich denn die Herzöge von Meklenburg im Oktober 1575 durch eine eigene Gesandtschaft auf Herzog Wilhelm von Lüneburg einzuwirken. Jürgen von Below zu Kargow und Magister Andreas Mylius bekamen den Auftrag, darauf hinzuweisen, daß Lüneburgs Einnahmen sich in Folge des Schiffs=

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verkehrs auf dem meklenburgischen Graben an sich, auch ohne die Zollerhöhung und die Ausschließung des Baisalzes, erhöhen würden. Falls die Bemühungen der Gesandten aber erfolglos blieben, sollten Sie damit drohen, daß alsdann auch die Abfuhr von Holz aus den meklenburgischen Landen auf der Schaalfahrt verboten werden würde. Aber auch diese Drohung blieb ohne Eindruck auf Herzog Wilhelm. Er erklärte auf die meklenburgischen Vorstellungen am 31. Oktober 1575, die neue Schifffahrt bringe nach seiner Ansicht ihm lediglich Schaden, weil die Waaren, die bisher auf Lübeck und von da auf Lüneburg geleitet wären, künftig ihren Weg von Wismar aus, ohne die lüneburgischen Zölle zu berühren, nach Oberdeutschland nehmen würden, und die Lüneburger Niederlage Abbruch erleide; deshalb könne er in die geforderten Zugeständnisse nicht willigen. Diese abschlägige Antwort überbrachte ein herzoglich meklenburgischer Gesandter im November 1575 dem Rath zu Hamburg. Der Gesandte schlug vor, die Schiffe durch Bewaffnete, wie im Stendaler Abschied vorgesehen war, zu schützen, und, falls man Widerstand fände, beim Kreisobersten des niedersächsischen Kreises, auch beim kaiserlichen Kammergericht klagbar zu werden. Aber Hamburg hatte vor der Hand augenscheinlich keine Lust, sich in fernere nutzlose Gesuche wegen der Schifffahrt einzulassen. Der Rath erklärte, vor Erbauung der Strecke Viecheln-Wismar böte der meklenburgische Wasserweg überhaupt dem Baisalzhandel wenig Vortheile; falls man die Viechelsche Fahrt jedoch in Angriff nehme, wollten Hamburg und die meklenburgischen Herzöge sich auf Grund der bereits ergangenen lüneburgischen Dekrete, d. h. also unter Gewährung des erhöhten Zolles, mit dem Herzog von Lüneburg vergleichen. so mußte der meklenburgische Abgesandte unverrichteter Sache heimkehren.

Am 31. Dezember 1575 empfahl Kurfürst August von Sachsen den Herzögen, die Sache beim Kaiser anhängig zu machen, damit dieser die Kurfürsten und Stände am Elbstrom noch vor kommendem Reichstag zur Berathung zusammenrufen könne. Ob dies geschehen ist, wie Herzog Johann Albrecht nach einem Briefe an seinen Bruder vom 15. Januar 1576 allerdings zu thun Lust hatte, läßt sich aus den Akten nicht ersehen. Genützt hat es jedenfalls nicht. Denn noch am 10. März 1579 mußte Kaiser Rudolf auf Bitten Hamburgs ein Verbotsmandat in dieser Angelegenheit an den Herzog von Lüneburg erlassen.

Doch nicht nur an die Hinwegräumung der lüneburgischen Hindernisse, sondern auch an die alsbaldige Festsetzung der Zölle

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auf der neuen Wasserstraße mußten die Herzöge denken, wenn der Schiffsverkehr sich aufnehmen sollte. Deshalb forderten sie in ihrem Schreiben vom 15. März 1575, worin sie die Eröffnung der neuen Fahrt Hamburg und Magdeburg anzeigten 1 ) zugleich diese Städte auf, ihnen ein mäßiges Schleusengeld zur Erstattung ihrer Unkosten und zur Erhaltung des Grabens und der Schleusen vorzuschlagen, auch zum 25. April zu einer mündlichen Besprechung der Angelegenheit Gesandte nach Wismar abzuordnen. Die Herzöge hatten ursprünglich die Absicht, selbst auf diesem Tage zu erscheinen, standen dann aber in Folge einer Erkrankung des Herzogs Johann Albrecht und in der Annahme, daß die städtischen Abgesandten bei dieser ersten Verhandlung doch keine Vollmacht zu einer endgültigen Erklärung hätten, beide von ihrem Plane ab. Uebrigens hatte auch, wie vorausgesehen, die Zusammenkunft den gewünschten Erfolg nicht.

Die städtischen Abgesandten trafen zwar am 27. April sämmtlich in Wismar ein, empfahlen jedoch nur allgemein, das Schleusengeld nicht von den Waaren, wie die Herzöge wollten, sondern von den Schiffen zu erheben, und ließen sich auf Einzelheiten auftragsmäßig nicht ein. Wichtig für die späteren Verhandlungen ist dagegen das am 27. April 1575 übergebene schriftliche Bedenken der Hamburger und Magdeburger rücksichtlich dessen, "was zuvor (d. h. bevor die Städte sich zu einer Benutzung des Grabens herbeilassen wollten) mit den Herzögen erblich auf die neue Graft zu verrecessen sei." Auf den Inhalt wird später zurückgekommen.

Am 28. April zogen die von Wismar heimkehrenden fremden Gesandten die Fahrt hinauf und übergaben beim Abschied in Dömitz ein Verzeichniß der von ihnen gefundenen geringfügigen Mängel am Graben. Nach ihrer Schätzung brauchte künftig ein leeres Schiff zur Fahrt von Wismar-Schwerin 1 Tag, von Schwerin-Dömitz 2 Tage, von Dömitz-Hamburg 2 Tage und umgekehrt von Hamburg-Dömitz 3 Tage, von Dömitz-Schwerin 4 Tage, von Schwerin-Wismar 1 Tag. Für ein beladenes Schiff müßte man auf die Fahrt von Wismar-Schwerin 2 Tage, von Schwerin-Dömitz 4 Tage, von Dömitz-Hamburg 3 Tage und umgekehrt von Hamburg-Dömitz 3 Tage, von Dömitz- Schwerin 6 Tage, von Schwerin--Wismar 2 Tage rechnen.

Inzwischen hatte sich immer mehr die Nothwendigkeit herausgestellt, auch auf der Strecke Viecheln-Wismar eine fahrbare


1) Siehe S. 214.
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Wasserstraße anzulegen. Seitdem Schiffe von Viecheln zur Elbe hinunterfuhren, hatte man die Güter von Wismar bis zum Nordende des Schweriner Sees und umgekehrt auf Wagen fortgeschafft, die nach herzoglicher Verordnung die benachbarten Amtsunterthanen gegen ein feststehendes Fuhrgeld zu stellen hatten. Diese waren ihrer Verpflichtung jedoch stets, besonders zur Saat= und Erntezeit, wo sie ihre Pferde auf längere Zeit nicht wohl entbehren konnten, nur ungern nachgekommen. Nicht weniger waren die Kaufleute und Schiffsherren mit dieser Einrichtung unzufrieden. Sie behaupteten, daß trotz des mäßigen Fuhrgeldes bei vielen Waaren der ganze Gewinn durch die Wagenfracht verloren ginge.

Hingewiesen war auf diesen Uebelstand mehrfach von berufenster Seite: 1568 seitens der Stadt Wismar in einem ausführlichen Erachten, am 29. Januar 1573 von Stella und Brügmann. Bisher war man jedoch auf Herzog Johann Albrechts Rath, der ein zersplittern der Kräfte vermeiden wollte, nicht darauf eingegangen. Als aber 1575 an der Strecke Viecheln- Dömitz nichts Wesentliches mehr zu thun war, traten die Herzöge sogleich mit der Stadt Wismar, von deren Zugeständnissen die Ausführung des Baues hauptsächlich abhing, in Unterhandlung.

Nach längeren Vorberathungen, auf die hier einzugehen zu weit führen würde, traten am 20. September 1575 Herzog Johann Albrecht und eine Reihe seiner hervorragendsten Beamten mit den Wismarschen Bürgermeistern Dionysius Sager und Matthias Koch und einigen Rathsherren,. darunter Heinrich Schabbelt, in Wismar zu einer Besprechung zusammen. Man unterhandelte über drei Punkte:

  1. über die Hamburger und Magdeburger Artikel vom vergangenen April,
  2. über den Waarentransport von Viecheln nach Wismar bis zur Vollendung des Grabens,
  3. über die Erstattung der Unkosten an die Herzöge.

Zu dem ersten Punkt gehörte hauptsächlich das von den Herzögen geforderte Stapelrecht in Wismar, d. h. das Recht, daß dort die Kaufleute alle Waaren ausschiffen und zu einem von der Behörde festgesetzten Preis zu Kauf anbieten mußten. Wismar schloß sich hierin der Ansicht Hamburgs und Magdeburgs an: die Herzöge dürften ein solches Vorkaufs= oder Anhaltungsrecht nicht fordern. Eine Art Niederlage der Waaren würde in Wismar ohnehin eintreten, weil die Waaren dort aus

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den großen Seeschiffen in die kleinen Kanalschiffe und umgekehrt umgeladen werden müßten. Ein Schleusengeld mochte man, so war Wismars Ansicht, von den Schiffen und nicht von der Ladung erheben, weil letzteres zu umständlich sei. Die Höhe des Schleusengeldes könnte man nach den Schleusenrollen der Stecknitz bestimmen. Da zwischen Viecheln und Wismar ein Schiff nicht über 12 Last Waaren tragen könne und täglich den Graben wohl 10 Schiffe auf= und niederführen, würde nach den Sätzen der Stecknitzfahrt genug Geld einkommen.

Was den Waarentransport zwischen Viecheln und Wismar anbetrifft, so gab Wismar das Erachten ab, daß schwere Waaren, wie Salz, Theer, Getreide, Eisen, zu Wagen nicht vortheilhaft befördert würden und daß deshalb die baldige Herstellung des beabsichtigten Grabens nöthig sei.

Wegen der Kostenerstattung übergab die Stadt eine schriftliche Denkschrift, die auf den Nutzen hinwies, den die Herzöge bei dem voraussichttich lebhaften Verkehr zwischen Nord= und Ostsee von dem Graben haben würden.

Diese Erklärungen fanden die Billigung der Herzöge nicht. Bereits am 24. Dezember 1575 wurden mehrere Gesandte mit der Antwort für Wismar beauftragt. Nach ihrer Instruktion sollten sie an dem Stapelrecht festhalten. Die Herzöge könnten nicht auf den Vorschlag der Hamburger und Magdeburger eingehen, die Güter auf einem Boden aus der See in die Elbe und aus der Elbe in die See zu schaffen, weil ihre Unterthanen nicht weniger als die Fremden Nutzen aus der Wasserstraße haben sollten. Alle Waaren sollten in Wismar 1-3 Tage zu Kauf angeboten werden und Landsassen und Fremde ebenso wie die Wismarschen Bürger das Recht haben, dort zu kaufen und zu verkaufen. Einen in Wismar zu erhebenden Zoll von allen in Wismar ein= und ausgehenden Waaren, desgleichen das Schleusengeld aus Wismarschem Gebiet verlangten die Herzöge für sich; doch sollten die Gesandten unter Umständen darin nachgeben, daß die Stadt die Kosten für die von ihr erbauten Schleusen zunächst aus dem einkommenden Schleusengelde zurückerhalte. Ein Hafengeld sollte der Stadt nicht zustehen. Am 2. Januar 1576 richteten die Gesandten ihren Auftrag beim Rath zu Wismar aus. Zum Schluß kam man damals nicht, weil der Rath eine geraume Frist zur Berathung mit der Bürgerschaft für nöthig hielt Unverrichteter Sache mußten daher die herzoglichen Räthe wieder abreisen, nachdem sie zuvor noch am Strande den feierlichen Akt der "novi operis nunctiatio mit

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Werfung des Steins und was sonst dazu mehr nöthig," in Gegenwart des Notars Herding Petri vorgenommen hatten - eine symbolische Handlung, durch die sie die Rechte des Herzogs an dem Theile der Ostsee, wo der Kanal mündete, wahren wollten.

Wenige Wochen später, am 12. Februar 1576, beschloß Herzog Johann Albrecht sein thatenreiches Leben. Wenn es ihm auch nicht vergönnt gewesen war, die Verbindung zwischen Nord= und Ostsee auf meklenburgischem Gebiet vollendet zu sehen, so konnte er doch am Ausgang seines Lebens mit Befriedigung auf das zurückblicken, was er dafür gewirkt hatte. Rühmend gedachte dieses seines Lebenswerkes auch der Rostocker Professor Johann Caselius in der Gedächtnißrede, 1 ) die er am 29. Februar bei Gelegenheit der Beisetzung des Herzogs im Dom zu Schwerin hielt. Er sagt darin: "Regium hoc est munus et fructus feret breui, vt putatur, vberrimos." Wie sehr übrigens Herzog Johann Albrecht der Bau des Grabens am Herzen gelegen hat, geht daraus hervor, daß er testamentarisch 2 ) seinen Söhnen empfahl, für die Erhaltung des Fertigen und die Vollführung des Unfertigen am Graben Sorge zu tragen.

Lange Zeit beriethen die Väter der Stadt Wismar über die Januarerklärungen der Herzöge hin und her 3 ), holten auch das Gutachten des Rostocker Stadtsyndikus Dr. Johann Borcholt in dieser Angelegenheit ein. 4 ) Endlich protestirten sie am 19. März 1576 zu Güstrow gegen alle Forderungen der Herzöge, weil sie den Privilegien der Stadt widersprächen. Und sie erreichten wirklich, daß die Herzöge nach weiteren Verhandlungen allmählich in den Hauptpunkten nachgaben. Anfang September war der Streit soweit beigelegt, daß man auf folgende Punkte übereinkam: In Wismar soll zwar eine Niederlage von Waaren bestehen, doch der Kaufmann zum Verkaufe seiner Güter nicht gezwungen werden, es sei denn, daß die Stadt unter einer Hungersnoth leide und sich anders nicht zu helfen wisse. Das Kaufrecht in der Stadt und am Strande soll den Wismarschen Bürgern allein zustehen, nur auf offenem freien Markt darf auch Gast mit Gast handeln. Doch sollen die Landesherren jederzeit,


1) Oratio Joannis Casclii, habita in fvnere Joannis Alberti dvcis Megap., Suerini, in summo templo pridie k. Mart. anno 1576, Rostochii, in der Schweriner Regierungsbibliothek.
2) Klüver, Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg, III. Theil, 2. Stück, Hamburg 1739, Appendix 2, S. 97-152.
3) Wismarsches Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 1.
4) Wismarsches Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 5 b.
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wie billig, befugt sein, Waaren für sich und zum Nutzen ihrer Aemter durch ihre Diener und Faktoren am Strande einkaufen zu lassen, wenn Sie damit keinen Handel treiben wollen. Die Zölle sollen außerhalb der Stadt an beliebigem Ort von den Herzögen angeordnet werden können. Das Hafengeld der Stadt Wismar soll in der alten Höhe von Bestand bleiben. Was die Schleusen auf Stadtgebiet anbetrifft, so übernimmt die Stadt deren Erbauung und erhält dafür die Fahrt nach der Elbe auf fünf Jahre zoll= und schleusengeldfrei.

