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Quartal= und Schlußbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte und
Alterthumskunde.


Schwerin, August 1889.


S eine Königliche Hoheit, unser allerdurchlauchtigster Vereins=Protector, Großherzog Friedrich Franz geruhten der am 11. Juli d. J. statutenmäßig veranstalteten Generalversammlung anzuwohnen. Diese dem Verein seit langer Zeit zum ersten Male wieder angediehene Freude und Ehre war dem Vorstande Veranlassung, außergewöhnliche Vorbereitungen für eine würdige Begehung des festlichen Tages zu treffen.

Gemäß specieller Einladungen, welche an eine Reihe auswärtiger, vermuthlich zur Theilnahme an den Verhandlungen geneigter Mitglieder ergangen waren, hatten sich solche und die Schweriner Genossen in reicher Zahl eingestellt. Ueber 60 Personen versammelten sich 5 Uhr Nachmittags in einem Saale des Hôtel de Paris; für die Zeit nach Beendigung der Geschäfte war ein Souper in Aussicht genommen. - Die Sitzung eröffnete der Herr erste Präsident, Staatsminister von Bülow, Excellenz, mit einer ehrfurchtsvollen Begrüßung des erhabenen Vereins=Protectors und ertheilte dem Herrn Professor Dr. Stieda aus Rostock das Wort. Dies unser Mitglied hatte sich zur Haltung eines Vortrages bereit finden lassen, in welchem er sich über den Einfluß der um 1700 auch in Meklenburg aufgenommenen französischen Refugies zur äußersten Genugthuung der Hörer aussprach, die seinen Mittheilungen mit gespanntem Interesse folgten Gestützt

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auf die vom Redner ausgiebig benutzten Acten des hiesigen Archives, zeichnete er ein charakteristisches Bild von den Schicksalen dieser bedauernswerten Versprengten, von ihrer Heimath in Folge Widerrufes des Edictes von Nantes Ausgestoßenen. Im Allgemeinen haben sie allenthalben, wohin sie sich wandten oder in Anbetracht der Glaubens=Genossenschaft gerufen wurden, eine zuvorkommende Aufnahme gefunden und ihren Wohltätern durch ihren gewerblichen Fleiß wie die so gegebene Anregung zu gleicher Thätigkeit sich dankbar erwiesen. Auch hier zu Lande versprach man sich viel, hoffte die etwas antiquirte Handwerker=Arbeitsamkeit zu beleben und selbst größere Industriezweige schaffen zu können. In der That entwickelte sich in Bützow, wo bis heute in allerlei Einrichtungen die Spuren ihrer Anwesenheit dauern, eine kleine Colonie, aus welcher manche in Meklenburg wohlbekannt gewordene Namen hervorgegangen sind. Aus anderweiten Quellen läßt sich zum Beispiel die Mittheilung beibringen, daß auch ein Mann, der um die Landesgeschichte sich in der Mitte zwischen damals und jetzt reich verdient gemacht hat: der Rostocker Professor der Jurisprudenz, dann Geheimer Rath an der Landesregierung, Johann Peter Schmidt, zufolge eigener Aussage aus einer französischen Auswanderer=Familie stammte. Natürlich ist deren Name im Laufe der Zeit verdeutscht worden. - Fügen wir aus dem reichen Inhalt des Vortrages noch hinzu, daß die private Stellungnahme der Eingeborenen unseres Landes zu den Fremdlingen keine ganz wünschenswerthe gewesen ist. Der stark sich geltend machende Brotneid hat neben der großen Verschiedenheit des Naturells darauf hingewirkt, daß die Erfolge des hochherzigen, vom Landesherrn ausgehenden Unternehmens nicht ganz die wünschenswerthen gewesen sind.

Nach Beendigung des Vortrages erhielt, indem man zu dem geschäftlichen Theile der Tagung überging, der Unterzeichnete das Wort zur Verlesung des Jahresberichtes. Nach Anführung der im Personalstand des Vereins in der abgelaufenen Periode eingetretenen Veränderungen folgte die Rechenschaft über die fortschreitenden Vereinspublicationen; später erstattete auch noch der Herr Rechnungsführer des Vereins Bericht über die finanziellen Verhältnisse desselben. Aus Allem zusammen ergab sich der günstige Stand sowohl des Vermögens wie dessen Gleichgewicht mit den durch Druck der Jahrbücher u. s. w. hervorgerufenen Ausgaben. - Von letzteren lag der diesmalige Band vollendet vor; der 15. Theil des Urkundenbuches wird vermuthlich bis zum Winter fertiggestellt werden.

