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VI.

Aus dem Reisetagebuch des Herzogs Philipp Julius
von Pommern - Wolgast.

1602.

Mitgetheilt durch

Archivrath Dr. von Bülow in Stettin.

~~~~~~~~~~~~~~

O bgleich mehrere pommersche Fürsten nach der Sitte der Zeit größere Reisen zu ihrer Ausbildung unternommen haben, so ist uns doch von keiner derselben eine so ausführliche Beschreibung hinterblieben, als von derjenigen, welche der junge Herzog Philipp Julius von Pommern=Wolgast 1 ) nach Empfang der Huldigung in den ersten Wochen des Jahres 1602 antrat, und von der er im Herbst des folgenden Jahres wieder in die Heimath zurückkehrte. Die Ursache ist wohl darin zu suchen, daß in der Begleitung des jungen Fürsten sich eine Persönlichkeit befand, die durch hervorragende gelehrte Bildung, sowie durch ausgebreitete Bekanntschaft mit literarischen Berühmtheiten der Zeit ganz besonders geeignet war, bei dieser Gelegenheit bildend und belehrend auf den Prinzen zu wirken, dessen Erziehung und Unterricht er bereits früher geleitet hatte.

Es war dies Dr. Friedrich Gerschow, der Einzige im Gefolge des hohen Reisenden von gelehrter Bildung und daher wohl im Stande, überall auf besondere Merkwürdigkeiten und sonstiges Wissenswerthe hinzuweisen und die nöthigen Erklärungen zu geben. Zugleich machte er sich Notizen über die Erlebnisse des Tages, welche der späteren schriftlichen Schilderung der Reiseerlebnisse zur Grundlage zu dienen hatten. Es ist wohl kein Zweifel, daß mancher im


1) Geboren 27. December 1584, gestorben 6. Februar 1626.
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Verlauf der Reise einem Gelehrten abgestattete Besuch auf seine Veranlassung geschah, während die persönlichen Neigungen der übrigen Herren sich in anderer Richtung bewegen mochten.

Des jungen Fürsten Vater, Herzog Ernst Ludwig von Pommern=Wolgast, hatte die testamentarische Bestimmung hinterlassen, 1 ) sein Nachfolger solle, nachdem er vom neunten Jahre den Studien in Greifswald obgelegen, wo möglich auf Reisen gehen, um vor Uebernahme der Regierung durch den Besuch auswärtiger Hochschulen und den Umgang mit hervorragenden Männern seiner Zeit sich weiter zu bilden. Man dachte dabei zunächst an Leipzig oder Tübingen und entschied sich schließlich für ersteres. Die verwittwete Herzogin=Mutter Sophie Hedwig, größere Selbständigkeit von der Abwesenheit des Sohnes erhoffend, begünstigte den Plan, und endlich gaben auch die Vormundschaftsräthe nach. Ueber Meklenburg, Lübeck, Hamburg, Lüneburg etc. . ging die Reise nach Leipzig, wo studirt werden sollte; doch findet sich von ernster Beschäftigung mit den Wissenschaften daselbst nichts berichtet, wohl aber nehmen Festlichkeiten aller Art, wie Uebernahme des Rectorats am 23. April 1602, Besuch der befreundeten sächsischen Fürstenfamilie, Ausflug nach Karlsbad und manches Andere, die Zeit in Anspruch. Nachdem der junge Herzog am 9. Mai noch den Besuch seiner Mutter empfangen hatte, scheint erst der eigentliche Plan zur Ausdehnung der Reise durch Mittel= und Süddeutschland nach Frankreich gefaßt zu sein, mit der ein kurzer Abstecher nach England vom 3. September bis 3. October verbunden wurde. 2 ) Dann ging es durch die Schweiz nach Italien. Mailand, Loretto, Rom, Neapel, Florenz, Genua, Venedig wurden besucht und endlich über Tirol die Reise nach der Heimath angetreten, welche am 10. October 1603 wieder erreicht ward.

Das die Reisegesellschaft bildende Gefolge war dem Range des fürstlichen Herrn angemessen und bestand, abgesehen von der Dienerschaft, aus dem fürstlichen Hofmeister Bernhard von Bugenhagen, dem Kämmerer Erasmus von Küssow, Christoph von Trampe, welcher die Aufsicht über die Kasse führte, und Joachim Volrad von Tribsees als Mundschenk. Vielfach wurde zur Ersparung der Kosten unter einem übrigens nicht immer gut gewahrten Incognito gereist, 3 ) auch


1) Herzog Ernst Ludwig starb am 17. Juni 1592, sein Testament siehe in Dähnert, Sammlung pommerscher Landes=Urkunden, I, S. 325 ff.
2) Diesen Theil der Reise habe ich in den Transactions of the Royal Historical Society of England, vol. VI, veröffentlicht. Später hat der Herzog noch einmal den englischen Boden betreten, ohne daß darüber Aufzeichnungen aufbehalten sind.
3) So z. B. in England beim Zusammentreffen mit der Königin Elisabeth.