Nach Hinwegräumung dieser Schwierigkeiten konnten beide Parteien das Werk mit Aussicht auf Erfolg angreifen.

Am 17. Mai 1577 setzte Herzog Ulrich für sich und im Namen seiner unmündigen Vettern, der Herzöge Johann und Sigismund, deren Vormund er war, den Hans von der Lühe auf Vogelsang zum Aufseher über die Graben= und Schleusenbauten zwischen Schweriner See und Wismarschen Haff ein. Er sollte im kommenden Sommer und Herbst, solange gearbeitet würde, persönlich beim Graben zur Stelle sein, die Leute annehmen und die Arbeiten leiten. Dafür wurden ihm von beiden Herrschaften je 100 fl., dazu wöchentlich für ihn und zwei Gehülfen Geld zum Unterhalt und Futter für zwei Pferde versprochen.

Ein paar Tage darauf unternahm Herzog Ulrich eine Reise nach Dänemark zum Besuche seiner einzigen Tochter Sophie, die mit dem Könige Friedrich von Dänemark vermählt war. Um während dessen die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, trug Ulrich von Warnemünde aus einer Kommission auf, das Gelände zwischen Viecheln und Wismar zu besichtigen, die Arbeiten zu verdingen und dann mit dem Werk zu beginnen.

Am 3.Juni 1577 trat die Kommission in Wismar zusammen, und am folgenden Tage eröffnete der Rentmeister Gabriel Brügmann die Verhandlungen. Nachdem er in der Begrüßungsrede darauf hingewiesen hatte, daß alle bisherigen Kosten der Schifffahrt erst dann rechten Nutzen bringen würden, wenn man auch die Strecke Viecheln-Wismar herstelle, schlug er zunächst Verhandlungen mit dem Wismarschen Rathe vor, um dessen Ansichten über das Bauprojekt zu erfahren und mit ihm zu überlegen, welche Richtung man dem Kanal bei Wismar geben solle. Möglich waren zwei Wege. Der eine führte vor dem meklenburgischen und lübischen Thore um die Stadt herum, der andere durchschnitt die Stadt und ging bei der Mühle und Grube hinunter. Am Nachmittag des 4. Juni fanden sich ein städtischer

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Ausschuß und die herzogliche Kommission vor dem lübischen Thore zu einer Lokalbesichtigung ein. Beide Theile erkannten zwar an, daß der Weg außerhalb der Stadt weniger Kosten verursachen würde, gaben aber doch dem andern Wege den Vorzug, weil er kürzer und geräumiger wäre, weil viele Bürger daran wohnten und weil alle Frachtgüter im Stadtbezirk eingeschlossen und so vor Raub und Beschädigung sicher wären. Vom 5. bis 7. Juni besichtigten die Kommissare die ganze Baustrecke bis Viecheln, kehrten am 8. Juni nach Wismar zurück und schlossen dort die Kontrakte mit den Werkmeistern ab. Aus diesen Kontrakten sind folgende Punkte hervorzuheben:

Dem Jost Spangenberg wurden täglich 8 ßl. zugesagt, dafür mußte er aber auf 50 fl. aus seiner Anstellung an der neuen Elde verzichten. Seine drei Meisterknechte sollen täglich 8 ßl., von den Gräbern sollten zwanzig 5 ßl., die übrigen 4 ßl. erhalten. Beim Beginn der Arbeiten seien fünfzig Gräber zu halten und fünfzig Bauern aus den nächsten herzoglichen Aemtern zur Hülfeleistung heranzuziehen. An zwei Stellen - zwischen Klüßer Mühle und dem Rothen Hut und zwischen Schweriner und Loostener See - soll gleichzeitig mit der Arbeit begonnen werden. Die Breite des Grabens am Grunde soll überall 20 Schuh (= 5,8 m) betragen.

Der Bau der Schleusen wurde den beiden Schleusenmeistern Hans Gerstenkamp und Heinrich Päpcke gegen einen Tageslohn von 8 ßl. für den Meister und 6 ßl. für einen Knecht übertragen. Die Schleusen wurden 104 Fuß (= 30 m) lang, an den Enden 18 Fuß (= 5,1 m) und in der Mitte 23 Fuß (= 6,7 m) breit geplant.

Am 10. Juni 1577 wurden der Graben und die Schleusen in Angriff genommen. Aber die von der Kommission getroffenen Anordnungen fanden Herzog Ulrichs Beifall nicht. Es macht den Eindruck, als wenn er nicht gewünscht hat, daß die Kommission selbstständig so weitgehende Bestimmungen treffe. Im Juli 1577 erging ein herzoglicher Befehl an Hans von der Lühe, die Gräber bis zum nächsten Frühjahr zu entlassen und bis dahin Vorrath an Material zu beschaffen. Erst als Brügmann am 14. Juli in einer Denkschrift die Hoffnung aussprach, daß man bei fortgesetzter Arbeit vor dem Winter von Wismar bis an den Rothen Hut und vom Schweriner See bis Loosten kommen werde, scheint Ulrich seine Verfügung zurückgenommen zu haben. Doch mußten am 25. Juli 1577 neue Verträge mit

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Spangenberg und Gerstenkamp abgeschlossen werden, in denen Sie die Arbeiten in Akkord übernahmen.

Spangenberg verpflichtete sich, den alten Graben des Herzogs Albrecht vom Schweriner bis Loostener See gegen 500 fl. und verschiedene Naturalien zu vollenden; doch brauche der Graben auf dieser Strecke nur zu einem Schiff eingerichtet zu werden, weil der Loostener, Lütte und Schweriner See so nache bei einander lägen, daß man sich mit entgegenkommenden Schiffen leicht über das Ausweichen verständigen könne. Gerstenkamp übernahm den Bau einer Schleuse gegen eine Vergütung von 200 Rthlr. und ausreichenden Naturalien. So nahm die Arbeit doch einen ungestörten Fortgang.

Im Sommer 1577 wurde bei Rosenthal und zwischen dem Schweriner und Loostener See, Anfang 1578 zwischen dem Loostener See und dem Moidentiner Berg 1 ) und zwischen dem Meklenburger Berg und Rosenthal gearbeitet, wie die erhaltenen Einnahme= und Ausgaberegister bezeugen.

Inzwischen hatte auch die Stadt Wismar die Kanalarbeiten auf ihrem Gebiet begonnen und bedeutend gefördert. Bereits am 19. Juli 1576 hatte die Stadt auf ihr Ansuchen von Hamburg 2000 Mk. lüb. in gangbaren Reichsthalern erhalten, die nicht zurückgezahlt zu werden brauchten, wenn innerhalb der nächsten fünf Jahre die Schifffahrt fertig und auch ein erträgliches Schleusen= und Hafengeld zwischen Wismar und den Herzögen vereinbart sei. Falls diese beiden Bedingungen nicht erfüllt wären, hatte Wismar sich verpflichtet, die 2000 Mk. auf Michaelis 1581 zurückzuzahlen. Im Oktober 1576 übertrug der Rath die Leitung der Grabenarbeiten einer Kommission, bestehend aus den Rathsherren Heinrich Schabbelt und Johann Reimars und zweien Bürgern. Diese ließen am 13. Juli 1577 die Schleuse bei Goder= oder Klüßer Mühle und den Graben von da bis in den Wismarschen Mühlenteich abmessen und abstecken. Vom 3. August 1577 bis zum 29. Oktober des folgenden Jahres wurde an Schleuse und Graben eifrig gearbeitet, auch der Mühlenteich vom Schlamme gereinigt. Die Kosten für diese Arbeiten beliefen sich nach dem erhaltenen Einnahme= und Ausgaberegister 2 )) insgesammt auf 2476 Mk., von denen nur


1) Ein undatirter Situationsplan über die fertige Kanalstrecke Loostener See - Moidentiner Berg und über den noch nicht durchstochenen Moidentiner Berg im Geh. und Haupt=Archiv wird aus dieser Zeit stammen.
2) Schifffahrtsregister 1577-1578 im Rathsarchiv zu Wismar.
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2030 Mk. durch die Hamburger Anleihe und geringfügige Nebeneinnahmen gedeckt waren.

Am 20. Juni 1578 nahm Herzog Ulrich mit seiner Gemahlin den Graben in Augenschein. 1 ) Der Herzog billigte den für den Kanal vorgesehenen Weg durch die Stadt Wismar und rieth nur, die Grube 2 Ellen (= 1,2 m) tiefer und auch etwas breiter zu machen, beide Seiten mit Brettern und Quadersteinen zu bekleiden und das Terrain längs der Grube und vor den Häusern zu ebnen und zu einer bequemen Passage einzurichten. In Meklenburg angelangt, bestimmte er, künftig zunächst die Modde aus dem Meklenburger Moor und dem Moidentinschen Teiche herauszuschaffen und die Berge bei Moidentin und Meklenburg erst dann in Angriff zu nehmen, wenn das darauf gebaute Korn, Gartenkraut und Flachs eingeerntet sei.

Bei dem Durchstich dieser beiden Berge fand Jost Spangenberg demnächst ungeahnte Schwierigkeiten. Durchweg bestanden die Berge aus hartem Lehm, an vielen Stellen aus Steinen und Geröll. Dieser schwere Grund mußte 12 1/'2 Ellen (= 7,1 m) tief mit eisenumschlossenen Keilen auseinander getrieben werden. Es war natürlich, daß die Arbeiten hier nur langsam vorwärts schritten und daß Spangenberg nach den bisher - abgesehen von den Vollendungsarbeiten an Herzog Albrechts altem Graben - grundleglichen Lohnsätzen des alten Darguner Vertrags, wonach ihm für 16 laufende Ruthen ausgebrachten Boden 2 fl. und Naturalien zukamen, seine Rechnung nicht mehr fand. Spangenberg und auch seine Gräber erklärten daher, die Arbeit verlaufen und anderswo ihr Brot suchen zu müssen, wenn man sie nicht von dem alten Verding befreie. Herzog Ulrich wollte Anfangs von einer Lohnerhöhung nichts wissen. Erst als Hans v. d. Lühe persönlich ihm in Güstrow die Nothwendigkeit einer solchen auseinandergesetzt hatte, willigte er ein, soweit der harte Boden in


1) Die bei Schlie, Kunst= und Geschichtsdenkmäler II, S. 20, abgebildete Gedenktafel vom Jahre 1578 auf Herzog Ulrichs Kanalbau, die 1840 aus der Naturaliensammlung des Schlosses in die Alterthümersammlung des Museums überging, befand sich bei Lebzeiten des Archivars Johann Schultz († 1727) nach einer Aufzeichnung von seiner Hand in camera computorum (Rentkammer, Renterei). Ich vermuthe, daß diese Tafel dem Herzog Ulrich 1578 bei seiner esichtigungsreise vorgelegt ist und demnächst als Schlußstein Verwendung finden sollte. Später wird sie der Güstrower Rentmeister Gabriel Brügmann an sich genommen und in seinen Amtsräumen aufgehängt haben, von wo sie wohl nach dem 1695 erfolgten Aussterben der Güstrower Linie mit den Güstrower Rentereiakten an die Schweriner Renterei abgegeben ist.
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den Bergen reiche, für jede ausgebrachte Ruthe 26 ßl. zu zahlen. In schwarzem und moorigem Boden solle aber die alte Abmachung wieder in Kraft treten.

In den Jahren 1578 und 1579 wurde dann der Graben durch die beiden obigen Berge bedeutend weiter gefördert. Aber doch scheint Herzog Ulrich mit den Fortschritten des Baues unzufrieden gewesen zu sein, denn Anfang 1580 ertheilte er seinem Rentmeister Brügmann den Auftrag, mit Tilemann Stella, Hans v. d. Lühe und dem Rentmeister seiner Neffen, Schönermark, in Wismar zusammenzukommen und über eine energische Fortführung der Arbeiten zu berathen. Nach dem von ihnen am 27. Februar 1580 aufgestellen Arbeitsplan war noch Folgendes zu thun: der Graben mußte durch den Meklenburger und Moidentiner Berg und zwischen Rosenthal und Rothem Hut vollendet und die Schleusen auf der ganzen Strecke erbaut werden.

Im April überreichte Brügmann dem Herzog Ulrich einen Voranschlag für die Arbeiten im Sommer 1580. Danach sollten 9 Stückmeister, als Vorsteher der einzelnen Stücke, in die der unfertige Rest des Grabens getheilt war, mit 191 Knechten, im Ganzen also 200 Personen, in Arbeit stehen. Als Lohn für die 200 Personen berechnete Brügmann rund 1000 fl. monatlich, oder nach Abzug der zu liefernden Lebensmittel im Werte von 734 ft. 12 ßl., rund 300 fl. Ob dieser Voranschlag Herzog Ulrichs Billigung fand, ist aus denAkten nicht zu ersehen. Daß aber ungewöhnlich viele Leute 1580 in Arbeit standen, kann man aus einem Visitationsbericht des Tilemann Stella und des Brügmann vom 29. Juli 1580 schließen. Diese berichteten damals, daß im letzten Sommer ein ansehnliches, über Vermuthen großes Stück an der Schifffahrt vollbracht sei, so daß sich der Graben seiner Vollendung nähere. Der Berg beim Dorfe Meklenburg sei ganz, der Moidentiner Berg bis auf einen geringen Rest durchstochen. Es fehle noch eine Strecke von etwa 500 Ruthen Länge im Moidentiner und Meklenburger Berge, die aber im Laufe des Herbstes noch ausgebracht werden könne.

Bislang waren die Beiträge zum Grabenbau ohne bestimmte Regel von beiden Herrschaften geleistet worden, wie und welcher Art sie ihnen gerade zur Verfügung standen. Bald hatten sie Geld, bald Lebensmittel mannigfachster Sorte, die ohnehin von den Arbeitern gekauft werden mußten und deshalb gern an Geldes statt angenommen wurden, beigesteuert. so war allmählich jede Uebersicht verloren gegangen, wieviel eine jede Herrschaft beigetragen hatte und wieviel im Ganzen verwandt war. Mit

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der Ausrechnung dieser Summen beauftragte Herzog Ulrich am 7. September 1580 Brügmann, Stella und den Schwerinschen Rentmeister Jochim Schönermark. Da letzterer geschäftlich behindert war, machten sich Brügmann und Stella am 28. September in Wismar allein ans Werk. Sie stellten fest, daß in der Zeit vom 10. Juni 1577 bis 28. September 1580, alles zu Gelde gerechnet, 15250 fl. verbraucht seien, zu welcher Summe Herzog Ulrich etwa 5/7, seine jungen Neffen 2/7 beigetragen hätten. Für die Zeit vom 28. September bis 22. November 1580 kamen noch 2286 fl. hinzu, von denen die Schweriner Herzöge den größten Theil erlegten. Die Gesammtkosten des Grabens Viecheln-Wismar hatten sich also bis Ende 1580 auf 17536 fl. erhöht Das Verhältniß der Beiträge Herzog Ulrichs zu denen seiner Neffen war damals etwa 2 zu 1.

