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IX.

Versuche

zur

Einbürgerung der Seidenindustrie und des Seidenbaues
in Meklenburg.

Von

Professor Dr. Wilh. Stieda zu Rostock.

~~~~~~~~~~~~~~~

D ie ersten Schritte zur Einführung der Seidenindustrie und zur eigenen Erzeugung der Seide geschahen in Deutschland während des 16. Jahrhunderts. Zwei intelligenten Ulmer Bürgern Scheller und Marteller wird nachgerühmt, daß sie im Jahre 1525 die Sammetweberei in Como erlernt hätten, um die dort erworbenen Kenntnisse in der Heimath verwerthen zu können. 1 ) Indeß dieser Versuch so wenig, wie der später - 1545 - in Augsburg von Andreas Schultz unternommene, der Goldspinnerei und Brocatweberei Eingang zu verschaffen, hatten dauernden Erfolg. 2 )

Mit demselben Mißgeschick hatten die von hoher Hand begünstigten Bestrebungen zu kämpfen. Kurfürst August von Sachsen (1553 - 86), der den Wohlstand seines Volkes überhaupt durch Pflege des Landbaues, Beförderung der Industrie und Belebung des Handels zu heben bemüht war, ließ durch den Locarner Giacomo Duno aus Zürich eine Sammetweberei ins Leben rufen. In Brandenburg aber folgte Kurfürst Joachim II. diesem Beispiel, indem er den Locarner Bartolommeo Robasciotto aus Basel zu gleichem Zwecke berief. 3 ) Der Brandenburgische Fürst übertrug seine Liebhaberei auch auf seine


1) Jäger, Geschichte der Stadt Ulm. S. 649.
2) Falke, Geschichte des deutschen Handels. II, S. 25.
3) Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel, S. 441.
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Tochter Elisabeth Magdalene, die an den Herzog von Braunschweig=Lüneburg verheirathet war. Sie scheint die erste gewesen zu sein - sie starb 1595 -, die sich in Deutschland mit der Seidenraupenzucht befaßte. 1 ) Auch ein Privatmann, Dr. Andreas Libarius zu Rothenburg an der Tauber, im Jahre 1599 wird als einer der ersten Züchter der Seidenraupe genannt. 2 ) In Württemberg interessirte sich der Herzog Friedrich I. für den Seidenbau, errichtete 1601 eine Seidenzucht und Seidenspinnerei in Stuttgart und soll es sogar so weit gebracht haben, daß er im Jahre 1603 drei Pfund im Lande erzeugte Seide nach Frankreich schicken konnte. 3 )

Aber von allen diesen Unternehmungen hat sich nicht mehr als die Erinnerung erhalten. Nicht einmal über die jeweilige Entwickelung und die Dauer dieser Betriebe ist Näheres bekannt geworden. Immerhin waren auf diese Weise um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts Anfänge der Seidenraupenzucht und der Seidenindustrie in verschiedenen deutschen Gebieten vorhanden, 4 ) und es handelte sich nur um eine Wiederbelebung dieser Anstalten, als durch die in der Mitte des 16. Jahrhunderts beginnende Gegenreformation ein Strom gewerbfleißiger Niederländer und Franzosen sich in Deutschland ergoß. Die fremden Flüchtlinge, die überhaupt auf die Verbreitung und Hebung der Industrie in Deutschland bestimmenden Einfluß gewannen, die einer neuen Unternehmungsform, der Fabrik, Anerkennung verschafften - sie waren auch die Träger und Verbreiter der Seidenindustrie. Sie führten neue Artikel ein, sie brachten einen besseren Geschmack, eine vollkommenere Technik mit sich. 5 )

Der erste deutsche Staat, der davon Vortheil zog, war Hamburg. Hier entwickelte sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts eine rege Seidenindustrie, in der insbesondere die Sammet= und Kaffaweberei entwickelt waren. Daneben aber gediehen auch die Fabrikation von seidenen und goldgewirkten Zeugen und Bändern, die Zwirnerei und die Färberei. 6 ) Wie leistungsfähig dieser Gewerbezweig, begünstigt


1) Acta Borussica, die preußische Seidenindustrie im 18. Jahrhundert, Bd. 1 und 2. bearbeitet von G. Schmoller und O. Hintze. Bd. 3, Darstellung von O. Hintze., S. 27.
2) Schreber, Versuch einer Geschichte des Seidenbaues in "Sammlung verschiedener Schriften, welche in die öconomischen, Polizey= und Cameral=Wissenschaften einschlagen." 1755, Bd. 1, S. 185.
3) Zur Förderung des Seidenbaues in Meklenburg, S. 10.
4) Groth, Geschichte der Seidenzucht und Seidenmanufaktur, Deutsche Vierteljahrsschrift, 1864, Heft 4, Nr. 108.
5) Hintze a. a. O., S. 17.
6) Rüdiger, Hamburgs Handel und Gewerbe im Zeitalter der Reformation, Hamburger Nachrichten, 1892, Nr. 8 - 11.
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merkwürdiger Weise durch den dreißigjährigen Krieg, der sonst überall tiefe Wunden schlug, auch in Hamburg wurde, zum Anbau von Maulbeerbäumen und zur Zucht von Seidenraupen entschloß man sich noch nicht. Diesen Gedanken angeregt und ihn mit allem Nachdruck vertreten zu haben, ist das Verdienst von Johann Joachim Becher.

Becher, im Jahre 1625 in Speyer als der Sohn eines protestantischen Geistlichen geboren, legte in seinen Studien eine staunenswerthe Vielseitigkeit an den Tag. Mathematik, Physik und Medizin, aber auch Theologie, Jurisprudenz, Linguistik und Kameralistik beschäftigten ihn. Professor der Medizin an der Universität Mainz, trat er bis zu den sechsziger Jahren litterarisch fast ausschließlich auf dem Gebiete der Physik, Chemie und Linguistik hervor, wandte sich dann aber der Kameralistik zu und hat hier wohl größere Bedeutung gewonnen, als in den anderen Wissenschaften. Er bekannte sich als Nationalökonom zu merkantilistischen Ideen, und wie es mit diesem System zusammenhängt, erwärmte er sich aufs Lebhafteste für Beförderung des Handwerks und die Einrichtung von Manufakturen. Unter diesen aber richtete er sein Augenmerk namentlich auf Einführung des Seidenbaues und der Seidenindustrie. 1 ) Gerade dieser Zweig spielt in seinen Projekten eine hervorragende Rolle. Er bewies, daß das Klima der meisten Gegenden Deutschlands der Seidenraupenzucht nicht entgegen sei, "ist nicht zu zweiflen, dass wo guter Wein - Wachss, auch gut Maulbeerlaub wachse, der Baum ist leicht zu handhaben, dann weil er am langsamsten seine Blätter gibt. leydet er vom Frost keine Gefahr." Besonders empfahl er zur Anpflanzung die untere "Pfalz, um Heidelberg und in der Bergstraß, angesehen das Seidenwesen allda so gut thut, als immermehr in Frankreich." Selbst wenn es aber nicht gelänge, den Rohstoff selbst im eigenen Lande zu erzeugen, so könnte man ihn bequem aus dem Auslande beziehen und hätte dann den Vortheil seiner Bearbeitung, "wodurch nicht allein ein guter Theil des Gelds im Land bliebe, sondern auch viel tausend Menschen, die nun betteln gehen, ihr Brod dadurch gewinnen könnten." Wirklich wußte er nach einander mehrere deutsche Fürsten für seine Pläne zu gewinnen. Mit dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz schloß er im Jahre 1664 einen Vertrag, laut welchem er in Mannheim und Heidelberg eine Anzahl von Manufakturen, darunter vornehmlich eine Seidenweberei, begründen sollte und zum Seidenbau Ländereien angewiesen erhielt, auf denen er 6000 Bäume


1) Politischer Diskurs von den eigentlichen Ursachen des Auff= und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken. 3. Aufl. 1688. S. 121 ff.
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pflanzte, nach Schreber sogar 20000. 1 ) Das Werk wurde auch in Gang gebracht, gerieth aber später in Stocken. Der Kurfürst Johann Philipp von Mainz ließ sich ebenfalls dazu bereit finden, in Vagts, Hochem und bei Würzburg Maulbeerpflanzungen anzulegen und betrieb die Aufzucht von Raupen mit Erfolg. Ob es in München auch schon zum Seidenbau kam, ist nicht ganz sicher. Groth behauptet allerdings, daß im Jahre 1670 in Baiern der erste Verein zur Seidenzucht gegründet wurde. 2 ) Jedenfalls kam im Jahre 1666 eine Seidencompagnie mit Hülfe holländischer und brabantischer Geschäftsleute zu Stande. Indeß alle diese Manufacturen wollten nicht recht gedeihen. Der Mangel an Betriebsmitteln, die Unerfahrenheit und Unzuverlässigkeit der aus der Fremde herbeigeholten Directoren und Arbeiter, der übertriebene Umfang des Unternehmens, die Mißgunst der einheimischen Kaufleute, die sich der Neuerung gegenüber sehr ablehnend verhielten, brachten die neuen Anstalten bald zum Scheitern. 3 )

Immerhin war durch Becher die Ueberzeugung aufgekommen, daß der Seidenbau den wirthschaftlichen und klimatischen Verhältnissen Deutschlands nicht widerspräche, und diese Ansicht wurde nun litterarisch mehr bethätigt.