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öfters, z. B. während des Besuchs in England, ein Theil des Gefolges mit den Pferden zurückgelassen, um sich später wieder mit demselben zu vereinigen. Steter Begleiter des Herzogs aber während der ganzen Reise war der bereits erwähnte Friedrich Gerschow, 1 ) der von allem Erlebten täglich seine Notizen machte und aus diesen nach der Rückkehr auf seines Herrn Geheiß die vorliegende Reisebeschreibung in Tagebuchform zusammenstellte. Diese Arbeit würde schneller und vollständiger geleistet worden sein, hätte Gerschow nicht einen Theil seiner Notizen vorher verliehen, während ein anderer durch Näße zu Schaden kam. So geschah es, daß das Tagebuch in seiner vorliegenden Form erst im Jahre 1605 vollendet wurde.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß Gerschow's Aufzeichnungen, als eine werthvolle Erinnerung an die große Reise des Fürsten geschätzt und geachtet, einen Platz in der herzoglichen Bibliothek gehabt haben werden. Dennoch mangelt es für eine lange Zeit an jeder Nachricht über dieselben, und wir müssen annehmen, daß die Originalhandschrift nach des Herzogs Tode aus der Bibliothek entfernt oder bei der Zerstörung des Wolgaster Schlosses mit anderen Schätzen verstreut worden ist. Erst im 18. Jahrhundert taucht in der Bibliothek des Hof= und Consistorialraths Christian Püttmann in Stargard in Pommern eine Handschrift auf, die für das Original von Gerschow's Tagebuch gehalten werden muß, ohne daß wir wissen, wie dasselbe dorthin gelangte. In einem Protocoll von 1785 wird diese Handschrift als Nr. 169 der Foliobände in Püttmanns Bibliothek aufgeführt, welche später mit der Bibliothek der St. Marienkirche in Stargard verbunden, aber gesondert gehalten wurde. 2 ) Der 1740 von Professor Joh. Daniel Denso nicht sehr musterhaft angefertigte Katalog der Handschriften dieser Bibliothek beschränkt sich leider auf die mittelalterlichen Handschriften, 3 ) giebt also über Gerschow's Tagebuch keine Auskunft; dagegen erwähnt Oelrichs dasselbe a. a. O. Seite 185 und 186 als einen 200 Bogen starken Band. Beklagenswerther Weise ist ein großer Theil der schönen Marienkirchen=Bibliothek im Anfang dieses Jahrhunderts für 500 Thaler öffentlich verkauft worden,


1) Er war 1568 in Stettin geboren, studirte in Wittenberg und Leipzig und wurde nach dem Regierungsantritt seines Zöglings 1604 außerordentlicher Professor der Rechte in Greifswald, wo er 1606 den Doctorgrad erwarb und am 6. September 1635 starb. Vergl. Allgemeine deutsche Biographie, IX, S. 48; Kosegarten, Geschichte der Universität Greifswald, I, S. 232.
2) Nach amtlichem Bericht der Herren Superintendent Haupt und Prediger Redlin in Stargard.
3) Vergl. Oelrichs, Histor.=dipl. Beyträge zur Gesch. der Gelahrtheit, bes. in Pommern. Berlin 1767, S. 121 ff.
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und da wird der Umstand, daß unsere Handschrift nicht in der vom Verkauf ausgeschlossenen Handschriften=Abtheilung stand, derselben verhängnißvoll geworden und sie allem Anschein mit unter den Hammer gerathen sein. Man bereute zwar alsbald den Verkauf und bemühte sich, alles noch Erreichbare zurückzuerwerben; indessen was man auch sonst etwa erzielt haben mag, Gerschow's Handschrift ist seitdem verschollen.

Da ist es denn noch ein Glück zu nennen, daß im vorigen Jahrhundert in manchen Kreisen des pommerschen Adels ein reges literarisches sowohl wie geschichtliches Interesse vorhanden war, dem wir ansehnliche Sammlungen werthvoller Handschriften, sei es im Original oder in Abschriften verdanken. Einer dieser Sammler, der Stettiner Bürgermeister Matthias Heinrich von Liebeherr auf Woitfick bei Pyritz, 1 ) ließ sich von der Handschrift der Marienkirchen=Bibliothek zu Stargard eine Abschrift anfertigen, und von diesem Exemplar verschaffte sich des Herrn von Liebeherr Schwiegersohn, der Kammerherr Friedrich Wilhelm von der Osten auf Plathe, Begründer der dortigen Bibliothek, im Jahre 1757 eine von ihm selbst sorgfältig collationirte Abschrift, welche als ein Foliant von 446 Seiten noch jetzt der Plather Bibliothek angehört und dem vorliegenden Druck zu Grunde gelegt ist. Der Kammerherr von der Osten hielt die Handschrift der Marienkirchen=Bibliothek für das Original des Gerschow'schen Tagebuchs und beschreibt dasselbe als ein in Pergament gebundenes, mit goldenem Schnitt verziertes Buch in der Handschrift des 17. Jahrhunderts. Wir sind nicht in der Lage, die Richtigkeit dieser Ansicht zu bestreiten und müssen annehmen, daß die Herren von Liebeherr und von der Osten wirklich das Original in Händen gehabt haben. Nach dem oben Gesagten aber ist die Plather Abschrift, welche trotz der darauf verwendeten Sorgfalt besonders in der Schreibung der Namen nicht fehlerfrei erscheint, die einzig bekannte Form, in der uns das Tagebuch erhalten ist; denn auch von der Liebeherrschen Abschrift ist jede Kunde verloren gegangen. 2 )

Ebenso ist von Bearbeitungen der Handschrift nichts bekannt, denn was nach dieser Seite geschehen ist, beschränkt sich auf ein paar dürftige Auszüge, denen nicht minder dürftige Bemerkungen beigefügt sind. Zunächst veröffentlichte Magister David Richter, Rector des Gymnasiums zu Güstrow, im Jahre 1751 ein Programm von


1) Vergl. Böhmer, Uebersicht der allgemeinen Chroniken und Geschichten Pommerns seit Kanzow in den Balt. Studien, III, S. 119.
2) Vergl. Böhmer a. a. O.