Es blieb nun noch übrig, die erforderlichen Schleusen auf dem Kanal Viecheln-Wismar herzustellen. Am 27. Januar 1581 wurde der Maurermeister Jakob Barold verpflichtet, alle Schleusen, sowohl doppelte und einfache, als auch Stauschleusen anzulegen und die Seiten und den Boden unter dem Wasserfall mit behauenen Feldsteinen, den Rest des Bodens mit gewöhnlichen Feldsteinen zu bekleiden. Er sollte für 32 Wochen Arbeit für sich 100 Rthlr., für einen Meisterknecht wöchentlich 1 Rthlr., für jeden mit der Kelle arbeitenden Knecht 1 fl. und für jeden Handlanger 12 ßl., außerdem alle Wochen Lebensmittel für zwölf Personen erhalten. Materialien und Wohnungen sollen ihm geliefert werden. Neun Schleusen wurden in Ansatz gebracht, die liegen sollten am Schweriner oder Lütten See, über und unter dem Loostener See, bei der Moidentiner Mühle, im Moidentiner Berge, im Meklenburger Berge, zu Rosenthal, über und im Rothen Hut, außerdem noch zwei Schleusen, wenn die Stauung es erfordere. Alle diese Schleusen sollten nur so breit und lang sein, daß ein Schiff hindurchlaufen könne, und da Brügmanns Schiff mit 70 Schuh (= 20 m) das längste auf dieser Fahrt ist, so hielt man es trotz des Beschlusses vom 8. Juni 1577 (S. 222) für ausreichend, den Schleusen eine Länge von 95 Schuh (= 27,3 m) und eine durchgehende Breite von 18 Schuh (= 5,1 m) zu geben. Fast gleichzeitig wurde der Wallmeister Jost Spangenberg dazu bestellt, die Gräberarbeiten im Tagelohn zu vollenden. Von der Leitung des Unternehmens trat Hans von der Lühe im März 1581 zurück, von da an besorgte ein Schreiber, Johann Nagel, die schriftlichen Arbeiten unter des Küchenmeisters Claus Hidde zu Meklenburg Aufsicht.

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In diese Zeit fällt eine neue Gesandtschaft der Stadt Lüneburg an Wismar. Heinrich Husanus 1 ) derselbe, der schon 1572 und 1574 für die lüneburgischen Interessen thätig gewesen war, sollte im Juni 1581 dem Wismarschen Rath erklären, daß Lüneburg nicht abgeneigt sei, die Salzfuhren, wie es in alten Zeiten Gebrauch gewesen wäre, wieder auf Wismar zu leiten. Zugleich sollte er sich über die Verhältnisse des Grabens genau unterrichten. In Wismar ist Husanus zweifelsohne gewesen; das beweist seine im Wismarschen Rathsarchiv erhaltene Instruktion. 2 ) Was er aber ausgerichtet hat, ist nicht bekannt.

Bei der letzten Besichtigung und Ausmessung der neuen Schifffahrt, die Tilemann Stella und Gabriel Brügmann vom 21. bis 25. August 1581 vornahmen, wurde hauptsächlich beanstandet, daß man eine Stauschleuse hart am Schweriner See angelegt habe, wo Sie ihren Zweck nicht erfülle; sie gehöre an den Loostener See zu Anfang des Berges. Diesem Mangel müsse also bei Gelegenheit abgeholfen werden. Im November 1581 waren noch mehrere Schleusen zu erbauen, auch hatte die Stadt den Graben auf ihrem Gebiet keineswegs fertig, besonders war die Verbindung mit dem Haff durch oder neben der Stadt noch nicht hergestellt. Von der Höhe der Baukosten während des Sommers 1581 läßt sich aus den erhaltenen Registern ein genaues Bild nicht gewinnen, weil die Preise einiger Lebensmittel, die in Geld umgerechnet werden mußten, unbekannt sind. Annähernd waren es 2000 fl., sodaß man auf rund 20 000 fl. als Gesammtkosten der bisherigen Arbeiten an der Strecke Viecheln-Wismar kommt.

Die zu Ausgang des Jahres 1581 noch ausstehenden Arbeiten hinderten nicht, daß damals und zu Anfang 1582 Tilemann Stella auf herzoglichen Befehl eine Ichnographie, 3 ) nämlich einen Grundriß und eine Beschreibung der Fahrt, abfaßte und sie den an der Fahrt interessirten Fürsten und Städten übersandte. Nachweislich sind an Herzog Ulrich, den Kurfürsten von Sachsen und die Städte Hamburg, Wismar, Lüneburg, Rostock und Magdeburg nach einander Exemplare der Ichnographie mit


1) Siehe S. 212 und 213.
2) Wismarsches Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 1.
3) Gedruckt bei Pötker, Neue Sammlung Mecklenburgischer Schriften und Urkunden, IV. Stück, Wismar und Leipzig 1746, (S. 24-30.
Ueber den nach der Ichnographie und nach anderen Ermittelungen vom Baudirektor H. Hübbe gezeichneten Plan und Längenschnitt des Kanals siehe die Anlage.
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einem Begleitschreiben abgegangen. Das für den Herzog Ulrich angefertigte Exemplar 1 ) wird noch jetzt im Geh. und Haupt=Archiv aufbewahrt, ist aber mit der Zeit ganz zerfallen. Dies war die Veranlassung, daß Herzog Friedrich 1764 davon eine auf ein Viertel des Originals verkleinerte Kopie 2 ) von dem Landmesser Schumacher nehmen ließ. Den Charakter der Schrift auf der alten Karte hat dieser nicht wiedergegeben, sondern die ihm geläufigen Schriftzüge angewandt. Die auf der alten Karte befindliche Kanalbeschreibung hat Schumacher nur zum Theil lesen können und bei den unlesbaren Worten Lücken auf seiner Kopie gelassen, doch läßt sich der genaue Wortlaut aus gleichzeitigen Abschriften leicht ergänzen. Die Zeichnung der Flüsse und Seen der Stellaschen Karte ist von Schumacher ziemlich genau getroffen worden. Die Schleusen der Strecke Viecheln-Wismar sind, wie bei Stella, so eingetragen, als ob sie sämmtlich fertig wären, doch stimmt ihre Lage nicht durchgehends mit den Angaben der Ichnographie überein. Bei Wismar ist nur der Weg um die Stadt, dem also 1582 als der billigere doch wohl der Vorzug vor dem durch die Stadt führenden gegeben war, eingezeichnet worden.

Die Ichnographie theilt die Wasserstraße in drei sogenannte Striche. Der erste Strich (neuer Graben, neue Elde) reicht von Dömitz-Eldena und ist 62 Morgen (= 2 Meilen 2 Morgen) 46 Ruthen und 6 Ellen lang und hat einen Wasserfall bei hohem Stand der Elde von 22 Ellen (= 12,6 m), sonst gewöhnlich von 21 Ellen 3 Zoll (= 12,2 m). Auf diesem Strich befinden sich elf Schleusen, nämlich: 1. Steinschleuse vor Dömitz, 2. Schleuse in der Kuhtrift, 3. Schleuse bei der Walkmühle, 4. die Schnakenschleuse, 5. Schleuse vor dem Brandleben, 6. Schleuse auf der Kalißer Heide, 7. Schleuse vor dem Witten Moor, 8. die Göhrensche Schleuse, 9. die Spitze Schleuse, 10. die Stucker Schleuse, 11. die Schleuse zu Eldena vor der Brücke.

Der andere Strich geht von Eldena die Elde und Stör hinauf und über den Schweriner See hin bis Viecheln. Die Länge beträgt zu Wasser gegen 18 Meilen, zu Lande nicht mehr als 10 Meilen. Die Schleusen auf dieser Strecke sind nicht an=


1) Für das Aufziehen desselben auf Leinewand zahlte der Herzog 3 Rthlr., vergl. Jahrb. 9, S. 201, Anm. 2.
2) Dem Aufsatz ist ein von der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei auf photographischem Wege angefertigter Ausschnitt aus der Schumacherschen Kopie in verkleinertem Maßstabe beigegeben.
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gegeben, doch sind sechs vorhanden gewesen, deren Lage sich aus Seite 207 ergiebt.

Der dritte Strich (Viechelsche Fahrt, Schiffgraben) erstreckt sich von Viecheln bis Wismar und ist 54 Morgen (= 1 Meile 24 Morgen) 41 Ruthen 4 Ellen lang. 68 Ellen 10 1/2 Zoll (= 39,6 m) liegt der Schweriner See höher als das Haff. Schleusen sind hier zwölf geplant und zum größten Theil fertig gewesen: 1. Schleuse am Ende des dritten durchgrabenen Berges, 2. Schleuse am Abfluß des Loostener Sees, 3. Schleuse am Ende des Moidentiner Berges, 4. Schleuse im Moidentiner Mühlendamm, 5. Schleuse am Meklenburger Teiche, 6. Schleuse am Ende des Meklenburger Berges, 7. Schleuse am Ablauf des Plessen=Teiches, 8. doppelte Schleuse am Rothen Hut, 9. Schleuse bei Rosenthal, 10. Schleuse an der Klüßer Mühle, 11. Schleuse vor dem Meklenburger Thor, 12. Schleuse an der Sägemühle beim Lübschen Thor. Soll die Fahrt durch die Stadt gebaut werden, so muß die 11. Schleuse unter der Fallbrücke beim Altwismarschen Thor und die 12. Schleuse bei der Mühle in der Stadt liegen; dann ist der Strich nur 53 Morgen 43 Ruthen 5 1/2 Ellen lang.

Im Ganzen befanden sich zwischen Dömitz und Wismar 29 Schleusen.

Nachdem die Arbeiten an der Schifffahrt soweit fortgeschritten waren, mußte man ihre Vollendung für die nächste Zeit bestimmt erwarten. Trotzdem ist dies nicht eingetreten. Sucht man nach den Gründen, die dies veranlaßt haben, so findet man, daß in erster Linie die Schuldenlast der jungen Herzöge Johann und Sigismund August, doch auch die des Herzogs Ulrich, irgend welche namhaften Aufwendungen für den Kanal damals nicht zuließen. Die Landtage vom Januar und Juni 1583 zu Neubrandenburg und Sternberg 1 ) verweigerten jede Beihülfe. Herzog Ulrich mochte jedoch ohnehin nicht geneigt sein, den Kanalbau erheblich zu fördern, dessen Kosten beiden Herrschaften nach dem Vertrage vom 13. Mai 1567 gleichmäßig zur Last fallen sollten, und die er bisher zum größeren Theile getragen hatte. Und Wismar? Wismar stand seit dem Herbst 1581, als der Kanal nicht fertig war, unter dem Druck fortwährender Mahnbriefe Hamburgs, das die vorgestreckten 2000 fl. zurückhaben wollte. Aus den Jahren 1581-1605 sind nicht


1) Geh. und Haupt=Archiv, Acta convocationis ad comitia aus dem Güstrower Archiv.
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weniger als achtzehn immer dringender werdende Mahnbriefe 1 ) Hamburgs und noch mehr Antwortschreiben Wismars, die die Noth der Stadt recht erkennen lassen, im Wismarschen Rathsarchive erhalten. Daß deshalb bei der Stadt kein Muth zu weiteren Ausgaben für den Kanal vorhanden war, läßt sich verstehen. Schließlich verließ Tilemann Stella 1582 den meklenburgischen Hofdienst, nachdem er 18 Jahre unermüdlich für die Kanalsache thätig gewesen war. Fortan fehlte es an einem Mann, der wie Stella als Fürsprecher für den Kanal aufgetreten wäre und die ins Stocken gerathenen Arbeiten wieder in Fluß gebracht hätte.

Trotzdem hielt man zunächst noch an der Hoffnung fest, den Graben in absehbarer Zeit vollendet zu sehen, hat auch vielleicht langsam daran fortarbeiten lassen. Als Herzog Ulrich 1586 das heimgefallene Lehngut Moidentin dem Adam von Preen übertrug 2 ) behielt er sich den Mühlenteich und Graben mit 2 Ruthen (= 9,12 m) Land zu beiden Seiten des Grabens vor, damit die Schiffe nach Vollendung desselben unbehelligt vorüberfahren könnten. Damals war also der Graben noch nicht fertig.

Weitere Auskunft über die Schicksale des Grabens im 16. Jahrhundert gewährt das hiesige Archiv nicht. Nun hat aber der Bürgermeister und Stadtsyndikus Dr. Leonhard Elver zu Lüneburg (gest. 28. Dezember 1631) eine Chronik geschrieben, in der er auch der meklenburgischen Schifffahrt gedenkt. Er erzählt über die weiteren Schicksale des Grabens, daß 1594 der Lüneburger Barmeister versucht habe, mit einigem Salz zu Wasser nach Wismar zu gelangen, was Erfolg gehabt habe. Nachher sei aber der Kanal zwischen Viecheln und Wismar wieder schadhaft geworden, weil die Erde nachgeschossen sei, und von Wismar der Kanal trotz der von Lüneburg angebotenen Hülfe nicht ausreichend reparirt sei. 3 )


1) Wism. Rathsarchiv, Tit. X, N.1, Vol. 1.
2) Geh. und Haupt=Archiv, Feud. Moidentin.
3) Die Elversche Chronik im Lüneburger Stadtarchiv (ex libris Francisci Henrici Reimers) Bd. I, S. 248 ff., giebt wörtlich an: "In den letzten Jahren Herrn Herzog Wilhelms zu Braunschweig und Lüneburg Regierung ist eine neue Schiffahrt im Lande zu Mechlenburg, welche viel Jahr vorher angefangen, ferner zu Werk gestellet, und ist es bei Anfang Herzog Ernsten Regierung Ao. 1594 soweit kommen, daß man auch aus dieser Stadt durch den damaligen Barmeistern mit Abschickung etliches sommergoßen Salzes ein Versuch thun lassen, ob man damit von hinnen bis auf Wismar fortkommen und sich solcher Schifffahrt gebrauchen können - welches denn feliciter von statten gangen." Und (  ...  )
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Diese Elversche Nachricht läßt einen interessanten Schluß auf den Zustand des Grabens im Jahre 1594 zu. Möglich war die Durchfahrt der lüneburgischen Schiffe nur dann, wenn damals die sämmtlichen Schleusen bis zum Wismarschen Mühlenteich in den Häuptern vollendet waren. Dagegen konnten die Steinwände zwischen den Häuptern sehr wohl noch fehlen und die unbekleideten Seitenwände vorläufig aus Sand und Erde aufgeführt sein. Auf diese Weise erklärt sich am besten der schnelle Verfall des Grabens. Bald stürzten die Seitenwände der Schleusen ein, sodaß die Durchfahrt von Schiffen zuerst schwierig, dann ganz unmöglich wurde. Später gaben dann auch lange Uferstrecken des Kanals auf sandigem Boden nach, die hölzernen Schleusenthore verfaulten Mangels jeglicher Reparatur, um die Steinwände der Schleusenhäupter herum bahnte sich das Wasser einen neuen Weg. Schließlich war der Graben ganz verschlammt und verkrautet. Das trug natürlich nicht dazu bei, die Vollendung des Grabens den betheiligten Kreisen nahe zu legen und anzuempfehlen. Am 12. August 1595 schrieben bereits die Hamburger in einem Mahnbrief an Wismar, daß fast keine Hoffnung auf Vollendung des Werkes bestehe, und am 28. Januar 1597, daß die Schifffahrt längst aufgegeben sei. Auch Elver erwähnt in seiner Chronik, daß man seit etlichen Jahren Zweifel trage, ob diese Schifffahrt empor kommen werde. Damit ist eins der größten nationalökonomischen Werke zu Grabe getragen, die unser engeres Vaterland jemals unternommen hat.