Bereits Marta Baesia hatte über die Fütterung der Seidenraupen und die für sie erforderliche Temperatur Versuche angestellt, die Baesius in seinem Werke "De re vestitiaria" beschrieb. Später war in einem Werke, das Maria Sybilla Graefia über die Raupen veröffentlichte, auch der Seidenraupen gedacht worden. 4 ) Dann war im Jahre 1603 eine Schrift von Olivier de Serres über den Seidenwurm durch den Württembergischen Kammersecretair Jacob Rathgeb ins Deutsche übertragen worden, wahrscheinlich die erste in deutscher Sprache erscheinende Schrift über diesen Gegenstand. Nun mehrten sich die Anleitungen, ein Zeichen des wachsenden Interesses. Im Jahre 1668 verfaßte der Bürgermeister von Cremmen in Brandenburg, Johann Grüwel, ein Büchlein über den Seidenbau. 5 ) Im folgenden Jahre wurde die gründliche Anweisung des Franzosen Christoph Isnard, "wie die weissen Maulbeerbäume sollen gebauet werden", in Wien ins Deutsche übersetzt, und 1693 erschien in Leipzig die "Neue Seiden - Manufaktur, das ist: Ausführliche Erzehlung wie Maulbeerbäume und Seidenwürme gepfleget, gewartet, fortgepflantzet und die darzu bereitete Seide recht


1) A. a. O., 1, S. 194.
2) A. a. O., S. 105.
3) Hintze, a. a. O., S. 28, 29,
4) Groth, a. a. O., S. 104.
5) Hintze, a. a. O., S. 92.
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zugerichtet und genutzet werten könne." Der Verfasser, der sich auf dem Titelblatt als der "Kunstliebende" bezeichnet und die Vorrede an den Leser mit den Initialen J. J. W. unterschreibt, gab vor, daß er viele Jahre in Manufacturen thätig gewesen und "seine eigene langjährige Erfahrung" mittheile; doch lassen die Bemerkungen am Schlusse des Büchleins darauf schließen, daß es sich nur um eine neue Uebersetzung des Isnard'schen Werkes handelte.

Wenn es trotzdem noch einige Zeit dauerte, bis man sich dazu entschloß, die Theorie in Wirklichkeit umzusetzen und den Rath zur Anpflanzung von Maulbeerbäumen zu befolgen, so war das bei der Neuheit der Projecte wohl natürlich. Zunächst strebte man an, die Industrie festen Fuß fassen zu lassen und verschaffte ihr den Rohstoff von auswärts. In Langensalza hatten sich am Ende der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts ein paar von dort gebürtige Weber, die in der Schweiz das Gewerbe erlernt hatten, niedergelassen und eine Weberei leichter, aus Seide und Baumwolle gemischter Stoffe in Gang gebracht, die nachher, als sich kapitalkräftige Unternehmer an dem Geschäft betheiligten, einen bedeutenden Umfang gewann. Im Kurfürstenthum Sachsen, wo der Fabrikant und Commerzienrath Johann Daniel Krafft und die Gebrüder Span thätig waren, kam 1676 eine Seiden= und Wollenmanufactur in Neuostra ganz gut in Gang. Die Regierung selbst unterstützte den eifrigen Unternehmer mit Geldern, die sie aus einer neu eingeführten Tabaksteuer vereinnahmte. 1 )

Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm bediente sich ebenfalls der Hülfe des Commerzienraths Krafft, um in Berlin eine ähnliche Manufactur zu eröffnen, doch führten die Verhandlungen zunächst nicht zum Ziele. Indeß der weitblickende Herrscher verzagte nicht. Am 6. Mai 1676 wurde durch Reichsbeschluß die Einfuhr und der Verbrauch aller französischen Luxuswaaren, namentlich von Seidenzeugen, verboten und am 18. Juli desselben Jahres das betreffende Edict für Brandenburg wiederholt. Strebte man mit ihm darnach, sich von der wirthschaftlichen Ausbeutung durch den mächtigeren Nachbar zu befreien, so ließ sich nichts dagegen einwenden, da der Luxus nun einmal nicht ganz zu unterdrücken war, die Anfertigung der kostbaren Stoffe, bei der sich viel Geld verdienen ließ, im Lande selbst in Angriff zu nehmen. So gewann denn der Kurfürst einen Nürnberger, Friedrich Pilgram, der in der sächsischen Manufactur Erfahrungen gesammelt haben wollte, zur Anlage einer Fabrik in Berlin. Aber der Mann erwies sich bei näherem Zusehen als ein


1) Hintze, S. 29.
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"unzuverlässiges Subject," und die Sache unterblieb. 1 ) Erst mit der Einwanderung der Refugiés sah der Kurfürst sich der Verwirklichung seiner Ideale nähergerückt. Ein Jahr vor seinem Tode hatte er die Freude, eine wirkliche Seidenmanufactur - im Packhaus auf dem Friedrichsgraben in Berlin - in Betrieb kommen zu sehen. Ein Pariser, Jean Biet, der daheim in seiner Fabrik 20 Arbeiter beschäftigt hatte, während er die Wolle, die er zu seinen halbseidenen Geweben brauchte, auf hausindustriellem Wege von etwa 100 Personen in einigen Dörfern der Picardie herstellen ließ, also ein gewiegter Unternehmer, stand an der Spitze des Geschäfts. Er hatte einen Vorschuß von 5000 Thalern erhalten unter der Bedingung, 18 Stühle in Gang zu bringen. Seine Arbeiter, vorzugsweise Franzosen, mußte er aus Holland verschreiben. 2 )

Die Versuche, die zur Verarbeitung nöthige Seide in Preußen selbst zu erzeugen, begannen erst nach dem Tode des großen Kurfürsten. Im Jahre 1690 wurde der Anfang gemacht, indem der Amtskammer befohlen wurde, auf den Domänen Maulbeerbäume anzupflanzen. Das Ergebniß muß zunächst kein unbefriedigendes gewesen sein und zu weiterer Ausdehnung angeregt haben. Denn kein Geringerer als Leibniz griff die Idee auf, den Seidenbau in Deutschland heimisch zu machen und wirkte dafür bei dem Kurfürsten von Mainz und Hannover. 3 ) Er glaubte am schnellsten durch ein Monopol seinen Zweck, nämlich "den ansehnlichen Nutzen des Landes und des gemeinen Wesens und der hohen Herrschaft" erreichen zu können und hatte sich im Jahre 1707 bei dem Könige dafür verwandt, daß der neu errichteten Societät der Wissenschaften ein "Privilegium privativum generale perpetuum zur Erzielung der weißen Maulbeer=Bäume und der Seide" ertheilt würde. 4 ) Leibniz glaubte, daß die weißen Maulbeerbäume so gut wie Linden in unserem nordischen Klima würden gedeihen, "mithin sowohl Schatten als Nutzen geben," und demgemäß überall an bequemen Orten, auf Wällen, Straßen und "wo es sonst anständig" einzeln und in Alleen würden gepflanzt werden können. Und eine so große Vorstellung hatte er von dem Erfolge der beabsichtigten Anpflanzung, daß er für jene Societät, der er augenscheinlich wünschte thunlichst große Einnahmen zu verschaffen, nicht allein die Kultur der Bäume, sondern auch die Verarbeitung und den Vertrieb der einheimischen Seide ausschließlich in


1) Hintze, a. a. O., S. 81.
2) Hintze, S. 83.
3) Hintze a. a. O., S. 91.
4) Leibnitz's Deutsche Schriften, ed. G. E. Guhrauer. L.=L. S. 295 "Gedanken die Erziehung der Maulbeerbäume betreffend."
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Anspruch nahm, sowie sich als Gnade ausbat, die Seide und die Waare nicht zu hoch mit Zöllen und Accisen beschweren zu wollen.

Wirklich ging der König auf die Wünsche des hervorragenden Philosophen ein und bewilligte der Societät ein ausschließliches Privileg zur Anpflanzung von Maulbeerbäumen. Leibnitz that auch Schritte, es zu verwirklichen und setzte sich zu diesem Zwecke mit dem Conrector Frisch vom Berlinischen Gymnasium zum grauen Kloster in Briefwechsel. Dieser erwarb sich in der That große Verdienste um die Beförderung des Anbaues von Maulbeerbäumen, pflanzte sie in Spandau, Köpenick, in Berlin selbst und hatte die Freude, daß ungeachtet des harten Winters von 1709 der weiße Maulbeerbaum doch erhalten blieb. 1 ) Trotz alledem schlief die Lust zur Fortsetzung des Werkes allmählig wieder ein, und erst Friedrich Wilhelm I. belebte das Interesse für den Seidenbau aufs Neue. Zwei Broschüren des Conrectors Frisch: "Der Seidenbau, nach seiner Möglichkeit und Nutzbarkeit," im Jahre 1713 und "Der Seidenbau in seiner nöthigen Vorbereitung, nöthigen Bestellung und endlichen Gewinnung," im Jahre 1714 erschienen, setzten dem Publikum den Nutzen des Seidenbaues auseinander und gaben Anleitung zu seiner Inangriffnahme. Dann verwiesen die beiden Verordnungen vom 5. März 1714 und 12. September 1716 darauf, mit welchen beträchtlichen Summen Geldes das Land dem Auslande für Seide tributair sei. Dies könne man größtentheils erhalten, wenn man sich des Seidenbaues befleißigen wolle. Die Unterthanen möchten doch ihren eigenen Vortheil erkennen und Maulbeerbäume in Menge anpflanzen. Auch die Magistrate in den Städten sollten dafür eintreten, indem sie "an gemeinen Orten, an denen Mauern, Gräben, Wegen, Triften oder wo es sonst bequem und schicklich sei, von Jahr zu Jahr eine Anzahl junger Maulbeerbäume versetzen, solche gehörig warten und so zu dem Seidenbau Grund legen."