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20 Quartseiten, 1 ) in dem er nach weitschweifiger Einleitung einen Auszug des Anfangs der Reise giebt. Das Ganze ist in Paragraphen eingetheilt, und der Aufenthalt in Meklenburg wird in §. 7 auf knapp einer Seite abgethan. Richter äußert sich da wie folgt:

- - Neminem offendat, hodie post arcem ducalem inclusa vivario desiderari fera animalia. Per hoc enim sesquiseculum ita per Dei gratiam sub mansuetudinis tutela ser. ducum Meklenb. caput suum extulit Gustrovia continuatisque aedificiis aucta exornataque fuit, ut renata videri queat. Per bibliothecae autem colligendae initium transpositio bibliothecae canonicorum extemplo cathedrali in sedem ducalem indicatur, quam ser. duces postea etiam ex reculis laciniisque Heidelbergens. locupletarunt. Aulae Gustroviensi valedicens, Sverinensium arcem et templum cathedrale oculis usurpavit, admiratus magnifica ducum Jo. Alberti I. et Christophori mausolea atque pretiosum ejusdem templi organon pneumaticum, welche mit 7000 Rthlr. der Leute Bericht nach nicht erbauet. Quae deinceps de Wismaria, Lubeca, Hamburgo et Luneburgo refert, satis sunt nota.

Die weitere Reise wird ebenso kurz behandelt, und bei dem Aufenthalt in Hessen bricht Richter überhaupt ab. Ob die ihm vorliegende Handschrift das Original oder, was wahrscheinlicher, nur eine Abschrift war, läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen.

Wenige Jahre später brachte der Greifswalder Professor Joh. Karl Dähnert im vierten Bande seiner "Pommerschen Bibliothek" (1755), S. 30, unter dem Titel: "Proben von des pommerschen Herzogs Philippi Julii Neigung gegen die Gelehrten" einen zwei Seiten langen Auszug aus dem Tagebuch, der mit dem Aufenthalt in Leipzig und der Uebertragung des Rectorats an den Herzog beginnt und dann von der Reise durch England, Frankreich und Italien kurze Nachricht giebt. Dähnert besaß nicht mehr als eben nur diesen, von einer ihm unbekannten Hand geschriebenen Auszug und scheint auch von dem Original keine weitere Kenntniß gehabt zu haben, denn er bittet a. a. O. um Nachricht über Gerschow's Manuscript. Auf Dähnert's Auszug wird schließlich das zurückzuführen sein, was


1) Der Titel lautet: Philippi Julii ducis Stetini Pomeraniae - - glor. mem. diarium itineris per Germaniam, Angliam, Galliam atque Italiam anno 1603 suscepti - - ex msto - - prima vice illustravit M. David Richter, gymn. Gustrov. rect. Gustroviae, prelo Fritziano, 1751. Ein Exemplar dieses Programms besitzt die Großherzogliche Regierungsbibliothek in Schwerin, welches ich durch gütige Vermittelung des Herrn Archivraths Dr. Grotefend habe einsehen können.
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Kosegarten in seiner Geschichte der Universität Greifswald, Bd. I, S. 227 über das Tagebuch sagt.

Was nun den Werth des letzteren für die Gegenwart anlangt, so wird Niemand darin wichtige politische Nachrichten oder Aufschlüsse über staatliche Verhältnisse des In= und Auslandes suchen, denn dazu ist ein erstes Heraustreten eines jungen achtzehnjährigen Fürsten aus der heimathlichen Umgebung nicht angethan, und im vorliegenden Fall um so weniger, als der erzieherische Zweck der Reise offen ausgesprochen ist. Anders verhält es sich, wenn man den Inhalt des Tagebuches nach der culturhistorischen Seite hin betrachtet, denn in dieser Hinsicht hält dasselbe den Vergleich mit ähnlichen Schriftstücken der Zeit wohl aus, so daß eine Veröffentlichung der Handschrift als Ganzes wohl gerechtfertigt erscheint. Dazu streift Gerschow's anfänglich wohl etwas schleppende und breite Schreibart im Verlauf der Reise das steife Gelehrtengewand mehr und mehr ab, und die Erzählung ist in einem frischen, den Leser nicht ermüdenden Ton gehalten. Namentlich gilt das, sobald die Reisenden fremden Boden betreten und Personen und Dinge kennen lernen, die ihnen gänzlich neu sind. Da werden die Gewohnheiten der fremden Länder aufmerksam beobachtet, die Sehenswürdigkeiten berühmter Orte pflichtschuldigst betrachtet, auch die oft recht wunderbaren Berichte der Führer werden mit ernsten Mienen angehört, und nur den schweigsamen Blättern des Tagebuchs werden die gerechten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Erzähler anvertraut. Interessant sind die Schilderungen von Sitten und Gebräuchen in den verschiedenen Ländern, und während manche derselben sich bis in die Gegenwart erhalten haben, so daß wir daran einen Maßstab für die Genauigkeit der Erzählung besitzen, sind andere der Alles verschlingenden Zeit zum Opfer gefallen und vielleicht nur noch in den Aufzeichnungen des Tagebuches erhalten, den Werth desselben erhöhend. Hier und da findet wohl auch eine geschichtliche Begebenheit eine bisher weniger bekannte oder beachtete Erklärung, wenigstens gilt das von dem England behandelnden Theil der Erzählung. Endlich führt das zeitenweis angenommene Incognito allerhand ergötzliche Situationen herbei, und andere kleine Abenteuer bereiten nicht minder anmuthige Abwechselung.