Die Ergebnisse der bisherigen Ausführungen lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: die Baukosten für die neue Elde von Dömitz bis Eldena betrugen rund 35 000 fl., wobei die Arbeiten an den Schleusen, über welche bestimmte Angaben fehlen, nicht mitgerechnet sind. Die bisherigen Baukosten der Viechelschen Fahrt machten rund 20 000 fl. aus.


(  ...  ) weiter: "Es ist zwar solche Fahrt insonderheit oberwärts zwischen der Fichtell und Wismar etwas unfertig worden, und weil der Grund nicht fest, die Erde zu etlichen Malen nachgeschoßen, auch an der Reparation etwas Mangel erschienen, weil sich die Hülfe bei denen von Wismar nicht erfolget; wie man denn auch deswegen etlichemal vergeblich angehalten und auf gewisse conditiones mit Geldhülfe zu succurieren begehret, also daß nun etliche Jahr hero von solcher Fahrt, daß es damit recht im Schwange sollte kommen können, gezweifelt." (Nach Mittheilung des Stadtarchivars Dr. Reinecke zu Lüneburg.) Vergl. Kraut, Geschichte der Lüneburgischen sogen. Schaalfahrt, in Annalen der Braunschweig=Lüneburgischen Churlande, Hannover 1787, 1, 2. Stück, S. 20 bis 22, wo auf S. 22 die Zahl 1592 offenbar verdruckt ist.
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Nimmt man an, daß noch 5000 fl. mehr aufgewandt sind für die Schleusen an der neuen Elde, für die Aufräumung der Stör und Elde und manche kleine nicht verzeichnete Ausgaben, so kommt man auf eine Gesammtsumme von 60 000 fl. oder 90 000 Mk. Für diese 90 000 Mk., die etwa das Sechsfache von der gleichnamigen Summe in heutigem Gelde werth sind, 1 ) ist eine Wasserstraße von Dömitz nach Wismar fast fertig gestellt worden, die den Verkehr von Schiffen mit 12 Last oder 480 Ctr. Tragfähigkeit und mit einem Tiefgang von anscheinend 1 1/2 bis 2 Ellen oder 0,9 bis 1,2 m ermöglichte. Der Wallensteinische Sekretär Martin Böckel spricht freilich 1629 in einem Bericht über den Kanal davon, daß "hiebevor" also im 16. Jahrhundert, Schiffe von 20 Last auf der Wismar-Dömitzer Wasserstraße gefahren seien. Aber einerseits findet sich in den Schifffahrtsakten dafür kein Beleg und andererseits kann man auch aus Böckels Worten herauslesen, daß er die Tragfähigkeit der Schiffe auf dem alten Kanal genau gar nicht hat angeben, sondern nur allgemein kleine Schiffe von 20 Last den größeren von 50-60 Last hat gegenüberstellen wollen.

Bei der Zerstörung des Kanals half bald Menschenhand nach. Aus dem Jahre 1611 wissen wir, daß Christoph v. Preen auf Moidentin mit den auf seiner Feldmark gelagerten, für den Schleusenbau bestimmten Quadersteinen einen schwungvollen Handel nach Wismar betrieb, und daß er den in die Moidentiner Schleuse bereits verarbeiteten Steinen das gleiche Schicksal zugedacht hatte. 2 )

Die Folgezeit hat nun bis auf unsere Tage eine lange Reihe von Projekten hervorgebracht, den Kanal von Neuem in Angriff zu nehmen. Wenn es auch nicht erforderlich ist, sie an dieser Stelle eingehend zu behandeln, so dürfen Sie doch zu einem vollständigen Bilde der Schicksale des Grabens nicht ganz fehlen.

Die Projekte beginnen schon in den 90 er Jahren des 16. Jahrhunderts mit den Unterhandlungen, die damals zwischen Herzog Ulrich und den Generalstaaten von Holland gepflogen wurden. Nach einem Briefe Wismars an den Rath zu Hamburg


1) Der Tagelohn eines ungelernten Arbeiters stellt zu alten Zeiten den Betrag dar, den eine Familie zum Lebensunterhalt unbedingt nöthig hat, hat also stets annähernd den gleichen Kaufwerth. Zur Zeit des Kanalbaues erhielt ein Gräberknecht 5 ßl., heute ein ungelernter Arbeiter im Durchschnitt 2 Mk. oder 32 ßl. Ein Schilling des 16. Jahrhunderts hatte also etwa den sechsfachen Wert eines heutigen Schillings.
2) Geh. und Haupt=Archiv, Acta feud. Moidentin.
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vom 12. Juni 1599 drangen die Generalstaaten mehrfach auf Vollendung der Schifffahrt, erboten sich auch, sie auf eigene Kosten zu Ende zu führen. Doch ließen die Kämpfe gegen Spanien, die Holland um diese Zeit ganz in Anspruch nahmen, das Vorhaben nicht zur Ausführung kommen. Die Unterhandlungen mit Holland waren die letzten Versuche des Herzogs Ulrich, die Schifffahrt in Gang zu bringen. Am 14. März 1603 starb er hochbetagt zu Güstrow.

Seine Großneffen, die Herzöge Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II., theilten sich in dem Fahrenholzer Vertrage vom 9. Juli 1611 die ererbten Lande. Sie verglichen sich darin über die neue Schwerinsche Schifffahrt dergestalt, daß diese für den Fall ihrer Erbauung, ebenso wie die Ströme, die durch beider Fürsten Aemter flössen, gemeinsamer Besitz bleiben sollte. 1 ) Diese Kommunion hoben Sie jedoch in dem Erbvertrage vom 3. März 1621 schon wieder auf, indem sie sich dahin einigten, daß jeder in seinen Städten und Aemtern die Schifffahrtsstraßen, darunter auch die Viechelsche Fahrt, allein besitzen und nach seinem Gefallen ohne des Andern Einrede herzurichten berechtigt sein solle. 2 )

1619 hegte Wismar den Plan, den schwedischen Handel von Lübeck ab und auf sich zu ziehen und durch den Wismar-Dömitzer Kanal in die Elbe zu leiten. Auf Betreiben seines thätigen Syndikus Dr. Martin Tanke kamen im November des Jahres Gesandte Hamburgs und Wismars in Ratzeburg zusammen und nahmen eine Reihe von Resolutionen an, die sich auf die künftige Niederlage in Wismar, die Abgaben und den Verkehr daselbst und auf den Graben bezogen. Als Vorbedingung sah man jedoch die Vollendung des Grabens zwischen Viecheln und Wismar an. Bei Waaren wie Kupfer, Eisen, Osmund (in Schweden gegrabener roher Eisenstein), worauf der Schwedische Handel hauptsächlich beruhe, werde der Wagentransport zu kostspielig, bei werthvollen Waaren, wie Gewürzen, sei beim Umladen in die Wagen die Gefahr des Unterschleifs zu groß. Man setzte sich mit dem Herzog Adolf Friedrich I. wegen des Kanalbaues in Verbindung, hatte aber, aus was für Gründen ist unbekannt, keinen Erfolg. 3 )


1) Klüver, Beschreibung des Herzogthums Mecklenburg, Hamburg 1739, III, 2. Stück, S. 29.
2) Klüver, III, 2. Stück, S. 62.
3) Wism. Rathsarchiv, Tit. X, N. 1, Vol. 1.
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1622 holte Herzog Adolf Friedrich seine junge Gemahlin Anna Marie von Ostfriesland heim und verbrachte zunächst mehrere Tage mit ihr in Zurückgezogenheit auf dem neu erbauten Schlosse zu Poel. Bevor Sie dann in Schwerin einzogen, zeigte der Herzog seiner Gemahlin die neue Schifffahrt und die Schleusen zwischen Viecheln und Wismar. 1 ) Es müssen damals also wohl noch sehenswerthe Reste der alten Herrlichkeit vorhanden gewesen sein.

Wenige Jahre später, am 27. Juli 1628, schlug Albrecht von Wallenstein seine Residenz in Güstrow auf, nachdem die Stände ihm gezwungen die Pfandhuldigung geleistet hatten. Es ist bekannt, welch rege Thätigkeit Wallenstein auf allen Gebieten landesväterlicher Fürsorge während der kurzen Zeit seiner Regierung entfaltet hat, wie er ein frisches Leben in die Staatsverwaltung und die Rechtspflege gebracht und manche heilsame Einrichtungen für seine Unterthanen geschaffen hat. 2 ) Auch in der Vollendung des Ostsee=Elbe=Kanals zwischen Wismar und Dömitz erkannte er alsbald ein vorzügliches Mittel, seine Lande zu erschließen und deren Wohlstand zu heben. Nachdem er persönlich aus einer Reise von Wismar nach Schwerin Anfangs Dezember 1628 die Trümmer der Viechelschen Fahrt in Augenschein genommen hatte, ließ er sich bereits am 12. Dezember von seinem Küchenmeister Friedrich Thesand zu Neustadt auf Grund einer Besichtigung einen Bericht über den Zustand der Schleusen zwischen Neustadt und Dömitz und die Beschaffenheit der neuen Elde erstatten. Da erfuhr er denn, daß die neue Elde an vielen Stellen aufgeräumt und eine Elle tiefer gegraben werden müsse, und daß auch die Schleusen eine Ausbesserung sehr nöthig hätten. Diese könnten zur Zeit wegen der Anlage der Grundbalken nur von Schiffen von 5/4 - 1 1/2 Ellen Tiefgang passirt werden. Dieser ersten Besichtigung folgten noch zwei weitere. Am 8. Jan. 1629 fuhren die Hamburger Schleusen= und Baumeister Bartholomäus Grönefeld, Peter Lükes und Adrian Vossenthal in Begleitung des herzoglichen Kanzleisekretärs Martin Böckel von der Fähre aus die Stör und Elde hinab, mußten aber bei Neustadt anhalten, weil die dortige Schleuse zerbrochen war. Sie fanden, man müsse die Fährschleuse auf die Breite der übrigen Schleusen, nämlich 26 Fuß, bringen. Die Flüsse seien bis Neustadt mit ca. 150 Fuß überall breit genug, die Tiefe stellten sie durchweg


1) Wigger, die Festung Poel, im Jahrb. 48, S. 26.
2) Vergl. Jahrb. 35, S. 80 ff., und Jahrb. 36, S. 1 ff.
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auf 5-6 Schuh fest, nur bei Plate, Banzkow und Hohewisch, wo sie nur 2-3 Fuß Tiefe ausmaßen, müsse der Sand ausgebracht werden. Ihr Urtheil über die Möglichkeit und Rentabilität der ganzen Schifffahrt ging dahin, daß eine brauchbare Wasserstraße nur dann entstehen werde, wenn man sie für größere Schiffe von 50-60 Last, wie die Hamburger Elbschiffe seien, und nicht für kleine Schiffe von 20 Last, wie früher wohl darauf gefahren seien, einrichte. Auch müsse man an beiden Flußufern Dämme aufschütten, um die Schiffe mit Pferden oder Leuten bequem flußaufwärts ziehen zu können. Man wende gegen die Möglichkeit der Wasserstraße ein, daß das Wasser des Schweriner Sees wegen seiner hohen Lage über der Ostsee bald erschöpft sein werde. Dieser Gefahr könne man aber durch gut schließende Schleusen begegnen. Auf der Viechelschen Fahrt wären wohl zwölf Schleusen nöthig. Da jede ca. 12 000 Rthlr. zu bauen koste, würden die Schleusenbauten auf dieser Strecke 144 000 Rtldr. ausmachen. Die Kosten der ganzen Wasserstraße von Wismar bis Dömitz schätzten sie auf 500 000 Rthlr. einschließlich der Ziegelsteine, doch ausschließlich des Holzes und der Bretter. Die Schiffer würden künftig in 14 Tagen von Hamburg nach Wismar gelangen, während sie jetzt mit kleineren Schiffen 6 Wochen und mehr Zeit gebrauchten. 1 )

Zu einem ganz anderen Ergebniß kam der Ingenieur= Hauptmann Alexander Borrey. Er berechnete im März 1629 die Kosten für Reparaturen der Schleusen zwischen Dömitz und Fähre auf 3132 Rthlr. und schätzte die Ausbesserung der neuen Elde auf 7740 Rthlr. Was das Hamburger Gutachten anbetrifft, so war Borrey der Ansicht, daß der Schweriner See nicht genug Wasser habe, um nach zwei Seiten davon abgeben zu können, Zumal wenn man größere Schiffe benutzen wolle. Uebrigens hielt er kleine Schiffe für zwedentfprechender.

Die herzogliche Kammer wog beide Gutachten gegen einander ab. Sie war der Ansicht, man müsse vor allen Dingen im Auge behalten, daß die aufgewandten Unkosten den künftigen Nutzen des Kanals nicht überstiegen. Der Hamburger Anschlag sei übertrieben; es sei bedenklich, so viel Tonnen Gold auf ein bloßes Abenteuer zu wagen. Der Borrey'sche Anschlag sei dagegen annehmbarer, weil er den alten Verhältnissen näher


1) Bericht des Martin Böckel, abgedruckt bei Pötker, Neue Sammlung Mecklb. Schriften und Urkunden, IV. Stück, Wismar und Leipzig 1746, (S. 30-33.
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komme. Früher habe eine Schleuse 200 Rthlr. und einiges Deputat gekostet; rechne man jetzt auch 400 Rthlr., so komme man für 12 Schleusen auf der Strecke Wismar-Viecheln auf kaum 5000 Rthlr., während die Hamburger dafür 12 000 Rthlr. ansetzten. Sie riethen, dem Ingenieur Borrey eine Kostenberechnung für die Bauten an der Viechelnschen Fahrt aufzutragen.

Anfang April 1629 befahl Wallenstein den Beamten zu Neustadt, die drei Neustadt zunächst liegenden Schleusen in der vorigen Art, doch einen Fuß tiefer, zu verfertigen. Später ist von dem Kanal nicht mehr die Rede. Wallenstein hat übrigens trotz des hohen Anschlages der Hamburger den Kanal in größerem Umfang herrichten wollen, wie aus einem Brief Martin Böckels vom 12. Juni 1638 hervorgeht, in dem es heißt: "Auff übergebene Relation (der Hamburger) sol der Friedländer gesagt haben, das Gelt solte dar sein vnd das Wergk solte gefertiget werden." Eine solche Aeußerung entspricht ganz dem Charakter Wallensteins, der schon größere Schwierigkeiten überwunden hatte und vor derartigen Geldsummen sicher nicht zurückschreckte. Aber bereits am 22. Juli 1629 war Wallenstein durch die Zeitereignisse genöthigt, dem Lande den Rücken zu kehren; er hat Meklenburg später nicht wieder betreten.