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Ueber die außerhalb des Vereins entstandene, in sein Studiengebiet einschlagende Litteratur enthielt der Jahresbericht etwa folgendes. Mit der frühesten Epoche zu beginnen, so hat Friedel (Zeitschrift für Ethnologie, Heft II. d. J., S. 51) Gegenstände besprochen, welche in den Bereich der apokryphen wendischen Götter=Idole einschlagen. Die Prillwitzer Fälschungen werden in Vergleichende Beziehung gebracht zu vermuthlich mittelalterlichen Metallfiguren. Wenigstens dem Modelle nach, meint der Autor, dürften solche wiederzufinden sein in den als Lichterträger u. dgl. benutzten Gestellen.

W. Salow hat (in einem Friedländer Gymnasial=Programm) eine ansprechende Abhandlung unter dem Titel: Lothar III. und das Wendenland geliefert, welche insbesondere die Missionsreisen Otto's von Bamberg untersucht. Dieser hat mehrfach das jetzige Strelitzische gestreift, aber auch in der Müritz=Gegend das Alt=Meklenburgische berührt. Die Züge Lothar's selbst aber haben sich bekanntlich bis Rostock und Rügen ausgedehnt, und so ist er ein kräftiger Vorarbeiter für die bald sich entwickelnde Baltische Monarchie Heinrichs des Löwen geworden. Auch die complicirten dänischen Verhältnisse, welche in Gestalt des kurzlebigen Regimentes vom Knut Laward über die Ostseeküsten hier eingreifen, kommen zur Sprache. Als Ueberblick über alle diese, auf die bedeutendste Epoche unserer Gegend vorbereitende Zeit ist die Arbeit Salows sehr empfehlenswerth.

Die Bischofsreihen dreier der für Meklenburg competenten Stifter, neben den beiden märkischen: Havelberg und Brandenburg, auch noch Oldenburg, später Lübeck, versieht eine Zusammenstellung von H. Breßlau mit dankenswerthen Nachträgen (Forschungen zur Brandenb. u. s. w. Geschichte, Bd. I., 385 ff.) Kleinigkeiten dieser Art interessiren in der Regel nur den Specialforscher; bei der Spärlichkeit unseres Wissens über meklenburgische Verhältnisse im 10. und 11. Jahrhundert wiegen jedoch auch diese Errungenschaften schwer. Die Rectification der oft sehr entstellten Sprengelnamen, wenn solche überhaupt hinzugefügt gewesen sind, ja die Auffindung selbst der von ihren, im Heidenlande liegenden Diöcesen in der Regel weit entfernt sich aufhaltenden Hirten derselben setzt besonderes Glück und Geschick voraus, wie einzelne hier nachgewiesene Beispiele zeigen.

Die im vorigen Jahresberichte besprochene Answerus=Legende hat schon wieder einen Bearbeiter gefundene der dort angedeuteten Ansicht steht Hellwig näher (Archiv des Vereins für Geschichte des Herzogthums Lauenburg II., Heft 1) Eben=

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denselben Verfasser hat (am gl. O.) eine Abhandlung über Alt= und Neu=Ratzeburg. Auf Grund topographischer Studien wird festgestellt, daß die neueren, sächsisch=christlichen Fortificationen auf der noch heute die Stadt tragenden Insel lagen, während die am Seeufer sich findenden, wohl wendischen Burgreste einer älteren Zeit angehören.

Eine Studie über das Kloster Doberan, insbesondere seine und des fast allein noch erhaltenen Münsters Baugeschichte bietet die Zeitschrift des Benedictiner=Ordens (Bd. X, Heft 1, 2). Sie entstammt der Feder Dolbergs und bezeichnet, soweit man etwas derartiges von einem Nicht=Architekten erwarten kann, einen bedeutsamen Schritt vorwärts auf der Bahn, welche einzig zum Ziele leiten dürfte. Die Entstehung eines baulichen Denkmals, namentlich wenn es aus dem Mittelalter stammt, das an Notizen selbst über die hervorragendsten Bauten und seine Meister so außerordentlich discret ist, setzt der Untersuchung Schwierigkeiten entgegen, welche nur dann zu besiegen sind, wenn man die Steine sprechen läßt. Die großen kirchlichen Mauermassen Rostocks erfreuen sich schon so einer sachkritischen Analyse und guter Resultate aus derselben. Möge dem edelsten Kleinod gothischer Kunst unseres Landes bald ein Ähnliches angedeihen und dem genannten Verfasser bis dahin das Beste, was gethan wurde, gedankt sein.