Für die Jahrbücher erschien es angemessen, aus dem Tagebuch nur denjenigen Theil auszuwählen, der dem Leserkreise derselben am nächsten gelegen ist, darum gebe ich auf den folgenden Blättern die Beschreibung der Reise durch Meklenburg, die trotz der kurzen Dauer doch nicht ohne Interesse ist. Nur sechs Tage haben sich die Reisenden auf meklenburgischem Boden aufgehalten: am 5. Februar 1602 verbrachten sie die erste Nacht in Dargun und erreichten am folgenden

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Tag Güstrow, wo sie von Herzog Ulrich und dessen Gemahlin Anna, einer Vaterschwester des Herzogs Philipp Julius, freundlich aufgenommen wurden und allerlei Kurzweil trieben. Nachdem an den folgenden Tagen der Thiergarten, sowie der Dom mit den marmornen Denkmälern, sowie die Bibliothek betrachtet worden und man sich von den fürstlichen Verwandten verabschiedet hatte, gelangte die Reisegesellschaft am 10. Februar nach Schwerin, wo sie von der Festung her durch Abfeuern der Geschütze feierlich begrüßt wurde. Dennoch war der Aufenthalt nur kurz, der Dom mit seinen fürstlichen Begräbnissen und der kostbaren Orgel ward flüchtig betrachtet und noch spät am Abend Wismar erreicht, von wo am nächsten Vormittag, den 11. Februar, bereits wieder aufgebrochen ward, um über Grevismühlen und Dassow, bei dessen lustiger Wirthin das Mittagsmahl eingenommen ward, am Abend desselben Tages nach Lübeck zu gelangen.

Vorangeschickt ist die Einleitung zum Tagebuch mit Gerschow's Widmung an den Herzog, sowie dem Bericht über die der Reise voraufgehenden Verhandlungen. Was die Behandlung des Textes anlangt, so wäre es, da wir es nicht mit einem Original, sondern nur mit der Abschrift einer Abschrift zu thun haben, nicht nöthig gewesen, die Schreibweise der Vorlage so genau, wie geschehen, wiederzugeben; die Interpunction dagegen mußte, weil völlig willkürlich, vielfach geändert werden.

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Des
Durchlauchtigen, Hochgebohrnen Fürsten
und Herrn, Herrn Philippi Julii,

Hertzogen zu Stettin, Pommern, der Cassuben und
Wenden, Fürsten zu Rügen und Graffen zu Gützkow,
der Lande Lauenburg und Bütow Herren etc. .

Reise
durch Teutschland, Engelland, Frankreich
und Italien.

Dem Durchlauchtigen, Hochgebohrnen F ue rsten und Herren, Herren Philipp Julio, Hertzogen zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, F oe rsten zu R ue gen, Graffen zu G ue tzkow,

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der Lande Lauenburg und B ue tow Herren, Meinem gn ae digen F ue rsten und Herren.

Durchlauchtiger, Hochgebohrner F ue rst, Gn ae diger Herr! Mit was reifen Rath und Bedenken Ew. F ue rstl. Gn. Ihre Versuchungsreise vorgenommen, mit was Ruhm, Ansehen und Nutzen Sie dieselbe continuiret, auch mit was Gl ue ck und Wohlfarth geendiget solches haben E. F ue rstl. Gn. sich erinnerlich wohl zu bescheiden, die zur Reise mit deputirte Aufw ae rter und Diener in Unterth ae nigkeit sich zu freuen, und das gantze geliebte Vaterland daf ue r dem gn ae digen barmhertzigen Gott h oe chlich zu dancken. Und ist anf ae nglich zwar E. F ue r. Gn. l oe bliches F ue rstliches Vorhaben billig zu r ue hmen, daß Sie als damalen noch ein junger F ue rst dem vortrefflichen Exempel Ihrer Hochpreißlichen Voreltern und Anherren, welche sich Besichtigung frembder Lande stets viel beflißen haben, 1 ) nachfolgen und derselben mannigfaltiges Lob großm ue thig erneuren wollen. Ob nun wohl solch wichtiges und in etwas gef ae hrliches Werk dem F ue rstlichen Herrn Vormundt zusambt den andern Regierungs=Land= und Hofr ae then 2 ) nicht weniges tiefes Nachsinnen und schwere deliberationes verursacht, ist es gleichwol wegen einst ae ndiges anhalten der Durchlauchtigsten Hochgeb. F ue rstin und Frauen, Frauen Sophiae Hedewig, gebohrnen zu Braunschweig und L ue neburg Hertzoginnen zu Stettin, Pommern, E. F. G. freundlichen hertzlieben Frau Mutter, welche fast wider die gemeine Art der kleinm ue thigen zarten M ue tter ihres Herren Sohns, als alleinigen Erben dieser Lande, intent zum


1) Die Studienreisen der Pommerschen Herzoge beginnen mit Herzog Barnim XL., der 1518 in Wittenberg, und Herzog Philipp I., der 1526 Heidelberg studirte. Dann folgen die Brüder Herzog Ernst Ludwig und Barnim XII., die 1563 ebenfalls in Wittenberg den Wissenschaften oblagen. Ueber die Studienreise Herzogs Georg III. nach Italien und Frankreich (1608 - 1610) und seines Bruders Ulrich, der anfänglich mit Herzog Philipp Julius erzogen, dann in Tübingen studirte und von dort aus nach Frankreich und Italien reiste (1609 - 1610), vergl. v. Ledebur, Archiv XIII, S. 359. - Die Wallfahrtsreisen der Herzoge Kasimir II. (1219) Warlislav VI. und Warlislav VII. (1391) dienten anderen Zwecken.