Im Andenken des Volkes ist der Name Wallensteins mit dem Kanal verbunden geblieben, trotzdem er nachweislich keine irgendwie namhaften Bauten daran vorgenommen hat. Seine ganze Persönlichkeit hat jedoch ohne Zweifel nachhaltigen Eindruck auf die Bevölkerung des Landes gemacht, und man hat seiner Zeit sicher allgemein erwartet, er werde das Werk, das er unternommen hatte, auch vollführen. Da ist es denn sehr erklärlich, daß das Volk, je mehr die eigentliche Baugeschichte des Grabens dem Gedächtniß entschwand, Plan und Ausführung des Unternehmens bei Wallenstein verwechselte und ihm den Bau des Kanals zuschrieb. So trägt der Schiffgraben, oder genauer der Abfluß des Schweriner Sees nach Wismar hin, der unterhalb Meklenburgs eine Strecke weit mit der alten Fahrt nicht zusammenfällt, bis auf den heutigen Tag im Volksmunde die Bezeichnung Wallensteingraben.

Von Herzog Adolf Friedrich sind nach seiner Rückkehr aus der Verbannung lange Jahre keine Versuche bekannt, die Verbindung zwischen Schweriner See und Ostsee fertig zu stellen. Erst 1640 sehen wir ihn dazu entschlossen. Er ließ damals durch den Amtshauptmann Wilhelm v. Warnstedt der Stadt Wismar den Vorschlag machen, Sie möchte gemeinsam mit Schwerin,

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Parchim, Lübz, Neustadt und Grabow die Mittel zur Bezahlung der Arbeitslöhne in der Weise aufbringen, daß ein ganzes Haus einen Thaler, ein halbes Haus einen halben Thaler und eine Bude 12 ßl. beitrage. Es scheint jedoch Nichts daraus geworden zu sein.

1645 versuchte Adolf Friedrich die alten Beziehungen zu Holland wieder aufzunehmen und, wenn möglich, von dort Hülfe für den Kanalbau zu erlangen. Der Herzog stand bereits längere Zeit mit dem holländischen Residenten in Hamburg, Heinrich Schrassert, in vertraulicher Korrespondenz über die politischen Tagesereignisse, hatte also bei ihm einen trefflichen Anknüpfungspunkt. Sein bewährter Rath Hans Heinrich v. d. Lühe begab sich Ende 1645 nach Hamburg mit dem Auftrage, Schrassert über den Graben zu unterrichten. Auf Schrasserts Wunsch arbeitete der Ingenieur Georg Friedrich v. Berg eine Denkschrift aus und überreichte sie am 18. Januar 1646. Er erklärte darin, daß auf der Viechelschen Fahrt der Graben bis auf den Grund ausgebracht und die hauptsächlichsten Schleusen gefertigt seien, man hier also nur noch ein Geringes zu thun habe. Zwischen dem Schweriner See und der Elbe rieth er die alte Straße nicht zu benutzen, sondern einen über 15 Meilen näheren Weg, der auch die Lüneburger Zollstätten vermeide, zu wählen. Er dachte an einen Wasserweg, der vom Schweriner in den Ostorfer See, durchs Rogahnsche Moor, auf Pampow, durch den Dümmerschen See, auf Warsow, die Sude und das Schwarze Wasser hinunter führen und bei Boizenburg in die Elbe münden, auch zwischen Schweriner See und Altona bei Redefin drei Schleusen haben sollte. Eine grob gezeichnete Karte 1 ) erläuterte diesen Plan. Man erkennt aus derselben jedoch auf den ersten Blick, daß Berg keine genaue Anschauung von der gezeichneten Gegend gehabt hat, weil er den ganz abliegenden Dümmerschen See für sein Kanalprojekt benutzen wollte. Schrassert hielt den Plan nach den Vorstellungen Lühe's und Berg's für praktikabel und profitabel und versprach am 20. Januar 1646 vor seiner Abreise nach Holland, ihn bei den Generalstaaten, dem Prinzen von Oranien, auch allen nach dem Osten handelnden holländischen, friesischen und gröningenschen Städten zu vertreten und dem Herzog von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten. Am 30. März theilte der Resident mit, aus jeder Provinz sei ein Kommissar


1) Zwei Exemplare werden davon im Geheimen und Haupt=Archiv aufbewahrt.
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ernannt, um mit ihm zu berathen, wie die Sache einzuleiten wäre, am 17. April, daß sowohl die Generalstaaten wie der Prinz das Werk für ausführbar hielten, jedoch dafür wären, noch eine kleine Weile damit zu warten.

Dann begann die Möglichkeit einer demnächstigen Abtretung Wismars von Meklenburg an die Krone Schweden lähmend auf die Verhandlungen zu wirken. Bereits am 23. April 1646 theilte Herzog Adolf Friedrich dem Residenten vertraulich und insgeheim mit, daß man in Münster und Osnabrück von kaiserlicher Seite damit umgehe, Wismar, das edelste Kleinod seines Landes und den besten Seehafen an der Ostsee an Schweden auszuliefern. Er könne sich aber nicht denken, daß Schweden sich also gegen einen Verbündeten vergehen und sein Gewissen belasten werde. Für Holland war die Möglichkeit einer Abtretung der Stadt aber schon Veranlassung genug, den Abschluß der Verhandlungen bis zum Friedensschluß hinzuziehen. Am 21. November 1646 schrieb Schrassert an den Herzog, man wolle nach dem Frieden die Schifffahrtsangelegenheit ernstlich vornehmen. Mündliche Besprechungen zwischen Schrassert und dem Herzoge, die dieser 1646 und 1647 wünschte, kamen nicht zu Stande.

Im westfälischen Frieden von 1648 gingen Herzog Adolf Friedrichs Befürchtungen dann wirklich in Erfüllung. Schweden erwarb Wismar und andere werthvolle Theile Meklenburgs. Man sollte nun denken, daß der Herzog jedes Interesse an der Dömitz-Wismarschen Wasserstraße verloren hätte, nachdem eine fremde Macht ihre Hand auf die Mündung derselben gelegt hatte. Dem war aber nicht so. Wir wissen, daß Adolf Friedrich in seinem hohen Alter noch zweimal einen Anlauf gemacht hat, die Kanalsache in Fluß zu bringen. 1652 berief er eine Konferenz von Magistraten und Amtsleuten nach Schwerin, um über die Herstellung der Strecke Dömitz-Schwerin zu berathen. Städtische Deputirte erschienen nur von Parchim, Schwerin, Bützow, Warin und Grabow. Diese erklärten zunächst, sich mit den übrigen Städten besprechen zu müssen, dann baten sie wegen der schwer drückenden Kriegslasten aus dem letzten Kriege um Erlaß dieser Auflage, wiesen auch darauf hin, daß einige reiche Leute in Folge der Benutzung der alten Schifffahrt zurückgekommen und ganz verarmt seien. Die Erklärung der Ritterschaft auf Herzog Adolf Friedrichs Begehren, Geld beizusteuern, ist nicht erhalten. Das ganze Land litt aber noch derartig unter den Schäden des

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30jährigen Krieges, daß schon deshalb der Plan nicht verwirklicht werden konnte.

Am 28. Mai 1655 ging der Herzog, als Schweden zur Wiederherstellung der Viechelschen Fahrt Schritte bei ihm unternahm, kurz entschlossen einen Vertrag mit dem Kaufmann Hans Heinrich Gau aus Pirna 1 ) in Meißen ein. Dieser versprach die Wasserstraße von Viecheln bis Wismar auf seine alleinigen Unkosten anzulegen und mit den Arbeiten noch 1655 zu beginnen, auch die Weiterführung des Kanals durch schwedisches Gebiet zu vermitteln. Die vorgestreckten Gelder sollte Gau nach Vollendung des Baues mit Geld, Holz und Lebensmitteln, oder aus Zolleinkünften, wie man sich später vergleichen werde, zurückerhalten. Als Entgeld für die Arbeiten und den Geldverlag wurde dem Gau das Recht zugestanden, sechs Jahre ausschließlich die Schifffahrt zwischen Dömitz und Wismar zu benutzen. In einem Nebenreceß erklärte sich Gau bereit, zwei herzogliche Schuldforderungen, eine bei der Krone Schweden über 12 000 schlechte Rthlr. und eine Forderung von 38 000 Rthlr. aus dem Warnemünder Licent, später in Zahlung anzunehmen. Das waren größere Zugeständnisse, als der Herzog jemals erhoffen konnte. Aber gerade die Aussicht, sich dereinst nach aller Arbeit noch seine Gelder auf Grund unsicherer Obligationen zurückkämpfen zu müssen, mochte für Gau die Veranlassung sein, sich von dem Unternehmen zurückzuziehen. Nach einer Besichtigung der Strecke Fähre-Dömitz verließ er das Land und Scheint nicht wieder zurückgekehrt zu sein.

In das Ende der Regierungszeit Herzog Adolf Friedrichs fallen zeitlich die undatirten Anmerkungen 2 ) zur Stellaschen Ichnographie von 1581/82, die im Wismarschen Rathsarchiv erhalten sind. Aus denseIben interessirt vor allen Dingen die Beschreibung des dritten Striches, der Viechelschen Fahrt. Von den Schleusen Nr. 2 (unterhalb des Loostener Sees) und Nr. 3 (unterhalb des Moidentiner Bergs) sah man damals noch einige Reste alten Holzes unter dem Wasserspiegel. Die Schleuse Nr. 4 (im Moidentiner Mühlendamm) hatte wegen des vielen Gestrüpps daselbst nicht besichtigt werden köonnen. Von den anderen Schleusen war nur noch die Stein=Schleuse am Rothen Hut vorhanden, aber auch diese war schon etwas ruinirt. Nach der Stadt Wismar zu war wenig zur Fahrt hergerichtet; nur ein kleiner Graben, der bei


1) Vergl. Tagebuch des Herzogs Adolf Friedrich von 1655: Reise des Herzogs nach dem Amt Meklenburg.
2) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2.
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feuchtem Wetter etwas Wasser enthielt, zeigte an, wohin die eigentlich hatte gehen sollen.

Unter der Regierung des Herzogs Christian Louis I., der 1658 seinem Vater folgte, bemühte sich Schweden eifrig, eine Wasserstraße von Wismar zur Elbe über den Schweriner See durchzusetzen, um so eine bequeme Verbindung zwischen Wismar und seinen neu erworbenen Herzogthümern Bremen und Verden zu erlangen. Aber der Herzog stand diesem Plan von vornherein, aus Mißtrauen gegen die Pläne seines mächtigen Nachbars, wenig wohlwollend gegenüber. Schuld daran war wohl hauptsächlich der Umstand, daß Schweden die Kanalbauangelegenheit zusammen mit der Abwehr angeblicher Uebergriffe Meklenburgs in Wismarsche Gerechtsame betrieb. Es gewann den Anschein, als ob Schweden auch mit dem Kanalbau nur eigene, nicht offen zu Tage liegende Interessen verfolge.

Bereits 1662 klopfte der schwedische Kanzler Nicolai vertraulich beim Herzog Christian Louis in Sachen der Viechelschen Fahrt an, ohne einen günstigen Bescheid zu erlangen. Damals berechnete der Lübecker Baumeister Walter die Kosten der Erbauung von elf Schleusn zwischen Viecheln und Wismar auf 250 000 - 300 000 Rthlr., die Erbauung bezw. Ausbesserung von acht Schleusen zwischen Fähre und Dömitz, falls Sie mit Ausnahme der Dömitzer Steinschleuse von Holz sein könnten, auf etwa 64 000 Rthlr. Aber die schwedische Regierung ließ von ihrem Plan nicht ab. Sie brachte ihn wieder vor auf zwei Konferenzen, 1 ) die 1671 und 1674 zwischen schwedischen und meklenburgischen Kommissaren wegen der Streitigkeiten zwischen Wismar und dem Herzog in Warnemünde stattfanden, und an denen auch zwei Wismarsche Rathsmitglieder theilnahmen. 1674 erklärte der schweriner Kanzler endlich, man wolle einen Termin zu weiterer Berathung in dieser Angelegenheit demnächst ansetzen. Die Berathung fand am 16. Juli des Jahres zu Schwerin statt und wurde von Wismarscher Seite mit dem Bürgermeister Caspar Schwartzkopf und dem Rathsherrn Joachim Paris beschickt. Dort verlangte die Schweriner Regierung, Wismar möge sich nach Leuten umsehen, die die Gelder zum Bau vorschießen wollten, die Regierung wolle nur mit der Stadt und diesen Leuten zu schaffen haben, und im August solle eine Kommission beider


1) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2. Für die Verhandlungen in Schwerin etc. . vergl. Burmeister, Ueber die Verbindung der Ostsee mit der Elbe vermittelst des Schweriner Sees, im Jahrb. 10 A, S. 198-201.
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Parteien den Graben besichtigen. Die Regierung versprach hingegen, mit denen, die sich zum Verlag erbieten würden, fest abzuschließen, auf die Güter mäßige Zölle zu legen, Material an Holz und Steinen zu liefern und zu Viecheln ein Packhaus in eine "vermuthlich vor vielen Jahren zu diesem Zweck schon aufgeworfene Redoute" 1 ) zu bauen. Am 12. August 1674 trat eine Kommission, worunter der Bürgermeister Schwartzkopf und der Subkonrektor Andreas Pauli aus Wismar, der Kammermeister Johann Eichholz und der Ingenieur David Weißel von seiten des Herzogs sich befanden, in Viecheln zusammen und befuhr die Flüsse bis Dömitz hinab. Ueber die Resultate der eingehenden Besichtigung, die hier nicht interessiren, erstattete Schwartzkopf an den Rath demnächst Bericht. Nur soviel sei erwähnt, daß die Regierung auf einen Kredit von 20 000-30 000 Rthlr. rechnete. Wenige Tage später, am 19. August, besichtigte auch der Hamburger Ingenieur Johann Schiltknecht, der zur vorigen Besichtigung nicht rechtzeitig hatte zur Stelle sein können, die Strecke und gab ein Gutachten 2 ) darüber ab. Aber alle diese Vorbereitungen scheiterten an der Abneigung des Herzogs gegen dies Werk. Er befahl 3 ) am 4. September seinem Kammermeister, die Angelegenheit bis zu seiner Rückkehr aus Paris aufzuschieben, da die Konjunkturen mit Schweden sehr gefährlich seien und "turpius ejicitur quam non admittitur hospes". In dieser Meinung wurde der Herzog noch bestärkt durch ein Gutachten des Rostocker Professors Dr. Heinrich Redecker, der ihm völlig beipflichtete. Uebrigens wäre der Bau ohnehin nicht vor sich gegangen, weil Wismar wegen der gerade bestehenden Kriegsunruhen und wegen mangelnden Kredits weder in Hamburg noch in Lüneburg Kapital auftreiben konnte. 4 ) so hat man, wie eine Notiz 4 ) in den Wismarschen Rathsakten vom 5. Mai 1675 angiebt, das Werk stecken lassen und bequemere Zeit, die Gott geben wolle, zu erwarten beschlossen.

Noch einmal wurde die Wasserverbindung zwischen Ostsee und Nordsee auf den Landtagen zu Sternberg, Malchin und Rostock 1723-1725 in Berathung gezogen, ohne daß diese Berathung jedoch irgend welche praktischen Folgen gehabt hätte.