Man sieht, es war dem König voller Ernst damit und kein bloßer Scherz, wenn er durch Kabinetsordre von 1718 befahl, den gelehrten und närrischen Gundling als Geheimen Rath bei dem neu organisirten General=Commissariat einzuführen und ihm "das Departement aller Seidenwürme im ganzen Lande" zu übertragen. 2 ) Im nächsten Jahre - am 9. Januar 1719 - folgte eine Verordnung, in der die Geistlichen aufgefordert wurden, die Kirchhöfe mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, eine sicherlich angemessenere Verwendung des Platzes, als wenn man noch heute z. B. in manchen meklenburgischen Kirchdörfern Pflaumenbäume auf diesen Stätten des Friedens gedeihen sieht.


1) Hintze a. a. O., S. 91, 72.
2) Hintze, S. 92.
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Ungeduldig erwartete der König den Erfolg dieser Maßregel, wiederholte sie am Ende des Jahres - am 20. December - und verlangte binnen 8 Tagen genauere statistische Angaben von jedem Prediger, wie viel Bäume bereits gepflanzt wären. Die renitenten Prediger sollten die höchste Ungnade zu erwarten haben, "gestalt Wir keine Entschuldigung, dass der Kirchenpatron der Sache zuwider wäre oder dergleichen werden gelten lassen."

Im Thiergarten zu Berlin wurden wüste Plätze, die der König selbst bezeichnete, von Refugiés mit Maulbeerbäumen bepflanzt. Aus ihrer Ansiedelung erwuchs der später Moabit genannte Stadttheil. In Wusterhausen ließ der König ebenfalls eine Plantage anlegen, und so waren bis 1732 in und um Berlin allmählig 2000 Bäume vorhanden, deren Seidenertrag sich auf 115 Pfund belief. Der königlichen Societät war das Privileg nicht mehr erneuert worden, sondern dieses hatte, wie es scheint, der Domänenfiscal Pfeiffer erhalten, der, nächst Frisch der eifrigste Beförderer des Werkes, eine Baumschule angelegt hatte, um die ganze Kurmark mit Bäumen zu versorgen. 1 )

Gleichzeitig ließ sich der König angelegen sein, die Seidenindustrie zu entwickeln, indem er sie namentlich durch eine seit 1713 überlegtere und kräftigere Schutzzollpolitik förderte. Bei alledem war trotz hübscher Ergebnisse im Einzelnen beim Regierungsantritt Friedrich des Großen für das ganze Land noch nicht viel erreicht. In einer Instruction des gleich in den ersten Wochen der Regierung dieses Monarchen ins Leben getretenen fünften Departements, einer Abtheilung im General=Directorium, der die Sorge für Handel und Industrie im ganzen Gebiete der Monarchie übertragen wurde, bezeichnete man die Seiden=Industrie schlechtweg als eine im Lande noch fehlende Manufactur. Friedrich der Große nahm sich ihrer jetzt aufs Lebhafteste an. Wiederholt hat er erklärt, daß sie zunächst sein vornehmstes Augenmerk auf gewerblichem Gebiete sei. 2 )

In einer 1750 an den Minister von Danckelmann gerichteten Ordre bezeichnete er den Seidenbau als einen Gegenstand, "den er unter den übrigen Aufgaben für das Beste des Landes und seiner Unterthanen für einen der hauptsächlichsten halte." 3 )


1) Fr. Stadelmann, Friedrich Wilhelm I. in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preußenz. 1878. S. 180 - 182. In den Publicationen aus dem königlich preußischen Staatsarchiv. Bd. 2. - Hintze. a. a. O., S. 93.
2) Hintze, S. 104.
3) Stadelmann, Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur. Friedrich der Große. 1882, S. 215. In den Publicationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven, Bd. 11.
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Alle bisher in Preußen bestehenden Fabriken gebrauchten italienische Seide. Der Ertrag des eigenen Seidenbaues kam nicht in Betracht. Hier setzte nun Friedrich der Große ein. Er gab die Hoffnung, einen beträchtlichen Theil des für die Manufacturen erforderlichen Rohstoffes im Lande selbst hervorbringen zu können, keineswegs auf und wandte sich zu diesem Zwecke an die französische Kolonie, bei der er das meiste Verständniß für seine Ziele voraussetzte. In den Jahren 1741 und 1742 ergingen Edicte, die das Publikum zum Pflanzen von Maulbeerbäumen und zur Zucht von Seidenwürmern aufforderten. Samen für die Bäume, Eier für die Raupenzucht wurden unentgeltlich vertheilt und für die Anlegung von Plantagen eine Geldprämie von 50 Thalern für je 1000 Stämme verhießen. Später erneuerte man die Verfügungen, Kirchhöfe und Stadtwälle mit Maulbeerbäumen zu bepflanzen, verbot die Ausfuhr von Maulbeerbäumen und ihre Aufkäuferei, bedrohte ihre Beschädigung mit strenger Strafe. Dann wurden die geistlichen Stiftungen, namentlich die Waisenhäuser, zu Pflanzschulen des Seidenbaues gemacht. Die verschiedenen Berliner Waisenhäuser, die Charité, die Francke'sche Stiftung in Halle, das Waisenhaus in Züllichau haben auch in der That unter der Führung des Potsdamer Waisenhauses auf den Appell geantwortet und sich zu wahren Musteranstalten für den Seidenbau entwickelt. 1 ) Den Geheimrath de Cognary schickte er (Anfangs der 50er Jahre) nach Genf, um 200 Familien zu engagiren, "welche mit dem ganzen Seidenbau, wie solcher von Anfang bis zum Ende traktiret werden muss, wohl umzugehen wissen." 2 )

Bei Neuverpachtungen von Domänen wurde der Pächter contractlich verpflichtet, Maulbeerbäume zu pflanzen, in manchen Fällen bis zu 1000 und mehr Bäumen. Auf seinen Reisen besichtigte dann der König die Pflanzungen, war aber selten mit ihren Ergebnissen zufrieden. Es geschieht ihm zu wenig, und die Kammern werden immer wieder angewiesen, "die Amtleute ernstlichst zur Befolgung ihrer Pflicht anzuhalten." "Es seindt Faule Esels," fügt der König in einer seiner bekannten anzüglichen Randbemerkungen hinzu. 2 )

Von der Kurmark aus verbreitete sich der Seidenbau in die benachbarten Provinzen. Man dehnte die zunächst auf die Kurmark berechneten Maßregeln seit 1750 auf Pommern, die Neumark, Magdeburg, Halberstadt aus. Geistliche und Schulmänner waren es auch hier, an deren thätige Hülfe man sich wandte. Der König setzte im Jahre 1750 für denjenigen Landgeistlichen oder Schullehrer, der


1) Hintze, S. 107, 109.
2) Stadelmann, a. a. O., S. 216.
2) Stadelmann, a. a. O., S. 216.
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10 Meilen um Berlin herum die meiste Seide - 6 Pfund Seide im Jahr - gewonnen haben würde, eine Belohnung von 100 Thalern aus. Die nächstfolgenden Drei sollten 50, 25 und 10 Thaler erhalten. Der Erfolg dieser Prämien, für die jährlich im Ganzen 240 - 280 Thaler verwandt wurden, war ein sehr guter. In der Kurmark stiegen die Erträge an Seide, die die Geistlichen und Schullehrer aufbrachten, von 50 auf 700 Pfund. - Privatleute wurden zum Seidenbau angeregt, indem man ihnen königliche Grundstücke zur Anlage von Plantagen anwies. Der Adel ging ebenfalls auf die Wünsche des Königs ein. Der Minister von Bodin in Charlottenburg, die Arnims auf Boytzenburg zeichneten sich durch eifrigen Betrieb des Seidenbaues aus.

Eine hervorragende Musteranstalt für den Seidenbau wurde die in Berlin gegründete königliche Realschule, die der Pastor Hecker von der Dreifaltigkeitskirche leitete. Viele ihrer Zöglinge wurden nachher Schullehrer auf dem Lande und wirkten dann als Apostel des Seidenbaues. Die technische Aufsicht war seit den 50er Jahren besonderen Plantagen=Inspectoren übertragen, die für einzelne Provinzen und Landestheile angestellt wurden. Ihnen waren an wichtigen Plätzen sogenannte Planteurs, später die Kreisgärtner untergeordnet. Sie reisten im Lande umher und ertheilten practischen Unterricht. Einer von ihnen, der kurmärkische Inspector Johann Friedrich Thym, verfaßte auch eine Schrift "Practik des Seidenbaues," die 1750 zum ersten Male erschien und nachher noch oft aufgelegt wurde.