2) Zum Vormund wurde nicht der älteste Bruder des Herzogs Ernst Ludwig, Johann Friedrich, bestimmt, da zwischen beiden allerhand Mißhelligkeiten obwalteten, sondern der jüngere Bruder, Bogislav XIII., der in Barth im abgetheilten Besitz lebte und erst 1603 zur Regierung kam. - Die von Ernst Ludwig während seines Sohnes Minderjährigkeit mit Führung der Geschäfte betrauten Räthe waren der Komthur von Wildenbruch, Ludwig Herr zu Putbus, der Landvogt von Rügen Güzlaf von Rotermund, Heinrich Nordmann, Otto Preen, Adam Behr, Hans Krakewitz, Bernd Bugenhagen und die Bürgermeister der Städte Stralsund, Greifswald und Anclam.
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eußersten bef oe rdert, endlich communibus votis approbiret, auch als ratsam und nützlich erkandt worden. Wie nun solches nicht ohne besondere Schickung Gottes zugegangen und der Anfang dieser Reise mit reiflichen Bedenken gemacht, also ist sie ferner mit E. F. G. großen Ruhm und Ansehen continuiret worden, daß obwol diese Jahre her viel vornehme Herren unterschiedliche Reisen vorgenommen, doch von keiner, wie es die Erfahrung bezeuget, soviel Sagens und Praedicirens hin und wieder gewesen als eben von E. F. G. peregrination, die auch derohalben keinesweges, wie gern man sonst gewollt hat, verschwiegen und verborgen bleiben k oe nnen, sondern stets wol etliche Monathe zuvor, ehe E. F. G. an irgend einen ber ue hmten Ohrt gelanget, ist verkundschaftet und vermeldet worden. Woher aber solches alles verursachet, geb ue hret mir, als der unw ue rdig nebst andern mit aufgewartet, an diesen Ohrt nicht zu gedenken, weil solches ohne nothwendige Vermeldung E. F. G. wohlverhaltens und besondern F ue rstl. qualitäten, auch der R ae the, Aufw ae rter und Diener Bescheidenheit, Glimpff und H oe fflichkeit keinesweges geschehen mag. Es habens bereits schon etliche, die an selbigen Ohrten nach uns kommen, mit der Pommern großen Ruhm genungsam vernommen, werden auch k ue nftiger Zeit andere hoffendlich genießen und derohalben billig zu r ue hmen wißen. Wiewohl nun solche peregrination nicht ohne große Unkosten, beschwerliche Unlust und sorgliche Gefahr g ae ntzlich abgehen k oe nnen, so hat es ihr doch wiederum an geb ue rlicher Ergetzlichkeit und mercklichen großen Nutzen nicht gemangelt. Denn zu geschweigen, daß E. F. G. fast alle denckw ue rdige Sachen, und was von k oe stlichen und künstlichen alten und neuen Wercken in den ber ue hmtesten L ae ndern und K oe nigreichen Europae, als Teutsland, Englandt, Frankreich und Italien mag gefunden werden, mit besonderer Lust und Freuden alles gesehen, seyn ue ber daß E. F. G. mit denen vornembsten Herren und Potentaten, wo nicht in Freundschafft, wie sichs denn allenthalben nicht schicken wollen, doch zum wenigsten in Kundschafft gerathen, haben mit den erfahrensten, versuchtesten und gelahrtesten Leuten in allen St ae nden viel Unterredung und Conversation gepflogen, der K oe nige, Chur= und F ue rsten, an welche Sie gelanget, Hoffhaltung und Regiment erkant, was darinnen l oe blich, was strafflich, erforschet, auch wie es mit privat Persohnen in gemeinen Handel und b ue rgerlichen Leben daher gehe, gantz unvermerckter Weise erkundet und erlernet. Dahero den künfftiger Zeit ein großer Nutzen, sowohl E. F. G. selbsten als Dero Land und Leuten zweiffelsohne zuwachsen und entstehen wird; aldieweil

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E. F. G. nicht weniger in Ihrem Regiment als auch in Ihrem Leben den Exempeln der l oe blichsten Potentaten sich zu conformiren g ae ntzlich vorgesetzt. Welchem trefflichen Vorhaben weiter nachzukommen, insonderheit aber in Krieges Sachen etwas gr ue ndlicher zu vernehmen, E. F. G. ferner bey sich beschloßen, entweder in Ungern oder in Niederland zu verreisen, 1 ) wan Sie nicht durch freundliches, getreues und respective unterth ae niges Warnen und Bitten Ihrer lieben Frau Mutter, des F ue rstl. H. Vormundts und etl. getreuen R ae then zur ue ck gefordert und von solchen Vornehmen abgemahnet w ae ren. Derohalben I. F. G. Ihrer Reise ein Ziel setzen und nach Ihrem Land und Leuten in der Eil verr ue cken m ue ßen, dahin sie dann mit solchem Gl ue ck und Heil durch Gottes gn ae dige Hülffe ankommen, daß Hochgedachte I. F. G. diese weite Peregrination fast ohne einige Leibesbeschwerung volbracht, auch keinen von Ihren Dienern und Gefehrten hinter sich verlassen und gemißet haben, welches den der getreuen Unterthanen emsigen und fleißigen Gebeth vielmehr als E. F. G. oder deroselben vornehmen Aufw ae rter Verstand und Vorsichtigkeit, wiewohl es Gottlob daran auch nicht gemangelt, muß zugeschrieben werden. Denn was Gefahr und Ungl ue ck sich zum oe fftern erzeiget, in was b oe ßen Wege und Wetter, Hitze und K ae lte, man gereiset, auch wie I. F. G. fast auf die Letzte durch etliche b oe se Leute auf den Dienst gewartet deßen haben dieselben nach entgangner pericul mehr mit Lust zu erfreuen, als mit Schmertzen zu bek ue mmern. Wann nun, Gn ue diger F ue rst und H., solche und dergleichen denckw ue rdige Sachen, auf E. F. G. Peregrination vorgelauffen, habe ich von dem Tage an, als E. F. G. aus Ihrem Hofflager von Wolgast aufgebrochen, bis auf die Zeit, da sie mit Freuden in Ihre Lande und F ue rstenthum wieder angekommen, alle Tagreisen, was auch an jedem Orth zu sehen und sich sonsten etwa begeben, mehrerer nachrichtung halber notiren, und wie E. F. G. selbsten bewust, t ae glich aufzeichnen wollen. Welche Verzeichniß auf E. F. G. gn ae diges Begehren in eine richtige Ordnung zu bringen mir vorl ae ngsten gar leicht gewesen w ae re, wan nicht ein gut Theil meines Reiseb ue chleins verliehen, ein Theil von vielen Regen etwas verdorben worden, und ue ber das die Schreiber, welchen ich alles in die Feder dictiren m ue ßen, mich zur Ungeb ue hr bis dahin aufgehalten. Gelanget demnach an E. F. G. mein gantz fleiziges unterth ae nigstes Bitten, Sie ob den


1) Von diesem Plane des jungen Fürsten hat sich keinerlei weitere Kunde erhalten.
