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3. Neure Ausgrabungen.

Hünengräber von Zarnewans.

(Katalog=Nummer St. 97-106.)

Die Gegend um Tessin enthält zur Zeit noch die größte Zahl von erhaltenen Hünengräbern. Zu beiden Seiten des tief eingeschnittenen Recknitzthals sind Steinzeitliche Reste in Fülle bekannt geworden; in einem kleineren Streifen liegen Hüuengräber am linken Ufer (Wohrenstorf, dann auf den Gebieten der benachbarten Güter Teutendorf, Stormsdorf, Zarnewanz, Gnewitz), in einem breiteren auf dem rechten Ufer (Drüsewitz, Vilz, Kowalz, Thelkow, Liepen, Stassow, Nustrow, Basse). Während nach der ersten Seite hin die genannten Gräber die am weitesten nach

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Norden vorgeschobenen sind, hängen sie nach Osten mit einer ebenfalls reichen Gruppe um Gnoien und Dargun zusammen, welche ihren natürlichen Abschluß in den großen Niederungen an der Grenze nach Pommern hin findet. Im Wesentlichen umfaßt dieses Gebiet die Amtsgerichtsbezirke Dargun, Gnoien und Tessin (östticher Theil). Während von den Hünengräbern der Gnoiener Gegend wenigstens einige sachgemäß aufgedeckt waren (z. B. bei Remlin von Ritter, S. Jahrb. 9, S. 362), fehlte es für die Tessiner bisher gänzlich an genauerer Kenntniß, und Verfasser begrüßte daher dankbar die von dem Besitzer von Zarnewanz, Herrn Grafen Bassewitz auf Dalwitz, gewährte Genehmigung, die dortigen Gräber zu untersuchen. Die Ausgrabung hat unter thätiger Mitwirkung des Herrn Bürgermeisters Kossel in Tessin am 4. und 5. April 1899 stattgefunden. Die Gräber sollen erhalten bleiben und sind nur so weit angegraben, daß ihre Form und Gesammtanlage deutlich erkennbar bleibt.

1.

Gelegen östlich vom Orte gleich hinter den letzten Häusern, rechts von dem zu den Recknitzwiesen führenden Wege. Das Grab

Abbildung 1.
Abbildung 1.

liegt in sandigem Acker auf flachem Boden; ein Steinkranz soll es früher umgeben haben, doch ist davon jetzt nichts mehr vorhanden. Das Grab (vergl. Abb. 1 und 2) bildet eine längliche Steinkammer in ostnordost=westsüdwestlicher Richtung, die von

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außen gemessen 7,5 m lang, 3,5 m breit und 1,55 m hoch ist, während der innere Raum ungefähr 5,5, 2,5 und 0,80 m beträgt. Je vier Tragsteine an den beiden Längsseiten, durchschnittlich von 1 m Länge, 0,60 m Breite und 0,85 m Höhe, zu denen zwei größere an den Schmalseiten kommen, tragen vier gewaltige Decksteine von durchschnittlich 2 m Länge, 1,25 m Breite und 0,75 m Höhe; die größten waren die beiden äußeren. Diese liegen auch noch an ihrem Platze, während die mittleren sich gesenkt und die Tragsteine etwas verschoben haben. Die Zwischenräume zwischen den Trägern waren sehr künstlich ausgefüllt: auf dem Urboden durch aufrecht stehende Platten (meist von Sandstein), darüber von aufeinander gelegten Platten, derenFugen mit flachen Keilsteinen, ebenfalls meist aus Sandstein, ausgezwickt waren. Es fehlte die Verkleidungder Fuge zwischen dem (von Westen gerechnet)

Abbildung 2.
Abbildung 2.

dritten und vierten Träger an der Nordseite; hier standen zwei kleinere Platten (etwa 0,40 m hoch) vor den Trägern und eine gleiche senkrecht davor, eine dieser parallele auf der andern Seite scheint weggebrochen zu sein; es war sicher, wie an vielen Gräbern beobachtet, der Eingang. Die Decksteine lagen vollständig frei, während die Träger nur etwa 0.10 m aus dem herangebrachten Erdmantel heraussahen.