Unter solchen Umständen stieg bis zum Anfang des 7jährigen Krieges die Zahl aller Bäume auf gegen 500 000, darunter 100 000 laubbare. Der Ertrag an Seide betrug im Jahre 1754 2637 Pfund, war freilich durch einen Kostenaufwand von mehr als 10 000 Thalern herbeigeführt. 1 ) Bis zum Jahre 1771 waren in den Provinzen Kurmark und Neumark, Pommern, Magdeburg=Halberstadt die Zahl aller Bäume auf 1 090 621, der Ertrag der Seide auf 4 704 Pfund gestiegen. Sechs Jahre später - 1777 - war die Zahl der Bäume 1 268 105, der Ertrag an Seide 10 039 Pfund; im Jahre 1782 betrug die Zahl der Maulbeerbäume über 3 Millionen und die Seidenproduction über 14 000 Pfund. Die letztere wuchs bis 1785 auf 17 000 Pfund. 2 )

Außerhalb Preußens war man nicht weniger bestrebt, den Seidenbau zu begünstigen. Es mag sein, daß für die Staaten, die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts dazu schritten, die sichtbaren Erfolge


1) Hintze, S. 131, 133.
2) Stadelmann, a. a. O., S. 208.
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der friedericianischen Bestrebungen maßgebend wurden. Im Ganzen aber lag die Idee sozusagen in der Luft. Die Lehren der merkantilistischen Politik beherrschten damals die Köpfe, und sie gingen dahin, daß man möglichst die Industrie entfalten müsse, um das Geld für ihre Erzeugnisse im Lande zu behalten. Gerade ein so kostbarer Artikel, wie Seide, seidene und halbseidene Stoffe und was mit deren Fabrikation zusammenhing, erforderte die regelmäßige Sendung von viel Geld ins Ausland. Diese Summen glaubte man sparen zu können, und es schien dazu um so mehr Hoffnung, als in der That das Klima von Deutschland dem Wachsthum des Maulbeerbaumes kein Hinderniß in den Weg legte.

Im Kurfürstenthum Sachsen soll schon im Jahre 1700 von einem gewissen Kretschmar die erste regelrechte Plantage von Maulbeerbäumen angelegt worden sein. Besonders lebhaft entwickelte sich der Seidenbau seit 1744. Im Zeitraum von elf Jahren, von 1744 bis 1755, wurden über 35 000 Maulbeerbäume gepflanzt, und im Jahre 1753 gewann man bereits 150 Pfund Seide. Am 6. August 1754 wurde in einem besonderen Mandat dazu ermuntert, das zu ähnlichen Maßregeln griff wie in Preußen, Betheiligung der Geistlichen und Lehrer, Bepflanzung der Kirchhöfe u. s. w., später auch Prämien anordnete. 1 )

Weniger Erfolg erzielte man in Württemberg. Dort gründete im Jahre 1735 ein Seidenfabrikant aus den Niederlanden, Johann Rigol, eine von der Regierung angelegentlichst unterstützte Seidenbau= und Manufactur=Gesellschaft. Allein es stellte sich bald heraus, daß Rigol und Genossen von der Aufzucht der Seidenraupen nichts verstanden. Der Unternehmer selbst flüchtete, und seine Arbeiter wanderten aus. 2 ) Spätere unter Herzog Karl Eugen angelegte Plantagen (1744 - 93) sollen sich besser bewährt haben. 3 )

In Braunschweig, in Hannover, in der Pfalz wandte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das öffentliche Interesse ebenfalls dem Seidenbau zu, indeß trotz achtbarer Leistungen im Einzelnen gelangte man nirgends zu ähnlich günstigen Gesammtergebnissen wie in Preußen.

In diese Zeit fallen nun auch in Meklenburg die ersten Bestrebungen, der Zucht der Seidenraupen Eingang zu verschaffen, freilich ohne daß sie zu irgend einem Ergebniß führten.


1) Schreber, a. a. O., 1, S. 192. Dresdnische gelehrte Anzeigen. Groth, a. a. O., S. 108. Hintze a. a. O., S. 31.
2) Zur Förderung des Seidenbaues in Meklenburg, S. 11.
3) Groth, a. a. O., S. 109.
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Im April des Jahres 1753 wandte sich der Gärtner Carl Ludewig Schmidt in Stettin 1 ) an den Herzog mit dem Vorschlage, Pflanzungen von Maulbeerbäumen anzulegen. Er behauptete, von dem Wunsche des Herzogs, Maulbeerbäume in seinem Lande zu besitzen, gehört zu haben und erklärte sich bereit, wenn man ihm Reisegeld und hinlänglichen Gehalt, dessen Höhe er aber nicht bestimmte, bewilligen wollte, im nächsten Frühjahr nach Meklenburg zu kommen und mit Anpflanzungen zu beginnen. Zum Beweise seiner Fähigkeit, das fragliche Werk in Scene zu setzen, berief er sich darauf, daß die königliche Kriegs= und Domänenkammer in Stettin ihm den Auftrag ertheilt habe, überall in Pommern auf den Kirchhöfen Maulbeerbäume zu setzen, was "er sonder Ruhm sehr wohl zu Stande gebracht" hätte. Alle Bäume gingen gut vorwärts, und er zweifle nicht, daß man in neun Jahren einen vollkommenen Seidenbau entwickeln könne.

Christian Ludwig, obgleich in hohem Alter zur Regierung kommend, hatte doch schon bei den Vorverhandlungen zum Erbvergleich bewiesen, daß er die neueren Ideen seiner Zeit, die überall dahin drängten, industrielle Anlagen emporzubringen, verständnißvoll in sich aufgenommen hatte. Um heilsame Maßregeln "zum besseren Schutz und Verschleis der in unsern Landen sich ergebenden einheimischen Produkten" treffen zu können, hatte er damals vorgeschlagen, die Einfuhr von kupfernen Kesseln, von Sensen und von Salz zu verbieten, da die einheimischen Fabriken und Bergwerke diese Gegenstände ausreichend lieferten. Aber er hatte die Stände, die an dem freien und ungezwungenen Commercium festhielten, nicht davon überzeugen können, daß aus der gelegentlichen Beschränkung der Freiheit für das Land etwas Ersprießliches erwachsen würde. Es ist demnach wohl glaublich, daß auch die Beförderung des Seidenbaues zu seinen Wünschen gehörte, und er sich vielleicht in Brandenburg nach Persönlichkeiten umgesehen hatte, die geeignet waren, diese auszuführen.

Große pekuniäre Opfer war man nicht in der Lage, für beregten Zweck zu bringen, und so antwortete die Kammer, 2 ) daß wenn Schmidt sein Vorhaben auf eigene Kosten ausführen wolle, ein Revier Landes ihm dazu angewiesen werden würde. Gärtner Schmidt, dem vermuthlich die Mittel gefehlt haben werden, verband sich mit einem Genossen Johann David Gercke, um gemeinsam den Versuch zu wagen. Gercke war ebenfalls ein bewährter Pflanzer, dem Pastor Georg Christian Mayer in Stargard bescheinigen konnte, 3 ) daß er


1) Diese, sowie die folgenden Mittheilungen nach Acten des Geheimen und Haupt=Archivs in Schwerin "Maulbeer=Plantagen und Seidenweberei."
2) Am 21. April 1753.
3) 1753, August 9.
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seit 12 Jahren mit der Kultur von Maulbeerbäumen vertraut sei, seine Bäume in Hinter= und Vor=Pommern wie in der Mark abzusetzen pflege und eben auf seiner Plantage auf dem Stuhthoffe 14 000 Stämme in Flor habe.

Diese beiden Männer erschienen im August 1753 in Schwerin und legten der Kammer die Bedingungen vor, unter denen sie bereit waren, Plantagen anzulegen. Sie forderten zunächst Tagegelder von 32 Schillingen und Reisegeld, um im Lande die für ihre Zwecke passendste Gegend aufzusuchen. Ein Grundstück, groß genug, um 1 000 Bäume darauf zu pflanzen, sowie ein Haus, in dem sie wohnen und gleichzeitig die Fabrik betreiben könnten, wünschte Jeder von ihnen für seine Bemühungen unentgeltlich als erbliches Eigenthum. Das für die Plantage nöthige Holz sollte ihnen unentgeltlich geliefert, der Transport der Bäume von Rostock bis an die Plantage aus Staatsmitteln bestritten werden. Ferner sollte die Regierung für die Verbreitung der Bäume bei Pächtern, Beamten und den Einwohnern Sorge tragen und diese veranlassen, sie zum Preise von 6 Schill. 6 Pfen. pro Stück von ihnen zu kaufen. Der Herzog seinerseits sollte ihnen 10 Pfund Saat zu Maulbeerbäumen, die sie mitbringen würden, zu 10 Thaler das Pfund abnehmen. Sie würden den Samen dann dort einstreuen, wo der Herzog es wünschte, behielten sich aber vor, die entstehenden Bäume für Plantagenzwecke zu benutzen. Endlich wollten sie sich zu einer Art Inspectoren gemacht wissen und versprachen gegen Diäten von 32 Schillingen und freie Fahrt zweimal jährlich Revisionsreisen im Lande zu machen.