1) Die "Schwedenschanze" (Wism. Ratsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2). Vergl. Schlie, Kunst= u. Geschichts=Denkmäler II, S. 295.
2) Wism. Ratsarchiv, Tit. XIX, N. 6, Vol. 5.
3) Schweriner Archiv.
4) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2.
4) Wism. Rathsarchiv, Tit. VI, N. 2, Vol. 2.
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Danach ruhte die Schifffahrtsangelegenheit bis zum Ende der schwedischen Herrschaft über Wismar im Jahre 1803 ganz.

Während der schwedischen Herrschaft wird der alte Schiffgraben nur durch die beständigen Streitigkeiten zwischen der Stadt Wismar und dem Lande Meklenburg um den Abfluß des Schweriner Sees nach Wismar hin, dessen Wasser sich, seit dem Verfall des Grabens durch keine Schleusungen mehr beschränkt, durch das alte Flußbett ergoß und lediglich dem Mühlenbetrieb und Aalfang diente, in Erinnerung gebracht. Bereits 1654 klagte Wismar darüber, daß man bei Viecheln eine Aalkiste angelegt habe, die den freien Ablauf des Wassers auf ihre Mühlen hindere, 1655, daß der Müller in Meklenburg aus Mißgunst gegen Wismar das Wasser statt in den Bach in den Schiffgraben leite. 1678 bat die Stadt um Wegräumung von Fischwehren auf meklenburgischem Gebiet. 1706 protestirte Wismar gegen die Erbauung einer Wassermühle am Ausfluß des Loostener Sees. 1791 kam es zum Streit zwischen der Stadt und dem Amt Meklenburg, weil der städtische Müller zu Klüßer Mühle die Stauhöhe der dortigen Freischleuse durch eine Höherlegung des dortigen Schleusenbodens und Erhöhung der Teichdämme zum Nachtheil der Amtsrohrwerbung und der anstoßenden Wiesen der Meierei Rosenthal übergestaut und als Gegenmaßregel das Amt die Schütten des Viechelschen Aalfanges größtentheils hatte schließen lassen. 1 )

Dagegen hat das 18. Jahrhundert für die südliche Strecke der Wismar-Dömitzer Wasserstraße noch eine wesentliche Verbesserung gebracht durch die Anlegung eines Grabens in der Lewitz von Banzkow bis zur Elde, womit man freilich das Projekt der Verbindung von Ost= und Nordsee bewußt nicht hat fördern wollen. Lediglich um Brennholz für das herzogliche Hoflager in Schwerin aus den Lewitzwäldern bequem hinaufschaffen zu können, wurde 1707 und 1708 ein Graben von Banzkow bis zur Klinkener Beke gezogen. Die Gräberarbeiten wurden durch die fürstlichen Amtsunterthanen geleistet, die dafür Brot und Bier frei geliefert bekamen. Dann entschloß sich Herzog Friedrich Wilhelm 1709, den Graben bis zur Elde weiterzuziehen und ihn mit Hülfe von Schleusen und Leinpfaden schiffbar zu machen. Diese Arbeiten leitete der Mühlenbaumeister Mercker zu Neustadt zusammen mit dem Ingenieur=Kapitän Mezner und vollendete sie 1711. Schleusen wurden an den


1) Wism. Rathsarchiv, Tit. XIX, N. 6, Vol. 5, 22 und 29.
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beiden Endpunkten der Fahrt, bei Banzkow und beim Zusammentreffen mit der Elde, und wenigstens zwei Schleusen dazwischen, bei der sogen. großen Mechtel und bei der Klinkener Beke, angelegt. Es ist dieser Graben identisch mit dem Störkanal, den man bei der Regulirung der südlichen meklenburgischen Wasserstraßen 1831-37 vorfand und damals nur auszubauen brauchte. Doch ist die kurze Strecke von der jetzigen Mittelschleuse zur jetzigen Eldeschleuse erst später angelegt; der alte Kanal führte in ganz gerader Linie von Banzkow auf die Elde zu.

Am 19. August 1803 ging die Stadt und Herrschaft Wismar wieder in meklenburgischen Besitz über, nachdem am 26. Juni darüber zwischen dem König von Schweden und dem Herzog Friedrich Franz I. ein Pfandkontrakt abgeschlossen war. Bald nachher taucht der Gedanke einer Vollendung der Wismar- Dömitzer Wasserstraße wieder auf. Bereits 1804 wies der Rostocker Professor der Geschichte und Staatswissenschaften, Norrmann, in einer Schrift 1 ) "Ueber Wismars Handelslage und deren Benutzung in älteren Zeiten", darauf hin, daß ein Kanal Wismar-Elbe wesentlich dazu beitragen würde, die inländische Kultur und die städtischen Gewerbe zu befördern, besonders aber den Handel der Stadt Wismar in Blüthe zu bringen. 1806 brachte der Wismarsche Bürger C. F. Schmidt, wie er selbst später behauptet hat, 2 ) die Sache wieder in Anregung, und 1807 dachte das französische Gouvernement des Landes an eine Ausführung des Planes. 3 ) Aber einerseits verhielt sich das Publikum gleichgültig, andererseits ließen die beständigen Kriegsunruhen keine weitausschauenden Friedensarbeiten zu. Erst 1810 hören wir von Neuem davon. Damals wurde Schmidt von der Wismarschen Kaufmannskompagnie, deren Mitglied er war, beauftragt, bei der Regierung und den Ständen geeignete Schritte zur Herstellung der Wasserverbindung zu unternehmen. Es ist bekannt, 4 ) daß Verhandlungen mit dem Regierungs=Präsidenten von Brandenstein und dem Landrath von Oertzen auf Kittendorf geführt sind, doch wissen wir nicht, welche Ergebnisse sie gehabt haben. Wahrscheinlich fand man bei der Regierung und den Ständen kein großes Entgegenkommen, weil die französische Kontinentalsperre einen lebhaften Verkehr auf dem neuen Kanal von vorneherein unmöglich machte. Dennoch hat die


1) Norrmann, S. 72.
2) Freimüthiges Abendblatt 1818, Nr. 24.
3) Freimüthiges Abendblatt 1818, Nr. 22.
4) Freimüthiges Abendblatt 1843, Nr. 1148, Sp. 7.
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Stadt Wismar 1810 technische Vorarbeiten für den Bau veranlaßt. In ihrem Auftrage untersuchte der Regierungsrath Siebicke aus Berlin die Viechelsche Fahrt. Er fand, daß der alte Kanal, soweit er durch festes Land führte, noch in so gutem Stande sei, daß es nur einer geringen Aufräumung bedürfe, die keine erheblichen Kosten verursachen werde. An Schleusen seien 9 bis 10 erforderlich, um flache Fahrzeuge von 10 bis 12 Last passiren zu lassen. Jede Schleuse würde höchstens 8000 Rthlr. kosten. Ferner wird aus jener Zeit noch ein Nivellementsprofil 1 ) für einen Kanal Viecheln-Wismar in der Kartensammlung des Geh. und Haupt=Archivs aufbewahrt, das der Regierungskondukteur Schmidt 1811 nach eigenen Aufnahmen gezeichnet hat. Dieses Profil ist deshalb interessant, weil es erkennen läßt, daß man damals beabsichtigte, für den Kanalbau von Meklenburg ab den Bachlauf über die bekannten fünf Mühlen zu benutzen und bei Wismar nach Art des Möllerschen Projektes östlich um die Stadt herumzugehen. In der Folgezeit nahmen die Freiheitskriege die Aufmerksamkeit auch unseres engeren Vaterlandes so in Anspruch, daß für große wirthschaftliche Unternehmungen kein Raum blieb. Kaum war der Krieg jedoch siegreich beendet und damit für ganz Deutschland die Möglichkeit eines neuen wirthschaftlichen Aufschwungs gegeben, da trat der vorhin genannte (S. F. Schmidt wieder für den Kanalbau ein. Derselbe ließ 1818 im Freimüthigen Abend=Blatt 2 ) einen Aufsatz "Ueber die Möglichkeit der Verbindung der Elbe mit der Ostsee und die wichtigen Vortheile derselben für die Erweiterung und den Flor des Handels in Mecklenburg" erscheinen. Er meinte, daß der alte Graben, von dem bei Rosenthal noch Reste einer Schleuse sichtbar wären (die aus Granit ausgehauenen Wände befänden sich noch in ursprünglicher Lage, nur die Obertheile seien eingestürzt und hätten den Boden verschüttet), nach dem Siebickeschen Gutachten sehr wohl wiederherzustellen wäre. Der Nutzen läge auf der Hand. Mit nordischen Produkten würde man weit größere Handelsgeschäfte nach dem Hinterland machen. In unmittelbarer Verbindung mit Hamburg, wohin man die Waaren in 5 bis 7 Tagen, umgekehrt in 8 bis 10 Tagen befördern könnte, würden die Speditionsgeschäfte von Lübeck


1) Nivellementsprofil von dem . . . . Canale zwischen dem Schweriner See und dem Hafen bei Wismar, von Regierungskondukteur Schmidt 1811; kopirt und auf 1/3 des Originals verkleinert vom Kapitän von Seydewitz 1816. Schmidt hat noch Reste der alten Schleuse am Ende des dritten Berges zwischen Schweriner und Loostener See vorgefunden und ihre Lage auf seiner Karte angegeben.
2) Freim. Abend=Blatt 1818, Nr. 18 u. 19. Vgl. die Nrn. 22, 24, 46.
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auf Wismar übergehen. Die Kosten für die ganze Anlage, den Brückenbau eingeschlossen, schätzte der Verfasser auf 300 000 Rthlr. Das ganze Unternehmen müßte auf Aktien gegründet und von einem Direktorium, bestehend aus einem von der Kammer zu wählenden Mitglied, einem Mitglied der Ritterschaft, falls diese als solche theilnehme, zwei Kaufleuten aus Wismar und einem Kaufmann aus Schwerin, geleitet werden. 300 Aktien zu je 1000 Rthlr. N2/3 müßten ausgegeben werden. Die Verzinsung der Aktien schätzte Schmidt in den ersten Jahren auf 5 %, später wohl doppelt so hoch. Von dem Landesherrn wäre zu hoffen, daß er das Werk durch Schenkungen und als größter Aktieninhaber unterstütze.

Zu einem ganz anderen Ergebniß kam der Kammer= und Jagdjunker E. v. Storch in einer 1825 ausgearbeiteten Denkschrift 1 ) über die Verhältnisse der meklenburgischen Gewässer und ihre richtige Ausnutzung. Er führte darin aus, es seien zur Ueberwindung des Höhenrückens zwischen Elbe und Ostsee auf der Wasserstraße Dömitz-Wismar 28 Schleusen erforderlich, wenn die Schifffahrt nur einigermaßen bequem betrieben werden solle. Jede Schleuse komme einschl. der Materialien unbedingt auf 30 000 Rthlr. zu stehen, die 28 Schleusen zusammen also 840 000 Rthlr., ohne daß damit zugleich die Kosten für Geradelegung der Ströme und für Brückenanlagen und die Entschädigungsgelder für durchgrabene Ländereien gedeckt wären. Und wenn alle diese Ausgaben gemacht seien, bürge noch Niemand dafür, daß genug Wasser zum Betriebe vorhanden sei und daß die Frequenz ausreiche, um durch Zolleinkünfte die Zinsen aufzubringen. Daher werde nie eine Wasserverbindung zwischen Elbe und Ostsee von Nutzen und Bestand sein. Meklenburgs sicherste Erwerbsmittel, ja eigentlich die einzigen, lägen in der Produktionskraft seines Bodens. Ehe man nicht ausreichend für die Verbesserung der Ländereien und der Viehzucht gesorgt habe, sei der Versuch thöricht, auf anderen Wegen künstlich die Erträge des Landes zu erhöhen.

Die Storchsche Ansicht von der uneingeschränkten Nutzlosigkeit aller Wasserbauten in Meklenburg fand seiner Zeit manche Anhänger, vermochte sich jedoch allgemeine Anerkennung nicht zu verschaffen. Die Regierungen und Stände waren vielmehr entschieden einem weiteren Ausbau der meklenburgischen Wasserstraßen geneigt. Und wenn die von ihnen begünstigte Unter=


1) Im Großherzoglichen Geh. und Hauptarchiv zu Schwerin.
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nehmung der 30er Jahre dieses Jahrhunderts auch nicht eine Verbindung zwischen Dömitz und Wismar in ihr Programm aufnahm, so hat sie diese Verbindung doch indirekt insofern wesentlich gefördert, als Sie u. A. den Ausbau der südlichen Strecke von Dömitz-Fähre in größeren Dimensionen bezweckte und auch zu Wege brachte.

Nachdem noch in den 20er Jahren eine herzogliche Kommission zur Schiffbarmachung der Elde, Havel und Stör eingehende Erhebungen und Ermittelungen rücksichtlich des Zustandes dieser Wasserläufe angestellt hatte, bildete sich 1831 eine Aktiengesellschaft unter dem Namen "Elde=Actien=Societät". Nach dem am 6. Juni durch die Landesherren genehmigten Aktienplan 1 ) stellte sich die Gesellschaft die Schiffbarmachung a) der Elde aus dem Müritzsee über Eldenburg, Plau etc. . bis in die Elde bei Dömitz, b) der Havel aus demselben See bis Fürstenberg und c) der Stör aus dem Schweriner See bis in die Elde zur Aufgabe. Die Fahrbahn sollte auf mindestens 4 Fuß Tiefe und 40 Fuß Breite erweitert und mit den erforderlichen Schleusen und Leinpfaden versehen werden, also daß Kähne von 20 Last oder 800 Centner darauf verkehren könnten Die Kosten hatte man a) für die Elde auf 284 479 Rthlr., b) für die Havel auf 70 000 Rthlr., c) für die Stör auf 26 678 Rthlr., zusammen auf 381 157 Rthlr. veranschlagt und weiter angenommen, daß die Summe von 400 000 Rthlr. nicht oder nicht erheblich überschritten werde. Zu dieser Summe sagte das Land 130 000 Rthlr. zu, der Rest von 270 000 Rthlr. sollte auf Aktien zu je 100 Rthlr. N2/3 aufgebracht werden. Die Aufsicht über die Verwendung der Gelder und über den Bau sollte seitens der Gesellschaft durch ein Direktorium von fünf Mitgliedern, nämlich zwei landesherrlichen Kommissaren und drei von den Aktieninhabern gewählten Mitgliedern, ausgeübt werden. Da die Zeichnung der Aktien eine genügende war, konnte alsbald mit den Arbeiten unter Leitung des Oberbauraths Wünsch, der von der Gesellschaft damit beauftragt wurde, begonnen werden.

Unter den Arbeiten der Gesellschaft, die hier interessiren, ist besonders der Bau eines neuen Lewitzkanals hervorzuheben, der von der Eldeschleuse bis nahe vor Neustadt eine Meile weit durch die großen Lewitzwiesen führt und die besonders zahlreichen Windungen des Eldelaufes auf dieser Strecke abschneidet. Derselbe wurde von 1832-1834 ausgeführt und erhielt die stattliche


1) Offizielles Wöchenblatt von 1831, 24. Stück.
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Breite von ca. 60 Fuß und eine Tiefe von 6-7 Fuß. Unterm 13. August 1833 wurde dem Kanal auf Antrag des Direktoriums der Gesellschaft vom Großherzog der Name "Friedrich Franz=Kanal" beigelegt. 1 ) Mit der Vollendung dieses Kanals ist die Begradigung der Stör und Elde, die seiner Zeit dem Tilemann Stella als erstrebenswerthes Ziel vorschwebte, aber damals aus Mangel an Geldmitteln nicht ausgeführt werden konnte, wiederum ein erhebliches Stück vorgeschritten.