Eine vollständige Ausräumung des Grabraums wäre nur bei Entfernung der Decksteine möglich gewesen und ist demnach, um das Gesammtbild des Grabes nicht zu vernichten, unterblieben. Doch ließ sich das Innere an drei Stellen erreichen. Es stellte sich dabei heraus, daß die Fugensteine sich im Innern des Grabes fortsetzten und dort mauerartige Schichtungen bildeten,

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durch welche das Grab in vier getrennte Abtheilungen geschieden wurde. Drei konnten untersucht werden: 1. Unter dem ersten Deckstein (von Westen), zugänglich von der Südecke, die nur schwach geschlossen war. Der Grund bestand aus festem Lehm, anscheinend einer Lehmdiele. Der ganze Raum war mit Erde angefüllt; in dieser, also nicht nur auf dem Grunde, fanden sich eine Anzahl Scherben von einem sehr schön verzierten Thongefäße. Die Stücke genügen leider nicht zu einer Wiederherstellung. Es ist ein größeres Gefäß von guter Arbeit, der Thon ist ziemlich fein und der Brand fest, die Dicke der Wandung etwa 9 mm. Die Farbe ist ungleich, meist röthlichbraun. Zur Bestimmnng der Form dient besonders ein leicht eingebogenes Randstück, 6,5 cm hoch, unten abschließend in einer leicht erhöhten Kante, unter der die Wandung sich stark einbiegt. (Abb. 3.)

Abbildung 3.
Abbildung 3.

Die Grundform war höchstwahrscheinlich die einer größeren Schale, ähnlich der vonTatschow, Jahrb. 63, S. 81, oder Ostorf, ebenda, S. 80. Das Gefäß ist sehr hübsch verziert; oben am Rande eine Doppelreihe kleiner tiefer zweitheiliger Kerben, unten eine gleiche Reihe, dazwischen ein vierfaches Zickzackband, gebildet durch spitzwinklig zusammenlaufende Linien, die mit einem kleinen Stäbchen mit Doppelspitze eingedrückt sind. Unter dem Rande an der Wandung die üblichen Hängezierrathe, gebildet durch 6 Parallellinien von 3,75 cm Breite und 3 cm Länge, in Entfernung von etwa 2,5 cm; auch diese mit einem Stäbchen mit Doppelspitze tief eingestochen. Thongefäße dieser Technik, Stichverzierung ohne Furche (oder Kanal) (vergl. dazu u. a. Brunner, Steinzeitliche Keramik in Brandenburg, S. 25), sind bei uns nicht gerade häufig und gehören ohne Zweifel einer frühen Periode der jüngeren Steinzeit an.

Außerdem fanden sich kleine geschlagene Feuersteinstücke, Spähne mit scharfen Rändern, die zum Theil als Messer oder Schaber gedient haben mögen, eine Anzahl jener geglühten Feuersteine, die in den Hünengräbern allgemein üblich sind und wahrscheinlich ein Pflaster gebildet haben; auch Kohle, ein Zeichen, daß

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hier Feuer gebrannt ist. (Natürlich ist das kein Beweis für Leichenbrand, sondern Feuer können in sehr verschiedener Weise bei den Leichenfeierlichkeiten zur Anwendung gekommen sein.) Von menschlichen Gebeinen keine Spur. Offenbar ist diese Grabkammer schon einmal durchwühlt, und der Inhalt, der für die Thäter werthlos war, durch einander gekommen.

2. unter dem zweiten Decksteine; zugänglich nur an einer kleinen Stelle, nahe der Südwand. Hier fanden sich besonders viele geglühte Feuersteine, die sichtlich den Boden bedeckten, auf ihnen zwei sehr einfache Feuersteinmesser; das eine länglich rund mit gewölbter Oberfläche, die durch den natürlichen Stein gebildet wird, und glatter Unterseite, Abnutzungsspuren an den Rändern, 10 cm lang; das andere in der bekannten Form der prismatischen Messer mit scharfem, hohem Mittelgrat, 5,5 cm lang, und ein Feuersteinspahn. Auch lag hier eine kleine, unregelmäßig geformte Sandsteinplatte, 10 cm lang und etwa 2 cm dick, wohl ein Schleifstein.