Die im vorigen Generalberichte erwähnte Besprechung der (Alt=)Brandenburger, durch den Böhmen Pulkawa excerpirten Markgrafen=Chronik hat durch denselben Verfasser eine Erweiterung erfahren. Sello hat auch die Bisthums=Chronik von Brandenburg (20. Jahresbericht des Vereins zu Brandenburg a./Havel) sowie diejenige eines Heinrich v. Antwerpen (22. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins zu Salzwedel) einer Untersuchung unterzogen. Mehr der Technik wegen interessirt, da die directe Ausbeute aus genannten Quellen für unser Land fast gleich Null ist, diese Doppel=Forschung; sie lehrt analogieweise erkennen, wie derartige historische Reliquien des Mittelalters entstanden, besonders aber ihre Behandlung und Benutzung durch die Nachwelt würdigen.

Das spätere Mittelalter ist von der Literatur diesmal wenig gefördert worden. Darum nennen wir an dieser Stelle den Namen eines unserer werthesten Mitglieder, welches in einer, eigentlich aus dem Rahmen der Historiographie heraustretenden Weise die Zeiten der beginnenden Cultur - in unserm Sinne - für Meklenburg hat zur Anschauung zu bringen gesucht. Beyer in Lage hat den Lesern in zwei frei erfundenen, aber den geschichtlichen Boden suchenden Erzählungen den Einzug des Christenthums und Deutschthums

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sowie die erste große Krisis unseres erhabenen Fürstenhauses näher zu bringen gesucht. Mit Namen, welche demselben entnommen sind: "Pribislav" und "Anastasia", fixirt er die Charaktere, welche jedesmal die Träger der entscheidenden Bewegung sind. Damit verknüpft sich einmal das Gedenken an die schweren äußeren und geistigen Kämpfe, welche das Haupt des Landes bei dessen Uebergang zur neuen Ordnung der Dinge zu bestehen hatte. Das andere Werk giebt die freie, aber in historischen Farben ausgemalte Schilderung einer Landesmutter, welche dem verschollenen Gatten seine Herrschaft und seine Kinder hütend, Anspruch auf Theilnahme für ihre Leiden und belohnte Geduld erheben darf wie nur irgend eine Dame des weniger romantischen als hausbackenen Mittelalters. - Der realistische Zug in Beyer's Ausführungen scheint der Wirklichkeit, soweit sie sich errathen läßt, mit vielem Glück abgelauscht zu sein. Die reizvollen Beobachtungen am Naturleben, welche eine Eigenart des Autors sind, durchsetzen die Fäden des dramatischen Gewebes in ansprechender Weise und verleihen dem Ganzen eine wahrheitsgemäße Stimmung, welche in diesem, sonst viel versuchten Productionsfache nicht oft mit so viel Glück auftritt.

Heinrich der Pilger, der Gemahl der Anastasia, ward streng historisch, wie es ihm schon oft zu Theil geworden ist, auch erwähnt in dem Werke Röhricht's: Deutsche Pilgerreisen nach dem heiligen Lande. Des Fürsten Nachkommen haben oft seine Fußtapfen aufgesucht; ein Ende dieser frommen Uebung machte zunächst die Reformation. Ihr zeitlich nächster Vorgänger auf dem meklenburgischen Throne ist dreimal über das Mittelmeer gefahren; das erste Mal zusammen mit seinem Bruder Balthasar und dem letzten Vetter, daher Erblasser für beide, von der Stargarder Linie. Hier sei bemerkt, doch nicht näher ausgeführt, daß dessen, Ulrich's II. Tod, nicht um 1471, sondern schon ein Jahr früher fällt. Auch die jüngsten, sonst so zuverlässigen Aufstellungen dürften sich hier haben irren lassen.