Außerdem wurde von der Gesellschaft der alte Störkanal von Banzkow bis zur Elbe vertieft, auf 44 Fuß verbreitert und bewallt und auch die übrigen Theile der Stör und Elde in den beabsichtigten Maaßen erweitert. Schleusen wurden auf der Strecke zwischen Dömitz und Fähre neu angelegt bezw. ausgebaut zu Dömitz (Fang= und Stauschleuse), Fabrik (Fangschleuse), Findshier (Fangschleuse), Eldena (Fang= und Stauschleufe), Grabow und Neustadt (Fangschleusen), am Friedrich Franz=Kanal (zwei Fang= und eine Stauschleuse), am Ende desselben die Eldeschleuse, bei Banzkow (Fangschleuse), bei Plate und Fähre (Stauschleusen). Bis 1837 waren alle von der Gesellschaft geplanten Bauten fertiggestellt worden.

Leider hatten die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mittel zur Vollendung des Werkes nicht ausgereicht. Außer den im Aktienplan vorgesehenen 400 000 Rthlrn. hatte man noch 202 000 Rthlr. verbraucht Davon hatte freilich der Großherzog von Strelitz 25 000 Rthlr. auf Aktien übernommen, auch der Landtag im Jahre 1834 weitere 65 000 Rthtr. bare Unterstützung bewilligt. Für die übrigen 112 000 Rthlr. hatten die Landesherren aber nur die nöthige Garantie geleistet und ihre Verzinsung der Gesellschaft überlassen. Somit trat die Gesellschaft in den Betrteb der Wasserstraße mit einer erheblichen Schuldenlast ein. Trotzdem reichten in den ersten Jahren ihres Bestehens die einkommenden Schleusengelder zur Zahlnng der Zinsen und für die Betriebskosten aus, ja, es konnten sogar geringe Abträge auf das Kapital gemacht werden. Als sich aber vom Ende der 40er Jahre an der Frachtverkehr mehr und mehr den neu gebauten Eisenbahnen zuwandte, konnte die Gesellschaft bald ihren Verpflichtungen nicht mehr genügen. Sie sah sich daher Ende 1857 genöthigt, alle ihre Rechte an den Wasserstraßen sammt ihrem Vermögen an die Landesherren abzutreten, wogegen diese auch die Schulden und die eingegangenen Verbindlichkeiten übernahmen. Die Ver=


1) Offizielles Wochenblatt von 1833, 33. Stück.
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waltung der Wasserstraßen wurde einer gemeinsamen Flußbaukommission übertragen.

Schon zur Zeit des Bestehens der Elde=Aktien=Societät hatte sich bei den Rhedern und Schiffsführern das Bestreben geltend gemacht, zur Ersparung von Zeit und Kosten die neuen Wasserstraßen mit größeren Lasten als 20 Last oder 800 Ctr., wie sie im Aktienplan von 1831 zugelassen waren, zu befahren. Es hatten sich bald nach Eröffnung der Wasserwege Kähne von 25-30 Last eingefunden. Anfänglich war die Verwaltung nicht dagegen eingeschritten. Erst als sie wahrnahm, daß durch solche unvorschriftsmäßig großen Fahrzeuge die Flußbauwerke erheblich geschädigt wurden, hatte Sie am 1. Januar 1839 ein Regulativ erlassen, daß die höchst zulässige Belastung der Schiffe auf 25 Last oder 1000 Ctr. festsetzte, und hatte bald nachher noch genauere, von Neujahr 1841 an gültige Vorschriften über die Größenmaße der Schiffe auf den meklenburgischen Wasserstraßen gegeben. Auf diese Weise war zwar die Gefahr für die Kanalbauten beseitigt, aber den Klagen über Unzulänglichkeit der Wasserwege war ihre Berechtigung nicht genommen.

Unter landesherrlicher Verwaltung 1 ) suchte man zunächst mit den verfügbaren, beschränkten Geldmitteln die Schifffahrt durch Einzelkorrektionen der Wasserstraßen nach dem jeweiligen Bedürfniß zu heben. So wurden in den Jahren 1867-69 neben der Elde unterhalb Grabow zwei kleinere Seitenkanäle, der Grabower und der Güritzer Kanal, gebaut. Bald überzeugte man sich jedoch von der Unzulänglichkeit dieser Methode. Nach zuvoriger gründlicher Stromschau erließ daher die Schweriner Regierung am 22. November 1877 ein Reskript an die Stände, worin sie einen systematischen Ausbau der Wasserstraßen empfahl. Ein dem Reskript beigegebenes Gutachten des Geheimen Bauraths Wiebe zu Berlin wies noch besonders darauf hin, daß die meklenburgischen Wasserstraßen zwar nach ihrer Lage niemals einem großen durchgehenden Verkehr dienen würden, daß Sie aber doch erheblich weiter ausgebaut werden müßten, um Schiffe in den erstrebenswerthen Maßen von 40,17 m Länge, 4,55 m Breite und 1,05 m Tiefgang tragen zu können. Da solche Fahrzeuge 2000-2500 Ctr. fortzuschaffen im Stande wären, würde ein ihrer Größe entsprechender Ausbau der Wasserstraßen den lokalen Verkehrsbedürfnissen vollkommen genügen. Diese Anträge hatten mehrjährige landtägige Verhandlungen zwischen den beiden


1) Für das Folgende s. Akten der gFußbaukommission zu Schwerin.
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meklenburgischen Regierungen und den Ständen und weitere Vorarbeiten von technischer Seite zur Folge. Als ihr Ergebniß stellt sich das vom Baudirektor Mensch ausgearbeitete und 1883 übergebene sogenannte generelle Projekt dar, das eine systematische Regulirung der sämmtlichen südlichen meklenburgischen Wasserstraßen vorsah. Das Menschsche Projekt beruhte rücksichtlich der Maße der auf den Wasserstraßen künftig zuzulassenden Schiffe auf dem Wiebeschen Gutachten. Damit solche Schiffe bequem auf der Wasserstraße verkehren könnten, sollten die Kanäle 1,5 m Wassertiefe, 10 m Sohlenbreite und 16 m Wasserspiegelbreite erhalten. Die Kosten der Regulirungsarbeiten berechnete Mensch auf 4 000 000 Mk.

Die von den Regierungen mit den Ständen weiter geführten Verhandlungen in dieser Angelegenheit fanden auf dem Landtag von 1890 ihren Abschluß. Es wurde bewilligt eine planmäßige Theilregulirung der südlichen Wasserstraßen, und zwar der Elde von Dömitz bis Parchim, des Störkanals und Störflusses von der Eldeschleuse bis zum Schweriner See, der Schifffahrtsstraße aus und zwischen den Oberseen und des Havelkanals von der Müritz bis Fürstenberg. Die Grundlage für die Arbeiten sollte das generelle Projekt von 1883 mit geringen Abänderungen bilden. Die für solche Theilregulirung in dem Berichte der Flußbaukommission vom 28. Oktober 1886 berechneten Kosten von 1 500 000 Mk. wurden aus allgemeinen Landesmitteln zugestanden und die Zahlung auf vier Baujahre vertheilt. Als erstes Baujahr wurde das Kalenderjahr 1891 festgesetzt.

Es würde natürlich zu weit führen, die sämmtlichen in den folgenden Jahren vorgenommenen Wasserbauten an dieser Stelle zu besprechen. Eine Beschränkung auf die Arbeiten zwischen Dömitz und Fähre, die einer künftigen Verbindung zwischen Dömitz und Wismar zu Gute kommen mußten, gebietet sich an dieser Stelle von selbst. In den Jahren 1891 und 1892 wurden die erforderlichen Regulirungsarbeiten auf denjenigen Strecken der Wasserstraße im Wesentlichen ausgeführt, wo eine Abweichung von der alten Trace in größerem Maßstabe nach dem generellen Projekt nicht vorgesehen war. Es wurden an der Elde im Wesentlichen ausgebaut die Strecken Dömitz-Grabow und Neustadt-Eldenschleuse. Auf der Stör wurden die großen Durchstiche und Flußregulirungen zwischen Plate und Banzkow bis auf eine Reststrecke unmittelbar oberhalb Banzkow ausgeführt und Vertiefungsarbeiten und Leinpfadsregulirungen oberhalb plate vorgenommen.

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Ende des Jahres 1892 begann die inzwischen eröffnete Aussicht auf einen Kanal zwischen Wismar und Schweriner See bestimmenden Einfluß auf die Weiterführung der Arbeiten auszuüben. Als man damals den zwischen Grabow und Neustadt projektirten 8 km langen Seitenkanal, der den Schifffahrtsweg erheblich abkürzte, in Angriff nehmen wollte, machten sich Bedenken in den leitenden Baukreisen geltend, ob sich die Anwendung der im generellen Projekt vorgesehenen Maße für die Schleusen zu einer Zeit noch empfehlen würde, wo man für den Kanal Wismar-Schweriner See bestimmt größere Maße in Ansatz bringen würde und wo für den Rostock-Güstrower Schifffahrtsweg bereits größere Dimensionen von Regierung und Ständen genehmigt waren. Man mußte fürchten, daß sich schon bald kostspielige Neubauten vernothwendigen würden, falls man nicht ganz auf die Verbindung mit jenen Kanälen verzichten wollte. Dies war die Veranlassung, daß Oberbaudirektor Mensch in einer Denkschrift vom 10. September 1892 beantragte, die Schleusen an dem Seitenkanal zwischen Grabow und Neustadt von vorneherein auf eine Lichtweite von 6,6 m und eine nutzbare Kammerlänge von 51,5 m einzurichten, damit Schiffe von 7000 Ctr. dieselben durchfahren könnten.

Da noch im Herbst 1892 der Bau der genannten Schleusen in den beantragten größeren Dimensionen und 1894 auch eine entsprechende Erweiterung des Profils desselben Seitenkanals genehmigt wurde, konnten die Arbeiten von 1893-1895 so gefördert werden, daß dieser Kanal und damit die ganze Strecke Grabow-Neustadt im Herbst 1895 betriebsfähig war. Von den übrigen Strecken des Wasserweges zwischen Dömitz und Schweriner Fähre erfuhr 1893 die Stör zwischen Banzkow und dem Schweriner See eine umfangreiche Ausbaggerung. 1894 und 1895 ruhten die Arbeiten an Stör und Störkanal in Folge Mangels an verfügbaren Mitteln dafür fast ganz. 1896 wurden aber auch diese beiden Theilstrecken völlig regulirt, auf die projektmäßige Tiefe gebracht und im Frühiahr 1897 dem Schiffsverkehr übergeben. Somit konnte die Flußbau=Verwaltungskommission am 18. Oktober 1897, nachdem inzwischen auch die Elde auf der Strecke Eldenschleuse-Parchim regulirt war, an beide Regierungen berichten, daß die projektirte Theilregulirung der südlichen meklenburgischen Wasserstraßen in der Hauptsache vollendet sei und daß auf sämmtlichen hergerichteten Strecken Schiffe von 40,2 m Länge, 4,7 m Breite und 1,05 m Tiefgang ungehindert passiren

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könnten. Später sind nur noch geringfügige Restarbeiten vorgenommen worden.

Was die Kosten der vorstehenden Wasserbauten betrifft, so haben sich zu den 1890 bewilligten 1 500 000 Mk. noch zwei Nachbewilligungen als nothwendig erwiesen, eine von 305 000 Mk. auf dem Landtag von 1894 für Regulirungsarbeiten an der untern Elde (Parchim-Eldenschleuse und Grabow-Neustadt) und eine von 214 000 Mk. auf dem Landtag von 1895 zur Durchführung der Stör=Regulirung. Im Ganzen sind also über 2 000 000 Mk. aufgewandt worden.

In neuester Zeit eröffnete sich auch für eine Wasserverbindung zwischen Schweriner See und Wismar die Aussicht, endlich zur Ausführung zu kommen. Als sich nämlich 1890 Lübeck entschloß, einen Elbe=Trave=Kanal in größten Dimensionen zu bauen, um sich in dem Stromgebiet der Elbe ein neues Absatzgebiet für Massengüter zu erschließen und dadurch den seinem Handel seitens des Nord=Ostsee=Kanals drohenden Verlust wieder auszugleichen, 1 ) glaubte Wismar seine Handelsinteressen aufs Aeußerste gefährdet. Es schien sich der Fall von 1391/98 zu wiederholen. Wie Lübeck damals durch die Anlage der Stecknitzfahrt Wismar den Zwischenhandel in Salz genommen hatte, so drohte es nunmehr, den Zwischenhandel mit englischer Kohle und schwedischem Holz, der sich in den letzten Jahren in Wismar erheblich aufgenommen hatte, ganz an sich zu ziehen. Es trat also wieder die Frage an Wismar heran, ob es sich nicht empfehle, vor der Fertigstellung des Elbe=Trave=Kanals die viel kürzere Strecke Wismar-Viecheln zum Verkehr für große Lastschiffe auszubauen und also den Schlag von Wismars Handel abzuwehren.

Am 27. August 1892 wurde zu Wismar in einer öffentlichen Versammlung von einer Reihe Wismarscher, für das Wohl ihrer Vaterstadt interessirter Bürger ein Wismarscher Kanalverein begründet, der sich noch in demselben Jahr nach Vereinigung mit dem schon bestehenden Elde=Stör=Kanalbauverein zu einem Elbe=Ostsee=Kanalbauverein erweiterte und es sich zur Aufgabe setzte, den Bau eines Kanals von der Ostsee zum Schweriner See und zur Elbe zu betreiben. Der Verein ließ zunächst das Projekt einer Kanalverbindung Schwerin-Wismar von dem RegierungsbaumeisterP. Möller in Kiel bearbeiten und konnte den Möllerschen Entwurf bereits auf der konstituirenden Versammlung


1) Vergl. Der Elbe=Trave=Kanal, ein Vortrag des Wasserbaudirektors Rehder, abgedruckt im Archiv des Vereins für die Geschichte des Herzogthums Lauenburg, 6. Band, 1. Heft, Mölln 1899, S. 1-39.
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des Vereins zu Schwerin am 15. April 1893 vorlegen. Die Möllersche Arbeit ist dann noch in demselben Jahre im Auftrage des Vereins gedruckt worden.