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unverhofften Verzug keinen Unmuth tragen, und da auch etwas außgelaßen oder sonst unf oe rmlich gesetzt w ae r, solches mir in Gnaden verzeihen und vielmehr denen exscriptoribus, die currente calamo nicht alles percipiren und assequiren k oe nnen, als mir, der ich solches zu revidiren keine Zeit gehabt, beymeßen wollen. Bin der tr oe stlichen unterth ae nigen Zuversicht, E. F. G. werden mit einer schlechten einf ae ltigen und wiewohl nicht zierlichen doch wahren Relation gn ae dig zufrieden seyn, wie ich dan meines Wißens durchaus nichts gesetzt, das entweder ich selbsten nicht gesehen, oder da sie zuweilen die Compagnie theilen m ue ßen, von E. F. G. und Deroselben Gefehrten genungsahm w ae re berichtet worden.

Daß nun E. F. G. diese geringe Arbeit sich gn ae diglich gefallen, und meine Wenigkeit, als von der es zu E. F. G. Ehren unterth ae niglich, gemeinet, sich in Gnaden befohlen seyn laßen und mein Gn ae digster F. und H. nach wie vor seyn und bleiben, darum will ich unterth ae nigstes Fleißes zum dienstlichen hiemit gebeten haben, E. F. G in G oe ttlichen allm ae chtigen Schutz zu langwieriger guter Gesundheit und gl ue cklichen Regierung, mich aber in E. F. G. gn ae dige Wohlgewogenheit treulichst empfehlend. Datum in E. F. Gn. Universit ae t zu Greifswald anno 1605.

E. F. G.        
unterth ae niger gehorsamer
Fridericus Gerschow.     

Personen so mit meinem G. F. und Herren außerhalb Landes gereiset:

1. M. G. F. und Herr, H. Philipp Julius, Hertzog zu Stettin Pommern.
2. Bernhard Bugenhagen, Hoffmeister.
3. Erasmus K ue ssow, C ae mmerierer.
4. Christoph Trampe, Zahlmeister.
5. Joachim Volradt Tribsees, Schenke.
6. Claus Buckow, Tischdiener.
7. Fridericus Gerschow, Praeceptor.
8. Rikwan von der Lancken, Edelknabe.

     Joachim Behre.
     Heinrich Gadenstedte,
     Edelknabe Peter Kemerer, Kellermeister
     Martinus Sarnow,
     Silberw ae rter
     Hans Garner, Laquai.
Klammer Diese 5 Personen
sind zu Strasburg
blieben.
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  9. Joachim Stolte, Kammerknecht.
10. Michael Bolte, Stalljunge.
11. Hans Blut, des K ae mmerierers Junge.
12. Joachim Brandenburg, des Hoffmeisters Knecht.
13. Peter Schwartze, des Hoffmeisters Junge.
14. Andreas Korn, Laquey.
15. Matz Kappeser, Laquei.

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Reise in Deutschland.

Anno 1602.

Nachdem der Durchlauchtige, Hochgebohrne F ue rst und Herr, Herr Philipp Julius, Hertzog zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, F ue rst zu R ue gen und Graff zu Gützkow, der Lande Lauenburg und B ue tow Herr etc. anno 1601 im Herbst die Erbhuldigung von seinen gehorsamen Unterthanen im gantzen Lande aufgenommen, 1 ) und darauf den 18. Novembr. mit einem k oe stlichen und zierlichen Ritterspiel, Ring und Ballage gerennet, auch freyen R ue st=Thurnier dem gemeinen geliebten Vaterland und gantzen getreuen Landschafft auf eine Zeitlang gn ae dig valediciret, als haben I. F. G. aus Rath und Vorwißen des Durchlauchtigsten Hochgeb. F. und H., H. Bugischlaf, Hertzogen zu Stettin, Pommern etc. ., Ihres damahligen F ue rstl. Vormundts, insonderheit aber der Durchlauchtigsten und Hochgeb. F ue rstin und Frauen, F. Sophie Hedewig, gebohrnen zu Braunschweig und Lüneburg, Hertzogin zu Stettin, Pommern etc. . Ihro F. G. freundtlichen, hertzlieben Frau Mutter, und der gantzen l oe blichen Landschafft, Ritterschafft und St ae dte Mitbeliebung eine Versuchungsreise vorzunehmen sich entschloßen, und ist anf ae nglichen zwar dieselbe nur auf Leipzig oder T ue bingen gemeinet, welche sich aber nachmahlen durch gantz Deutsland, Franckreich, Engeland und Italien erstrecket hatt, und seyn. I. F. G. den 1. Februarii anno 1602, als sie zuvor der Edlen und Tugendsamen Frauen Agnes, welche J. F. G. Frau Mutter lange Jahre f ue r eine Hofmeisterin auf=


1) Vergl. J. v. Bohlen, Hausbuch des Joachim von Wedel (Puplikation 161 des literarischen Vereins in Stuttgart), S. 408. Ueber den jungen Herzog Philipp Julius selbst und seine Reise vergl. S. 402 und 452.