Man sieht, daß beide Gärtner ihren Vortheil wahrzunehmen wußten. Sie mochten ja in der That auf dem Standpunkt stehen, wie sie versprachen, daß die Plantagen zum "Wachsthum des Landescommercii" gedeihen würden; auffällig blieb es immer, daß sie der Kammer nicht unbeträchtliche Kosten zumutheten, ohne irgend eine Gewähr für das Gelingen des Werkes bieten zu können. Man war daher in Schwerin auch nicht im Geringsten geneigt, ihnen mehr entgegen zu kommen, als indem man ihnen ein Grundstück frei und ohne Abgabe überwies. Alle Unkosten sollten die "Planteurs" selber tragen, da sie nicht "die geringste, auch nicht einmal wahrscheinlichste Vermuthung eines künftigen Profits" bieten könnten. Allenfalls war man noch bereit, ihnen Bauholz zu liefern.

Auf solchen Bescheid mochten die beiden Bewerber nicht gefaßt gewesen sein; nachdem sie ihn erhielten, baten sie wenigstens um Ersatz ihrer Reisekosten; aber unter dem Hinweis darauf, daß Niemand sie geheißen hätte, zu kommen, wurde ihnen diese, ja übrigens auch wenig begründete Bitte abgeschlagen.

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Daß es sich bei dieser Entscheidung um eine grundsätzliche Auffassung der Kammer handelte, beweist ein anderer fast gleichzeitig sich abspielender Fall. Am 14. Mai desselben Jahres bot der Kaufmann David Dinter aus Stargard in Pommern dem Herzog einen Maubeerbaum=Planteur, Friedrich Vanselow, an, der seit sieben Jahren mit dem Seidenbau sich beschäftigt habe und ein guter Oeconom, Gärtner und Jäger sei. Auch diesem wurde von der Kammer der Bescheid zu Theil, daß wenn das vorgeschlagene Subject auf seine Kosten Plantagen errichten wolle, man ihm die dazu erforderlichen Terrains einräumen werde. Auf mehr könne man sich nicht einlassen.

Mit dem Regierungsantritt Herzog Friedrichs im Jahre 1756 scheint der Gedanke, die Industrie zu beleben, mehr als in früheren Jahren allgemein erörtert worden zu sein. Es war einer der ersten herzoglichen Landtagsvorschläge gewesen, zu überlegen, wie man "nach dem Exempel anderer wohleingerichteter Staaten die einheimische Wolle in einheimischen Manufakturen zum Aufnehmen des Landes" am zweckmäßigsten verwenden könne. Allerdings kam bei dieser Ueberlegung nichts heraus, denn die Stände wollten von dem Vorschlage, einen Zoll auf die Ausfuhr roher Wolle zu legen, nichts wissen. Jedoch zeigt diese Thatsache, daß der Herzog wie sein Vater die Hebung des Gewerbes in Meklenburg für nothwendig und vortheilhaft ansah. So hatte er denn auch gegenüber der Meldung eines gewissen Antoine Verdier aus Berlin, der bereit war, Plantagen von Maulbeerbäumen anzulegen und Seidenfabriken zu begründen, den leicht begreiflichen Wunsch, daß die Kammer die Angelegenheit ernstlich prüfen möge. Die Bedingungen, wie sie Verdier aufgezeichnet haben wird, liegen leider nicht vor. Nur aus dem Bericht, den die Kammer am 15. October 1760 dem Herzog abstattete, können wir entnehmen, daß er freie Wohnung, Materialien, 20jährige Abgabenfreiheit u. s. w. verlangt hatte. Er selbst war mittellos.

Wie es scheint, stammte Verdier aus einer Seidenfärber=Familie dieses Namens, die aus Genf im Jahre 1752 in Berlin eingewandert war. Offenbar hatte man ihn dorthin berufen, denn eine Kabinetsordre vom 2. Juli 1752 bewilligte ihm Reisegeld von 200 Rthlr. und eine jährliche Pension von 300 Rthlr. Zwei Jahr später kam ein anderer Verdier - sein Vorname war Marc, während der Vorname des ersten unbekannt geblieben ist - mit seiner Familie nach Berlin, der ebenfalls als ein gewandter Färber gerühmt wird und dem Pension, sowie Umzugskosten in edictmäßiger Höhe zugestanden wurden. Dem 1752 eingewanderten Verdier scheint Berlin nicht auf die Dauer zugesagt zu haben, so daß er 1763 oder 1764 nach

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Rußland ging. 1 ) Es wäre nicht unmöglich, daß er mit dem in Meklenburg sich meldenden Antoine Verdier identisch ist.

Aus der Niederlassung des Herrn Verdier wurde nichts. Die Kammer benutzte die Gelegenheit, um ihre principielle Stellung zu den auf die Hebung der Industrie bezüglichen Maßregeln kundzuthun. Sie meinte, daß es bei dem bisherigen Mangel an Fabriken und Manufacturen in Meklenburg in erster Linie darauf ankäme, Industrieen einzubürgern, die die schon längst vorhandenen Landesproducte verarbeiten könnten. Wenn aber des Herzogs specieller Wunsch auf die Seidenindustrie gerichtet sei, so möge er bestimmen, wie weit man dem Verdier entgegenkommen solle und ob Ludwigslust, wo der Petent sich niederlassen wolle, wohl der passendste Ort für die Anlegung einer Plantage sei.

Wahrscheinlich hat der Herzog Friedrich bei näherer Prüfung der Verdier'schen Projecte selbst gefunden, daß der Standpunkt der Kammer nicht unberechtigt war. Wenigstens wird uns nichts von weiteren Verhandlungen mit dem Franzosen gemeldet und ist auch nicht bekannt geworden, daß in den folgenden Jahren neue Seidenbauprojecte erörtert worden sind.

Zahlreicher als diese vereinzelten Versuche zur Einführung des Seidenbaues sind die Bestrebungen zur Einführung der Seidenindustrie, von denen sich Kunde erhalten hat. Sie führen uns zuerst in das Herzogthum Meklenburg=Güstrow, dessen Regierung seit dem Jahre 1654 der kaum erst 21jährige Herzog Gustav Adolf führte.

Bereits im Jahre 1675 war man in Meklenburg soweit, seidene Strümpfe, die ein begehrter Artikel waren, selbst anfertigen zu können. In einer Aufzeichnung aus diesem Jahr über allerlei Handwerksgeräth, das fremde Tuchmacher in Güstrow, die daselbst auf Barkentien's Hofe wohnten, zurückgelassen hatten, wird neben Webstühlen, Farbkesseln u. s. w. auch aufgeführt "ein neuer Stuhl nebst allem Zubehör, worauff Seydenstrümpfe gemachet werden." Es stellte sich heraus, daß dieser Stuhl von einem Graf von Ranow für 200 Rthlr. gekauft und einem der betreffenden Gewerbetreibenden, die sich, wie es scheint, heimlich davon gemacht hatten, zur Benutzung überlassen worden war. Der Graf nahm den Stuhl nun wieder an sich und vertraute ihn einem anderen Industriellen an, dessen gewerbliche Eigenschaft weiter nicht characterisirt wird und der seinem Namen nach - Pillon - vielleicht ein eingewanderter Franzose oder Schweizer gewesen sein könnte.


1) Acta Borussica, I, S. 241, 419, 434.
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Die Thätigkeit eines anderen, seinem Namen nach unverkennbar eines Franzosen, - Johann de Marne - können wir in Neustadt verfolgen. Er übte hier die Kunst eines Schönfärbers, unterstützt von zwei Söhnen, Lucas und Jaques, aus, die gleichzeitig auch der Webekunst oblagen. Sie konnten alle damaligen seidenen, sammetnen, halbseidenen und wollenen Modenstoffe und Gaze, als Grosgrain 1 ), Taffet 2 ), Damast 3 ), Dobbin 4 ), Brüsch=Atlas 5 ), Kaffa 6 ), Triep 7 ), Poliamieth 8 ), Barath 9 ) u. s w. herstellen. Offenbar war für die Arbeitsamkeit dieser drei Männer Neustadt ein zu geringes Feld, und sie sehnten sich darnach, in größere Verhältnisse zu kommen. Demgemäß wandten sie sich im Jahre 1680 an den Herzog Gustav Adolf mit der Bitte, sich in Güstrow niederlassen zu dürfen. Sie begehrten einen Vorschuß von 200 Rthlr., den sie zu verzinsen bereit waren und für die ihr Vater in Neustadt mit seinem Hause Bürgschaft leistete, sowie Contributionsfreiheit für einige Jahre, bis sie sich eingerichtet hätten. Bereitwilligst ging der Herzog auf diese nicht unbescheidenen Forderungen ein, gestand ihnen 6 Freijahre zu, während welcher Zeit sie weder Stadt=noch Landcontribution zahlen sollten und erlaubte ihnen, "ihr Handwerk in Verfertigung allerhand seidenarbeit sowie sie es erlernt und davon wissenschaft haben, frey und ungehindert treiben und ihre verfertigte wahren in und ausserhalb unsern landen verhandeln zu dürfen." Am 19. Mai 1680 hatten die Gebrüder de Marne das Kapital von


1) Soviel wie Grobgrün, ein wollenes Zeug, das, nach Art des Packans gemacht, zur Männerkleidung diente, in schwarzer, blauer und grüner Farbe.