Die im vorigen Berichte kurz citirte Schrift Stoys über die Bündnißbestrebungen der neugläubigen deutschen Fürsten, welche schließlich zu der formellen, aber geheimen Abmachung von 1528 führten und Herzog Heinrich von Meklenburg zum eifrigsten Theilnehmer hatten, bietet für ihn speciell und seine tieferen Gründe nicht gerade erheblich Vieles und Neues. An Beiträgen zur Erkenntniß der, noch weit mehr als die der großen Verhältnisse complicirten Stellung der Fürstenwelt gegen einander, sowie auch der Methode diplomatischer Verhandlungen jener Zeit bietet die Arbeit viel Schätzenswerthes. Jeder Schritt in die noch sehr vernachlässigte

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Geschichte der damaligen norddeutschen Kleinbündeleien ist eine dankenswerthe Bereicherung des Wissens und eine Vorarbeit zu einer, indeß wohl lange noch nicht zu erwartenden Geschichte Nieder=Deutschlands in großem Stil.

Die gleichfalls früher bemerkbar gemachte Publication von Spangenbergs, eines auch Meklenburg berührenden Reformators, Briefen durch Rembe enthält nur wenig Verwerthbares. Auch die in Greifswald gesammelte und herausgegebene Correspondenz Bugenhagens bringt uns kaum Zuwachs an Ungedrucktem. - Wie bei diplomatischen Dokumenten die Regel ist, daß sie nur in großen Umgebungen verwerthbar und verständlich sind, so gewinnt das Wenige, was Meklenburg in folgender großer Veröffentlichung dircet betrifft ungemein an Bedeutung durch den Autor jeder Aeußerung. Irmer hat die Correspondenz zwischen Gustav Adolf "und seinen Verbündeten mit Wallenstein und dem Kaiser" gesammelt, bisher für 1631 und 1632 (Theil I. in den Publicationen aus Preußischen Staatsarchiven, Bd. LXXX). Die jedem geläufige Situation spricht für die Bedeutsamkeit dieses Neugewinnes an wichtigem und reinlichem Material. - Von gleichem Charakter und Bedeutung ist der Briefwechsel des berühmten Canzlers Axel Oxenstjerna, welcher schwedischerseits edirt wird und in seinen verschiedenen Abtheilungen rüstig fortschreitet. Das Nähere über die im Text meist lateinisch gehaltenen, sonst schwedisch behandelten Publicationen werden Special=Freunde des großen Mannes leicht zu ermitteln wissen. Eine sachliche Würdigung dürfte einer, dem Abschluß dieser Werke näher liegenden Periode vorzubehalten sein.

Die Mitglieder unseres Vereines, welche auch dem Museums=Verbande zu Rostock angehören, pflegen die dortige Zeitung mit reichlichen Mittheilungen aus dem historischen Leben der Stadt zu versehen. Es genügt, auf dieselben im Allgemeinen hinzuweisen; einzelne jener Aufsätze sind auch in Sonder=Abzügen verbreitet. Auf zwei derselben weisen wir vorzüglich hin, weil ihr Gegenstand eigentlich über das Interesse jener Gemeinde hinausreicht. Es sind Stieda's Aufsatz über Pelzer und Buntfutterer, sowie Hofmeister's Buchdruckergewerbe. Letzterer Vorwurf steht mit der geistigen Cultur des ganzen Landes in sehr enger Wechselbeziehung, da Rostock die einzige Stelle des Landes war, wo Verlegergeschäfte aufkommen konnten, wohin also die Seribenten jener Zeit ihre Zuflucht zu nehmen hatten. - Mit Stieda's Aufsatz ist eine tiefgreifende Uebersicht der ganzen, mit Rauchwaaren befaßten Handwerker= und Händler=Gruppe verbunden.