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gewartet, nebst ihrer Tochter Kind, des gestrengen Edlen und Ehrenvesten Hans von Hausen j ue ngsten Sohn, die letzte Ehre erzeiget und das Geleite bis an Ihr Ruhebettlein gegeben, mit hochgedachter I. F. G. Frau Mutter und obgesetzten zur Reise deputirten Personen im Nahmen der heiligen hochgelobten Dreyfaltigkeit von Wolgast aufgebrochen und nach der Eldenow fortger ue cket, 3 Meile.

Den andern Tag haben I. F. G., weil es ein heiliger Tag und das Fest der Reinigung Mari ae , an welchem auch I. F. G. f ue r 16 Jahren die heilige Taufe empfangen, zuvor Predigt geh oe rt und ferner auf Loitze gereiset, 3 Meilen.

Den 3 ten Tag ist dem gestrengen, Edlen und Ehrenvesten Berndt Bugenhagen, Landmarschalk und Erasmo K ue ssoen, jetzigen Cantzler, zu der Zeit aber Cammerierern und F ue rstl. Rathe, die Inspection auf I. F. G. Leib und Gesundheit zufoderst, hernach auf Deroselben Junckern und Dienern und allen Gesinde Leben und Verhalten, wie auch die Direction der gantzen Reise zum treulichsten und fleißigsten durch den H. Cantzler Burchardt Horn im Nahmen des F ue rstlichen H Vormundts wie auch der F ue rstl. Wittwen anbefohlen, und alle I. F. G. Aufw ae rtern, wes Standes sie w ae ren, ihnen zu gehorchen und zu folgen auferlegt worden.

Den 4 ten Tag ward ein T ue rcke, den weiland der Edle und Ehrenveste Valentin Horn auß Ungarn mitgebracht und im Christenthum wohl und fleißig unterrichten laßen, zu Loitz getaufft. Gevattern sind gewesen die Durchlauchtigste Hochgeb. F ue rstin und Frau Sophia Hedewig nebst I. F. G. gantzen Frauenzimmer, die Durchlauchtigen Hochgeb. F. und H. H. Joachim Carll, Hertzog zu Braunschweig und L ue neburg und Herr Philippus Julius mit Ihro F. G. R ae then, Junckern und vornehmsten Dienern, und ist dem T ae uflinge nach denen Herren der Nahme gegeben Ernst Philipp Carolus, welchem auch ein ansehnlicher Patenpfennig verehret worden.

Den 5 ten Tag sind I. F. G. nebst Deroselben Frau Mutter und Hertzog Joachim Carolum, welcher bis in Niedersachsen I. F. G. das Geleite gegeben, gegen Abend zu Dargum (!) 1 ) angekommen, 3 Meilen, alda der f ue rstl. Wittwen Feuerb ue ßer


1) Herzog Ulrich hatte die alten Klostergebäude zu Dargun theils abbrechen, theils zu einem fürstlichen Jagdhaus umbauen lassen und weilte selbst gern in dem "langen Hause". Jahrb. 3, S. 170; 6, S. 90.
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oder Stubenhitzer in das Haubt so hart verwundet worden, das er wenig Tage hernach Todes verfahren.

Den sechsten in voller Fr ue he von Dargum (!) aufgebrochen, und ob es wol ziemlich Regenwetter, haben E. F. G. doch zeitig Gustrow erreichet, 6 Meilen, da sie den mit dem Geleite ansehnlich angenommen und von dem hochl oe blichen alten F ue rsten Ulrich Hertzog zu Meclenburch 1 ) christmildens angedenckens, auch der durchl. hochgeb. F ue rstin und Frauen Anne, gebohrnen zu Stettin Pommern Hertzoginnen zu Mecklenburg etc. ., I. F. G. freundtlichen lieben Muhmen, bis in den dritten Tag mit aller f ue rstl. Lust und Kurzweile aufgehalten und gar stattlich tractiret worden.

Den siebenden haben I. F. G. den Thiergarten, so hinter dem Hause gelegen, darinnen viel Wild, mit besondrer Lust angesehen, wie auch die sch oe ne marmorsteinerne epitaphia im Dohm 2 ), nebst den Mecklenburgischen Stam=Linien und den Anfang einer guten Liberei.

Den achten haben I. F. G. den gantzen Tag wie auch die folgende nacht, bis man des Morgends zu Pferde geseßen, mit aller vergn ue gter Fr oe ligkeit im f ue rstlichen Mecklenburgischen Frauenzimmer zugebracht.

Den neunten nahmen I. F. G. von dem hochseeligen alten Herren und derselben Gemahlin freundlich Uhrlaub und sind mit dem Geleite den Tag zu Crybitz ankommen, 3 Meile.