2) Ein glattes reinseidenes Gewebe von großer Feinheit.
3) Ein geblümtes Zeug, bei dem auf der einen Seite der Grund Atlas und die Figur Taffet, auf der andern Seite die Figur Atlas und der Grund Taffet ist.
4) Richtiger Tobin, Tabin: eine Art gewässerten Seidenzeuges, Taffet oder Chamellot.
5) Atlas ist ein ganz seidenes Zeug, das glatt gewebt ohne Blumen und Streifen von vortrefflichem Glanze ist. Brusch=Atlas scheint eine Art reich broschirten Zeuges mit Blumen, die einen Atlas= oder Köpergrund haben, gewesen zu sein, oder war dasselbe, was man auch als Chenillen=Atlas zu bezeichnen pflegte.
6) Ein ganz langhaariger, wollener, derart geblümter Sammet, daß die Figuren durch den glatten Grund gebildet werden.
7) Ein auf Sammet=Art zubereitete's Gewebe (Tripp=Sammet), das am Anfang des 18. Jahrhunderts zu Schauten, Kragen und Mützen gebraucht wurde.
8) Sonst als Polemit, Polamit, Polimit und Polomit bezeichnet, ein sehr leichtes Wollenzeug, das man zuerst häufig in Ryssel machte, nachher in mehreren französischen, endlich auch in deutschen Manufacturen anzufertigen verstand.
9) Ein französisches, halb aus Floretseide, halb aus Wolle gewebtes Zeug.
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200 Rthlr. aus der fürstlichen Kammer erhalten, das sie mit 10 Thlr. jährlich verzinsten und nach zwei Jahren zurückzuerstatten versprachen. Ueber ihr weiteres Schicksal wissen wir leider nichts. Hoffentlich haben sie das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt.

Der Neffe Gustav Adolfs, Herzog Friedrich Wilhelm, der 1692 in Schwerin, 1695 in Güstrow zur Regierung kam, hatte von vornherein sein Augenmerk auf die Hebung der Industrie gerichtet. Er bethätigte u. A. sein Interesse durch Einladung der aus Frankreich vertriebenen Protestanten, denen er in Bützow eine willkommene Unterkunft bot, und scheint seinen Agenten im Auslande Befehl ertheilt zu haben, fähige Gewerbetreibende verschiedener Branchen zur Uebersiedelung nach Meklenburg unter angemessenen Bedingungen aufzufordern. Demgemäß schrieb unter dem 26. Juni 1706 der Agent, Secretair Schlei aus Kopenhagen an den Landrentmeister Storm in Schwerin wegen vier geschickter Seidenweber, die geneigt waren, sich in Schwerin niederzulassen.

Die vier Weber waren Brüder, aus Hamburg gebürtig, wo ihr Vater ebenfalls sich mit Seidenweberei beschäftigte. Zwei waren bereits Meister, die beiden anderen, also wohl in jüngerem Alter, arbeiteten als Gesellen bei ihnen. Sie waren einem Rufe nach Stockholm gefolgt, wo man damals seit 1648 sich bemühte, Manufacturen, insbesondere Seidenwebereien, anzulegen, 1 ) und hatten sich von dort, als sie sich in ihren Erwartungen getäuscht sahen, nach Kopenhagen begeben, wo sie aber leider auch erleben mußten, daß das Commerzkollegium, das ihre Reise veranlaßt hatte, ihnen nicht alle gemachten Versprechungen hielt. In Folge dessen war einer von ihnen aufs Neue nach Stockholm zurückgegangen, die anderen drei aber zeigten die größte Neigung, sich wieder in Deutschland ansässig zu machen und hatten sich gerade Meklenburg ausgesucht, "weillen Ihro Durchlaucht dergleichen Leuten so herrliche Privilegia geniessen liessen," zweifellos eine Anspielung auf die Privilegien der damals kürzlich ins Leben getretenen französischen Kolonie, deren Ruf bis in den Norden gedrungen sein mußte. Ueber 3 Webstühle nebst dem dazu gehörigen Geräth verfügten unsere Hamburger, aber es fehlte das Reisegeld, und sie wünschten außerdem einige Hundert Thaler Vorschuß. Im Besitz dieses Kapitals wollten sie die Manufactur großartig einrichten, noch drei Kollegen aus Hamburg kommen lassen und 4 meklenburgische Jungen in die Lehre nehmen.

Der Fall lag augenscheinlich nicht ganz ungünstig, aber man scheute sich doch vor dem Risiko. Man war damals gerade darauf


1) Hintze a. a. O., S. 23.
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bedacht gewesen, die solidere Schwester der Seidenweberei, die Wollenweberei, wieder in Gang zu bringen, hatte eben - 1705 - eine neue Schauordnung für die Tuchmacherei erlassen und hierbei, sowie vielleicht zur Unterstützung der Refugiés alle zur Zeit verfügbaren Mittel aufgebraucht. Daher antwortete am 3. Juli 1706 die Kammer dem Herrn Agenten, daß bei den ziemlichen Kosten, die die Beförderung der Wollenmanufactur verursache, es bedenklich scheine, "sich auch noch mit den Seidenmanufacturen zu meliren." Sie erklärte daher, von seinem Anerbieten keinen Gebrauch machen zu wollen.

Eine lange Zeit - beinahe 30 Jahre - vergeht, ohne daß wir etwas von unserer Seidenindustrie hören. Aber mittlerweile war in Warin von zwei Seidenhändlern, Johann Oswald Zeuner, der gleichzeitig Besitzer eines Gasthofs in Langensalza war, und Jochim Thomas Hartung, eine Seidenfabrik eingerichtet worden. Diese war - wenigstens nach dem Berichte der beiden genannten Unternehmer - einige Zeit ganz gut gegangen. Die Stadt sollte sich dabei nicht schlecht befunden und sie selbst ebenfalls ihren Vortheil gehabt haben. Aber nun war ein Moment gekommen, wo ihnen das Betriebskapital ausging, und sie wandten sich daher am 6. April 1734 an Herzog Carl Leopold mit der Bitte um eine Audienz, in der sie ihre Wünsche bezüglich eines Darlehns begründen könnten. Wohl sei ihnen - bemerkten sie etwas ruhmredig - von einigen Mitgliedern der Ritterschaft und einigen Herren aus Lüneburg Geld zur Fortsetzung ihres Geschäfts angeboten worden; aber sie hätten doch mehr Vertrauen zu ihrem Landesherrn.

Bei der in Schwerin stattfindenden Kammerverhandlung, der der Kammerrath Faber präsidirte, handelte es sich im Wesentlichen darum, ob der Betrieb einem herzoglichen Wunsche gemäß nach Schwerin verlegt werden könne oder nicht. Die Unternehmer machten Schwierigkeiten. In Warin hätten sie gute Arbeiter, in Schwerin müßten sie erst einige anlernen. Der Transport ihrer Geräthschaften verursache Zeit= und Geldaufwand und schließe die Gefahr, daß unterwegs etwas zerbrechen könne, in sich ein. Auch seien die Kaufleute in Rostock, Güstrow, Wismar und Bützow, die für den Vertrieb ihrer Erzeugnisse sorgten, an ihren Wohnsitz in Warin gewöhnt. Sie wollten weiter nichts als einen Vorschuß von 160 Thalern, um eine Parthie Seide von Johann Heinrich Basch in Hamburg einkaufen zu können. Diesen Betrag wollten sie verzinsen und stellten ihr Geschäft als Caution. Da sie gefürchtet zu haben scheinen, daß man ihnen trotz des vielen Guten, das sie von ihrem Betrieb zu rühmen wußten, nicht recht trauen würde, schlugen sie vor, die betreffende Summe dem Bürgermeister Franck in Warin zu übergeben, durch

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dessen Vermittelung sie sich die Seide aus Hamburg kommen lassen wollten, um sie je nach Bedarf in Beträgen von je 10 Pfund von ihm abzuheben. Dem Herzog suchten sie das ganze nicht sehr lockende Geschäft dadurch annehmbar zu machen, daß sie vorstellten, wie der Betrieb ihres Geschäftes Nahrung in die Stadt Warin brächte.

Indeß es wird sich kaum in Wirklichkeit mit der Blüthe des Geschäfts so verhalten haben, wie die beiden Unternehmer sie schilderten. Noch ehe die Entscheidung der Kammer ergangen war, hatten sich die Compagnons entzweit, und am 15. Mai 1734 reichte Herr Hartung allein dem Herzog eine Eingabe ein, in der er um ein Darlehn von 50 Thalern zum Ankaufe von Seide bat. Gleichzeitig ersuchte er den Herzog, ihn vor den Verwandten seines früheren Compagnons schützen zu wollen; er sei vor ihnen nicht auf der Landstraße sicher. Man wird es wohl als selbstverständlich ansehen müssen, daß der Herzog verschmähte, mit Hülfe solcher etwas eigenartiger Männer Industrieen in Meklenburg groß zu ziehen.