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Ueber die Schicksale Vorpommerns zur Napoleonischen Zeit, die selbstverständlich fast dieselben sein mußten, wie die wenigstens des Ostens von Meklenburg, gewährt eine gehaltvolle Veröffentlichung unserer dortigen Schwester=Gesellschaft Aufschluß. Im Namen des pommerschen Geschichtsvereines hat Professor Pyl mit gewohnter, aus gründlicher Kenntniß der Sache hervorgehender und erschöpfender Sorgfalt ein Tagebuch über den französischen Krieg von 1807 bis 1810 herausgegeben (Pommersche Geschichtsdenkmäler, Bd. VI.). In Greifswald entstanden, rühren die Aufzeichnungen nicht gerade vom Professor Rühs selbst her, sind aber unter seinen Augen von zwei jungen Leuten hergestellt worden, Namens Barkow und Quistorp. Der letztere geht auch uns näher an, indem er, seines Zeichens ein Tuchmacherlehrling, aus dem eben wieder für Meklenburg gewonnenen Wismar stammte. Sonstige Berührungspuncte mit unserem Lande ergeben sich aus der Theilnahme der meklenburgischen Truppen an dem End=Act des Schill'schen Dramas, indem der Vernichtung jenes Insurgenten=Corps in dem benachbarten Stralsund das Gefecht bei Damgarten voraufgegangen war. Hier, an der uralten Kampfstelle der beiden Gränzlande, hat sich vom Mai bis zum Juni 1809 dasjenige zugetragen, was uns besonders berührt. - Freilich reicht der Gesichtskreis der Erzähler nicht weit über die Stadt hinaus; desto zuverlässiger sind die einzelnen Facten, weil Tag für Tag sofort aufgezeichnet. Nach der Stralsunder Katastrophe wird der Stoff knapper, um mit 1810 ganz abzuschließen. Der Beginn des annalistischen Unternehmens liegt auch erst zu Anfang von 1807. Die der Publication beigefügten ausgiebigen Mittheilungen aus den Magistrats=Acten von Greifswald commentiren die Ereignisse der bösen Jahre nach der finanziellen Seite.

In ebendiese Zeit fallen die ersten bedeutenderen Erlebnisse einer heimischen Truppe, welche kürzlich ihr erstes Säculum abschloß. Das jetzige 90. Füsilier=Regiment in Rostock tritt damit in die Reihe derjenigen Militär=Verbände des Landes, welche eine der Oeffentlichkeit anheimgegebene Geschichte besitzen. Wie diejenige ihrer Kameraden vom Jäger=Bataillon und vom Grenadier=Regiment, welche theils eines 50jährigen Jubiläums halber, theils vermöge ihrer etwas älteren Existenz, schon früher mit Corps=Geschichten versehen sind, haben nun auch die Füsiliere in den Herren v. Wrochem und Hävernick geschickte und patriotische Zeichner des deutschen Soldatenlebens gefunden. Was ihnen oblag, war von sehr verschiedener Art. Lange Friedensjahre, wie sie zu bewältigen waren, sind kein geeignetes Thema für populäre Darstellungen aus

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diesem Gebiete. Glücklicherweise lagen auch kampf= und ruhmvolle Perioden vor, welche das eigentliche Element dieser Historiographie bilden. In ihren ersten, später vielfach umorganisirten Formationen hat die Truppe, welche gerade zu diesem Zwecke gebildet war, theilgenommen an den Kämpfen in Holland gegen die entstehende, aber von ganz Europa angefeindete französische Republik. Der aus ihr als Imperator hervorgegangene Napoleon hat auch das Bataillon, von welchem die Füsiliere sich herleiten, als Rheinbundstruppe nach Rußland ziehen heißen. Diese mehr grausame als ruhmreiche Episode ist fast die einzige Schattenseite der militairischen Vergangenheit; die armseligen Reste, welche zu Ende 1812 in der Heimath wieder eintrafen, hatten zuletzt eigentlich keinen anderen Feind als Hunger und Frost gehabt. Die Freiheitskriege haben den rasch wieder mobilisirten Verband, soweit man von einem solchen noch reden konnte, trotzdem noch auf dem Plane gesehen; mit Ehren ist die Schmach, unter dem Fremden sch hinschlachten lassen zu müssen, wieder eingebracht worden. Im selben Sinne hat man dann, nach der kurzen, für meklenburgische Truppen kaum in Betracht kommenden Episode von 1866, in dem ruhmreichen Feldzuge von 1870/71 weiter wirken können. Die breiten Lücken, welche die harten Tage an der Loire in die Reihen gelegt haben, sei es durch die Kugel oder Krankheit, zeugen von der schweren Last, welche auch unser Land von dieser Blutsteuer gehabt hat. Gleichwohl kann man im Gegensatze zu 1812 mit Genugthuung auf den letzten Feldzug zurücksehen; in ihm hat zuerst das Regiment in seiner jetzigen Gestalt und Benennung sich dargestellt, denn es war inzwischen in einen größeren Verband eingetreten, der fester halten wird als derjenige der Rheinbundszeit. - Die letzten Blätter in diesen Regiments=Annalen vergessen auch die frohe Gegenwart nicht; mit Behagen wird die berühmte Löwenjagd erzählt, welche, einzig ihrer Art im Lande, sich ostwärts von Rostock unter der entscheidenden Beihülfe der Neunziger abgespielt hat.