3. Unter dem dritten Steine am Nordende nahe dem Eingange. Der Grund bestand aus festem Lehm; geglühte Feuersteine sind nicht beobachtet; auf dem Lehm ein Steinpflaster und auf diesem, in gestreckter Lage nach Osten gerichtet, deutlich erkennbare Reste eines Beigesetzten. Vom Kopfe ist nichts erhalten, aber die Oberschenkel lagen noch unberührt. Neben diesen Gebeinen an drei Stellen, etwa dem Oberarm, Becken und Unterschenkel entsprechend, drei Thongefäße, die in dem festen Lehm zerdrückt waren und von denen nur Stücke gerettet werden konnten. Es sind: ein becherartiges Gefäß mit dünner Wandung und gleichmäßig hellbrauner Oberfläche. 3,75 cm unter dem Rande biegt sich das Gefäß stark ein. (Abb. 4.)

Abbildung 4.
Abbildung 4.

Am oberen Rande ist ein Streifen gebildet durch zwei Reihen vertikaler Stiche, von da gehen fast bis zum Fuße etwa 1 cm breite Streifen in "Tannenwedelmuster", d. h. an einen Mittelstrich setzen sich an beiden Seiten nach oben gerichtete kleine Schräglinien an. In Form und Verzierung scheint sich das Gefäß dem a. a. O., S. 82 abgebildeten Blengower anzuschließen, war aber wesentlich kleiner.

Das Tannenwedel= (oder Fischgräten=Muster haben wir auch sonst, so bei Blengow und Lübow, aber dort ohne Mittelgrat.

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Es ist in der Steinzeit weit verbreitet, zeigt aber meist nach unten gerichtete Schrägstriche. Gerade in unseren Nachbarländern scheint es seltener zu sein, kommt aber auch dort vor, z. B. im Lübeckschen (Lübecker Festschrift 1897, IV, 4 an einem angeblich aus dem Waldhusener Hünengrabe stammenden Gefäße), und an einem Gefäße aus dem "Denghooge", einem "Ganggrabe" von Sylt (Mestorf, Vorgesch. Alterth. Schlesw.=Holst., XVII, Abb. 145). An diesen Beispielen fehlt der scharfe Mittelgrat, und an eine Nachbildung, eines Tannenwedels etwa, ist sicher nicht gedacht, während bei dem Zarnewanzer die Umdeutung des "Sparremnotivs" in eine Nachahmung des Wedels wohl möglich scheint.

Eine vereinzelte Scherbe zeigt das Tannenwedelmotiv etwas verändert, es wechseln ein Streifen mit Mittelgrat und einer ohne, neben einander. Ein drittes, kleines Thongefäß ist schwärzlich, sehr starkwandig und unverziert, leider so unvollständig, daß Näheres nicht zu sagen ist.

Außerdem (die Lage ist unsicher) ein Stück von einem ungeschliffenen Feuersteinmeißel. Auch in einem, anscheinend sehr alten, Hünengrabe von Neu=Gaarz (bei Waren) ist nur ein derartiger Meißel gefunden, desgleichen in einem Hünengrabe von Maßlow (s. unten S. 130).

Die Ausstattung des Grabes schließt sich an unsere anderen Hünengräber an. Von besonderem Interesse ist das Thongefäß der ersten Kammer. Sicher gehört das Grab in eine ältere Zeit der neolithischen Periode.

2.

Nördlich von diesem Grabe, 550 m entfernt, links von dem Wege nach Gnewitz, liegt auf sandigem Acker ein flacher, mit einigen Kiefern bestandener Hügel, auf dem eine Erhöhung in der Form der Hünenbetten sich findet. Diese ist genau nord=südlich gerichtet und hat eine Länge von 18 und eine Breite von 5,20 m bei 1 m Höhe. Auf ihr liegt eine Steinlagerung von 15 m Länge und 2,20 m Breite, bestehend aus 70 bis 80 neben einander gelegten größeren Steinen von meist 0,60 bis 1 m Durchmesser; am Nordende sind sie etwas größer. Unter diesen Steinen befindet sich eine etwa 0,20 m starke Schicht reinen gelben Sandes, dann eine zweite Schicht kleinerer Steine von durchschnittsich 0,25 m Stärke, die dammartig gelegt sind. Quer durch den Hügel ging an mehreren Stellen (sicher an zwei, wahrscheinlich noch an einer dritten) eine mauerartige Schichtung von