Mittlerweile geschah in Preußen unter Friedrich dem Großen außerordentlich viel für die Entwickelung der Seidenindustrie. Im Jahre 1746 wurde von der kurmärkischen Landschaft ein Kapital von 100 000 Thalern aufgenommen, die zur Beförderung des Seidenbaues und der Seidenmanufacturen verwandt werden sollten. Man zog aus aller Herren Ländern, aus Italien und Oesterreich, aus Leipzig und Dresden, aus Hamburg, Amsterdam und Kopenhagen, aus Basel und Zürich, namentlich aber aus Frankreich, und zwar ganz vorzugsweise aus Lyon, Meister und Gesellen heran und unterstützte sie mit Privilegien. Einzelnen größeren Unternehmungen wurden Monopole und Exportprämien zugestanden und Vorschüsse gewährt; durch Einführung einer regelmäßigen Waarenschau strebte man die Güte der Fabrikate an. Die Eröffnung eines Seidenmagazins ermöglichte, namentlich vortheilhaft für die kleineren Fabrikanten, die Beschaffung des Fabrikationsmateriales besser und billiger, als es der Einzelne vermochte. Eine Reihe von Maßregeln endlich bezog sich auf die Erleichterung des Absatzes zunächst auf dem inländischen Markte, dann aber auch im Ausland. Durch Norddeutschland ging der große Zug der westeuropäischen, namentlich der französischen, Luxuswaaren nach dem Osten und Norden, wo die Prunksucht der polnischen und russischen Edelleute einen immer aufnahmebereiten Markt bot. Daher wurde bereits 1746 sämmtlichen Berliner Seidenzeugfabrikanten eine Export=Prämie von 4 Procent aus der Accisekasse bewilligt, die einige Jahre später auf das Doppelte erhöht wurde.

Unter diesen günstigen Verhältnissen war bis zum Ausbruch des siebenjährigen Krieges der Gesammtbetrieb in allen Zweigen der

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Industrie, mit Einschluß der Halbseiden =, Seidenstrumpf= und Seidenbandfabrikation, in Berlin auf 900 bis 1000 Stühle gebracht worden, wovon 4 - 500 auf Sammet= und Seidenzeugmanufacturen - kamen. Auch in Potsdam waren ungefähr 100 bis 200 Stühle im Gange. Die Zahl aller in Berlin und Potsdam in der Seidenindustrie beschäftigten Personen mag sich auf gegen 4000 belaufen haben, der Werth der Production auf ca. 300000 Thaler jährlich. 1 )

Wie glänzend mithin die Industrie sich entwickelt hatte, so gab es natürlich immer einige Individuen, die es nicht gut getroffen hatten und die aus Preußen wieder fortstrebten in der Hoffnung, an einem anderen Platze mehr Glück zu haben. Waren es bisher in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unternehmende Deutsche gewesen, die sich nach Meklenburg wandten, so hören wir nun von einigen Franzosen.

Im Jahre 1751 meldet Isaac Jeremias de Roche aus der Mark seine Bereitwilligkeit, eine Tapetenfabrik anzulegen. Er war ein Meister der Gobelinsweberei und konnte gewirkte Tapeten von Wolle und Seide, auch von Gold und Silber herstellen. Aber er besaß nicht einmal einen Webstuhl und scheint überhaupt gänzlich mittellos gewesen zu sein. Er wollte auch gar kein selbstständiges Geschäft eröffnen, sondern gegen einen Wochenlohn von 4 Thalern die ihm übergebenen wollenen und seidenen Garne verweben, so daß die Fabrikate nach ihrer Fertigstellung dem Herzog gehört haben würden. Den erforderlichen großen Webstuhl und das übrige Geräth, einen geräumigen Keller zu dessen Aufstellung, sowie eine Wohnung sollte der Hof außerdem stellen. Nach der Berechnung, die dem Angebot beilag, würde der Herzog die zum Bezuge von Möbeln, wie für die Rücklehne von Stühlen, für Tabourets und Seitenstücke 2 ) nöthigen Stoffe auf diese Weise viel wohlfeiler erhalten haben, als wenn er sie von auswärts hätte kommen lassen. Eine Resolution liegt den Acten nicht bei. Augenscheinlich war von einer derartigen Luxusindustrie bei dem verhältnißmäßig geringen Bedarf des Hofes für das Land kein erheblicher Vortheil zu erwarten.

Sehr viel zweckmäßiger wäre es gewesen, den Vorschlag der Fabrikanten Carl Heinrich Hobeck und Isaac Duscheer zu berücksichtigen. Diese beiden hatten in Berlin eine Fabrik besessen, in der Kattune, baumwollene und halbseidene Zeuge angefertigt wurden und waren aus unbekannten Gründen mit ihrem Etablissement nach Parchim übergesiedelt. Von dort wandten sie sich am 16. August 1762


1) Hintze, a. a. O., S. 111, 112, 115, 138, 149, 151.
2) Vielleicht eine bestimmte Art kleinerer Möbel.
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an die herzogliche Regierung mit der Bitte, ihnen ihr Vorhaben zu erleichtern und sie mit baarem Gelde zu unterstützen. Accise=, Personal=, Contributions= und Einquartirungsfreiheit, Freiheit von der Jurisdiction des Magistrats zu Parchim, Holz zum Bau des Fabrikgebäudes unentgeltlich oder zur halben Forsttaxe, freien Absatz ihrer Erzeugnisse und jährliche Zuschüsse von 10 Thalern pro Webstuhl, sowie von 20 Thalern für Unterweisung eines inländischen Lehrjungen - das waren ihre Forderungen. In der Zeit, während welcher sie bauen und Vorbereitungen zum Betriebe der Fabrik treffen, die sie auf etwa 1 - 1 1/2 Jahre schätzen, wünschten sie ihre in Berlin hergestellten Zeuge frei in Meklenburg verkaufen zu können.

Die letztere Bedingung ruft den Eindruck hervor, als ob es hauptsächlich auf den Absatz von in Berlin nicht verkäuflichen Stoffen abgesehen war. Die dortigen Fabrikanten klagten beständig über den Mangel an Absatz und die Ueberschwemmung des Landes mit fremden Waaren. 1 ) Es wäre also denkbar, daß ein paar findige Köpfe auf diesen nicht unschlauen Ausweg gekommen wären, unter Vermeidung der Acciseabgaben ihre Fabrikate in Meklenburg an den Mann zu bringen. Uebrigens lassen sich beide Namen nicht unter den Berliner Seiden=Industriellen nachweisen, wenn man nicht eine Entstellung derselben, etwa aus Hubert und Duchesne, annehmen will, was immerhin nicht ganz ausgeschlossen ist.

Wie dem gewesen sein mag, Herzog Friedrich jedenfalls faßte den Antrag ganz ernsthaft und beauftragte seine geheimen Räthe, ihn in sorgfältige Erwägung zu ziehen. Diese aber benutzten die Veranlassung, um, wie schon vor zwei Jahren im Fall Verdier, als es sich um die Anlage von Maulbeerbaum=Plantagen gehandelt hatte, sich dahin auszusprechen, daß es richtiger wäre, die Verarbeitung einheimischer Rohstoffe zu begünstigen. Die Kammer fand es höchst bedenklich, die "cruda" aus dem Auslande einzuführen und dafur "einen Theil des nervi gerendarum rerum hinauszuschaffen." Die Schweizer holten die meklenburgische Wolle durch die dritte Hand und brächten "zu unserer Schande" später schöne Zeuge mit ansehnlichem Gewinne zu uns zurück. Immerhin mochte die Kammer nicht in Abrede nehmen, daß auch durch Import der Rohstoffe, wenn man ihn klüglich anfange, ein Vortheil für das Land erzielt werden könne, "wie solches die nahe Erfahrung in den churmärkischen Landen gelehret hat." Sie brachte daher in Vorschlag, den Petenten ähnliche Privilegien zu bewilligen, wie sie der jüngst in Doberan angelegten Wollenmanufactur eingeräumt seien.


1) Hintze, S. 149.
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Der Herzog erklärte sich mit dieser Auffassung einverstanden und ließ beide Männer zu weiteren Verhandlungen vor der Kammer nach Schwerin rufen. Ob sie der Einladung gefolgt sind und was aus der Angelegenheit wurde, entzieht sich unserer Kenntniß.