Mit zwei Werken statistischen Werthes hat uns das laufende Jahr noch eben vor Abschluß dieser Zeilen erfreut. Das eine ist dasjenige des Pastors Walter zu Kastorf, welcher in dem Werke: "Unsere Landesgeistlichen von 1810 bis 1888" sich um die Geschichte seines Standes ein unangreifbares Verdienst erworben hat. Eine mehr vom Glück begünstigte, weil mit Energie durchgeführte Fortsetzung der bekannten Werke von Cleemann, giebt es nicht bloß über die Seelsorger des Landes persönlich, sondern möglichst auch über deren gesammte Familien=Verhältnisse Auskunft. Man kann nur anerkennen, daß trotz der nicht allzu langen

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darauf verwandten Zeit, der ländlichen Abgeschlossenheit und der herkömmlich geringen Sympathie, welche man dergleichen Vorarbeiten entgegenbringt, ein so ausgiebiges Resultat entstehen konnte. Daß auch Lücken darin sind, welche unter die vom Verfasser zu Eingang entschuldigten Kategorien nicht fallen, wird nicht zu sehr zu betonen sein. Nachträge zu einer Arbeit dieser Art werden leichter zu verwerthen als zu vermeiden sein.

Zu unserer Genugthuung mag es gereichen, daß sowohl dieser Verfasser Vereinsmitglied ist wie Bachmann, durch dessen Bemühung das Land mit einem Repertorium seiner Literatur im objectiven Sinne versehen worden ist. Praktiker werden es vielleicht unangebracht finden, daß das Unternehmen nicht gemeinsam von uns mit dem Schwester=Vereine für Naturkunde bewerkstelligt ist. Gehört doch gewiß dreiviertel von dem, was Bachmann in seiner "Landeskundlichen Literatur der Großherzogthümer Meklenburg" verzeichnet, in ein Repertorium der heimischen Geschichtschreibung. Der Verfasser stellt selbst eine Completirung, oder wie man es nennen will, in diesem Sinne in Aussicht. Man kann ihm und dem antheilnehmenden Publicum dazu nur Glück wünschen; der Erfolg wird nicht ausbleiben. Denn Niemand wird sich des Gefühles eines vom Herzen fallenden Steines erwehren können, ist man auf ein derartiges Hülfsmittel angewiesen statt eigener, oftmals sauer errungener Bücherkenntniß. Sieht an diesen Columnen man doch recht, wie zerfahren die publicistischen Strömungen hier stets waren; wie vieles selbst durch unangebrachte Bescheidenheit an schwer findbare Orte gelangt trotz seines unzweifelhaften Werthes. Ungeachtet mancher Ausstellungen, welchen das Werk nicht entgehen wird, da es das erste seiner Art ist, wird Jedermann die von ihm gebotene Hülfe, selbst Anregung gerne sich gefallen lassen wollen.

Die nach Verlesung des Jahresberichtes sich anschließenden Verhandlungen sind dahin zu resumiren, daß auf Vorschlag des Herrn Präsidenten sich die Fest=Versammlung der sonst in ihrer Befugniß stehenden formellen Neuwahl des Vorstandes enthielt, ihn vielmehr durch Acclamation in seinen Functionen weiter beließ.