Die Kanallinie, wie sie von Möller geplant ist, fällt im Großen und Ganzen mit dem im 16. Jahrhundert erbauten Graben zusammen; insbesondere geht auch Sie von Moidentin auf Meklenburg, Rosenthal, die Klüßer Mühle zu und vermeidet den zwischen Meklenburg und der Klüßer Mühle einen großen Bogen beschreibenden Bachlauf. Bei Wismar sollte der Kanal östlich um die Stadt, nicht westlich oder durch die Stadt, wie im 16. Jahrhundert geplant war, gehen und in der Nähe des neuen Hafens in die Ostsee münden. Der Wasserquerschnitt des Kanals sollte eine Tiefe von 2 m unter dem Normalwasserspiegel und unten 13 m, oben 21 m Breite, die Schleusen eine lichte Weite von 6,6 m, eine Länge zwischen dem Abfallboden und der Spitze der unteren Schleusenthore von 51,5 m und eine Wassertiefe auf den Drempeln von 2,5 m erhalten. 1 ) Der Höhenunterschied zwischen dem Schweriner See und der Ostsee von rund 38 m soll durch zwei Schleusen nahe dem Anfang und Ende der Fahrt und behufs Vermeidung von mehr Schleusen durch eine geneigte Ebene nördlich des Dorfes Meklenburg überwunden werden, und des Endes zur Konzentrirung des ganzen Gefälles auf diesen einen Punkt der Kanal nördlich vom Loostener See höher am Abhange der östlichen Berge als ehemals horizontal bis nach Meklenburg geführt werden. Die Baukosten des Kanals, einschließlich Grunderwerb, Nebenanlagen, Entschädigung, berechnete Möller auf 3 850 000 Mk., die Bauzeit nahm er auf drei Jahre an.

Der Kanalverein wirkte auch in der folgenden Zeit unermüdlich weiter für seine Sache. Durch eine Reihe von Vorträgen und Flugschriften 2 ) suchte derselbe den Nutzen des Kanals für die Stadt Wismar und für die meklenburgische Landwirthschaft nachzuweisen und dem Kanal neue Freunde zu gewinnen.

Am 7. Juli 1894 machte der Kanalbauverein, nachdem er durch den Distriktsbaumeister Klett zu Grabow noch eine Revision der Möllerschen Arbeit veranlaßt hatte, dem Ministerium des


1) P. Möller, Kanal=Projekt Schwerin-Wismar, 1833, S. 18 ff.
2) Die Litteratur über den Kanal von Juli 1893 bis Juli 1895 zusammengestellt vom Archivregistrator Groth in den Uebersichten über die meklenburgische Litteratur im Jahrb. 59 (Nr. 465-476) und Jahrb. 60 (Nr. 457-459). Aus späterer Zeit sind zu erwähnen: Frobenius, Wismar, Eine brennenbe Frage, Wismar 1895, und Frobenius, Eine Lebensfrage für Wismar, Schwerin 1896.
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Innern eine Vorlage, bestehend aus den Materialien eines generellen Projektes für einen Kanal Schweriner See-Wismar, der Fahrzeuge bis zu 7000 Ctr. tragen könne, und aus einer Darlegung über die im Anschluß an den Bau erforderliche Steigerung der Leistungsfähigkeit der Stör und Elde. Die Kosten des Kanalbaues waren gemäß der Möllerschen Berechnung auf 3 850 000 Mk. angegeben, die Kosten der Erweiterung der Elde= und Stör=Wasserstraße auf 3 150 000 Mk. geschätzt. 1 ) Die Regierung ordnete im Sommer 1895 eine obererachtliche Prüfung der technischen Grundlagen des vorliegenden Projektes durch den Oberbaudirektor E. Mensch an und erließ dann am 7. Dezember des Jahres ein Reskript an die Stände, das den Bau des Kanals in den Abmessungen des Möllerschen Entwurfs zu den von Mensch in seinem Revisionsbericht zu 5 000 000 Mk. berechneten Baukosten empfahl. Von diesen Baukosten sollten aus Landesmitteln 2 1/2 Millionen aufgebracht werden, während den Rest die Stadt Wismar und die übrigen Interessenten beizutragen hätten.

Die Stände beschlossen auf dem Landtage zu Sternberg 1896 wegen der erforderlichen gründlichen Erwägung des Projektes, die Vorlage einer Kommitte von acht Mitgliedern zu gemeinschaftlicher Vorberathung mit dem Engern Ausschuß und Berichterstattung auf dem nächsten Landtag zu übergeben. Die Kommitte und der Engere Ausschuß traten am 17. und 18. September 1896 in die Berathungen 2 ) ein, nachdem inzwischen die Stadt Wismar erklärt hatte, von den auf 5 Millionen Mark veranschlagten Kosten 3/8 bis zum Höchstbetrage von 1 875 000 Mark hergeben zu wollen und auf Grund von Verhandlungen mit der Stadt Schwerin annehmen zu können, daß der Rest der Baukosten im Betrage von 625 000 Mk. von Schwerin übernommen werde. Es zeigte sich, daß die Ansichten der Versammlung auseinander gingen. Ein Theil derselben sprach sich für die Durchführung des Projektes aus; direkt würde Wismar, Schwerin und das Hinterland beider Städte Vortheil vom Kanal haben, indirekt werde aber auch eine günstige Rückwirkung auf das ganze Land nicht ausbleiben. Für die Landwirthschaft könne vor Allem Wismar wieder ein Hauptstapelplatz für Getreide


1) Schwerinsches Reskript vom 7. Dezember 1895 betreffend den Ausbau eines Schifffahrtskanals vom Schweriner See bis zum Hafen bei Wismar, Rostock 1896, S. 4, 5.
2) Diarium über die zu Rostock am 17. und 18. September 1896 geführten Verhandlungen. Rostock 1896.
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werden. Ein anderer Theil war der Ansicht, daß sich die Aufwendungen von Landesmitteln für das Projekt nicht rechtfertigten. Es fehle an allem statistischen Material über die Ein= und Ausfuhr Wismars zu Wasser und zu Lande, der Handel Wismars mit Massengütern, für deren Transport Kanäle gebaut werden, sei unbedeutend. Ob die nach Wismar eingeführte englische Kohle sich dauernd gegenüber der westfälischen behaupten könne, sei fraglich. Ausgeschlossen sei es, daß Wismar später ein Hauptstapelplatz für Getreide würde. Nur das Wismarsche Hinterland käme in Betracht, das übrige Land habe feste Absatzgebiete und nähere Transportwege. Man beschloß, der Landesversammlung beide Ansichten zu unterbreiten. Falls dieselbe die Regierungsvorlage nicht ablehnen sollte, war man übereinstimmend dafür, die Vorlage spezieller Projekte für den Kanal Viecheln-Wismar und für die Erweiterung der Südlichen Wasserstraßen, aus welchen die Kosten des Baues mit Sicherheit hervorgingen, anzurathen.

Auf dieses Diarium ließ der Elbe=Ostsee=Kanalbauverein eine Erwiderung ausarbeiten und im Druck erscheinen. Gleichzeitig wurde ein Spezialprojekt von dem Distriktsbaumeister Klett ausgearbeitet und von dem Oberbaudirektor Mensch geprüft, auch von einer Düsseldorfer Firma der Entwurf eines Schiffshebewerkes auf quer geneigter Ebene vorgelegt. Auf Grund des 1897 seitens der Stadt Wismar in Druck gegebenen Hauptprojekts wurde am 11. November 1897 an die in Sternberg versammelten Stände ein Schwerinsches Reskript 1 ) herausgegeben, das die Bewilligung einer Landeshülfe für den Bau von 2 900 000 Mk. warm befürwortete, falls die Adjacenten noch 325 000 Mk. aufbrächten. Auf 5 150 000 Mk. seien die Gesammtkosten im Hauptprojekt veranschlagt, wovon Wismar 1 875 000 übernommen habe. Ein fester Betrag von Schwerin sei nicht gesichert, weil die Stadt die Zahlung von der Weiterführung des Kanals bis zur Elbe abhängig mache. Doch solle aus dem Domanium Terrain im ungefähren Werth von rund 50 000 Mk. unentgeltlich hergegeben werden.

Auf dem Landtag wurde das Reskript an die Komitte für Verkehrswege gewiesen, die in mehreren Sitzungen darüber berieth. Sie kam zu dem Ergebniß, daß ein Kanal Wismar- Schweriner See ohne Anschluß an eine Wasserstraße zur Elbe


1) Schwerinsches Reskript vom 11. November 1897, betreffend die projektirte Herstellung einer schiffbaren Wasserstraße zwischen dem Hafen der Stadt Wismar und dem Schweriner See, gedruckt zu Rostock.
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geringen Werth hätte, daß aber für den Ausbau eines größern Kanalnetzes die Mittel des Landes zu sehr angegriffen würden. Die Komitte beantragte, die Vorlage nicht zu bewilligen, und der Landtag lehnte dem Antrage entsprechend und entgegen den Ausführungen des Bürgermeisters Joerges=Wismar mit 51 gegen 24 Stimmen die Kanalvorlage ab. Damit sind vorläufig die Verhandlungen mit den Ständen zum Abschluß gekommen. Zwar suchte die Stadt Wismar schon am 9. Mai 1898 bei der Regierung nach, dem Landtage des Jahres 1898 eine Vorlage zur Bewilligung eines Kanals für die ganze Strecke Wismar- Dömitz für Schiffe von 7000 Ctr. Tragfähigkeit herauszugeben, die Regierung hielt jedoch eine solche Vorlage zur Zeit für aussichtslos. Somit muß es der Zukunft überlassen bleiben, ob dies seit mehr als 400 Jahren nicht von der Bildfläche verschwundene Werk zur Ausführung kommen wird. Vielleicht bringt eine günstigere Lage der Landwirthschaft und gute Erfahrungen, die man beim Kaiser Wilhelm=Kanal und beim Elbe=Trave=Kanal macht, auch für die Elbe=Ostseeverbindung zwischen Wismar und Dömitz künftig bessere Aussichten.

Wer heute den Gang des Schiffgrabens verfolgt, kann sich nur noch an wenigen Stellen ein Bild von dem alten großartigen Werk machen. 1 ) Die drei von Herzog Albrecht VII. durchstochenen ziemlich bedeutenden Anhöhen zwischen Schweriner und Loostener See zeigen noch die alten Durchstiche; Sie bieten mit ihren bewaldeten Abhängen und dem schnell fließenden Bach im Grunde ein anmuthiges Landschaftsbild. Der Lütte See ist fast ganz zugewachsen. Zur Zeit des Kanals muß die Vertiefung, in der er liegt, hoch überstaut gewesen sein. Der Ausfluß aus dem Loostener See ist beim Bau der Eisenbahn Kleinen-Wismar 1846-1848 verlegt, sodaß hier der alte Graben nicht mehr erkenntlich ist. Die Durchstiche durch den Moidentiner und Meklenburger Berg hat die Bahn für ihr Geleise benutzt. Nördlich des Dorfes Meklenburg ist der Schiffgraben noch als schmale Ackerscheide, deren Seiten mit Weiden bestanden sind und in dessen tief eingeschnittenem Grunde sich ein kleines Rinnsal hinwindet, erhalten. Offen sichtbare Spuren von Schleusen sind zwischen Viecheln und Rosenthal nicht mehr vorhanden. Aus der nördlich vom Dorfe Meklenburg gelegenen Schleuse wurden 1833 die


1) Die folgenden Angaben nach den Wahrnehmungen, die der Verfasser am 22. Juli 1899 auf einer gemeinsamen Fußwanderung mit dem Baudirektor Hübbe längs des Schiffgrabens von Viecheln-Rosenthal gemacht hat.
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Quadersteine entnommen und in eine Chausseebrücke zu Hof Meklenburg über den Bach verbaut. 1 ) Die behauenen Steine mehrerer anderen Schleusen zwischen Viecheln und Rosenthal hat 1846-1848 die Eisenbahn für ihre Brückenbauten verwandt. 2 ) In der Tiefe sind vermuthlich noch die Steine der Moidentiner Mühlendammschleuse, deren Lage in der Freiarche der dortigen Mühle nicht zu bezweifeln steht, vorhanden. Reste von Fundamenten der Rothen Hut=Schleuse sollen nach Angabe des Erbpächters Bartels zu Meklenburg noch jetzt im Grunde Stecken.

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Anlage.

Die von dem Baudirektor H. Hübbe zu Schwerin entworfene und gezeichnete Karte der Viechelschen Fahrt giebt ein anschauliches Bild von dem Wege, den diese Fahrt verfolgt hat, und von der Höhenlage ihrer einzelnen Strecken. Der Zeichnung liegen die Ichnographie des Tilemann Stella von 1581/82, die Stellasche Kanalskizze (s. S. 206), der Situationsplan über die Strecke vom Loostener See-Moidentiner Berg (s. S. 223, Anmerkung 1) und die Pläne des Eisenbahnbaues von 1846-48 zu Grunde, deren Angaben zum Theil noch an Ort und Stelle vom Baudirektor Hübbe nachgeprüft sind. Bei der Einzeichnung von Wismar ist die im Archive aufbewahrte Originalkarte der Stellaschen Ichnographie, wovon der die Stadt Wismar enthaltende Theil noch recht gut erkenntlich war, sorgfältig benutzt worden. Es ergaben sich daraus für den Weg des Kanals um die Stadt herum wesentliche Anhaltspunkte. So genau nun aber auch die Längen= und Höhenangaben der Stellaschen Ichnographie auf den ersten Blick zu sein scheinen, so stimmen sie doch bei eingehender Prüfung mit den unzweifelhaft richtigen Verhältnissen der Generalstabskarte und den Messungen für den neuerdings projektirten Kanalbau nicht überein. Es müssen nothwendig mehrere Vermessungs= oder Schreibfehler in der Stellaschen Arbeit angenommen werden. Will man also die Angaben der


1) Mittheilung des Hülfspredigers Dühring zu Meklenburg, Jahrbuch 4 B, S. 94.
2) Angaben über die Aufhebung der Schleuse im Moidentiner Berge in den Akten der General=Eisenbahndirektion, betr. Grunderwerb im Domanialamte Meklenburg=Redentin, Tit. III, Nr 13, Vol. 1, 1846-1847. - Die betreffenden Bauakten haben sich nicht auffinden lassen.
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Ichnographie für eine Zeichnung des Kanals nutzbar machen, so muß in mehreren Punkten zuvor eine Berichtigung eintreten. Das Nähere ergiebt sich aus den folgenden Erläuterungen des Baudirektors Hübbe, in denen die unrichtigen Ziffern in eckige Klammern eingeschlossen sind.

Die in der Karte angedeutete Trace und der Längenschnitt des von Möller neuerdings ausgearbeiteten Kanalprojekts ermöglichen einen Vergleich zwischen diesem Projekt und dem Unternehmen des 16. Jahrhunderts. Die eingetragene Linie der Eisenbahn von Kleinen nach Wismar läßt erkennen, welche Strecken des alten Kanals neurdings beim Eisenbahnbau ausgefüllt sind. Der Grundriß einer Haupt= oder Kammerschleuse beruht auf einer Zeichnung in den Handakten des Tilemann Stella von 1581 (S. S. 226). Die beim Querschnitt des Kanals angegebenen Treidelpfade sind ausdrücklich zwar nicht bezeugt, doch werden Sie vorhanden gewesen sein, da auch bei der Wasserverbindung zwischen Fähre und Dömitz mehrfach von der Anlegung von Treidelwegen in den Akten berichtet ist.

Erläuterungen zur Zeichnung des Plans und Längenschnitts des Kanals.

Erläuterungen zur Zeichnung des Plans und Längenschnitts des Kanals.
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Erläuterungen zur Zeichnung des Plans und Längenschnitts des Kanals.
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Erläuterungen zur Zeichnung des Plans und Längenschnitts des Kanals.
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Erläuterungen zur Zeichnung des Plans und Längenschnitts des Kanals.