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Steinen, wie sie den unteren Damm bilden. Durch diese wird der innere Raum in mehrere Abtheilungen (deutlich erkennbar war eine in der Mitte des Hügels von etwa 3 m Länge und 2 m Breite) geschieden, in denen man die Grabräume erwarten sollte. Es fand sich aber weder hier noch sonst in dem Hügel irgend ein Artefakt oder eine Spur der Benutzung, auch war der Grund des Hügels, der bei 1 m Tiefe erreicht wurde, nicht abgedämmt oder mit einer Lehmdiele versehen, sondern der Urboden hob sich nur durch seine andere Schichtung und Färbung ab. Trotzdem ist für die Anlage kein anderer Zweck ersichtlich, als der als Grabstätte. Es ist sehr wohl möglich, daß in dem lockeren, durchlässigen Boden die Körper ganz spurlos vergangen sind.

Die Bauart des Hügels ist eigenartig und uns durch kein weiteres Beispiel bekannt. Am meisten erinnert daran ein 1839 aufgegrabenes Hünengrab von Helm (Jahrb. 4 B, S. 21), wo ebenfalls von der Steinbedeckung eines sehr ärmlich ausgestatteten Hünengrabes, dessen Inneres in verschiedene Abtheilungen getrennt war, die Rede ist. Sehr wahrscheinlich gehört unser Grab in die oben S. 86 besprochene Gruppe der Hünenbetten ohne Steinkammern.

3.

Ein drittes Grab ist im März 1899 von Arbeitern, welche Steine suchten, angetroffen und zerstört. Es lag etwa 800 m südöstlich von dem ersten in dem Acker zwischen den beiden zur Recknitz führenden Wegen. Nach der Beschreibung bildeten vier Steine von etwa 1 m Länge einen rechteckigen Raum unter der Erde, wohl eine Grabkammer, deren Deckstein über die Erdoberfläche gereicht hatte und entfernt ist. In dem Raume lagen vier Steingeräthe, je zwei übereinander, nämlich:

1. Keil von weißgrauem Feuerstein von der Grundform D I, gut geschliffen, an der Schneide nachgearbeitet, und zwar nur durch Schlagen, nicht durch Schleifen. Länge 16, Breite oben 4,5, unten 6,75, größte Dicke (8 von unten) 2,5 cm.

2. Der Rest eines gleichen, sehr schönen und großen Keils derselben Art, wahrscheinlich Grundform D II. Länge noch 11, Breite unten 8, gr. D. 2,5 cm.

3. Keil aus dioritartigem Gestein, Grundform B a II; ungewöhnlich schönes Stück mit scharfen Kanten und feinem Schliff. Länge 10, Breite oben 3,5, unten 7,5, gr. D. (6,5 von unten) 2 cm.

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4. Ein gleicher Keil, aber stärker verwittert. Länge 14, Breite oben 3,5, unten 6,75, gr. D. (5,5 von unten) 2 cm.

Die Stücke befinden sich in der Sammlung des Herrn Bürgermeisters von Rentz in Teterow.

Der Fund ist nach verschiedenen Seiten von Interesse. Sowohl Feuersteinkeile von der Grundform D, als auch Dioritkeile überchaupt sind in Hünengräbern sehr selten (vergl. Jahrb. 63, S. 35 und 39); nach den Erfahrungen der skandinavischen Archäologen scheint der Typus D (das "dünnnackige" Beil Sophus Müllers; vergl. Müller, Nordische Alterthumskunde I, S. 67, Ordning 54) in eine der frühesten Perioden der jüngeren Steinzeit zu gehören. Ebenso stehen die einfachen vierseitigen Kammern, zumal die fast ganz im Erdboden gelegenen, an dem Anfange der Entwickelungsreihe.

Unsere meklenburgischen Hünengräber in eine chronologische Reihenfolge zu bringen, ist kaum angängig; dazu haben wir zu wenig sachgemäße Ausgrabungen. Leider ist ja auch das vorliegende Grab zerstört; über Leichenreste oder Thongefäße verlautet nichts. Aber daß es eins der allerältesten unter den überhaupt bekannt gewordenen ist, darf nach dem Obigen als sicher gelten.

In den drei Zarnewanzer Gräbern haben wir drei verschiedene steinzeitliche Typen, den ältesten stellt 3, den jüngsten 2 dar. Die anderen Gräber der Feldmark (ich habe noch sieben gezählt) gehören nach dem Augenschein und der an einem vorgenommenen Ausgrabung der folgenden Periode, der Bronze=Zeit, an.