Den zehnten bis Schwerin, 2 Meile, da I. F. G. mit dem groben Gesch ue tz empfangen, und um die Vestung gefeuret ist, welche in einem großen See, so in 4 Meilen lang, gelegen ist; ein wohl gebautes und mit verguldeten Gipsfiguren, k oe stlicher Tischlerarbeit und künstl. Mahlwerck wohl geputztes Haus. 3 ) Im Dohm, so noch in der Stadt beybehalten wird, sind zwo f ue rstl. Begr ae bniße, ein altes Herzog Johan Albrechts, und ein neues von schwartzem und weißen Marmor Hertzog Christophels,


1) Herzog Ulrich wird hier mit Recht "der alte" genannt; er war geboren den 5. März 1527 und starb den 14. März 1603. In zweiter Ehe war er seit dem 9. December 1588 mit Herzogin Anna von Pommern=Wolgast vermählt. Ueber der letzteren Stammbuch vergleiche Jahrb. 21 S. 126 ff.
2) Die Grabdenkmäler der meklenburgischen Fürsten im Dom zu Güstrow beschreibt Klüver, Beschreibung des Herzogthums Meklenburg, II, S. 238. Die Leichenprozession des oben genannten Herzogs Ulrich s. ebenda, S. 224.
3) Ueber das herzogliche Schloß zu Schwerin vergl. Jahrb. 5, S. 32 ff.
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welches ue ber die 2000 Thaler soll gestanden seyn, 1 ) Durch ein Fenster kan man die Leiche sehen, so mit einem langen schwartzen Sammet bedecket. Die Orgel im Dohm seyn I. F. G. selbst angestiegen, war ein großes aber nunmehro unfertiges Werck, welches mit 7000 Thaler der Leute Bericht nach nicht erbauet. 2 ) Deßelbigen Tages sind I. F. G. im starcken Regenwetter noch auf die Wismar gereißet, 4 Meile, und als Christoph Trampe und Friederich Gerschow auf den Bauerwagen im bösen Wege so eilend nicht folgen m oe gen, sein sie vor dem Stadtthor verschloßen worden, da sie den die Nacht ue ber unter den offenen Himmel wohl durchgenetzet hatten verharren m ue ßen, weil keine Vorstadt des Ohrts und wohl 5 Thore hinter einander, daß man den Thorwechter nicht erwecken m oe ge, wo nicht endlich zu ihrem Gl ue cke wegen eines Bauren, der sich in der Stadt verspätet, das Thor w ae re ge oe fnet worden.

Den eilften haben I. F. G. daß eiserne geschr ae nke um den Taufstein zu Wismar betrachtet, welches ein Rittersch ae tze so kunstreich in einander geflochten, daß weder anfang noch ende zu sp ue ren und derohalben insgemein f ue r keine menschliche Arbeit gehalten wird. 3 ) Von dannen sind I. F. G. erstlich auf Gribsmole, 3 Meile, und ferne auf Dassow, 2 Meile, ger ue cket, da sie bey einer alten lustigen Wirthin das Mittags=Mahl genommen und also nach L ue beck gegen Abend angelanget, 2 Meile. Zu L ue beck sind I. F. G. an die Trabe gegangen, darauf zu der Zeit in die 50 großen Schiffe gelegen. In Unser Lieben Frauen Kirchen gesehen die zwo große Pfeiler, so aus einem gantzen Steine gehauen, und jeder 50 Schuh lang gewesen, wie auch das kunstreiche Uhrwerck daselbst. Der Dohm so gantz mit Kupfer gedecket, ist ein sch oe nes langes aber nicht sehr hohes Geb ae ude, dergleichen wir nicht viel auf der gantzen Reise in solcher L ae nge angetroffen. Alter Leute Bericht nach soll vor Zeiten ein Hirsch, der einen schweren guldenen Halsband umgehabt, des Orths geschoßen und von dem Golde die Kirche gebauet seyn, welche Historia noch jetzo im Dohm abgemahlet; darinnen man auch eine verguldete Monstrantz findet, und ein sehr sch oe nes geschnittenes Marienbild welches die schwangeren Weiber zu L ue beck anschauens halber offt besuchen. Endlich seyn I. F. G. in das Rathhaus


1) Vergl. Jahrb. 13, S. 173.
2) Vergl. Jahrb. 5, S. 54, Anm. 4.
3) Nach Klüver, Beschreibung des Herzogthums Meklenburg, II, S. 654, hat der Teufel dabei geholfen.
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gef ue hret worden, des Raths Stuben nebst den dabey gelegenen Logiamente, in welchen viele Antiquit ae ten der Stadt L ue beck auf gut altv ae terisches abgemahlet, zum fleißigsten besichtiget. Der Marckt, welcher meistens von Handwerckern bewohnet, ist wie sonsten die gantze Stadt auf den Seehandel ohne viele Gem ae cher gebauet; auch hatt es zu L ue beck eine gute Gewohnheit, daß keine Schweine in der Stadt geduldet, sondern f ue r dem Thor in besonderen H ae usern gehalten werden, aus welchen auch keiner ein Schwein in die Stadt schleppen oder trecken muß, er habe denn das B ue rgerrecht gewonnen; daher denn etliche schimpfliche Leute die L ue becker Sautrecker nennen.

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Während die vorstehenden Blätter gesetzt wurden, erhielt ich auf eine an das Königliche Geheime Staatsarchiv zu Berlin gerichtete Anfrage das vermißte Original des Gerschow'schen Tagebuches zugesandt. Ein glückliches Geschick hat dasselbe vor dem Untergange bewahrt, und ich gebe mich der Hoffnung hin, nunmehr das ganze Tagebuch nach dem Original veröffentlichen zu können.

v. B.     

 

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