Nicht mehr zu demselben wird nur gehören unser langjähriger hochverdienter und des Ausdrucks der Anerkennung für seine dem Vereine geleisteten Dienste nicht bedürfender Cassenführer, Herr Hofrath Dr. Wedemeier. Das von ihm jetzt abgegebene Portefeuille hat sich immer einer sehr dauerhaften Inhaberschaft erfreut, auch ein Grund mit für den vorzüglichen Stand der Vereinsmittel. Seit Stiftung des Verbandes hat die Berechnerstelle 16 Jahre der wail. Geh. Canzleirath Faull bekleidete als er sie 1851 niederlegte,

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wurde in der Generalversammlung des Jahres Herr Dr. Wedemeier, damals Ministerial=Registrator und um den Verein schon als mehrjähriger Bilderwart verdient, zu dem verantwortungsreichen, insbesondere aber mühevollen Posten wiedergewählt. So hat er fast 40 Jahre denselben verwaltet; bei seiner Jubiläumsfeier im Jahre 1885 ernannte ihn der Verein zu seinem Ehrenmitgliede. Die lange und erfolgreiche Thätigkeit dieses unseres Veteranen war es, der der Herr Präsident in der Versammlung mit warmen Worten gedachte.

Die Cassenführung wurde durch Acclamation auf Vorschlag des Ausschusses dem Ministerial=Registrator Schwerdtfeger übertragen.

Ein verdienstvolles Ehrenmitglied ist in letzter Zeit durch den Tod dem Verein entrissen worden: der Herr Oberlandesgerichts=Senatspräsident Dr. Mann in Rostock, seit 1851 Mitglied des Vereins, durch verschiedene Aufsätze in den Jahrbüchern erkennbar als eifriger Förderer des Vereins. Weit mehr noch muß das nicht vor Aller Augen liegende Verdienst hervorgehoben werden, welches er sich um die Bearbeitung des Rostocker Raths=Archives, insbesondere der Stadtbücher für unsere Urkunden erworben hat. Ohne ihn hätten wir vielleicht auf eine, so wie sie vorliegt, immer noch weitestgehenden Bedürfnissen entsprechenden Einreihung der wichtigsten Daten dieser Art verzichten müssen. - Daß die ersten Bürgermeister unserer beiden Hansestädte: Geh. Hofrath Dr. Haupt und Dr. Giese auch von uns, zu denen sie als Mitglieder gehörten, zu betrauern sind, muß besonders erwähnt werden im Hinblick auf die liberale Forderung, welche sowohl die Literatur des Vereins wie auch sonst jedes Interesse desselben, z. B. durch Zutritts=Ertheilung zu den reichen Raths=Archiven, in beiden Städten erfahren hat. - Dies Jahr hat ferner dem Leben des Geheimen Legationsrathes von Prollius in Berlin ein Ziel gesetzt, der aus eigenem Studium, besonders der geschichtlichen Hülfswissenschaften dem Vereine, dessen Mitglied er lange Jahre war, reiche Zuwendungen hat machen können. - Auch des in gleichem Sinne thätigen, jüngst in hohem Alter entschlafenen Kammerpräsidenten und Oberjägermeisters zu Neustrelitz, unseres Ehrenmitgliedes Herrn von Voß, ist rühmend zu gedenken.

Der Vereins=Vorstand war in der Lage gewesen, seine statutenmäßigen Rechte überschreiten zu müssen, indem er ohne Zuziehung einer Schweriner Generalversammlung die Creirung des

Herrn Wirkl. Geh. Oberregierungsraths Dr. von Sybel zu Berlin, Directors der Kgl. Preußischen Staatsarchive,

zum Ehrenmitgliede bei Gelegenheit von dessen am 27. April 1888 stattfindenden 50jährigen Doctor=Jubiläum vollzog. Das erwünschte

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Ziel, besagtem Herrn an seinem Ehrentage selbst den schuldigen Dank abzustatten für viele dem Vereine bei Herausgabe des Urkundenbuchs bewiesene Zuvorkommenheiten, hätte nicht anders erreicht werden können. Die Versammlung gewährte bereitwilligst die beantragte Indemnität.

Sie genehmigte auch die weiteren Vorschläge des Herrn Präsidenten: den

Herrn Landdrost von Pressentin zu Dargun zum Ehrenmitgliede und den
Herrn Dr. Crull zu Wismar zum Ehrensenior

des Vereins zu ernennen. Welche Verdienste um ihn sich beide schätzbare Mitglieder erworben haben, braucht nicht auseinandergesetzt zu werden. Erhoffen wir von ihnen noch langjährige rüstige Mitarbeit!

Der letztgenannte Herr Dr. Crull ist in seiner Vereinswürde der dritte, indem nur der Gründer desselben, Geheime Archivrath Dr. Lisch und nach ihm unser unverdrossener, bis an sein Lebensende thätiger Rector Römer ihrer theilhaftig geworden sind.