Kurze Zeit nach dieser Affaire erklärte 1 ) durch Vermittelung des Hofraths Blume in Güstrow ein aus Berlin gekommener Seidenweber Johann Babtist Monet seine Bereitwilligkeit zur Anlegung einer Seidenfabrik. Aus Lyon gebürtig, hatte sein in Güstrow bereits ansässiger Landsmann Soucard ihn wohl zu einer Reise dahin bewogen. Monet wollte, indem er in ähnlicher Weise, wie in den früher betrachteten Fällen, Steuerfreiheiten, Vorschüsse, freie Wohnung, Lieferung des Webstuhles u. dgl. m. verlangte, nicht nur die Fabrikation von seidenen Bändern, rothen und schwarzen Atlassen, allen Arten von Taffet, Gold= und Silberbrocaten in Gang bringen, sondern auch eine Saffiangerberei eröffnen. Er verstand die Kunst, "das Kalbfell weich zu machen, die veritable Saffiansbereitkunst." Die Kammer, die diese Vorschläge vom Herzog zum Erachten zugewiesen erhielt, wiederholte ihre frühere Ansicht über die Begünstigung der Industrieen. Da indeß gegenüber der Gerberei ihre Bedenken nicht zutrafen, so meinte sie, könne man mit dem Petenten immerhin verhandeln, den Hauptnachdruck aber dann jedenfalls auf seine Geschicklichkeit in der Herstellung des Saffians legen. Es scheint, als ob Monet, der sich unterdessen mit einem Kollegen, Namens Giroud, verbunden hatte, um die Unternehmung gemeinsam auszuführen, wirklich in Schwerin auftrat. Aber man konnte von seinen Anerbietungen keinen rechten Gebrauch machen. Die Kammer rieth dem Herzog nach genauer Erwägung ab, die Fabrik auf seine Kosten eröffnen zu lassen. Wenn die Bewerber auf eigenes Risiko den Betrieb in Gang bringen wollten, so ließe sich nichts dagegen sagen.

So sind denn beide Franzosen in Berlin geblieben. Im Jahre 1783 findet sich unter den dortigen Seidenwebern ein Monet und im Jahre vorher unter den kleineren Seidenfabrikanten ein Giroud sen. und ein Giroud jun. erwähnt. Seidenweber mit dem Namen Giroud kommen in Berlin schon seit 1749 vor. 2 )

Alle diese abschlägigen Bescheide vermochten nicht immer, wieder neue Meldungen zu hindern. Am 10. September 1773 machen Johann Michael Weiß und Frans Michael Weiß dem Herzog den Vorschlag, in Güstrow, wo sie sich bereits seit März aufhielten, eine Seidenfabrik zu etabliren. Wieder handelte es sich um Vorschüsse,


1) Am 9. März 1764.
2) Acta Borussica, Schmoller=Hintze, II, S. 311, 351; I, S. 178.
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die gewährt werden sollten und nicht gegeben werden konnten. So zerschlug sich auch dieses Project.

Erwägt man alle diese fruchtlosen Versuche, dem Lande zu einer eigenartigen Industrie zu verhelfen, so kann man ein leises Bedauern nicht ganz unterdrücken, daß die Mittel fehlten, das Werk zu fördern. Zwar hatte die Kammer mit ihrem Standpunkte recht, wenn sie lieber die Verarbeitung einheimischer Rohstoffe in Angriff genommen wissen wollte. Indeß ist die Kultur der Maulbeerbäume in der That nicht so aussichtslos, wie man damals in gewissen Kreisen angenommen zu haben scheint. Es ist richtig, wenn Becher seiner Zeit betonte, daß der Baum in klimatischer Beziehung für Deutschland passe. Er verträgt bei richtiger Behandlung ziemlich hohe Kälte und kommt auf sandigem Boden gut fort. Der Satz, daß je kühler das Klima, je feiner das Haar wird, welches das Thier erzeugt und schützt, gilt auch für den Seidenfaden. Dazu kommt, daß zum gewöhnlichen Betriebe der Zucht von Seidenraupen kein besonderes Gebäude erforderlich ist sondern, da sie ja nur 5 Wochen in jedem Jahre dauert, leicht in Räumlichkeiten, wie Stuben und Hausböden, vorgenommen werden kann, die sonst anderen Zwecken dienen. Endlich kann das Holz des Baumes oder, wenn er alle vier Jahre, ähnlich den Weiden, gekröpft wird, seine Zweige und seine Rinde gewerblich vielfach ausgenutzt werden. Demgemäß bietet auch heute noch die Kultur der Seidenraupe ein dankenswerthes Object, das man regierungsseitig nicht so ganz außer Acht lassen sollte.

Jene älteren Bestrebungen sind aber auch deshalb interessant, weil sie uns Meklenburg immer im engen Zusammenhang mit den Kulturfortschritten der Zeit zeigen. Die Landesfürsten verschließen ihr Auge keineswegs den Vorgängen in ihrer Nähe. Sie sind stets darauf bedacht, die Gesammtwirthschaft des Landes zu heben, indem sie eine bisher vernachlässigte Seite derselben besonders begünstigen. Wenn es ihnen wenig, in diesem Falle gar nicht gelang, den Widerstand ihrer Umgebung zu besiegen, so muß man erwägen, wie langsam sich gleichzeitig in dem viel größeren Brandenburg die Neuerung einbürgerte und welche erhebliche Summen dort geopfert wurden, die in Meklenburg nicht zur Verfügung standen.

Seltsam uns anmuthende Verhältnisse treten uns aus den Acten entgegen. Auf der Seite der Gewerbetreibenden eine gewisse Naivetät, die vom Landesfürsten die größten materiellen Opfer ohne Zaudern erwartet für Zwecke, die nicht immer ganz klar sind, für Ziele, die keineswegs leicht zu erreichen waren; ein unverwüstlicher Optimismus, der trotz durchgängig ablehnender Haltung es nicht verschmäht, sich stets wieder der Regierung zu nähern, um vielleicht doch in einem

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günstigen Momente etwas zu erreichen. Auf der anderen Seite sind die Geduld der Herzöge, die Pflichttreue der Kammerbeamten bewunderungswürdig, die nicht ermüden, die merkwürdigsten Projecte, deren Kernpunkt die Bewilligung von Vorschüssen bleibt, sich aufs Neue vortragen zu lassen und zu prüfen. Man kann diese Erscheinung nur erklären durch die geringe Unternehmungslust und die große Mittellosigkeit der einheimischen Gewerbetreibenden und Geschäftsleute, die, in den Fesseln des Zunftwesens befangen, für die Regungen der neueren Zeit kein Ohr hatten. Der Ruf von dem Interesse und Verständniß, das unsere Landesherren der aufkeimenden Industrie schenkten, mußte weit gedrungen sein, wenn beständig Fremdlinge mit ihren Projecten auftauchten.

Was das vorige Jahrhundert uns versagte, das laufende brachte es. Als in den zwanziger Jahren allmählig sich in Deutschland erneutes lebhaftes Interesse für den Seidenbau zeigte, in Bayern, in Baden, in Preußen erfolgreiche Versuche gemacht und Vereine zu seiner Beförderung gegründet wurden, da hat man auch in Meklenburg erreicht, was man so lange vergeblich anstrebte. Die erste Anpflanzung von Maulbeerbäumen geschah zu Dabelow im Strelitzschen im Jahre 1832 auf einer vom Kammer= und Forstcollegium zu diesem Zwecke hergegebenen Forstackerfläche von ungefähr 200 Quadratruthen. Aber die Bäumchen wollten hier nicht gedeihen. Einige Jahre später - 1837 - pachtete der Lehrer Barteld in dem genannten Orte eine Kirchenwörde von derselben Größe mit sehr gutem schwarzlehmigen Boden, und hier gelang die Anpflanzung vollkommen, die einen sehr lohnenden Betrieb des Seidenbaues ermöglichte. 1 ) In Ludwigslust interessirte sich die Erbgroßherzogin Alexandrine für das Aufkommen dieses Industriezweiges und veranlaßte, daß der Gärtner Benque nach Klein=Glienike bei Potsdam geschickt wurde, um sich dort unter der Leitung des Regierungs= und Schulraths von Türck in dem Seidenbau unterrichten zu lassen. Nach der Rückkehr von dort veröffentlichte der junge Mann 1834 im Freimüthigen Abendblatt 2 ) einen Aufsatz, in dem er die zu erwartenden Vortheile der neuen Kultur auseinandersetzte und trieb die Seidenraupenzucht, wenn auch in bescheidenem Umfange, mit dem Laube von Bäumen, die im Seminargarten zu Ludwigslust standen. 3 )

In größerem Maßstabe - soviel bekannt ebenfalls seit 1832 - machte Herr Behm in Boizenburg Anpflanzungen von weißen Maulbeer=


1) Zur Förderung des Seidenbaues, S. 29.
2) Bd. 16, Nr. 823.
3) A. a. O., Bd. 20, Nr. 10, 11.
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bäumen und Maulbeerbuschbäumen und legte 1835, 1838 und 1839 große Schulen von Maulbeerbäumen an, die sämmtlich auf das Erfreulichste gediehen. 1 )

Ihm folgten bald andere - 1839 Graf von der Osten=Sacken auf Marienhof, von Blücher auf Lüdershagen, Pogge auf Bartelshagen und Engel auf Gr.=Grabow -, sodaß im Jahre 1851 nach dem Muster des 1843 für die Mark Brandenburg gestifteten Seidenbau=Vereins der Seidenbau=Verein für beide Meklenburg gegründet werden konnte.

Die weitere Entwickelung desselben gehört nicht mehr hierher. Unter allen Umständen sind seine Bestrebungen höchst erfreulich; noch die letzte Landes=Ausstellung von 1892 in Rostock hat die Lebensfähigkeit des Industriezweiges aufs Deutlichste erwiesen.

 

Vignette

1) L. J. Behm, Einladung zur Subscription auf meklenburgische weiße Maulbeerbäume etc. ., 1839.