Der Herr Präsident schloß den geschäftlichen Theil des Tages, um demnächst den Beginn des in Aussicht stehenden Soupers zu veranlassen. Fast alle anwesenden Vereins=Mitglieder nahmen Theil und hatten die hohe Ehre, Seine königliche Hoheit, unsern huldreichen Protector, auch hierbei gegenwärtig zu sehen. Der Präsident gedachte dieses Umstandes in warmen Worten und forderte zu einem Toast auf den allergnädigsten Gast auf. - Gegen 10 Uhr wurde die Tafel aufgehoben, worauf Se. Kgl. Hoheit auch noch weiter den Theilnehmern die Freude seiner Anwesenheit bereitete.

Die zum Theil schon in der Quartal=Versammlung welche am 8. Juli voraufgegangen war, erledigten Geschäfte der letzten Monate beschränkten sich meist auf Vorbereitungen zu dem bevorstehenden Feste. - Durch Tod oder Austritt verloren wir folgende ordentlichen Mitglieder:

1) Herrn von Uslar hieselbst, ausgetreten am 6. April, Mitglied seit dem 13. April 1885;

2) Herrn Amtsrichter Horn zu Schönberg, ausgetreten am 18. April, Mitglied seit dem 6. April 1880;

3) Herrn Gutsbesitzer Schlettwein auf Bandelstorf, gestorben am 20. April, Mitglied seit dem 12. Januar 1875;

4) Herrn Gymnasiallehrer Kraner zu Doberan, ausgetreten am 4. Mai, Mitglied seit dem 2. November 1883;

5) Herrn Rechtsanwalt Michaelsen zu Tessin, gestorben am 10. Mai, Mitglied seit dem 24. October 1884;

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6) Herrn Hofrath Steiner, gestorben am 5. Juni, Mitglied seit dem 9. September 1861;

7) Herrn Dr. med. Wegener, ausgetreten am 19. Juni, Mitglied seit dem 2. Juni 1882;

8) Herrn Amtmann Baumann zu Doberan, ausgetreten am 20. Juni, Mitglied seit dem 6. April 1880.

Dem steht mit einem Deficit von 6 Nummern ein Zuwachs von nur 2 Personen im letzten Quartal gegenüber. Es traten ein:

1) Herr Hofbuchhändler Kober in Ludwigslust am 12. April,

2) Herr Assessor Zelck zu Rostock am 3. Juni.

Der Gesammtbestand an ordentlichen Mitgliedern ist berechnet auf 484. Die Ehrenmitglieder sind durch das bezw. am 27. Juni d. J. und 20. Juli v. J. erfolgte Ableben der Herren Oberlandesgerichts=Senatspräsident Dr. Mann zu Rostock und Kammerpräsident von Voß zu Neustrelitz auf die Zahl von 16 reducirt worden. Correspondirende Vereine und Personen führen wir jetzt 219.

Der Ausschuß besteht im kommenden Jahrgang aus folgenden Mitgliedern:

Präsident: Herr Staatsminister von Bülow, Exc.;
Vice=Präsident: Herr Staatsrath von Bülow, Exc.;
Erster Secretair: Herr Archivrath Dr. Grotefend;
Zweiter Secretair: der Unterzeichnete;
Bilderwart: Herr Landgerichtsrath Schlettwein;
Bibliothekar: Herr Regierungs=Bibliothelar Dr. Schröder:
Rechnungsführer: Herr Ministerialregistrator Schwerdtfeger;

Repräsentanten: Herr Geh. Finanzrath Balck;
   "    Ministerialsecretair Hofrath Dr. Piper;
   "    Oberstlieutenant von Weltzien;
   "    Amtsverwalter von Oertzen.

Der Rechenschaftsbericht über die Cassenführung im Jahre 1888/89 erfolgt anbei. Die Berichte über den Zuwachs der Vereinssammlungen werden später nachgetragen werden.

Dr. E. Saß, Archivar,      
als 2. Secretair des Vereins.   

Nach sachlicher Berichtigung des geschäftlichen Theils ausgegeben im August 1890.

Namens des Ausschusses:     
Grotefend, 1. Secretair.     


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Anlage.
horizontale Klammer

Vereins=Rechnung 1888/89.

Vereins-Rechnung
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